74-77 Workshop Klinge

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74-77 Workshop Klinge
WORKSHOP KLINGE ÄTZEN UND SCHÄRFEN
DER LETZTE
SCHLIFF
In der letzten Ausgabe haben wir aus einem Stück
Damaststahl eine Klinge für ein Steckangelmesser
gefeilt. Jetzt wird die Klinge geätzt und fertig
gemacht.
Text & Fotos: Hans J. Wieland • Fachliche Unterstützung: Heinrich Schmidbauer
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MESSER MAGAZIN
WORKSHOP KLINGE ÄTZEN UND SCHÄRFEN
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Die letzte Workshop-Folge
endete damit, dass wir die fertig
gefeilte und geschliffene Klinge
zum Härten geschickt haben.
Wenn man das Härten selber
übernehmen will, braucht man
(vor allem bei modernen rostfreien Stahlsorten) einen exakt
regelbaren Härteofen – eine Anschaffung, die sich nur bei häufigem Gebrauch lohnt. Einfacher und sicherer ist es, die
Klinge einer professionellen
Härterei zu überlassen, die eine
fachgerechte Wärmebehandlung
durchführt. Materialhändler wie
Stefan Steigerwald bieten ebenfalls einen entsprechenden Service an und lassen Klingen im
Kundenauftrag härten. Auch
unsere Klinge aus rostfreiem
Damasteel-Damast (wird auf 59
Grad Rockwell C gehärtet) haben wir zu Stefan Steigerwald
geschickt.
Wenn die Klinge vom Härten zurückkommt, empfiehlt es
sich, zunächst einmal zu prüfen,
ob ein so genannter Härteverzug
aufgetreten ist. Es kann passieren, dass sich eine Klinge durch
die Wärmebehandlung verzieht.
Bei Damasteel ist das zum
Glück sehr selten der Fall, und
auch unsere Klinge kam gerade
wie eine Eins zurück. Schiefe
Klingen müssen vor der weiteren Bearbeitung vorsichtig gerade gerichtet werden.
Um das schöne Wellenmuster unseres Damaststahls (der in
Schweden pulvermetallurgisch
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Ausgangspunkt: So kommt unsere Damasteel-Klinge
aus der Härterei. Vom Damastmuster sieht man noch
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Ätzlösung: Wir erhitzen 37-prozentige Schwefelsäure
in einem Edelstahltopf auf dem Campingkocher (wie
man auf dem Foto sieht, war es gerade Winter).
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Heißes Bad: Die Klinge wird per Zange vorsichtig in die Säure gelegt,
ohne Spritzer zu erzeugen. Die Säure soll leicht dampfen, darf aber
nicht kochen. Wenn Sie schäumt, muss die Hitze reduziert werden.
erzeugt wird) sichtbar zu machen, muss die Klinge geätzt
werden. Dabei wird sie einer
Säure ausgesetzt, die die weicheren Anteile des Stahls stärker
angreift als die härteren. So
wird das Muster an der Oberfläche herausgearbeitet.
Wir verwenden eine 37-prozentige Schwefelsäure. Wir geben etwa 0,25 bis 0,5 Liter der
Säure in einen Edelstahltopf und
erhitzen ihn auf einem Campingkocher. Die Menge ist abhängig von der Topfgröße. Der
Topf sollte etwa zu einem Drittel gefüllt sein. Die Säure ist
mehrfach verwendbar und kann
nach der Anwendung wieder in
die Flasche zurückgefüllt werden (mit Trichter und Gummihandschuhen!).
Achtung: Das Ätzen muss
unbedingt im Freien durchge-
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Klarspülen: Nach dem gründlichen Abspülen in klarem Wasser ist das Ätzmuster schön zu erkennen. Je länger
die Klinge in der Säure bleibt, desto tiefer wird die Ätzung. Wer den richtigen Zeitpunkt übersieht, riskiert,
dass die Klinge an den Rändern „ausfranst“ und die Oberfläche beschädigt wird.
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Kontrolle: Die Klinge wird mehrfach aus dem Topf genommen
und der aktuelle Stand geprüft.
führt werden, weil die Säure
wirklich „ätzende“ Dämpfe produziert, die man auf keinen Fall
einatmen sollte! Auch in gut
gelüfteten Räumen drohen gesundheitliche Gefahren!
Die optimale Temperatur der
Säure liegt bei rund 60 Grad.
Sie sollte leicht dampfen, aber
auf keinen Fall kochen. Wenn
die Säure die richtige Temperatur hat, legen Sie vorsichtig die
Klinge hinein. Dabei sollte man
sehr umsichtig vorgehen, um
keine Spritzer zu produzieren.
Da man direkten Hautkontakt zu
Säure vermeiden sollte, empfiehlt es sich, eine Zange zu verwenden.
Die Klinge muss je nach gewünschter Ätztiefe etwa 10 bis
20 Minuten in der Säure verbleiben. Die Zeit ist auch abhängig
vom Zustand und der Temperatur der Säure. Zwischendurch
nimmt man die Klinge immer
wieder heraus und kontrolliert
den Stand. Wenn man sie zu lanMESSER MAGAZIN
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Grau ind Grau: Vor dem
Schleifen ist die Oberfläche
gleichmäßig grau gefärbt, erst durch das
Finish entsteht der
schöne Kontrast.
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Finish: Die obere (harte) Schicht wird mit Schleifpapier und einer Schleifhilfe blank geschliffen.
Verletzungen: Wer per Hand ohne Hilfe schleift, riskiert es, mit
der Klingenspitze durch das
Schleifpapier direkt in den Finger zu stoßen.
Durch den Schliff wird der
obere, härtere Teil der Klingenstruktur, der beim Ätzen weniger stark angegriffen wurde, ge-
Quer: Auch die Angel und das Ricasso werden poliert,
ohne die Kante am Übergang abzutragen.
glättet und poliert. Die tiefer liegenden, weicheren Schichten
behalten dagegen ihren dunkleren Farbton. So wird das Damastmuster optisch herausgearbeitet. Wenn man nur eine geringe Ätztiefe erzeugt hat, sollte
man beim Schleifen aufpassen,
dass man nicht zu viel Material
abträgt – sonst ist das schöne
Muster gleich wieder dahin.
Nun fehlt an unserer Klinge
nur noch eines: die Schärfe. Wir
haben an der „Wate“, der späteren Schneide, eine Stärke von
0,5 Millimetern stehen lassen.
Nun rücken wir dem Material
mit der Diamantfeile zu Leibe.
ge im Säurebad lässt, wird der
Stahl zu stark angegriffen und
beginnt, an den Rändern „auszufransen“, vor allem im Bereich
der Schneide, wo das Material
nur eine Stärke von 0,5 bis 1,0
Millimetern aufweist.
Wie stark man die Klinge
ätzt, ist nicht zuletzt eine Frage
des persönlichen Geschmacks.
Wenn die gewünschte Ätztiefe
erreicht ist, wird die Klinge im
Wasserbad gründlich abgespült
und anschließend abgetrocknet.
Sie zeigt jetzt einen gleichmäßigen Grauton, in dem die Struktur des Stahls deutlich zu erkennen ist.
Nun folgt der Schliff: Mit
einem Schleifpapier der Körnung 800 bis 1200 wird die
Oberfläche der Klinge abgeschliffen. Wir verwenden als
Schleifhilfe ein Vierkantholz,
über das ein Streifen Schleifpapier gespannt wird. Das sorgt einerseits für eine gerade Auflagefläche, andererseits verhindert es
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Kleiner Trick: Zum Bearbeiten des Rückens wird die
Klinge so eingespannt, dass die Spitze gerade zwischen den Backen verschwindet.
Starke Optik: Wir haben die Klinge für die Fotos besonders kräftig geätzt. So entsteht auch am Klingenrücken ein ausgeprägtes, reliefartiges Muster.
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Fertig für den letzten Schliff: Nachdem das schöne Ätzmuster deutlich herausgearbeitet
wurde, wickeln wir Klebeband um die Angel, um einen besseren Griff zu haben.
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Frei Hand: Per Diamantfeile wird die Schneide abwechselnd auf beiden Seiten gleichmäßig geschärft.
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Tipp: Man kann einfach die Klinge umdrehen, da die
Feile in beiden Richtungen arbeitet.
Feine Schärfe: Um die Schneide zu glätten, wird sie
mit einem feinen Naturstein abgezogen.
Vorher wickeln wir einige Lagen Klebeband um den Griff,
um einen besseren Halt zu haben. Mit ein wenig Übung kann
man das Schärfen mit der Diamantfeile aus der freien Hand
vornehmen. Man setzt die Feile
in einem Winkel zwischen 15
und 30 Grad an und zieht sie
gleichmäßig über die Kante. Abwechselnd werden so beide Seiten bis auf 0,0 mm geschliffen,
man wechselt jeweils auf die andere Seite, wenn dort ein Grat
fühlbar ist.
Der Winkel hängt von der
späteren Verwendung des Messers und vom Können des Be-
nutzers ab: Je flacher der Winkel, desto schärfer die Schneide.
Allerdings wird sie mit kleiner
werdendem Winkel auch immer
empfindlicher. Wer auf Nummer
sicher gehen will, wählt den
Winkel etwas größer, wer auf
Schärfe setzt, macht ihn kleiner.
Welchen Winkel man auch
MATERIAL- UND
WERKZEUGLISTE:
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Abschließende Politur: Das Nachpolieren auf der Schwabbelscheibe
bringt eine noch feinere Oberfläche auf die Schneidkante und sorgt für
maximale Schärfe und Schneideigenschaften.
Edelstahltopf, Campingkocher,
0,25-0,5 l Schwefelsäure 37 %,
Zange, kleine Wanne für
Wasserbad, Schleifpapier
Körnung 800-1200,
Schleifhilfe (Holzleiste etc.),
Klebeband, Diamantfeile,
Wetzstein fein, Ständerbohrmaschine (alternativ Handbohrmaschine im Halter),
Schwabbelscheibe
wählt, immer gilt: Wichtig ist,
dass er möglichst konstant eingehalten wird. Wer hier unsicher
ist, kann auf Schleifgeräte
zurückgreifen, die den Winkel
fest vorgeben, aber mehr Spaß
macht es aus der freien Hand.
Anschließend wird die
Schneide mit einem feinen Naturstein abgezogen. Er glättet
die Schneide und sorgt für eine
feine Schärfe. Die abschließende Politur auf der Schwabbelscheibe macht die Sache perfekt. Aber Achtung: Das Abziehen der Schneide an der
Schwabbelscheibe (wir haben
dazu eine Handbohrmaschine in
einen Halter gespannt) ist potenziell gefährlich! So lange die
Drehrichtung der Scheibe von
der Schneide weg zeigt, besteht
keine Gefahr, doch wenn man
nicht aufpasst und die Scheibe
gegen die Schneide läuft, besteht das große Risiko, dass sich
die Schneide „fängt“ und unkontrollierbar mitgerissen wird.
Nun ist unsere Klinge fertig
geschliffen, gehärtet, geätzt, gefinisht und geschärft. Jetzt kann
der Griff montiert werden. Wie
das geht, haben wir Ihnen bereits in der Ausgabe 5/2006 gezeigt. Dann fehlt nur noch eine
Scheide. Dazu mehr im nächsten Heft.
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FERTIG
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Vorsicht: Die Schwabbelscheibe darf nie gegen die Schneide laufen, weil
sie sich sonst verfängt und schlimme Verletzungen verursachen kann!
Unser fertiges Werk: Die Steckangel-Klinge ist geschliffen, gehärtet,
geätzt, gefinisht und geschärft.
Jetzt kann ein Griff montiert werden, und das Messer ist komplett.
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