Wintersemester 2000/2001 Klausurenkurs Polizei
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Wintersemester 2000/2001 Klausurenkurs Polizei
Wintersemester 2000/2001 Klausurenkurs Polizei- und Ordnungsrecht 2. Klausur I. A hatte auf seinen Antrag hin die Genehmigung erhalten, am 1. Mai 2000 im Volkspark Wuhlheide in Berlin-Köpenick ein Sängerfest zu veranstalten, auf welchem verschiedene Musikvereine aus Berlin und Brandenburg die schönsten deutschen Mailieder vortragen sollen. Ein Teil des weitläufigen Geländes war von der Behörde für die Veranstaltung abgesperrt worden und in seiner Mitte befand sich eine Bühne für die Vorführungen. Der Linksextremist B hatte während der Veranstaltung ein großes Schild mit der Aufschrift "Solidarität mit den hungerstreikenden GenossInnen der X-Partei! Nieder mit der bourgeoisen BRD und ihren faschistischen Finanzämtern!" auf der dem A überlassenen Fläche vor den Zuschauern zur Schau getragen. Trotz mehrerer Aufforderungen des A und Unmutsäußerungen vieler Anwesender hatte sich B nicht entfernt. Auf Veranlassung des A, der um den unpolitischen Charakter der Veranstaltung fürchtete, hat die herbeigerufene Polizei den B, der sich auf Verlangen nicht ausweisen konnte, mit zur Wache genommen. Dort wurden seine Personalien festgestellt und sein Schild für die Dauer der Veranstaltung sichergestellt, da er von seinem Vorhaben nicht ablassen wollte. Das Schild wurde B nach der Veranstaltung wiedergegeben. B möchte wissen, ob die gegen Maßnahmen rechtmäßig waren. ihn ergangenen polizeilichen II. Augenzeuge der Vorgänge war auch eine Gruppe rechtsextremistischer "Skinheads". Diese sahen sich genötigt, auf das Verhalten des B "angemessen" zu reagieren und sangen lauthals, so daß es die umstehenden Besucher der Veranstaltung alle mitbekamen, sämtliche Strophen des "Horst-Wessel-Liedes". Dazu hoben sie ihren rechten Arm zum so genannten "Hitler-Gruß". Die Polizei forderte die "Skinheads" über Lautsprecher auf, ihr Treiben sofort zu unterlassen und die Veranstaltung der Musikvereine und Sänger zu verlassen. Gleichzeitig drohten sie Ihnen die Entfernung von dem Gelände unter Anwendung von Gewalt an, falls der polizeilichen Aufforderung nicht innerhalb einer Minute Folge geleistet werde. Da der Aufforderung nicht nachgekommen wurde, drängte die Polizei die "Skinheads" etwa 200 Meter an den Rand des abgesperrten Parkgeländes in Richtung auf die dort stehenden Funkstreifenwagen. Erst jetzt verstummte der 2 Gesang der "Skinheads". Die Polizeibeamtem ließen daraufhin von dem Abdrängen ab. Im weiteren nahm die Veranstaltung einen friedlichen Verlauf. Skinhead S ist empört, und fragt nach der Rechtmäßigkeit des polizeilichen Vorgehens. Bearbeitervermerk: Das "Horst-Wessel-Lied" zählt zum nationalsozialistischen Liedgut. Bei der Gruppe rechtsextremistischer "Skinheads" handelt es sich nicht um eine Versammlung. Auszug aus dem Berliner Grünanlagengesetz (GrünanlG): § 1 Begriffsbestimmung und Geltungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für öffentliche Grün- und Erholungsanlagen. Öffentliche Grünund Erholungsanlagen im Sinne dieses Gesetzes sind alle gärtnerisch gestalteten Anlagen, Spielplätze, Freiflächen, waldähnlichen oder naturnahen Flächen, Plätze und Wege, die entweder der Erholung der Bevölkerung dienen oder für das Stadtbild oder die Umwelt von Bedeutung sind und dem jeweiligen Zweck nach den folgenden Vorschriften gewidmet sind. (2) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten nicht für Friedhöfe, Sportanlagen, Freibäder und Waldflächen im Sinne des Landeswaldgesetzes ... § 2 Widmung und Einziehung (1) Eine Anlage im Sinne des § 1 Abs. 1 erhält die Eigenschaft als öffentliche Grünund Erholungsanlage durch Widmung. Vor der Widmung ist die Zustimmung des Eigentümers einzuholen. Aus der Widmung ergibt sich die Zweckbestimmung. § 6 Benutzung der Anlagen (1) Öffentliche Grün- und Erholungsanlagen dürfen nur so benutzt werden, wie es sich aus der Natur der einzelnen Anlage und ihrer Zweckbestimmung ergibt. Die Benutzung muß schonend erfolgen, so daß Anpflanzungen und Ausstattungen nicht beschädigt, verschmutzt oder anderweitig beeinträchtigt und andere Anlagenbesucher nicht gefährdet oder unzumutbar gestört werden. Insbesondere ist verboten: 1. Lärm zu verursachen, der andere Anlagenbesucher unzumutbar stört, 2. Schleuder-, Wurf- oder Schießgeräte zu benutzen, 3. Hunde oder Haustiere frei laufen zu lassen oder auf Kinder-, Ballspielplätze und Liegewiesen mitzunehmen oder in Gewässern baden zu lassen, 4. Feuer anzuzünden oder zu unterhalten, 5. öffentliche Grün- oder Erholungsanlagen mit Kraftfahrzeugen, außer Krankenfahrstühlen, zu befahren oder diese oder Anhänger dort abzustellen. (1) Tätigkeiten, wie Rad-, Skateboardfahren, Ballspielen, Baden, Bootfahren, Reiten und Grillen sind nur auf den dafür besonders ausgewiesenen Flächen gestattet. Die Bezirke sind verpflichtet, Flächen für entsprechende Nutzungen in angemessenem Umfang auszuweisen, soweit dies unter Berücksichtigung 3 stadträumlicher und stadtgestalterischer Belange, unter Abwägung der unterschiedlichen Benutzungsansprüche sowie unter Einbeziehung des Gesundheitsund Umweltschutzes möglich ist. (2) Hundehalter und -führer haben dafür Sorge zu tragen, daß ihre Hunde die öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen nicht verunreinigen. Sie haben den Kot ihrer Hunde unverzüglich zu beseitigen. Dies gilt nicht für blinde Hundeführer. (3) Die Bezirksverwaltung kann für Anlagen oder Anlagenteile Beschränkungen auf bestimmte Benutzungsarten und Öffnungszeiten festlegen und die Benutzung durch Gebote oder Verbote regeln. (4) Eine Benutzung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, die über Absatz 1 hinausgeht, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Die Genehmigung kann im Einzelfall erteilt werden, wenn das überwiegende öffentliche Interesse dies erfordert und die Folgenbeseitigung gesichert ist. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, ob andere Standorte eine geringere Beeinträchtigung der Anlage zur Folge haben. Die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden werden; eine abfallarme Durchführung ist zu gewährleisten. Die Folgenbeseitigung gilt insbesondere als gesichert, wenn der Antragsteller bei der Genehmigungsbehörde Geld in Höhe der zu erwartenden Kosten hinterlegt oder eine Bankbürgschaft beibringt. Für die Benutzung können Entgelte erhoben werden. Bei der Bemessung soll der wirtschaftliche Vorteil der Benutzung berücksichtigt werden. (5) Zuständige Behörde im Sinne des Absatzes 5 ist das Bezirksamt. ... 4 Lösungsskizze ACHTUNG: Die Gliederung enthält möglicherweise Fehler in der Nummerierung ! A. Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen gegen B I. Die Aufforderung, sich auszuweisen 1. Ermächtigungsgrundlage Die Aufforderung, sich auszuweisen bedeutet einen Eingriff in die Grundrechte des B, nämlich in die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG und die Handlungsfreiheit aus Art. 2 I und II 2 GG. Das heißt, es handelt sich bei der Maßnahme um eine mündliche Verbotsverfügung, die nach der Lehre vom Gesetzesvorbehalt einer Ermächtigungsgrundlage bedarf. Fraglich ist zunächst, ob die Ermächtigungsgrundlage dem repressiven Strafverfolgungsrecht oder dem präventiven Gefahrenabwehrrecht zu entnehmen ist. Dies richtet sich nach dem Zweck der ergriffenen Maßnahme. Dass die Polizei dem Verhalten des B eine strafrechtliche Relevanz beigemessen hat, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. In dem demonstrativen Verhalten des B auf der Veranstaltung des A ist keine Straftat erkennbar, die die Polizei veranlasst hatte, einzuschreiten. Vielmehr hat die Polizei wegen des durch das Verhalten des B erzeugten Unmutes bei A und den Zuschauern eingegriffen, um diese Störung zu beseitigen, so daß die Veranstaltung ungestört weitergeführt werden konnte. Eine strafbare Beleidigung nach § 185 StGB kann auch nicht darin gesehen werden, daß B auf seinem Schild die Finanzämter als faschistisch bezeichnet. Aus § 194 III 2 StGB lässt sich zwar entnehmen, daß eine Behörde i.S.d. § 11 StGB beleidigungsfähig ist, aber B konkretisiert seine Bezeichnung nicht auf ein bestimmtes Finanzamt, sondern meint letztlich alle, so daß allenfalls eine Kollektivbeleidigung gegeben sein könnte. In Bezug auf alle Finanzämter kann aber wohl kaum ein beleidigungsfähiges Kollektiv, das einen einheitlichen Willen bilden kann, gesehen werden. Da die Polizei im übrigen das sichergestellte Schild auch nicht zum Zwecke der Beweissicherung für ein späteres Strafverfahren einbehalten hat, lässt ihr Handeln nach außen hin nur darauf schließen, daß sie vorrangig zur Abwehr einer durch das Verhalten des B eingetretenen Störung, d.h. präventiv-polizeilich tätig geworden ist. 5 Als Ermächtigungsgrundlage kommt § 21 I und III ASOG in Betracht, wonach die Polizei berechtigt ist, zur Feststellung der Identität einer Person diese nach den Personalien zu befragen und zu verlangen, daß die mitgeführten Ausweispapiere ausgehändigt werden. 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit sachliche Zuständigkeit: § 4 i.V.m. § 1 I 1 ASOG (Eilfallkompetenz) örtliche Zuständigkeit: § 6 ASOG b) Besondere Verfahrensvorschriften sind nicht zu beachten. c) Allgemeine Verfahrensvorschriften aa) Anhörung des B gem. § 28 I VwVfG Eine vorherige Anhörung des B ist nach den Umständen entbehrlich gewesen, da ein Fall der Gefahr im Verzug vorlag (§ 1 VwVfG Bln. i.V.m. § 28 II Nr. 1 VwVfG). Außerdem wäre ein etwaiger Anhörungsmangel durch Nachholung gem. § 1 I VwVfG Bln. i.V.m. § 45 I Nr. 3 VwVfG geheilt, da sich B äußern konnte. bb) Bestimmtheit, § 37 I VwVfG: unproblematisch cc) Form, § 37 VwVfG: Der VA konnte mündlich ergehen (§ 37 II VwVfG). dd) Bekanntgabe, § 41 VwVfG: Die Aufforderung ist B mündlich bekannt gegeben worden. 1. a) Materielle Rechtmäßigkeit Handlungsbefugnis Die Aufforderung, sich auszuweisen, ist aber nur dann rechtmäßig, wenn sie den Voraussetzungen des § 21 I ASOG genügt, mithin eine Gefahr abzuwehren war. Eine Gefahr im Sinne des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes ist eine konkrete Gefahr, d.h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht dann, wenn die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie der Bestand, die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger hoheitlicher Gewalt gefährdet sind. 6 In Betracht kommt hier eine Verletzung der subjektiven Rechte des A. Dieser hat nämlich aufgrund einer Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 GrünanlG auf seinen Antrag die Erlaubnis erhalten, auf einem abgegrenzten Gelände der Grünanlage Wuhlheide das Sängerfest zu veranstalten. Mit dieser Erlaubnis hat A das Recht erhalten, auf dem ihm zugebilligten Gelände das Sängerfest nach seinen Vorstellungen zu organisieren und durchzuführen und damit auch den Gemeingebrauch auf der ihm überlassenen Fläche auszuschließen. In dieses Recht hat B mit seiner politischen Demonstration eingegriffen, als er auf dem für die Veranstaltung abgesperrten Gelände sein großes Schild zur Schau getragen hatte. Ob er sich hiermit im Rahmen des Gemeingebrauchs bewegt hat, ist unerheblich, denn die Ausnahmegenehmigung des A schließt diesen gerade aus. B hat damit ein Recht des A verletzt. In Betracht kommt hier auch eine Auseinandersetzung mit dem Recht des B auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG. Dieses Recht ist aber durch die allgemeinen Gesetze, d.h. solche, die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, sondern dem Schutze eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen, beschränkt. Ein solches Gesetz ist das Berliner Grünanlagengesetz. Die Meinungsfreiheit kann durch dieses Gesetz aber nur dann eine Beschränkung erfahren, wenn die Einschränkung verhältnismäßig ist und dem überragenden Rang der Meinungs-freiheit gerecht wird. So unterliegt die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit durch den Gemeingebrauch anderen Kriterien als die Einschränkung durch ein Sondernutzungsrecht. Das Sondernutzungsrecht des A kollidiert daher mit dem Recht des B auf freie Meinungsäußerung. Da aber auch die Meinungsfreiheit ihre Grenzen in der Verletzung der Grundrechte anderer findet (hier: Handlungsfreiheit des A) und A das Sondernutzungsrecht eingeräumt war, muß der Schutz der Meinungsfreiheit dann hinter dem Schutz der Rechte des B zurücktreten. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist daher betroffen. Ein polizeiliches Einschreiten zum Schutz privater Rechte ist hier nicht gegeben, denn das Sondernutzungsrecht ist A durch hoheitliche Genehmigung übertragen und beruht nicht auf einem privaten Recht. Es liegt ein polizeiliches Einschreiten zum Schutze subjektiver öffentlicher Rechte vor. Es bestand mithin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die es abzuwehren galt. b) Adressat Die Maßnahme richtet sich gegen B als Verhaltensstörer nach § 13 I ASOG. 7 c) Ermessen Der Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme von Ermessensfehlern der Polizei. d) Verhältnismäßigkeit Die Maßnahme muß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, § 11 ASOG. Die Aufforderung an den B, sich auszuweisen, ist ein kurzfristiges Anhalten und keine Freiheitsentziehung i.S.d. Art. 104 II GG. Sie ist die den B am geringsten beein-trächtigende Maßnahme, mithin das "mildeste Mittel". Die Aufforderung an B, sich auszuweisen, ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. I. Mitnahme zur Wache zum Zwecke der Identitätsfeststellung 1. Ermächtigungsgrundlage für diese polizeiliche Handlung ist § 21 III ASOG. 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit Fraglich ist, ob es für diese Maßnahme einer richterlichen Entscheidung nach § 31 I 1 ASOG i.V.m. Art. 104 II 1 DD bedarf, denn mit der Sistierung ist die Grenze des kurzzeitigen Anhaltens zu einer längerfristigen Unterbrechung der Fortbewegung überschritten. Damit steht die Entscheidungskompetenz über die Zulässigkeit der Maßnahme dem Amtsgericht Tiergarten nach § 31 III ASOG zu. Nach § 31 I 2 ASOG ist die richterliche Entscheidung aber dann entbehrlich, wenn anzunehmen ist, daß die Entscheidung des Richters erst nach Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahme ergehen würde. Auch wenn aus dem Sachverhalt keine Bemühungen der Polizei zur Erlangung einer richterlichen Entscheidung erkennbar sind, ist wegen der nur in der Zeit der Identifizierungsmaßnahmen andauernden Sistierung anzunehmen, daß die Voraussetzungen des Abs. I S. 2 gegeben sind. Wegen der weiteren formellen Voraussetzungen wird auf die vorausgegangenen Ausführungen verwiesen; formelle Mängel sind nicht erkennbar. 8 1. Materielle Rechtmäßigkeit An der materiellen Rechtmäßigkeit bestehen insofern keine Bedenken, als das Festhalten des B und die Mitnahme auf die Wache eine Folgemaßnahme der Polizei war, die § 21 III 3 ASOG für den Fall vorsieht, daß die Aufforderung an B, sich auszuweisen, erfolglos geblieben ist. Die Maßnahme ist daher auch verhältnismäßig nach § 11 ASOG. I. Anordnung der Sicherstellung des Schildes 1. Ermächtigungsgrundlage Als Ermächtigungsgrundlage kommt § 38 Nr. 1 ASOG in Betracht, denn die Maßnahme ist darauf gerichtet, den Alleingewahrsam der Polizei an dem Schild zu begründen. Die Sicherstellung umfasst die Anordnung, d.h. das Verlangen an den Betroffenen die sicherzustellende Sache herauszugeben und deren Vollzug durch Begründung eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses ( § 39 ASOG). 2. Formelle Rechtmäßigkeit Die Anordnung ist formell rechtmäßig ergangen, vgl. Ausführungen unter I.2. 3. Materielle Rechtmäßigkeit Die Sicherstellung kann dann von der Polizei getroffen werden, wenn eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren ist. Eine Gefahr ist dann gegenwärtig, wenn das schädliche Ereignis bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Da B laut Sachverhalt auch nach Beendigung der Sistierung von seinem Vorhaben nicht ablassen wollte, bestand die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß B nach der Entlassung von der Polizeidienststelle direkt wieder mit seinem Schild zur Wuhlheide eilt, um dort die Veranstaltung des A zu stören. 9 B. Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen gegen die "Skinheads" Die Handlungen der Polizei stellen sich als folgende, jeweils einzeln zu beurteilende Teil-Handlungen dar: 1. Aufforderung an die Gruppe, das störende Treiben zu unterlassen, 2. Aufforderung, die Veranstaltung zu verlassen und 3. Abdrängen an den Rand des Geländes auf die Funkstreifen zu. I. Aufforderung an die Gruppe, das "Treiben" zu unterlassen 1. Ermächtigungsgrundlage Die Aufforderung bedeutet einen Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG, so daß es hierfür einer Ermächtigungsgrundlage bedarf. Fraglich ist zunächst, ob die Polizei hier auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr tätig geworden ist oder ob sie strafverfolgend gehandelt hat. Die Skins haben sich nämlich mit dem Singen des Horst-Wessel-Liedes und dem Erheben des rechten Armes zum sog. Hitlergruß des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole nach § 86a StGB strafbar gemacht. Abgestellt auf den Schwerpunkt des polizeilichen Handelns hat die Polizei ausweislich des Sachverhalts aber gehandelt, um die Störung des Sängerfestes zu unterbinden. Aus dem Sachverhalt wird nicht deutlich, daß die Polizei zur Verfolgung von Straftaten als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft tätig werden wollte. Zudem stellt auch die Verletzung von Strafrechtsnormen immer eine Verletzung der Rechtsordnung dar, die zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gehört. Als Ermächtigungsnorm kommt die Generalklausel des § 17 I ASOG in Betracht. 2. Formelle Rechtmäßigkeit Bei der Aufforderung handelt es sich um einen Verwaltungsakt in Form der Sammelverfügung, der sich an jeden Skinhead der Gruppe richtet. Die sachliche (Eilfallkompetenz) und die örtliche Zuständigkeit der Polizei sind gegeben. Besondere Verfahrensvorschriften sind nicht zu beachten. Von der Anhörung der Betroffenen konnte gem. § 28 II Nr. 1 VwVfG abgesehen werden. 10 3. Materielle Rechtmäßigkeit Die Generalklausel fordert, daß eine Störung entweder bereits andauert oder im Einzelfall einem Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung droht. Unter Bezugnahme auf die vorausgegangenen Ausführungen liegt in der Störung des Sängerfestes des A und in der Verwirklichung des Straftatbestandes des § 86 StGB eine Verletzung des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit vor. Es besteht daher eine konkrete Gefahr. Die Aufforderung ist an die Skinheads als Verhaltensstörer i.S.d. § 13 ASOG gerichtet. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wurde beachtet, da in diesem Zeitpunkt die Aufforderung, das störende Verhalten zu unterlassen, das die Skins am wenigsten beeinträchtigende Mittel war zum Zwecke der Beendigung der Störung war. Die Maßnahme ist folglich sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. I. Aufforderung an die Gruppe, die Veranstaltung zu verlassen 1. Ermächtigungsgrundlage Die Aufforderung bedeutet einen Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Bewegungsfreiheit aus Art. 2 II GG bzw. in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG (str.), so daß es hierfür einer Ermächtigungsgrundlage bedarf. Als Ermächtigungsnorm kommt § 29 I ASOG, der den Platzverweis regelt, in Betracht. 2. 3. Formelle Rechtmäßigkeit vgl. Ausführungen zu I.2. Materielle Rechtmäßigkeit vgl. Ausführungen zu I.3. Die Maßnahme ist folglich sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. 11 I. Abdrängen der Skinheads an den Rand des Geländes zu den Funkstreifenwagen 1. Ermächtigungsgrundlage Das Abdrängen ist die Vollziehung der Platzverweisung durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs im gestreckten Verwaltungsvollstreckungsverfahren gem. §§ 6 I, 12 VwVG i.V.m. § 1 UZwG Bln. 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit, § 7 VwVG bb b) Rechtmäßigkeit der Androhung des unmittelbaren Zwanges Mit der Androhung der Entfernung soll die Gruppe Skinheads gezwungen werden, ihr störendes Verhalten zu beenden. Es handelt sich dabei um die Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung des Platzverweises, deren Rechtmäßigkeit sich nach § 13 VwVG richtet. Die gem. § 13 II VwVG gleichzeitig mit dem Platzverweis ergangene Androhung der Entfernung vom Veranstaltungsgelände unter Anwendung von Gewalt enthält die konkrete Ankündigung eines bestimmtem Zwangsmittels (Gewalt) nach § 13 III 1 VwVG. Weiterhin muß eine angemessene Frist gesetzt werden, innerhalb derer dem Verantwortlichen Gelegenheit gegeben wird, seiner Pflicht nachzukommen (§ 13 I 2 VwVG). Die hier gesetzte Frist von 1 Minute erscheint angemessen, da es den Skins zuzumuten ist, innerhalb dieser Zeit ihr störendes Verhalten einzustellen. Grundsätzlich soll die Androhung von Zwangsmitteln gem. § 13 I 1 schriftlich erfolgen, was hier unterblieben ist. Die Entbehrlichkeit der Schriftlichkeit ergibt sich jedoch zum einen aus dem Blick auf § 13 II VwVG, denn danach kann wie hier die Androhung mit dem Grund-VA verbunden werden. Ist aber für den Grund-VA die Möglichkeit der Mündlichkeit gegeben, wie sich aus § 37 II VwVfG ergibt, wäre es widersinnig, für die Androhung die Schriftlichkeit zu fordern. Zum anderen kann die Androhung im Gefahrenabwehrrecht durch die Vollzugspolizei dann mündlich ausgesprochen werden, wenn die mit der Schriftlichkeit verbundene Verzögerung die Abwehr der Gefahr nicht rechtzeitig gewährleisten würde (§ 6 II VwVG). Die Androhung konnte demnach mündlich erfolgen. Die Festsetzung des Zwangsmittels gem. § 14 VwVG war entbehrlich, da hier vom Vorliegen 12 einer Situation des Sofortvollzugs (§ 6 II VwVG Bln) ausgegangen werden kann. Die Androhung der Entfernung unter Anwendung von Gewalt ist daher rechtmäßig. 1. Materielle Rechtmäßigkeit Die Grundverfügung des Platzverweises ist mit Bekanntgabe wirksam geworden (§ 43 VwVfG). Der Platzverweis hat auch einen vollstreckbaren Inhalt, da er auf Unterlassung einer bestimmten Handlung gerichtet ist. Des Weiteren müsste die Grundverfügung entweder unanfechtbar sein, die sofortige Vollziehung gem. § 80 II Nr. 4 VwGO müsste angeordnet worden sein oder ein Rechtsmittel dürfte keine aufschiebende Wirkung haben ( § 6 II VwVG Bln). Die Aufforderung der Polizei, die Störung des Sängerfestes zu unterlassen, ist als unaufschiebbare Anordnung und Maßnahme der Polizei gem. § 80 II Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar. Die schnelle Beseitigung der Störung des Sängerfestes ist nur durch das Abdrängen der Skins möglich, da sämtliche Aufforderungen, die Störung selbst zu unterbinden, erfolglos geblieben sind. Bei dem Verhalten der Skins ist das Abdrängen als Einwirkung mit körperlicher Gewalt auch angemessen und verhältnismäßig. Da die Skins mit ihrem Singen die Veranstaltung des A erheblich störten und auch die Zuhörer des Sängerfestes, vor allem Kinder und ältere Menschen, durch die Zuspitzung der Lage gefährdet werden könnten, ist das Abdrängen an den äußeren Rand des Geländes die notwendige und verhältnismäßige Durchsetzung der Aufforderung, die Störung zu unterlassen. Als das Sängerfest nicht mehr gestört wurde, weil die Skins nach dem Abdrängen verstummten, war wegen Erreichen des polizeilichen Zweckes die Maßnahme gem. § 4 I 2 UZwG Bln zu beenden, was im vorliegenden Fall auch geschehen ist. Das Anwenden des unmittelbaren Zwanges ist somit rechtmäßig gewesen.