Vicco von Bülow - Bayerische Akademie der Schönen Künste

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Vicco von Bülow - Bayerische Akademie der Schönen Künste
Nachruf auf Vicco von Bülow - Loriot
geboren am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel
gestorben am 22. August 2011 in Ammerland am Starnberger See
Autor, Zeichner, Karikaturist, Humorist, Fernseh-, Film- und Opernregisseur, Schauspieler,
Preisträger aller Preise und Ehrungen, die man in seinem Fach nur erhalten kann.
Vicco von Bülow, den meisten besser bekannt unter seinem Künstlernamen ›Loriot‹, war seit
1993 Mitglied der Abteilung Darstellende Kunst.
Fast jeder kennt die berühmten Knollenmännchen des gelernten Werbegrafikers und
Werbetexters, fast jeder kennt seine pointierte Vorführung der Tücken des Alltags, des ganz
normalen Wahnsinns bundesdeutschen Familienlebens in Buch, Film und Fernsehen.
Sei es eine eheliche Debatte über ein Frühstücksei, sei es der Versuch der Herren
Müller-Lüdenscheidt und Doktor Klöbner, sich mit einer Quietschente eine Badewanne zu
teilen, sei es eine im Gesicht klebende Nudel während eines romantischen Abendessens
oder die folgenschwere Entscheidung eines Vertreters, in einem fremden Zimmer ein Bild
gerade rücken zu wollen und dabei den Raum in ein Schlachtfeld zu verwandeln.
Vicco von Bülows Figuren in seinen gezeichneten oder verfilmten Minidramen, seine
bei aller Erbarmungslosigkeit dennoch von Menschenliebe geprägte Darstellung seiner und
unser aller selbst sind Teil des kollektiven Gedächtnisses dieses Landes. Vom Kosakenzipfel
bis zum Jodeldiplom, von Weihnachten mit Opa Hoppenstedt »Früher war mehr Lametta«
bis zum Aufeinandertreffen von Mutti mit dem Staubsaugervertreter »Es saugt und bläst der
Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann« , vom Lottogewinner, der mit seiner
Tochter, seinem Papagei und dem Papst eine Boutique in Wuppertal eröffnen möchte.
Für den Zuschauer kaum zu erahnen: wieviel Arbeit, Handwerk, Präzision, und
Disziplin dahinterstecken. Sie sind die Basis für das, was man als Selbstverständlichkeit,
Leichtigkeit und Ungekünsteltheit beim Zusehen empfindet. So verwundert es nicht, daß
seine Filmpartnerin Evelyn Hamann bei Dreharbeiten 34 Mal in einen Hundehaufen treten
mußte, bis der Regisseur Vicco von Bülow zufrieden war.
In der Begründung zu Vicco von Bülows Aufnahme in die Akademie hieß es seinerzeit:
Loriot ist kein Moralist; es scheint ihm einfach Spaß zu machen, die Eitelkeiten und
Prätentionen seiner Figuren in Kollision mit ihrer Lebensrealität zu bringen. Ihre häufig
gewählt-umständliche Diktion schützt keine von ihnen vor dem Absturz ins Banale – im
Gegenteil: Sprache und Haltung markieren erst die Höhe, aus der »Loriot« sie dann
genüßlich, aber ohne Häme fallen läßt. [...]. Die künstlerische Voraussetzung dafür, daß
»Loriots« Witz zündet, ist zunächst einmal ganz handwerkliche Präzision. Er ist berühmt
für seinen Perfektionismus; nur dadurch erreicht er in seinen Arbeiten diese
Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit, den Eindruck des Ungekünstelten, die immer
untrügliche Zeichen für eine Kunstanstrengung sind, nur dadurch bewegen sich seine
Situationen und Dialoge mit schöner Regelmäßigkeit ›aufs Schlimmste zu‹ – auf die
Entlarvung des falschen Scheins.
Dieter Dorn