Vers¨ohnung und Vergebung

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Vers¨ohnung und Vergebung
Versöhnung und Vergebung
Christoph Kreitz
Baptistengemeinde Potsdam, 10. Februar 2008
“Sicher, ich werde ihm vergeben, wenn ich mit ihm fertig bin” sagte die Frau über ihren Ehemann, der mit niedergeschlagenem Blick am Küchentisch saß. “Wenn Du wüsstest, was er
mir angetan hat, wie er mich hat leiden lassen, dann würdest Du verstehen, warum ich ihn
nicht ernst nehmen kann, wenn er jetzt zum ersten Mal sagt ‘es tut mir leid”. Ich werde ihm
vergeben, aber erst muß er büßen”. Feindseligkeit lag in der Luft und man konnte sehen, wie
sie vor ihrem inneren Auge einen der vielen Kämpfe ablaufen ließ, der hier in der Küche
stattgefunden hatte. Oder den Tag in der letzten Woche, als sie in die Stadt gezogen war, um
endlich diese andere Frau ausfindig zu machen, die ihr Jahre lang diese Schmerzen zugefügt
hatte. “Oh nein, so leicht kann er sich das nicht machen. Das muß er erst wieder gut machen”.
Jahre vergingen. Langsam und bitter büßte er für das, was er getan, gesagt und gedacht hatte. Er zahlte und zahlte seine Schuld. Endlich – eines Tages, als es ihr selbst sehr schlecht
ging, da bot sie ihm ihre Vergebung an. Aber jetzt war es zu spät. Jetzt konnte nichts mehr
heilen. “Du kannst Deine scheinheilige Vergebung behalten - ich brauche sie nicht mehr. Ich
habe gebüßt für meine Schuld - wer braucht noch Vergebung, wenn er seine Schuld schon
abgetragen hat?”
Liebe Gemeinde,
wir alle werden immer wieder schuldig an anderen Menschen. Ein böses Wort, unbedacht
oder im Zorn dahin gesagt; ein gebrochenes Versprechen; ein Geheimnis ausgeplaudert, das
uns im Vertrauen erzählt wurde; Mißachtung und Vernachlässigung; Streitigkeiten um Geld
und Besitz; bis hin zu körperlichen Verletzungen, Mißhandlungen und schwerem Vertrauensbruch. Niemand kann sich davon freisprechen. Denn wenn wir sagen, wir wären ohne Sünde,
dann betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns (1. Joh 1:8).
Und genauso erleben wir, daß Menschen an uns schuldig werden. Besonders da, wo Menschen eng aufeinanderleben – in der Ehe, der Familie, oder der Gemeinde – geschieht es
jeden Tag. Gerade die Menschen, die uns besonders nahestehen, denen wir am meisten vertrauen, und von denen wir am wenigsten erwarten, daß sie uns wehtun, verletzen uns immer
wieder und werden von uns immer wieder verletzt. Ich glaube, ich habe meiner Frau mehr
weh getan als jedem anderen Menschen und umgekehrt ist es sicher genauso. Es ist paradox –
ausgerechnet bei den Menschen, zu denen wir eine ganz besonders enge Beziehnung haben,
erleben wir, daß wir nicht das Gute tun, was wir wollen, sondern das Böse, das wir nicht
wollen (Römer 7:19).
Wie oft wünscht man sich im Nachhinein, das, was geschehen ist, ungeschehen machen zu
können und die gebrochene Beziehung wieder in Ordnung zu bringen? Wie unwichtig sind
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doch die Dinge, über die man sich gestritten hat, im Verhältnis zum Wert der Beziehung, die
jetzt beschädigt ist? Versöhnung – ja das ist es, was wir uns eigentlich am meisten wünschen.
Aber was geschieht, wenn wir diejenigen sind, die verletzt wurden? Eigentlich sehnt sich
auch dann alles in uns danach, die gestörte Beziehung wieder geheilt zu sehen. Aber gleichzeitig ist da auch der Wunsch nach Gerechtigkeit. Soll der Schuldige einfach so davonkommen? Muß die Tat nicht gesühnt werden? Was ist, wenn mich dieselbe Person immer wieder
verletzt? Ist nicht irgendwann einmal Schluß?
1 Vergebung
Wir sind bei weitem nicht die ersten, die diese Frage stellen. Im Matthäus 18:21–35 beantwortet uns Jesus diese Frage mit einem Gleichnis.
Da trat Petrus zu Jesus und sprach: “Herr, wie oft soll ich meinem Bruder, der gegen
mich sündigt, vergeben. Siebenmal?” Jesus antwortet ihm: “Ich sage Dir, nicht siebenmal sondern siebzig mal sieben mal.”
“Denn mit dem Himmelsreich ist es wie mit einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Als er anfing, abzurechnen, da wurde einer gebracht, der zehntausend
Talente schuldete. Da er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn, seine Frau, seine Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen, und damit zu bezahlen. Der Knecht fiel nieder
und bat: ‘Herr, habe Geduld mit mir. Ich will Dir alles bezahlen’. Der Herr hatte Mitleid,
gab ihn frei und erlies ihm das Darlehen. Der Knecht aber ging hinaus und fand einen
seiner Mitknechte, der ihm einen geringen Betrag schuldig war. Er ergriff ihn, würgte
ihn und sprach: ‘Bezahle, was Du schuldig bist’. Sein Mitknecht fiel nieder und bat ihn:
‘Habe Geduld mit mir.Ich will Dir alles bezahlen’. Er aber wollte nicht, sondern warf
ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt habe. Als das die anderen Knechte sahen,
wurden sie sehr betrübt und berichteten ihrem Herrn, was geschehen war. Da rief ihn
der Herr herzu und sprach zu ihm: ‘Du böser Knecht! Die ganze Schuld habe ich Dir
erlassen, weil Du mich batest. Solltest nicht auch Du Dich Deines Mitknechtes erbarmt
haben, wie auch ich mich Deiner erbarmt habe?’. Und er wurde zornig und übergab ihn
den Folterknechten, bis er ihm alles bezahlt habe, was er schuldig war.”
“So wird auch mein himmlischer Vater Euch tun, wenn Ihr nicht Euren Brüdern von
Herzen vergebt.”
Vergebung und Barmherzigkeit ist der einzige Weg, eine gebrochene Beziehung wieder in
Ordnung zu bringen. Das Vergangene kann nicht ungeschehen gemacht werden und oft ist
der Schuldige gar nicht in der Lage, wiedergutzumachen, was er uns angetan hat. Auch Strafe
rückt es nicht wieder gerade. Sie mag uns eine gewisse Genugtuung verschaffen, weil der
Täter jetzt auch leiden muß, aber sie trägt nicht zur Heilung bei. Ohne Vergebung nimmt die
Beziehung immer weiteren Schaden und es entsteht Verbitterung – oft auf beiden Seiten.
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Absolute Gerechtigkeit zu schaffen ist eine Illusion. Sicher, in einer größeren Gesellschaft
braucht man Gesetze und Richter, um dem Unrecht Grenzen zu setzen. Aber als Mittel
zur Heilung zwischenmenschlicher Beziehungen sind derartige Mechanismen fehl am Platz.
Deshalb ruft Gott uns auf zur Barmherzigkeit: “so wie ich Euch vergeben habe, sollt auch Ihr
vergeben”. Wie der Knecht im Gleichnis können wir unsere Schuld Gott gegenüber gar nicht
begleichen – ohne seine Vergebung und Gnade wären wir verloren.
Und so fordert Gott uns auf, ebenfalls vergebungsbereit zu sein. Nicht einmal, nicht sieben
mal, sondern immer wieder. Vergebt und Euch wird vergeben, heißt es in Lukas 6:37. Uns ist
so viel Schuld vergeben worden – sollten wir da nicht selbst ein wenig barmherzig gegenüber
denjenigen sein, die an uns schuldig werden? Wenn wir selbst nicht bereit sind zu vergeben,
blockieren wir dann nicht auch unsere Beziehung zu Gott? Wie sollen wir frei zu Gott kommen können, wenn wir Bitterkeit gegenüber anderen Menschen in uns nähren?
“Du hast gut reden”, mag jetzt mancher denken, “ Du weißt ja gar nicht, was mir angetan
wurde. Das kann man nicht so einfach vergeben!”.
Das stimmt! Niemand hat gesagt, daß Vergebung etwas Leichtes wäre. Denn Vergebung ignoriert nicht einfach, was geschehen ist, und sagt “schon vergessen”, sondern sie identifiziert
die Sünde als solche und schafft die Schuld aus der Welt. Wer vergibt, akzeptiert das Leiden,
was eigentlich hätte vermieden werden können. Der Täter ist begnadigt – die Schuld wird
ihm nicht mehr angerechnet. Der Weg zur Heilung der Beziehung und der Betroffenen ist
wieder frei. Die Aufbauarbeiten können beginnen, damit Vertrauen wieder wachsen kann.
Das ist wirklich nichts Leichtes. Im Gegenteil, Vergebung kostet uns oft sehr viel, denn wir
verzichten auf das Recht, die Schuld jemals wieder einzufordern. Wir selbst übernehmen die
Last der Schuld und der Täter geht frei aus – als ob die Tat nie geschehen wäre.
Selbst Jesus ist es nicht leicht gefallen, unsere Schuld auf sich zu laden und die Konsequenzen
zu tragen. Er wußte, daß dies sehr schmerzhaft für ihn werden würde, fur ihn ein qualvoller
Tod am Kreuz, nur damit wir von unserer Schuld frei werden konnten. Ja – er hatte sogar
richtig Angst davor und bat den Vater dreimal, diesen Kelch an ihm vorüberziehen zu lassen,
wenn es irgendwie möglich wäre. Es fiel ihm sicher nicht leicht, das alles für uns zu tun. Aber
er wußte auch, daß das Ziel wichtiger war als die Qualen, die ihm bevorstanden. Und deshalb
hat er teuer dafür bezahlt, daß wir Vergebung für unsere Sünden bekommen können. Er hat
sein Leben dafür hingegeben, dies möglich zu machen. Leicht war das wirklich nicht.
Aber nur deshalb ist der Weg zu Gott für uns wieder offen. Wenn wir unsere Sünden bekennen,
dann vergibt er uns unsere Schuld und reinigt uns von allem Unrecht (1. Joh 1:9). Die gestörte
Beziehung zu Gott kann wieder heil werden, weil Gott bereit ist uns zu vergeben. Die Strafe,
die wir eigentlich verdient hätten, wird uns erlassen, wenn wir nur kommen und ihn um
Vergebung bitten. Ist das nicht herrlich?
Wenn wir daran denken, was Gott für uns getan hat, sollten wir nicht etwas großzügiger
gegenüber den Menschen werden, die in unserer Schuld stehen?
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2 Entschuldigung
Vergebung macht also den Weg frei für die Heilung von Beziehungen. Aber Vergebung und
Versöhnung sind keine einseitige Angelegenheit. Vergebung setzt voraus, daß sich einer ernsthaft entschuldigt. Und dies wird leider oft übersehen – besonders in christlichen Kreisen.
Auch in unseren Gemeinden findet man Frauen, die fast daran zerbrechen, daß ihre Männer
ständig fremdgehen. Sie sind es leid, immer wieder aus Neue zu vergeben. Aber dann zitiert
man die Worte von Jesus in Matthäus 6:15 “wenn ihr aber den Menschen ihre Vergehungen
nicht vergebt, so wird Euer himmlischer Vater auch Eure Sünden nicht vergeben” und suggeriert ihnen, daß sie Ihre Erlösung verlieren, wenn sie nicht vergeben. Und die Konsequenz?
Obwohl sie ständig vergeben, findet die Beziehung keine Heilung, weil sich nichts ändert.
Ihre Männer haben weiterhin Affären und zurück bleibt Frustration und Verbitterung – sie
haben alles getan, was Gott verlangt, aber er scheint sie im Stich zu lassen.
Aber verlangt Gott wirklich von uns, daß wir vergeben, ohne daß der andere eine Bereitschaft
zur Umkehr zeigt? Gott erwartet, daß wir einander vergeben, wie er uns vergeben hat (Eph. 4:32).
Aber nicht einmal Gott vergibt denjenigen, die ihre Taten nicht bereuen und zur Umkehr
bereit sind. Zumindest steht davon nichts in der Bibel. Stattdessen finden wir immer nur die
Aussage, daß Gott bereitwillig unsere Schuld vergibt, wenn wir unsere Sünden bekennen.
Vergebung ohne Reue mag zwar sehr edel aussehen, aber es macht selten Sinn, noch großzügiger sein zu wollen als Gott selbst. Und deshalb steht in Matthäus 8:15 nicht etwa: “Wenn
Dein Bruder wider Dich sündigt, dann nimm’s hin, vergib ihm und schweige” sondern “ ..
dann gehe hin und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf Dich, so hast Du Deinen
Bruder zurückgewonnen”. Es geht hierbei, wohlgemerkt, um echte Sünde und nicht etwa um
kleine Irritationen wie eine falsch eingeräumte Spülmaschine.1 Aber Jesus sagt uns hier und
in den nachfolgenden Versen, wie wir vorgehen sollen, um sündige Geschwister liebevoll zu
Einsicht, Reue und Umkehr zu verhelfen, wenn sie sich nicht von selbst entschuldigen.
Vergebung ohne Buße ist, wie Dietrich Bonhoeffer es ausdrückt, billige Gnade, Gnade als
Schleuderware – mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet, Rechtfertigung der Sünde, anstatt Rechtfertigung des reuigen Sünders. All das trägt nicht zur
Versöhnung bei, sondern ist eher eine Ermutigung, weiter zu sündigen ... es wird ja sowieso
vergeben. Vorschnelle Vergebung ohne Entschuldigung bewirkt im Endeffekt das Gegenteil
von dem, was der Vergebende erreichen wollte. Eine Heilung findet nicht statt.
Natürlich – es gibt Situationen, in denen eine Entschuldigung nicht oder nicht mehr stattfinden kann, und man gut daran tut, zu vergeben, um selbst vom Schmerz und dem Groll
über das Geschehene loslassen zu können. Aber das sind Ausnahmen und nicht der Normalfall. Um die Barrieren wegzuräumen, die durch schuldhaftes Verhalten entstanden sind, sind
Vergebung und Reue erforderlich. Nur die Kombination von Reue und Vergebung macht es
möglich, daß im Laufe der Zeit wieder Vertrauen wachsen kann.
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Leider machen wir es ja oft anders herum - wir weisen andere wegen kleinen Irritationen zurecht und schweigen bei echten
Sünden – aber das ist ein Thema für sich.
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3 Um Vergebung bitten
Also, wenn jemand an uns schuldig wird, dann sollten wir jederzeit bereit sein zu vergeben –
vorausgesetzt er zeigt Reue und entschuldigt sich. Das heißt nun nicht, daß gleich wieder alles
in Ordnung ist. Eventuell steht für den Schuldigen sogar noch ein ganzes Stück Arbeit an,
damit wir ihm wieder vertrauen können. Aber die Schuld der Vergangenheit ist ausgeräumt
und steht nicht mehr zwischen uns.
Was aber ist eigentlich eine Entschuldigung? Wie erkennen wir, daß es der andere ernst meint
und nicht einfach eine leere Floskel dahersagt? Im Gegensatz zu Gott können wir ja nicht in
sein Herz hineinschauen. Und umgekehrt – was machen wir, wenn wir selbst die Schuldigen
sind und uns danach sehnen, mit dem oder der anderen wieder ins reine zu kommen. Wie
können wir unserem Gegenüber klarmachen, daß wir es wirklich ernst meinen?
Das ist oft schwieriger als man denken mag. Denn wenn ich jetzt einmal herumfragen würde,
was jeder von uns hier als echte Entschuldigung ansieht, dann kämen wahrscheinlich eine
ganze Menge verschiedener Antworten heraus. Wir sind da ganz schön verschieden. Was
für den einen eine ehrliche Entschuldigung ist, kommt beim anderen eventuell gar nicht als
solche an. Und so gibt es Paare, die behaupten tatsächlich voneinander, der andere würde sich
niemals entschuldigen. Und das obwohl er überzeugt ist, daß er es ständig tut. Es ist, als ob
wir da verschiedene Sprachen sprechen würden.
• Für manche besteht eine Entschuldigung einfach nur aus ehrlichem Migefühl; Verständnis
dafür, was man angerichtet hat. Alles was sie hören müssen, um zu verstehen, daß die
Entschuldigung ernst gemeint ist, ist eine Aussage des Bedauerns – etwa “es macht mir
Kummer, daß ich Dich mit meinen groben Worten verletzt habe. Du mußt Dich elend fühlen
nach dem was ich gesagt habe. Das tut mir leid”. Natürlich hängt es auch davon ab, wie das
gesagt wird – Tonfall und Körpersprache verraten schnell, wenn diese Worte nur Heuchelei
oder Manipulation sind. Aber wenn ankommt, daß dieses Mitgefühl ehrlich ist, dann ist das
Tor zur Vergebung offen.
• Für andere ist ein “tut mir leid” zu billig. Für sie heißt das nur, daß der andere die Situation
bedauert, nicht aber, daß er seine eigene Schuld anerkennt. Eine echte Entschuldigung wäre
für sie, daß der andere seinen Fehler eingesteht und Verantwortung dafür übernimmt, was
geschehen ist. Ein “Es tut mir leid, das war mein Fehler” – so wie es der verlorene Sohn
seinem Vater gegenüber ausdrückt – das ist, was sie hören möchten. Mitgefühl zu äußern
wirkt dagegen für sie wie ein “beschwichtigen und sich aus der Verantwortung stehlen”.
Deshalb benutzen sie diese Sprache nicht, um sich bei anderen zu entschuldigen und sie
würden einen Ausdruck des Mitgefühls auch nicht als echte Entschuldigung akzeptieren.
Jetzt kann man vielleicht schon erahnen, was das Dilemma ist. Wenn einer nur Mitgefühl
und der andere nur Anerkennung von Schuld als Entschuldigung versteht, dann reden sie
aneinander vorbei, obwohl beide es ernst meinen. Hier muß man lernen, die Sprache des
anderen zu sprechen oder zu verstehen. Und das ist gar nicht so einfach.
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• Aber das ist noch nicht alles. Manchen kommt eine Entschuldigung erst dann ernst gemeint vor, wenn der Wille zur Wiedergutmachung erkennbar ist. Ich erkläre mich nicht
nur verantwortlich sondern ich stehe auch für den Schaden gerade. Als Jesus bei Zachäus,
dem Zöllner einkehrte, erklärte dieser spontan, daß er jedem, den er betrogen hätte, das
Vierfache zurückgeben würde (Lukas 19:1–10). Seine Sprache war die Wiedergutmachung.
• Wieder für andere ist Wiedergutmachung dagegen nicht etwa ein Zeichen der Reue sondern
nur ein billiger Trost. Eine Frau, deren Ehemann nach jeder Affäre mit einem Berg roter Rosen nach Hause kommt, wird diese nur noch als lahmen Bestechungsversuch ansehen und
ihm die Rosen irgendwann um die Ohren schlagen. Sie will keine Rosen, sondern Gewissheit, daß er sich endlich ändert. Echte Reue heißt für sie “es soll nicht mehr vorkommen”
– und vielleicht noch eine ehrliche Bitte um Hilfe, daß dieses Versprechen auch tatsächlich
gelingt. Erst dann ist Vergebung möglich und man kann gemeinsam Wege finden, wie das
zerstörte Vertrauen wieder wachsen kann.
• Schließlich gibt es noch Menschen, die explizit um Vergebung gebeten werden möchten.
Für sie ist das, was vielen als völlig überzogen erscheint, die ultimative Form der Entschuldigung. “ Ich bin Dir gegenüber schuldig geworden – kannst Du mir vergeben?”. Der
Schuldige begibt sich völlig in die Abhängigkeit vom Opfer und bittet darum, von seiner
Schuld frei gesprochen zu werden. Für viele Menschen ist es sehr schwer, diese Bitte auszusprechen, denn es hat etwas mit Selbsterniedrigung und loslassen von Stolz zu tun. Aber
gerade deshalb hat sie eine so große Wirkung – vorausgesetzt natürlich, daß sie nicht wie
eine schnell dahingesagte Floskel wirkt.
Wenn wir also wollen, daß unsere ernst gemeinte Entschuldigung wirklich ankommt, dann
sollten wir herausfinden, welche Sprache unser Gegenüber versteht, und versuchen, unsere
Entschuldigung in dieser Sprache zu vermitteln. Das mag zwar ungewöhnlich und anstrengend sein, aber gerade unser Bemühen, auf den anderen auch in dieser Weise einzugehen
zeigt, wie ernst es uns ist.
Wir werden nicht vermeiden können, daß wir immer wieder an anderen schuldig werden
und wir können uns auch nicht davor schützen, daß uns andere immer wieder verletzen.
Aber Entschuldigung und Vergebung hilft uns, die Beziehung immer wieder zu heilen und
eventuell sogar auf ein festeres Fundament zu stellen als zuvor.
Vergebung ist nicht leicht und sich zu entschuldigen auch nicht. Aber mit ein wenig Selbstüberwindung und Gottes Hilfe und ist beides möglich.
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