Prof-1. Dr. Briken.pptx
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Was sagen objektive Messverfahren über Sexualstraftäter Peer Briken Hamburg Fragestellungen ! Warum nimmt die Forschung im Bereich objektiver Messverfahren und deren Anwendung zu? ! Was sagen objektive Messverfahren über Sexualstraftäter? Warum werden so genannte objektive Messverfahren angewendet? ! Objektive Messverfahren werden bei Sexualstraftätern angewendet, wenn die sexuelle Präferenz unklar ist, der sexuellen Präferenz aber ein Risiko für die Begehung (erneuter) Sexualstraftaten zugesprochen wird Welche Verfahren werden verwendet? ! Physiologische Messverfahren ! Indirekte Messverfahren ! Viewing time ! Blickregistrierung ! funktionelle Magnetresonanztomographie Penisplethysmographie = Phallometrie ! Messung der sexuellen Erregung anhand des Penisumfangs (Quecksilber oder Indium-Gallium gefüllter Gummi-Ring) oder –volumens (Druckmessung in Glaszylinder) ! visuelle oder auditive sexuelle Stimuli Penisplethysmographie = Phallometrie Test-Retest-Reliabilität: 0.53-0.88 (Launay 1994); 0.29-0.53 (Kalmus & Beech 2005) Sensitivität / Spezifität: Täter mit (sex.) Kindesmissbrauch: bei 98% Spezifität → 50% Sensitivität (Seto 2001) Penisplethysmographie = Phallometrie ! Sensitivität geringer bei Missbrauchstätern, die pädosexuelles Interesse leugnen (61%), im Vgl. zu Missbrauchstätern, die pädosexuelles Interesse einräumen (92%) (Seto 2008) ! Bsp. für Problematik der Spezifität: In einem Vergleich von Kindesmissbrauchern mit gesunden Kontrollprobanden zeigen 28% der Kontrollgruppe einen Pädophilie-Index von ≥ 1 (Firestone et al. 2000) Penisplethysmographie = Phallometrie Prädiktive Validität (bzgl. neues Sexualdelikt): ! Phallometrisch gemessene sexuelle Präferenz für Kinder als bester einzelner Prädiktor (r=0.32) für neues Sexualdelikt in MetaAnalyse (Hanson & Bussière 1998) ! Aber: Wiederholungsmessungen korrelieren nicht mit Rückfälligkeit → Gewöhnungs- oder Manipulationseffekt? (O’Donohue und Letourneau 1992, Launay 1999) NRP Picture - Set MALES FEMALES Tanner 1 Tanner 2 Tanner 3 Tanner 4 Tanner 5 Visuelle Reaktionszeit (visuelle Fixationszeit) ! Zeitdauer der visuellen Fixation eines sexuellen Stimulus bzw. bis zur Bewertung eines sexuellen Stimulus: → Längere Fixations- bzw. Reaktionszeit bei präferiertem Stimulus ! Abel Assessment for Sexual Interest (AASI, keine Nacktbilder, Abel et al. 2001) ! Spezifität bei Unterscheidung zwischen Kindesmissbrauchern (gemischt) und Nicht-Straftätern: 73%-86% (Abel et al. 2001) Blickregistrierung Neuer Ansatz: Indirekte Erfassung der sexuellen Präferenz anhand des Blickverhaltens beim Betrachten störungsrelevanter sexueller Stimuli Methodik: Blickregistrierung (= Messung der Augenbewegungen) = Fixation (Durchmesser → Dauer; Nummerierung → Reihenfolge) fMRI Ponseti et al. 2011 Welche Kriterien müssten objektive Messverfahren erfüllen? ! hohe Test-Retest-Reliabilität ! Kriteriumsvalidität ! prädiktive Validität ! Testverfahren selbst ausreichend standardisiert ! nicht willentlich vorgetäuscht oder beeinflusst Anstieg in der Verwendung der Methoden in Nordamerika Funktionelles MRT in Deutschland ! „Die Psychiater Harald Dreßing und Dieter Braus vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim [...] haben - erstmals weltweit - das Gehirn eines homosexuellen Kinderschänders durchleuchtet. Sie zeigten ihm das Foto eines Jungen in Unterwäsche und verfolgten unterdessen, was in seinem Hirn geschah. Zwar gab der Mann an, das Foto interessiere ihn nicht - die Ärzte jedoch vermuten das Gegenteil. Bestimmte Areale im Hirnstamm und im Frontalhirn seien ganz ungewöhnlich aktiv gewesen - und die spielen für Aufmerksamkeit und Erregung eine wichtige Rolle. "Eine krankhafte Pädophilie ist letztlich eine im Gehirn verankerte Fehlfunktion", argumentiert Hirnforscher Braus. Der Anblick des Jungenfotos setze "eine Maschinerie im Gehirn in Gang", die auf dem Monitor des Kernspintomografen sichtbar werde. Ob die Unterschiede allerdings wirklich typisch für Triebtäter sind, ist völlig ungewiss, schon deshalb, weil nur ein einziger Kinderschänder untersucht wurde. ! [...]"Mit Bild gebenden Verfahren könnte man die Gefährlichkeit eines Psychopathen oder Triebtäters womöglich präziser beurteilen als bisher", sagt der Mannheimer Psychiater Dreßing, der selbst regelmäßig vor Gericht als Gutachter auftritt. Müller wiederum hofft, dass die auffälligen Prozesse in den Täterhirnen sich mit Medikamenten regulieren lassen. "Vielleicht können wir diese Veränderungen eines Tages mit Tabletten behandeln und im Kernspin kontrollieren, ob die Therapie erfolgreich ist", meint er. Funktionelles MRT in Deutschland ! „Bei dieser Methode gibt es keine Möglichkeit, die Reaktion des Gehirns zu kontrollieren“, so der Sexualmediziner. „Das Gehirn reagiert beinahe reflexartig. Es sucht in Bruchteilen einer Sekunde aus – ,passt in mein Schema‘ oder ,passt nicht in mein Schema‘.“ ! Doch wie sicher ist die neue Verfahrensweise? ! „Die Zuordnungssicherheit liegt bei 95 Prozent“, verspricht Bosinski. Nach jahrelanger Forschung soll es nun möglich sein, zwischen sogenannten Neigungstätern, also Pädophilen, und Gelegenheitstätern zu unterscheiden. ! „Die Auswertungen solcher Untersuchungen können jedoch nur dazu dienen, nach einer Verurteilung eine angemessene Therapie für Betroffene zu finden“, sagt Bosinski. „Die Messungen in einem Prozess zu verwenden, wäre in Deutschland verfassungswidrig.“ ! Trotzdem registriert das Team der Kieler Sexualmedizin weltweite Nachfragen. ! „Einige US-Amerikaner sind schon ganz scharf auf unsere Entwicklung“, sagt Bosinski. „Bei denen gilt so eine Untersuchung wahrscheinlich auch als Beweismittel vor Gericht.“ Thesen ! „Schmuddelthema“ sexuelle Präferenzstörung/ Kindesmissbrauchs wird „gesäubert“ und damit wissenschaftlich hoffähig ! Erzeugung eines vermeintlichen Sicherheitssurrogats mit Authentizitätszertifikat ! Fraglich, was solche Untersuchungen für die Begutachtung und Therapie bedeuten – Zugewinn oder Hindernis? Konzeption und Bewertung der Studien ! Pädophiliediagnose wird wie naturwissenschaftliche Entität und nicht als unter bestimmten Umständen sinnvolles Konstrukt behandelt ! Es werden sich selbst erklärende Zirkelschlüsse vorgegeben und durch die objektive Messverfahren untermauert ! körperliche Reaktionen in einer Laborsituation werden als Authentizitätszertifikat für echte Sexualität, sexuelle Präferenz oder ein körperliches Geständnis genommen. Dies wird anschließend vorschnell mit einer Umsetzung auf Verhaltensebene gleichgesetzt. Die Umsetzung auf Verhaltensebene wiederum wird gleichgesetzt mit erhöhtem Risiko zukünftigen straffälligen Verhaltens. ! Der Einfluss, den die Untersuchung und Betrachtungsweise selbst auf das Menschenbild und den Umgang mit zu Begutachtenden und/oder zu Behandelnden haben, wird außer Acht gelassen. Bill Marshall ! I had a discussion with an eminent researcher in sexual offending who holds the view that pedophilia is a permanent unchangeable feature. I told him that I had treated many pedophiles who had never again reoffended and for whom I had long-term phallometric data showing that treatment had changed their profiles which were stable over a number of years. In addition I told him that these clients said they had never again been troubled by pedophilic fantasies. This did not at all trouble him. He claimed the man was still a pedophile, and that he had successfully faked his phallometric responses and lied about his fantasies. I pointed out that this seemed to be an irrefutable hypothesis at which point he simply became annoyed and terminated the discussion. I believe that whatever evidence you evince, it will not persuade these people. Schlussfolgerungen ! die Frage, ob jemand, den wir auf Grundlage mit objektiven Messverfahren festgestellter Ergebnisse davon zu überzeugen versuchen, dass er eine Präferenz für Kinder hat, eine reduzierte Rückfälligkeit haben wird – kann derzeit nicht wissenschaftlich fundiert beantwortet werden ! Wir müssen als Wissenschaftler auch „die Illusion der Gewissheit“ nehmen ! Stattdessen: sexualforensischen Grundlagenforschung ! Für die Therapie: Personen müssen in einer Weise zur Deckung kommen, „die ihre bloße Subjektivität aufhebt“ (Fuchs 2011:351) Vielen Dank