Chrone-Zitig - Gemeinde Schönenwerd

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Chrone-Zitig - Gemeinde Schönenwerd
Chrone-Zitig
Schönenwerd
Nummer 34
November 2010
Erscheint zweimal jährlich
VomSTREIFLICHTER
Entwurf
DURCH DIE KINDERWOCHE
MIT PAUL GUGELMANN
zum Werk
Editorial
Was heisst das: «daheim sein»?
Was verstehen wir unter «Heimat»?
unterscheiden zwischen der Regel und dem
Ausserordentlichen. Sehr wahrscheinlich bedeutet das <Heimat>. Dass ich sie liebe, überrascht mich nicht.»
Bei den Vorbereitungen des römisch-katholischen Familiengottesdienstes vom 1. August
stiess ich auf zwei Texte, die versuchen, auf
diese Fragen zu antworten.
Unsere Chrone-Zitig möchte den Leserinnen
und Lesern das Bekannte und Vertraute, mit
dem Hohler und Bichsel den Begriff «Heimat» definieren, noch bewusster machen.
Wir möchten zeigen, was heute zu Schönenwerd gehört und wie es in vergangener
Zeit aussah.
Der erste Text stammt von Franz Hohler.
«Daheim bin ich, wenn ich in die richtige Höhe greife, um auf den Lichtschalter zu drücken. Daheim bin ich, wenn meine Füsse die
Anzahl der Treppenstufen von selbst kennen.
Daheim bin ich, wenn ich mich über den
Hund der Nachbarn ärgere, der bellt, wenn
ich meinen eigenen Garten betrete. Würde
er nicht bellen, würde mir etwas fehlen. Würden meine Füsse die Treppenstufen nicht kennen, würde ich stürzen. Würde meine Hand
den Schalter nicht finden, wäre es dunkel.»
Zwar haben wir keine Viertausender in Schönenwerd und keine stiebenden Wasserfälle.
Aber um sich hier zu Hause zu fühlen,
braucht es das nicht. Sich in den Quartieren
des Dorfes zurechtzufinden, auf den Strassen
und in den Läden Menschen zu treffen, die
man kennt; drauszukommen in den politischen und kulturellen Einrichtungen, auch
das heisst, zu Hause zu sein. Da wird auch
ein Dorf wie Schönenwerd zur «Heimat».
Den zweiten Text – hier in gekürzter Form –
hat Peter Bichsel verfasst.
«Ich lebe in diesem Land.
Es lässt sich in diesem Land leben.
Ich bin hier geboren. Ich bin hier aufgewachsen. Ich verstehe die Sprache dieser Gegend.
Ich weiss, was ein Männerchor ist, was eine
Dorfmusik ist, ein Familienabend einer Partei.
Ich leide unter Heimweh; aber es ist nur
Heimweh nach dem Bekannten. Die Schweiz
ist mir bekannt. Das macht sie mir angenehm. Hier kenne ich die Organisation. Hier
kann ich etwas durchschauen. Ich weiss, wie
viel die Dinge hier ungefähr kosten, und ich
brauche das Geld, mit dem ich bezahle,
nicht umzurechnen.
Ich fühle mich hier sicher, weil ich einordnen
kann, was hier geschieht. Hier kann ich
Unsere neue Mitarbeiterin Valerie Girsberger
schilderte uns an der letzten Sitzung, warum
sie vor etwa zwei Jahren nach Schönenwerd
gezogen sei und sich hier wohl fühle. Unser
Dorf sei jahrzehntelang geprägt worden
durch die Industriekultur (die neben Fabrikgebäuden auch stilvolle Wohnhäuser zurückliess) und dadurch offen geworden; das merke man auch im Umgang mit Neuzuzügern.
Erholungsgebiete wie die Aarelandschaft mit
dem Bally-Park, die Felsenzinne und der Entfelderwald seien nahe beisammen und der
öffentliche Verkehr verbinde sehr gut mit den
nahen Städten. Man könne sich hier wirklich
recht bald daheim fühlen!
1
Ein solches Lob geht bei uns Alteingesessenen natürlich wie Honig hinunter!
In dieser Nummer finden Sie wiederum Berichte über das aktuelle Geschehen in Schönenwerd, über die Industriekultur und auch
darüber, wer sich heute in den alten Fabrikgebäuden eingerichtet hat.
Einen dieser Artikel hat bereits Valerie Girsberger verfasst. Wir heissen sie auch an dieser Stelle herzlich willkommen!
Reinhard Mundwiler
Valerie Girsberger mit «Tempête».
Herzlichen Dank für die präzise Auskunft
dem Friedhof Olten stammt vom gleichen
Künstler. Vermutlich stammen die Figuren in
Schönenwerd aus den Jahren um 1920, einer Zeit also, als Alice Streit mit Jahrgang
1904 noch gar nicht aktiv war.
Das Bally-Prior-Grab ist Teil der aussergewöhnlichen Ansammlung von Gräbern der
Schönenwerder Industriellen und ihrer gesamten Entourage mit Verwandten, Direktoren und politischen Freunden. Es befindet
sich in der hintersten Reihe des Schönenwerder Friedhofs und ist als Ganzes Teil der
aussergewöhnlichen Hinterlassenschaften
unserer Industriegeschichte. Leider sind viele Gräber in schlechtem Zustand. Eine Inventarisierung und sanfte Reinigung oder
Restaurierung wäre notwendig, damit dieses Denkmal nicht verfällt und eines schönen
Tages achtlos zerstört wird.»
In der Nummer 33 der Chrone-Zitig stellten
wir die Frage, ob wohl die Frauenfiguren
auf dem Grab von Eduard Bally-Prior auf
dem Friedhof Schönenwerd auch von Alice
Streit geschaffen worden seien, da es sich
auch um Arbeiten aus Zement handelt. Es
trafen zu dieser Frage zwei Antworten ein,
die identisch sind. Nachstehend die Antwort der Ballystiftung.
«In der letzten Ausgabe wird auf Seite 37
gefragt, ob die Bildhauerarbeiten auf dem
Familiengrab Eduard Bally-Prior von Alice
Streit geschaffen wurden. Nein, das wurden sie nicht. Sie sind den Figuren der unvergesslichen Alice Streit ähnlich. Das
kommt wohl eher daher, dass diese in der
gleichen Epoche und unter ähnlichen Einflüssen gearbeitet hat.
Die Figuren auf dem Bally-Prior-Grab stammen – wie Peter Heim herausgefunden hat
– vom Solothurner Bildhauer Leo Berger
(1885–1983), der offenbar mit Iwan Bally
befreundet war. Das Soldatendenkmal auf
Die Redaktion dankt für diese Präzisierung
der Bally-Stiftung und Peter Heim herzlich.
ao.
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INHALT
Editorial
Seite 01
100 Jahre Männerriege Schönenwerd
Spaziergang in Schönenwerd
Seite 04
Seite 08
Kalligrafie als Kunst (Porträt der Künstlerin Doris Dätwyler)
Seite 12
Der Schönenwerder Bürger Eugen Huber wir 100 Jahre alt
Seite 16
«Littered by: ...» (UGK Schönenwerd)
Seite 22
Vom Entwurf zum Werk (Kinderwoche mit Paul Gugelmann)
Seite 27
Jubiläumszahl im Jubiläumsjahr (Paul-Gugelmann-Museum)
Seite 36
Was der Fluss bringt, hat er irgendwo genommen
Seite 38
200 Jahre Industriegeschichte Schönenwerd
Seite 41
In der OJuN läuft etwas
Seite 48
700 km ins Elsass und in die Pfalz mit Traktor und Wohnwagen
Seite 53
4. Solothurner Waldwanderung: Wo einst der Fluss regierte
Seite 60
Geburtstage und Ehejubiläen
Seite 64
Veranstaltungskalender 2011/ 2012
Seite 66
Chronewirt
Seite 68
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100 Jahre Männerriege Schönenwerd
Die Männerriege Schönenwerd wurde im Jahre 1910 gegründet.
Der Auslöser zu diesem Gründungsakt war ein erstmals durchgeführtes
kantonales Turnfest in Schönenwerd
am 17. und 18. Juli 1910.
Leider ist dieser Gründungsakt nirgends protokollarisch niedergeschrieben. Für die Zeit
von 1910 bis 1912 sind keine schriftlichen
Berichte vorhanden. Vermuten kann man,
dass keine Protokolle geführt wurden, da dieser lose Zusammenhang der ersten Männerriegler nur auf Probe existierte. Schriftliche
Informationen wurden eventuell nur auf fliegenden Blättern notiert, und diese sind heute
leider nicht mehr auffindbar.
Festplatz war das sogenannte NussbaumerAreal (Tiergartenstrasse –Burgstrasse). Im Anschluss an diesen turnerischen Höhenpunkt
fanden sich einige ältere Turner zusammen.
Sie beschlossen, eine Männerriege zu gründen. Deren Ziel bestand darin, sich auch
ausserhalb des Aktiv-Turnvereines (Turnverein Schönenwerd, gegründet 1878) den «turnerischen Schneid» zu erhalten. Sie wollten
sich dem leichteren Männerturnen widmen,
um so länger fit zu bleiben!
Zu dieser Zeit wurde noch die Turnhalle im Kellergeschoss des 1888er-Schulhauses benützt.
Die erste schriftliche Aufzeichnung über die
Männerriege Schönenwerd lautete:
Aufnahme am 29. Oktober 1960 auf der Freitreppe des 1888er Schulhauses, kurz vor der
Abfahrt nach Entlebuch, anlässlich der 50-Jahr-Jubiläumsfeier.
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Gruppenbild des Männerturnvereins Schönenwerd anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums.
Oktober 1913, Turnstand abends 8 ¼ Uhr in
der Turnhalle.
(Sälischulhaus und Turnhalle wurden 1909
eingeweiht.)
Präsident: Paul Haas
Oberturner und Aktuar: Ludwig Dietiker
Anwesend: 15 Mitglieder
nacht durchgehend in Betrieb. Es zeigte sich
schon in der Gründungszeit der Männerriege, dass Ziele, die erreicht werden wollten,
auch erreicht wurden.
In der an Anlässen reichen Vergangenheit
der Männerriege stösst man unweigerlich auf
Berichte über Ausflüge, Turnerfahrten, Bergwanderungen und auch mehrtägige Reisen.
Über solche Erlebnisse findet man in vielen
Protokollen Aussagen wie:
Mit der Generalversammlung vom 2. März
1921 wird solche erstmals als die elfte (11.
GV) im Protokoll dokumentiert. Seither wurden die Generalversammlungen Jahr für Jahr
bis zur 100. GV vom 15. Januar 2010 weiter durchnummeriert.
«Diese Tour wird wohl noch jedem in guter
Erinnerung sein!»
So auch über die Diavolezza im Jahre 1946!
Da steht zu lesen «über unsere alte Garde,
die Pioniere, welche es verstanden haben,
das traditionelle Gefüge der Männerriege
Schönenwerd, ehrenvoll zu erhalten». Mit einem Vers:
Im Jahre 1938 fand ein zweites Kantonalturnfest in Schönenwerd statt! Die Männerriege übernahm damals mit der Unterstützung des Männerchors die Festwirtschaft in
der Festhütte, wo allerdings nur kalte Speisen
serviert wurden. Für das warme Essen wurden die teilnehmenden Turner auf die hiesigen Wirtschaften inklusive Kosthaus verteilt.
«Der Alten Rat
Der Jungen Tat
Der Männer Hut
War Allzeit gut.»
Es nahmen zirka 2200 Turner an diesem Fest
in Schönenwerd teil. Das Buffet in der Festhütte war von Freitagabend bis Sonntag5
Aktuelles Bild des Männerturnvereins anlässlich der 100-Jahr-Jubiläumsreise.
Bei solchen Einsätzen sieht und hört man allerlei, sie machen Spass und sind doch jedes
Mal wieder ein spezielles Erlebnis. Das Ziel
unserer Männerriege war und ist, das Erhalten und Wahren der körperlichen Beweglichkeit und Fitness, ohne allzu grosse Qualen
durch zu hartes Training in Kauf nehmen zu
müssen!
Das Führen einer Festwirtschaft zieht sich wie
ein roter Faden durch die Geschichte der Männerriege. Auch im Jahre 2010 ist dies eine unserer Kernkompetenzen! Schon seit vielen Jahren betreiben wir an der 1.-August-Feier der
Gemeinde Schönenwerd die Festwirtschaft.
Das an diesem Anlass zubereitete Risotto für
die Bevölkerung ist nicht mehr wegzudenken.
Präsidenten der Männerriege Schönenwerd
1910 bis 1916
1916 bis 1920
1920 bis 1931
1931 bis 1935
1935 bis 1941
1941 bis 1947
1947 bis 1953
1953 bis 1965
1965 bis 1970
1970 bis 1983
1983 bis 1993
1993 bis 1995
1995 bis 2002
2002 bis 2006
Ab 2006
Paul Haas
Johann (Hans) Rothen
Walter Villiger (Ehrenpräsident)
Arthur Huber
Ernst Christen
Walter Villiger
Albert Nünlist
Emil Rüesch
Max Häfeli
Ueli Reist
Josef Frey
Kurt von Däniken
Werner Flückiger
Reto Häuselmann
Dani Krähenbühl
6 Jahre
4 Jahre
11 Jahre
4 Jahre
6 Jahre
6 Jahre
6 Jahre
12 Jahre
5 Jahre
13 Jahre
10 Jahre
2 Jahre
7 Jahre
4 Jahre
6
Impressionen des Jubiläumsabends
gen. Wir lieben es alle viel mehr, uns spielerisch zu bewegen (Basketball, Fussball, Volleyball oder Unihockey) und sich so untereinander zu messen.
Was geschieht wöchentlich mittwochs abends
um 20.00 Uhr in der Turnhalle Feld, wenn
sich die fitten Männer zum Training in der
Turnhalle treffen? Da wollen doch alle etwas
für ihr eigenes Wohlergehen tun, jeder soviel
wie er mag, ohne allzu grosse Anstrengun-
Text und Fotos: Daniel Krähenbühl
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Spaziergang in Schönenwerd
Gemütliche Wanderung ohne grosse Höhenunterschiede.
Wanderzeit etwa 1½ bis 2 Stunden.
keiten von Computer-Lehmann. Gegenüber
steht das Gebäude des «alten Storchen», der
im Jahre 1758 infolge eines Blitzschlags
niederbrannte. Neben der Storchenscheune
wurde auch die Kronenscheune ein Opfer des
Brandes. Es geht über den gepflasterten Vorplatz dieser Gebäude zum Eingang des «Storchengässli». Links nach dem Hotel Storchen
passieren wir den Casino-Saal, zu Beginn des
20. Jahrhunderts (1905) durch die Schuhfabrik Bally erbaut, und geradeaus geht der Blick
auf das 1864 als neugotisches Schlösschen gestaltete «Gartenhäuschen» des Gründers der
Schuhfabrik Bally, Carl Franz Bally (Bild unten).
Am Ende des Storchengässchens überqueren
wir beim Bahnhof die Bahnhofstrasse und pas-
Unter dieser Rubrik möchten wir die Leserinnen
und Leser einladen, unser Dorf kennen zu lernen. Nachdem wir dreimal Gebiete im oberen
Dorfteil als Wanderziel vorgeschlagen haben,
geht es diesmal an einen Rundgang entlang
der Aare. Wir hoffen, dass recht viele Leserinnen und Leser sich auch im Winter aus dem
Haus wagen und unseren Vorschlag erproben.
Die Aare bietet einen pittoresken
Erholungsraum
Wieder starten wir beim Gemeindehaus, das
man am Wirtshausschild «Krone» erkennt. Von
hier aus gehen wir durch die Unterführung hinüber zum Hotel Storchen. Links sehen wir den
neuen «Storchen» mit den Geschäftsräumlich-
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das Aareufer hinunter. Es geht nun gemäss
Wegweiser Richtung Schachenwald (Bild unten), und zwar auf einem sauberen Spazierweg. Unter diesem Weg versteckt sich der Zubringerkanal der Abwässer zur regionalen
Kläranlage aus den dem Abwasserverband
sieren die Unterführung. Vor der ehemaligen
Herrenschuhfabrik – heute ein Outlet-Einkaufszentrum – kommen wir zur Gösgerstrasse.
Beim Restaurant Braui (Bild oben) überqueren
wir diese, halten uns danach links und steigen
auf der Treppe nach dem Getränkemarkt an
9
angeschlossenen Gemeinden. Am Ende dieses
Wegstückes kommen wir an der ehemaligen
Abfallsammelstelle vorbei, halten uns links
und folgen ein Stück der Aarestrasse. Bei der
nächsten Abzweigung geht es wieder nach
links und wir erreichen durch eine Lindenallee
das Schwimmbad Schönenwerd. Dieses attraktive Bad passieren wir bis zum ersten Weg,
der durch eine Lücke in der Hochwasserschutzmauer links in den Schachenwald führt.
Romantischer Weg entlang
der Aare
posant präsentiert sich vor allem das Schilffeld
kurz vor dem Wehr des Kraftwerks Aarau. Es
ist eine erstaunliche Leistung, dass das Schilf
während einer Wachstumsperiode vom Boden
aus bis zu drei Meter Höhe erreicht. Rechts
beim Wehr befindet sich der Rastplatz «Entennest» (Bild unten). Eine Feuerstelle und genügend gedeckte und im Freien befindliche Sitzplätze laden zum Rasten ein. Bei gutem Wetter
eine Möglichkeit, am Ufer des Umgehungsgewässers (Fischtreppe) innezuhalten und den Eindruck des lebendigen Wassers auf sich wirken
zu lassen. Ausgeruht setzen wir unseren Spaziergang fort, überqueren den Steg beim Wehr
Diesem Waldweg folgen wir bis an das Aareufer. Von dieser Uferstelle aus hat man einen
freien Blick auf die sogenannte Biberinsel. Der
Name ist nicht aus der Luft gegriffen, denn immer wieder zeugen angenagte Bäume vom
Wirken der in unserer Gegend heimischen Biber. Die Insel steht unter Naturschutz. Jetzt kann
man sich kaum mehr verirren, denn der Weg
führt direkt dem Wasser entlang (Bild oben). Es
lohnt sich, auf dieser Strecke die Vielfalt an
Sträuchern und Bäumen zu beachten. Im Winter ist der Blick auf das Wasser völlig frei. Im-
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grüne Landschaft. Beim Restaurant Brücke in
Niedergösgen steigen wir über die Treppe hinauf zur Brücke zwischen Schönenwerd und
Niedergösgen und kehren dann auf dem vom
Hinweg bekannten Weg zurück zum Gemeindehaus Schönenwerd.
und die Kanalbrücke (Bild oben). Zwischen
Aare und den Kanälen steht beim Turbinenhaus, dessen Turbine die Restwassermenge zur
Text und Bilder: Arno Oppliger
Stromerzeugung nutzt, bei schönem Wetter ein
Imbisswagen (Bild oben). Wer also nicht selber
picknicken will, kann sich hier mit einfachen
Speisen und Getränken erfrischen.
Rückweg am linken Aareufer
Nach der Kanalbrücke geht es beim AarelandWegweiser (Bild rechts) links Richtung Niedergösgen. Der Weg folgt auch auf dieser Aareseite immer genau dem Wasser. Auch diese
Uferseite ist schön, keine Gebäude stören die
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Kalligrafie als Kunst
aus den Elementen Handschrift, Text und Bild
packende und berührende Kunstwerke und
gibt ihre Talente auch gerne weiter.
Kalligrafie! Das hatten wir doch seinerzeit im
ersten Kurs der Bezirksschule, eine Stunde
pro Woche, bei Gesangslehrer Emil Häusler!
Zweck der Übung war wohl, uns beim Übergang von der braven Schul- zur individuellen
Handschrift ein wenig an die Kandare zu
nehmen. Das ist schon lange her, und heute
lässt sich an meiner Schrift wohl nicht mehr
viel ändern.
Aber es nahm mich wunder, was im alten
Nabholzgebäude in einem Atelier angeboten
wird, das mit «SCRIPT AND ART – Kalligrafie
/ Karten / Bilder / Kurse» angeschrieben ist.
Im vergangenen Herbst nahm Doris Dätwyler
am Landvogteimarkt in Grüningen teil. Auf der
Website dieses Anlasses stellt sie sich so vor:
«ScriptArt – Doris Dätwyler, Rombach
Eintauchen in die Stille … das Geräusch der Feder beim Schreiben auf verschiedenen Papiersorten, und die Texte, mit denen ich mich
auseinandersetze, haben etwas Klösterliches,
Meditatives. Schriftschreiben ist Ausdruck der
Persönlichkeit. Pflegen wir doch dieses kostbare Kulturgut, bevor es von der digitalisierten
Welt gänzlich verdrängt wird!
Seit meinem ersten Kalligrafiekurs 1994 lassen
mich die Buchstaben nicht mehr los. Zahlreiche
Kurse im In- und Ausland haben mein Handwerk verfeinert, mein Auge geschult. Seit 2006
bilde ich mich autodidaktisch weiter. Nach Tausenden von Übungsstunden nach historischen
Vorlagen habe ich meine eigenen Schriften entwickelt und arbeite sehr frei und modern.
Aber nicht nur Papier und Feder, sondern alles,
was Farbe aufnehmen und wieder abgeben
kann, verwende ich für meine künstlerischen
Arbeiten. Den Schwerpunkt meines Schaffens
bilden meine Schrift-Bild-Karten für jede Gelegenheit (Originale). Ich erledige aber auch andere Schreibaufträge aller Art auf verschiedensten Materialien wie Papier, Holz, Stoff,
Stein und vielem mehr.»
Die Überraschung war gross. «Schönschreiben» steht dort wirklich nicht im Mittelpunkt!
Doris Dätwyler, die das Atelier führt, ist eine
begabte und originelle Künstlerin. Sie schafft
Was Doris Dätwyler nicht anbietet: KalligrafieUnterricht und das Schreiben von Urkunden
und Stammbäumen.
Doris Dätwyler am Arbeiten.
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Im Korridor vor dem Atelier (im Obergeschoss
der alten Nabholzfabrik, Eingang Seite Nabholz-Häuser) hängen sehr ansprechende Beispiele für ihre gestalterischen Fähigkeiten:
Texte in verschiedenen Schriften auf vielfältigen Materialien, wobei Inhalt und Gestaltung
stets eine Einheit bilden.
Mir scheint, was hier gestaltet wird, hat eine
Beziehung zur chinesischen und japanischen
Kunst. Auch dort ist kein Bild überladen; wie
in den japanischen Haikus sind es liebevoll
erfasste Details, die in der Verdichtung eine
ganze Welt enthalten und wiedergeben.
Woher Doris Dätwyler ihre Zitate und Sprüche
hat, die sie gestaltet? Gesammelt und angeeignet im Laufe vieler Jahre, wie ihre Erfahrungen mit der Kalligrafie!
Der dargestellte Text lautet: «I don’t want to get to the end of my life and find that I lived just the
length of it. I want to have lived the width of it as well.» (Ich möchte am Ende meines Lebens
nicht feststellen, dass ich es nur der Länge nach durchlebt habe. Ich möchte es auch in seiner
Breite gelebt haben.)
13
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Kursatmosphäre …
… mit Einzelberatung.
Die Atmosphäre im Atelier (mit viel Licht und
schöner Aussicht in Richtung Aarau und Jura)
ist voller Ruhe und Gelöstheit. Stress und strenge Regeln finden hier offenbar keinen Platz.
Das lässt sich auch sehen und spüren, wenn
in Gruppen gearbeitet wird.
Beim Verlassen des Ateliers fiel mir auf einem
Tisch ein fein beschriftetes und gestaltetes
Blatt auf. Sein Text hatte sicher keinen Einfluss
auf den anerkennenden Tonfall in meinem Artikel, auch wenn schon eine kleine (und fiese)
Drohung drin steckt:
Neben ihrer eigenen gestalterischen Arbeit
bietet die Künstlerin nämlich auch Kurse an,
in denen sie «das künstlerische Interpretieren von Schrift, Farbe und Form vermitteln
will. Ziel: ein spielerischer Umgang mit Feder, Tinte, Papier und vielen anderen Materialien. Es steht weniger die Perfektion im
Mittelpunkt als vielmehr die Freude am Schaffen eigener Werke mit der eigenen Handschrift oder einer erlernten kalligrafischen
Schrift.»
«Wir Frauen sind Engel.
Und wenn man uns die Flügel bricht,
fliegen wir eben weiter …
… auf einem Besen!
Wir sind schliesslich flexibel.»
Was zeigt, dass Kunst keineswegs humorlos
sein muss!
Text und Fotos: Reinhard Mundwiler
Auf Wunsch kreiert Doris Dätwyler auch originelle Kuverts, Gutscheine, Tisch- und Menükarten. Besonders eindrücklich fand ich die
vielen Karten für alle Anlässe; jede mit viel Liebe geschrieben und gezeichnet, jede ein kleines Kunstwerk.
Doris Dätwyler wohnt in Rombach. Sie arbeitet normalerweise am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 11 bis 17 Uhr
im Atelier in Schönenwerd.
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Der Schönenwerder Bürger Eugen Huber
wird am 21. April 2011 100 Jahre alt
Es stellt sich die Frage, warum Eugen Huber
aus Mörschwil SG, geboren 21. April 1911,
in der Chrone-Zitig vorgestellt wird, obwohl er
mit 17 Jahren Schönenwerd verlassen hat und
nicht mehr dahin zurückkehrte. Zwei Gründe
sind es, die uns dazu bewogen: Erstens seine
stete Verbundenheit mit seiner Bürgergemeinde während seines langen Lebens, und zweitens sein Lebenslauf, der ein bewegtes und arbeitsames Leben beschreibt. Beat Streuli und
Arno Oppliger besuchten ihn am 14. Oktober
2010 und begegneten einem nach wie vor
geistig wachen fast 100-jährigen Mann. Was
Eugen Huber aus seinem Leben erzählte, ist
nachstehend festgehalten.
Kindheit im Asyl an der
Schmiedengasse Schönenwerd
Eugen Huber kam am 21. April 1911 als erstes Kind von Wilhelm Eugen Huber und Marie geb. Studer zur Welt. Die Eltern wohnten
an der Schmiedengasse im «Asyl», einem
ehemaligen Stiftshaus. Der Vater arbeitete zuerst in der Tricotfabrik Nabholz. Nach der
Zeit in der Fabrik war er dann während vierzig Jahren Abwart des Sälischulhauses. Im Lebenslauf schreibt Eugen Huber: «An einen
Teil der hohen Mauerumfriedung mag ich
mich noch erinnern. Hier verbrachte ich mit
meinen drei Geschwistern eine unbeschwerte Jugendzeit.» Die Kinder hatten alles, was
man sich zur damaligen Zeit wünschen konnte. Der Berufswunsch, Landwirt zu werden,
manifestierte sich sehr wahrscheinlich während eines Ferienaufenthaltes im luzernischen
Eschenbach im Herbst 1918, welchen Bezirkslehrerin Anny Peter, ebenfalls Mieterin im
Asyl, vermittelt hatte. Eugen besuchte Kindergarten, Primar- und Bezirksschule in Schö-
Eugen Huber, geb. 21. April 1911.
nenwerd. In der Freizeit war natürlich auch
seine Hilfe bei Arbeiten im Schulhaus gefragt.
Mehr aber interessierte ihn die Mithilfe auf
dem Bauernhof von Hans Stauffenegger auf
dem Gisihübel. Die Schulferien verbrachte
Eugen bei Gotte und Götti, welche in Brugg,
Umiken und Rüttenen wohnten und zum Abschluss nach Aarau zogen.
Nach der Schule: Start bei Bally
Aus den Bubenträumen, Landwirt zu werden,
wurde aber vorerst nichts. Es war zu jener
Zeit üblich, dass man bei Bally in Stellung
ging. Während zweier Jahre, von 1926 bis
1928, arbeitete Eugen in der chemisch-technischen Abteilung dieses Weltunternehmens.
«Freude hatte ich keine an der Arbeit und war
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immer pünktlich, wenn Feierabend war», hält
er fest. Er dürfte mit dieser Feststellung vielen
Arbeitern der damaligen Zeit aus der Seele
sprechen.
Doch noch Bauer
Nach zwei Jahren Bally kam der Bericht von
Eschenbach LU, dass im Frühjahr die Stelle
als Untermelker frei werde. Es wurde daher
nötig, vor Arbeitsbeginn in der Fabrik auf
den Gisihübel zu gehen, um das Melken zu
erlernen. Und 1928 begann der Werdegang
als Landwirt. Im darauffolgenden Winter besuchte Eugen die landwirtschaftliche Schule
«Steingruben» in Solothurn. Ein Mitglied des
Aufsichtsrates, Neubuur Otto Schenker von
Schönenwerd, machte dies möglich, indem
kein Schulgeld entrichtet werden musste.
Urgrossvater und Urenkel, der ebenfalls
am 21. April Geburtstag hat.
Über das Wochenende fuhr der Landwirtschaftsschüler nicht nach Hause, sondern half
über das Wochenende im Stall der Psychiatrischen Klinik Rosegg aus.
Wanderjahre
Es folgte ein Praktikum auf dem Schlossgut
Vaumarcus im Kanton Neuenburg. Der zweite Winterkurs der landwirtschaftlichen Schule
wurde mit Diplom abgeschlossen. 1932 erhielten Solothurns Bauern die Landwirtschaftliche Schule Wallierhof mit Gutsbetrieb. Auf
diesen Hof wurde Eugen als Arbeitskraft übernommen. Von da ging es nach Tägerwilen als
Karrer (Fuhrknecht). Der Lebenslauf hält fest:
«In der Offerte hiess es wörtlich: Unser Karrer muss intensiv fahren, d.h. er muss besonders auf Leistung halten ohne zu ‹schinden›.» Aber die Wirklichkeit war das Gegenteil dieser Forderung. Der Wechsel war
vorprogrammiert. In Emmen trat Eugen darum
eine Meistermelkerstelle an. Wochenlohn 22
Eugen Huber mit seiner Schwester Marilie
Weingartner-Huber (95 Jahre), Aarau.
17
langen Leben nicht aus. Am 15. August 1963
starb der Sohn Eugen an den Folgen einer
Hirnhautentzündung in der Rekrutenschule,
Franz starb am 21. April 1966, dem Geburtstag von Eugen Huber, an Leukämie, und
im November 1974 schlief Ehefrau Anna ein.
Jetzt war Eugen Huber allein, aber dank der
positiven Einstellung zum Leben konnten die
Rückschläge hingenommen werden. Kraft
gab ihm auch sein Glaube, der sich an der
Aussage von Papst Johannes XXIII. orientierte: «Wir sind nicht auf der Erde, um ein Museum zu hüten, sondern um einen Garten zu
pflegen, der von blühendem Leben strotzt und
für eine schöne Zukunft bestimmt ist.»
Franken, wegen guter Leistung gab es aber
23 Franken. Es folgten Stellen in Diegten BL,
Sempach, Littau, Eschenbach und Rohr AG.
Heirat und feste Niederlassung
Nachdem eine Heirat mit der Bauerntochter
in Rohr aus religiösen Gründen nicht zustande kommen konnte, suchte Eugen eine Frau
per Inserat im «Sonntag», einer katholischen
Wochenzeitschrift. Diese Anzeige führte zur
Bekanntschaft mit Anna Härtsch aus Mörschwil SG, welche am 11. April 1942 Eugen
heiratete. Auf dem Bauernhof im Oberbüel,
Mörschwil, wurde Eugen Huber sesshaft. Den
Eheleuten wurden sechs Kinder geschenkt:
Eugen (1943), Annemarie (1944), Rösly
(1945), Hans (1946), Franz (1950) und Isabelle (1954). Ein gerüttelt Mass an Arbeit
war nötig, um diese Familie durchzubringen.
Aber dank der Unterstützung durch die Ehefrau und den guten nachbarschaftlichen Beziehungen konnte die grosse Arbeit bewältigt
werden. Schicksalsschläge blieben in diesem
Ämter, die Eugen Huber versah
Eugen Huber war ein Schaffer. Dies zeigt die
Liste der vielen Nebenämter, die er in seinem
Leben mit grosser Gewissenhaftigkeit versah.
Er war Zuchtbuchführer, Zeichnungsbeamter
und Aktuar der Braunviehzuchtgenossenschaft
Mörschwil (28 und 31 Jahre), Aktuar der land-
Vier Generationen stellen sich dem Fotografen (von links): Matthias Huber (Sohn von
Peter Huber), Cyrill Huber (Sohn von Matthias Huber und Urenkel von Eugen Huber),
Eugen Huber und Peter Huber (Göttibub von Eugen Huber).
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wirtschaftlichen Genossenschaft Mörschwil
(17 Jahre), Aktuar der Gesundheitsbehörde
Mörschwil (12 Jahre), Präsident der ChristlichSozialen Krankenkasse (25 Jahre), Aktuar und
Präsident des Vereins Volksgesundheit (5 und
16 Jahre), Eidgenössischer Beamter als Inhaber der Brennereiaufsichtsstelle (17 Jahre),
Trocknungsmeister der Grastrocknungs AG Tübach (14 Jahre), Verantwortlicher für die Alpung von Jungvieh im Engadin, enger Mitarbeiter des Bundes bei der eidgenössischen
Volks- und Viehzählung, Aushilfskutscher
(Gauleiter) bei der Textilfirma Raduner & Co.
AG, Horn TG (14 Jahre), Aushilfsstelle bei
den St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken
AG in St. Gallen (1970 bis 1990).
Humorvoller Schreiber
Seine Schreibarbeiten hat Eugen Huber nicht
stur und geschäftsmässig erledigt. Reiseberichte und Berichte anderer Veranstaltungen
verfasste er oft in Versform. Viele seiner Ar-
Das Schönenwerder Wappen am Schuppentor zeugt von der Verbundenheit Eugen
Hubers zu seiner Bürgergemeinde.
Das stattliche Wohnhaus von Eugen Huber, Oberbüel, Mörschwil.
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Handschrift von Eugen Huber.
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beiten stellte er unter ein Motto, das am Anfang des Textes zitiert wird. Sein Werk als Aktuar, Gedanken zu aktuellen Themen, Berichte von Veranstaltungen und Leserbriefe dürften ein Buch von beträchtlichem Umfang
ergeben. Er war nicht nur Bauer, sondern
auch kulturell interessiert, und sein Wissen ist
immens. Fast hundert Jahre hat Eugen Huber
nun hinter sich gebracht, und immer noch
schreibt er täglich Briefe an Bekannte und
führt ein Tagebuch, das alles enthält, was sein
Leben lebenswert macht. So hielt er zum Beispiel am 5. April 2008 fest: «Anna Huber in
Schönenwerd SO wird hundertneun Jahre alt.
Ich kann es drehen wie ich will, wir beide haben Geburtstag im April.» Notabene: Ein
grosser Teil seiner «Werke» sind in einer gestochen scharfen Handschrift verfasst, wie
man sie heute kaum mehr kennt.
Sentenzen, die Eugen Huber
Briefen und Berichten vor- oder
nachstellte
«Die Jugend nährt sich von Träumen, das
Alter von Erinnerungen.»
Einleitung eines Briefes
«Wer das Leben liebt, sollte keine Zeit
verschwenden, denn daraus ist das Leben
gemacht.»
Benjamin Franklin (Briefeinleitung)
«Die Erinnerungen verschönern das
Leben, aber das Vergessen allein macht
es erträglich.»
Einleitung zum Lebenslauf von Eugen Huber
«Im Alter lässt nicht die Denkfähigkeit nach,
sondern die Bereitschaft sie anzuwenden.»
Einleitung zum 26. Jahresbericht der
Braunviehzuchtgenossenschaft
Die Chrone-Zitig dankt für den interessanten
Tag, der aufzeigte, dass Eugen Huber mit seiner Bürgergemeinde immer noch Kontakt hat
und der das Tagesgeschehen noch kritisch
verfolgt.
«Gemüt ist kein Heu und Wissenschaft
keine Kuh. Wo die Wissenschaft das
Gemüt frisst, bleibt die Krippe des Verstandes leer!»
Zum 25-Jahr-Jubiläum als Zuchtbuchführer
der Braunviehzuchtgenossenschaft
Text und Fotos: Arno Oppliger
«Das Durchhalten und der Erfolg im
Leben sind nur möglich dank der Liebe,
der Treue und des steten Beistandes des
Nächsten.»
Deckblatt des Lebenslaufs
«Bei all dem liebenden Gedenken fragt
sich ein Mensch, der Grüsse schreibt,
was von der Liebe und dem Schenken im
Januar wohl noch übrig bleibt.»
Schlusspunkt zum Tagebuch von 2008
«Man sollte, um gesund zu bleiben, die
Arbeitswut nicht übertreiben.»
Einleitung zur Liste der Nebenämter von
Eugen Huber
21
«Littered by: …»
Es ist Montagabend. Zafar Shah, Käthi Walde und ich warten gespannt auf dem Werkhofareal auf Kundschaft, respektive auf Abfall.
Jedem, der sich uns nähert, schenken wir ein
Lächeln, aber alle eilen an uns vorbei. Endlich,
kurz vor Öffnungsende werden wir fürs Ausharren belohnt: Eine fünfköpfige JuniorenMannschaft des TV Schönenwerd, begleitet
von ihrem Trainer, überreicht uns drei schwere Säcke. Alle gefüllt mit Abfall, welcher im
Schönenwerder Schachenwald eingesammelt
wurde. Doch nun der Reihe nach:
Käthi Walde und Zafar Shah beim Abfallsortieren.
Pusch
te jedoch erst im September umgesetzt werden, kombiniert mit dem alljährlichen Entsorgungstag im Herbst.
Die Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz
(Pusch) ist eine Nonprofit-Organisation. Sie
setzt sich seit 10 Jahren für eine nachhaltige
Nutzung der Ressourcen und für die Vielfalt
natürlicher Lebensräume ein. Pusch unterstützt
Gemeinden und Kantone bei der Wahrnehmung ihrer Umweltaufgaben. Im Monat Mai
finden normalerweise die Aktionstage «Wahre Werte» der Pusch statt. Die Umwelt- und Gesundheitskommission Schönenwerd (UGK),
unter der Leitung von Sandra Gallauer, war
von diesem Konzept begeistert. Die Idee soll-
Aufgaben im Vorfeld
Im Frühling 2010 erfolgte die Projekteingabe
an den Gemeinderat durch die UGK. Nach
den Frühlingsferien dieses Jahres wurden im
Dorf das Gewerbe, Schulen und Vereine angeschrieben und zur Mithilfe motiviert. Ziel
war, möglichst viele «Litteringpatenschaften»
zu gewinnen. In der Woche vom 4. bis 11.
September 2010 galt es, Schönenwerd von
liegen gelassenem «Güsel» zu befreien. Interessierte konnten auf einem Dorfplan einzeichnen, welche Zone sie in einer einmaligen
Aktion säubern wollten. Nach der Reinigung
durften die entsprechenden Gebiete mit einem Schild gekennzeichnet werden, welches
mit dem Firmen- oder Vereinslogo auf den Litteringspaten hinwies. Ferner vergrösserte Pascal Monnerat, Primarschullehrer in Schönenwerd, den Dorfplan mit den entsprechenden
Logos. Damit wurde auch am diesjährigen
Jugendfest auf die Littering-Aktion aufmerksam
gemacht.
Die Junioren des TV Schönenwerd bei der
Abfallabgabe.
22
Aktionstag
Vor dem Coop Schönenwerd wurde das Abfallkunstwerk präsentiert, welchem Gianluca
Venditti unter Mithilfe von geschickten Kinderhänden ein Gesicht gab. 40 Interessierte sammelten Abfall im Dorf. Nachfolgend einige Beispiele: Der TV Schönenwerd besuchte den
Werkhof mehrmals mit seinen Volleyball-Junioren. Auch der FC Schönenwerd und viele Schulklassen sammelten eifrig. Die katholische Kirchgemeinde reinigte die Halde von der Kirche bis
hin zur Haldentreppe. Firmen, Vereine, Schulen
und Privatpersonen verhalfen der Aktion zu einem Erfolg. Der Körper des «Güseldrachen»
bestand schliesslich aus 74 Abfallsäcken mit
einem Gesamtgewicht von 580 kg! Dieser
konnte während des offerierten Apéros der
Bürgergemeinde begutachtet werden. Gleichzeitig bestand auch die Gelegenheit, an einem
Schätzwettbewerb der UGK teilzunehmen. Es
galt, das Gewicht des gesammelten Entsorgungsgutes möglichst genau zu bestimmen.
Littered by:
Der eingesammelte Abfall konnte während
der Litteringwoche an drei Abenden im Werkhof oder am Aktionstag bis 10.30 Uhr direkt
beim Coop Schönenwerd abgeliefert werden.
Die gesammelten «Schätze» wurden von der
UGK sortiert und in verschiedenfarbige Säcke
verstaut. Als Höhepunkt galt der Aktionstag
von Samstag, 11. September 2010.
Das Abfall-Kunstwerk.
23
Gesammelt beim Nabholz-Tennisplatz.
OJuN
sprochen hat. Es erstaunt einmal mehr, wie viel
Abfall in Waldpartien gefunden wurde. (Abfall, welcher sicher nicht von Jugendlichen
stammt.) Hinter dem Nabholz-Tennisplatz fand
übrigens die grösste Ausbeute statt: Autopneus- und Felgen, diverse Velorahmen sowie
andere Metallteile lagen dort illegal entsorgt
in der Wiese versteckt.
Die OJuN (offene Jugendarbeit unteres Niederamt) liess 111 Jugendliche im Alter von 13 bis
17 Jahren aus Schönenwerd, Gretzenbach,
Niedergösgen und Däniken einen Fragebogen zum Thema Littering ausfüllen. 71% stören
sich am Abfall, der auf den Plätzen, wo sie
sich aufhalten, herumliegt, geben aber gleichzeitig zu, auch schon den Abfall einfach fallengelassen zu haben. 86% wünschen sich
mehr Abfallkübel und würden diese auch benützen. 72% der Jugendlichen finden es zudem gut, dass neuerdings im Kanton Solothurn
Geldbussen für Abfallsünder verteilt werden.
Erstaunlich – Bedenklich
75% Prozent des Abfalls bestand aus PET-Flaschen und Alubüchsen. Hier stellt sich wieder
einmal die Frage, ob eine Pfandabgabe nicht
doch eine sinnvolle Lösung wäre, obwohl der
Regierungsrat sich kürzlich dagegen ausge-
Zufriedene Gesichter am offerierten Apéro.
24
74 Abfallsäcke – 580 kg Gesamtgewicht!
Ferner soll ein Litteringkonzept auf Gemeindeebene fertiggestellt und eingeführt werden. Auch in Zukunft wird das Litteringproblem aufmerksam verfolgt und bei Bedarf
eventuell ein weiterer Aktionstag zur Abfallbeseitigung stattfinden.
Die Kosten für die Abfallreinigung im Monat
Mai beliefen sich auf Fr. 11 064.--. Fünf Werkhofmitarbeiter, die Suchthilfe Olten sowie die
Oltech GmbH wendeten insgesamt 286.5
Stunden dafür auf.
Zukunftsperspektiven
Neu wird es voraussichtlich auch eine Alusammelstelle in Schönenwerd geben. Die
UGK wird zudem im nächsten Frühling erstmals einen Bring- und Holtag durchführen.
Recycling in einer anderen Form: Dort können Ihre unbrauchbaren Gegenstände für andere Personen zum Schatz werden!
Badmeister Phithak Schmassmann bei der
Entgegennahme des Logo-Schildes.
Übrigens, sollte es Ihnen in diesen Herbstund Wintertagen einmal langweilig werden,
unternehmen Sie doch einen kurzweiligen
Spaziergang durchs Dorf und halten Sie Aus-
Plakat von Pascal Monnerat mit den
markierten «Litteringpatenschaften».
25
Umwelt- und Gesundheitskommission Schönenwerd (UGK)
Porträt von Zafar Shah
Die UGK setzt sich momentan aus folgenden
Mitgliedern zusammen: Sandra Gallauer
(Leitung), Francine Grossmann, Karin Reisenbauer-Podaril, Zafar Shah und Philipp Stähli. Seit Anfang 2010 wird im Kanton Solothurn das Wegwerfen, Ablagern oder Zurücklassen von Abfällen im öffentlichen Raum
ausserhalb von Abfallanlagen oder Sammelstellen gebüsst. Das Wegwerfen von Kleinabfällen wie Dosen, Flaschen, Verpackungen, Zigarettenstummel, Kaugummi und Essensreste wird mit Fr. 40.– bestraft, mehrere
Kleinabfälle unter einer Menge von 5 Litern
(inkl. Hundekot oder Inhalt eines Aschenbechers) führen zu Fr. 80.– und Kehrichtsäcke
oder Kleinabfälle ab einer Menge von 5 bis
110 Liter kosten illegal entsorgt Fr. 250.–.
Den Hochschulabschluss und die Berufslehre absolvierte er in Chittagong/Karatschi
und in Illinois/Kalifornien. Er besuchte diverse Kurse im Gastronomiebereich. 1974
kam er nach Deutschland, wo er einige Restaurants führte, bevor er sich 1986 den
Traum vom eigenen Gastbetrieb erfüllen
konnte. Nebenbei arbeitete er stets als Dolmetscher und Englischlehrer. Seit 1986
wohnt er im Kanton Solothurn und arbeitet
bis heute als selbständiger Übersetzer für
verschiedene exotische Sprachen, vorwiegend für den Bund und die Kantone. Seit
1987 ist er mit Charlotte Wuillemin aus
Schönenwerd verheiratet.
Gerne möchte ich Ihnen Zafar Shah näher
vorstellen. Er ist bei Fragen und Problemen
im Zusammenhang mit illegal entsorgtem
Abfall in unserer Gemeinde zuständig:
Zafar Shah-Wuillemin wurde 1952 in Rangoon (Myanmar) geboren. Sein Vater war
Politiker und Regierungsmitglied. Wegen Verfolgung durch die Militärdiktatur musste
seine Familie 1962 aus Burma fliehen. Er
lebte in verschiedenen asiatischen Ländern
wie Thailand, Bangladesch, Indien und Pakistan. 1973 erfolgte die Einwanderung in
die USA.
Hoffentlich haben jedoch die «Litteringtage»
bei vielen anderen Bewohnern unseres Dorfes ein neues Bewusstsein für Natur und Umwelt ausgelöst oder entfacht!
schau nach den «Littered by:..»-Schildern. Jenes der Firma Trafopower werden Sie jedoch
vergeblich suchen. Es wurde kurz nach der
Aktionswoche entwendet. Als Ersatz wurden
einige leere Redbull-Dosen hinterlegt!
Text und Fotos: Anita Lingg-Urech
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Vom Entwurf zum Werk
Streiflichter durch die Kinderwoche mit Paul Gugelmann.
Für die letzte Sommerferienwoche, 9. bis 13. August 2010, konnten sich Kinder der 3. und 4.
Primarschulklassen anmelden, um zusammen mit dem Künstler Paul Gugelmann ein «Tiramigiù» zu gestalten. Auf Deutsch heisst das: «Zieh mich runter». Sein Museum wurde dieses Jahr
15-jährig. Zu diesem Jubiläum entstand die Idee, für eine ganze Woche mit Kindern zu arbeiten. Aber eine Idee allein genügt noch nicht, es braucht Menschen, die ihre Kraft dafür einsetzen, sie zu verwirklichen. Das wollten sieben Helfer und Helferinnen tun, die von Paul Gugelmann als «geeignet» angesprochen worden waren. Konkret musste aber zuerst ein «Fähigkeitsausweis» erworben werden. Dazu folgte eine Einladung ins Atelier zur eintägigen
Einführungsarbeit (mit Mittagessen): «Der Werdegang eines Tirami-giù». So trafen denn die
sieben Helfer Ende Juni in Paul Gugelmanns Atelier ein. Schon bei seinem begrüssenden ansteckenden «Halleluja» spürten wir unseren kreativen Tatendrang!
Ein Sperrholzbrettchen von etwa 15 auf 20 cm und 12 mm dick, ein leeres Blatt und die notwendigen Werkzeuge lagen bereit. Da wir ja unser Motiv vorher schon etwas überlegt hatten,
fielen unsere Entwürfe doch nicht so spontan aus wie später bei den Kindern.
«Kann ich das? Ist das gut? Richtig? Falsch? Sieht man, was das ist? Ist das nicht ein komischer
Vogel? Hat der Schmetterling den grossen Flügel vorne? Ich möchte das – oder ich mache es
doch anders …» Solche Fragen stehen nur Erwachsenen im Weg! War die Skizze vom Blatt
dann einmal aufs Holz übertragen, konnte es mit «Laubsägele» losgehen und bald kamen wir
auch ins Schwitzen. Für längere Schnitte wurde uns die Bandsäge erlaubt.
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Besondere Aufmerksamkeit bekam der technische Teil, das Antriebsrad, welches an allen
Tirami-giù gleich aussieht: Zwei Holzrädli mit Bohrlöchli, dazwischen ein kleineres Rädli,
auch mit einem Loch. Das Ganze wird mit der Schleifmaschine exakt und fein geschliffen
und dann kann, je nach Längenbedarf, ein Stängeli durchgeschoben werden. Um das kleine eingeklebte Rädchen wird dann am Schluss der Nylonfaden gelegt, an dem das fertige
Motiv hinaufgezogen und heruntergelassen werden kann.
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Doch bis dieses Rezept seine Anwendung fand, hantierten wir konzentriert mit «Laubsägele»; wir
schliffen, bohrten, leimten, «nägelten» und malten. Auch wurde der Humor gepflegt, während
Paul mit Argusaugen auf unser Werken achtete und Lob und Kritik verteilte. Oft hiess es auch:
«Das got scho!» Plötzlich verschwand er in der Küche. Auch dort kam sein Ideenreichtum zum
Zug, und alles ohne Kochbuch. So servierte er uns am hübsch gedeckten Gartentisch seine eigene Kreation eines Gratins mit Gemüse und vorgängig einem hübsch angerichteten gemischten
Salat. Dankbar und voll des Lobes genossen wir als Gäste die sonnenintensive Mittagspause.
Einer Nachprüfung musste sich niemand stellen, konnten doch nach wenigen abendlichen
Überstunden alle mit ihrer «Diplomarbeit» unter dem Arm nach Hause gehen und unfertige
Kleinigkeiten anderntags noch fertigstellen oder ausbessern.
Wir freuten uns, mit den erworbenen Vorkenntnissen am 9. August die Arbeit mit den 23 angemeldeten Kindern der 3. und 4. Primarschulstufe aufzunehmen. Die Arbeitszeit war von
morgens 9 Uhr bis nachmittags 2 Uhr angesetzt. Für die Mittagspause nahmen alle ihr Picknick mit. Die Kosten der Getränke und des gesamten Arbeitsmaterials übernahm der «Verein
Museum Paul Gugelmann». Die Gemeinde stellte die Shedhalle an der Schulstrasse zur Verfügung. Dieses Entgegenkommen und die Mithilfe von Oliver Gorza beim Einrichten seien an
dieser Stelle nochmals herzlich verdankt!
Vorerst erklärte Paul Gugelmann den interessierten und gespannt lauschenden Kindern Ablauf und
Ziel der Arbeitswoche. Dann begann das Entwerfen. Das Erstaunliche war, dass sich die Kinder
vor keinem Motiv fürchteten, sondern es unverfroren und auf ganz direkte Art anpackten. Wohl
hingen einige Beispiele vom Künstler über den Köpfen, aber als Idee, nicht zur Nachahmung.
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Die durch die schulischen Normen noch nicht so verunsicherten Kinder hatten bald mit ihrem
Vertrauen in ihre Gestaltungskraft ihren ganz persönlichen Entwurf auf das weisse Blatt gezeichnet.
Um die Spontanität und Kreativität der Kinder zu erhalten, mussten wir Erwachsenen und
Helfer unsere Ansprüche zurücknehmen. Lediglich mit Hinweisen oder Tipps begleiteten wir
die Arbeit der Kinder, oder der Künstler selbst setzte den letzten Schliff.
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Schon bald kamen Sägegeräusche auf. Die nötigen Helfer an Bohr- und Schleifmaschinen standen voll im Einsatz. Bei heiklen Passagen war besonders die Hilfe an der Bandsäge willkommen.
Bereits konnten die ersten kleinen Künstler ihre einzelnen Teile am Maltisch phantasievoll bemalen.
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Vertreter der Lokalmedien von Radio und Zeitungen kamen zu Gast. Tags darauf war während
einer Mittagspause aufmerksames Anhören einer Reportage angesagt. Bebilderte Berichte über
das Werken mit dem Künstler waren in der Tagespresse zu sehen. Obligatorisch für die Kinder
war der Besuch des Museums. Während der Woche wurden ihnen, in drei Gruppen aufgeteilt,
die «Poetischen Maschinen» des Künstlers vorgestellt. Absicht des Besuchs war, eine originelle
Maschine nachzuzeichnen oder eine neue für die Zukunft im Kopf zu erfinden!
Die Zinngewichte goss Paul Gugelmann mit jedem Kind selber. Es durfte helfen, die heisse,
flüssige Zinnmasse in die hölzerne Form einzufüllen.
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So wurden die ersten Werke allmählich fertig.
Natürlich gab‘s auch Wartezeiten. In diesen «Lücken» entstand die Idee zu einem Zoo. Aus
Wellkarton wurde ein tischgrosses Terrain geklebt und in verschiedene Gehege eingeteilt. Die
eifrigen «Laubsägeler» hatten bald einmal die Reservate mit den verschiedensten Tierarten
belebt. Hinzu kamen ein Kiosk, WCs, Bänkli, Blumen, Bäume und Pflanzen.
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Auf Samstag, 14. August 2010, erfolgte die Einladung zur Vernissage an die ganze Bevölkerung. 23 gelungene, fantasievolle, farbenprächtige, ganz persönliche Tirami-giù hingen an
einer Schnur auf Augenhöhe! Die Kinder mit ihren eigenen Werken standen im Mittelpunkt
der Veranstaltung. Den rassigen Auftakt dazu gab der Calypso-Chor aus Gretzenbach.
Vreni Widmer-Hersperger hatte während der ganzen Woche von jedem Kind Gedanken gesammelt zur Frage, was ihm am besten gefallen habe. Der Künstler übergab jedem Kind sein
Buch «Maschinen im Kopf» und Vreni Widmer erzählte die entsprechenden Gedanken dazu.
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Zum Beispiel:
Für Maximilian, «der sich freute, mit dem Künstler Paul Gugelmann arbeiten zu können, dabei
an einer Maschine Holz aussägen durfte und zum ersten Mal sah, wie man Zinn giesst».
Für Jan, «der sich freut, dass er ein so schönes Kunstwerk nach seiner eigenen Idee gestalten
durfte, obwohl er zu Beginn nicht recht wusste, wie es gelingen sollte …».
Für Nico, «dem es gefiel, dass man nebenbei auch noch Zootiere machen durfte. Es gab die
ganze Zeit über etwas Schönes zum Werken».
Für Seraina, «die beim Anstehen wünschte, dass es zwei Herren Gugelmann gäbe, einen für
die Knaben und einen für die Mädchen, und die es mega grosszügig fand, dass sich alle
Helferinnen und Helfer Zeit nahmen. Sie hätten an diesen Tagen ja auch in der Badi hocken
können …».
Abschliessend überreichte Toni Zaugg, der Präsident des Fördervereins «Museum Paul Gugelmann», den sieben Helferinnen und Helfern das verheissene «Diplom».
Eine arbeitsintensive, eindrückliche, erfüllte Woche wurde dank der Zusammenarbeit mit einem
Künstler zu einem generationenübergreifenden, bleibenden Erlebnis.
Text: Irene Wicki
Fotos: Hans Beer, Peter Wyser, Christian Tännler
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Jubiläumszahl im Jubiläumsjahr
100 000 Besucher im Paul-Gugelmann-Museum.
Im Jubiläumsjahr 15 Jahre Paul-Gugelmann-Museum konnte die hunderttausendste Besucherin gefeiert
werden. Sie erhielt vom Künstler
persönlich eine poetische Maschine.
durch das Heruntergleiten an einem Faden
sich bewegen, drehen, sogar Tätigkeiten
nachahmen.
Bald zeichnete sich ab, dass vermutlich im
Herbst der hunderttausendste Eintritt im Museum fällig würde.
Der Vorstand des Vereins zur Förderung des
Paul-Gugelmann-Museums durfte sich dieses
Jahr mit aussergewöhnlichen Ereignissen
befassen. Anstelle einer üblichen Jubiläumsfeier zum 15-jährigen Bestehen des Museums konnten in den Sommerferien 23 Kinder unter Anleitung des Künstlers und seines
Helferteams ihr eigenes «Tirami-giù» (zieh
mich runter) herstellen. So nennt Paul Gugelmann die bezaubernden Figuren, welche
Gespannte Erwartung auf
den Jubiläumsbesuch
Der grösste Teil des Vorstandes und des Stiftungsrates des Paul-Gugelmann-Museums
versammelte sich am Samstagnachmittag im
Museum. Die Spannung wuchs. Würde die
Jubiläumszahl für den hunderttausendsten
Besuch nach Eröffnung des Museums um
14.00 Uhr auf eine Einzelperson fallen oder
Freude über den Jubiläumseintritt (v.l.n.r.): Ruth Ryser, Eintritt 100 000; Paul Gugelmann;
Kurt Baumgartner, Eintritt 99 999; Anita Baumgartner Eintritt 100 001.
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erst mit der auf 15.00 Uhr angemeldeten
Gruppe erreicht werden? Dann wurde es
klar: Der Jubiläumseintritt liegt in der erwarteten Gruppe.
Paul Gugelmann persönlich empfing die Besucher und verteilte an drei Personen eine
Karte. Verwunderung machte sich in der
Gruppe breit, auch angesichts der vielen bereits erwartungsvoll im Museum stehenden
Personen. Dann klärte Paul Gugelmann die
Situation mit dem Hinweis auf den heutigen
hunderttausendsten Besuch im Museum.
derttausendsten Eintritt ging an Ruth Ryser aus
Suhr. Es ist die poetische Maschine «Fehlkonstruktion». Diesen ironischen Namen gab
Paul Gugelmann seinen Kunstwerken mit der
Darstellung menschlicher Köpfe. Innen dreht
ein kompliziertes Räderwerk, aussen pickt ein
Vogel …
Wiederum eine Radierung «Stammbaum» erhielt als Besucherin 100 001 Anita Baumgartner aus Dulliken. Natürlich gab's dann noch
ein Gruppenbild der Jubiläumsbesucher zusammen mit dem Künstler zur Erinnerung.
Geschenke für die
Jubiläumsbesucher
Apéro als Jubiläumsfeier
Die Besuchergruppe genoss dann die eigentliche Führung durchs Museum mit der Erläuterung der einzelnen Kunstwerke. Alice Kling
als Geschäftsführerin des Museums hatte den
Jubiläumsanlass organisiert. Sie lud schliesslich zum Apéro ein, mit welchem das für Museum und Besucher denkwürdige Ereignis gebührend gefeiert werden konnte.
Die beim Eintreten überreichten Karten enthielten die Besuchernummer. Zur grössten
Freude der Besitzer einer «Jubiläumsnummer»
und unter Applaus übergab Paul Gugelmann
Geschenke. Kurt Baumgartner aus Thun erhielt als Besucher 99 999 das Bild «Der
Stammbaum», eine Originalradierung in
nummerierter Auflage von 54 Exemplaren.
Das eigentliche Jubiläumsgeschenk zum hun-
Text und Foto: Hans Beer
Impressum
Herausgeberin
Einwohnergemeinde
Schönenwerd
Auflage
3100 Exemplare, gratis an alle
Haushaltungen von Schönenwerd
Redaktion
Druck
Widmer Druck AG, Schönenwerd
(Inhalt-Papier chlorfrei gebleicht)
Valerie Girsberger
Anita Lingg-Urech
Reinhard Mundwiler, Präsident
Arno Oppliger
Beat Streuli
Irene Wicki-Wehrli
Brigitte Wittmer-Widmer
Adresse für Zuschriften
Chrone-Zitig, Postfach 52, 5012 Schönenwerd
[email protected]
Die nächste Chrone-Zitig erscheint
voraussichtlich im Juni 2011
37
Was der Fluss bringt,
hat er irgendwo genommen
Die Aare lebt, das hat sie in den letzten Jahren bewiesen. Immer wieder schwoll sie zu
ungeahnter Fülle an, überflutete nahe Uferund bei extremem Hochwasser auch Wohngebiete. Dabei nimmt sie sich während ihres
Verlaufs, was nicht niet- und nagelfest ist und
trägt es in den Fluten mit fort. So kann man
bei der Biberinsel in Schönenwerd immer
noch Reste der zerstörten Pfahlbauten ausmachen, die sich hier verfingen und nicht
mehr weitertransportiert wurden. So ist es
auch den Gegenständen ergangen, welche
etwa 600 Meter unterhalb des Stauwehrs
Einladung zum Sitzen und Sinnieren.
des Kraftwerks Aarau auf einer Kiesbank des
alten Aarelaufs angeschwemmt wurden. Die
Gegenstände verfingen sich in den Sträuchern und blieben nach dem Rückgang des
Hochwassers liegen. Unser Bilderbogen
zeigt, wie fantasievolle Menschen dieses
Schwemmgut schon fast künstlerisch arrangierten. Auszumachen sind da Bauschilder,
Alteisenteile, ein Klappstuhl, Kleidungsstücke
und zahlreiche Fahrradteile. Natürlich könnten einige dieser exklusiven Stücke auch der
Wegwerfmentalität unserer Gesellschaft zugeschrieben werden. Die Aufnahmen stammen vom 18. April 2010. Es ist durchaus
möglich, dass die Situation heute nicht mehr
besteht. Was den künstlerischen Wert be-
Die Skulptur mit einem dürren Ast ist sehr
gut gelungen.
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Komposition mit Wäsche, Fassboden und dem Rad eines Velos.
Geschickt wird eine Pyramide angedeutet, in deren Inneres man sehen kann.
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Strandgut als Baumschmuck: Dekorierte Natur.
trifft, können diese Werke sicher mit einigen
zeitgenössischen Kunstwerken Schritt halten:
als Mahnmal für gedankenloses Wegwerfen
von noch verwertbarem Altmaterial.
Erreichbar ist die Kiesbank, wenn man nach
dem Stauwehrsteg rechts abbiegt und dem
Wanderweg bis zum Waldeingang folgt.
Rechts unter der Uferböschung befindet sich
nach etwa hundert Metern der fotografierte
Platz. Er ist bei Niedrigwasser trockenen Fusses zu erreichen.
Text und Bilder: Arno Oppliger
Gesammelte Gegenstände wurden durch
einen Ast mit der Natur fast zu einem Kunstwerk verbunden.
40
200 Jahre Industriegeschichte
Schönenwerd
Eröffnung der Ausstellung «Sammlung Industriekultur»
des Bundesamtes für Kultur, der die «frohe
Botschaft» des Bundes überbrachte, kulturelle
Initiativen von nationaler Bedeutung finanziell
zu unterstützen. Jürg Brühlmann, Designer und
Berater der BALLYANA-Stiftung bei Aufbau
und Gestaltung der Ausstellung, erzählte anschliessend auf ironisch-witzige Weise, wie
auch mit beschränkten finanziellen Mitteln eine erfolgreiche Ausstellung gestaltet werden
kann. Mit der formal überzeugend gestalteten
Sammlung Industriekultur wird der Öffentlichkeit ein Teil der seit der Schliessung des BallyUnternehmens im Niederamt (Jahr 2000) gesammelten Gegenstände, Dokumente und
Bilder präsentiert. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines jahrelangen grossen Einsatzes
von freiwilligen Helfer/innen der Stiftung und
des Vereins BALLYANA sowie einer grösseren
Zahl von Sponsoren, die namhafte finanzielle
Beiträge leisteten. Sie sind auf einer Tafel am
Eingang namentlich aufgeführt.
Die BALLYANA-Stiftung, die im Jahre 2008 bereits sachkundige Führungen durch die BallyParkanlage, die Industrie-Ensembles und das
Industriedorf Schönenwerd sowie im 2009
verschiedene Anlässe zur Buchvernissage
«Pionier und Pfaffenschreck – Die Memoiren
des Carl Franz Bally» organisiert hatte, ist am
22. September 2010 in der ehemaligen Produktionshalle der Bally Band an der Schachenstrasse 24 in Schönenwerd mit der Eröffnung ihrer eindrucksvollen Sammlung Industriekultur an die Öffentlichkeit getreten. Philipp
Abegg, Gründer und Präsident der Stiftung,
konnte über hundert Gäste begrüssen. Die Ansprache hielt Jean-Frédéric Jauslin, Direktor
Die Maschinen und der Film
Mitten in der grossen Shedhalle stehen in einer ersten Gruppe historische Webmaschinen
aus der Bally-Bandproduktion, die von der
schweizerischen Maschinenindustrie entwickelt und hergestellt wurden (Saurer, Arbon/TG 1945; Honegger, Rüti/ZH; Müller,
Frick/AG 1970), darunter eine Jacquardmaschine mit Lochkartensteuerung, welche Ornamente, Personen und Landschaften mit in
das Gewebe einzuweben vermochte (Henri
Blank, Uster 1890; J.-M. Jacquard, 1752 bis
1834, Weber und Erfinder). In einer zweiten
grösseren Gruppe sind drei Dutzend Maschinen aus der Schuhproduktion aufgestellt, die
v.a. aus den USA und Deutschland stammten,
Das Fabrikhorn war im Niederamt täglich
sechs Mal zu hören.
41
Technische Zeichnung von Eduard Bally (1863/64).
Flächenmess-Maschine für Leder und Felle (Turner, USA 1920).
42
Schuhs in den Bally-Fabriken vorführt. Die
meisten Arbeiter und Arbeiterinnen leisteten
Akkordlohnarbeit: Die Filmaufnahmen zeigen, wie präzis die immer gleichen Handund Armbewegungen ablaufen und wie angestrengt konzentriert an den Maschinen gearbeitet wurde.
Die Ausstellungsboxen
An einer Seitenwand der Shedhalle stehen
vier Ausstellungsboxen zu den Themen: LuxusSchuhgeschäfte von Bally, mit ausgewählten
Damen-, Herren- und Kinderschuhen aus früheren Zeiten; Kontor von Peter Bally mit Stehpult und Kassenschrank aus der frühen Zeit der
Bandweberei, als die Webstühle noch auf den
Bauernhöfen standen (1810–1820); Bandund Elastikweberei mit Musterbüchern für Elastik- und Seidenbänder, mit Schnürsenkeln,
Strumpfhaltern, elastischen Gürteln, Isolationsbändern für elektrische Kabel und einem
seidenen Damenschuh mit Elastikbandeinsatz
im Knöchelbereich (19. Jh.). In einer weiteren
Vitrine sind Einzelteile des Schuhs sowie traditionelle Arbeitswerkzeuge zu sehen: zugeschnittene Lederstücke, Absätze, Sohlen, Holzleisten, die legendäre Zwickzange und eine
alte Singer Schuh-Nähmaschine.
«Innereien» eines Bally-Schuhs.
darunter eine Leder-Flächenmess-Maschine
(Turner, USA 1920), Walkmaschinen (USA
1860) und Nähmaschinen (Deutschland
1900, 1950; USA 1930). Von Eduard Bally
ist denn auch die Aussage überliefert: «Will
sich heutzutage ein Fabrikant konkurrenzfähig
einrichten, so muss er in Amerika seine Maschinen holen» (1876). Die Produktionsmaschinen sind von der BALLYANA-Stiftung mithilfe von Handwerkern und ehemaligen Mitarbeitern der Bally-Unternehmen in Hunderten
von Arbeitsstunden sorgfältig gereinigt und
teilweise für die Publikumsvorführung wieder
funktionstüchtig gemacht worden. Die angebrachten Texttafeln erklären den jeweiligen
Arbeitsvorgang im gesamten Produktionsablauf. Auf zwei grossen Flachbildschirmen läuft
ein Schwarz-Weiss-Stummfilm aus den frühen
sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, welcher viele der insgesamt bis zu 200 Arbeitsvorgängen der industriellen Herstellung eines
Die Vitrinen
Die vierzehn Vitrinen zur Bally-Industriegeschichte enthalten unterschiedlichste, nach
Themen geordnete Gegenstände, Schriftstücke und Bilder: schwere ledergebundene
Rechnungsbücher mit handschriftlichen Eintragungen des Kontors (1846); alte Münzwaagen (um 1820) aus der Zeit, als noch jeder Schweizer Kanton seine eigenen Münzen
prägte; eine sog. Mutter-/Tochteruhr (Mitte
20. Jh.); die «Fabrik-Ordnung» (1949); Lohnsäckli und Akkordbüchlein; einen «Partiezettel» mit den Fabrikationsdaten eines Schuhs;
ein Kochrezept (1901); die Kochbücher von
Rosina Gschwind (1892) und Adele Bieber
43
Gemälde, Zeichnungen, Illustrationen, Fotografien und Plakate
Die an einer Seitenwand angebrachten alten
Fotografien zeigen z.B. ein luxuriöses, im
«Fin-de-siècle»-Stil eingerichtetes Esszimmer
der Villa Jurablick (1874 erbaut), ein vom
Pferd gezogener sog. Chacheliwagen für den
Transport der Mittagsverpflegung der Arbeiter
oder die Frauen der Kochschule Schönenwerd
(1905). Auch sind mehrere Jubiläumsurkunden für 25, 40 und 50 Jahre Arbeit bei Bally
zu sehen. Zum genaueren Hinschauen laden
die Panorama-Ansichten des Industriedorfs
(19. und 20. Jh.) ein, worunter eine Bleistiftzeichnung von Armin Müller (1920). Die Pläne der nicht realisierten Überbauung Schachenland von Karl Moser (1918) zeugen vom
Pioniergeist jener Zeit, als auch die Reklamegrafik entstand (1910–20). Die Ausstellung
enthält dazu metallene Reklameschilder (1895,
1930), Kleinplakate (um 1940), Schaufensterplakate (um 1950) sowie 19 grossformatige farbige Plakate aus der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts, die an der dem Eingang
Seidenschuh mit Elastikband.
(1934); Ess-Chacheli aus Weissblech; Fotos
und Briefe der Patrons von ihren Reisen nach
Afrika, Nord- und Südamerika; Jubiläumsgeschenke, wie Silberplatten, Esslöffel, Trinkbecher, Medaillen und eingerahmte Urkunden;
ein Blatt aus dem «Lokal-Anzeiger» (1914),
welcher auf die 2300 Bände der im Kosthaus
untergebrachten Jugend- und Volksbibliothek
hinweist; Pläne der Hüsligasse (heute: Quartierstrasse) in Schönenwerd; Werkbücher mit
Entwürfen der hauseigenen Grafiker (20. Jh.);
ein Sammelsurium von Alltagsgegenständen
mit den Bally-Schriftzügen als Werbeträger,
z.B. kolorierte Postkarten (um 1900), ein BlechStereoskop (1905), ein transparenter PlastikBriefbeschwerer (1910), metallene Haken zum
Knöpfen der Stiefel (um 1900), eine kunstvoll
verzierte Schuhschachtel (um 1900) sowie
aus jüngerer Zeit verschiedene Aschenbecher,
Zündholzbriefchen, Bierdeckel, Taschenmesser, Jasskarten, Kleiderbürsten, Tassen, ein
T-Shirt, eine Schirmmütze u.a.m.
Aquarell von Jimmy Ramp, Créateur bei
Bally (1942).
44
triellen-Generationen und Utensilien aus dem
Privatleben früherer Familienmitglieder zu sehen: z.B. ein handgrosses, bemaltes sog. Taufschüsselchen aus Porzellan (18. Jh.); ein mit
Glasperlen bestickter Tabakbeutel; ein kunstvoll geschmiedetes Goldkränzchen samt Brosche zur goldenen Hochzeit; kunstvoll gehäkelte Geldbörsen; eine zierlich bemalte Ofenkachel mit der Inschrift «Osspeter Bahly» und
«Frau Marian Herzog» (1811) und anderes
Sehenswertes mehr. Mit weiteren Fotografien,
Einladungs- und Menükarten sowie Abzeichen
zum Anstecken wird an frühere «Bally’sche
Familienfeste» erinnert (1871–1969).
Die Stammbäume
Ein an der Wand gegenüber dem «Familienraum» angebrachter, mächtiger handgemalter
Eichen-Stammbaum aus dem Jahre 1910 enthält die Sprösslinge und ihre Ehegatten mit den
Familienwappen. Ältester Stammvater ist ein
«Egli Paule», Ratsmitglied in Bludenz (Vorarl-
Grossformatiges Bally-Plakat.
gegenüberliegenden Wand hoch über der Ausstellung hängen. Die Graphiken geben dem Besucher einen Eindruck von den über die Jahrzehnte hinweg sich wandelnden ästhetischen
Vorstellungen der Gesellschaft. Die Bedeutung
des modernen Marketings wurde schon früh erkannt; so lautete ein Bonmot von C.F. Bally:
«Gut verpackt, ist halb verkauft» (um 1880).
Der «Familienraum»
Im von vier roten Stellwänden abgegrenzten
Raum in der Mitte der Shedhalle hängen u.a.
Porträts aus der Bally-Dynastie, Bilder von bekannten Gebäuden, wie etwa der Villa Felsgarten (vermutlich 18. Jh.) oder der alten Werkschule (1832–37), ein Gemälde des von Franz
Ulrich Balle um 1790 in Schönenwerd erbauten (und erhaltenen) Stammhauses (Maler: Paul
Schürch), eine Darstellung der BandwebereiFabrikanlage von F.U. Bally Söhne in Säckingen (Deutschland). In den Vitrinen sind Fotografien aus den Familienalben der vier Indus-
Ahnengalerie.
45
berg), von Beruf Metzger (1466–1494). Seine
männlichen Nachkommen hiessen nacheinander «Ulrich Päle», «Töny Bâlle», «Ulrich Paulin», «Hanns Bolle», «Mathias Balli», «Ulrich
Baale», «Hans Jakob Baalle», «Joseph Balli»
und «Franz Ulrich Balle» (1748–1810). Letzterer zeugte mit Magdalena Kuhn vier Söhne
und eine Tochter, die bis auf einen Sohn, «Peter Balle» (1783–1847, recte:1849), ledig und
kinderlos blieben. Peter Balle/Bally gründete
1823 die Bally-Band, ein Unternehmen der Seidenbandweberei; nach Gründung des süddeutschen Zollvereins eröffnete er 1836 in Säckingen (Deutschland) eine Filiale. Einer der
vierzehn Kinder, die seiner Ehe mit Anna Maria Herzog entsprossen, der Sohn Carl Franz
(1821–1899), für den das Kürzel «C.F.» geläufig geworden ist, gründete 1851 die BallySchuhfabriken AG in Schönenwerd. Auf dem
Bühl vor der Stiftskirche wurde ihm im Angedenken an seine unternehmerischen Leistungen
eine Bronzebüste errichtet. Am 18. September
2010 trafen sich in Schönenwerd über zweihundert Nachkommen von Peter Bally zum traditionellen «Bally-Familientag». Für diesen Anlass hatte die BALLYANA-Stiftung zeitaufwendige Nachforschungen in Auftrag gegeben,
um den seit Jahrzehnten nicht mehr nachgeführten Stammbaum zu vervollständigen. Das
Ergebnis, die Stämme der Stammväter Carl
Franz (C.F.), Gustav, Fritz, Alexander, Albertine, Theodor, Jean und Peter sind ebenfalls zu besichtigen. Wieviele Nachkommen
würde wohl ein Stammbaum jener Arbeiter
und Angestellten zählen, die mit ihrem Arbeitsethos massgeblich zum märchenhaften
Aufstieg der Bally-Unternehmen beitrugen?
Diese «Ballyaner» blieben dem Unternehmen
bis in die jüngste Zeit oft ihr ganzes Leben
lang treu. Ihnen und ihren Familien brachte
der weltweite Erfolg der Bally über Generationen hinweg Arbeit, Einkommen und Wohlstand. Der letzte der Patrons, Max Bally, ist
1976 im Alter von 96 Jahren gestorben.
Ausländische Gesellschaften des
Bally-Konzerns (Stand 1951)
The London Shoe Co. Ltd.,
London (England), gegr. 1899
BALLY’s Soc. De Resp. Ltda.,
Buenos Aires (Argentinien), gegr. 1905
BALLY’s Aarau Shoe Co. Ltd.,
London (England), gegr. 1908
Etablissements BALLY Camsat S.A.,
Villeurbanne (Frankreich), gegr. 1914
Société Commerciale des Chaussures
BALLY-Camsat S.A.,
Paris (Frankreich), gegr. 1917
Curtiembres La Federal S.A.,
Buenos Aires (Argentinien), gegr. 1919
Société Commerciale des Chaussures
BALLY-Camsat S.A.,
Bruxelles (Belgien), gegr. 1921
The CUTHERBERT-BALLY Shoe Factory Ltd.,
Woodstock, Capetown (Südafrika),
gegr. 1921
BALLY’s Shoe Factories (Norwich) Ltd.,
Norwich (England), gegr. 1923
BALLY Inc., New York (USA), gegr. 1923
Société Immobilière Régina S.A.,
Paris (Frankreich), gegr. 1924
S.A. Cortume Carioca,
Rio de Janeiro (Brasilien), gegr. 1925
BALLY Wiener Schuhfabrik
Aktiengesellschaft,
Wien (Österreich), gegr. 1930
Ballysko A/S,
Oslo (Norwegen), gegr. 1930
BALLY Schuhverkaufs G.m.b.H.,
Wien (Österreich), gegr. 1933
Manufacture de Chaussures de
Moulins S.A.,
Moulins s/Allier (Frankreich), gegr. 1947
46
chen, das Schulhaus 1888, das Sälischulhaus,
die Bally-Parkanlage, die Villa Felsgarten mit ihrem neugotischen Schlösschen (Gartenhaus). In
den vergangenen zehn Jahren sind nun nach
und nach viele kleine Unternehmen in die alten
Industriegebäude eingezogen und andere
Menschen wohnen in den grosszügig gebauten Villen und Herrenhäusern.
Text und Fotos: Valerie Girsberger
Öffnungszeiten
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Sonntag
Jubiläumsgeschenke:
«40 Jahre treue Mitarbeit … 1906–1946».
7. November
21. November
5. Dezember
19. Dezember
2. Januar
16. Januar
6. Februar
20. Februar
6. März
20. März
2010
2010
2010
2010
2011
2011
2011
2011
2011
2011
jeweils von 12 bis 17 Uhr
Das Alte stürzt, es ändert
sich die Zeit …
Führungen
In den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts
waren immer noch mehrere tausend Angestellte für Bally tätig; der in den Siebzigerjahren einsetzende, anscheinend unaufhaltsame
Niedergang führte im Jahr 2000 zur endgültigen Schliessung der Bally-Schuhproduktion.
Die letzten Arbeiter und Angestellten, noch einige hundert Personen, verloren ihre Stelle. Die
Ausstellung enthält zu diesem traurigen Ende einige Zeitungsausschnitte (1977, 1999, 2008)
aus der umfangreichen Dokumenten-Sammlung des BALLYANA-Archivs. Die kulturelle
Prägung Schönenwerds durch die jahrhundertealte Industrie ist indessen auch heute noch
unübersehbar: Industriegebäude, Fabrikantenvillen und stattliche Ein- und Mehrfamilienhäuser aus verschiedenen architektonischen Epo-
«Die Bally-Saga,
Aspekte einer Familiengeschichte»
Sonntag
7. November
2010
Sonntag
16. Januar
2011
Sonntag
6. Februar
2011
Sonntag
20. März
2011
«Wie alles begann, 200 Jahre
Schönenwerder Textilindustrie»
Sonntag
20. Februar
2011
«Industrielle Schuhmacherei»
Sonntag
6. März
2011
jeweils zwischen 14 und 16 Uhr
Informationen: www.ballyana.ch
47
In der OJuN läuft etwas
Andreas Müller wehrt sich am Töggelikasten tapfer gegen drei gut trainierte Jugendliche, Simone Balzli bespricht mit einem Mädchen die Dekoration für die bevorstehende Halloweenparty. Andere Jugendliche spielen Playstation oder Pingpong.
Das Team Müller/Balzli ist zuständig für die OJuN, die «Offene Jugendarbeit im unteren
Niederamt», die von den Gemeinden Schönenwerd, Däniken, Gretzenbach und EppenbergWöschnau getragen wird.
Ich habe die beiden im Treffpunkt im Gretzenbacher «Täli» getroffen und mich über ihre Institution und ihre Tätigkeit orientieren lassen.
Das Leitungsteam: Andreas Müller …
… und Simone Balzli (hinten).
Die OJuN will den Vereinen keine Konkurrenz machen; sie ist für junge Leute ein weiteres
Angebot. Im Rahmen dieser Institution können sie sich treffen, gemeinsam etwas unternehmen und Veranstaltungen durchführen. Sie sollen Ideen einbringen können und Verantwortung übernehmen. Das Leiterteam steht mit Rat und Tat zur Seite und freut sich über jeden
48
Vorschlag, der aus den Reihen der Jugendlichen kommt. Der Treffpunkt im «Täli» ist insgesamt an drei Tagen geöffnet: am Mittwoch von 14 bis 21 Uhr, am Donnerstag von 16 bis
21 Uhr und neuerdings auch am Freitag von 17 bis 22 Uhr. Diese Erweiterung der Öffnungszeiten geschah auf ausdrücklichen Wunsch der Jugendlichen. Man trifft sich auch auswärts, zum Beispiel auf der Skater-Anlage in Däniken (wo auch eine Saisoneröffnungsparty
gefeiert wurde), geht gemeinsam Eislaufen, verabredet sich zum Weihnachtsessen.
Frisuren, Schminken und mehr …
Und damit die Mädchen auch mal unter sich sind und ihre eigenen Probleme diskutieren können, begleitet Simone Balzli eine Mädchengruppe, die sich einmal im Monat trifft.
Über grössere Aktionen hat die Tagespresse schon berichtet. Eine Gruppe hat unter professioneller Anleitung die Bahnunterführung Weiermatt neu gesprayt, schönheitsbewusste Mädchen lernten in einem Coiffeursalon, wie man sich frisiert und schminkt. Auch Partys in der
Shedhalle (Schulstrasse 1) in Schönenwerd, wo sich übrigens auch das Büro der OJuN befindet, und die Teilnahme am Beizlifest Gretzenbach gehören dazu.
Wer trifft sich denn in der OJuN? Das Angebot richtet sich vorwiegend an Jugendliche aus
den Trägergemeinden im Alter von 12 bis 18 Jahren, also in den oberen Schulklassen und in
den ersten Jahren nach dem Eintritt ins Berufsleben.
49
50
51
Graffiti-Workshop.
Mir fiel auf, dass die jungen Leute, die ich im «Täli» traf, mich so freundlich begrüssten, wie
wenn wir uns schon seit Jahren kennen würden. Wer hier mitmacht, will sich in eine Gemeinschaft einfügen und sie mittragen; das bestätigen auch die beteiligten Erwachsenen. Und
das sind nicht nur die Jugendarbeiter/innen, sondern auch Eltern und Vertreter/innen der Trägergemeinden. Aus Schönenwerd sind das Johannes Brons als Präsident der regionalen Jugendkommission und Mathias Bosslet, Präsident des Ausschusses «Jugend».
Aufgabe der Jugendarbeiter/innen ist aber nicht nur die Präsenz und Begleitung der Jugendlichen im Treffpunkt. Besonders in den wärmeren Monaten gehört auch die aufsuchende Jugendarbeit dazu, das heisst, man geht jenen Orten nach, wo sich junge Leute gerne aufhalten
und oft Probleme entstehen können.
Weitere Aktivitäten: Hilfe bei Schwierigkeiten unter oder mit Jugendlichen, Hilfe bei der Erstellung eines Bewerbungsdossiers, beim Kontakt mit Behörden usw.
Das neueste Angebot: An Samstagabenden von Ende Oktober bis am 18. Dezember ist in
Schönenwerd die Turnhalle Dorf geöffnet. Bei freiem Eintritt treffen sich junge Leute zwischen
13 und 18 Jahren zu Spiel und Sport (Hallenschuhe mitnehmen!). Unterstützt werden sie dabei vom Leitungsteam und engagierten Erwachsenen aus Schönenwerd.
Text und Fotos: Reinhard Mundwiler
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700 km ins Elsass und in die Pfalz
mit Traktor und Wohnwagen
Für die Reise benötigte ich einen Wohnwagen, welchen ich bei Seetal-Caravan in Hallwil mietete. Der Traktor musste mit einer passenden Anhängevorrichtung und der elektrischen Ausrüstung für den Wohnwagen –
Rücklichter und Bremslicht – versehen werden. Vorschrift ist auch, dass zwei grosse Seitenspiegel auf den Kotflügeln angebracht sein
müssen. Da der Traktor mit Baujahr 1950
kein Dach besitzt, war ein guter Regenschutz
unbedingt nötig wie auch Werkzeug mit Wagenheber, um allfällige Pannen beheben zu
können.
Es war schon immer mein Wunsch, einmal mit
einem Wohnwagen wie die Schausteller oder
die Fahrenden durchs Land zu ziehen. Wie
eine Reise dieser Art zustande gekommen ist,
möchte ich in diesem Bericht erzählen.
Vorgeschichte
Jeden Tag trinken wir Handwerker im Restaurant Winkel Kaffee und diskutieren über Gott
und die Welt. Eines Tages gesellte sich auch
Martin Haller, Dachdeckermeister von Schönenwerd, zu uns und erzählte von seinen Reisen mit Traktor und Wohnwagen ins Elsass
und in die Pfalz. So zu reisen sei immer gemütlich und man bekomme viel zu sehen. «Du
hast doch auch einen schön restaurierten Hürlimann-Traktor», meinte er zu mir. Ich war von
seinen Schilderungen begeistert und erklärte
mich bereit, ihn auf seiner nächsten Reise zu
begleiten.
Freitag, 30. Juli
An diesem Tag holte ich mein «fahrendes
Haus» ab, richtete alles ein, und bei strahlendem Wetter ging’s los. Der Reisegesellschaft gehörten Martin mit seinen beiden Söhnen, Martins Partnerin und ich an. Wir waren
53
wir in Hattstatt Station. Über das Wochenende fand dort ein Traktorentreffen mit vielen
Oldtimern statt. Unsere Fahrzeuge parkierten
wir auf einem abgemähten Kornfeld, richteten uns häuslich ein und blieben bis am Montagmorgen in dieser Ortschaft.
Montag, 2. August
für alle Fälle gut gerüstet mit Schlafwagen, Küchenwagen und einem kleinen Anhänger. Als
Zugfahrzeuge dienten ein Hürlimann D100
(Jahrgang 1950), ein Hürlimann D 90 (Jahrgang 1960) und ein Bührer-Traktor. In dieser
Formation starteten wir um 18.30 Uhr und erreichten über Olten, den oberen Hauenstein
und Reigoldswil Laufen um 22 Uhr, wo wir
die erste Nacht auf dem Bahnhofsgelände
verbrachten.
Das Wetterglück verliess uns an diesem Tag,
Regen war angesagt. Trotzdem reisten wir
weiter über Colmar nach Riquewihr. Hier hielten wir uns etwas länger auf, tranken in einem
typischen Elsässer Restaurant Kaffee und bewunderten die alten Häuser. Wir benützten
die Gelegenheit, mit einer kleinen Bahn die
Weinberge und die prachtvolle Landschaft zu
erkunden. Der nächste Halt nach diesem Ausflug war Kintzheim. Natürlich besuchten wir
das Cigoland mit dem Parc des Cigognes, einem Vergnügungspark mit lebenden Störchen. Und schliesslich erreichten wir nach
sechs Stunden Fahrt Andlau, unser geplantes
Etappenziel.
Samstag, 31. Juli
Dienstag, 3. August
Nach einem ausgiebigen Frühstück setzten
wir die Fahrt fort nach Röschenz, über den
Blauen-Pass nach Metzerlen. Bei Burg überquerten wir die grüne Grenze nach dem Elsass. Zügig ging die Fahrt nach Altkirch, Rouffach, und nach rund sieben Stunden machten
Unsere Fahrt ging an diesem Tag an einen
Ort, welcher im Zweiten Weltkrieg traurige
Geschichte schrieb: Das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. Die Gedenkstätte
mit einem Mahnmal und den vielen Kreuzen,
welche an die unter unmenschlichen Bedin-
Ortseingang von Riquewihr im Elsass.
Konzentrationslager Natzweiler Le Struthof.
Hattstatt im Elsass.
54
Städtchen Riquewihr im Elsass.
Campieren in der Natur.
55
Schiffshebewerk in Plan Inclinée.
gungen Verstorbenen der Nazizeit und an
die Gräueltaten der damaligen Zeit erinnern, hinterliessen bei uns ein mulmiges Gefühl. Nach diesem besinnlichen Besuch fuhren wir weiter über Rothau, Col du Donon,
Abreschviller zum Etappenziel in Plan Inclinée. In einem idyllischen Wäldchen an einem kleinen Fluss schlugen wir unsere Zelte
auf und verbrachten eine ruhige Nacht.
am Strom anzuschliessen. Mit einem ausgiebigen Nachtessen in freier Natur mit Wein
und Dessert beschlossen wir den Tag.
Donnerstag, 5. August
Auf der Weiterfahrt besuchten wir die Ruine
Fleckenstein, ein altes Gemäuer aus der Ritterzeit. Im Wildpark von Silz wurde ein Kaffeehalt eingeschoben, worauf es zügig nach
Mittwoch, 4. August
Mit einem Touristenboot passierten wir das
grosse Schiffshebewerk und staunten über diese technische Leistung. Über Lützelbourg,
Oberhof, La Petite Pierre, Sparsbach, Ingwiller, ging’s nach Oberbronn. Auf dem grossen
Zeltplatz, wo viele andere Gäste unser Kommen mit grosser Aufmerksamkeit verfolgten,
parkierten wir unsere Fahrzeuge und richteten
uns ein. Es war eine echte Wohltat, wieder einmal eine warme Dusche zu geniessen, die
Wäsche zu waschen und den Wohnwagen
Auf dem Campingplatz in Oberbronn.
56
Heuchelheim weiterging. Inmitten eines grossen Weinberges durften wir unsere Fahrzeuge abstellen und uns häuslich einrichten.
Heuchelheim ist ein kleines Dorf in der Pfalz
inmitten von Weinbergen mit wunderschönen Häusern.
Freitag, 6. August
Die Anhänger blieben an diesem Tag in Heuchelheim. Unsere Fahrt führte uns nach Hauenstein, wo das Deutsche Schuhmuseum in
einer alten Fabrik untergebracht ist. Die interessante Ausstellung ist auch mit einer Leihgabe aus dem Bally-Schuhmuseum Schönenwerd bereichert. Ich trug mich im Gästebuch
ein und erwähnte, dass wir mit drei Traktoren von Schönenwerd in die Pfalz reisten.
Leihgabe von Bally fürs Schuhmuseum.
nossen den eher ruhigen Tag. Am Sonntagmorgen fuhren wir mit einem Personenwagen
nach Speyer. Der grosse alte Kaiserdom mit
den Grabmälern der Habsburger sowie die
historische Stadt ist eine Reise wert. Am
Nachmittag fuhren wir mit unseren drei Traktoren im Umzug durch Heuchelheim. Die Zuschauer winkten uns zu und freuten sich, auch
Schweizer begrüssen zu können.
Samstag/Sonntag, 7./8. August
Über dieses Wochenende fand in Heuchelheim ein grosses Traktorentreffen mit Weinfest
statt. Wir verfolgten den Aufmarsch der verschiedenen Fahrzeuge mit Interesse und ge-
Schuhmuseum Hauenstein in der Pfalz.
57
Marmoutier – romanische Abteikirche mit Silbermann-Orgel.
Montag, 9. August
gelangten am Mittag nach Marmoutier. Die
herrliche romanische Kirche mit der von Johann Andreas Silbermann 1709 erbauten
Orgel interessierte mich besonders. – Ein Besuch im nahe gelegenen Museum mit Kleinorgeln und verschiedenen anderen Instrumenten vermittelte viel Wissenswertes über
den Sektor Instrumentenbau. Hier wird auch
der berühmte Arzt und Musiker Albert
Schweitzer gewürdigt, berühmt durch sein
Engagement für die armen Menschen und
die Gründung eines Urwaldspitals in Lambarene (Afrika). Diese «Weiterbildung» schloss
den Tag ab.
Wir verliessen die Pfalz, eine der schönsten
Gegenden Deutschlands, und fuhren bis zum
Weintor, wo die deutsche Weinstrasse ihren
Anfang nimmt. Nach einem stärkenden Kaffee ging es dann weiter nach Schonenbourg.
Hier besuchten wir einen Teil der MaginotLinie, jenes Befestigungswerks aus den Dreissigerjahren des 20. Jahrhunderts. Dieses Bauwerk hat imposante Ausmasse und geht zum
Teil bis dreissig Meter in den Boden. Es sollte
die Deutschen an der Grenze bei einem kriegerischen Angriff aufhalten. – Zum zweiten
Mal machten wir auf dem Zeltplatz von Oberbronn Halt und genossen die Infrastruktur, die
uns dort geboten wurde.
Mittwoch, 11. August
Das Wetter war regnerisch an diesem Morgen. Trotzdem fuhren wir weiter über den Col
du Kreuzweg bis nach Ste-Marie-aux-Mines.
Hier blieb der D90 auf einer Kreuzung stehen
und musste von mir auf den nächsten Park-
Dienstag, 10. August
Nach einem wie immer reichlichen Frühstück
fuhren wir durch viele kleinere Ortschaften,
wo man uns immer freundlich begrüsste, und
58
platz geschleppt werden. Nach einiger Zeit
war der Grund der Störung gefunden; die
Fahrt konnte weitergehen. Wir fuhren bis Le
Markstein, verpflegten uns dort mit einem guten Nachtessen. Nach dem Einnachten fuhren wir weiter nach Aspach-le-Bas, wo wir unsere letzte Nacht vor der Heimkehr verbrachten.
Donnerstag, 12. August
Der letzte Reisetag begann mit strömendem
Regen. Das bis anhin obligate Frühstück fiel
ins Wasser. Wir fuhren los und stoppten in
Hirtzbach für einen Kaffeehalt. Das Wetter
hatte sich beruhigt, so dass wir den Weg
Richtung Schweiz wieder bei günstigen Verhältnissen unter die Räder nehmen konnten.
Fünf Kilometer vor der Schweizer Grenze
hatte ich mit meinem D100 eine Panne. Am
hinteren grossen Rad wurde das Ventil abgeschert. Zum Glück wurde ich von einem
freundlichen Bauern abgeschleppt und konnte den Traktor in seiner Scheune stehen lassen. Damit mein Wohnwagen nach Hause
gebracht werden konnte, mussten wir den
kleinen Anhänger auch im Elsass zurücklassen. Mit zwei Traktoren ging die Fahrt weiter.
Ich konnte auf dem Kotflügel von einem der
Urkunde für die Teilnahme am Traktortreffen
in Heuchelheim.
beiden mitfahren und entspannt die Landschaft geniessen. In Herbetswil gab es ein
letztes Mal ein gutes Nachtessen. Anschliessend wurde Schönenwerd angesteuert, wo
wir um 23.30 Uhr eintrafen.
«Es war eine schöne Reise»
Die gemütliche Fahrt bot Gelegenheit, die
Gegend wahrzunehmen. Die Regentage hielten sich in Grenzen. Sie waren bei entsprechend guter Kleidung auch kein Problem. Wir
waren alle glücklich, wieder gesund nach
Hause gekommen zu sein.
Ich bedanke mich bei Martin Haller, der den
ganzen Reiseverlauf minuziös plante und damit einen reibungslosen Ablauf ermöglichte.
Typenschein des Traktors Hürlimann D100.
Text und Fotos: Beat Streuli
59
4. Solothurner Waldwanderung:
Wo einst der Fluss regierte
Fünf Waldwanderungen sind im Kanton Solothurn durch das Amt für Wald, Jagd und Fischerei geplant worden. Vier von ihnen konnten bereits der Öffentlichkeit übergeben werden. Der erste dieser Wandervorschläge mit
Informationstafeln unter dem Motto «Bärlauchpesto und Märchenwald» konnte am 23.
September 2006 eingeweiht werden. Die
Strecke führt von Holderbank über den Roggenschnarz nach Egerkingen und ist in etwa
vier Stunden zu bewältigen. Am 17. Mai
2008 folgte die Waldwanderung Nummer 2.
Kleinere Bäume werden durch den Biber
gefällt. Hier beim Hersperger-Bänkli unterhalb des Schwimmbades.
Sie führt von Mümliswil über den Passwang
auf Wasserfallen und trägt den Titel «Luftige
Kreten, tiefe Schluchten»; die Wanderzeit beträgt etwa sechs Stunden. Die dritte Tour wurde am 8. Mai 2009 eröffnet. Es ist die «Buechibärger Rundwanderung». Vier bis fünf
Stunden sind für diese Strecke einzuplanen,
die vom Schloss Buchegg über Gächliwil zurück an den Ausgangspunkt führt. Die fünfte
Waldwanderung ist im solothurnischen Leimental geplant, aber noch nicht ausgeführt.
Am 30. April 2010 wurde die
4. Waldwanderung eröffnet
Die Strecke führt von Olten nach Aarau und
umfasst 40 Posten mit Informationen über unsere Gegend, zum Beispiel Waldwirtschaft,
Geologie, Botanik und Nutzung der Gewässer. Die gesamte Wanderzeit von Olten nach
Aarau beträgt vier bis fünf Stunden. Wer von
Aarau bis zum Posten 40 und dann an den
Bahnhof Schönenwerd wandern will, muss
noch einmal anderthalb Stunden dazurechnen.
Wir haben in unserer Gegend Biber,
dies erfahren wir beim Posten 31 der Waldwanderung.
60
An der Eröffnung sprach auch unsere ehemalige Gemeindepräsidentin und heutige Regierungsrätin Esther Gassler. Sie führte unter anderem aus: «‹Hochwasser: Fluch und Segen›:
Das ist der Titel zum Themenposten dieser
Waldwanderung beim Pegelmesser in Schönenwerd. Nach dem Jahrhunderthochwasser
von 2007 fragt man sich vielleicht, wo denn
da der Segen bleibt? Früher wussten das die
Bewohner des Solothurner Niederamtes noch:
Der Fluss nahm und gab.» ... «Doch der Fluss
schaffte auch Verbindendes, er brachte ‹Segen›, indem dieser Wasserstrom früher ein
wichtiger und rascher Verkehrs- und Transportweg war. Was wir weniger wissen: das
Hochwasser brachte auch den nährstoffreichen Boden. Auf diesem konnten sich Auenwälder, wie wir sie heute noch sehen, prächtig entwickeln. Und dieser Boden ist seit der
Der Biber macht auch vor grossen Bäumen
nicht Halt (Aufnahme vom Dezember 2009).
Hier kann abgelesen werden, dass am 8./9. August 2007 der Rekord-Pegelstand von
1888 beträchtlich überschritten wurde.
61
gebnisse, insbesondere die attraktive Vielfalt
und Schönheit all der verschiedenen Waldtypen und Landschaften in unserem Kanton,
einer interessierten Bevölkerung nähergebracht werden könnte. Vielfach werden in
solchen Fällen ansprechende Publikationen
veröffentlicht. Dieser Weg führt aber meist direkt ins Bücherregal; und das wollten wir eigentlich nicht. Wir wollen den Wald nicht in
Bücherstuben, sondern die Menschen in den
Wald bringen.
Und damit war die Idee geboren. In jedem
Bezirk soll eine attraktive, dokumentierte und
beschilderte Waldwanderung die Schönheit
der Solothurner Wälder, aber auch der Landschaft, den Besuchern näherbringen.»
14 Posten befinden sich im
unteren Niederamt – vom
Ballypark bis an die Grenze
der Stadt Aarau
«Hochwasser: Fluch und Segen» ist das
Thema beim Pegelstandsmesser östlich des
Bally-Parks.
Jürg Froelicher hat Recht: In einer Zeit, da unsere Dörfer immer mehr verstädtern, die Leute nicht zu Stubenhockern zu machen, son-
ersten Juragewässerkorrektion von 1878 auch
ein fruchtbarer Landwirtschaftsboden.» ...
«Mit dem Fortschreiten des Staatswesens und
der Technik kamen die Grossprojekte der Gewässerkorrektion, der Fabrik- und Kraftwerkkanäle, der Gütermeliorationen. Zweifellos
ein Segen und Gewinn für alle ... Diese Waldwanderung zwischen Olten und Aarau mag
der Aare ein kleines Stück weit wieder dazu
verhelfen, eine Ader, ein Element zu sein in
dieser Gegend, etwas, das zwischen Leuten
und Gemeinden verbindet.»
Kantonsoberförster Jürg Froelicher erklärte,
dass man schon Ende der Siebzigerjahre des
20. Jahrhunderts damit begonnen habe, die
Wälder auf Grund ihrer natürlichen Gegebenheiten pflanzenbiologisch und zum Teil
auch bodenkundlich zu kartieren. Nach dieser Phase, die mehr als zehn Jahre dauerte,
«stellten wir uns dann die Frage, wie die Er-
Beim Posten 30 wird über die Bodenbeschaffenheit des Bodens im Auenwald
orientiert.
62
dern ihnen am praktischen Beispiel unsere
Natur, besonders die Zusammenhänge unter
den verschiedenen Elementen, aufzuzeigen.
14 Posten sind es vom Eingang in den Ballypark in Gretzenbach bis zum Kraftwerk der
Stadt Aarau und zurück zum Stauwehr. Diese Stationen müssen nicht der Reihe nach begangen werden, ein Zwischeneinstieg ist immer möglich. Vor allem an den Standorten
der allgemeinen Informationstafeln bei der
Mündung des Gretzenbacher Bachs, unterhalb des Schwimmbades Schönenwerd,
beim Stauwehr, wo die beiden Kanäle für
das Kraftwerk Aarau abgezweigt werden,
und beim Kraftwerk Aarau. Auf der Route erfahren wir einiges über die botanischen Verhältnisse und den Aufbau des Bodens im Auenwald, die Wirkung des Wassers in einer
Kurve des Flusses. Oder man erfährt, dass in
der Gemeinde Wöschnau ein Waldreservat
ausgeschieden worden ist, das nicht mehr
forstwirtschaftlich genutzt wird. Auch die Tatsache, dass die Aarauer Pferderennbahn
rund zur Hälfte auf Solothurner Boden liegt,
wird zum Beispiel beim Posten 37 erwähnt.
Dem rechten Aareufer folgend, erreichen wir
beim Kraftwerk Aarau den Wendepunkt.
Nun geht es am linken Aareufer flussaufwärts, zurück zum Stauwehr bis zum Posten
40, wo über den Winterschachtelhalm orientiert wird. Hier soll nicht alles im Detail beschrieben werden, denn selbst entdecken ist
spannender.
Die Tafel beim Posten 40 orientiert über
den Winterschachtelhalm.
reich. Sicher fördern sie auch das Verständnis
für den Schutz unserer Natur in der nächsten
Umgebung unserer Wohngemeinden. Schönenwerderinnen und Schönenwerder sollten
die Gelegenheit nutzen, die Waldwanderung
unter die Füsse zu nehmen. Wenn die Teilstrecke bis Aarau gefallen hat, kann sicher auch
einmal der Teil Aare aufwärts in Angriff genommen werden. Allen an der Gestaltung Beteiligten ein herzlicher Dank und ein Lob für
die gute Idee.
Ein Geschenk an die Bevölkerung,
welches genutzt werden sollte
Faltblätter mit der Routenbeschreibung
können gratis bezogen werden bei:
Gemeindeverwaltung Schönenwerd
Amt für Wald, Jagd und Fischerei,
4509 Solothurn (www.wald.so.ch)
Die Gestalter dieser Waldwanderung, welche
von vielen Sponsoren unterstützt worden ist,
hatten ein Gespür dafür, wie man in kurzer
Form dem Wanderer Spezialwissen weitergeben kann. Alle vier bereits begehbaren und
ausgeschilderten Wanderungen sind interessant, kurzweilig, weil man immer wieder neugierig ist auf den nächsten Posten, und lehr-
Text und Bilder: Arno Oppliger
63
Geburtstage Januar bis Juni 2011
JANUAR
24. Bopp Rolf
30. Nünlist Franz
31. Rimai-Biro Agnes
Kreuzackerstrasse 24
Stiftshaldenstrasse 15
Kreuzackerstrasse 18
80 Jahre
80 Jahre
80 Jahre
Bündtenstrasse 8
Oltnerstrasse 63
90 Jahre
95 Jahre
Stauwehrstrasse 45
Bäckerstrasse 12
Weidengasse 42
Tiergartenstrasse 6
Kreuzackerstrasse 24
Entfelderstrasse 1
Kreuzackerstrasse 24
Holzstrasse 1
90 Jahre
80 Jahre
80 Jahre
90 Jahre
99 Jahre
96 Jahre
98 Jahre
90 Jahre
Aarefeldstrasse 18
Kreuzackerstrasse 18
Zelgliweg 6
Belchenstrasse 1A
Burgstrasse 16
Stiftshaldenstrasse 25
80 Jahre
85 Jahre
85 Jahre
85 Jahre
90 Jahre
90 Jahre
Kreuzackerstrasse 18
Stiftshaldenstrasse 38
Sälistrasse 16
Himmelrychweg 2
Höhefeldstrasse 2
Feldstrasse 6
Kreuzackerstrasse 18
85 Jahre
80 Jahre
80 Jahre
90 Jahre
80 Jahre
80 Jahre
95 Jahre
FEBRUAR
19. Werder-Richle Maria Rosa
26. Gratwohl-Wyser Gertrud
MÄRZ
04.
09.
18.
18.
18.
19.
26.
28.
Gubler-Holenweger Anna Maria
Nançoz-Müller Janine
Trachsel Walter
Moll-Studer Gertrud
Hoch-Hofer Hedwig
Kleitner Anna
Haltinner-Zimmermann Amalie
Bolliger-Wernli Erika
APRIL
05.
06.
09.
11.
20.
22.
Keyisoglu Kimya
Frey-Thomann Marguerite
Stauber Peter
Hirsbrunner Günther
Heim Elisabeth
Hofmann Edwin
MAI
01.
06.
07.
16.
28.
29.
29.
Rimai Janos
Hermann-Spörli Margrit
Bieber Friedrich
Haldimann-Stadler Elisabeth
Schenker-Tschumi Marie
Schweizer Wilhelm
Blatter Johannes
64
JUNI
05.
13.
18.
27.
Plüss-Meister Elisabeth
Roth-Schmid Hulda
Meier-Siegrist Irene
Gerber-Luginbühl Elsa
Kreuzackerstrasse 18
Kreuzackerstrasse 24
Kreuzackerstrasse 18
Tiergartenstrasse 24
90 Jahre
95 Jahre
85 Jahre
85 Jahre
Ehejubiläen Januar bis Juni 2011
GOLDENE HOCHZEIT
21.03.
Fiechter-Bryner Fritz und Gertrud
Haldenbachstrasse 14
24.03.
Deutschmann-Spillmann Werner und Irma
Jurastrasse 2
30.03.
Meyer-Schilling Anton und Annemarie
Weidengasse 24
14.04.
Baumgartner-Willa Walter und Therese
Grenzweg 1
14.04.
Trianni-Haus Aldo und Susanna
Neumattweg 2
20.04.
Sandmeier-Wirz Willy und Irma
Tiergartenstrasse 1
19.05.
Eggnauer-Märki Max und Margrith
Lochmattstrasse 5
03.06.
Loosen-Basler Wilhelm und Ruth
Villenstrasse 1
09.06.
Neuenschwander-Dürrenberger
René und Verena
Riedbrunnenstrasse 33
DIAMANTENE HOCHZEIT
13.01.
Koch-Bertschi Hans und Frieda
Weiermattstrasse 11
65
Veranstaltungskalender 2011/ 2012
2011
Januar
22.01.2011
Club-Casino: Opera Viva, Casino
23.01.2011
Abendmusik Stiftskirche Schönenwerd: Abendmusik, Stiftskirche
29.01.2011
Musikgesellschaft Schönenwerd: Jahreskonzert, Casino
Februar
19.02.2011
Theatergruppe «Goldni Ähri» Schönenwerd:
Theateraufführung, Casino
20.02.2011
Abendmusik Stiftskirche Schönenwerd: Abendmusik, Stiftskirche
25.02.2011
Theatergruppe «Goldni Ähri» Schönenwerd:
Theateraufführung, Casino
26.02.2011
Theatergruppe «Goldni Ähri» Schönenwerd:
Theateraufführung, Casino
März
02.03.2011
Seniorennachmittag: Haus im Park, Schönenwerd
20.03.2011
Abendmusik Stiftskirche Schönenwerd: Abendmusik, Stiftskirche
26.03.2011
Sing2gether: Jahreskonzert, Casino
April
16.04.2011
Synchronschwimmverein:
Showschwimmen, Hallenbad Schönenwerd
30.04.2011
Zündholzsammler-Club: GV/Tauschtreffen, Museum Schönenwerd
Mai
27.–29.05.2011 Musikgesellschaft Schönenwerd:
Regionaler Musiktag, Schulanlage Säli
66
Juni
02.06.2011
Schülerturnier: Sportplatz
13.06.2011
Juniorenturnier: Sportplatz
Juli
03.–08.07.2011 Kulturwoche: auf dem Bühl
August
26.–28.08.2011 Pontonierfahrverein: Aarefest mit Schlauchbootrennen, Vereinsdepot
26.–27.08.2011 Bühlkino: auf dem Bühl
September
03.09.2011
Pontonierfahrverein: Aarefest mit Schlauchbootrennen, Vereinsdepot
17.09.2011
Zündholzsammler-Club: Tauschtreffen, Museum Schönenwerd
November
02.11.2011
Seniorennachmittag: Haus im Park, Schönenwerd
04.11.2011
Stützpunktfeuerwehr Schönenwerd: Hauptübung
Dezember
10./11.12.2011 Ballettaufführung: ref. Kirchgemeindehaus Schönenwerd
2012
März
07.03.2012
Seniorennachmittag: Haus im Park, Schönenwerd
November
03.11.2012
Stützpunktfeuerwehr Schönenwerd: Hauptübung, Casino Saal
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Chronewirt
Auch schon da gewesen ...
ist eine Feststellung, die wir alle immer wieder
machen. Zum Beispiel gegen das Jahresende, wenn überall Bilanz gezogen oder Rückschau gehalten wird. Diese Tätigkeit ist oft mit
der Einsicht verbunden, dass eben alles auch
schon mal da gewesen ist. So werden «zum
Glück» schlechte Zeiten durch gute Zeiten abgelöst, missglückte Phasen durch erfolgreiche
ersetzt. Auch in der Natur respektive im Jahresgang kennen wir solche Vorgänge.
Frühling und Sommer werden durch den
Herbst und Winter abgelöst oder Sonnentage
und Regentage wechseln sich ab. Muss das
einfach so sein? Die durch die Natur bestimmten Zyklen sollten wir so hinnehmen,
wie sie auftreten. Das Bestreben, alle natürlichen Abläufe im Griff zu haben, scheint mir
unrealistisch. Hingegen sollten wir uns mit
den Zyklen intensiv auseinandersetzen, wo
wir als Betroffene die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen. Ich bin überzeugt, hier liegt
eine grosse Verantwortung bei uns allen. Die
Möglichkeit, Einfluss zu nehmen bedeutet,
sich bereits in einer positiven Phase damit zu
befassen, welche Strategie für eine unglückliche Phase gewählt werden soll und welche
Massnahmen notwendig sind, um den negativen Effekt möglichst schadlos zu bewältigen.
Obschon, so glaube ich, diese grosse Verantwortung für uns alle als eine Selbstverständlichkeit erscheint, entziehen sich immer
wieder einzelne Personen oder ganze Branchen dieser Verantwortung und setzen dafür
auf das unkontrollierbare Prinzip «Hoffnung».
Eben – auch schon da gewesen! Auch schon
da gewesen, kann aber auch bedeuten, wieder einmal genau an dem Punkt angelangt zu
sein, wo erneut die Möglichkeit besteht oder
es die Verantwortung verlangt, eine Weichenstellung vorzunehmen.
Liebe Leserin, lieber Leser, so wie Sie es sicher
aus eigener Erfahrung kennen, sind oft auch
politische Geschäfte von diesem Umstand geprägt. Dann nämlich, wenn durch eine neue
Ausgangslage oder ein verändertes Umfeld
sich eine Neubeurteilung aufdrängt. Genau
dann haben wir als Einwohner und speziell als
Stimmbürger oder Behördenmitglieder einer
Gemeinde die Pflicht und Verantwortung, uns
dieser Sache anzunehmen und die richtige
Weichenstellung vorzunehmen. Auch hier ist
das Prinzip «Hoffnung» der falsche Weg!
Stellen wir diese Form von «Auch schon da
gewesen» fest, stehen wir alle in der Verantwortung, die damit verbundene Weichenstellung als Chance wahrzunehmen.
Mit dem Erscheinen der zweiten Ausgabe der
Chrone-Zitig in diesem Jahr steht auch die besinnliche und festliche Jahreszeit vor der Tür.
Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen
für diese Zeit frohe und unbeschwerte Stunden
im Kreise Ihrer Familien und Angehörigen.
Peter Hodel, Gemeindepräsident
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