Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen

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Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen
Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von
Stahlbetonbauteilen
Referent: Dr.-Ing. Nguyen Viet Tue, König und Heunisch Beratende Ingenieure, Frankfurt am Main
1
Einleitung
Im allgemein müssen Bauwerke standsicher, dauerhaft und gebrauchstauglich konstruiert werden. Die
Nachweise in der neuen Norm DIN 1045-1 zielen direkt auf die Sicherstellung dieser Eigenschaften der
Stahlbeton- und Spannbetonbauteile ab.
Der Nachweis der Standsicherheit soll die Wahrscheinlichkeit eines Versagens von Bauwerk auf einen für
-9
Menschen und Volkswirtschaft vertretbares Maß begrenzen (p=10 ). Aus diesem Grund werden sowohl die
Einwirkungen als auch Materialeigenschaft mit Sicherheitsfaktoren größer als 1,0 versehen, die den Einfluß
der Streuung der einzelnen Faktoren auf die Tragkapazität der Bauwerke berücksichtigen.
Mit dem Nachweis der Gebrauchstauglichkeit soll die geplante Nutzungsfunktion des Bauwerks ohne Einschränkung des Wohlbefindens der Nutzer sichergestellt werden. Hierzu gehören die Begrenzung der Spannung in Beton und Bewehrung, der Durchbiegung und der Rißbreite.
Die Einhaltung der Konstruktionsregel für die Dauerhaftigkeit soll die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit innerhalb der vorgesehenen Nutzungsdauer ohne großen Kostenaufwand sicherstellen. Hierzu gehören u.a. die Einhaltung der Betondeckung und die Wahl der Betonfestigkeitsklasse.
In diesem Beitrag werden die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit in DIN 1045-1 vorgestellt und kurz erläutert.
2
Dauerhaftigkeit
Vor dem Hintergrund, daß Bauwerke außer Beanspruchung infolge Kraft- und Verformungseinwirkungen
auch den chemischen und physikalischen Einflüssen ausgesetzt sind, werden die Nachweise der Dauerhaftigkeit in DIN 1045-1 eingeführt. Die angegebenen Grenzwerte in der Norm sind verbindlich. Die Nachweise
gelten als erfüllt, wenn die Konstruktionsregel gemäß den Tabellen 1, 2 und 3 sowie die Regel zur Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit und Standsicherheit eingehalten werden. Man unterscheidet hierbei grundsätzlich zwischen
•
Angriff auf Beton (Betonkorrosion) und
•
Angriff auf Bewehrung (Bewehrungskorrosion).
An dieser Stelle ist zu bemerken, daß die Regel für die Dauerhaftigkeit nicht nur den obligatorischen Nachweisen für Stahlbeton und Spannbetontragwerke dienen, sondern auch die Ingenieure und Architekten zur
Wahl von Tragwerkssystemen mit geringen Unterhaltungskosten anregen sollten.
DIN 1045-1: Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen
1
Tabelle 1: Umgebungsklassen für Bewehrungskorrosion
Ursache der Umgebungsklassen
Bewehrungskorrosion
Beispiele für Umgebungsklassen
Mindestfestigkeitsklasse
kein Angriffs- X0
risiko
Bauteil ohne Bewehrung in nicht Beton angreifender Umgebung
C12/15
kein Angriffsrisiko
XC1 Trocken
LC12/13
Bauteile in Innenräumen mit normaler Luftfeuchte C16/20
LC 16/18
Karbonatisierungsinduzierte
Korrosion
Chloridinduzierte
Korrosion
Chloridinduzierte
Korrosion
aus
Meerwasser
XC2 Naß, selten trocken
C16/20
LC16/18
XC3 Mäßige Luftfeuchte
Bauteile, zu denen die Außenluft häufig oder
ständig Zugang hat, z.B. offene Hallen und Garagen und Innenräume mit hoher Luftfeuchte
C20/25
LC20/22
XC4 Wechselnd naß und
trocken
Außenbauteile mit direkter Beregnung, Bauteile in C25/30
Wasserwechselzonen
LC 25/28
XD1 Mäßige Feuchte
Bauteile im Sprühnebelbereich von
Verkehrsflächen
XD2 Naß, selten trocken
Schwimmbecken; Bauteile, die chloridhaltigen
Industriewässern ausgesetzt sind.
XD3 Wechselnd naß und
trocken
Bauteile im Spritzwasserbereich von tausalzbehandelten Straßen; direkt befahrene Parkdecks
C30/37
LC30/33
XS1 Salzhaltige Luft, kein Außenbauteile in Küstennähe
unmittelbarer Meerwasser-Kontakt
Unter Wasser
XS2
Gezeitenzonen,
XS3 Spritz- und Sprühwasserzonen
2
Teile von Wasserbehältern, Gründungsbauteile
C35/45
LC 35/38
C35/45
LC 35/38
C30/37
LC 30/33
Bauteile in Hafenbecken, die ständig unter Wasser liegen
C35/45
LC 35/38
Kaimauern in Hafenanlagen
C35/45
LC 35/38
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Tabelle 2: Umgebungsklassen für Betonangriff
Art des
Betonangriffs
Umgebungsklasse
Beispiele für Umgebungsbedingung
kein
Angriffsrisiko
X0
kein Angriffsrisiko
Bauteil ohne Bewehrung in nicht Beton
angreifender Umgebung
XA1
chemisch schwach
angreifende
Umgebung
Bauteile von Kläranlagen; Güllebehälter
XA2
chemisch mäßig
angreifende
Umgebung
Betonbauteile, die mit Meerwasser in Berührung C35/45
kommen; Bauteile in stark betonangreifenden
LC35/38
Böden und Grundwässern
XA3
chemisch stark
angreifende
Umgebung
Industrieabwasseranlagen mit sehr stark chemisch angreifenden Abwässern
C35/45
LC35/38
XF1
Mäßige Wassersättigung ohne
Taumittel
Außenbauteile
C25/30
LC25/28
XF2
Mäßige Wassersättigung mit Taumittel
Bauteile im Sprühnebelbereich von Tausalzbehandelten Verkehrsflächen oder Sprühbereich
von Meerwasser
C25/30
LC 25/28
XF3
Hohe Wassersättigung ohne
Taumittel
XF4
Hohe Wassersättigung mit Taumittel
mit Tausalz behandelten Bauteile; Bauteile im
Spritzwasserbereich von tausalzbehandelten
Verkehrsflächen oder in der Wechselzone von
Meerwasser; direkt befahrene Parkdecks,
Räumerlaufbahnen von Kläranlagen
XM1
mäßiger Verschleiß
Direkt befahrene Bauteile mit mäßigem Verkehr C30/37
LC 30/33
XM2
schwerer Verschleiß Direkt befahrene Bauteile mit schwerem Gabelstaplerverkehr; direkt beanspruchte Bauteile in
Industrieanlagen, Silos
Angriff durch
aggressive
chemische
Umgebung
Frost-TauwechselAngriff
VerschleißAngriff
XM3
Mindestfestigkeitsklasse
C12/15
LC12/13
C25/30
LC 25/28
C25/30
Offenen Wasserbehälter; Bauteile in der Wech- LC 25/28
selwasserzone von Süßwasser
C30/37
LC 30/33
C30/37
LC 30/33
Extremer Verschleiß Direkt befahrene Bauteile, die häufig mit Ketten- C35/45
fahrzeugen befahren werden
LC 35/38
Basierend auf der Umgebungsklasse wird die Betondeckung gewählt, um die Bewehrung vor Korrosion zu
schützen. Da Spannstahl eine höhere Empfindlichkeit hat, muß für Spannbetonbauteile eine größere Betondeckung gewählt werden. Außer Korrosionsschutz soll die Betondeckung eine sichere Übertragung der Verbundkräfte und angemessenen Brandschutz gewährleisten.
DIN 1045-1: Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen
3
Tabelle 3: Mindestbetondeckung Cmin und Vorhaltemaß ∆c
1 2
Mindestbetondeckung Cmin in [mm] ) )
Umgebungsklasse
Betonstahl
Spannglieder mit sofortigem und
3
nachträglichem Verbund )
Vorhaltemaß ∆c in [mm]
XC1
10
20
10
XC2
20
30
XC3
20
30
XC4
25
35
40
50
40
50
XD1
XD2
15
4
XD3 )
XS1
XS2
XS
1
) Die Werte dürfen für Bauteile, deren Betonfestigkeit um 2 Festigkeitsklassen höher liegt als nach
Tabelle 1 erforderlich ist um 5 mm vermindert werden. Für Bauteile der Umgebungsklasse XC1 ist
diese Abminderung nicht zulässig.
2
) Wird Ortbeton kraftschlüssig mit einem Fertigteil verbunden, dürfen die Werte an der Fuge zugewandten Rändern auf 5 mm im Fertigteil und auf 10mm im Ortbeton verringert werden. Die Bedingungen zur Sicherstellung des Verbunds müssen eingehalten werden, sofern die Bewehrung im Bauzustand ausgenutzt wird
3
) Dabei bezieht sich die Mindestbetondeckung auf die Oberfläche des Hüllrohrs
4
) Im Einzelfall können besondere Maßnahmen zum Korrosionsschutz der Bewehrung nötig sein
4
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3
Gebrauchstauglichkeit
3.1 Allgemeines
Selten gibt es Streit zwischen Bauherrn und Auftragnehmer wegen Tragfähigkeitsprobleme, leider aber zu
viele wegen der Gebrauchstauglichkeit. Hierbei hat die Rißbildung den größten Anteil. Für alle am Bau Beteiligter ist es eine unzufriedene Situation, wenn Rechtanwälte über die Zulässigkeit und Folge der Risse philosophieren.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß die in DIN 1045-1 angegebenen Grenzwerte für Rißbreiten
und Durchbiegung Richtwerte sind, d.h. sie müssen nicht unbedingt eingehalten werden. Der Auftragnehmer
sollte jedoch dem Bauherrn Konsequenzen und Folge der verschiedenen Alternative klar darstellen. Dies ist
vor allem bei Bauteilen mit hoher Anforderung an Gebrauchstauglichkeit und bei Systemen mit hoher Empfindlichkeit gegen Rißbildung, besonders wichtig, wie z.B. Parkhaus oder Anlagen für den Umweltschutz.
Zu der Gebrauchstauglichkeit gehören folgende Nachweise
•
Begrenzung der Stahl und Betonspannung
•
Begrenzung der Durchbiegung
•
Begrenzung der Rißbreite
3.2 Begrenzung der Stahl und Betonspannung
Hintergrund für die Begrenzung der Beton- und Stahlspannung ist die bleibende Verformung im Gebrauchszustand. Dies kann durch hohe Stahlspannung und/oder durch nichtlineares Betonkriechen bei hoher Spannung hervorgerufen werden.
⇒ Für Beton
• unter seltener Einwirkungskombination
0,60 fck
• unter quasi ständiger Einwirkungskombination
0,45 fck
⇒ Für Stahl
• unter seltener Lastkombination
0,8 fyk
• ausschließlich unter Zwang
1,0 fyk
In der Regel ist dieser Nachweis nicht maßgebend, wenn die Umlagerung der Schnittgrößen nicht größer als
15 % realisiert wird.
DIN 1045-1: Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen
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3.3 Begrenzung der Durchbiegungen
Zuerst ist zu erwähnen, daß zwischen
• Durchhang (vertikale Verformung bezogen auf die Verbindungslinie des Bauteils) und
• Durchbiegung (vertikale Verformung bezogen auf die Systemlinie des Bauteils)
unterschieden wird, um z.B. Schalungsüberhöhung bei der Bauausführung zu berücksichtigen.
Für das Erscheinungsbild und die Gebrauchstauglichkeit wird ein Durchhang unter quasi-ständiger Einwirkungskombination von 1/250 der Stützweite als akzeptabel gesehen. Bei Bauwerken mit gegenüber Durchbiegung empfindlichen Bauteilen (z.B. leichte Trennwände) soll die nach dem Einbau solcher Bauteile auftretende Durchbiegung nicht größer als 1/500 der Stützweite betragen.
Die Durchbiegung läßt sich allgemein wie folgt angegeben.
l
f =
1
⋅ M ( x) M dx
EI ∫0
(1)
Es ist jedoch nicht einfach, Durchbiegungen von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen realistisch abzuschätzen. Ursachen hierfür liegen daran, daß die Durchbiegung von mehreren stark streuenden Faktoren beeinflußt wird. Im einzelnen sind dies:
• lastabhängige Steifigkeit,
• Kriechen und Schwinden,
• Streuung der Betoneigenschaften, vor allem die Zugfestigkeit.
Nicht zuletzt ist die Modellierung des tatsächlichen statischen Systems wegen der ungewollten Einspannung,
insbesondere im Hochbau, sehr aufwendig.
Im Rahmen der Erstellung der DIN 1045-1 wurden zahlreiche Kontrollrechnungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, daß aufwendige Berechnungen in manchen Fällen nicht den gewünschten Effekt bringen; die
Rechenergebnisse bestätigen nicht die Erfahrungen in den letzten Jahren, wie Bild 1 verdeutlicht.
Grenzwert für normale Anforderung
Grenzwert für hohe Anforderung
600
Verhältnis l/f [-]
500
400
300
200
100
0
4
5
6
7
8
9
Spannweite [m]
Bild 1: Verhältnis zwischen Spannweite und Durchbiegung bei einem Einfeldträger
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Vor diesem Hintergrund wird in DIN 1045-1 auf die Angabe eines Rechenverfahrens verzichtet. Es wird auf
die Erfahrungswerte der letzten Jahre zurückgegriffen. Die Durchbiegung wird durch Einhaltung der Biegeschlankheit begrenzt. Es gelten
• allgemein bei Deckenplatten
li
≤ 35
d
• Deckplatten mit hoher Anforderung
l i2
≤ 150
d
Hierbei ist li die Ersatzstützweite unter Berücksichtigung des statischen Systems. Bei linienförmig gelagerten,
rechteckigen Platten ist der kleinere der beiden Ersatzstützweiten maßgebend. Bei punktförmig gelagerten
Platten gilt der größere Grenzwert.
3.4 Begrenzung der Rißbreite
Mittlerweile hat die Meinung durchgesetzt, daß Risse in Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen kein nennenswertes Gefährdungspotential beinhalten, wenn sie in Abhängigkeit der Umgebung und Empfindlichkeit der
Bewehrung auf ein bestimmtes Maß begrenzt wird. In DIN 1045-1 wird diese Leitlinie durch folgende Maßnahmen umgesetzt:
•
Einführung der Mindestanforderungsklassen gemäß Tabelle 4.
•
Festlegung der für den Rißbreitennachweis maßgebenden Einwirkungskombination gemäß Tabelle 5
Tabelle 4: Anforderungen an die Begrenzung der Rißbreite und die Dekompression
Anforderungsklasse
Einwirkungskombination für den Nachweis der
Dekompression
Rißbreitenbeschränkung
Rechenwerte der Rißbreite wk
[mm]
A
selten
-
B
häufig
selten
C
quasi-ständig
häufig
D
-
häufig
E
-
quasi-ständig
0,3
F
-
quasi-ständig
0,4
DIN 1045-1: Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen
0,2
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Tabelle 5: Mindestanforderung in Abhängigkeit von der Umgebungsklasse
Umgebungsklasse für
Bewehrungskorrosion
Vorspannung mit
nachträg. Verbund
Vorspannung mit
sofortigem Verbund
Vorspannung
ohne Verbund
Stahlbetonbauteile
XC0 XC1
D
D
F
F
1
C
E
E
1
B
E
E
XC2, XC3, XC4
XD1, XD2, XS1, XS2,
XS3
XD3
C )
C )
besondere Maßnahmen
1
) Wird der Korrosionsschutz anderweitig sichergestellt, darf Anforderungsklasse D verwendet werden. Hinweise hierzu sind in den bauaufsichtlichen Zulassungen der Spannverfahren zu entnehmen.
An dieser Stelle ist anzumerken, daß die angegebenen rechnerischen Rißbreite allein auf den Korrosionsschutz zielt. Zur Sicherstellung der Dichtheit ist allgemein eine wesentlich kleinere Rißbreite erforderlich (siehe dazu z.B. [2]).
Das Nachweiskonzept in DIN 1045-1 basiert auf dem Konzept von EC2, Teil 2 [3], das in [4] ausführlich beschrieben ist. Mit diesem Konzept kann der Prozeß der Rißbildung (vom Einzelriß bis zu abgeschlossener
Rißbildung) in Stahlbetonbauteilen realistischer beschrieben werden als mit dem Konzept in DIN 1045-88.
Außerdem kann die Modifizierung für Spannbeton auf relativ einfacher Weise erfolgen. Darüber hinaus hat
Hegger [5] gezeigt, daß mit dem neuen Konzept die Rißbreiten in Bauteilen aus hochfestem Beton wesentlich
besser erfaßt werden können.
Bild 2: Einzelriß und abgeschlossenes Rißbild (Bild 2a auf der folgenden Seite)
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Bild 2a: abgeschlossenes Rißbild
Die rechnerische Rißbreite kann gemäß dem Konzept der DIN 1045-1wie folgt ermittelt werden:
wk = s r max ⋅ (ε sm − ε cm )
(2)
Hierbei sind
wk
Rechenwert der maximalen Rißbreite
srmax maximaler Rißabstand
εsm
mittlere Dehnung der Bewehrung unter der maßgebenden Einwirkungskombination
εcm
mittlere Betondehnung zwischen den Rissen
Gemäß Bild 2 entsteht der maximale Rißabstand in einem Bauteil dort, wo zwischen zwei Rissen die Betonspannung gerade die Zugfestigkeit erreicht. Er läßt sich wie folgt angeben:
s r max = 2 ⋅
Ac ,eff ⋅ f ctm
τ sm ⋅ u s
=
d s ⋅ f ctm
σ ⋅d
≤ s s
2 ⋅ τ sm ⋅ ρ eff
2 ⋅ τ sm
(3)
Mit der Begrenzung
σ s ⋅ ds
2 ⋅ τ sm
(4)
werden Randbedingungen bei Einzelriß berücksichtigt, da hierbei die von Stahl aufzunehmende Kraft und
nicht die Rißkraft der effektiven Zugzone den Rißabstand bestimmt.
DIN 1045-1: Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen
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Bild 3: mittlere Beton und Stahldehnung zwischen den Rissen
Gemäß dem Bild 3 kann die Differenz wischen mittlerer Stahl- und Betondehnung wie folgt angegeben werden:
σ s − 0,4 ⋅
ε sm − ε cm =
f ct ,eff
ρ eff
⋅ (1 + α e ⋅ ρ eff )
Es
≥ 0,6 ⋅
σs
Es
(5)
Mit dem Faktor 0,4 wird der Einfluß der Dauerlast auf die Verschlechterung des Verbunds berücksichtigt. Mit
der Begrenzung
0,6 ⋅
σs
Es
(6)
wird das Verhältnis bei Einzelriß einschließlich des Einflusses der Dauerlast auf die Vergrößerung der Rißbreite berücksichtigt.
10
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Werden die beiden Gln. (4) und (5) in Gl. (2) eingesetzt, so erhält man den Zusammenhang zwischen rechnerischer Rißbreite und Stabdurchmesser
ds =
f ct ,eff
ds =
2 ⋅ wk ⋅ τ sm ⋅ E s ⋅ ρ eff
f ct ,eff
⋅ (σ s − 0,4 ⋅
⋅ (1 + α e ⋅ ρ eff ))
ρ eff
(7)
2 ⋅ wk ⋅ τ sm ⋅ E s ⋅ As2
Fcr ⋅ ( Fs − 0,4 ⋅ Fcr ⋅ (1 + α e ⋅ ρ eff ))
(8)
2
Die Auswertung der Gl. (7) für eine Spannung σs = 240 N/mm ist in Bild 4 dargestellt. Für andere Parameter
werden folgende Annahmen getroffen:
τsm = 1,8 · fct,eff
2
fct,eff = 3,0
N/mm
Es = 200.000 N/mm
2
Grenzdurchmesser [mm]
25
20
15
10
σs=240 N/mm2
5
0
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
Bewehrungsgrad [%]
Bild 4: Stabdurchmesser als Funktion des Bewehrungsgrads
Für die Aufstellung der Durchmessertabelle in DIN 1045-1 wird der ungünstigste Fall (Fs = Fcr) zugrunde
gelegt, damit eine allgemeine Anwendung der Tabelle möglich ist. Zwischen den Stabdurchmessern und
Stahlspannung besteht bei τsm = 1,8·fct,eff folgender Zusammenhang
ds =
3,6 ⋅ wk ⋅ E s ⋅ f ct ,eff
0,6 ⋅ σ
2
s
= 6 ⋅ wk ⋅ E s ⋅
f ct ,eff
σ s2
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(9)
11
Bild 5 zeigt die Auswertung der Gl.(9) für verschiedene wk. Hierbei wird mit einer Zugfestigkeit von 3,0 N/mm
berechnet.
2
Grenzdurchmeser [mm]
150
wk=0,2mm
wk=0,3mm
wk=0,4mm
100
50
0
100
200
300
400
500
Stahlspannung [N/mm2]
Bild 5: Grenzdurchmesser als Funktion der Stahlspannung
Vergleicht man die beiden Bilder 4 und 5 miteinander, so kann ist erkennbar, daß mit zunehmender Kraft Fs
ein größerer Stabdurchmesser bei gleicher Stahlspannung möglich ist. Der Zusammenhang kann wie folgt
geschrieben werden:
d s = d s , gl .( 9) ⋅
0,6 ⋅ Fs
(10)
F
Fcr ⋅ (1 − 0,4 ⋅ cr )
Fs
Tabelle 6: Grenzdurchmesser für die Begrenzung der Rißbreiten
Stahlspannung
[N/mm2]
12
Grenzdurchmesser der Stäbe [mm]
wk = 0,4 mm
wk = 0,3 mm
wk = 0,2mm
160
28
28
28
200
28
28
18
240
25
19
13
280
20
14
9
320
14
11
7
360
11
8
6
400
9
7
5
450
7
5
4
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Auf der sicheren Seite liegend, insbesondere für den Übergangsbereich zwischen Einzelriß und abgeschlossener Rißbildung, wird in DIN 1045-1 angegeben, daß der Grenzdurchmesser mit folgendem Faktor modifiziert werden darf:
d s = d s ,Tab ⋅
σ s ⋅ As
≥ ds, Tab
4 ⋅ (h − d ) ⋅ b ⋅ f ct , 0
(11)
Auf ähnlicher Weise kann ebenfalls der Zusammenhang zwischen Stababstand und Stahlspannung hergeleitet werden. Dies kann z. B. [4] entnommen werden. An dieser Stelle ist zu bemerken, daß die Anwendung
der Stababstandstabelle bei mehrlagiger Bewehrungsanordnung auf der unsicheren Seite liegen kann, da für
die Herleitung dieser Tabelle eine einlagige Bewehrungsanordnung zugrunde gelegt wird. Nach Auffassung
des Verfassers sollte auf diese Stababstandstabelle verzichtet werden, insbesondere bei Bauteilen mit hohen
Anforderungen an die Dichtheit.
Die Erweiterung für den Spannbeton wird in diesem Konzept so realisiert, daß die Mitwirkung des Spannstahls einerseits zu einem kleineren Rißabstand führt und zum anderen die unterschiedliche Dehnungszunahme zwischen Betonstahl und Spannstahl bei der Rißbildung berücksichtigt wird [6]. Mit anderen Worten
bedeutet dies, daß bei Zusammenwirken von Spannstahl und Betonstahl der effektive Bewehrungsgrad entsprechend der Verbundeigenschaften der beiden Stahlsorten berücksichtigt wird. Dies stellt eine deutliche
Verbesserung gegenüber EC2-1 [7]. Einzelheiten zu Spannbetonbauteilen können [4] entnommen werden.
4
Zusammenfassung
Standsicher, dauerhaft und gebrauchstauglich müssen Stahlbeton- und Spannbetonbauteile geplant werden.
Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit werden in DIN 1045-1 Konstruktionsregel
und Nachweisverfahren angegeben. Hierbei sind die Grenzwerte für die Dauerhaftigkeit verbindlich, für die
Gebrauchstauglichkeit aber nur Richtwerte. Im Hinblick auf die vielen Streitigkeiten wegen der Rißbildung
und zulässigen Rißbreite in der Vergangenheit scheint es sinnvoll, während der Vertragsverhandlung mit dem
Bauherrn über die Möglichkeiten zur Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit des zu errichtenden Bauwerks
zu diskutieren. In vielen Fällen erzeugt eine gute Betontechnologie wesentlich größere Effektivität als die
Mindestbewehrung. Dies gilt insbesondere für Bauteile mit vorwiegender Zwangsbeanspruchung.
DIN 1045-1: Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen
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Literatur
[1]
DIN 1045-1 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Teil 1: Bemessung und Konstruktion.
Entwurf Mai 2000
[2]
Richtlinie für den Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Deutscher Ausschuß für
Stahlbeton 1996
[3]
EC2-2: Planung von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken. Teil 2: Brücken aus Beton. Entwurf
1996.
[4]
König, G., Tue, N.: Grundlagen und Bemessungshilfen für Rißbreitenbeschränkung im Stahlbeton und
Spannbeton. Heft 466 des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton.
[5]
Hegger, J., Empelmann, M.: Zentrische Zugversuche an hochfestem Beton – Vergleich mit Rißformeln. Beton- und Stahlbetonbau 93(1998) Heft 5.
[6]
Tue , N.: Zur Spannungsumlagerung im Spannbeton bei der Rißbildung unter statischer und wiederholter Belastung. Heft 435 des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton.
[7]
EC2-1: Planung von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken, Grundlagen und Anwendungsregel für
den Hochbau. Entwurf 1991.
Autor:
Dr.-Ing. Nguyen Viet Tue, König und Heunisch Beratende Ingenieure, Frankfurt am Main
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