Wild Atlantic Way
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Wild Atlantic Way
34-37 - 04 - Irland_BG_JH_TS_JB_SE_Master 20.03.15 10:08 Seite 1 Irland Die spektakuläre Küstenstraße Wild Atlantic Way führt 2500 Kilometer entlang der Westküste Irlands. Der Abschnitt zwischen Westport und Loop Head ist auf 527 Kilometern vollgepackt mit Naturschönheiten, Abenteuern und Musik. Man kann gar nicht anders, man muss immer wieder anhalten und staunen. Die Ruhe der Wildnis Mit dem Auto entlang des Wild Atlantic Way Great Western Greenway Westport Von Bettina Glaser Killary Fjord Clifden Rossaveal Irland Galway City Fährverbindung Aran Islands Cliffs of Moher Loop Head 34 ARCD-Clubmagazin 04/2015 Doolin Burren Nationalpark Shannon Airport Limerick City 34-37 - 04 - Irland_BG_JH_TS_JB_SE_Master 20.03.15 10:08 Seite 2 Irland Fernab des Verkehrs und über verlassene Steinbrücken führt der 42 Kilometer lange Radweg Great Western Greenway. voll Häusern und natürlich mit der malerischen Kylemore Abbey. Schloss als Geschenk J eder Handgriff sitzt: scheren, impfen, ein paar Mineralien ins Maul geben und dann einen grünen Farbklecks als Erkennungszeichen auf die vordere Schulter pinseln. Schäfer David Moran braucht nur ein paar Minuten, bis er das Schaf von seinem Winterpelz befreit hat. Besitzer Frank Chambers erzählt: „Eigentlich lohnt es sich gar nicht, Schafe zu halten, bei einem Wollepreis von 1,30 Euro pro Kilo.“ Dennoch besitzt der Immobilienmakler aus Newport 120 Tiere. Es ist eben sein Hobby. Und Schafe gehören zur irischen Kultur einfach dazu, denn hier in der Nähe von Westport auf der Westseite der Insel ist der Boden für Kühe zu weich, weil es häufig regnet. Für Schafe dagegen sind die Lebensbedingungen ideal. Die Ruhe per Fahrrad Die Weide, wo die beiden wie am Fließband die Schafe scheren, liegt direkt am Great Western Greenway, einem 42 Kilometer langen Fahrradweg von Westport nach Achill Island. „Vor sechs Jahren war hier noch der Hund begraben. Wir hatten ein großes LandfluchtProblem“, erzählt Chambers. Doch mit dem Radweg, der weitestgehend flach bis hügelig fernab des Autoverkehrs an vielen Schafsweiden, Wiesen mit Steinmauern und kleinen Flüssen und Bächen vorbeiführt, seien die Touristen gekommen. „Seitdem ist hier immer was los“, freut er sich. Pubs, Cafés und Restaurants seien entstanden. Dass hier jeden Tag 700 bis 1000 Touristen auf geliehenen Drahteseln der alten Bahntrasse Richtung Norden folgen, fällt außerhalb der Dörfer dennoch nicht auf. Zu ruhig ist die Gegend hier, zu verlassen liegen die zahlreichen Steinbrücken in der Natur, zu freundlich sind die Einheimischen. Zurückzustrampeln braucht man die malerische Strecke übrigens nicht, retour geht’s mit dem Shuttle (z. B. www.clewbaybikehire.ie). Der Welle nach fühlt sich wie vor einer riesigen Kinoleinwand – und auch bei einer Fahrt mit dem Ausflugsschiff „Connemara Lady“ durch den Fjord, der die Grafschaften Mayo und Galway teilt, ändert sich an diesem entspannten Dahingleiten durch die Bilderbuchlandschaft nichts. Die Straße Richtung Kylemore Abbey, einem 405 Hektar großen Schloss, wird immer enger, das Navi fordert „kehren Sie um“, und plötzlich stehen ein paar Schafe auf der Straße. Dennoch: Der Weg ist richtig, die Schilder sagen „weiter!“. Und dafür werden wir belohnt: mit Aussichtspunkten wie einem Sandstrand bei Tully, reetgedeckten Gebäuden in Dörfern mit gerade einmal einer Hand- Die Entstehung dieses Bauwerks ist eng mit einer romantischen Liebesgeschichte verbunden, so heißt es, denn Mitchell Henry und seine Braut Margaret Vaughan besuchten im Jahr 1850 während ihrer Flitterwochen die Region Connemara. Die Braut war so begeistert, dass Henry das etwa 6075 Hektar große Grundstück für sie erwarb und das Schloss erbaute. Neben der Besichtigung der Säle lohnt sich auch der Besuch des 2,4 Hektar großen Viktorianischen Mauergartens, der 1901 mitten im Torfmoor gebaut wurde und in dem heute nur Pflanzen und Blumen wachsen, die bereits vor der Entstehung des Gartens in Irland eingeführt worden waren. Nach einer Nacht in einer der zahlreichen Bed and BreakfastUnterkünfte schlagen wir die eigentliche Richtung unserer Reise ein: Süden. Dafür folgen wir den blauen Schildern des Wild Atlantic Way, dessen Abkürzung WAW einer Welle gleicht. Erst vergangenes Jahr wurden 2500 Kilometer dieser Küstenstraße, die sich am Atlantik entlangschlängelt, ausgeschildert – vorbei an spektakulären Aussichtspunkten, wilden Klippen und einsamen Stränden. Man sollte unbedingt ausreichend Zeit mitbringen, denn immer wieder muss man einfach anhalten, um die Wunder der Natur am Wegesrand zu bestaunen, und braucht dadurch meist viel länger als geplant. Auf dem Weg Richtung Killary Fjord zum Beispiel, wenn sich die Straße zwischen dem saftigen Grün der Hügel hindurchschlängelt und die Abendsonne alles in ein warmes Licht taucht. Im Radio läuft ein irischer Song, man Typisch für Irland: Schafe (links) – hier schert David Moran die Tiere – und eine Bilderbuchlandschaft. Der Killary Fjord (rechts), einer der wenigen irischen Fjorde, lässt sich mit dem Auto und dem Ausflugsschiff erkunden. Immer der Welle nach: Die weißen Buchstaben WAW stehen für Wild Atlantic Way, das S für die Fahrtrichtung Süden. 04/2015 ARCD-Clubmagazin 35 34-37 - 04 - Irland_BG_JH_TS_JB_SE_Master 20.03.15 10:08 Seite 3 Irland Die Kylemore Abbey ist heute Touristenziel und Wohnsitz irischer Benediktiner-Nonnen zugleich. cher robben hier bäuchlings an die Klippen vor, um die atemberaubende Aussicht auf den Atlantik zu genießen. „Das ist gigantisch“, sagt ein junges Mädchen euphorisch, als sie nach langem Hin und Her ihre Angst überwunden hat und wie ihre Freunde in die schier endlose Tiefe blickt. Berühmte Steilklippen 36 Schweigende Steine Folgt man dem Wild Atlantic Way weiter, kommt man ins Gaeltacht-Gebiet: Straßenschilder tragen zum Teil nur noch die gälischen Bezeichnungen, im Radio läuft Instrumentalmusik,und als wir einen Mann nach dem Weg zur Fähre fragen, versteht er uns zunächst gar nicht, weil wir ihn auf Englisch statt Gälisch ansprechen. Von Rossaveal aus geht es in 40 Minuten mit der Fähre zu den Aran Islands, die auch Inseln der schweigenden Steine genannt werden. Auf Inishmore, der größten davon, gelangt man zu Fuß, per Fahrrad, Bus oder Kutsche zur prähistorischen Anlage Dún Aonghasa. Der Weg ist gesäumt von karger Landschaft, die immer wieder von Steinruinen, reetgedeckten Häusern und Grünflä- ARCD-Clubmagazin 04/2015 chen mit Kühen und kniehoch aufgeschichteten Steinmauern durchbrochen wird. Erstaunlich, wie die Steine so ohne Mörtel aufeinandergestapelt halten, ohne einzustürzen. Sie sollen verhindern, dass die mühevoll angelegten Gärten der Einheimischen von starken Regenfällen weggeschwemmt werden. Würde man die Mauern der Aran Islands alle aneinander hängen, ergäbe sich eine Gesamtlänge von mehr als 1000 Kilometern! Wer die Souvenirstände mit den typischen warmen AranStrickpullovern passiert hat, erreicht hoch über dem Atlantik die Steinfestung. Einige Besu- Fotos: Glaser Vorbei an den Steinmauern (links) von Inishmore auf den Aran Islands erreicht man die Dún Aonghasa World Heritage Site. Von den Klippen hier hat man atemberaubende Ausblicke in die Tiefe des Atlantiks (rechts). Ein ähnliches Szenario bietet sich einige Kilometer weiter bei den berühmten Cliffs of Moher, wo auch „Harry Potter und der Halbblutprinz“ gedreht wurde. Das erste Stück des Weges ist mit Steinplatten gesichert, sodass man nicht abstürzen kann. Dann führt ein Trampelpfad entlang der Steilklippen, ohne jegliche Absperrung. Seit Kurzem ist das ein offizieller Weg. Ein Schritt zu weit, und es geht mehr als 200 Meter in die Tiefe. „Von Zeit zu Zeit gibt es Unfälle“, erzählt ein Ranger und runzelt die Stirn. „So alle drei bis vier Jahre.“ Um die Selbstmordrate zu verringern, sind Schilder mit der Aufschrift „Need to talk?“ (Möchten Sie reden?) und einer Notrufnummer aufgehängt. Je weiter man sich von dem in den Hang gebauten Besucherzentrum entfernt, wo man viel Die meistbesuchte Naturattraktion Irlands: die Cliffs of Moher sind bis zu 214 Meter hoch und erstrecken sich über acht Kilometer. 34-37 - 04 - Irland_BG_JH_TS_JB_SE_Master 20.03.15 10:08 Seite 4 Irland über die Lebenswelt der Klippen mit ihren zahlreichen Vogelarten erfährt, desto weniger Menschen sind unterwegs. Zwischen den Felsen sonnen sich Möwen, einige kreischen Der Trampelpfad entlang der Steilklippen ist abenteuerlich. Ein Schritt zu weit und es geht mehr als 200 Meter in die Tiefe. so laut vor sich hin als wäre in der Ferne ein Fest, unterlegt mit Meeresrauschen. Der Atlantik liegt friedlich in der Abendsonne – so friedlich, dass man sich kaum vorstellen kann, dass hier oft Sturm und Wellen vorherrschen. Karge Mondlandschaft Es ist wieder spät geworden, denn wir konnten nicht anders und hielten mehrfach entlang des Wild Atlantic Way zwischen Galway und Doolin an. Die karge Felsenlandschaft der Burren-Region ist so faszinierend, dass man unmöglich einfach daran vorbeifahren kann – eine baumlose, steinige, mondähnliche Karstlandschaft auf einer Fläche von 250 Quadratkilometern. Das findet auch Craig, ein Hobbyfischer, der von einem der Felsen seine Angel in den Atlantik geworfen hat, um Makrelen zu fangen. „Es ist wunderschön hier. Ein toller Fleck für die Freizeit“, schwärmt er. Fotos: Glaser Lebendige Musik Den Abend verbringen wir in einem Pub, der Fitzpatrick’s Bar in Doolin. Die Vielzahl der hier angebotenen Biersorten ist beeindruckend: Grüne, braune, rote und gelbe Zapfhähne mit Marken wie Guinness, Dooliner und O’Hara’s zieren den Tresen. Entspannt lauschen wir den typisch irischen Violin- und Gitarrenklängen von drei jungen Leuten. Ein paar Gäste sind aufgestanden und tanzen. Gute Chancen, solch einen Pub mit Livemusik zu finden, hat man, wenn man auf das Schild „Singing Pub“ an den Eingängen achtet. Auf eine besonders lebendige Musikszene trifft man übrigens in der Studentenstadt Galway. Geräucherter Lachs Auf der Weiterfahrt zu unserem Ziel, der Halbinsel Loop Head, kommen wir am Burren Smoke House vorbei (www.burrensmokehouse.ie). Der heimische Lachs, der hier geräuchert wird, ist um die 24 000 Kilometer gegen die Strömung geschwommen, wodurch das Fleisch sehr fest ist. Hier wird der Fisch von Hand geschnitten und auf eine traditionelle irische Art und Weise kalt über Eichenholzspänen geräuchert: acht Stunden lang bei 32 Grad. Zum Vergleich: Heiß geräuchert, wie in Skandinavien üblich, wird er vier Stunden lang bei 80 Grad. Auch an diesem Tag haben wir die Zeit aus den Augen verloren, weil wir wieder einmal zu viele Fotostopps entlang des Wild Atlantic Way eingelegt haben. Der Leuchtturm, den wir eigentlich noch besichtigen wollten, hat bereits geschlossen. Also lassen wir uns in der Nähe hoch oben am Klippenrand ins weiche, von der Sonne ange- wärmte Gras fallen. Der blühende Klee zittert im Wind. Tief unten glitzert der Atlantik, eine Gruppe Delfine springt in den Wellen. Bis auf das Rauschen des Meeres und die Schreie der Vögel ist es ruhig hier. Irgendwie sind wir in diesem Moment zufrieden, dass der Leuchtturm bereits geschlossen hatte, denn genau diese Momente sind es, die die Reise entlang des Wild Atlantic Way so besonders machen. 쏋 Von Hand geschnitten: geräucherter irischer Lachs im Burren Smoke House (rechts). Pubs mit traditioneller irischer Musik (unten) findet man unter anderem in Doolin und Galway (ganz rechts). ARCD-Reiseservice Anreise: Mit dem Pkw: Per Nachtfähre von Nordfrankreich direkt nach Irland (Cherbourg/Roscoff-Rosslare) oder zunächst per Fähre nach Großbritannien, von dort mit der Anschlussfähre weiter nach Irland (Durchgangstarife über verschiedene Routen). Irish Ferries, Tel. 04 21/1760 218, www.irlandfaehre.de Mit dem Flugzeug: Direktflüge von Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und München nach Dublin, z. B. mit Aer Lingus, www.aerlingus.com Autofahren in Irland: Achtung, es herrscht Linksverkehr! Manche Autobahnen sind mautpflichtig. Den Mietwagen bucht man am besten schon vor der Reise. Übernachten: Typisch für Irland sind Bed and BreakfastUnterkünfte, in denen man ein irisches warmes Frühstück serviert bekommt. Sie sind ideal für eine Rund- reise mit dem Auto. Eine große Auswahl findet man unter www.bandbireland.com ARCD-Buchungsservice: Das ARCD Reisebüro ist Ihnen bei der Buchung von Flügen, Mietwagen und Unterkünften gerne behilflich, Tel. 0 98 41/4 09 150, [email protected] Auskünfte: Tourism Irleland in Frankfurt, Tel. 0 69/ 66 80 09 50, E-Mail [email protected], www.ireland.com. Hier sind auch Broschüren und Karten zum Wild Atlantic Way erhältlich. Mehr Bilder WEBCODE 702 www.arcd.de/?id=702 04/2015 ARCD-Clubmagazin 37