Die Begründung des Denkmals

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Die Begründung des Denkmals
Universität Zürich | Historisches Seminar | Prof. Dr. Béatrice Ziegler, Dr. Konrad Kuhn | BA
Seminar Neuzeit: Denkmalstreit – Geschichtspolitik um Denkmäler (19./20. Jahrhundert) | FS 2012
Die Begründung des Denkmals für die Juristin Dr. Emilie
Kempin-Spyri (1853-1901).
Erste Dozentin und Privatdozentin an der Universität Zürich und Kämpferin für
die Gleichberechtigung der Frau.
Susanne Böni | [email protected]
5. Semester Bachelor of Arts | 1. NF Geschichte der Neuzeit | HF Populäre Kulturen
Abgabedatum: 22.1.2013
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 2 Was ist ein Denkmal? 4 2.1 Funktion 4 2.2 Merkmale 5 2.3 Entstehung 6 3 Der rastlose Kampf einer Pionierin 6 3.1 Leben und Wirken von Emilie Kempin­Spyri 6 3.2 Spätes Gedenken 8 4 Geschichtswissenschaftliche Betrachtung der Chaiselongue 4.1 Standort und Beschreibung des Denkmals 4.2 Entstehungsgeschichte 9 9 11 4.2.1 Anstoss/Initiantinnen 11 4.2.2 Künstlerischer Auftrag 12 4.2.3 Finanzierung 12 4.3 Einweihung 13 4.3.1 Die Einladung 13 4.3.2 Die geladenen Gäste 14 4.3.3 Die Reden 14 4.4 Die Enthüllung des Denkmals 18 5 Denkmäler für Frauen in Zürich 18 6 Schlussfolgerungen 20 7 Quellen 23 8 Darstellungen 23 9 Anhang 26 I Lebenslauf II Einladungskarte III Reden IV Würdigung der Mitarbeitenden 1
1
Einleitung
Am 22. Januar 2008 wurde im Lichthof der Universität Zürich das Denkmal für Emilie
Kempin-Spyri, der ersten Privatdozentin an der Universität Zürich enthüllt. Es ist eines der wenigen Denkmäler in Zürich, das einer historischen, weiblichen Person gewidmet ist.1
In dieser Arbeit soll die Begründung dieses Denkmals für Emilie Kempin-Spyri
dargelegt und untersucht werden. Ein Schwerpunkt soll dabei die Betrachtung sein,
wer an dieser Denkmalsbegründung beteiligt war und wie sich die Beteiligten zum
Denkmal stellen. Im Weiteren soll aufgezeigt werden welchen Stellenwert das
Denkmal als solches für Zürich und für die Frauen hat.
Da eine allgemeinverbindliche Systematik zur Analyse von Denkmälern fehlt,
werde ich für die Untersuchung des Denkmals verschiedene Kriterienraster kombinieren. Einerseits die im Seminar „Denkmalstreit: Geschichtspolitik um Denkmäler
(19./20. Jh.)“ erarbeiteten geschichtswissenschaftlichen Untersuchungsschritte:
Entstehungsgeschichte (Bau, Finanzierung, Wettbewerb)
Debatte über das Denkmal
Einweihung
rituelle Sinngebung, „Nutzungsgeschichte“ (was passiert am Denkmal? Wiederholung
der Weihung, wer pflegt?)
Umwidmungen, Änderungen, Revisionen
Bedeutung für verschiedene ZeitgenossInnen
Verschiebung (Debatte?), Abbruch (Debatte?)
und andererseits die von Urs Hobi, im Kapitel Denkmäler, aus: „Das Kunstschaffen in
der Schweiz 1848-2006“2 beschriebenen Kriterien:
Botschaft/Appell
künstlerisches Programm
Finanzierung, Wettbewerb
Standort
Einweihung
Vertiefte Einsichten in das Thema der Denkmäler erhielt ich aus: ‚Zeitzeichen für eine
Ewigkeit’ von Georg Kreis, der die 300 Jahre alte Denkmalsgeschichte der Schweiz
1
2
Vgl. Hebeisen, Namenlose Nacktheiten, S. 70-72.
Hobi, Denkmal, S. 125-137.
2
aufzeigt und ordnet.3 Ebenfalls sehr hilfreich war das bereits erwähnte Kapitel
‚Denkmäler’ von Urs Hobi aus dem Werk ‚Das Kunstschaffen in der Schweiz’.4
Die Entstehungsgeschichte des Denkmals, die Biographie für Emilie KempinSpyri und viele weitere Informationen rund um die Begründung des Denkmals sind
von der Abteilung Gleichstellung der Universität Zürich aufgearbeitet und im Internet
veröffentlicht worden.5 Diese ausgezeichnete Internetdokumentation war eine sehr
grosse Unterstützung für die Recherchen.
Grundlage zu dieser Untersuchung waren die Akten zum Denkmal aus dem
Archiv der Universität Zürich. Diese bestehen zum grössten Teil aus: E-Mail- und
Brief-Korrespondenzen, Protokollauszügen und Veranstaltungshinweisen. Seltener
sind sie in Form von handschriftlichen Notizen/Briefen vorhanden. Leider sind noch
nicht alle Unterlagen zum Denkmal von Emilie Kempin-Spyri archiviert. Da alle diese
Akten der 10-jährigen noch nicht abgelaufenen Sperrfrist unterliegen, mussten die
Personendaten für diese Arbeit anonymisiert werden.
Für ihre Unterstützung und ihre wertvollen Hinweise danke ich Frau lic. phil.
Silvia Bolliger Leiterin vom Universitätsarchiv der Universität Zürich (UZH) und Frau
Dr. Elisabeth Maurer Abteilungsleiterin der Abteilung Gleichstellung UZH ganz herzlich.
3
Kreis, Zeitzeichen für die Ewigkeit. 300 Jahre Denkmaltopografie, Zürich 2008.
Hobi, Denkmal, S. 125-137.
5
Www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html [Stand: 10.10.2012].
4
3
2
Was ist ein Denkmal?
2.1
Funktion
Ein Denkmal – eine Figur, Plastik oder Architektur – hat primär die Aufgabe an ein
bestimmtes Ereignis oder an eine bestimmte Person zu erinnern.6 Erinnert wird jedoch nicht nur der geehrten Persönlichkeit oder an das Ereignis, auch an die InitiatorInnen des Denkmals selber mit ihrer Weltanschauung soll erinnert werden.7 Erinnern
ist ein Prozess der in Gang kommt, wenn Vergangenes aktualisiert wird und ist ein
kontextabhängiger kommunikativer Vorgang: Bilder der Vergangenheit werden vergegenwärtigt und die Menschen vergewissern sich somit sich und ihrer Zukunft.8
Ein Denkmal stellt somit einen konkreten Bezug aus der Gegenwart in die Vergangenheit her und macht zudem eine Aussage in die Zukunft. Um diese Aufgabe zu erfüllen, muss es „von seiner Entstehung her und auch nach seiner Errichtung in einen
Kommunikationsprozess eingebettet“ sein.9 Die eigentliche „Sinnstiftung“, welche mit
dem Denkmal verbunden ist, wird ihm zumeist bei der Einweihung zugesprochen und
diese Sinngebung wird wiederum durch den rituellen Nachvollzug, (auch Nutzungsgeschichte genannt) regelmässig erneuert.10 Die Debatten um Denkmäler und Gedenkstätten sind ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur und „die Aktualität und die
Daseinsberechtigung eines Denkmals beruht letztlich auf der öffentlichen, kollektiven
und privaten Auseinandersetzung mit seiner Botschaft.“11 Mittigs Definition des
Denkmals besitzt hohe Gültigkeit:
„[E]in in der Öffentlichkeit errichtetes und für die Dauer bestimmtes selbständiges
Kunstwerk, das an Personen oder Ereignisse erinnern und aus dieser Erinnerung einen Anspruch seiner Urheber, eine Lehre oder einen Appell an die Gesellschaft ableiten und historisch begründen soll.“12
Denkmäler sind, so Weigand, auch im 21. Jahrhundert noch populär, vor allem als
Träger von politischen Botschaften, als Vermittler politisierter Deutungen der Ver-
6
Im 18. Jh. sind es in der Schweiz Schrifttafeln, Portrait-Medaillons an Hausfassaden, Bildnisbüsten
und architektonische Zeichen wie zum Beispiel Obelisken. Im 19. Jh. sind es Standbilder oder Szenen mit mehreren Figuren. Vgl. Hobi, Denkmal, S. 127.
7
Vgl. Weigand, Denkmäler, S. 456.
8
Vgl. Tanner, Erinnern/Vergessen, S. 77.
9
Vgl. Spillmann zitiert nach: Reusse, Grenze der Sprachfähigkeit, S. 16.
10
Vgl. Schmid, Zeugnisse, S. 59.
11
Vgl. Hobi, Denkmal, S. 136.
12
Mittig zitiert nach: Kreis, Zeitzeichen, S. 131.
4
gangenheit oder als Medium der öffentlichen staatlichen Selbstdarstellung.13
2.2
Merkmale
Ein Denkmal ist ein Zeichen auf Dauer, das heisst es reicht über die eigene Lebenszeit hinaus, seine Botschaft soll auch noch die nächste Generation erreichen. Es ist,
so Reusse, ein „Zeichen auf lange Frist“ und verfügt deshalb über eine besondere
„Speicherungsqualität“: die dauerhafte Präsenz bedingt die beiden Faktoren Material
und Aufstellungsort. Es muss zudem für die Allgemeinheit decodierbar sein.14
Denkmäler können gegenständlich wie Abbilder der Geehrten, Symbole, Allegorien
oder auch ungegenständlich sein. Mittig unterscheidet zwei Typen von ungegenständlichen Denkmälern: 1. Abstrahierende Abwandlungen von Figurendenkmal,
Denkmalzeichen und Denkmalarchitektur und 2. aus der ungegenständlichen Malerei
und Plastik entwickelte neue Motive, welche zu Trägern mit entsprechender Bedeutungen gemacht werden müssen.15 Von den Denkmals-Gattungen Figur, Plastik und
Architektur sind verschiedene Abstraktionsvorgänge zu beobachten und Reusse beschreibt das ungegenständliche Denkmal folgendermassen: „Weder spiegelt es die
äussere Realität in mimetischen Sinne wider (wie das figürliche bzw. gegenständliche Denkmal), noch bringt es seine Aussage in konventionalisierter Zeichensprache
sinnbildhaft zur Geltung (wie das emblematische Denkmalzeichen bzw. -symbol).“16
Ein wesentliches Element des Denkmals ist der Sockel. Dieser dient einerseits der
Erhöhung des Dargestellten und entrückt ihn von der „Massstäblichkeit der Umgebung“17 und andererseits werden auf ihm komplexere Inhalte als die Eckdaten der
oder des Geehrten vermittelt. „Bezeichnend ist, dass Denkmäler kaum ohne das Medium der Inschrift auskommen.“18
Als Standort eines Denkmals kommt der öffentliche nicht sakrale Raum in Frage.
Kreis unterscheidet dazu den extrem öffentlichen Standort (Marktplatz) vom halböffentlichen Standort (botanische Gärten, Parks, Höfe, Innenräume von Ratshäusern,
Bibliotheken, Schulen etc.).19 „Durch die Errichtung des Denkmals im öffentlichen
Raum ‚gehört’ es der Allgemeinheit, es wird ihr ja auch im Rahmen der Einweihungs-
13
Vgl. Weigand, Denkmäler, S. 401.
Reusse, Grenze der Sprachfähigkeit, S. 17 f.
15
Vgl. Mittig zitiert nach: Reusse, Grenze der Sprachfähigkeit, S. 23.
16
Reusse, Grenze der Sprachfähigkeit, S. 25 f.
17
Vgl. Hobi, Denkmal, S. 128.
18
Hobi, Denkmal, S. 127.
19
Vgl. Kreis, Zeitzeichen, S. 112.
14
5
feierlichkeiten geschenkt. Das heisst, die Allgemeinheit muss es annehmen, ob sie
es will oder nicht.“20
2.3
Entstehung
Die Urheberschaft entwickelt die Idee zur Denkmalsetzung. Sie verewigt und rechtfertigt sich durch die Denkmale mit ihren politischen Grundwerten.21 Hobi bemerkt,
dass es vor allem Männer sind, welche geehrt werden und dass die Frauen in der
Schweizer Geschichte als handelnde Persönlichkeiten kaum im kollektiven Bewusstsein Platz bekommen haben: „Die Präsenz von Frauen im vom Männer dominierten
‚Nationaltheater’ ist verschwindend klein.“22 Kreis präzisiert, dass der öffentliche
Raum in der Regel herrschaftlich besetzt wird und dieser nur Geltendes beanspruchen darf.23 Laut Hans-Dieter Schmid, müssten in Demokratien „alle relevanten gesellschaftlichen und politischen Gruppierungen die gleichen Chancen haben, den öffentlichen Raum für ihre Anliegen in Anspruch zu nehmen“.24
Die glaubwürdige Kommunizierung der Denkmalwürdigkeit des Sujets gegenüber der
Öffentlichkeit betont Hobi besonders und nennt die „keywords“ des Denkmalkommitees: „Publicity, Fundraising und Marketing.“25 Die Formulierung einer Botschaft und
Entwerfen eines künstlerischen Programms, die Beschaffung der Finanzen, die Ausschreibung eines Wettbewerbs sowie die Wahl des Standorts und die Organisation
der Einweihungsfeierlichkeiten. würden meistens von einem eigens gebildeten
Denkmalkomitee übernommen.26
3
Der rastlose Kampf einer Pionierin
3.1
Leben und Wirken von Emilie Kempin-Spyri
Emilie Kempin-Spyri war die erste Schweizerin, die sich für das Studium an der
Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät an der Universität in Zürich immatri-
20
Kreis, Zeitzeichen, S. 114.
Vgl. Hobi, Denkmal, S. 128 f.
22
Ebd., S. 130.
23
Vgl. Kreis, Zeitzeichen, S. 122.
Er unterscheidet deshalb die inhaltlich definierten Formen der Institutsdenkmäler, Kriegsdenkmäler,
Personendenkmäler von den ‚Randständigen Denkmälern’, in welchen er die gesellschaftlich und
politisch wenig etablierten Denkmalformen aufzeigt, unter anderem die „Ehrungen der Frauen“. Vgl.
Kreis, Zeitzeichen, S. 365.
24
Vgl. Schmid, Zeugnisse, S. 57.
25
Vgl. Hobi, Denkmal, S. 126.
26
Ebd., S. 126.
21
6
kulierte27. Nach der Matura 1885 begann sie mit dem Jura-Studium und promovierte
1887 mit magna cum laude als erste Schweizer Juristin.28 Ihr erstes Habilitationsgesuch, sie wurde ein Jahr nach ihrem Studienabschluss als Nachfolgerin eines Privatdozenten vorgeschlagen, wurde 1888 aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt. Auch
das Anwaltspatent wurde ihr verweigert. Somit durfte sie nicht vor Gericht auftreten,
da sie eine Frau war und das erforderliche Stimm- und Wahlrecht, das Voraussetzung für diesen Beruf war, nicht besass.29 Ihre 1887, noch in ihrer Studienzeit, eingereichte staatsrechtliche Beschwerde gegen diese Diskriminierung als Frau und für ihre rechtliche Gleichstellung war die erste Gleichstellungsklage in der Schweiz überhaupt.30 Diese wurde vom Bundesgericht mit der Begründung abgelehnt:
„[...] Wenn nun die Rekurrentin zunächst auf Art. 4 der Bundesverfassung abstellt
und aus diesem Artikel scheint folgern zu wollen, die Bundesverfassung postulire die
volle rechtliche Gleichstellung der Geschlechter auf dem Gebiete des gesammten öffentlichen und Privatrechts, so ist diese Auffassung ebenso neu als kühn; sie kann
aber nicht gebilligt werden.[... ]“31
Erst 1891 erhielt sie im zweiten Versuch eine Zulassung als Privatdozentin. Obwohl
der Senat der Universität Zürich dem Erziehungsrat empfahl, das Gesuch von Emilie
Kempin-Spyri abzulehnen (u.a. wurde das Absinken des wissenschaftlichen Niveaus
befürchtet32), erteilte ihr dieser am 15.12.1892‚ ausnahmsweise’ die venia legendi für
römisches, englisches und amerikanisches Recht. Ihr zweites Gesuch um die Zulassung als Anwältin wurde jedoch vom Kantonsrat abgewiesen.33 Am 4. März 1892
hielt Emilie Kempin-Spyri, als erste Privatdozentin an der Universität Zürich und als
erste habilitierte Juristin der Schweiz, ihre Antrittsvorlesung.34
Sie hatte sich ihr ganzes Leben für die Gleichstellung der Frauen eingesetzt.
In den USA praktizierte sie als Rechtsanwältin und gründete und leitete unter anderem eine private Rechtsschule für Frauen.35 In der Schweiz gründete und leitete sie
u.a. eine Rechtsschule für Laien, gab die Zeitschrift „Frauenrecht“ heraus,36 gründete
27
Als erste Studentin an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich
immatrikulierte sich 1872 die Russin Elizaveta Bogulavska für zwei Semester. Vgl. Streiter, Rechtsund Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 177.
28
Vgl. Biographie, <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 16.11.2012].
29
Vgl. Streiter, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 178.
30
Vgl. Joris, Gleichstellung, <www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16499.php> [Stand: 16.10.2012].
31
BGE 13 I 1, E. 2.
32
Vgl. Streiter, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 181.
33
Vgl. Chronologischer Lebenslauf, <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 16.11.2012].
34
Vgl. Streiter, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 181.
35
Ebd., S. 178. Vgl. auch Chronologischer Lebenslauf, <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html>
[Stand: 16.11.2012].
36
Vgl. Chronologischer Lebenslauf, <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 16.11.2012].
7
in Zürich den „Frauenrechtsschutzverein,“37 , veröffentlichte eine Arbeit über die
Rechtsstellung der Frau im künftigen Privatrecht der Schweiz’ und trat als erste Frau
dem ‚Schweizerischen Juristenverein’ bei.38 Bis 1895 unterrichtete sie zudem an der
Handelsklasse der Höheren Töchterschule.39 Sie publizierte „eine selbständige
Schrift zur Rechtsstellung der Frau in den Entwürfen zum Bürgerlichen Gesetzbuch“.40
In Berlin pflegte sie Kontakte zur bürgerlichen Frauenbewegung Deutschlands
und dozierte an der Humboldt-Akademie Privatrecht und Deutsches Familienrecht.41
1897 wurde Emilie Kempin-Spyri wegen ‚Geisteskrankheit’ in die Berliner Heil- und
Pflegeanstalt ‚Berolinum’ eingewiesen und erst 1899 in die ‚Irrenanstalt Friedmatt’ in
Basel verlegt, wo sie am 12. April 1901 starb, ohne dass sie die Anstalt noch einmal
hätte verlassen dürfen.42
3.2
Spätes Gedenken
Über hundert Jahre nach ihrem Tod werden ihr Einsatz und ihr Wirken geehrt. Eng
verbunden mit der Idee der Denkmalerstellung ist die Frauenzunft Gesellschaft zu
Fraumünster in Zürich. Sie ersuchte, anlässlich des Geburtstags von Emilie KempinSpyri, der sich im Januar 2004 zum 150. Mal jährte, um das Gastrecht für die Ehrung
und die Anbringung einer Plakette am Wirkungsort von Emilie Kempin-Spyri.43 Anstoss zur Ehrung erhielt die Frauenzunft wiederum von Eveline Hasler, die das Leben von Emilie Kempin-Spyri in ihrer Roman-Biographie „Die Wachsflügelfrau“ aufgearbeitet und die auch schon 1992 an der Enthüllung einer Gedenktafel am Geburtshaus von Kempin-Spyri in Altstetten, aus ihrem Buch vorgetragen hatte.44 Die
Abteilung Gleichstellung der Universität Zürich schlug daraufhin der Universitätsleitung vor, zusätzlich eine dauerhafte Erinnerung an Emilie Kempin-Spyri einzurichten.
Das entstandene Denkmal im Lichthof ist somit die Manifestierung einer längeren
Auseinandersetzung mit der adäquaten Ehrung des Schaffens von Emilie KempinSpyri in der UZH.
37
Vgl. Chronologischer Lebenslauf, <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 16.11.2012].
Ebd.
39
Ebd.
40
Ebd.
41
Vgl. Streiter, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 182.
42
Vgl. Chronologischer Lebenslauf, <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 16.11.2012].
43
Vgl. UAZ, E.6.1.059: 10 Varia/Vorgeschichte.
44
Vgl. UAZ, AB.1.0518: Einladung zur feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel am Geburtshaus von
Emilie Kempin-Spyri 18.3.1853-12.4.1901.
38
8
4
Geschichtswissenschaftliche Betrachtung der Chaiselongue
4.1
Standort und Beschreibung des Denkmals
Die Chaiselongue, das Denkmal für Emilie Kempin-Spyri, steht im Lichthof, dem Zenrum des Kollegiengebäudes I der Universität Zürich.45 Der Lichthof war bis 1972 mit
dem sogenannten „Göttergarten“, den Gipskopien und anderen Objekten aus der archäologischen Sammlung, bestückt.46 Der Lichthof ist ein wichtiger Ort im universitären Leben, er ist Aufenthalts, Durchgangs- und Zugangsraum, es finden Ausstellungen, Informationsveranstaltungen, Apéros und viele andere Anlässe mehr statt.
Im Lichthof steht das Denkmal im halböffentlichen Raum. Dieser wurde vom Rektor
Hans Weder 2007 auch als „Symbol der Erleuchtung“47 bezeichnet. Das Denkmal soll
dort für mindestens sechs Monate im Jahr plaziert sein.48 Es fügt sich in die alltägliche Nutzung des Lichthofes ein und ist somit ein prägender und gestaltender Teil
des Raumes.
Das Denkmal, eine riesige Chaiselongue mit Nackenrolle und einem Schemel,
steht auf einem dazugehörenden grossen runden Teppich. Es misst ca. 4 auf 2 Meter und ist 100 cm hoch (Sitzhöhe). Die Bezüge der drei Elemente sind blau. Der
Stoff der Chaiselongue wie des Schemels ist mit silbernem Faden bestickt. Auf ersterer steht als fortlaufendes Motiv: PD Prof. Dr. iur. Emilie Kempin-Spyri. Auf dem
Schemel ist zu lesen:
PD Prof. Dr. iur. Emilie Kempin-Spyri 1853-1901
Erste Schweizerin, die als Juristin promovierte,
Erste Dozentin an der Universität Zürich,
Sie kämpfte zeitlebens für ihre Zulassung als Anwältin.
Bitte Schuhe ausziehen!
Max. 10 Personen.
Der Rahmen und die Füsse des Objekts sind aus Buchenholz und mit üppigen
Schnitzereien versehen: Bienen, Blumen und Schmetterlinge. Die Füsse sind Adlerkrallen nachempfunden und umfassen an ihrem unteren Ende jeweils eine (Welt-)
45
Das Gebäude, von den Architekten Karl Moser und Robert Curjel entworfen und 1914 fertiggestellt,
steht unter Denkmalschutz und wurde von 1991-2006 saniert.
46
Vgl. <http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2008/welche-schoenheit-erhabenheit-und-groesse-diearchaeologische-sammlung-im-zentrum-der-universitaet.html#> [Stand: 4.1.2013].
47
Vgl.
<http://www.hochbauamt.zh.ch/internet/baudirektion/hba/de/ueber_uns/veroeffentlichungen.html>
[Stand: 5.1.2013].
48
Vgl. UAZ, E.6.1.059: 2 Sitzungen/Aktennotizen, Adressliste Arbeitsgruppe Kempin-Spyri.
9
Kugel, auf der fein die Umrisse der fünf Kontinente eingeritzt sind.
Auf dem Rahmen des Kopfteils ist von der Künstlerin in kleiner Handschrift mit
goldenem Schriftzug vermerkt:
2008  P. Rist dankt www.kempin-spyri.uzh.ch
Schule für Holzbildhauerei Brienz, Schreinerei Schönenberger, Rabazo Metallbau,
Thaler Raumgestaltung, Schweizerische Textilfachschule, Stickerei Sonderegger,
Markus Huber Recabarren, Thomas Rhyner, Rachele Giudici, enia carpet Schweiz
Bei der Produktion des Objekts kam fast ausschliesslich ostschweizerisches Handwerk zum Zug. Die Stickerei auf den Bezügen des Denkmals vermittelt die Informationen, die sonst üblicherweise als Inschrift auf einem Sockel zu lesen sind. Die Entrückung von der „Massstäblichkeit der Umgebung“49 wird einerseits durch den runden, ebenfalls blauen Teppich und andererseits durch die doppelte Grösse einer
herkömmlichen Chaiselongue gebildet: ein bekannter Alltagsgegenstand wird überhöht in der Bedeutung. Es ist weder ein abstraktes noch ein figürliches Denkmal, die
Chaiselongue ist nicht als Gegenstand abstrakt, die Wahrnehmung löst die Abstraktion aus. Das Denkmal steht für mehr, als es darstellt. Um es zu verstehen, braucht
es Informationen. Die geschnitzten Ornamente im Holzrahmen geben einige Hinweise: die Bienen, ein Symbol für unermüdlichen Fleiss, der Schmetterling als Symbol
für Verwandlung, die Weltkugeln als Zeichen der universellen Dimension des Gegenstandes der Erinnerung geben die Richtung an. Die Künstlerin selber brachte zur
Sprache, wie das Denkmal zu verstehen ist: Der Massstab 2:1 lässt die Menschen,
die es erklimmen wollen klein und wie Kinder erscheinen, so müsse sich Emilie
Kempin-Spyri wegen der diversen Ablehnungen gefühlt haben. Die Übergrösse soll
zudem die historisch monumentale Bedeutung der Geehrten spiegeln. Die Vorreiterarbeit von Emilie Kempin-Spyri, wird durch das „Bestiegen werden dürfen“ der Chaiselongue symbolisiert – die Generationen nach ihr sollen sich auf ihrer Arbeit ausruhen und darauf aufbauen können.50 Dieses Denkmal ist ausdrücklich zum Gebrauch
bestimmt. Die ästhetische Gestaltung des Denkmals ist an die Zeit angelehnt, in welcher Emilie Kempin-Spyri gelebt hat.
„Die Formensprache des Möbels ist ganz 19. Jahrhundert. Die ornamentale Buchenschnitzerei, durchsetzt mit Paragraphen und Bienen, erinnert noch an die Zeit, die der
Moderne noch nicht direkt in die Augen sehen wollte.“51
49
Vgl. Hobi, Denkmal, S. 128.
Vgl. <http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik/kempin-spyri/denkmal.html> [Stand: 5.1.2013].
51
Vgl. Philip Ursprung Professor für Moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Zürich
zum Denkmal in: <http://www.sciencealumni.uzh.ch/Fakultaetstag/Vortrag3/unimagazin-2008-1.pdf>
[Stand: 5.1.2013].
50
10
4.2
Entstehungsgeschichte
4.2.1 Anstoss/Initiantinnen
Die Idee zur dauerhaften Erinnerung kam von, im weiteren Sinne „Betroffenen“, d.h.
von engagierten Frauen, welche gegenwärtig die Ungleichbehandlung der Geschlechter thematisieren und den entsprechenden Raum in Beruf und Gesellschaft
für sich einfordern. Die Frauenzunft Gesellschaft zu Fraumünster in Zürich, setzt sich
seit 1989 unter anderem dafür ein, dass bedeutende Frauen für Zürich nicht vergessen werden.52 Die Abteilung Gleichstellung der UZH, ist bestrebt, die tatsächliche
Gleichstellung von Frau und Mann an der UZH zu erreichen. Ein Schwerpunkt ihrer
Arbeit
liegt in der „ausgewogenen Vertretung beider Geschlechter in allen Gremien der
UZH.53 Es gelang ihnen, die Institution, welche vor über hundert Jahren Frauen und
darunter Emilie Kempin-Spyri diskriminierte, als tragende Partnerin für die Idee zu
gewinnen. Im April 2004 wurde von der Universitätsleitung eine Arbeitsgruppe54 beauftragt, zusammen mit zusätzlichen Fachleuten55 die „Art des Denkmals zu finden“.56
Bereits an ihrer ersten Sitzung im Juni 2004 wurde eine zeitgemässe Ehrung für Emilie Kempin-Spyri sowie die Anfrage für einen Projekt-Vorschlag an die Künstlerin Pipilotti Rist beschlossen.57 Die beigezogenen Fachleute verfassten ausserdem im Juli
2004 ein Gutachten, in welchem sie die favorisierte Portraitbüste als erste Idee „als
eine unserer Zeit nicht mehr adäquaten Form der Ehrung“58 erachteten und vorschlugen:
„Die wissenschaftliche Leistung von EKS soll mit einer Ehrung nachhaltig im Bewusstsein der Studierenden, Besucherinnen und Besucher sowie in der Öffentlichkeit
verankert werden mit einem Kunstwerk, das durch seine künstlerische Qualität überzeugt. Es wird als wünschenswert erachtet, eine Künstlerin zu beauftragen, die sich
mit ihrem Schaffen für diese Aufgabe qualifiziert, durch ihre unverwechselbare Sprache und durch die Auseinandersetzung mit aktuellen, gesellschaftlich relevanten
Themen. Die Form des Kunstwerks (Medium, Ausdrucksmittel) soll in der Entscheidungskompetenz der Künstlerin liegen. Auch auf der inhaltlichen Ebene sollen keine
Vorgaben gesetzt werden. Der Standort (Aula, Calatrava Bibliothek des RWI, etc) soll
52
Die Gesellschaft zu Fraumünster setzt sich auch für die Integration der Frauenzunft am traditionell
immer noch von Männern geprägten Sechseläuten ein. Vgl.
<http://www.fraumuenstergesellschaft.ch/> [Stand: 12.1.2013].
53
Vgl. <http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik.html> [Stand: 12.1.2013 ].
54
Heinzpeter Stucki, Adjunkt des Generalsekretärs, Maximilian Jäger, Leiter Rektoratsdienste und Elisabeth Maurer, Leiterin Uni Frauenstelle.
55
Bice Curiger, Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin, 1999-2000 Mitglied des Universitätsrates UZH,
Urs Hobi, Kunsthistoriker und Gabriela Lutz Kunsthistorikerin.
56
Vgl. UAZ, E.6.1.059: 10 Varia/Vorgeschichte.
57
Vgl. UAZ, E.6.1.059: 2 Sitzungen/Aktennotitzen, Adressliste Arbeitsgruppe Kempin-Spyri.
58
Ebd.
11
nicht vorgängig festegelegt werden, sondern im Zusammenarbeit mit der Künstlerin
evaluiert werden. Es ist das Ziel, Dr. Emilie Kempin-Spyri mit einem Kunstwerk zu ehren, das prominent im Universitäts-Alltag in Erscheinung tritt.“59
4.2.2 Künstlerischer Auftrag
Für das geplante Denkmal wurde kein Wettbewerb ausgeschrieben, die Künstlerin
Pipilotti Rist wurde direkt angefragt und war von der Aufgabe begeistert und sagte
zu.60 Die einzige Einschränkung aufseiten der Universitätsleitung war, keine Videoinstallation in der Aula einzurichten.61
Die Künstlerin machte Ende 2005 zwei Konzept-Vorschläge: eine Chaiselongue sowie einen überdimensionalen Namensschriftzug im Lichthof. Im Frühjahr
2006 entschied sich die Universitätsleitung für das Projekt „Chaiselongue“.62 In poetischer Freiheit gab die Künstlerin Pipilotti Rist Emilie Kempin-Spyri den Titel Professorin und berührte damit einen wunden Punkt. Emilie Kempin-Spyri wurde zwar in
den USA zur Professorinnen berufen, in der Schweiz war sie hingegen Privatdozentin und nie Professorin.63 In der Folge wurde eine posthume Verleihung des Professorinnen-Titels an Emilie Kempin-Spyri von der Universitätsleitung zusammen mit einer
Expertin und einem Experten diskutiert, von der Universitätsleitung jedoch mit der
Begründung abgelehnt, dass man zur Vergangenheit stehen und die Geschichte
nicht nachträglich verändern wolle.64 Die Künstlerin löste das Problem kreativ, indem
sie die Bezeichnung PD Prof. vor den Namen der Geehrten als Motiv auf den Bezug
sticken liess.
In der Folge übernahm die Universitätsleitung zusammen mit einer externen
Fachfrau die Projektleitung. Die Debatte um das Denkmal, die Diskussionen um
Standort und Form, fand weitgehend universitätsintern statt und wurden innerhalb
der Arbeits- respektive Projektleitungsgruppen geführt. Eine breitere öffentliche Debatte zur Denkmalsbegründung gab es nicht.
4.2.3 Finanzierung
Die Kosten für das Denkmal können anhand der vorliegenden Akten nicht eruiert
werden. Sicher ist, dass die Kosten über das Hochbaudepartement des Kantons Zü-
59
UAZ, elektronische Ablage, noch keine Signatur, aus dem Gutachten von Bice Curiger, Urs Hobi,
Gabriele Lutz vom 8.7.2004.
60
UAZ, E.6.1.059: 1 Korrespondenz.
61
Vgl. UAZ, E.6.1.059: 2 Sitzungen/Aktennotitzen, Adressliste Arbeitsgruppe Kempin-Spyri.
62
Ebd.
63
Vgl. UAZ, E.6.1.059: 10 Varia/Vorgeschichte.
64
Ebd.
12
rich verrechnet wurden.65 Anfangs 2006 entstand ein Konflikt zwischen Universitätsleitung und Baudirektion. Die anfänglich wohlwollende finanzielle und fachliche Unterstützung der Baudirektion wendete sich in eine ablehnende Haltung und es wurde
befürchtet, dass das Projekt nicht realisiert werden könnte. Die Diskussionen um die
Kostenübernahme erreichte die Öffentlichkeit jedoch nicht, sie fand zwischen den
kantonalen Institutionen statt. Mit Unterstützung der Kantonsregierung gelang es
schliesslich, das Projekt finanziell abzusichern und zu realisieren.66 Eine öffentliche
Debatte zur Finanzierung der Denkmalsbegründung fand nicht statt.
4.3
Einweihung
Die Einweihungsfeier wurde von einem Komitee organisiert in welchem die Rechtswissenschaftliche Fakultät sowie die Abteilung Gleichstellung vertreten waren.67 Mittels Postern, Flyer, Einladungskarten68, Medienmitteilungen und Hinweisen auf den
elektronischen Plattformen der Universität Zürich Zentrum wurde zum Symposium
und zur Denkmalenthüllung eingeladen. Ausgewählte Journalistinnen und Journalisten wurden persönlich kontaktiert. Veranstaltungshinweise wurden im Züritipp, in
der Neuen Zürcher Zeitung, im Kunstbulletin, im unijournal, unipublic, unimagazin
und ROSA69 geplant.70
4.3.1 Die Einladung
Das Programm zur Feier stellt neben dem Ablauf eine Kurzfassung der vier Reden,
eine Kurzbiographie zu Emilie Kempin-Spyri und der Entstehungsgeschichte des
Denkmals vor und leitet ein:
„Mit einem Denkmal von Pipilotti Rist ehrt die Universität Zürich Emilie Kempin-Spyri
als erste Schweizerin, die als Juristin promovierte und habilitierte, als erste Privatdozentin der Universität Zürich und als Pionierin für die Gleichstellung der Frau.“71
65
Vgl. UAZ, elektronische Ablage, noch keine Signatur, Ausgaben für die Einweihung des Denkmals
von Frau PD iur. Kempin-Spyri Stand 1.7.2008: Kunstwerk Chaiselongue mit Schemel und Honorar
der Künstlerin – Hochbauamt.
66
Vgl. UAZ, elektronische Ablage, noch keine Signatur, Korrespondenz zwischen Hochbaudepartement und Unileitung.
67
Es waren von der Abt. Gleichstellung der UZH Elisabeth Maurer und Angela Zimmermann, vom
Stab Prorektorat Stefanie Keiser und Marcel Senn Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät.
Vgl. UAZ, E.6.1.059, Planung/Kommunikationskonzept/Medienarbeit im Vorfeld.
68
Siehe dazu die Karte im Anhang.
69
Zeitschrift für Geschlechterforschung an der UZH.
70
Vgl. UAZ, elektronische Ablage, noch keine Signatur, Kommunikationskonzept Emilie Kempin-SpyriFeier vom 22.1.2008.
71
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik/kempin-spyri/denkmal/Einladung_Kempin-Spyri.pdf>
[Stand: 29.12.2012].
13
Die Künstlerin Pipilotti Rist legte ihre Gedanken und Gebrauchs-Aufforderungen zum
Denkmal dar und wird selber kurz mit ihrer Biographie und ihrer Sicht der Aufgabe
als Künstlerin vorgestellt.
Die Feierlichkeit fand in zwei Teilen statt: der erste Teil in der Aula im Universitätszentrum an der Rämistrasse 71 mit der Begrüssung des Rektors und den Reden.
Der zweite Teil fand im Lichthof der Universität beim Denkmalstandort statt. Die
Künstlerin hielt eine kurze Ansprache und das Denkmal wurde enthüllt.
4.3.2 Die geladenen Gäste
Es wurden vor allem Personen aus dem näheren Umfeld der UZH, der Stadt und des
Kantons Zürich sowie Vertreterinnen von Organisationen, die sich für die Anliegen
der Frauen einsetzen, eingeladen. Durch Vertreterinnen und Vertreter aus den politischen Gremien wird Emilie Kempin-Spyri auch von der Seite gewürdigt, die ihr lange
Zeit verwehrt hatten, als Anwältin zu arbeiten. Für die Publicity in den Medien wurde,
ausser dem Kunstbulletin und der NZZ, an die lokalen Medien der UZH und von
Stadt und Kanton Zürich berücksichtigt.72 Gesamtschweizerisch wurden Frauenorganisationen, Frauenverbände, Gleichstellungsbüros, Parteisekretariate, Fachhochschulen, ausgewählte Nationalrätinnen etc. eingeladen. Und in Zürich wurden die
Einladungen an alle Mitglieder der Universität (UZH) sowie die Ehemaligen der UZH,
die Gesellschaft zu Fraumünster, die Autorinnen, welche zu Emilie Kempin-Spyri publiziert hatten, das Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft Zürich, diverse Archive und Bibliotheken, Frauenorganisationen, Gemeinderäte und Kantonsräte geschickt.73
4.3.3 Die Reden
Die Reden an der Einweihungsfeier werden hier kurz nach ihren thematischen
Schwerpunkten sowie mit ihrem Bezug zur Vergangenheit, dem Bezug zur heutigen
Situation und dem Blick in die Zukunft, der somit als Appell verstanden wird, vorgestellt. Die Vorreiterrolle von Emilie Kempin-Spyri als Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen und ihre fachlichen Leistungen wurden von allen Rednerinnen
und Rednern hervorgehoben und gewürdigt. Jede Rednerin und jeder Redner nahm
aus ihrem /seinem Tätigkeitsgebiet Bezug zum Leben und Wirken von Emilie Kempin-Spyri.
72
Vgl. UAZ, elektronische Ablage, noch keine Signatur, Kommunikationskonzept Emilie Kempin-SpyriFeier vom 22.1.2008.
73
Vgl. UAZ, E.6.1.059: 6 Einladungen/Flyer/Plakate/Inserate.
14
4.3.3.1 Prof. Dr. Hans Weder, Rektor der Universität Zürich
Hans Weder wies auf das 175-jährige Bestehen der Universität Zürich und ihrer Erfolgsgeschichte hin, unter anderem auf die seit den 1860er Jahren als fortschrittlich
bekannte Universität, weil sie ausländischen Frauen für ein Studium offen war. Die
Geschichte stimme aber auch nachdenklich. Er äusserte Befremdung über frühere
gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die eingeschränkte individuelle Entfaltung
sowie die gängigen Verhaltensweisen, die heute nicht mehr akzeptiert würden. Er
würdigte die Geschichte von Emilie Kempin-Spyri als die einer talentierten Frau, die
wiederholt zurückgewiesen und an ihrer unkonventionellen Laufbahn zerbrach und
die Geschichte des sozialen Wandels, der von ihr massgeblich vorangetrieben wurde. An beiden Geschichten habe die Universität Zürich ihren Anteil. Es koste wenig
die Fehler anderer zu kritisieren und es koste viel mehr, „eigene Fehler einzugestehen und damit leben zu müssen, dass nicht alle vermieden werden können.“ Den
Festakt zur Einweihung des Denkmals sieht er als Bekennung zu dieser ambivalenten Erinnerung von Stolz und Betroffenheit. Es sei ein Erinnerungssort entstanden,
der den Geist der Geehrten vergegenwärtigt und die Lebendigkeit des Hauses bereichert. Er mahnte zur Bescheidenheit, da jede Generation damit rechnen muss, blinde
Flecken zu haben und betont, er gäbe viel „darum heute zu wissen, welche Fehler
uns unsere Nachfahren morgen vorwerfen werden“.74 Hans Weder äusserte sich
nicht konkret zur heutigen Situation der Gleichstellung. Es könnte angenommen werden, dass er mit dem Geist der Geehrten, der das Haus bereichern soll, den Einsatz
für die Gleichstellung der Frauen meint.
4.3.3.2 Prof. Dr. Jakob Tanner Professor für Geschichte der Neuzeit der Universität
Zürich
Jakob Tanner sprach von der Chaiselongue als „Objekt der Ehrung“ und deutete das
Kunstwerk als Requisit der Psychoanalyse und brachte es mit der „Wiederkehr des
Verdrängten“ der Schweizer Geschichte in Verbindung. Er würdigte speziell die fachlichen und gesellschaftspolitischen Leistungen von Emilie Kempin-Spyri,
[...] „die das aufklärerische Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft nach Gleichheit und Anerkennung einforderte und dabei aktiv an der Gestaltung der sozialen
Verhältnisse mitwirkte. Sie war eine Aktivbürgerin, die den Tatbestand, dass man ihr
74
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik/kempin-spyri/denkmal/120725_Begruessung_Rektor.pdf>
[Stand: 29.12. 2012].
15
die Rechte einer solchen nicht zugestehen wollte, skandalisierte.“75
Er zitierte u.a. die Leitung der Universität, welche damals argumentierte, dass Dozentinnen eine „Demütigung“ seien für die Studentenschaft [...]“.76 Emilie KempinSpyri habe in die Gewalt gesellschaftlicher Verhältnisse hineingesehen, die ihr Leben
insgesamt prägten und die von merkwürdiger Aktualität waren. Die von Emilie Kempin-Spyri geforderte Gleichberechtigung sei zwar ca. hundert Jahre später (1981) mit
dem Gleichstellungsartikel in die Bundesverfassung aufgenommen worden, ist aber
noch immer nicht in allen Bereichen der Gesellschaft verwirklicht.77
4.3.3.3 Prof. Dr. Beatrice Weber-Dürler, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Zürich
Beatrice Weber-Dürler78 erklärte, dass den Studierenden der Rechtswissenschaft bereits im ersten Semester der Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 1887, welcher
auf die Klage von Emilie Kempin-Spyri zurückgeht, erläutert werde. Sie würdigte besonders ihre bis heute relevanten wissenschaftlichen Leistungen. Sie zeigte den
Wandel der Rechtsanschauung im Hinblick auf die Gleichstellungsfragen auf und
welche neuen Probleme die in der Verfassung formulierte „absolute rechtliche
Gleichbehandlung von Mann und Frau – also genau das, was Emilie Kempin-Spyri
vor fast hundert Jahren vergeblich gefordert hatte“, sich für die Frauen ergeben. Die
heutige Forderung nach der tatsächlichen Gleichstellung, also die Quotenbestimmung steht im Widerspruch mit dem Gleichstellungsartikel. Sie bezeichnet dies als
einen schweren Rückschlag für die Frauenförderungspolitik.79
4.3.3.4 Dr. Barbara Haering, Universitätsrätin und Nationalrätin
Barbara Haering betonte, dass Emilie Kempin-Spyri erst 107 Jahre nach ihrem Tod
ein Denkmal in unserer Universität bekam. Sie bot auch unseren Grossmüttern und
Müttern, für ihre Kämpfe für die Gleichstellung, einen Platz auf der grossen Liege im
Lichthof an. Besonders erwähnte sie, dass die Studienwahl noch immer die traditionellen Geschlechterrollen widerspiegelt und dass je höher die akademische Funktion, desto geringer der Frauenanteil sei. Sie kritisierte, dass die Frauenbeauftragten
und/oder die Gleichstellungskommissionen, welche an den meisten Schweizer
75
Vgl. <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 22.8.2012].
Ebd.
77
Ebd.
78
92 Jahre nach Emilie Kempin-Spyri ist sie die zweite Privatdozentin an die Universität Zürich.
79
Vgl. <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 22.8.2012].
76
16
Hochschulen den Auftrag haben, Frauen- und Geschlechterforschung zu fördern, oft
personell und finanziell unterdotiert wären. Es ginge darum, dem 1998 im Universitätsgesetz Zürich formulierten Kodex: „[...] durch geeignete Massnahmen die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau (zu fördern)“, nun auch real nachzuleben.80 Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei zentral für die Gleichstellung
Frauen und sie rief die Väter dazu auf, dass auch sie dies zu ihrem Thema machen
sollen. Die jungen Frauen forderte Frau Haering auf: „Meine jungen Damen: Fordern
sie ruhig von ihren Partnern das, was sie selber zu geben bereit sind – nämlich die
Hälfte des Himmels!“81
4.3.3.5 Prof. Dr. Brigitte Woggon, Präsidentin der Gleichstellungskommission der
Universität Zürich
Brigitte Woggon, die Präsidentin der Gleichstellungskommission der Universität Zürich, betonte in ihrem Grusswort, dass im Gegensatz zur Universität Zürich, Eveline
Hasler den 150. Geburtstag von Emilie Kempin-Spyri nicht vergessen hatte. Brigitte
Woggon zeigte kurz die Entstehungsgeschichte des Denkmals auf und würdigte die
Arbeit der Arbeitsgruppe und der externen Berater und Beraterinnen. „In einer Geschichte mit immer neuen Höhepunkten“ sei das Gedenken an die Pioniertätigkeit
von Emilie Kempin-Spyri verlaufen: die Internetseite www.kempin-spyri.uzh.ch, die
geplante Platzierung der Gedenktafel in der Juristischen Fakultät, die Emilie KempinSpyri Lectures und die Wachsflügelfrau-Vorlesungen. Das Denkmal eigne sich dazu,
innezuhalten und Entschlusskraft zu fassen, um die Gleichstellung von Männern und
Frauen an der Universität Zürich umzusetzen. Es soll die Universitätsangehörigen
anregen Ideen zu entwickeln, die Gleichstellung von Mann und Frau umzusetzen.82
4.3.3.6 Pipilotti Rist, Künstlerin und Honorarprofessorin der Universität der Künste
Berlin
„Ruhen Sie sich darauf aus, denken Sie nach – aber schlafen Sie nicht ein dabei!“83
80
Vgl. <http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 22.8.2012].
Ebd.
82
Ebd.
83
<http://www.uzh.ch/news/articles/2008/2452.html> [Stand: 24.7.2012].
81
17
4.4
Die Enthüllung des Denkmals
„Dann rannten beide los“, der Rektor Hans Weder und Pipilotti Rist, die je eine Ecke
des Überwurfs in der Hand hielten, der das Denkmal abgedeckt hatte, enthüllten in
dynamischer Weise das Denkmal.84
5
Denkmäler für Frauen in Zürich
Es ist unübersehbar, Denkmäler für Frauen sind sehr selten. Die weibliche Vergangenheit wird kaum und wenn doch, oft mit nackten Frauen, Allegorien oder Figuren
aus der Mythologie gezeigt. Diese führen uns Frauen meistens anonymisiert vor.85
„Sie sind damit nicht Abbilder historischer Frauenfiguren, sondern in unerreichbare
Höhen gerückte, abstrakte Ideale. Was wir sehen, sind von Männern entworfene
Frauenbilder. Sie erzählen uns die Geschichte des männlichen Blicks auf Frauen.“86
Hebeisen zeigt mit ihrer Untersuchung ‚zur Topographie der Geschlechter von
Skulpturen in der Stadt Zürich, 1880-1940’ auf, dass von 54 untersuchten Skulpturen
32 weiblich dargestellt sind und diese, bis auf eine,87 keine historische Figuren darstellen. Weiter zeigt Hebeisen auf, dass historische Figuren ausschliesslich im Stadtzentrum stehen, dem Ort der gesellschaftlichen Macht. Als denkmalwürdig betrachtet
wurden bis zum Zweiten Weltkrieg fast ausschliesslich Männer.88„Die namenlosen
Nacktheiten stehen vor allem in den Parkanlagen entlang dem See, aber auch auf
kleineren Grünflächen im Stadtzentrum.“89 Hier nennt sie als Standort vor allem das
Hochschulquartier.
Bei Georg Kreis werden die wenigen Frauendenkmäler in der Schweiz im Kapitel ‚Randständige Denkmäler’ aufgeführt, da diese nicht zu den Hauptthemen und
Hauptplätzen gehören und zum Teil sogar als alternative oder oppositionelle Denk-
84
Begleitet wurde die Feier mit einem Musikstück, „Sechs Metamorphosen nach Ovid“ von Benjamin
Britten, das von Rico Gubler auf dem Saxophon vorgetragen wurde. Vgl.
<http://www.uzh.ch/news/articles/2008/2452.html > [Stand: 24.7.2012].
85
Vgl. Chratz & Quer, S. 9 f.
86
Ebd., S. 9.
87
Die Äbtissin Hildegard, erste Äbtissin des Fraumünsterklosters und Stadtherrin von Zürich. Vgl.
Hebeisen, Namenlose Nacktheiten, S. 72.
88
Ebd., S. 71f.
89
Ebd., S. 78.
18
mäler errichtet worden sind.90
Ein erstes und eigenes Denkmal für eine Frau in Zürich, erhielt die Äbtissin
Katharina von Zimmern (1478-1547) im Jahr 2004 im Kreuzgang des Fraumünsters.91 Der "Verein Katharina von Zimmern", ein von Frauen getragener und von einer Frau präsidierter Verein, war treibende Kraft, sicherte die Finanzierung der
350'000 Franken für das Denkmal und schenkte es dann der Stadt Zürich.92
90
Vgl. Kreis, Zeitzeichen, S. 333-390. So nennt er dazu unter anderem das Postulat von Doris
Schneider, welche 1986 im Berner Stadtrat anregte, analog zum ‚Unbekannten Soldaten’, ein Monument für ‚Die unbekannte Hausfrau’ zu errichten. Vgl. Kreis, Zeitzeichen, S. 376.
91
Im Jahr 2000 erhielt sie von der Gesellschaft zu Fraumünster eine Ehrentafel am Neumarkt 13 in
Zürich.
92
Kreis, Zeitzeichen, S. 377.
19
6
Schlussfolgerungen
Emilie Kempin-Spyri wird vor allem für ihre politische Vorreiterrolle im Kampf für die
Gleichberechtigung und ihre wissenschaftlichen Leistungen gewürdigt. Die heutigen
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ermöglichen 126 Jahre nach der abgewiesenen Gleichstellungsklage von Emilie Kempin-Spyri, 42 Jahre nach der Annahme
des Frauenstimmrechts durch die Männer in der Schweiz und 32 Jahre nach der
Verankerung des Gleichstellungsartikels in der Schweizerischen Bundesverfassung
auch eine Denkmalssetzung für eine Frau.
Der Platz, den das Denkmal im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen
Zentrum von Zürich bekam, ist ebenso bemerkenswert, wie die Würdigung von Seiten der UZH und das Eingeständnis von gemachten Fehlern gegenüber Emilie Kempin-Spyri, welche auch stellvertretend für die Diskriminierung der Frauen gesehen
werden kann. Dieser öffentliche Raum, den die Frauen mit der Initiierung des Denkmals für Emilie Kempin-Spyri und für sich geschaffen haben, ist bedeutend. Ist es
doch erst das zweite (!) Denkmal für eine historische weibliche Person in Zürich.
Die Universität vermittelt heute mit dieser Denkmalssetzung Fortschrittlichkeit.
Die damalige Zulassung der Frauen zum Studium an der UZH wurde ebenfalls als
fortschrittlich hervorgehoben. Der Grund für die Zulassung war jedoch nicht die sogenannte Liberalität, sondern es waren die willkommenen zusätzlichen Studiengebühren.93 Ausschlaggebend waren also finanzielle Gründe. Trotzdem sind die Frauen
in den höheren Gremien der UZH noch immer deutlich untervertreten.94 Die Gleichstellung ist noch nicht vollständig erreicht und deshalb appellierten die Redner und
Rednerinnen an der Denkmalseinweihung für die tatsächliche Gleichstellung von
Frau und Mann. Die ambivalente Erinnerung der Institution UZH widerspiegelt sich
auch am Denkmal, mit dem sich nun diejenige Institution ehrt und schmückt, welche
eine entscheidende Rolle in der verwehrten akademischen Laufbahn der Geehrten
spielte.
Die etablierten und engagierten Frauenvertreterinnen, die sich für die Gleichstellung als politischen Grundwert einsetzen, waren massgeblich an der Entstehung
des Denkmals beteiligt. Sie nutzten 2004 die Ehrung der Frauenzunft zur Lancierung
93
94
Vgl. Bolliger, Liberalität als Grund, S. 85.
Ende 2011 lag der Frauenanteil der Professuren (inkl. Assistenzprofessuren) bei 18 Prozent. Vgl.
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/angebote/fraueninleitungsgremien.html>[Stand:14.1.2013].
20
der Idee zum Denkmal innerhalb der UZH und sie finden nun im Appell und der
Denkmalsbegründung eine Bestätigung ihrer Überzeugung. Die Akten widerspiegeln
den überraschend reibungslosen Ablauf der Entstehung des Denkmals, was vermuten lässt, dass die Frauen den Prozess geschickt begleitet und unterstützt haben. An
der Einweihungsfeier stellten sie diejenigen Beteiligten mit grosser Macht und mit der
grössten Publicity ins Rampenlicht und unterstrichen damit wirkungsvoll die Botschaft
des Denkmals. Enthüllt wurde das Denkmal vom Rektor und der weltweit bekannten
Künstlerin.
Die Diskussionen zur Idee und zur Denkmalsbegründung fanden vorwiegend
institutionsintern oder zwischen kantonalen Organisationen statt. Es fehlte somit die
breitere öffentliche Debatte in der Auseinandersetzung um das Denkmal. Angesichts
der ambivalenten Erinnerung der UZH in Bezug auf die Gleichstellung der Frauen, ist
es jedoch als besonderes Ereignis zu sehen, dass sich ein Denkmal für eine Frau in
diesem akademischen Kontext verwirklichen liess.
Bis heute wird aber das Potential des Kunstwerks als Träger seiner Botschaft
nicht ausgeschöpft. Die alleinige sprachliche Vermittlung über die Webseite der Abteilung Gleichstellung reicht meines Erachtens nicht aus, um die Botschaft des
Denkmals im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern. Die Informationen am
Denkmal selber können die Bedeutung dieses Gedenkens nur ansatzweise vermitteln. Zu wünschen ist, dass das Denkmal nicht nur als Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand in den universitären Alltag einbezogen wird, sondern dass es auch zum aktiven Träger des formulierten Appells wird.95 Eine regelmässige, ritualisierte Bestätigung und Erneuerung seiner Bedeutung und somit die Manifestierung dieser Botschaft am Denkmal selber wäre die Basis dafür, dass das konkrete Gedenken und
Erinnern an die Geschichte von Emilie Kempin-Spyri und der Frauen in dieser Zeit
erneuert wird und dass die formulierte Botschaft für die Zukunft bestätigt und weitergegeben wird. So würde eine Instrumentalisierung der Geehrten zum Selbstzweck
verhindert und das schöne Objekt nicht nur als Kunstwerk wahrgenommen. Veranstaltungen beim Denkmal oder die vorgesehene temporäre Inszenierung des Denk95
So wie es der Schweizerische Verband der Akademikerinnen der Sektion Zürich der sich mit dem
Denkmal auf seiner Webseite darstellt. Vgl. <http://www.akademikerinnen-zh.ch/> [Stand:
19.1.2013]. Oder Akademikerinnen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, welche Buchvernissagen
am Denkmal veranstalten. Vgl.
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/newsredirect/news/buchvernissagelegalgenderstudies.html/>
[Stand: 19.1.2013].
21
mals an einem anderen Ort entsprächen der Aufforderung von Pipilotti Rist, sich auf
dem erreichten auszuruhen, ohne dabei einzuschlafen.
22
7
Quellen
Edierte Quellen
Entscheid des Bundesgerichts, Urteil vom 29. Januar 1887 in Sachen Emilie Kempin-Spyri,
(zitiert als BGE 13 I 1).
Neujahrsblatt der Gesellschaft zu Fraumünster auf das Jahr 2010. Viertes Stück, Emilie
Kempin Spyri  Elisabeth von Wetzikon. Herausgegeben von der Gesellschaft zu Fraumünster in der Edition Gilde Gutenberg, Zürich 2009.
Unedierte Quellen
UAZ, Archiv der Universität Zürich:
Akte AB.1.0518 Kempin (geb. Spyri ) Emilie (1853-1901) RSW / Nr.88
Akte E. 6.1.060 Gedenktafel für Emilie Kempin-Spyri 2009
Akte E. 6.1. 059 Denkmal v. Pipilotti Rist f. Emilie Kempin-Spyri / Enthüllung am 22. Januar
2008
Akte E. 6.1. 058 Ehrung Emilie Kempin-Spyri / Sechseläuten 19.4.2004 / Lectures
20./21.5.2005
Akte AB.1.0518 Kempin (geb.Spyri), Emilie (1853-1901) RSW/Nr. 88
Akte DUG Emilie Kempin
8
Darstellungen
Bolliger, Silvia: Liberalität als Grund für die Zulassung von Frauen an die Universität Zürich?, in: Zeitschrift für pädagogische Historiographie 2, 2005, S. 81-87.
Chratz & Quer. Sieben Frauenstadtrundgänge in Zürich, Zürich 1995.
Delfosse, Marianne: Emilie Kempin-Spyri (1853-1901). Das Wirken der ersten Schweizer Juristin unter besonderer Berücksichtigung ihres Einsatzes für die Rechte der Frau im schweizerischen und deutschen Privatrecht, Diss. Zürich 1994.
Einsele, Gabi/ Gratzfeld Rachel: Einleitung, in: Verein Feministische Wissenschaft Schweiz
(Hg.): Ebenso neu als kühn. 120 Jahre Frauenstudium an der Universität Zürich, Zürich
1988, S. 9-11.
Hasler, Eveline: Die Wachsflügelfrau, Zürich 1991.
23
Hebeisen, Erika: Namenlose Nacktheiten und Heldendenkmäler. Zur Topografie der Geschlechter von Skulpturen in der Stadt Zürich, 1880-1940, in: Monika Imboden/Franziska
Meister/Daniel Kurz (Hg.): Stadt-Geschlecht-Raum. Beiträge zur Erforschung urbaner Lebensräume im 19. Und 20. Jahrhundert, Zürich, 2000, S. 67-83.
Hobi, Urs: Vom Denkmal zum Mahnmal, in: Das Kunstschaffen in der Schweiz 1848-2006,
Bern, Zürich 2006, S. 125-137.
Koch, Ursula: Vorwort, in: Chratz & Quer. Sieben Frauenstadtrundgänge in Zürich, Zürich
1995, S. 8.
Kreis, Georg: Zeitzeichen für die Ewigkeit. 300 Jahre Schweizerische Denkmaltopographie,
Zürich 2008.
Reusse, Felix: Das Denkmal an der Grenze seiner Sprachfähigkeit, Stuttgart 1995.
Schmid, Hans-Dieter: Denkmäler als Zeugnisse der Geschichtskultur, in: Horn, Sabine/Sauer,
Michael (Hg.): Geschichte und Öffentlichkeit: Orte – Medien – Institutionen, Göttingen 2009,
S. 51-60.
Streiter, Sabina: Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, in: Verein Feministische
Wissenschaft Schweiz (Hg.): Ebenso neu als kühn. 120 Jahre Frauenstudium an der Universität Zürich, Zürich 1988, S. 177- 184.
Tanner, Jakob: Erinnern/Vergessen, in: Lexikon Geschichtswissenschaft, 2002, S. 77-81.
Weigand, Katharina: Denkmäler I - Grundlagen, in: Schreiber, Waltraud (Hg.): Erste Begegnungen mit Geschichte: Grundlagen historischen Lernens. Neuried 2004. S. 455-462.
Elektronische Publikationen
<http://www.akademikerinnen-zh.ch/> [Stand: 19.1.2013].
<http://www.fraumuenstergesellschaft.ch/> [Stand: 12.1.2013].
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/angebote/fraueninleitungsgremien.html>[Stand:14.1.2013].
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/newsredirect/news/buchvernissagelegalgenderstudies.html/>
[Stand: 19.1.2013].
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik.html> [Stand: 12.1.2013 ].
24
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik/kempinspyri/denkmal/120725_Begruessung_Rektor.pdf> [Stand: 29.12. 2012].
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik/kempin-spyri/denkmal/Einladung_KempinSpyri.pdf> [Stand: 29.12.2012].
<http://www.gleichstellung.uzh.ch/politik/kempin-spyri/denkmal.html> [Stand: 5.1.2013].
<http://www.hochbauamt.zh.ch/internet/baudirektion/hba/de/ueber_uns/veroeffentlichungen.h
tml> [Stand: 5.1.2013].
Joris, Elisabeth: Gleichstellung, 7.5.2010, in: Historisches Lexikon der Schweiz.
<www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16499.php> [Stand: 16.10.2012].
<http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 22.8.2012].
<http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 10.10.2012].
<http://www.kempin-spyri.uzh.ch/index.html> [Stand: 16.11.2012].
<http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2008/welche-schoenheit-erhabenheit-und-groesse-diearchaeologische-sammlung-im-zentrum-der-universitaet.html#> [Stand: 4.1.2013].
<http://www.sciencealumni.uzh.ch/Fakultaetstag/Vortrag3/unimagazin-2008-1.pdf> [Stand:
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<http://www.uzh.ch/news/articles/2008/2452.html > [Stand: 24.7.2012].
<http://www.uzh.ch/news/articles/2008/2452.html > [Stand: 5.1.2013].
25
9
Anhang
I Lebenslauf
II Einladungskarte
III Reden
IV Würdigung der Mitarbeitenden
26
Gleichstellung
Chronologischer Lebenslauf
PD Dr. Emilie Kempin-Spyri (1853-1901)
1853
Emilie Kempin-Spyri wird am 18. März 1853 in Altstetten geboren, als drittes von
acht Kindern von Maria Elise Spyri-Wild und Johann Ludwig Spyri, Pfarrer der
reformierten Kirchgemeinde Altstetten.
1875
Am 22. Juni heiratet Emilie Spyri den Theologen Walter Kempin
1876- Emilie Kempin-Spyri bringt drei Kinder zur Welt: Anna Gertrud Elisabetha (31.
1879
Oktober 1876), Robert Walter Ludwig (12. Mai 1878) und Emilie Agnes Elisabetha
am 5. Juni 1879.
1885
Emilie Kempin-Spyri besteht die Maturaprüfungen.
1887
Abschluss des Jura-Studiums an der Universität Zürich, am 16. Juli mit der
Dissertation «Die Haftung des Verkäufers einer Fremden Sache».
1888
Am 1. Mai bewirbt sich Emilie Kempin-Spyri um eine Stelle als Privatdozentin für
römisches Recht an der Universität Zürich. Das Gesuch wird abgelehnt. Emilie
Kempin-Spyri wandert im August mit Mann und Kindern nach New York aus.
1889
Emilie Kempin-Spyri gründet in New York die Emily Kempin Law School, eine
private Rechtsschule für Frauen, die sie auch selber leitet. Zudem wirkt sie als
Dozentin für Gerichtsmedizin am «New York Medical College & Hospital for
Women» und amtet als Sekretärin der «New York Medico-Legal Society».
1890
Anstellung an der juristischen Fakultät der Universität der Stadt New York. Daneben
unterrichtet Emilie Kempin-Spyri an der «Women's Law Class», einer der
Universität räumlich angegliederten Privatschule.
1891
Im Frühjahr Rückkehr nach Zürich, wo Kempin-Spyri ihre Habilitationsschrift fertig
stellt und Ende Juni an der Universität Bern einreicht. Im Oktober bewirbt sie sich
auch in Zürich ein zweites Mal um die Zulassung als Privatdozentin. An der
Universität wird die grundsätzliche Frage der Frauenzulassung wieder diskutiert und
beim Erziehungsrat schliesslich die Ablehnung des Gesuches beantragt. Dieser
jedoch erteilt Kempin-Spyri am 15. Dezember die venia legendi für römisches,
englisches und amerikanisches Recht. Ihr gleichzeitig erfolgtes Gesuch um die
Zulassung als Anwältin wird vom Zürcher Kantonsrat abgewiesen.
1891/92 Im Winter erteilt Emilie Kempin-Spyri in Dresden Rechtsunterricht für Laien.
1892
Am 4. März hält Emilie Kempin-Spyri ihre Antrittsvorlesung als Privatdozentin an der
Universität Zürich. Künftig hält sie bis zum Sommersemester 1895 wöchentlich zwei
bis vier Stunden Vorlesungen. Daneben führt sie ein schweizerisch-amerikanisches
Rechtsbüro, in dem auch ihr Mann arbeitet. Im September eröffnet sie in ihrer
Wohnung und Praxis eine «Rechtsschule für Laien» und erteilt Nichtjuristen
zweimal wöchentlich Rechtsunterricht. Fünf Monate später muss sie den Unterricht
wegen Raummangels einstellen. An Weihnachten 1892 erscheint die erste Nummer
der von Emilie Kempin-Spyri herausgegebenen Zeitschrift «Frauenrecht».
1893
Emilie Kempin-Spyri gründet am 12. November in Zürich den
«Frauenrechtsschutzverein».
1894
Veröffentlichung einer Schrift über die Rechtsstellung der Frau im künftigen
Privatrecht der Schweiz. Kempin-Spyri tritt als erste Frau dem «Schweizerischen
Juristenverein» bei.
1895
Emilie Kempin-Spyri unterrichtet Handels- und Wechselrecht an der Handelsklasse
der Höheren Töchterschule. Sie lässt sich für ein Jahr beurlauben und geht nach
Berlin, wo sie sich als Hörerin für Vorlesungen im Familienrecht an der FriedrichWillhelm-Universität einschreibt. Daneben arbeitet sie als Übersetzerin am
Amtsgericht und publiziert zahlreiche Artikel und eine selbständige Schrift zur
Rechtsstellung der Frau in den Entwürfen zum Bürgerlichen Gesetzbuch.
1896
Kempin-Spyri doziert an der Humboldt-Akademie Privatrecht und Deutsches
Seite 1/2
Chronologischer Lebenslauf
PD Dr. Emilie Kempin-Spyri
1897
1899
1901
Universität Zürich, Gleichstellung
Familienrecht. Sie lässt sich definitiv in Berlin nieder.
Bis März setzt Kempin-Spyri ihre Vorlesungen über Deutsches Familienrecht fort.
Mitte September wird sie in die Berliner Heil- und Pflegeanstalt «Berolinum» wegen
Geisteskrankheit eingewiesen.
Am 12. März Verlegung in die «Irrenanstalt Friedmatt» nach Basel
Emilie Kempin-Spyri stirbt am 12. April 1901 in Basel. Sie hatte die Anstalt seit ihrer
Einlieferung nie mehr verlassen.
Quelle:
Delfosse, Marianne: Emilie Kempin-Spyri (1853-1901). Das Wirken der ersten Schweizer Juristin. Jur. Diss. Zürich 1994.
Seite 2/2
Kontakt Veranstalter: UniFrauenstelle – Gleichstellung von Frau und Mann,
Voltastrasse 59, 8044 Zürich, weitere Informationen: www.kempin-spyri.uzh.ch
Gestaltung: Frank Brüderli, www.bruederli-fotograf.ch
Illustration: Atelier Rist Sisters
Dienstag, 22. Januar 2008, 17.15 Uhr
Universität Zürich Zentrum
Emilie Kempin-Spyri (1853-1901)
Späte Ehrung – heutiges Gedenken
Die Nichte von «Heidi»-Johanna
Spyri begann mit 32 Jahren als
Mutter dreier Kinder an der Universität Zürich als erste Schweizerin ein Jura-Studium und promovierte 1887 als erste Schweizer
Juristin. Die Verweigerung des
Anwaltspatents als auch einer
Anstellung als Privatdozentin aufgrund ihres Geschlechts zwang
sie, mit ihrer Familie nach New
York auszuwandern, wo sie eine
Rechtsschule für Frauen gründete
und die Zulassung von Frauen zum
Rechtsstudium und zur Advokatur bewirkte. 1891 aus familiären
Gründen zurück in der Schweiz,
wurde sie als erste Privatdozentin
an der Universität Zürich zugelassen. Daneben war sie als selbstständige Rechtsberaterin tätig,
erteilte Rechtsunterricht für Laien
Emilie KempinSpyri, 1885
(1853-1901)
und verfasste zahlreiche Aufsätze
und Schriften. Zudem gründete sie
die Zeitschrift «Frauenrecht» und
den «Frauenrechtsschutzverein».
In ihrer zehnjährigen Schaffenszeit setzte sie sich wissenschaftlich und rechtspolitisch kritisch
mit der Emanzipationsfrage auseinander und betrachtete die Stellung der Frau als gesellschaftlichen Notstand. 1898 erfolgte die
massgeblich von Kempin-Spyri
erkämpfte Öffnung der Advokatur
für Zürcher Frauen, von der sie
selber – zeitlebens finanziell arg
bedrängt – nicht mehr profitieren konnte. Sie starb einsam und
verarmt in der damaligen Basler
Irrenanstalt Friedmatt.
Mit der Veröffentlichung des
Romans «Die Wachsflügelfrau»
von Eveline Hasler 1991 fand die
Geschichte Emilie Kempin-Spyris
zu neuer Aktualität. 1994 erschien
die erste wissenschaftliche Untersuchung von Marianne Delfosse als juristische Dissertation.
Ihre Leistungen im Kampf für die
Rechte der Frau wurden 2004 von
der Gesellschaft zu Fraumünster
an der Universität Zürich geehrt.
PD Dr. Emilie Kempin-Spyri
Das Denkmal besteht aus einer
überdimensionierten Chaiselongue und einem überdimensionierten Schemel mit einem voll
Symbolen geschnitzten Fussteil
und einem mit Emilie KempinSpyris Titel, Namen und Lebenslauf silbrig bestickten edelblauen
Polsterbezug. Die Chaiselongue
dient allen Nutzerinnen und
Nutzern der Universität zum
Ausruhen, Reflektieren und Träumen. Die Skulptur nimmt auf verschiedenen Ebenen Bezug zu Leben und Wirken der zu Ehrenden.
Das
Bestiegen-werden-dürfen
symbolisiert die Vorreiterarbeit
von Kempin-Spyri, auf welcher
die nächsten Generationen aufbauen und ausruhen konnten
und können. Die Benutzerinnen
und Benutzer wirken klein und
empfinden sich selbst als Kinder – so muss sich Kempin-Spyri
durch die verschiedenen Ablehnungen behandelt gefühlt haben.
Die passiven Komponenten des
Objektes werden durch die übertriebene Grösse aufgehoben. Der
Chaiselongue im Massstab 2:1
Pipilotti Rist wurde 1962 in Grabs SG
geboren. Ihr umfangreiches Werk
aus Video, Fotografie oder audiovisuellen Rauminstallationen ist in
zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit zu sehen.
2002/2003 wurde Rist als Gastprofessorin an die University of California nach Los Angeles berufen; die
Universität der Künste Berlin ehrte
sie mit einer Honorarprofessur. Sie
lebt in Zürich und sieht die Aufgabe der Kunst darin, «zur Evolution
beizutragen, den Geist zu ermutigen, einen distanzierten Blick auf
soziale Veränderungen zu garantieren, positive Energien zu beschwören, die Sinne und die Sinnlichkeit
zu fördern, den Verstand und den
Instinkt zu versöhnen, Möglichkeiten auszuloten und Klischees und
Vorurteile zu zerstören.»
Pipilotti Rist
Massstab 2:1 bedeutet doppelte
Länge-Breite-Höhe, vierfache
Fläche, achtfaches Volumen und
spiegelt Kempin-Spyris historische monumentale Bedeutung.
Rists Gedanken zum Denkmal
Prof. Dr. Beatrice Weber-Dürler
Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht
Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom
Fall Kempin bis heute
Dr. Barbara Haering
Universitätsrätin
Emilie Kempin-Spyri besucht Zürich im Januar 2008
Prof. Dr. Brigitte Woggon
Präsidentin der Gleichstellungskommission der
Universität Zürich
Grusswort
18.00 Uhr
18.30 Uhr
18.45 Uhr
19.00 Uhr
Prof. Dr. Jakob Tanner
Professor für Geschichte der Neuzeit
Frauen unter Diskriminierungsdruck: Karrierebrüche
im Leben von Emilie Kempin-Spyri
17.30 Uhr
Anschliessend Apéro
Lichthof
Prof. Dr. Hans Weder und Pipilotti Rist
Enthüllung des Denkmals
Pipilotti Rist
Künstlerin
Gedanken zum Denkmal
Prof. Dr. Hans Weder
Rektor der Universität Zürich
Begrüssung und Einführung
17.15 Uhr
Aula, Universität Zürich Zentrum, Rämistr. 71
Dienstag, 22. Januar 2008
Mit einem Denkmal von Pipilotti Rist ehrt die Universität Zürich Emilie
Kempin-Spyri als erste Schweizerin, die als Juristin promovierte und
habilitierte, als erste Privatdozentin der Universität Zürich und als
Pionierin für die Gleichberechtigung der Frau.
bürgerlichen Gesellschaft, wie sie
sich im 19. Jahrhundert verfestigte, zu tun. Emilie Kempin-Spyris
Leben lässt sich als eine Geschichte institutioneller Diskriminierung
und daraus resultierender Karrierebrüche erzählen. Es ist auch ein
historisches Lehrstück, das die
Funktionsweise einer patriarchalischen Gesellschaft aufzeigt.
und Frau seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts anhand von ausgewählten
Bundesgerichtsentscheiden. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Frage, weshalb
der Rechtsweg zur Gleichberechtigung so langwierig und zermürbend war.
Emilie Kempin-Spyri besucht die
Stadt Zürich und ihre Universität im Januar 2008. Sie freut sich
über die vielen Jusstudentinnen
und wundert sich über den immer
noch kleinen Anteil Professorinnen. Mit Befriedigung stellt sie
fest, dass die Frauen in der Politik annähernd gleiche Chancen
haben wie die Männer; zumindest
wenn sie in den Parteien der Mitte
Referat von Dr. Barbara Haering
und der Linken politisieren. Auch
die Fähigkeit, moralisch-ethische
Entscheide eigenverantwortlich
zu fällen, wird ihnen heute zugestanden. Dies hat insbesondere
das klare Ja der Stimmbevölkerung zur Fristenregelung gezeigt. Nur: An den Schalthebeln
der Wirtschaft sitzen noch immer
überwiegend Männer.
Emilie Kempin-Spyri besucht Zürich im Januar 2008
Der Kampf um die Gleichberechtigung der Frau spielte sich nicht
nur auf der politischen Ebene ab,
sondern wurde auch vor den Gerichten geführt. Dabei übernahm
Emilie Kempin-Spyri die Rolle
einer Pionierin. Beatrice WeberDürler schildert die Entwicklung
der Gleichberechtigung von Mann
Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom Fall Kempin
bis heute Referat von Prof. Dr. Beatrice Weber-Dürler
Als 1848 der moderne Bundesstaat gegründet wurde, zählte die
Schweiz zur Avantgarde des Liberalismus und der demokratischen
Partizipation in Europa. Der demokratische Frühstarter sank bei
der Einführung des Frauenstimmrechts jedoch zur tristen Arrièregarde ab. Diese Blockierung hat
mit der Geschlechterordnung der
Frauen unter Diskriminierungsdruck: Karrierebrüche im Leben
von Emilie Kempin-Spyri Referat von Prof. Dr. Jakob Tanner
Gleichstellung
Begrüssung durch Prof. Dr. Hans Weder,
Rektor
Feier zur Ehrung von Emilie Kempin-Spyri, 22. Januar 2008
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin
Sehr geehrte Frau Rist
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrte Damen und Herren
Die Universität Zürich feiert in diesem Jahr ihr 175-jähriges Bestehen. Sie blickt auf eine
Vergangenheit zurück, die zu einem guten Teil den Stoff für eine Erfolgsgeschichte liefert. Es ist aber
auch eine Geschichte, die uns Heutige bisweilen nachdenklich stimmen kann. Wenn wir uns in die
Biografien von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vertiefen, so wird uns die Ambivalenz
bewusst, welche sich einstellt, wenn wir uns an Vergangenes erinnern. Mit dem Staunen über die
Leistungen der Vorfahren verbindet sich manchmal ein Befremden über frühere gesellschaftliche
Rahmenbedingungen der Wissenschaft. Wir sind befremdet, wie beschränkt bisweilen die individuelle
Entfaltung war und wie gängig manche Verhaltensweisen waren, die heute nicht mehr akzeptiert
würden.
Wir sind heute hier, um Emilie Kempin-Spyri zu ehren, die erste Privatdozentin der Universität Zürich,
eine profilierte Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen und gleichzeitig eine an den
sozialen Konventionen ihrer Zeit Zerbrochene. Im Namen der Universitätsleitung möchte ich Sie alle
ganz herzlich zu dieser Feier begrüssen. Den Höhepunkt der Veranstaltung wird um 19 Uhr die
Enthüllung des Kempin-Spyri-Denkmals von Frau Pipilotti Rist unten im Lichthof darstellen. Wir sind
stolz darauf, dass diese bedeutende Künstlerin der Gegenwart bereit war, ihr Können unserer
Universität zur Verfügung zu stellen.
Apropos Ambivalenz der historischen Erinnerung: Das Leben von Emilie Kempin- Spyri ist ein
ausgezeichnetes Beispiel dafür, kann es doch in zwei ganz unterschiedlichen Geschichten erzählt
werden.
Die erste Geschichte handelt von der individuellen Lebenswelt. Es ist die Geschichte einer
talentierten jungen Frau, die es trotz den merkwürdig gegenteiligen Ermahnungen ihres Vaters wagt,
ihren Verstand zu gebrauchen und ihren wissenschaftlichen Neigungen nachzugehen. Wir begegnen
einer jungen Frau, die sich 1885 voller Elan an der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität
Zürich immatrikuliert und hier bereits 1887 als erste Schweizerin überhaupt promoviert wird. Es ist
sodann die Geschichte einer Frau, deren Elan in der männlich dominierten Wissenschaft langsam
aufgerieben wird, die vom Senat der Universität Zürich als Dozentin wiederholt zurückgewiesen wird,
weil sie eine Frau ist. Zwar wird ihr auf Befehl der politischen Behörde später die venia legendi erteilt,
doch gelingt es ihr nicht, eine erfolgreiche akademische Karriere zu starten. Zu gross sind die
Widerstände gegen eine weibliche Lehrperson an der Universität. Vollends tragische Züge erhält
diese erste Geschichte, als die Ehe von Emilie Kempin-Spyri an den Folgen ihrer unkonventionellen
Laufbahn zerbricht, als sie wegen eines kranken Sohnes ihre Hoffnungen auf eine Karriere in
Amerika begräbt und überdies feststellen muss, dass auch die nachfolgende Generation der
Frauenbewegung ihre Denkweise kaum mehr versteht. Diese Geschichte endet mit der Erschöpfung
der Emilie Kempin-Spyri, die 1901, mit erst 48 Jahren, in einer Klinik in Basel stirbt.
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Begrüssung durch Prof. Dr. Hans Weder, Rektor/SK
22.01.2008
Begrüssung durch Prof. Dr. Hans Weder, Rektor
Feier zur Ehrung von Emilie Kempin-Spyri, 22. Januar 2008
Universität Zürich, Gleichstellung
Es gibt aber auch eine andere, zweite Geschichte. Sie thematisiert eher den Kontext von Emilie
Kempin-Spyris Leben, den gesellschaftlichen Wandel jener Jahre, die Anzeichen einer besseren Zeit.
Diese Geschichte handelt etwa von den jungen Russinnen, denen in ihrer Heimat der Zugang zur
universitären Bildung bis ins 20. Jahrhundert hinein verwehrt blieb. Seit den 1860er Jahren kamen sie
an die als fortschrittlich bekannte Universität Zürich und absolvierten hier meist ein medizinisches
Studium. Eine frühe Protagonistin dieser Geschichte ist die Russin Nadjeshda Suslova, die 1867 an
der medizinischen Fakultät der Universität Zürich immatrikuliert und noch im gleichen Jahr promoviert
wurde; es war nota bene der erste Doktortitel, den eine Frau im deutschsprachigen Raum erhielt. Im
Juni 1873 verbot Zar Alexander II. faktisch seinen weiblichen Untertanen das Studium in Zürich, weil
er ihre Kontakte mit den hiesigen revolutionären Emigranten fürchtete. Da setzten sich sowohl die
Zürcher Kantons- wie auch die Bundesbehörden gegen diese empörende neue Regelung des
Zarenregimes ein – freilich erfolglos. Eine nächste markante Protagonistin unserer zweiten
Geschichte ist eben Emilie Kempin- Spyri. Zwar begegnete sie mit ihrem Wunsch, Dozentin zu
werden, erheblichen Widerständen im Senat. Die politische Behörde aber entschied zu ihren
Gunsten, so dass sie 1891 die erste Privatdozentin der Universität Zürich und überhaupt die erste
Privatdozentin im deutschsprachigen Raum wurde. Diese Aufbruchs- und Pioniergeschichte hat
eigentlich kein Ende; sie schreitet kontinuierlich den Meilensteinen des bildungspolitischen
Fortschritts entlang, wobei dieser zweite Blick auf Leben und Wirken von Emilie Kempin-Spyri zu den
ermutigenden Wegmarken dieser Entwicklung gehört. Mit ihrer Entschlossenheit, ihrem inneren
Feuer für die Sache der Wissenschaft und ihrem Gerechtigkeitssinn war Emilie Kempin-Spyri eine
Wegbereiterin unseres modernen, liberalen Universitätsbetriebs.
Beide Geschichten – das traurige persönliche Schicksal und der hoffnungsvolle soziale Wandel –
gehören als Elemente einer ambivalenten Erinnerung zusammen, beide haben ihre Berechtigung,
und an beiden Geschichten hat die Universität Zürich ihren Anteil. Mit dem heutigen Festakt
bekennen wir uns dazu. Wir sind einerseits stolz darauf, dass unser Haus zu jenen Bildungsstätten
gehört, die ihre Tore für die Frauen relativ früh öffnete. Gleichzeitig sind wir betroffen von der
Tatsache, dass es Persönlichkeiten wie Emilie Kempin-Spyri nicht möglich war, ihr Talent
ungehindert zu entfalten. Die heutige Ehrung ist für mich ein Anlass zur Nachdenklichkeit: Es kostet
wenig, die Fehler der Väter zu kritisieren. Es kostet sehr viel mehr, eigene Fehler einzugestehen und
damit leben zu müssen, dass nicht alle vermieden werden können. Am meisten gäbe ich darum,
heute zu wissen, welche Fehler uns unsere Nachfahren morgen vorwerfen werden. Jede Generation
muss damit rechnen, blinde Flecke zu haben. Das stimmt nachdenklich – und mahnt zu
Bescheidenheit.
Bevor ich das Wort weitergebe – unter anderem an Frau Professorin Weber-Dürler, die nach Emilie
Kempin-Spyri die zweite Privatdozentin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität
Zürich war, möchte ich danken. Ich danke all jenen, die dazu beigetragen haben, diese späte Ehrung
von Emilie Kempin-Spyri zu realisieren, Hans Caspar von der Crone, der das Projekt führte, und ganz
besonders dem Organisationskomitee, bestehend aus Professor Marcel Senn (RWF), Stefanie Kaiser
(Prorektorat RWW) sowie Elisabeth Maurer und Angela Zimmermann (UniFrauenstelle). Ein
besonderer Dank geht an Frau Pipilotti Rist, die sich vom Leben der Emilie Kempin-Spyri künstlerisch
inspirieren liess. Entstanden ist dabei ein Erinnerungsort – Sie werden das gleich sehen –, dessen
Botschaft ganz bestimmt kein toter Buchstabe bleiben wird, sondern den Geist der Geehrten
vergegenwärtigt und die Lebendigkeit unseres Hauses bereichert.
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Begrüssung durch Prof. Dr. Hans Weder, Rektor/SK
22.01.2008
Gleichstellung
Frauen unter Diskriminierungsdruck
Karrierebrüche im Leben von Emilie KempinSpyri
Veranstaltung von Dienstag, 22. Januar 2008
«Späte Ehrung – heutiges Gedenken. Emilie Kempin-Spyri (1853 – 1901)»
Erste Privatdozentin der Universität Zürich und Pionierin für die
Gleichberechtigung der Frau
Vortrag von Jakob Tanner, Universität Zürich
Meine Damen und Herren
Ich begrüsse Sie ebenfalls zu dieser Veranstaltung, die sich jetzt gewissermassen noch an einem
anderen Ort befindet, weil das camouflierte Objekt der Ehrung, das heute enthüllt werden wird, zwei
Stockwerke unter uns im Lichthof steht, vorerst einsam auf unser Erscheinen wartend. Der Prospekt
der Einladung gab allerdings bereits einen Blick frei auf das, was wir zu erwarten haben.
Kunstwerke sind polysemische und multifunktionale Manifestationen; Pipilotti Rist, wird ihre
künstlerische Materialisierung heute aus ihrer persönlichen Sicht kommentieren. Aus dem Blick des
Historikers drängt es sich allerdings auf, die überdimensionierte Chaiselonge als Requisit der
Psychoanalyse zu deuten und sie mit einer „Wiederkehr des Verdrängten“ in Verbindung zu bringen.
Die kleine Schweiz ist ja ein grosser Meister der kollektiven Amnesie. Was ihre eigene Geschichte
betrifft, so vergisst sie sehr gern und verdrängt noch lieber. So konnte sie denn lange Zeit auf eine
wunderbar begradigte Entwicklung zurückblicken. Diese Vergangenheitsverdrängung fördert eine
Feel-Good- Schweiz, der das Sensorium für die Problemseiten der eigenen Vergangenheit, für die
Verwerfungen, Verdrängungen und Fälschungen der Nationalgeschichte abhanden kam.
Der kritische Impetus neuer Forschungsansätze – der Sozial-, der Kultur- und nicht zuletzt der
Geschlechtergeschichte – hat in den vergangenen Jahrzehnten ein anderes, ein widersprüchlicheres
Geschichtsbild nahe gelegt. Die Schweiz wird nicht mehr als eine Antwort auf alle möglichen
Problemlagen der modernen Lebens und der internationalen Politik, sondern eher als eine Frage
betrachtet. Anstatt eine Tradition der nationalen Identität im Zeichen eines „Sonderfalls“ zu
verteidigen, die es schon früher nie gegeben hat, wird versucht, die Erfindung schweizerischer
Identitätskonzepte
und
die
damit
einhergehende
Konstruktion
von
nationalen
Souveränitätsvorstellungen zu untersuchen. Aus der Sicht des Historikers drängt es sich also auf, in
der blau-silbernen Couch ein Symbol für die Notwendigkeit einer nationalen Anamnese zu sehen.
Das heisst: virtuelles Liegen auf dieser Chaiselonge könnte uns in die Lage versetzen, eine vielfach
gebrochene und konfliktdurchwirkte Geschichte der Confoederatio Helvetica aufscheinen zu lassen,
in deren Katarakten nicht wenige Menschen, unter ihnen auch Emilie Kempin-Spyri verschwunden
sind.
Sie lebte von 1853 bis 1901 und hatte in den 1880er Jahren ungefähr das efordert, was erst hundert
Jahre später, 1981, mit dem „Gleichstellungsartikel“, (Absatz 2 von Artikel 4 der bis 1999 gültigen
Bundesverfassung von 1874) beschlossen wurde, der mit dem denkwürdigen Satz beginnt: "Mann
und Frau sind gleichberechtigt.“ Auch wenn die aus dieser Gleichberechtigung abgeleitete
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Frauen unter Diskriminierungsdruck/SK
22..01.2008
Frauen unter Diskriminierungsdruck
Karrierebrüche im Leben von Emilie Kempin-Spyri
Vortrag von Jakob Tanner, Universität Zürich
Universität Zürich, Gleichstellung
Gleichstellung der Geschlechter heute keineswegs in allen Bereichen der Gesellschaft verwirklicht ist,
gilt es doch zu sehen, dass dies ein wichtiger Durchbruch war. Denn der bürgerlichen Gesellschaft,
wie sie sich im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert formierte, galt Gleichstellung nämlich nicht
einmal als Grundsatz. Punkto Frauendiskriminierung war die Confoederatio Helvetica ein ganz
durchschnittlicher Fall; und noch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein hat sich die
Männerdemokratie dann als besonders resistent gegen elementare politische Frauenrechte erwiesen.
Zu Zeiten Emilie Kempin-Spyris waren Frauen qua „weiblicher Sonderanthropologie“ aus der Politik
und den meisten „höheren“ Berufsfeldern ausgeschlossen und auch sonst wurde ein ganzes
Dispositiv von Diskriminierungen gegen sie errichtet. Dies äusserte sich in einem substanziellen
Lohngefälle – Frauen verdienten so wenig, dass Männer grosse Konkurrenzängste vor ihnen haben
mussten. Dies zeigte sich aber auch in gut gemeinten Sonderbestimmungen, z.B. im
Eidgenössischen Fabrikgesetz, die Frauen die Nacht- und Sonntagsarbeit verboten. Mit der
„Ausklammerung“ aus der Politik, aus vielen Institutionen und Berufsfeldern korrespondierte – wie die
Historikern Beatrix Mesmer formuliert – eine „Einklammerung“ der Frauen in eine paternalistische
Familienkonzeption. Erst 1881 war auf Bundesebene die obligatorische Geschlechtervormundschaft,
also die männliche „Bevogtung“ für alle ledigen, verwitweten oder geschiedenen Frauen aufgehoben
worden; in der Ehe blieb aber der Mann nach wie vor der Vormund und Professor Eugen Huber, der
„Vater“ des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, das international grosse Beachtung fand, erklärte
1893, in der Entwurfsphase dieser grossen Rechtsvereinheitlichung, dies sei auch richtig so. Denn
erstens seien Frauen ganz allgemein „gesch.ftsuntüchtig“ zweitens könnten sie „Recht nicht
unterscheiden von Unrecht“ (Wecker 1995:87). Da bedurfte es dann eines starken männlichen
Oberhauptes, das nicht nur für Recht & Ordnung sorgte, sondern auch die familiären Ressourcen,
insbesondere die Vermögensverhältnisse dominierte. Derselben Grundhaltung waren alle wichtigen
Institutionen verpflichtet. Auch die Alma mater. Die Leitung der Universität Zürich argumentierte
damals, Dozentinnen seien eine „Demütigung“ für die Studentenschaft und überhaupt könnten
Frauen eine universitäre Lehrtätigkeit deswegen nicht wahrnehmen, weil sie dann ja solch heiklen
Gebiete wie z.B. bei den Juristen das Sexualstrafrecht oder bei den Medizinern die Anatomie
unterrichten müssten, was wohl doch als flagranter Verstoss gegen die „weibliche Würde“ gewertet
werden müsste.
Einen Rückblick auf diese schwierige Geschichte des Kampfs der Frauen um Gleichberechtigung, um
Emanzipation, wird gleich nach meinem Vortrag Frau Prof. Dr. Beatrice Weber-Dürler werfen – ich
möchte im Folgenden auf die Protagonistin der heutigen Veranstaltung, auf Emilie Kempin-Spyri,
eingehen. Legen wir uns also virtuell auf die Chaiselonge der Geschichte, lassen wir uns in den
„fremden Kontinent der Vergangenheit“ befördern - - - - - so können wir uns, im Jahre 1880, eine junge, attraktive 27-jährige Frau vorstellen. Sie ist
verheiratet, hat drei Kinder, ein Mädchen, eine Bub, dann nochmals ein Mädchen. Ihr Mann, der
Theologe Walter Kempin, steuert allerdings gerade auf eine berufliche Krise zu, die rasch akut
werden und die er zeit seines Lebens nicht mehr überwinden wird. Er verliert seine Pfarrerstelle in der
Enge bei Zürich, wohl auch deswegen, weil er die tonangebenden Zürcher Freisinnigen mit seinen
radialen sozialpolitischen Ideen verschreckt und weil er nicht zum strammen Mainstream-Typus von
Mann gehört, sondern die emanzipatorischen Ideen seiner Frau unterstützt, was im sozialmoralischen
Milieu der Limmatstadt durchaus rufschädigend ist. Deshalb wird er, als die beiden 1875 heiraten,
von Emilies Vater, dem Manchester-Liberalen Johann-Ludwig Spyri als „schlechte Partie“ für seine
Lieblingstochter schroff abgelehnt. Patriarch Spyri hält vom künftigen Schwiegersohn so wenig, dass
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Frauen unter Diskriminierungsdruck
Karrierebrüche im Leben von Emilie Kempin-Spyri
Vortrag von Jakob Tanner, Universität Zürich
Universität Zürich, Gleichstellung
er seiner Tochter, die ihren eigenen Weg geht, die Mitgift verweigert. Das aufwärtsorientierte
Selbstbewusstsein des Vater hängt wohl auch damit zusammen, dass er im selben Jahr, in dem
Emilie heiratet, gerade nochmals einen beachtlichen beruflichen Karrieresprung macht; er wechselt
nämlich vom Pfarramt auf den Posten eines Chefstatistikers der Nordostbahn und kann dort seine in
langer gemeinnütziger Arbeit erworbenen statistischen Kenntnisse umsetzen. 1880, als es in der
Familie Kempin-Spyri zu kriseln beginnt, prosperiert das verwandtschaftliche Umfeld insgesamt.
Johanna Spyri, die berühmte Tante von Emilie Kempin-Spyri, veröffentlicht gerade die legendären
Heidi-Geschichten, ab 1881 unter ihrem eigenen Namen, und steigt zu einer literarischbildungsbürgerlichen Instanz nicht nur Zürichs, sondern der ganzen Schweiz auf. Dieser Erfolg
rundherum erhöht den Druck auf die Kempin-Spyri-Familie, die sich im ökonomischen Sinkflug
befindet.
Emilie Kempin-Spyri realisiert in dieser Situation, dass für eine Frau wenige Optionen offen sind,
wenn das traditionelle Modell einer gutbürgerlichen Familie mit einer tüchtig-treuen Ehefrau und
einem beruflich etablierten Pater familias nicht mehr funktioniert. Die junge Mutter muss nun
einsehen, dass sie von ihrem Bildungshintergrund her massiv handicapiert ist. Sie sucht angesichts
dieser Unbill nach Mitteln und Wegen, die sich abzeichnende soziale Misere abzuwenden. Der
familiäre Hintergrund und ihre intellektuellen Ambitionen verbieten es ihr, sich irgendeiner dienenden
Betätigung zuzuwenden. Sie will lernen, sich ausbilden, sie beginnt sich, tatkräftig unterstützt von
ihrem Mann, auf die Matura vorzubereiten und besucht an der Universität, wo Frauen damals noch
als Raritäten gelten, probehalber Vorlesungen. Sie entscheidet sich für Jurisprudenz und beginnt an
der rechtswissenschaftlichen Fakultät zu studieren.
Das Studium verläuft problemlos. Doch das, was sie mit dieser ganzen persönlichen
Bildungsanstrengung anstrebt, nämlich der Einstieg in das Berufsleben, mit dem Ziel, die Familie zu
ernähren, erweist sich als schwierig, als demoralisierend, als ein Parcours von Schikanen. Der
anstrebte Zugang zum Anwaltsberuf bleibt Emilie Kempin-Spyri – höchstrichterlich sanktioniert –
verwehrt. Das von ihr umgehend angerufene Bundesgericht weist die These, der Gleichheitsartikel 4
der schweizerischen Bundesverfassung beziehe sich nicht nur auf Männer, sondern auf Menschen,
also auch auf Frauen zurück. Eine solche Vorstellung sei, so das Schweizerische Bundesgericht
wörtlich, „ebenso neu wie kühn“ und könne nicht akzeptiert werden. Für Emilie Kempin-Spyri kommt
das nicht nur eine brutale Zerstörung beruflicher Träume gleich; nun droht ihr und der Familie
materielles Prekariat. So arbeitet sie umso entschlossener auf den Abschluss des Studiums hin, mit
der Hoffnung, es würde ihr gelingen, sich eine Position an der Universität aufzubauen.
1887 reicht sie die Dissertation zum Thema „Die Haftung des Verkäufers einer fremden Sache“ ein,
die sie ihren beiden Lehrern und Förderern, den Professoren Albert Schneider und Aloyis von Orelli
widmet. Dass sie sich dieses, wie sie selber empfindet, weniger anspruchsvolle Thema ausgesucht
hat, hängt mit dem notorischen Zwang zur Ökonomisierung, dem sie und ihre Familie ausgesetzt ist,
zusammen. Die Arbeit ist indessen durchaus bemerkenswert, zitiert die Autorin doch etwa das
Bulletin der „Geographical American Society“, um auf einige Züge der Rechtskultur daghestanischer
Bergbauern hinzuweisen, dies in der Absicht, die Universalität von Rechtsnormen herauszuarbeiten
und die Jurisprudenz auf „kosmopolitischen Begriffen“ aufzubauen.
Diese egalitäre Konzeption verband Emilie Kempin-Spyri mit interessanten Überlegungen zur
Geschlechterdifferenz und zur Familienökonomie. Später, 1894, wird sie in einer Schrift zur Stellung
der „Ehefrau im künftigen Privatrecht der Schweiz“ – ihre eigene Erfahrung reflektierend – schreiben:
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Frauen unter Diskriminierungsdruck/SK
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Frauen unter Diskriminierungsdruck
Karrierebrüche im Leben von Emilie Kempin-Spyri
Vortrag von Jakob Tanner, Universität Zürich
Universität Zürich, Gleichstellung
„Ich halte das Princip, die Ehefrau in ihrer Handlungsfähigkeit zu beschränken, für das
allerverkehrteste, das es geben kann. Es erhält die Frau in einer für ihre ganze Entwicklung
schädlichen Unselbständigkeit“. (4) Mit Blick auf den Fall, dass aufgrund von Tod oder Versagen der
„Familienernährer“ ausfällt, fügt sie bei: „Da redet man über die Schwachheit der Frau, die, ihr Leben
lang vom Willen ihres Mannes abhängig (ist) (…) und da wundert man sich, dass solche Frauen oft
ganz unfähig sind, die Sorge für die Weiterexistenz der Familie auf ihre Schultern zu nehmen.“ (5)
So wichtig Kempin-Spyri das Anliegen für die Aufwertung der Frau in der ehelichen Gemeinschaft
erachtete, so sehr war ihr aber auch daran gelegen, die Haus- und Familienarbeit angemessen zu
bewerten. So schreibt sie: „Es ist ein grossser Irrtum, wenn man die haushälterische Tätigkeit der
Frau nichts wertet. Sie ist unter Umständen gewinnbringender, als wenn die Frau ausser dem Hause
arbeitet, jedenfalls ist sie der produktiven Arbeit der Berufs- und Handelsfrau äquivalent.“ (18) Aus
ihrer Sicht geht es darum, dass die Frau selber entscheiden kann, was sie vorzieht, was ihren
„Anlagen und Neigungen (…) besser entspricht“. (19) Indem sie forderte, es sei auch ein
„ökonomischer Wertmesser“ an die „Arbeit der Hausfrau“ zu legen, vertritt sie im ausgehenden 19.
Jahrhundert eine Position, die heute wiederum politisch kontrovers behandelt wird. Sie wäre – so
liesse sich mit Bezug auf eine aktuelle Diskussion feststellen – durchaus erfreut gewesen, dass die
Frankfurter Sprachexperten das despektierliche Schlagwort „Herdprämie“ zum „Unwort des Jahres
2007“ erklärt und damit klar gemacht haben, dass die Diskussion um eine angemessene finanzielle
Remuneration von Haushaltsarbeit und Kindererziehung noch längst nicht vom Tisch ist.
Doch zurück an die Universität und ins Jahr 1887. Die wenigen Frauen, die sich den Zugang zum
Studium erkämpft hatten, mussten sich dafür zu rechtfertigen. Und es galt, wie gesagt, als
Selbstverständlichkeit, dass nur Männer unterrichten konnten. Als Emilie Kempin-Spyri den Antrag
auf Erteilung einer Privatdozentur für römisches Recht stellte – bei dessen Annahme sie die erste
Privatdozentin an der Universität geworden wäre – sagten zwar einige für damalige Verhältnisse
fortschrittlich eingestellte Rechtsprofessoren, dass „dem kein gesetzliches Hindernis entgegensteht“
(SVA1928:311). Man hatte ja bei der Formulierung eines entsprechenden Gesetzesparagraphen in
keiner Weise an Frauen gedacht, so dass man nun auch argumentieren konnte, diese seien nicht
vorsätzlich oder prinzipiell ausgeschlossen. Die Mehrheit vermochte sich aber mit einer solchen
flexiblen Interpretation nicht anzufreunden. In der juristischen Fakultät hielt es ein Professor „nicht für
wünschenswert, dass eine Frau Privatdocent werde“. (SVA1928:311). Die Frage wurde ins
Grundsätzliche gewendet und an den Senat der Universität weitergereicht. Der zuständige
Senatsausschuss gelangte umstandslos zum doppelten Schluss – ich zitiere aus dem Protokoll vom
29. Mai 1888: „1. lasse das Unterrichtsgesetz weibliche Privatdozenten nicht zu und dieselbe sei 2.
nicht opportun.“ (313) Emilie Kempin-Spyri hatte also keine Chance. Was konnte sie tun, unter diesen
Umständen?
Der amerikanische Ökonom Albert O. Hirschman hat vorgeschlagen, das Verhalten von Akteuren in
schwierigen Situationen oder gegenüber Einrichtungen, mit denen sie nicht zufrieden sind, mittels der
drei Kategorien Exit, Voice und Loyality zu analysieren. Hirschman bezog diese begriffliche Trias vor
allem auf Organisationen, die sich – bezogen auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder – im Niedergang
befinden. Sie lässt sich aber auch auf Konstellationen beziehen, in denen neue Akteursgruppen mit
neuen Ansprüchen und Forderungen auftauchen, wie dies mit der Frauenbewegung des
ausgehenden 19. Jahrhunderts der Fall war. Exit bedeutet den Austritt aus einer Organisation oder
das Sich-Abwenden von einer Gruppe, was in vielen Fällen gleichbedeutend mit Emigration ist. Oft
erwies sich das als die einfachste Option. Die Schweiz war während Jahrhunderten und noch bis kurz
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Frauen unter Diskriminierungsdruck/SK
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Frauen unter Diskriminierungsdruck
Karrierebrüche im Leben von Emilie Kempin-Spyri
Vortrag von Jakob Tanner, Universität Zürich
Universität Zürich, Gleichstellung
vor 1900 ein Auswanderungsland. Viele, die hierzulande keine Zukunft mehr für sich sahen,
beschlossen, wegzugehen. Loyalit.tsgefühle können allerdings ein stummes „Türmen“ schwierig
machen. In diesen Fällen ist dann Voice, d.h. explizite Kritik, verbaler oder praktischer Protest,
angesagt.
Im Falle von Emilie Kempin-Spyri lässt sich – unter Verwendung dieser Kategorien – sagen, dass sie
eine starke Loyalität gegenüber ihrer Familie empfand und dass sie auch dem Staatswesen, in dem
sie lebte, verpflichtet war. Sie erkannte, dass es im schweizerischen Bundesstaat institutionelle
Kanäle und Ausdrucksmöglichkeiten für Änderungsbegehren, für Voice gibt. Die staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht, mit der Kempin-Spyri auf die Weigerung, sie als Anwältin zu
akzeptieren, regierte, zeugt durchaus von einer Identifikation mit einer Verfassung, welche die
grundsätzliche Gleichheit der Bürger stipuliert. Wenn man mit grosser Selbstverständlichkeit
Geschäfts- und Handelsfrauen besteuerte, wieso sollte man dann Frauen in bestimmten andern
Bereichen willkürlich diskriminieren können? Emilie Kempin-Spyri war der logisch leicht
nachvollziehbaren Meinung, dass „Bürger“ nach dem Inklusionsprinzip auch die Frauen meinen
müsste. Die Behörden legten sich allerdings auf eine malevolente, nämlich den Ausschluss der
Frauen und damit deren Diskriminierung verstetigende Interpretation fest.
Als sich dieses Spiel dann 1888 an der Universität beim Versuch, einen Privatdozentenstatus zu
erhalten, wiederholte, schwenkte Emilie Kempin-Spyri auf eine Exit-Strategie ein. Noch im selben
Jahr wanderte die ganze Familie nach New York aus; in den USA schien am besten Gewähr
geboten, dass die Kempins intellektuell und finanziell auf einen „grünen Zweig“ kommen könnten.
Nun war Amerika zu dieser Zeit alles andere als ein Dorado für Frauenrechte, das Land der
„ungeahnten Möglichkeiten“ bot allerdings initiativen und innovativen Persönlichkeiten, als die man
Emily Kempin-Spyri charakterisieren kann, erhebliche Spielräume. Es ist erstaunlich, wie erfolgreich
unsere Protagonistin, die ihren Vornamen nun mit Ygrec schrieb, diese zu nutzen verstand, wie sie
binnen kurzem Hürden, die einer professionellen Karriere als Juristin, entgegenstanden, überwand
und sich in einem institutionellen Setting etablierte, das ihr glänzende Perspektiven öffnete. Nach
kurzer Zeit hatte sie eine Anstellung an der juristischen Fakultät der Universität der Stadt New York,
sie unterrichtete als Dozentin für gerichtliche Medizin am "New York Medical College & Hospital for
Women" und war "Secretary of the New York Medico-Legal Society" und gründete eine eigene „Law
School“.
Die Tatsache, dass es der Rest der Familie, vor allem ihr des Englischen weniger mächtige Mann, in
der „Neuen Welt“ nicht aushielt und gleichsam geschlagen nach Zürich zurückkehrte, stürzte Emilie
Kempin-Spyri in einen schweren Loyalitätskonflikt –sie beschloss, ebenfalls zurückzukehren und,
wieder in Zürich angekommen, erneut auf Voice zu setzen. Das war nicht unrealistisch. Denn dass
sie mit ihren „neuen und kühnen“ Ideen ein sehr realistisches juristisches Trendsetting betrieb, zeigte
sich etwa daran, dass ihr zweiter Anlauf für eine Privatdozentur im Jahre 1891 Erfolg hatte. Die
Universität wollte sie zwar auch bei diesem zweiten Anlauf zu Fall bringen, aber der für die
Entscheidung zuständige Zürcher Erziehungsrat fand nun, dass das Gesetz Frauen nicht zwingend
ausschliesse und entschied gegen die ablehnende Universitätsbegründung und für die
Antragstellerin. Und wäre Emily Kempin-Spyri auf ihrer Karrierebahn geblieben, so hätte sie 1898, im
Alter von 45 Jahren, auch eine Anwaltspraxis eröffnen können. Denn in diesem Jahr stimmte das
Zürcher Stimmvolk einer entsprechenden Gesetzesänderung zu; 1923 wurde die Diskriminierung von
Frauen im Anwaltsberuf dann auch auf eidgenössischer Ebene aufgehoben.
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Karrierebrüche im Leben von Emilie Kempin-Spyri
Vortrag von Jakob Tanner, Universität Zürich
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Für Emily Kempin-Spyri blieb es vorerst beim Durchbruch an der Universität. Die Stellung einer
Privatdozentin war allerdings mit Problemen behaftet. Die Studenten hatten massive psychologische
Probleme; der Unterricht einer Frau überforderte sie. Das paternalistische Geschlechtermodell, auf
das sie kulturell konditioniert wurden, machte eine weibliche Dozentin zur Anomalie, wenn nicht zu
etwas Bedrohlichem. Darauf reagierte man mit pöbelhaftem oder zumindest „ungalantem Verhalten“
(wie es in den Quellen heisst). Emily Kempin-Spyri kompensierte diese Schwierigkeiten durch
andere, prospektive Aktivitäten: sie trat als erste Frau dem „Schweizerischen Juristenverein“ bei, sie
gründete eine „Rechtsschule für Laien“, trat in den Vorstand des „Frauenrechtsschutzvereins“ ein, sie
war an einer Zeitschrift für „Frauenrecht“ beteiligt, sie dozierte an der höheren Töchterschule. Und sie
kämpfte 1891 weiter für ihre Zulassung als Anwältin. Auf diesem Terrain unterlag sie auch dieses
Mal.
So besann sie sich wieder auf Exit. Sie wanderte ein zweites Mal aus, diesmal nach Berlin. Damit
verbunden war auch die Trennung von ihrem Mann. Sie publizierte erfolgreich juristische Fachliteratur
und wurde zur offiziellen Deutsch-Englisch-Übersetzerin für sämtliche Gerichte der Mark
Brandenburg ernannt. Sie partizipierte im September 1896 am Internationalen Frauenkongress in
Berlin und im Juni 1897 am „Evangelisch-socialen Kongress“ in Leipzig. Kurz: Sie baute sich auch
hier mit Umsicht und Energie eine Berufskarriere auf. Doch es zeigten sich neue, unerwartete
Schwierigkeiten. Emily Kempin-Spyri vertrat sie eine frauenrechtliche Position, die sie – gerade weil
es ihr nicht nur um Politik, sondern um Frauenarbeit, um die Berufswelt und den Arbeitsmarkt, ging –
in Widerspruch zu führenden Vertreterinnen der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung brachte.
Es mochte damals scheinen, Emily Kempin-Spyri hätte wichtige Forderungen der
Frauenemanzipation aufgegeben; heute erkennen wir besser, dass sie sich – wenn auch mit andern
Akzenten – doch mit Fragen befasste, die erst viel später, nämlich von der neuen Frauenbewegung
der 1970er Jahre, wieder in die politische Arena eingebracht worden sind.
Dass sie im Herbst 1897, 44-jährig, psychisch zusammenbrach und nach zwei Jahren Aufenthalt in
einem Berliner Sanatorium 1899 nach Basel in die „Friedmatt“ überführt wurde, wo sie nochmals zwei
Jahre lebte, hat aber wohl mehr mit ihrem eigenen, persönlichen Leben als mit der schieren Wucht
der „gesellschaftlichen Verhältnissen“ zu tun. Diese Verhältnisse waren allerdings so angelegt, dass
es für Frauen, die einmal in ihrer Situation waren, kaum ein Entrinnen mehr gab. Emily Kempin-Spyri
will aus der Anstalt, in die sie sich nun eingesperrt sieht, wieder heraus. 1899 bewirbt sie sich mit
einem Brief bei einem Basler Pfarrer als Dienstmagd. Ihre Lagebeurteilung ist bemerkenswert klar. Ihr
Name sei nun, so schreibt sie, „mit dem Odium der Geisteskrankheit behaftet“, was ihr die Rückkehr
in das juristische Berufsfeld verunmögliche. So wolle sie sich nun wieder auf „die Künste &
Fertigkeiten einer Hausfrau“ verlegen. „Meine Ansprüche sind von Hause & Natur aus sehr
bescheiden, ausserdem aber sehe ich meine mittel- & existenzlose Lage zu klar ein, als dass ich
mich nicht Allem willig & fröhlichen Herzens unterziehen würde“, schreibt sie ans Pfarrhaus.
Hier zeigt sich nochmals eine individuell-unternehmerische Haltung, eine schonungslose Einsicht in
die eigene Lage und die Gewalt gesellschaftlicher Verhältnisse, die Emilie Kempin-Spyris Leben
insgesamt prägten und die von merkwürdiger Aktualität sind. Heute spricht man von „neoliberaler
Subjektivität“. Nicht wenige glauben, in diesem unverwüstlichen Willen zur Selbstbehauptung ein
Gegenprinzip zur egalitären Forderungslogik linker Sozialreformer zu sehen. Das wäre jedoch eine
kurzsichtige Deutung. Emilie Kempin Spyri war vielmehr eine Frau, die das aufklärerische
Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft nach Gleichheit und Anerkennung einforderte und dabei
aktiv an der Gestaltung der sozialen Verhältnisse mitwirkte. Sie war eine Aktivbürgerin, die den
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Frauen unter Diskriminierungsdruck
Karrierebrüche im Leben von Emilie Kempin-Spyri
Vortrag von Jakob Tanner, Universität Zürich
Universität Zürich, Gleichstellung
Tatbestand, dass man ihr die Rechte einer solchen nicht zugestehen wollte, skandalisierte. Sie hat
juristisches Geschütz gegen Männerbastionen aufgefahren, sie wollte das Ancien Regime des
Patriarchats zu Fall bringen. Sie hat sich mit Autoritäten ihrer Zeit angelegt, sie hat gegen
Diskriminierung gekämpft, sie wollte andere Zustände. Das hat ihr ein Profil gegeben. Im
Spannungsfeld zwischen ihren Aspirationen und dem Wenigen, was man ihr als Frau effektiv
zugestand, hat sie sich zu einer ausserordentlichen Persönlichkeit entwickelt.
Sie entspricht aber nicht dem Typus einer Ich-AG, die sich permanent fit hält für alle möglichen
Investments und Options. Sie war durchaus pragmatisch, flexibel, erfinderisch, innovativ. Sie verfügte
gleichzeitig über starke Normen, sie war eine innengeleitete Persönlichkeit, eine geradezu
idealtypische Bürgerin aus der Welt des 19. Jahrhunderts. Das soll uns nicht daran hindern, in ihr
eine Vorkämpferin für Frauenrecht zu sehen, denn solche Zusammenhänge erschliessen sich immer
erst post festum. So kommen leider auch solche Ehrungen immer zu spät. Das ChaiselongeDenkmal, das wir heute noch sehen werden, könnte allerdings, über die angesprochene Funktion als
Vehikel für die Arbeit am gesellschaftlich Unbewussten hinaus, auch eine Zwischenplattform
darstellen für den Weg von Emilie Kempin-Sypri zu einer posthum verliehen Professur, die sie, hätte
man ihr den Eintritt in die akademische Berufslaufbahn nicht vorsätzlich verwehrt, doch mit grosser
Wahrscheinlichkeit zu Lebzeiten bekommen hätte.
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Gleichstellung
Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung –
vom Fall Kempin bis heute
Beatrice Weber-Dürler
1 Magere Bilanz des juristischen Kampfes um die Rechte der
Frauen bis 1981
Der Fall Kempin begegnet den Studierenden der Rechtswissenschaft bereits im ersten Semester. Der
1
Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 1887, der auf Emilie Kempin zurückgeht , findet sich heute
noch in allen Lehrbüchern zum Staatsrecht und bildet nach wie vor einen Leitentscheid zur
Rechtsgleichheit. Worum ging es genau? Am 24. November 1886 erschien in einer Verhandlung vor
dem Bezirksgericht Zürich über eine Forderungsstreitsache nicht wie erwartet der Kläger und
Widerbeklagte Walther Kempin, sondern seine Ehefrau Emilie Kempin geb. Spyri. Die angehende
Juristin stellte den Antrag, als Vertreterin ihres Ehemannes zum Vortrage zugelassen zu werden. Das
Bezirksgericht lehnte dies ab, weil das Gesetz für die Vertretung Dritter in Zivilsachen das
2
Aktivbürgerrecht verlangte, und zwar als einzige Voraussetzung. Ein stimmberechtigter Mann konnte
ohne Weiteres vor Gericht auftreten und sich sogar ohne entsprechende Ausbildung als Anwalt
betätigen. Mit Recht war Emilie Kempin der Meinung, sie werde eigentlich wegen ihres weiblichen
Geschlechts nicht zugelassen. Mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht machte sie
geltend, Art. 4 der Bundesverfassung (der Satz „Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich“) dulde
keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Staatsbürgern. Um diese These zu
untermauern, wagte sie sogar die Behauptung, auch Frauen dürften nach der Verfassung der
Militärpflicht unterworfen werden, zumindest einem Sanitätsdienst oder der Militärpflichtersatzsteuer.
Ihre Argumentation erscheint auch heute reichlich keck für eine Jus-Studentin im 4. Semester… Das
Bundesgericht wies die Beschwerde ab. Die Auffassung, die Verfassung fordere volle rechtliche
Gleichstellung der Geschlechter, sei – so eine oft zitierte Sentenz – „eben so neu als kühn“, könne
aber nicht gebilligt werden. Eine verschiedene rechtliche Behandlung der Geschlechter, speziell in
Bezug auf das Recht zur Betätigung im öffentlichen Leben, entbehre jedenfalls nach der zurzeit noch
zweifellos herrschenden Rechtsanschauung keineswegs der inneren Begründung.
1923, also 36 Jahre später, ging Fräulein Dr. Dora Roeder (die übrigens ebenfalls an der Universität
Zürich Jus studiert hatte) ihrerseits vor Bundesgericht, als ihr wegen des fehlenden Aktivbürgerrechts
3
nicht gestattet wurde, vor den Gerichten des Kantons Freiburg aufzutreten . Und sie bekam recht.
Das Bundesgericht distanzierte sich ausdrücklich vom Entscheid Kempin und betonte, dessen
Grundgedanke stehe nicht mehr im Einklang mit den aktuellen Gegebenheiten. Es gehe nicht mehr
an, Frauen mit dem Erfordernis des Aktivbürgerrechts von der Vertretung vor Gericht und damit auch
vom Beruf des Rechtsanwalts auszuschliessen, der seit der Jahrhundertwende in zahlreichen
Kantonen für Frauen geöffnet worden sei. Tatsächlich hatte der Kanton Zürich sein Gesetz bereits
1898 in diesem Sinn geändert, und seinem Vorbild waren seither weitere Kantone gefolgt. Emilie
Kempin erfuhr (nebenbei bemerkt) im Sommer 1897 in Berlin, dass in Zürich eine Änderung im
Gange sei. Das neue Gesetz, das vor allem auf ihre Initiative zurückging, kam aber für sie selbst zu
spät. Zermürbt durch die erfolglosen Kämpfe, konnte sie eine Rückkehr und einen Neubeginn
offenbar nicht mehr in Betracht ziehen. Nach dem Bericht ihrer Tochter hat die an sich erfreuliche
4
Nachricht aus Zürich sogar ihren völligen Zusammenbruch ausgelöst .
Die Schilderung des Falls Kempin lässt die Studierenden nicht unberührt, selbst wenn die wenigsten
das tragische Schicksal von Emilie Kempin kennen. Während der Vorlesung reagieren sie mit
nachdenklicher Miene, überlegenem Lächeln oder unwilligem Kopfschütteln. Hätte sich das
Bundesgericht nicht bereits 1887 aufgeschlossener gegenüber der Frauenfrage zeigen können? Hat
das Gericht als reines Männergremium seine Machtstellung benützt, um sich erfolgreich gegen den
Vormarsch der Frauen zu stemmen? Wenn man die Rechtsprechung überblickt, ist diese nahe
liegende Sicht aber zu einfach:
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Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom Fall Kempin bis heute
Beatrice Weber-Dürler
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Als das Bundesgericht im Jahr 1874 seine Tätigkeit aufnahm, gab es der Rechtsgleichheit ohne zu
zaudern einen umfassenden Anwendungsbereich. Das Grundrecht galt für alle und in allen Belangen,
wurde aber von Anfang an inhaltlich relativiert. Eine ungleiche Behandlung durch das Gesetz stand
im Einklang mit der Rechtsgleichheit, wenn sie sich durch sachliche Gründe rechfertigen liess. Diese
Lösung gilt noch heute. Die entscheidende Frage, ob sachliche Gründe eine Unleichbehandlung
rechtfertigen, kann allerdings nicht ohne eine Wertung beantwortet werden. Um einer rein subjektiven
Wertung vorzubeugen, stellt das Bundesgericht auf die herrschende Rechts- und Wertanschauung
ab. Nur wenn die Ungleichbehandlung einem im Urteilszeitpunkt bestehenden gesellschaftlichen
Konsens widerspricht, verletzt sie die Rechtsgleichheit. Da dieser gesellschaftliche Konsens nicht
einfach zu ermitteln ist, pflegt sich das Gericht an den in der Schweiz bestehenden
Gesetzgebungstrends zu orientieren. Der Gang ans Bundesgericht ist letztlich nur aussichtsreich
gegen einen rückständigen Kanton, der hinter den gesamtschweizerischen Gesetzgebungstendenzen
zurückgeblieben ist. So passt es voll ins Konzept, dass die Beschwerde im Jahr 1923 Erfolg hatte, als
bereits eine Reihe von Kantonen Anwältinnen zuliessen, nicht aber die Beschwerde im Jahr 1887, als
noch kein einziger Schweizer Kanton so weit war.
1957 erging ein weiterer wichtiger Entscheid, der nun direkt das Frauenstimmrecht betraf. Eine
Gruppe von Frauen aus dem Waadtland machte vor Bundesgericht geltend, sie seien eigentlich
bereits im Besitz des kantonalen Stimmrechts: Man müsse nur das Wort „Suisse“ in der kantonalen
Verfassungsbestimmung über das Aktivbürgerrecht zeitgemäss und der Rechtsgleichheit
5
entsprechend auslegen . Nach dem Gesagten war dieser Prozess schon deshalb praktisch
chancenlos, weil das Frauenstimmrecht damals in der Schweiz noch nirgends verwirklicht war. Der
Kanton Waadt sollte es erst zwei Jahre später – im Jahr 1959 – als erster Kanton einführen. Die
Einführung des Frauenstimmrechts im Bund wurde am gleichen Abstimmungssonntag des Jahres
1959 wuchtig verworfen und glückte erst 1971. Das Bundesgericht machte im Übrigen deutlich, dass
die Einführung des Frauenstimmrechts Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte sei. Es
sollten noch gut 30 Jahre vergehen, bis das Bundesgericht dem Kanton Appenzell Innerrhoden das
6
Frauenstimmrecht in einem analogen Verfahren dennoch aufoktroyierte . Im Jahr 1990 war das
Frauenstimmrecht indessen in der ganzen Schweiz ausser in Appenzell Innerrhoden verwirklicht.
Abgesehen davon galt auch bereits seit 1981 die neue, für Frauenrechte günstigere Sondernorm
über die Geschlechtergleichheit, auf die wir sogleich zu sprechen kommen.
Kurz vor dem Inkrafttreten dieser Sondernorm kam es noch zu einem kleinen Lichtblick: Im Jahr 1977
verhalf das Bundesgericht den Neuenburger Lehrerinnen zur gleichen Besoldung, wie sie auch ihren
männlichen Kollegen zustand. Bezeichnenderweise warf das Gericht vorgängig einen Blick auf die
Gesetze der anderen Kantone, welche sozusagen ausnahmslos zur Lohngleichheit übergegangen
7
waren .
Für die erste, gut hundert Jahre dauernde Phase ergibt sich damit eine magere Bilanz: Die Chance,
über ein Gerichtsurteil vorwärts zu kommen, war äusserst gering, weil sich die Rechtsprechung zur
Rechtsgleichheit an der jeweils herrschenden Rechtsanschauung orientierte und deshalb stets der
gesamtschweizerischen Gesetzgebung hinten nachhinkte. Beschwerdeführerinnen, die auf kühne
Pionierentscheide hofften und für innovative Lösungen kämpften, die in der Schweiz noch nirgends
verwirklicht waren, scheiterten zwangsläufig.
2 Was brachte der neue Gleichberechtigungsartikel?
Die bitteren Erfahrungen mit der allgemeinen Rechtsgleichheit bildeten denn auch den Grund dafür,
dass Frauenkreise 1975 eine Initiative für eine griffigere Sondervorschrift über die
Geschlechtergleichheit lancierten. Mit Erfolg – „Mann und Frau sind gleichberechtigt“ hiess es nun
klipp und klar im ersten Satz der neuen Verfassungsbestimmung, die (als Resultat eines
Gegenvorschlags) am 14. Juni 1981 in Kraft trat.
2.1 Effektive Durchsetzung gleicher Rechte und Pflichten
Von Anfang an stand jedoch fest, dass die Gesetze auch unter der neuen Sonderbestimmung nicht
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völlig geschlechtsneutral sein konnten. Es oblag dem Bundesgericht, den Satz „Mann und Frau sind
gleichberechtigt“ auszulegen. Mit Spannung erwartete man die ersten Entscheide, denn es bestand
durchaus die Gefahr, dass die neue Bestimmung durch die Gerichtspraxis verwässert würde.
Erfreulicherweise realisierten sich diese Befürchtungen nicht, das Bundesgericht verlieh dem neuen
besonderen Gleichheitssatz vielmehr die nötige Durchschlagskraft. Im Unterschied zur allgemeinen
Rechtsgleichheit verlangte die neue Sondervorschrift grundsätzlich absolute rechtliche
Gleichbehandlung von Mann und Frau – also genau das, was Emilie Kempin vor fast hundert Jahren
vergeblich gefordert hatte. Ausnahmen liess das Bundesgericht nur bei zwingenden biologischen
oder funktionalen Unterschieden zwischen den Geschlechtern zu. Unsicherheit bestand vor allem in
der Frage, was mit den funktionalen Unterschieden zwischen Mann und Frau gemeint war. Diese
hätten leicht auf die überkommene soziale Rollenverteilung bezogen werden können, um etwa
Hausarbeitsunterricht für Mädchen zu rechtfertigen. Zum Glück entwickelten sich die funktionalen
Unterschiede jedoch nicht zum trojanischen Pferd und führten in der Folge ein blosses
Schattendasein. Damit verblieb lediglich ein kleiner Raum für rechtliche Ungleichheiten zwischen den
Geschlechtern; sie mussten im Wesentlichen mit der Mutterschaft zusammenhängen. Die Wirkung
der neuen Sondernorm zeigte sich bereits im ersten grundlegenden Entscheid: Als 1981 mehr
Mädchen als Knaben den Übertritt ins Collège schafften, wollten die Waadtländer Schulbehörden
strengere Zulassungskriterien für Mädchen als für Knaben einführen. Auf Beschwerde der Mädchen
bzw. ihrer Eltern hin wurden sie vom Bundesgericht zur absoluten Gleichbehandlung der Schüler und
8
Schülerinnen verpflichtet .
Verfolgt man die Gerichtsurteile zum neuen Gleichberechtigungsartikel, fällt allerdings auf, dass es
(anders als erwartet) häufig Männer und nicht Frauen waren, die den Prozessweg erfolgreich
9
beschritten . So erstritt der Witwer einer Lehrerin 1990 vor Gericht, dass ihm eine Witwerrente unter
10
den gleichen Voraussetzungen gewährt wurde wie einer Witwe . Männer wehrten sich ferner mit
Erfolg gegen die einseitige Belastung des männlichen Geschlechts mit dem Feuerwehrdienst und mit
11
der Feuerwehrersatzabgabe ; diese Pflichten wurden in der Folge durch die Kantone und
Gemeinden auf Frauen ausgedehnt. Mit Ernüchterung musste man registrieren, dass der neue
Gleichberechtigungsartikel auch zu zusätzlichen Belastungen der Frauen führte.
2.2 Die Entscheide über Frauenquoten als Stein des Anstosses
Ein grösseres Malaise ergab sich aber aus einer weiteren Entwicklung, der wir uns zum Schluss
zuwenden. Als die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter weitgehend verwirklicht war, verlagerte
sich der Schwerpunkt der Diskussion auf die Frage nach der tatsächlichen Gleichstellung von Mann
und Frau. Offensichtlich vermochte nämlich auch eine konsequente rechtliche Gleichbehandlung die
gesellschaftliche Schlechterstellung der Frauen nicht zu beseitigen – zu beharrlich hielten und halten
sich die überlieferten Vorurteile. Die Auffassung, der Staat habe nicht nur die rechtliche, sondern
auch die soziale Gleichstellung der Frauen anzustreben, setzte sich durch und wurde in der
totalrevidierten Bundesverfassung von 1999 ausdrücklich bestätigt. Der Gleichberechtigungsartikel
enthält seither im zweiten Satz den klaren Auftrag an den Gesetzgeber, auch für die tatsächliche
Gleichstellung von Mann und Frau zu sorgen.
2.3 Quoten in politischen Behörden
Als besonders wirksames Mittel zur Erhöhung des Frauenanteils im Parlament und in anderen
staatlichen Behörden haben sich im Ausland Quotenbestimmungen erwiesen, welche einen
bestimmten Prozentsatz der zu vergebenden Sitze von vornherein Frauen vorbehalten. Die ersten
kantonalen Initiativen, die auf die Einführung von Quoten abzielten, stiessen jedoch nicht nur auf
politischen Widerstand, sondern auch auf juristische Hindernisse. Im Jahr 1995 wurde im Kanton
Solothurn eine Volksinitiative eingereicht, welche verlangte, dass Frauen und Männer im Kantonsrat,
im Regierungsrat und in den Gerichten entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sein sollten.
Der Kantonsrat erklärte die Initiative für ungültig, unter anderem mit Rücksicht auf die
Gleichberechtigung. Das Bundesgericht war ebenfalls der Ansicht, die Initiative verletze die
Sondervorschrift über Geschlechtergleichheit. Quotenregelungen sind zwar ein Mittel zur
Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann. Gleichzeitig erheben sie jedoch
das Geschlecht zum entscheidenden Kriterium und widersprechen damit dem Gebot der absoluten
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rechtlichen Gleichbehandlung. Es zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen den beiden
Verfassungsgeboten, das durch Abwägung zu entscheiden ist. Im ersten Urteil über die Solothurner
Initiative erteilte das Bundesgericht den Quoten eine Abfuhr, weil sie für die Männer unzumutbare
12
Nachteile bewirkten . Im nächsten Entscheid über eine Urner Initiative hat es die Abwägung weniger
einseitig vorgenommen und den Quoten (unter dem Druck der Kritik) mehr Spielraum zugestanden.
Die Bestimmung, jedes Geschlecht müsse zumindest zu einem Drittel vertreten sein, wurde für nicht
13
vom Volk gewählte Behörden als zulässig befunden . In der nachfolgenden Volksabstimmung aber
wurde die Urner Initiative, wie übrigens später auch eine eidg. Quoteninitiative, deutlich abgelehnt.
Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen, ist der Befund klar: Das Konzept der absoluten
rechtlichen Gleichbehandlung der Geschlechter verträgt sich schlecht mit einseitigen Massnahmen
zur Frauenförderung. Es bildet ein Hindernis, das je nach Ausgestaltung der Quote nicht überbrückt
werden kann. Dass just die von Frauen erkämpfte Sondernorm staatlichen Massnahmen
entgegenstehen soll, welche den Prozess der faktischen Gleichstellung befördern, hat heftige Kritik
14
provoziert. Nicht nur die Meinungsführerinnen unter den Juristinnen , sondern auch vereinzelte
15
progressive männliche Kollegen haben das geltende Verständnis der Sondernorm in Frage gestellt.
Das Gebot der absoluten Gleichbehandlung sei zu formal und solle über Bord geworfen werden, weil
es den Zielen der ursprünglichen Initiantinnen im Grund widerspreche. Die Initiantinnen seien von
einem heute überholten Ansatz ausgegangen, ja der Verfassungsgeber – so liest man sogar – habe
16
sich getäuscht . Gefordert wird eine flexiblere Lösung, die eine unterschiedliche rechtliche
Behandlung von Mann und Frau wieder vermehrt zulässt, zum Beispiel bei sozialen oder
17
psychologischen Unterschieden .
Das Bundesgericht hat es bis anhin strikt abgelehnt, seine Rechtsprechung in diesem Sinn zu
18
ändern, weil dafür keine genügenden Gründe sprächen . Würde man den Grundsatz der absoluten
Gleichbehandlung wieder aufgeben oder zusätzliche Durchbrechungen zulassen, bestünde zudem
erneut die Gefahr, dass rechtliche Ungleichheiten mit zweifelhaften Argumenten begründet werden.
Bei Margrith Bigler-Eggenberger, welche ihrerseits für eine flexiblere Lösung eintritt, stossen etwa die
Waadtländer Schulbehörden, welche an die Schülerinnen höhere Anforderungen als an die Schüler
19
stellen wollten, auf ein gewisses Verständnis . In dieser und in anderen Fragen würden die
Meinungen unweigerlich weit auseinandergehen, schon hier im Saal. Unter diesen Umständen wäre
es völlig offen, welchen Gebrauch die Gerichte von dem neuen Freiraum machen würden. Andere
Autorinnen möchten die absolute Gleichbehandlung letztlich nur dann preisgeben, wenn es sich zu
Gunsten der Frauen auswirkt. Einfach und klar ist die Position von Jörg Paul Müller: Nur Frauen, nicht
20
aber Männer sollen sich auf die Geschlechtergleichheit berufen können . Eine solche asymmetrische
Bestimmung hätte die Zustimmung des Souveräns aber nicht gefunden und würde sie wohl auch
heute nicht finden.
2.4 Quoten an der Universität
Der jüngste Leitentscheid des Bundesgerichts, der Fall Balmelli, betrifft Frauenquoten an der
21
Universität . Im Rahmen des vom Bund finanzierten Nachwuchsförderungsprogramms schrieb die
Universität Freiburg im Jahr 2001 eine Nachwuchsstelle nur für Frauen aus. Um den zahlenmässig
schwachen weiblichen Nachwuchs in der Professorenschaft besonders zu fördern, hatte der Bund
vorgeschrieben, 40% der mit Bundesmitteln zusätzlich geschaffenen Nachwuchsstellen müssten
Frauen zukommen. Da sie das zulässige Männerkontingent von 60% schon voll ausgeschöpft hatte,
konnte die Universität Freiburg die Bundesmittel nur beanspruchen, wenn sie die fragliche Stelle mit
einer Frau besetzte. Herr Balmelli liess sich durch die Ausschreibung nicht abschrecken und bewarb
sich trotzdem. Als seine Bewerbung wegen seines Geschlechts überhaupt nicht in Betracht gezogen
wurde, beschritt er den Rechtsweg. Mit Erfolg. Die fragliche Assistenzprofessur war zwar inzwischen
bereits an eine Frau vergeben worden, doch sprach das Bundesgericht dem Beschwerdeführer eine
symbolische Entschädigung von einem Franken zu und entsprach damit voll seinem Antrag. Es
beurteilte die praktizierte Frauenförderung als schweren Eingriff, der den Männern kaum zumutbar
sei. Jedenfalls müssten derart eingreifende Quoten in einem Gesetz vorgesehen sein (und daran
mangelte es).
Der Fall Balmelli bedeutet einen schweren Rückschlag für die Frauenförderungspolitik. Unter den
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Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom Fall Kempin bis heute
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Universität Zürich, Gleichstellung
männlichen Kollegen äusserten sich nur wenige zum Urteil, und zwar zustimmend oder in neutralem
22
Sinne ; auf Frauenseite löste es harsche Kritik aus. Erneut forderten zwei Kolleginnen, das
Bundesgericht solle vom Konzept der absoluten rechtlichen Gleichbehandlung abrücken, also jene
23
grundsätzliche Praxisänderung vornehmen, die es bereits wiederholt abgelehnt hatte . Der
Entscheid ruft aber selbst dann nach Kritik, wenn man auf dem Boden der bisherigen
Rechtsprechung bleibt. Gewiss wäre es unhaltbar, wenn eine Universität ordentliche Stellen für
Dozierende nur nach dem Geschlecht und ohne Rücksicht auf die fachliche Qualität der Person
vergeben würde. Damit ist die vorliegende Quotenregelung aber nicht zu vergleichen. Hier ging es ja
nur um eine zusätzliche, ausserplanmässige Stelle, die extra zwecks Frauenförderung geschaffen
wurde. Die Chancen der Männer, eine ordentliche Stelle zu erlangen, blieben intakt. Wertet man die
vorliegende Quotenbestimmung nicht als einen schweren Eingriff in das Grundrecht der Männer, wird
der bundesgerichtlichen Argumentation die Basis entzogen. Auf solche oder ähnliche kritische
Reaktionen auf den Entscheid hat man jedoch vergebens gewartet. Zwischen den
Fundamentalkritikerinnen, die beharrlich einen radikalen Systemwechsel fordern, und dem
Gegenlager, das hinter dem Bundesgericht steht, klafft eine grosse Lücke. Die Diskussion über die
Gleichberechtigung der Geschlechter wird, leider, durch eine zunehmende Polarisierung geprägt.
3 Schlusswort
Zurück zu Emilie Kempin und zu ihrer Position im damaligen juristischen und politischen Kampf. Als
sie im Fall Kempin 1887 vor Bundesgericht die volle Gleichberechtigung der Frauen einforderte,
agierte sie als radikale Kritikerin des herrschenden Systems und erlitt eine erste grosse Niederlage.
Darnach steckte sie ihre politischen Ziele zurück. Ihre Postulate wurden zaghafter, ja entbehrten
teilweise sogar der Konsequenz. Im Jahr 1891 trat sie beispielsweise dafür ein, eine Prüfung der
fachlichen Qualitäten für den Beruf des Rechtsanwalts einzuführen – aber nur für Frauen: Männer
hätten nach ihrem Vorschlag weiterhin ohne jedeQualifikationsprüfung als Rechtsanwälte auftreten
24
dürfen . Die verwunderliche Ungleichheitnnahm sie offenbar in Kauf, um den Durchbruch eher zu
erreichen.
Der Wandel der Person Emilie Kempin hat uns in diesem Referat nur beiläufig beschäftigen können,
im Zentrum stand der Wandel der Rechtsprechung über die Gleichberechtigung der Frauen. Dieser
Wandel steht – wie sich gezeigt hat – in einem Wechselspiel mit dem Wandel der herrschenden
Rechtsanschauung und mit dem Wandel der Gesetzgebung. In dieser komplexen Entwicklung hat
Emilie Kempin als Vorreiterin der Gleichberechtigung eine entscheidende Rolle gespielt. Sie und die
ihr folgenden Frauen, welche zu ihrer Zeit aussichtslose Prozesse führten, haben entscheidende
Anstösse zur gesellschaftlichen, politischen und rechtswissenschaftlichen Diskussion gegeben –
ihnen ist das heute Erreichte wesentlich zu verdanken.
________________________________
1
BGE 13, 1.
2
Damit war das Stimmrecht gemeint, vgl. Marianne Delfosse, Emilie Kempin-Spyri (1853-1901),
Zürich 1994, S. 44 ff.
3
BGE 49 I 14.
4
Delfosse (FN 2), S. 24.
5
BGE 83 I 173.
6
BGE 116 Ia 359.
7
BGE 103 Ia 517.
8
BGE 108 Ia 22.
9
Zusammenstellung bei Jörg Paul Müller, Die Diskriminierungsverbote nach Art. 8 Abs. 2 der neuen
Bundesverfassung, in: Die neue Bundesverfassung, Berner Tage für die Juristische Praxis, Bern
2000, S. 111 FN 25.
10
BGE 116 V 198.
11
ZBl 88 (1987), 310.
12
BGE 123 I 152.
13
BGE 125 I 21.
14
Christa Tobler, Margrit Bigler-Eggenberger und Regula Kägi-Diener.
15
Jörg Paul Müller
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Auf dem Rechtsweg zur Gleichberechtigung – vom Fall Kempin bis heute
Beatrice Weber-Dürler
Universität Zürich, Gleichstellung
16
Christa Tobler, Quoten und das Verständnis der Rechtsgleichheit der Geschlechter…, in: Kathrin
Arioli (Hrsg.), Frauenförderung durch Quoten, Basel u. a. 1997, S. 118 ff.
17
Margrith Bigler-Eggenberger, Justitias Waage – wagemutige Justitia, Basel u.a. 2003, S. 354.
18
BGE 125 I 21 (30 f.) und 131 II 361 (383 f.).
19
Bigler-Eggenberger (FN 17), S. 92.
20
Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. A. Bern 1999, S. 455 f.
21
BGE 131 II 361.
22
Walter Kälin in ZBJV 2005, 649, und Yvo Hangartner in AJP 2005, 1414, und in AJP 2006, 597.
23
Christa Tobler in recht 2005, 220, und Regula Kägi-Diener in AJP 2006, 107.
24
Delfosse (FN 2), S. 50 f., ferner S. 147 f. (Erwerbstätigkeit der Frau nur bei Notlage; Ausbildung
der Mädchen für Mutterschaft und Haushalt), 149 ff. (Ablehnung des Stimm- und Wahlrechts für
Frauen; Ausnahme nur fürGemeindeangelegenheiten).
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Gleichstellung
Ansprache Dr. Barbara Haering
Feier für Emilie Kempin-Spyri
Universität Zürich
22. Januar 2008
Liebe Jus-Studentinnen
Liebe Juristinnen
Meine Damen
Meine Herren
Artikel 8 unserer neuen Bundesverfassung erklärt in Absatz 3:
„Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche
Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf
gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.“
Dieser Verfassungsartikel widerspiegelt ein umfassendes Verständnis der Gleichberechtigung von
Frau und Mann. Eine menschenrechtliche Auffassung von Gleichstellung, der bereits Emilie KempinSpyri nachzuleben versuchte und an der sie letztlich zu Grunde ging. Ihr bot niemand einen Platz auf
einer Chaiselongue an. Erst 107 Jahre nach ihrem Tod, erhält sie ihr Denkmal in unserer Universität.
Wir blicken somit heute zurück auf ihr Leben – aber auch auf unsere Gegenwart und nach vorn in die
Zukunft unserer jungen Frauen und Männer.
1 Politik
Mitte der 80er Jahre des vorletzten Jahrhunderts setzten sich einzelne Staatsrechtler, Sozialreformer
und Politiker für die politische Gleichstellung der Frau ein. Sie befürworteten ein schrittweises
Vorgehen zur Erlangung gleicher Rechte von Mann und Frau – um auf diese Weise uns Frauen einen
sorgfältigen Lernprozess in Demokratie zu ermöglichen. In den gleichen Jahren begannen unsere
Urgrossmütter selber ihre Stimmen zu erheben. 1886 forderte eine Gruppe von Frauen im Kanton
Zürich, in einer anonymen Bittschrift erstmals öffentlich die volle bürgerliche und politische
Gleichstellung der Geschlechter. Zu den wenigen Frauen, die öffentlich und offen für das allgemeine
Stimm- und Wahlrecht kämpften, gehörte die erste promovierte Historikerin der Schweiz und
Studienkollegin Emilie Kempin-Spyris hier an der Universität Zürich, Meta von Salis. In ihrem
Neujahrsartikel forderte sie zum Jahreswechsel 1886/87 in der «Züricher Post» die politische
Gleichberechtigung der Frauen als bürgerliches Grundrecht. Doch einige Wochen später, am 29.
Januar 1887 lehnte das Bundesgericht das Ansinnen Emilie Kempin-Spyris, ihren Mann vor Gericht
verteidigen zu dürfen, ab und begründete:
„Wenn nun die Rekurrentin (…) scheint folgern zu wollen, die Bundesverfassung postuliere die volle
rechtliche Gleichstellung der Geschlechter auf dem Gebiete des gesammten öffentlichen und
Privatrechts, so ist diese Auffassung ebenso neu als kühn; sie kann aber nicht gebilligt werden.“
MDMH: Auch wenn es ein langer und harziger Weg wurde, bis die Stimmbürger im Februar 1971
„den Frauen zu Liebe ein männliches Jahr“ – so der Abstimmungsslogan zur politischen
Gleichstellung auf Bundesebene – einlegten, scheinen diese Zeiten doch einer fernen Vergangenheit
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Ansprache/SK
22..01.2008
Ansprache Dr. Barbara Haering
Feier für Emilie Kempin-Spyri
Universität Zürich, Gleichstellung
anzugehören. Am 14. Juni 1981 wurde das Prinzip der gleichen Rechte von Mann und Frau in der
Bundesverfassung verankert. Der Verfassungsartikel garantiert die formale Gleichbehandlung von
Frauen und Männern und verpflichtet Behörden und Gesetzgeber, bestehende Diskriminierungen zu
beseitigen. Er verlangt aber noch mehr, nämlich die Verwirklichung der tatsächlichen
Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Ausdrücklich wird dabei auf die Bereiche Arbeit, Familie
und Bildung hingewiesen. Mit der Annahme der Fristenregelung in der Volksabstimmung im Juni
2002 billigte die Schweizer Stimmbevölkerung uns Frauen überdies das Recht und die Fähigkeit zu,
Entscheide auch von grösster moralischer Tragweite selbstverantwortlich fällen zu können. Ein
Paradigmenwechsel, der über die konkrete Fragestellung des Schwangerschaftsabbruchs
hinauswies. Und: Zum ersten Mal sind dieses Jahr auf dem offiziellen Bundesratsfoto vier Frauen und
vier Männer abgebildet. Weder die Wahl von Evelyn Widmer-Schlumpf zur Bundesrätin, noch jene
von Corina Casanova zur Kanzlerin fanden unter dem Titel einer Frauenwahl statt. Das ist gut so.
Dass Frauen in höchste politische Ämter gewählt werden, ist in den letzten Jahren zur
Selbstverständlichkeit geworden.
Mit anderen Worten: Uns geht es gut! Aber: Wir haben gekämpft dafür. Gerne biete ich deshalb
unseren Grossmüttern und Müttern posthum einen Platz auf der grossen Liege im Lichthof unserer
Universität an.
2 Wissenschaft
Auch an unseren Universitäten hat sich das Bild grundlegend geändert. Unsere jungen Studentinnen
müssen im Unterschied zu Emilie Kempin-Spyri nicht warten, bis sie mit 32 und bereits als Mutter
dreier Kinder als erste Schweizerin ihr Jusstudium beginnen dürfen. Und es ist ihnen wohl kaum
bewusst, dass sie an einer Universität studieren, die sich früh als europäische Pionierin in Sachen
Frauenstudium profilierte. 1867 schloss hier erstmals eine Frau, die Russin Nadezda P. Suslova, das
Medizinstudium mit dem Doktorat ab. Sie war damit die erste Frau, die im deutschsprachigen Raum
an einer staatlich anerkannten Universität ein reguläres Studium abschloss. 1868 nahm Marie (Heim)Vögtlin als erste Schweizerin ein Studium an der Universität Zürich auf. 1872 bestand sie das
Staatsexamen in Medizin. Ihre Assistenzzeit musste sie allerdings in Deutschland absolvieren, da
kein Schweizer Spital Ärztinnen anstellte. Auftritte, wie sie die Studentin Franziska Tiburtius in der
NZZ Mitte der 80er Jahre des vorletzten Jahrhunderts schilderte sind heute nicht mehr vorstellbar.
Sie schrieb:
„Es war unter den Studenten bekannt geworden, dass die Frauenzimmer zum ersten Mal kommen
würden. Als wir eintraten, war der Saal dicht gefü̈llt, auch von den anderen Fakultäten erschienen
zahlreiche Mitläufer, und es erhob sich ein wüster Lärm, Schreien, Johlen, Pfeifen. Da hiess es ruhig
Blut bewahren.“
Wir Frauen haben ruhig Blut bewahrt! 1891 erhielt Dr. iur. Emilie Kempin-Spyri nach anfänglichem
Widerstand seitens der Hochschulbehörden dievenia legendi und wurde erste Hochschuldozentin
der Schweiz. Sie unterrichtete als Privatdozentin römisches, englisches und amerikanisches Recht
an der staatswissenschaftlichen Fakultät unserer Universität. Ich bin stolz auf sie.
Ebenso stolz bin ich darauf, dass wir Frauen heute gesamtschweizerisch die knappe Mehrheit der
MaturandInnen und 50.8 % der Studierenden bilden – an der Universität Zürich stellen Frauen sogar
56% der Studierenden. Doch trotz der gleichen formalen Zugangsmöglichkeiten zeigen sich
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Ansprache/SK
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Ansprache Dr. Barbara Haering
Feier für Emilie Kempin-Spyri
Universität Zürich, Gleichstellung
beträchtliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Fächerwahl, den akademischen
Abschlüssen und der Vertretung auf den Hierarchiestufen der Hochschulen. Die Studienwahl
widerspiegelt noch immer traditionelle Geschlechtsrollen. Wir Frauen sind in literatur- und
sozialwissenschaftlichen Fächern übervertreten, in den Natur- und vor allem den
Ingenieurwissenschaften
teilweise
stark
untervertreten.
In
der
Humanmedizin,
der
Rechtswissenschaft und der Geschichte entspricht der Frauenanteil etwa dem durchschnittlichen
Studentinnenanteil. Doch je höher die akademische Hierarchie, desto geringer der Frauenanteil. Auch
an der Universität Zürich: Bei den Studierenden beträgt er 56%, bei den Doktoraten 48%, bei den
Professuren erst 15.6%.
Damit sich dies ändere, setzen wir uns ein. An den meisten Hochschulen der Schweiz gibt es
inzwischen Frauenbeauftragte und/oder Gleichstellungskommissionen mit dem Auftrag, Frauen zu
fördern und Frauen- und Geschlechterforschungen auszubauen. Allerdings sind diese Stellen oft
finanziell und personell unterdotiert. Das Universitätsgesetz Zürich aus dem Jahre 1998 beauftragt
die Universität Zürich„….durch geeignete Massnahmen die tatsächliche Gleichstellung von Mann und
Frau (zu fördern).“ Diesen Gesetzesauftrag hat die Universitätsleitung in einem Verhaltenskodex zur
Gender Policy konkretisiert. Der Universitätsrat hat diese Leitlinien ausdrücklich zu Kenntnis
genommen und unterstützt sie. Nun geht es darum, diesem Kodex real nachzuleben und seine
Grundsätze in sämtlichen Führungsinstrumenten der Universität Nachachtung zu verschaffen. Die
Förderung der Gleichstellung ist für mich ein Wert an sich – und wertvoll darüber hinaus, denn sie
beinhaltet eine grosse Chance für mehr Diversität an unserer Universität.
3 Beruf und Familie
Mir ging es gut: Alle Studienwege standen mir offen. Es lag und liegt in meiner eigenen
Verantwortung, meine beruflichen und politischen Engagements kompetent auszufüllen. Und
dennoch schliesse ich mich Emilie Kempin-Spyri an, wenn sie am Ende ihres Lebens zum Schluss
kommt:
„Je mehr wir anerkennen müssen, dass der Frau im Kampf ums Dasein alle Wege zu öffnen sind,
dass es einfach ein Gebot der Menschlichkeit ist, ihr Können auf keinem Gebiet der Thätigkeit
abzusperren, desto grösser die Notwendigkeit, dass wir uns gegenseitig keinen blauen Dunst
vormachen….“
Emilie Kempin-Spyri litt unter den konkurrierenden Ansprüchen von Beruf und Familie. Und auch 130
Jahre später fällt es uns Frauen immer noch schwer, Familie und berufliche Karriere unter einen Hut
zu bringen. Indessen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zentral, wenn es darum geht, die
Gleichstellung der Geschlechter im Alltag zu verwirklichen. Immer mehr Frauen nehmen diese
Herausforderung an und bleiben auch während der Kinderphase erwerbstätig. Im Jahr 2000 waren
Frauen, die mindestens ein Kind unter 7 Jahren hatten, fast zu zwei Dritteln erwerbstätig. Bei Frauen
mit schulpflichtigen Kindern, waren es sogar drei Viertel. Zusätzlich zur Erwerbsarbeit leisten Frauen
viel unbezahlte Haus- und Familienarbeit. Mit kleinen Kindern kommen sie im Durchschnitt auf fast 60
Stunden Arbeit pro Woche. Viele Mütter reduzieren deshalb den Umfang ihrer Erwerbsarbeit: Mütter
mit kleinen Kindern kommen auf einen Beschäftigungsgrad von 30 Prozent. Damit lässt sich keine
Berufskarriere aufbauen. Auf der anderen Seite liegt die Erwerbsquote der Männer bei fast 100
Prozent. Die höchsten Werte erreichen ausgerechnet Väter kleiner Kinder – mit einem
durchschnittlichen Erwerbspensum von 43 Wochenstunden. Mit anderen Worten: Es ist in dieser
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Ansprache/SK
22..01.2008
Ansprache Dr. Barbara Haering
Feier für Emilie Kempin-Spyri
Universität Zürich, Gleichstellung
Lebensphase, dass Frauen den beruflichen Wettkampf gegenüber ihren männlichen Konkurrenten
verlieren. In seiner Bestandesaufnahme von 2007 unterstrich das statistische Amt des Kantons
Zürich die Tatsache, dass in der Zürcher Privatwirtschaft Frauen durchschnittlich immer noch einen
deutlich tieferen Lohn als Männer erhalten. Dies sei mehrheitlich darauf zurückzuführen, dass Männer
im Schnitt besser ausgebildet seien, anforderungsreichere Stellen besetzten, mehr
Leitungsfunktionen ausübten und in den Hochlohnbranchen stärker vertreten seien als Frauen.
Die Familiengründung erweist sich somit für viele Frauen noch immer als karrierehemmend – auch an
der Universität. Im Rahmen der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung müssen Frauen deshalb
spezifische Unterstützung finden. Gerade in diesem Bereich gilt die Erfahrung: „gender neutral is
gender blind.“
Soll im Berufsleben Chancengleichheit für Männer und Frauen realisiert werden, so ist es
unumgänglich, dass Väter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch zu ihrem Thema machen. Ich
selber war privilegiert: Meine Tochter konnte auf die Betreuung durch Mama, Papa, Grossmama und
Oma zählen. Doch sind es nur wenige Frauen, denen diese Möglichkeiten offen stehen. Die
gerechtere Aufteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit beginnt somit zu Hause mit fair
ausgehandelten Abmachungen mit unseren Partnern. Meine Jungen Damen: Fordern Sie ruhig von
Ihren Partnern das, was Sie selber zu geben bereit sind – nämlich die Hälfte des Himmels! Doch
dies ist und bleibt die härteste Auseinandersetzung. Schön, dass wir uns ab und zu auf Pipilottis
Liege ausruhen können! Emily Kempin-Spyri hätte dies auch verdient!
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Ansprache/SK
22..01.2008
Gleichstellung
Grusswort von Frau Professorin Brigitte
Woggon, Präsidentin der
Gleichstellungskommission der Universität
Zürich
Emilie Kempin-Spyri wurde 1853 geboren. 2003 wäre sie 150 Jahre alt geworden. An diesem Tag
fand keine Ehrung der ersten Privatdozentin unserer Universität statt. Im Gegensatz zu den
Angehörigen unserer Universität hatte Eveline Hasler diesen Geburtstag nicht vergessen. Eveline
Hasler hat durch ihren Roman „Die Wachsflügelfrau“ 1991 das Schicksal von Emilie Kempin-Spyri
wieder bekannt gemacht. Mit dem Titel „Wachsflügelfrau“ hat sie in eleganter Weise eine Analogie zu
Ikaros hergestellt, der beim zu wagemutigen Höhenflug zu nah an die Sonne geriet. Dadurch
schmolzen seine Wachsflügel und er stürzte ins Meer.
Am Sechseläutenvormittag ehrt die Gesellschaft zu Fraumünster jeweils eine Zürcherin, die trotz
hervorragender Verdienste in Vergessenheit geraten ist. Angeregt durch Eveline Hasler, und tatkräftig
umgesetzt durch Verena Doelker und Silvia Mathieu wurde dann der 151. Geburtstag von Emilie
Kempin-Spyri 2004 unter dem Patronat der Universität Zürich festlich begangen. Der verstorbene
Prorektor Herr Klöti gab damals bekannt, dass die Universität Zürich nach einer angemessenen
Ehrung der ersten Privatdozentin Emilie Kempin-Spyri suchen werde. Ideen standen im Raum wie
eine Büste in der Aula, oder die Benennung des neu eingeweihten Hörsaals nach Frau Kempin-Spyri.
sowie auch die damals angekündigten Wachsflügelfrau-Vorlesungen, in denen erfolgreiche Frauen
vorgestellt werden sollten, um dadurch unseren weiblichen akademischen Nachwuchs zu ermutigen,
eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen.
Die Universiätsleitung setzte in der Folge eine Arbeitsgruppe ein, mit dem Auftrag einen Vorschlag für
eine moderne Ehrung von Emilie Kempin-Spyri zu erarbeiten. Dieser gehörten Bice Curiger, Gabriele
Lutz und Urs Hobby als externe Berater und Elisabeth Maurer, Maximilian Jaeger und Heinz-Peter
Stucki von der Universität Zürich an. Die Gleichstellungskommission freut sich darüber, dass die
Universitätsleitung den Vorschlag der Arbeitsgruppe aufnahm und den Auftrag für ein Denkmal für
Emilie Kempin-Spyri der international bekannten Künstlerin Pipilotti Rist erteilte.
Das Gedenken an die Pioniertätigkeit von Emilie Kempin-Spyri und der Respekt vor ihrem tragischen
Leben verläuft – wie es scheint – in einer Geschichte mit immer neuen Höhepunkten. So gibt es seit
einem Monat eine fest eingerichtete Internetseite, die laufend aktualisiert wird, es ist geplant, die
Gedenktafel von der Gesellschaft zu Fraumünster an einem geeigneten Ort in der Juristischen
Fakultät zu platzieren, – wer weiss, vielleicht wird es die Emilie-Kempin-Spyri Lectures oder die
Wachsflügelfrau-Vorlesungen in einigen Jahren doch noch geben, oder sogar einen Emilie KempinSpyri Lehrstuhl wie an der New York University, an der Emilie Kempin-Spyri unterrichtete.
Das Denkmal von Pipilotti Rist ist dazu geeignet, auch nach dem heutigen Tag innezuhalten,
nachzudenken und die Entschlusskraft zu fassen, weitere Schritte zu unternehmen, um die
Gleichstellung von Frauen und Männern an der Universität Zürich umzusetzen. Es würde mich ich
freuen, wenn das Denkmal zu Ehren von Emilie Kempin-Spyri verschiedenste Universitätsangehörige
dazu anregt, weitere Ideen in diese Richtung zu entwickeln. Um das zu ermöglichen ist es wichtig,
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Grusswort/SK
22.01.2008
Universität Zürich, Gleichstellung
Grusswort von Frau Professorin Brigitte Woggon
dass dieses Denkmal kein „Wander-Pokal“ ist, sondern an einem zentralen Ort unserer Universität,
im Lichthof, einen festen Platz gefunden hat, an dem es uns für immer an Emilie Kempin-Spyri und
ihren Einsatz für die Gleichstellung beider Geschlechter erinnern kann.
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Grusswort/SK
22.01.2008
Gleichstellung
Würdigung der Mitarbeitenden des Denkmals
«Chaiselongue»
Denkmal für PD Dr. iur. Emilie Kempin-Spyri, 2007
Konzept & Art Direktion: Pipilotti Rist
Design & Produktionskoordination: Markus Huber Recabarren
Grafik Design für Stickerei und Schnitzerei: Thomas Rhyner
Produktionsleitung: Rachele Giudici
Schnitzerarbeiten: Urban Hauser, Philipp Dräyer, Andreas Schaller, Xaver Pfyl, Pierina Imhof,
Christian Widmer, Daniel Aufdereggen, Heidi Burch, Katrin Brechbühl, Andreas Kalbermatter, Gisela
Koller, Christoph Steiger, Mario Tischhauser, Joshua Blaser, Raphael Juchli, Linda Lüthy, Michael
Rudolph, Solange Sudan (Schule für Holzbildhauerei Brienz)
Schreinerarbeiten: Marcel Morf, Matthias Margraf, Karl Dal Molin, Beat Blöchlinger, Giuseppe Di
Maio, Marina Rauch (Schönenberger AG)
Metallunterbau: Andreas Graf, Besnik Daku (Rabazo Metallbau)
Polsterarbeiten: Kuno Thaler (Thaler Raumgestaltung)
Stoffproduktion/Koordination Stickerei: Ralf Studer (Schweizerische Textilfachschule)
Stickereiarbeiten: Walter Sonderegger (Walter Sonderegger AG)
Produziert von Atelier Rist Sisters und Hauser & Wirth Zürich London.
Dank auch an Cornelia Providoli, Karin Seinsoth, Marc Payot, Aline Maas, Prof. Hans Tanner,
Claudio Galliard, Balz Roth; und Julian Abad Alvarez und Julian Abad Moreno, Urs und Barbara
Hiestand, Stefanie Kaiser, Jürg Bachmann.
Teppich mit grosszügiger Unterstützung von Enia Carpets Schweiz AG.
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Denkmal für PD Dr. iur. Emilie Kempin-Spyri, 2007
16..07.2012

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