STADT GRAZ

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STADT GRAZ
STADT GRAZ
Alt-Gösting
KG Gösting
Parz. 22/2; 122/1
Abb. 42
Lage/Beschreibung
Die Ruine Alt-Gösting1, eine der ältesten und bedeutendsten Burgen der Steiermark, liegt im N von Graz, auf
einem vom Raacher Kogel gegen O streichenden, das
hier enge Tal der Mur zu einer markanten Richtungsänderung zwingenden Rücken. Dieser ist in sich mehrfach
unterteilt; an seinem O-Ende erhebt er sich nochmals zu
einer Rückfallkuppe, die heute die sogenannte Cholerakapelle trägt. Die künstlich zugerichtete Kuppe bildete als
Turmhügel ehemals den Kern einer weiteren, urkundlich
nicht fassbaren mehrteiligen Burganlage.2 Die Ruine AltGösting liegt westlich davon, auf einem schmalen, W-O
orientierten Sporn, der gegen N und S steil abfällt. Im W
und O sicherten Halsgräben die in mehreren Entwicklungsschritten entstandene Anlage. Seit 1925 kümmert
sich der älteste Burgenverein der Steiermark um die
Erhaltung der Ruine.3
Die ältesten erhaltenen Teile der Burg reichen bis in
das 12. Jahrhundert zurück. Bereits damals besaß die
Burg eine gewaltige Ausdehnung. Im O bildete der vier­
eckige Bergfried den Abschluss. Sein Sockelgeschoß
beherbergt Lichtschlitze sowie Reste von Portalgewänden
und zeigt streng lagerhaftes, kleinteiliges Quadermauerwerk. Ebenfalls noch aus dem 12. Jahrhundert stammen
Teile der inneren Ringmauer, an welche im N der alte
Palas gestellt wurde.
Östlich neben dem Burgtor haben sich Teile des
Originalbestandes erhalten, die dasselbe kleinteilige Quadermauerwerk aufweisen. Vom Originalbestand des nördlich an die innere Ringmauer gestellten ersten Palas sind
an der N-Seite zum Hof noch Reste in der Sockelzone
vorhanden. Im W reichte die Burg damals bereits bis zum
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erhaltenen Fünfeckturm, dessen Untergeschoß ebenfalls
das auf das 12. Jahrhundert verweisende Quadermauerwerk zeigt.
Einen ersten Ausbau erfuhr die Burg im 13. Jahrhundert, als der Bergfried bis zur heutigen Höhe aufgestockt
wurde. Oberhalb der Sockelzone ist lagerhaftes Bruchsteinmauerwerk mit Werksteinecken zu sehen. Die 1874
eingestürzte S-Ecke wurde im 20. Jahrhundert neu aufgemauert. Im W haben sich zwei vermauerte Pforten mit
Werksteingewänden erhalten, deren obere (2. Obergeschoß) romanische Formen zeigt; hier lag wohl im
13. Jahrhundert der Zugang zum Turm. Bei der unteren
fehlt der obere Abschluss. Vielleicht lag hier der Einstieg
des 12. Jahrhunderts.
Aus dem 13. Jahrhundert stammt auch der bautechnisch interessanteste Teil der Burg, die dem Bergfried im
O vorgelagerte, doppelgeschoßige Kapelle mit zwei übereinanderliegenden Rundapsiden. Sie zeigt lagerhaftes,
regelmäßiges Bruchsteinmauerwerk; an der S-Wand
haben sich romanische Trichterfenster erhalten. In dieser
Zeit dürfte im N des Burghofes der neue Palas errichtet
worden sein. Von ihm stehen nur mehr die S-Mauer und
Teile der Zwischenwände. Der an der Abbruchkante des
Steilabfalls errichtete N-Teil ist in die Tiefe gestürzt. In der
Erdgeschoßzone hat sich der Originalbestand erhalten.
Der Ausbau der oberen Geschoße dürfte im 14. Jahrhundert erfolgt sein.
Bergfried, alter und neuer Palas schließen einen
geräumigen Burghof ein, in dem die Zisterne liegt. Das Tor
befindet sich im SW der inneren Ringmauer und wurde
1931 neu aufgebaut. Südlich der inneren Ringmauer ist
der Burg ein weiterer Wehrmauerzug4 vorgelagert. Im
O-Abschnitt sind die Zinnen des 13. Jahrhunderts erhalten. Im 15. Jahrhundert erfuhr vor allem der W-Teil der
Burg einen gründlichen Ausbau. So wurde die W-Spitze
der inneren Ringmauer in den Fünfeckturm integriert.
Gegen O, zum inneren Burghof hin, wurde der Komplex
durch eine mächtige Schildmauer abgeriegelt, die durch
zwei Tore im N beziehungsweise S durchbrochen war. Im
W schließt ein recheckiger Baukörper an, das sogenannte
Knappenhaus (wohl aus dem 15. Jahrhundert), welches
wahrscheinlich auf einen Baukörper des 13. Jahrhunderts
zurückgeht. Die Mauerwerkstruktur dieser Bauphase zeigt
Bruchsteine ungleicher Größe in kaum lagerhafter Schichtung. Die Rechteckfenster des Knappenhauses liegen in
tiefen Flachbogennischen. Im 16. Jahrhundert erfolgten
letzte Aus- und Umbauten. So bekam der Hauptpalas die
großen Fenster, vielerorts wurde die Ringmauer mit
Schießfenstern und Maulscharten für Hakenbüchsen
modernisiert.
In den 1920er-Jahren begann der Burgverein Gösting
mit Erhaltungsmaßnahmen. Alt-Gösting bietet trotz aller
– auch durch rezente Ergänzungen hervorgerufenen –
empfindlichen Einbußen an originaler Bausubstanz immer
noch ein hervorragendes Beispiel des hochmittelalterlichen Burgenbaues in der Steiermark. (Oktober 2007)
Geschichte
Wahrscheinlich wurde die Burg Gösting von dem
Hochfreien Swigger aus dem Haus der Aribonen, der sich
1138 Swiker von Gösting nannte, erbaut. Bereits 1147
erscheint er unter den Ministerialen des Landesfürsten,
war also in den Ministerialenstand übergetreten. Die ältes­
ten überkommenen Reste der Burg dürften aus dieser
Zeitepoche stammen. Die Burg tritt im 13. Jahrhundert
urkundlich als „castrum Gestnich“ auf und wurde, nach
dem Aussterben dieses Zweiges der Göstinger, von Burggrafen des Landesfürsten bewohnt, die sich ebenfalls
nach der Burg nannten. 1409 erfolgte die Verstärkung der
Burg. 1723 wurde die Burg durch Blitzschlag teilweise
eingeäschert und zur Ruine.5
Archäologie
Grabungen in den 1920er-Jahren (Burgverein).
Keramische Altfunde des 11. bis 17. Jahrhunderts aus den
Restaurierungs- und Wiederaufbauarbeiten des Burgvereins wurden jüngst bearbeitet (J. Kraschitzer; unpubliziert).6
Literatur
Absenger 2000; Baravalle 1961, 9 ff.; Baravalle und
Knapp 1936/43, Bd. 1, 344 ff.; Bouvier 19997; De Oppido
1960; Dehio 1979, 234 f.8; Ebner 1981, 59 f.; Fuchs 1994,
61 ff.; Gösting 1999, 1949; Gradt 1871; Gutjahr 2006,
Anm. 310; Kopacka und Mocnik 2000, 35 ff.; Piper 1909,
61 ff.; Puschnig 197110; Roth 1970, 69; Szakmary und
Stiger 2006; Vischer 1681, Abb. 113.
Abb. 43: Alt-Gösting. Kapelle mit Bergfried.
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1 Das neue Schloss, einer der reizvollsten Barockbauten der
Steiermark, liegt intakt zu Füßen der Burg. Es wurde von 1724
bis 1728 als Ersatz für die 1723 ausgebrannte Burg errichtet.
2 Möglicherweise haben Dienstmannen der Göstinger die
Turmhügelburg bereits im 12. Jh. als Holz-Erde-Anlage errichtet.
Durch viele Beispiele im steirischen Burgenbau ist belegt, dass
um die Hauptburg eines bedeutenden Geschlechtes dessen
Ministerialen ihre Sitze erbauten. Zur Turmhügelburg Gösting
siehe u. a. Artner und Hampel 1999a, bes. 11. Ein mittels Handaufmass erstellter Plan samt kurzer Beschreibung der Anlage
findet sich in Murgg und Hebert 2007, 181 ff.
3 Obwohl die jahrzehntelangen Anstrengungen des Vereins
um die Erhaltung der Burg ihre Würdigung verdienen, muss auch
in diesem Fall auf die Verfälschung des originalen Erscheinungsbildes durch unsachgemäße Restaurierungsarbeiten hingewiesen werden.
4 Dieser Burgteil fehlt auf dem Plan Abb. 45.
5 Baravalle 1961, 9 ff. – Ebner 1981, 59 f.
6 Zur Archäologie siehe v. a. Roth 1970, 69; Gutjahr 2006,
Anm. 310.
7 Im Anhang ein „Bauforschung Burgruine Gösting. Ergebnisse der Erforschung der historischen Bauphasen“ übertitelter
Bericht, der eine bündige Zusammenfassung einer zu Ende des
20. Jhs. an der Ruine durchgeführten Baualterforschung bietet.
8 In der Chronologie der Bauphasen großteils durch die
Ende des 20. Jhs. durchgeführte Baualteruntersuchung korrigiert.
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Die hier publizierten Angaben zur Erbauungszeit lassen
sich nicht aufrecht erhalten.
10 Umfangreiche Literaturliste zur Burg Gösting.
Abb. 44: Alt-Gösting. Doppelgeschoßige Kapelle des 13. Jahrhunderts.
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Abb. 45: Alt-Gösting. Kernzone.
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