MDK-Forum 1/2007

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MDK-Forum 1/2007
Heft
11. Jahrgang
März 2007
MDK1 Forum
Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung
In dieser Ausgabe
Zum Bypass nach Bangkok
Seite 8
Krankenhaus:
Stichprobenprüfungen sind
wichtiges Prüfinstrument
Seite 12
Was können Pflegende
aus Fehlern lernen?
Seite 28
Mecklenburg-Vorpommern:
MDK organisiert
Mammographie-Screening
Seite 33
ISSN 1610-5346
Globetrotter
Medizin
Globalisierung im Gesundheitssektor
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Kuraufenthalte in Osteuropa, Zähne aus China, aufwändige
Operationen in Fernost und der kompetente polnische Kollege
im benachbarten Kreiskrankenhaus – das sind Auswirkungen
der Globalisierung in der Medizin. Die Frage, ob diese Weltenbummlerei der Medizin Sinn macht, muss wohl nicht mehr
beantwortet werden. Der Zweifler wird von der Realität belehrt:
Immer mehr Deutsche nutzen schon jetzt die Gesundheitsangebote in den benachbarten europäischen Ländern.
Die Gesetzliche Krankenversicherung ist auch mit im Boot.
Nach § 13 SGB V (Kostenerstattung) sind die Versicherten ohnehin berechtigt, Leistungserbringer im europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen –
natürlich unter der Voraussetzung, dass die Qualität stimmt!
Selbst im Krankenhausbereich ist das nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse möglich, wenn ein gleichwertiges Angebot im Inland nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.
Aus meiner Sicht hat der Globalisierungsprozess positive und
bedenkliche Facetten: Dort, wo medizinische Forschung durch
die Nutzung internationaler Verbünde rasend voranschreitet und
globaler Wissensaustausch die Betreuungsangebote für die Versicherten in immer kürzeren Zeitabständen deutlich verbessert,
steht das dicke PLUS im Saldo der Veränderung. Dort allerdings,
wo nur Gesundheitswettbewerb und Kundengewinnung die
Treiber sind, wo mit ausgefeilten Hochglanzbroschüren für die
Herzoperation in Fernost mit anschließendem Badeaufenthalt
geworben wird, und wo allein der Preis über die Sinnhaftigkeit
der Leistung entscheidet, sehe ich ein MINUS!
Wenn Leistungsangebot, Leistungsumfang, Qualität und Preis
in einem gesunden Verhältnis stehen, kann man sich der
Inanspruchnahme weder als Versicherter noch als Krankenkasse
schwerlich verschließen.
Ein weiteres Feld tut sich in Bezug auf die „Konkurrenzfähigkeit“
der Player am deutschen Gesundheitsmarkt auf. Können Krankenhäuser und Arztpraxen dem Globalisierungsdruck überhaupt
standhalten? Ob die neuen Rahmenbedingungen des GKV-WSG,
die die Bundesregierung erst kürzlich geschaffen hat, dazu beitragen werden, Deutschlands Krankenhäuser und Arztpraxen
konkurrenzfähiger zu machen, mag getrost bezweifelt werden.
Hat Deutschland da etwa mal wieder eine Entwicklung
verschlafen?
Spannende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr
Dr. Ulf Sengebusch
MDK-Forum 1/2007
Inhalt
Schwerpunkt
Globetrotter Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Globalisierung im Gesundheitssektor
2
Zahnersatz in Polen
˛
˛ – ............................5
„Nastepny
prosze!”
Die Grenzen in der Gesundheitsversorgung
sollen durchlässiger werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Ein deutsch-schweizerisches Pilotprojekt
8
Zum Bypass nach Bangkok . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Kranken- und Pflegeversicherung
Wohin geht die Qualitätssicherung
in der stationären Versorgung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Krankenhaus: Stichprobenprüfungen sind
wichtiges Prüfinstrument. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
DRG-Begutachtung am Arbeitsplatz
oder im Krankenhaus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Strukturierter Vergleich des MDK Westfalen-Lippe
Schauspieler zur Sprechstunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Pflege: Mehr Lebensqualität durch neue Esskultur . . . . 18
19
Nutzenbewertung innovativer Medizinprodukte . . . . . 20
Expertentag der SEG 5 und der SEG 7
Neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen –
Chancen oder Risiken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Jahrestagung der SEG 3 und SEG 4
Gesundheits- und Sozialpolitik
Pflegebericht 2005 – Ergebnisse und Tendenzen. . . . . . 24
Interview mit Alexander Wagner, MDS
25
Gesundheit – Rauchen – Pflege
Von einer Posse zur nächsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Nach der Reform ist vor der Reform. . . . . . . . . . . . . . . . 27
Beirat „Pflegebedürftigkeitsbegriff“ eingerichtet
Was können Pflegende aus Fehlern lernen? . . . . . . . . . 28
29
Interview mit Heiko Fillibeck, KDA
Organisation und Management
„Miteinander Neuland betreten” . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Interview mit Karl-Heinz Plaumann,
Vorsitzender ISmed-Management
32
MD-Campus auf der Learntec . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
MDK im Dialog
MDK Mecklenburg-Vorpommern
MDK organisiert Mammographie-Screening . . . . . . . . . 33
MDK Sachsen
Pflege-Qualitätsprüfung neu: Ein Jahr danach . . . . . . . 34
MDK Bayern
Fort- und Weiterbildungsangebot
für Kranken- und Pflegekassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
MDK in Hessen
Abrechnungsprüfung von
Blutstammzelltransplantationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1
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Schwerpunkt
Globetrotter Medizin
Globalisierung im Gesundheitssektor –
Wer ist Gewinner, wer Verlierer?
W
enn sich Schüler in einer
nepalesischen Kleinstadt im
Internetcafé über ein Auslandsstudium informieren, wenn eine
deutsche Firma ihre Hemden
in Kambodscha nähen lässt,
wenn Ananasbauern in Ghana
ihre Ernte nach EU-Standards
zertifizieren lassen, wenn ein
indischer Arzt Röntgenbilder
aus einem New Yorker Hospital
online über Nacht befundet –
dann haben wir es mit den
verschiedensten Facetten eines
Themas zutun: der Globalisierung. MDK-Forum geht im
Schwerpunktthema der Frage
nach, wer von der Globalisierung im Gesundheitssektor
profitiert und wer verliert.
Außerdem berichten wir über
die deutsch-schweizerische
Gesundheitsregion Lörrach/
Basel, wie sich Deutsche in
Thailand behandeln lassen
können und über einen Vertrag
der AOK Brandenburg mit
polnischen Zahnärzten.
Licht und Schatten
Die Globalisierung im Bereich
Gesundheit bietet Chancen und
Risiken, die nicht mehr an den
Ländergrenzen Halt machen.
Die wissenschaftliche und technologische Entwicklung findet
heute in globalem Rahmen statt,
und der internationale Wissenstransfer über Präventionsstrategien, Behandlungsverfahren
und Gesundheitsfinanzierungsmodelle verbessert den allgemeinen Erkenntnisstand. Die
Informations- und Kommunikationstechnologie bringt viel
versprechende innovative Möglichkeiten für den Gesundheitssektor mit sich.
Andererseits überschreiten gesundheitsschädliche Lebensstile
die Ländergrenzen, chronische
und nicht übertragbare Krankheiten nehmen weltweit zu.
Infektionskrankheiten breiten
sich im Zuge der wachsenden
Mobilität schneller aus. Durch
die Vorherrschaft der westlichen
Industriestaaten im Globalisierungsprozess wird der westliche
Lebensstil als kulturelles Leitbild
verbreitet, nicht ohne Folgen für
die Gesundheit: Fettlastiges und
stark gesalzenes „Fast Food“,
Alkohol- und Tabakkonsum
sowie verminderte körperliche
Arbeit sind alles andere als
gesundheitsfördernd. HerzKreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Krebsleiden und psychische
Probleme nehmen nicht nur in
Industrieländern zu.
Mangelnde Schutzvorkehrungen
Um Kosten zu sparen, verlagern
viele Unternehmen ihre Produktion in Entwicklungsländer.
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Die Arbeitskräfte sind billiger
und die Anforderungen an
Arbeits- und Umweltschutz oft
weniger streng. Kontrollen sind
lückenhaft oder lassen sich
umgehen. Nur selten werden
mit dem Transfer der Produktionsverfahren auch die in den
Industrieländern gesetzlich verankerten Schutzvorkehrungen
mit transferiert. Gerade dieser
Umstand ist für manch ein
Unternehmen sogar ein ausgewiesener „Standortvorteil“.
Forschung und Entwicklung
nicht im Gleichgewicht
Obwohl über 80 Prozent der
Menschheit in Entwicklungsländern leben, entfällt nur gut
ein Zehntel der globalen Gesundheitsausgaben auf diesen
Teil der Welt. Dieses Missverhältnis spiegelt sich auch in der
Gesundheitsforschung und -entwicklung wider, denn trotz einer
vielfach höheren Krankheitslast
der Entwicklungsländer erfolgen
Forschungsinvestitionen überwiegend in den reichen Ländern
für deren Erkrankungen.
Gesundheitsmarkt ist
„Riesenchance“
Neben den schon immer transnational arbeitenden Pharmaunternehmen treiben große
Krankenhauskonzerne ihre
Expansion über die jeweiligen
Landesgrenzen hinaus. Krankenversicherungsgesellschaften
gehen über die Kontinente hinweg auf Kundenfang. „Wir glauben, dass Indien und China für
global aufgestellte Gesundheitsunternehmen eine Riesenchance darstellen“, sagte Jochen
Messemer vom Vorstand der
Deutschen Krankenversicherung.
Schwerpunkt
Dienstleistungen jagen
um den Globus
Durch die bahnbrechenden Entwicklungen im Informationsbereich können Gesundheitsinformationen über alle räumlichen und zeitlichen Grenzen
hinweg ausgetauscht werden.
Moderne Kommunikationstechnik wird in zunehmendem
Maße zur globalen Gesundheitsüberwachung und -kontrolle
eingesetzt. Auf die Präsenz des
Arztes beim Patienten für Diagnostik und Therapie kann mithilfe der Telemedizin oft verzichtet werden. Und auch Laborleistungen lassen sich in kürzester
Zeit um den Globus jagen.
Havariezonen
Medizinisches Fachpersonal
fehlt in Entwicklungsländern
Globalisierte Gesundheitsdienstleistungen lösen Wanderungsbewegungen von Beschäftigten
in diesen Berufen aus. Typische
„Export-Länder“ sind Indien,
die Philippinen und Südafrika,
von wo aus Ärzte, Pflege- und
technisches Personal in den
Mittleren Osten, die USA,
Großbritannien und Australien
übersiedeln. Und das mit verheerenden Folgen: Etwa 70 Prozent aller philippinischen Krankenschwestern arbeiten außerhalb des Landes. In Südafrika
verlässen 30 bis 50 Prozent aller
Absolventen der medizinischen
Fakultäten das Land kurz nach
dem Examen.
Deutsche schätzen besseres
Arbeitsklima im Ausland
Auch deutsche Ärzte zieht es ins
Ausland. Auf der Beliebtheitsskala ganz oben stehen die
USA, Schweden, England und
die Schweiz. Nach Angaben der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) arbeiten über
12.000 deutsche Ärzte im Ausland – Tendenz steigend. Eine
eigene Gesundheitsdienstleistungsrichtlinie der EU soll künftig Rechtssicherheit für Ärzte
schaffen, die sich im EU-Aus-
land niederlassen oder zeitweilig
dort arbeiten wollen.
Die Gründe für den Ausstieg
sind vielfältig. „In England verdiene ich das Doppelte bei
geringerer Arbeitsbelastung“,
sagt Dr. Stephan Krüger, zuletzt
Oberarzt in einem Krankenhaus
in Hannover. Bei seinem neuen
Arbeitgeber in England erwartet
ihn eine 48-Stunden-Woche,
anstatt 60 bis 70 Stunden in
Deutschland. Nicht nur wegen
der Arbeitszeit und des Geldes
stellen sich deutsche Ärzte lieber
anderswo an den OP-Tisch.
„Das Arbeitsklima ist besser als
in Deutschland, der Umgangston freundlicher, der Teamgedanke ausgeprägter“, erzählt
ein am Kantonsspital in Schaffhausen arbeitender Oberarzt aus
Deutschland.
Die Abwanderung deutscher
Ärzte ins Ausland ist allerdings
geringer als die Zuwanderung.
Während die Deutschen gen
Norden und Westen streben,
arbeiten viele Ärzte aus Osteuropa in Deutschland, vorzugsweise in den ostdeutschen Bundesländern. Etwa 18.000 ausländische Ärzte sind derzeit bundesweit in Kliniken und Praxen
oder bei anderen Gesundheits-
3
dienstleistern tätig. Viele von
ihnen kommen aus Polen, Russland oder Tschechien und reißen
wiederum dort ein Loch in das
Gesundheitssystem.
Medizintourismus als
Wachstumsmarkt
Global Player wie international
agierende Pharmafirmen und
Krankenhauskonzerne geben
den Ton im Handel von Gesundheitsdienstleistungen an. Letztere
umwerben mit niedrigeren
Lohnkosten und hoher Behandlungsqualität den inzwischen
hart umkämpften Markt des
Behandlungstourismus. Die
Angebote konzentrieren sich auf
High-tech-Medizin für eine zahlungskräftige Kundschaft aus
dem Ausland.
Thailand ist ein Beispiel für eine
solche Dynamik im Gesundheitsbereich. Zum Augenlasern
nach Bangkok oder zur Herzoperation nach Singapur, anschließender Badeurlaub an den
schönsten Stränden Südostasiens inklusive. Wer nicht so
weit reisen will, kann seinen
Zahnersatz in China bestellen
oder zu Billig-Operationen nach
Ungarn reisen. So richtig kuren
lässt es sich – zum Teil mit dem
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Schwerpunkt
Segen der Krankenkasse – ohnehin viel preiswerter in renommierten Vorzeigeorten Osteuropas. Die Medizin selbst
wird zum Globetrotter.
McDonalds als Vorbild
Die Globalisierung in der Medizin öffnet die Tür für Geschäftsmodelle aus Dienstleistung und
Industrie. Jüngstes Beispiel dafür
ist der erste Dental-Discounter
„McZahn“. Das von Fast FoodKetten bekannte Geschäftsmodell überträgt McZahn auf
Zahnarztpraxen. Die beteiligten
Zahnärzte schließen eine Art
Franchise-Vertrag mit dem
Unternehmen ab. Den Zahnersatz bezieht der Discounter aus
China.
So kann der Zahnarzt, der bei
McZahn unterschreibt, die
Prothesen wesentlich günstiger
anbieten als der Kollege um die
Ecke, der bei einem deutschen
Labor arbeiten lässt, in vielen
Fällen sogar zum Nulltarif. Die
Kosten für die Einrichtung der
Zahnarztpraxis übernimmt
McZahn. Dafür zahlen die Ärzte
eine einmalige Gebühr und
geben jährlich 20 bis 45 Prozent
ihrer Umsätze an den Discounter
ab. So bleiben diese Praxen zum
Teil noch selbstständig, obwohl
das McZahn-Logo auf der einheitlich vorgegebenen Arbeitskleidung des Personals haftet.
Besonders für junge Zahnärzte,
die eigene hohe Investitionen
für die Praxisgründung scheuen,
könnte sich dieses Modell
lohnen. Gleichzeitig könnten
allerdings tausende Jobs in den
deutschen Zahnlabors verloren
gehen, befürchtet der Verband
der Deutschen ZahntechnikerInnungen (VDZI). Die Krankenkassen sehen das neue Angebot
positiv.
Firmenketten erobern den
deutschen Gesundheitsmarkt
Die Verbraucherzentralen stehen
dem Modell gespalten gegenüber. „Wir begrüßen, dass die
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Patienten an
preiswerteren
Zahnersatz
kommen können. Wenn die
Qualität stimmt,
ist es egal, woher der Zahnersatz kommt.
Ob die gleiche
Qualität geboten wird wie
von deutschen
Laboren, lässt
sich erst nach
längerer BeDer Zugang zu sauberem Wasser – wie hier in einem
trachtung einschätzen. Wenn Dorf in Zentrallaos – ist eine Grundvoraussetzung zur
Verbesserung der Weltgesundheit
deutsche
Zahnärzte den
landschaft, der Abbau der
im Ausland gefertigten ZahnSelbstverwaltung, die geplante
ersatz eingliedern, sind sie auch
zunehmende Steuerfinanzierung,
für die Qualität verantwortlich“,
eine Volkspflichtversicherung
sagt Christoph Kranich. Der
für alle und der gewachsene
Leiter der Fachabteilung GeStaatseinfluss machten die deutsundheit von der Verbrauchersche Sozialversicherung für die
zentrale Hamburg glaubt, dass
Globalisierung angreifbar, meint
sich international aufgestellte
der Gesundheitsökonom.
Unternehmensketten im deutschen Gesundheitsmarkt breit
Kluft zwischen
machen werden. „Preislich wird
Gewinnern und Verlierern
sich die Globalisierung zum
Vorteil für die Verbraucher auswirken“, sagt Kranich. Allerdings Die nationale Gesundheitsfehle es noch an Abkommen, die
sicherung wird künftig noch
die Gewährleistung im Ausland
enger mit der globalen Wirterbrachter Leistungen regeln.
schaftsentwicklung verbunden
sein. Ob aus nationaler Sicht
die richtigen Weichen gestellt
Gesundheitspolitik passt
werden oder nicht, es muss das
nicht zur Globalisierung
Bewusststein wachsen, dass eine
globalisierte Wirtschaft globale
Die Globalisierung in der geKorrektive und Steuerungen
sundheitlichen Versorgung spielt
braucht. Eine Welt, in der
sich schneller ab als es die Politik
Hunderte Millionen Menschen
wahrhaben will. „Obwohl viele
keinen Zugang zu trinkbarem
nationale Gesundheitspolitiker
Wasser, sättigendem Essen,
noch glauben, dass Deutschland
menschenwürdigem Wohnraum
auf diesem Gebiet autonom hanund medizinischer Mindestdeln kann, werden Reformen
versorgung haben, macht die
teilweise indirekt oder unbewusst
Menschheit auf Dauer global
immer mehr durch die Globalifragiler. Die Kluft zwischen
sierung und die Regulierungen
Globalisierungsgewinnern und
der EU bestimmt“, meint Prof. J.-verlierern ist unübersehbar.
Matthias Graf von der SchulenEine Forderung der Globalisieburg von der Forschungsstelle
rungskritiker beim Weltsozialfür Gesundheitsökonomie und
forum in Nairobi Ende Januar
Gesundheitssystemforschung der
lautete passend: „Money for
Leibniz Universität Hannover.
Health, not for war!“
Die Vereinheitlichung und ver(dt)
stärkte Regulierung der Kassen-
4
Schwerpunkt
Zahnersatz in Polen
„Nastepny
prosze!“
˛
˛
N
astepny
prosze!“
˛
˛ ist polnisch
und heißt auf deutsch „Der
nächste bitte!“ Was sich vor
20 Jahren kaum jemand vorstellen konnte, ist heute fast
schon Normalität: Zum Zahnarzt nach Polen oder zur Kur
nach Tschechien. Die AOK
Brandenburg bietet ihren Versicherten zum Beispiel qualitätsgesicherten Zahnersatz ohne
Zuzahlung an, ausgeführt von
einem polnischen Zahnarzt.
Etwa 300 Versicherte der AOK
Brandenburg haben dieses
Angebot bisher genutzt.
Seit 1. Mai 2004 ist Polen Mitglied der Europäischen Union,
und bereits Mitte 2005 hat die
AOK Brandenburg mit „Medpolska“, der polnischen Tochter
der deutschen Medent-Unternehmensgruppe, einen Vertrag
geschlossen. Medpolska arbeitet
mit polnischen Zahnärzten
zusammen, die den AOK-Versicherten Zahnersatz nach deutschem Qualitätsstandard aber
zu deutlich günstigeren Preisen
als in Deutschland anbieten.
Andere Krankenkassen haben
ebenfalls besondere Angebote
für Leistungen, die im Ausland
erbracht werden, im Leistungskatalog. So bietet etwa die CityBKK über einen Kooperationspartner zahnärztliche Leistungen
in Bulgarien, Polen, Slowenien,
Spanien, Tschechien und Ungarn
an. Und die Techniker Krankenkasse hat Verträge zur Direktabrechnung mit ausgewählten
Anbietern verschiedener Kurbäder in Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn abgeschlossen.
dem 1. Januar dieses Jahres zahlen die Krankenkassen auch für
Behandlungen in Rumänien und
Bulgarien. In der Regel muss der
oder die Versicherte aber in Vorkasse gehen. „Als wir den Vertrag mit Medpolska vorbereitet
haben, ging das Thema, dass in
den neuen EU-Staaten Gesundheitsleistungen günstiger sind,
gerade durch die deutschen Medien“, erläutert Marek Rydzewski,
Leiter der AOK-Geschäftsstelle
Frankfurt/Oder und EU-Koordinator der AOK Brandenburg.
„Wir wollten das Interesse kanalisieren und die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass unsere Versicherten qualitativ hochwertige
Leistungen erhalten.“
Vorkasse entfällt
Versicherte, die mit ihrem Bonusheft nachweisen, dass sie die
zahnärztlichen Kontrollen über
zehn Jahre hinweg regelmäßig
wahrgenommen haben, erhalten
ihren Zahnersatz nach der deutschen GKV-Regelversorgung
ohne Zuzahlung. Mussten sie
zuvor für Zahnersatz aus dem
Ausland in Vorkasse treten und
sich die Kassenanteile abzüglich
eines Verwaltungskostenanteils
danach von ihrer Krankenkasse
zurückholen, erstellt der polnische Vertragszahnarzt jetzt einen
Heil- und Kostenplan, erklärt
Marek Rydzewski das Verfahren.
Der wird dann über Medpolska
direkt bei der AOK Brandenburg eingereicht. „Grundsätzlich
lohnt sich eine Behandlung in
Polen nur, wenn die Eigenbeteiligung sehr hoch ist“, hebt
Rydzewski hervor.
Vergleichbare Leistungen
Seit der EU-Osterweiterung ist
die Behandlung in Polen, Tschechien oder Ungarn eigentlich
keine Besonderheit mehr, seit
Medpolska sichert zu, dass die
unter Vertrag genommenen polnischen Zahnärzte deutsch sprechen und auf der Grundlage der
deutschen gesetzlichen und ver-
5
tragszahnärztlichen Bestimmungen arbeiten. Sie garantieren
eine zweijährige Gewährleistung
nach deutschem Recht auf den
von ihnen erstellten Zahnersatz.
Sollte es doch zu einem Streitfall kommen, wird er vor einem
deutschen Gericht ausgetragen.
Viele Heil- und Kostenpläne
nicht abgerechnet
Die AOK Brandenburg hat festgestellt, dass in der Vergangenheit bis zu einem Viertel der in
Deutschland erstellten Heil- und
Kostenpläne nicht abgerechnet
worden sind. Rydzewski vermutet, dass Versicherte auf den
Zahnersatz aus Sorge, die
Zuzahlungsbeträge nicht zahlen
zu können, verzichtet haben.
„Wir wollten auch Versicherten
ein Angebot machen, die sonst
vielleicht auf eine notwendige
zahnmedizinische Versorgung
verzichten müssen. Unseren
Vertrag mit Medpolska sehen
wir deshalb als ein wichtiges
Begleitangebot.“
Patientenstrom
in beide Richtungen
Doch die polnische EU-Mitgliedschaft bedeutet auch, dass
polnische Versicherte mit der
europäischen Krankenversicherungskarte oder einer Ersatzbescheinigung Leistungen in
Deutschland in Anspruch nehmen können. Das ist keine Einbahnstraße mehr, weiß Rydzewski: „Es gibt auch Versicherte
aus Polen, die nach Deutschland
kommen, um hier zum Beispiel
eine Augen-OP durchführen zu
lassen, wenn die Wartezeit in
Polen zu lang ist.“ Seine Vision
ist eine gemeinsame Nutzung
von Ressourcen, wie sie auch in
anderen Grenzregionen entwickelt wird.
(gr)
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Schwerpunkt
Die Grenzen in der Gesundheitsversorgung sollen durchlässiger werden
Gesundheitsregion Lörrach/Basel: Ein deutschschweizerisches Pilotprojekt – Von Dr. Elisabeth Simoes
D
er Landkreis Lörrach liegt
im äußersten Südwesten der
Bundesrepublik im so genannten
„Drei-Länder-Eck“. Er grenzt
mit dem Rhein im Süden in
einer Länge von fast 45 km an
die Schweiz (Basel) und im
Westen an Frankreich (ca. 20 km
Grenze). Traditionell bestehen
auf vielen Ebenen bi- und trinationale Kooperationen, bislang
insbesondere auf dem wirtschaftlichen Sektor. Nun sollen
die Grenzen in der Gesundheitsversorgung zwischen den
Basler Kantonen und dem Landkreis Lörrach durchlässiger
werden. Dafür steht das Modellprojekt der Gesundheitsregion
Lörrach/Basel. Neu ist, dass es
sich mit dem Partner Schweiz
nicht um ein EU-Land handelt.
2004 fand in Bern eine Besprechung zwischen Marion CaspersMerk, Parlamentarischer Staatssekretärin im Bundesministerium
für Gesundheit, und Bundesrat
Pascal Couchepin, Vorsteher des
Eidgenössischen Departements
des Inneren, statt. Beide Seiten
brachten den politischen Willen
zum Ausdruck, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im
Gesundheitswesen zwischen
Deutschland und der Schweiz zu
intensivieren. Eine binationale
Arbeitsgruppe mit Vertretern
von Behörden, Krankenkassen
und Leistungserbringern erhielt
den Auftrag, ein Pilotprojekt
zu entwickeln, mit dem diese
verstärkte Kooperation erprobt
werden kann. Das Projekt
„Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Deutschland/
Schweiz im Gesundheitswesen
am Beispiel der Grenzregion
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Günther Zisselsberger, Geschäftsführer der AOK-Bezirksdirektion Lörrach,
auf dem Weg zu Vertragsverhandlungen mit dem Uni-Klinikum Basel
Basel-Stadt/Basel-Landschaft/
Landkreis Lörrach“ startete zum
1. Januar 2007.
Was erwarten die Partner?
Die Erhöhung der Patientenfreizügigkeit zwischen den beiden
Staaten steht im Mittelpunkt.
Das Pilotprojekt soll zeigen, inwieweit und unter welchen Rahmenbedingungen Auslandsbehandlungen in Krankenhäusern,
Rehabilitationseinrichtungen
und schließlich auch im ambulanten Sektor langfristig sinnvoll
ermöglicht werden können.
Auf deutscher Seite hoffen Kliniken auf zusätzliche Patienten
aus der Schweiz, den gesetzlichen
Krankenkassen eröffnet es die
Chance, auf Leistungen von
Basler Gesundheitseinrichtungen
zuzugreifen. Die am Projekt
6
beteiligten Schweizer Krankenversicherungen, z. B. die OeKK
und Groupe Mutuel, und die
Kantone Basel Land und Basel
Stadt – als kantonale Kostenträger – interessieren sich für
verschiedene Leistungsgruppen,
bei denen Versorgungsengpässe
in der Schweiz und/oder Kostenvorteile beim Einkauf in
Deutschland gesehen werden.
Die Lörracher Krankenhäuser
gehen vertragliche Regelungen
ein, um entsprechend offener
Kapazität Patientinnen und
Patienten aus der Schweiz
behandeln zu können.
Größere Wohnortnähe und
weniger Bürokratie
Wie schon in anderen grenzüberschreitenden Projekten hat
auf deutscher Seite die AOK die
Vorreiterrolle übernommen.
Schwerpunkt
Sie hat ihre bereits bestehenden
Kooperationen im Hinblick auf
das Pilotprojekt ausgebaut. Auf
die Frage „Was begeistert Sie an
dem Modell?“ fasste der langjährige Geschäftsführer der
AOK-Bezirksdirektion Lörrach,
Günther Zisselsberger, in einem
Zeitungsinterview für die Badische Zeitung vom 11. Oktober
2006 zusammen: „Für uns steht
jedenfalls fest, dass dieses Modell eine große Chance bietet,
die Versorgungsqualität in der
Region für unsere Versicherten
zu verbessern. Natürlich wird
die AOK darauf achten, dass das
Modell die Solidargemeinschaft
der Versicherten nicht mehr
kostet als die aktuelle Lösung“.
Neben Wohnortnähe und Bürokratieabbau erhoffen sich die Beteiligten auch, dass Ressourcen
effizienter genutzt werden und
dass der hohe Innovationsstandard in der Region erhalten wird.
Schweizer lockern
Territorialprinzip
Das Projekt trifft in der Schweizer
Öffentlichkeit auf besonderes
Interesse. Zum ersten Mal greift
eine Lockerung des Territorialitätsprinzips, die der Schweizerische Bundesrat im Mai 2006 mit
einer Änderung im Krankenversicherungsgesetz beschlossen
hat. Erst diese Gesetzesänderung
hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung
des Pilotprojektes geschaffen.
Um welche Leistungen geht es?
Aus Schweizer Sicht sollen zunächst Kooperationen im Bereich
der Akutsomatik (vor allem
Geburtshilfe/Gynäkologie,
Orthopädie, Pädiatrie, Kardiologie) und der Rehabilitation
geprüft werden. Auf deutscher
Seite gilt das Interesse insbesondere der Spitzenmedizin, die im
Kreis nicht angeboten wird. Das
betrifft zum Beispiel die hochspezialisierte Onkologie, auch
Kinderonkologie, und komplexe
Eingriffe der Leberchirurgie.
Erwartet wird zu Beginn des
Projektes ein eher umschriebenes
Volumen. „Es geht um etwa 250
Fälle der Maximalversorgung im
Jahr“, sagte Günther Zisselsberger
gegenüber der Badischen Zeitung.
Stellenwert für die Qualität der
Gesundheitsversorgung?
Groß sind die Erwartungen auf
beiden Seiten an die Ergebnisse
aus der evaluierenden Begleitung, die für die weitere grenzüberschreitende Versorgungsgestaltung wichtige Erkenntnisse
liefern sollen. Das Pilotprojekt
ist auf eine Dauer von drei Jahren
angesetzt und wird durch das
Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) und das
Kompetenz-Centrum Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement
(KC-Q) ausgewertet. Die Obsan
ist eine Organisationseinheit des
Bundesamtes für Statistik, die
Gesundheitsinformationen in
der Schweiz analysiert und Bund,
Kantone und weitere Institutionen im Gesundheitswesen bei
ihrer Planung und Entscheidungsfindung unterstützt.
Die Vertragspartner auf deutscher
Seite haben das KC-Q beauftragt. Das KC-Q und zuvor das
damalige Team Innovative Planung des MDK Baden-Württemberg hat langjährige Erfahrung
mit der Begutachtung und Beratung für die Gestaltung der
medizinischen Versorgung in
der Region. Aus der mittlerweile
über zehnjährigen Zusammenarbeit ist ein umfangreiches Wissen um Versorgungsstrukturen
und Entwicklungen im Landkreis erwachsen, das nun in die
Projektbegleitung einfließen soll.
Die Evaluation ist als ein Entwicklungsprozess konzipiert,
der Feedback und Anpassungen
erlaubt, und über eine Zeitspanne
von drei Jahren vorgesehen.
Themen sind die Akzeptanz in
der Region ebenso wie die Auswirkungen für die einzelnen
Vertragspartner. Berücksichtigung finden patienten- und
systembezogene Aspekte der
Gesundheitsversorgung und
7
der gesundheitsökonomische
Impact. Dabei sollen die verschiedenen Kategorien „mobiler“ Patientinnen und Patienten, wie beispielsweise Grenzgänger, Touristen oder Kranke,
welche die Behandlung im Ausland z. B. aus Qualitäts- oder
Kostengründen gezielt suchen,
besonders fokussiert werden.
Auch die grenzüberschreitende
fachliche Zusammenarbeit
interessiert. Kommt es im Verlauf des Pilotprojektes neben
einer zunehmenden Patientenmobilität beispielsweise auch
zu einer engeren Zusammenarbeit bezüglich Austausch von
Fachwissen und gemeinsamer
Planung?
Interesse auch auf
französischer Seite
Das Projekt steht in der Tradition
grenzüberschreitender Verträge
zur Gesundheitsversorgung,
die in verschiedenen deutschen
Grenzregionen in den vergangenen zehn Jahren vereinbart
wurden (z. B. mit Belgien, den
Niederlanden, Österreich). Neu
in diesem Projekt ist, dass es
sich mit der Schweiz nicht um
ein EU-Land als Partner handelt. Auf französischer Seite
wird geprüft, ob der grenznahe
Teil des Elsass’ in das Pilotprojekt integriert werden soll. Der
am 26. Januar 2007 konstituierte
„Trinationale Eurodistrict Basel“
will sich mit allen Themen
befassen, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen,
wie etwa Verkehr, Raumplanung
oder Gesundheit. Langfristiges
Ziel des Eurodistricts ist es, im
Interesse der Bürger den Grenzeffekt zunehmend zu überwinden.
Das Pilotprojekt einer Gesundheitsregion Lörrach/Basel ist ein
Schritt in diese Richtung.
Dr. med. Elisabeth Simoes,
Ärztliche Leiterin des
Kompetenz-Centrums
Qualitätssicherung/
Qualitätsmanagement
beim MDK Baden-Württemberg
E-Mai: [email protected]
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Schwerpunkt
Zum Bypass nach Bangkok
Arzt und Krankenschwester aus Thailand kümmern sich um einen Patienten aus Europa am Krankenbett im
Bangkok Hospital
I
mmer mehr Deutsche
reisen nach Asien, um sich
dort behandeln zu lassen. Für
medizinische Behandlungen,
welche die Krankenkassen
hierzulande sowieso nicht
übernehmen, ist der Gesundheitstourismus schon jetzt eine
überzeugende Alternative. Ralf
Krewer ist Marketingchef am
Bangkok Hospital und tourt
durch die ganze Welt, um neue
Kundenkreise für die Behandlung in der thailändischen
Metropole zu gewinnen.
Seit der Finanzkrise Ende der
90er Jahre spezialisierte sich das
Bangkok Hospital vermehrt auf
zahlungskräftige Patienten aus
dem Ausland. Mittlerweile
kommt jeder dritte Patient nicht
aus Thailand. Über eine Million
Medizintouristen zog es im vergangenen Jahr in dieses Land.
Bei den Deutschen sind besonders
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die dritten Zähne und Laserbehandlungen der Augen gefragt.
Wer will, kann seinen Behandlungsplan mit Badeferien, Bangkok-Shopping oder TreckingTouren kombinieren. Ein Reisebüro im Krankenhaus engagiert
einen Rund-um-Service. Briten
und Holländer bevorzugen Hüftund Knieoperationen, weil die
Wartezeiten dafür zu Hause zu
lang sind. Amerikaner fragen
besonders aufwändige Herzoperationen nach. „Unser BypassPackage – das können drei oder
mehr Eingriffe sein – kostet etwa
12.000 Dollar. Gute Kliniken in
den USA verlangen dafür bis
zum Fünffachen oder mehr“,
sagt Krewer. Marketingleiter
Krewer erklärt weitere Vorzüge:
„Der Aufenthalt im Bangkok
Hospital wird mit exzellentem
Service auf Vier-Sterne-Niveau
verbunden. Dazu gehört neben
dem Übersetzungsservice die
8
Unterbringung in komfortablen
Einzelzimmern. Angehörige
können im krankenhauseigenen
Hotel übernachten. Am Krankenbett stehen internationale
Telefonverbindungen, E-MailService zur Heimat und
Fernsehprogramme in der jeweiligen Landessprache zur Verfügung. In dem 650-Betten-Haus
werden 28 Sprachen gesprochen, darunter auch deutsch.
Beim Essen wird auf die landestypischen und religiösen Bedürfnisse Rücksicht genommen.
Typischer Zahnersatz-Urlauber
Seit neuestem kann der stationäre Aufenthalt in einer eigenen
Rehabilitationsklinik fortgesetzt
werden. Der „typische Zahnersatz-Urlauber“ lässt sich einen
Tag nach Ankunft in Bangkok
mit der Limousine des Krankenhauses von seinem Hotel ab-
Schwerpunkt
holen und einen Gebissabdruck
in der Zahnklinik machen.
Dann fliegt er eine Woche an
den Strand und kehrt zur Anpassung der neuen Zähne nach
Bangkok zurück. Anschließend
unternimmt er eine mehrtägige
Rundtour durchs Land und
kommt kurz vor dem Rückflug
zur Endkontrolle in die Klinik
zurück. „Mit dem Geld, das er
am Zahnersatz gespart hat,
kann er sich den kompletten
Thailand-Urlaub finanzieren“,
rechnet Krewer vor.
Qualitätsniveau wie in einer
deutschen Uniklinik
Internationale Krankenhäuser
in Ländern wie Indien, Thailand,
Singapur oder Malaysia brauchen
den Vergleich mit dem Westen
nicht zu scheuen. Die medizinischen Standards sind hoch,
die technische Ausstattung auf
dem neuesten Stand, zumeist
von deutschen Herstellern.
„Unser Behandlungsstandard
entspricht etwa dem einer Universitätsklinik in Deutschland.
Über 90 Prozent der Ärzte, die
unsere ausländischen Patienten
behandeln, haben im Ausland
Ralf Krewer, International
Marketing Manager Bangkok
Hospital
studiert und praktiziert, meistens in den USA. Zum Beispiel
war der Direktor unserer Herzklinik 27 Jahre im MilwaukeeHeart-Hospital tätig. Das ist
eine der Top-Adressen für
Herzoperationen in den USA“,
sagt Krewer. Mittlerweile – so
Krewer – haben Thailands
Spitzenkliniken den jahrlang
führenden Luxuskliniken in
Singapur den Rang abgelaufen.
Geht es nach der thailändischen
Regierung, soll sich der Gesundheitstourismus bis zum Jahr
2010 verdoppeln. Die Zahlen
des Bangkok Hospital scheinen
diesem Wunsch Vorschub zu
leisten. „Zurzeit verdoppeln
wir unserem Umsatz mit der
Behandlung ausländischer
Patienten alle 18 Monate“, gibt
Krewer bekannt.
„Es geht um das Vertrauen“
Haftungsrechtliche Hürden bei
Behandlungsfehlern sieht Krewer
nicht als Abschreckungsgrund,
sich in seinem Haus behandeln
zu lassen. „Wenn Behandlungsfehler eintreten, haften wir auch
dafür. Praktisch sieht das so aus,
dass wir entweder für die entstehenden Behandlungskosten in
Deutschland zahlen oder wir
fliegen den Patienten auf unsere
Kosten nach Bangkok ein und
behandeln ihn hier. Mir ist nur
ein Fall dieser Art bekannt.
Nach einer Lasik-OP haben wir
eine Deutsche auf unsere Kosten
nach Bangkok geholt und hier
nachgelasert. Es geht hier ja um
das Vertrauen. Da muss alles
hundertprozentig korrekt zugehen.“
Früher flog der ADAC deutsche Patienten, die in Asien
akut erkrankten, in der Regel
nach Deutschland zurück.
Heute werden die meisten
Patienten in der Klinik des
südostasiatischen Königreiches
behandelt. „Wir bieten den
gleichen Qualitätsstandard,
und den Patienten bleibt die
lange Flugzeit nach Europa
erspart“, sagt Krewer.
9
Demografische Entwicklung
begünstigt Medizintourismus
Während sich die deutschen
Krankenversicherer noch sperrig
zeigen, übernehmen die Kassen
in Großbritannien und Holland
von Fall zu Fall Behandlungskosten im Bangkok Hospital.
Krewer erwartet, dass sich in
Europa in dieser Frage noch
viel bewegen wird: „Die
Gesundheitssysteme müssen
allein schon wegen der demografischen Entwicklung Geld
einsparen und dürfen die Wartezeiten für Behandlungen nicht
ausufern lassen.“ Krewer berichtet von einem interessanten
Gespräch, das er vor einem Jahr
mit einem Vorstand einer großen deutschen Krankenkasse
hatte: „Der Kassenchef zeigte
sich für unser Angebot äußerst
interessiert; weniger, um im Einzelfall Kosten zu sparen, sondern in der Langzeitperspektive,
durch Verlagerung von stationären Behandlungsfällen ins Ausland, die Bettenzahl in seinem
Bundesland reduzieren zu können.“
Neue Märkte warten schon
Krewer hat bereits die nächsten
Märkte im Visier. In wenigen
Tagen wird er nach Äthiopien
reisen, um dort seine Marktnischen zu erschließen. Vorher
steht noch das Nachbarland
Laos auf dem Reiseplan. Für
den fließend chinesisch und
vietnamesisch Sprechenden hört
die Globalisierung in der Medizin nicht im Krankenhausmarkt
auf: „Die ersten Altenheime für
Europäer werden in Thailand
schon gebaut.“ Seit fünf Jahren
öffnet sich Thailand mit dem so
genannten Long-Stay-Projekt
Ruheständlern aus dem Ausland. Zielgruppe sind diejenigen,
die früher ihr Häuschen in Spanien als Altersruhesitz gekauft
hätten. „Mit einem Partner aus
Augsburg überlegen wir zurzeit,
Altenpflege für Deutsche in Thailand aufzubauen.“
(dt)
MDK-Forum 1/2007
Kranken- und Pflegeversicherung
Wohin geht die Qualitätssicherung
in der stationären Versorgung?
Von Dr. Claus E. Krüger
K
ünftig sollen Krankenhausprüfungen spätestens sechs
Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse
eingeleitet und durch den MDK
dem Krankenhaus angezeigt
werden. So sieht es das am
2. Februar im Bundestag verabschiedete Gesetz zur Stärkung
des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-WSG) vor. Krankenkassen, deren Prüfauftrag nicht
zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, haben
den Krankenhäusern eine Aufwandspauschale von 100 Euro
zu entrichten. Im folgenden
Beitrag soll gezeigt werden,
dass Einzelfall- und Stichprobenprüfungen Qualitätssicherungsmaßnahmen in der
stationären Versorgung darstellen, die im gesetzlichen
Rahmen des G-DRG-Systems
unverzichtbar sind.
Das GKV-WSG regelt die Einzelfallprüfungen nach § 275 Abs. 1
SGB V bei Krankenhausbehandlungen neu. In der Begründung des Regierungsentwurfes
zum GKV-WSG heißt es dazu:
„Im Krankenhausbereich
besteht Handlungsbedarf im
Hinblick auf den Umfang der
gutachtlichen Stellungnahmen
des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung (MDK),
die Krankenkassen im Rahmen
der Einzelfallprüfung nach § 275
Abs. 1 Nr. 1 anfordern. Von einzelnen Krankenkassen wird die
Prüfungsmöglichkeit in unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Weise zur Einzelfallsteuerung genutzt. Dies führt zu
unnötiger Bürokratie.“ Außerdem heißt es in der Begründung:
„Als Beitrag zu dem angestreb-
MDK-Forum 1/2007
ten Bürokratieabbau werden
Anreize gesetzt, um Einzelfallprüfungen zukünftig zielorientierter und zügiger einzusetzen.
Sofern hohe Prüfquoten z. B. auf
systematische Mängel bei der
Abrechnung durch das Krankenhaus zurückgehen, können diese
im Rahmen der verdachtsunabhängigen Stichprobenprüfung
nach § 17c des Krankenhausfinanzierungsgesetzes geprüft
und aufgedeckt werden.“
20 bis 30 Prozent der Kliniken
nicht überlebensfähig
Die ökonomische Belastung der
Krankenhäuser in Deutschland
wächst. Schon heute schreiben
50 Prozent der Krankenhäuser
rote Zahlen. Prognosen zufolge
werden 20 bis 30 Prozent der
Kliniken langfristig nicht überleben. Das macht es verständlich, dass Krankenhäuser alle
Möglichkeiten der Abrechnung
im immer komplexer werdenden
DRG-System und alle Möglichkeiten von Mehrerlösen intensiv
nutzen.
DRG-System wird
kontinuierlich erweitert
Das DRG-System stellt aber vor
allem ein Abrechnungs-System
zur Leistungs- und Kostentransparenz der stationären Versorgung in Deutschland mit einer
ganzen Reihe von Anreizen,
aber auch Fehlanreizen dar. Die
Selbstverwaltungspartner haben
sich darauf geeinigt, eine möglichst sach- und leistungsgerechte Abbildung der mehr als
24.000 Prozeduren (Leistungen)
und inzwischen 1.082 DiagnoseFallgruppen zu leisten. Gerade
die aktuellste Version des DRG-
10
Systems (FPV 2007) wurde auf
zahlreiche Hinweise und Datenlieferungen der Leistungserbringer hin bei komplexen Krankheitsbildern und sehr aufwändigen Leistungen (Extremkosten,
Mehrzeitige Eingriffe, intensivmedizinische Komplexbehandlungen) umfassend erweitert.
Dazu kommen für das Jahr 2007
– ebenso wie in den Vorjahren –
neue Zusatzentgelte, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Änderungen der Kodierrichtlinien, neue Prozedurenkodes und neue Splitkriterien.
Mehrerlöse für Kliniken zu
erwarten
Diese Anpassungen führen Jahr
für Jahr zu nicht unerheblichen
Mehrkosten im Gesundheitswesen. Die zu erwartenden
Mehrerlöse der Kliniken sind
im Sinne einer sachgerechten
Abbildung der Leistungen von
allen Selbstverwaltungspartnern
akzeptiert und z.T. erwünscht
und sinnvoll. Sie führen v. a. in
bisher unterbewerteten Leistungsbereichen zu einem veränderten Casemix (Maß für den
Schweregrad der im Krankenhaus behandelten Fälle).
Kliniken passen
Kodierverhalten an
Es gibt aber einige Auffälligkeiten der Kodierung und Änderungen im Kodierverhalten der
Kliniken, die über diese jährlichen Veränderungen des lernenden Systems hinausgehen. Diese
Auffälligkeiten werden durch
die Qualitätssicherungssysteme
im stationären Sektor an anderer Stelle bisher nicht erfasst
und führen zur Verzerrung des
Kranken- und Pflegeversicherung
Leistungsspektrums und zu
Wettbewerbsverzerrungen.
Schon die Erfahrungen aus den
Vorjahren zeigen, dass Krankenhäuser keine Gelegenheit auslassen, alle Kodiermöglichkeiten
auszuschöpfen und häufig auch
die möglichen Fehlanreize des
Systems nutzen.
Mängel in 35 bis 40 Prozent
der geprüften Fälle
Auch wenn bisher keine bundesweite Statistik zu den Einzelfallprüfungen nach § 275 SGB V
vorliegt, zeigen einzelne Untersuchungen aus den Bundesländern übereinstimmend Mängel
und Fehler bei der Abrechnung
in 35 bis 45 Prozent der Fälle.
Insgesamt wurden im Jahre 2005
1,3 Millionen Gutachten erstellt.
Das waren etwa 9 bis 10 Prozent
aller Krankenhausfälle in
Deutschland. Die jährliche Anpassung des DRG-Systems im
Sinne eines „lernenden Systems“
schafft darüber hinaus Möglichkeiten für zahlreiche Änderungen
im Kodierverhalten der Kliniken.
Fehlanreize im DRG-System
Eine Arbeitsgruppe der SEG 4
hat im Auftrag der Spitzenverbände eine Untersuchung zu
Fehlanreizen im DRG-System
durchgeführt. Die Ergebnisse
belegen, dass Kliniken einzelne
Haupt- und Nebendiagnosen
sowie Prozeduren von dem Zeitpunkt an, ab dem diese erlösrelevant werden, bis zu 30 Prozent häufiger abrechnen. Zum
Beispiel die Anwendung eines
Nahtsystems bei Operationen an
Blutgefäßen nach einer Koronarangiographie (5-399). Diese
Veränderungen im Kodierverhalten sind medizinisch nicht
begründbar und stellen keine
echte Leistungsvermehrung dar.
Am ehesten dienen sie wohl
dazu, die Erlöse der einzelnen
Abteilungen zu optimieren.
Eine andere Strategie ist, Nebendiagnosen zu kodieren, die
bereits Teil der Hauptdiagnosen
waren wie z. B. die Bauchfellentzündung (Peritonitis) bei K35.0,
der akuten Appendizitis mit diffuser Peritonitis. Oder es wurde
Virusmeningitis kodiert, ohne
dass Liquordiagnostik vorlag,
Malignome wurden ohne Histologie und Darmverschlüsse ohne
Verschlusszeichen abgerechnet.
Diese Liste ließe sich fortsetzen.
Das zeigt die Notwendigkeit von
Prüfungen in einem System, das
Fallschwere honoriert und in
dem ein Mehr an Leistungen zu
Mehrerlösen führt.
Mängel der Qualitätssicherung
bisher
Seit 1989 hat der Gesetzgeber
mit jeder größeren Gesundheitsreform Regelungen implementiert, die die Qualität der stationären Versorgung sichern und
verbessern sollen. Doch die Auswirkungen der externen und
internen Qualitätssicherung, der
Qualitätsberichte, Mindestmengenregelungen und Strukturanforderungen auf die medizinische Versorgung wurden
bisher nicht untersucht. In vielen
Bereichen fehlen die wissenschaftlichen Belege z. B. über die
notwendige Menge, die für eine
gute Qualität erforderlich ist.
Auch die übrigen Maßnahmen
wurden meist ohne Evaluation
begonnen. Ihre Validität und
ihre Auswirkungen auf die
Qualität der Gesundheitsversorgung lassen sich bisher nicht
bewerten.
Qualitätssicherung aus
Routinedaten
Auch aus diesen Gründen gibt
es zunehmend Bestrebungen,
diese gesetzlich vorgeschriebenen Elemente der Qualitätssicherung zu erweitern oder miteinander zu kombinieren. Dabei
wird die Qualitätssicherung aufgrund der Krankenhausabrechnung nach § 301 SGB V (Routinedaten) zunehmend als Wunderwaffe gesehen und an vielen
Stellen schon sinnvoll eingesetzt. Über die Möglichkeiten
11
und Grenzen einer Qualitätssicherung mit 301er Daten soll
hier nicht diskutiert werden.
Aber eine der unbestrittenen
Voraussetzungen für eine
Qualitätssicherung mit Routinedaten stellt eine gute Datenqualität und damit eine korrekte
Kodierung und Abbildung der
stationären Leistungen dar. Um
Abrechnungsdaten für die Qualitätssicherung zu verwenden,
muss gewährleistet sein, dass es
nicht in dem Umfang zu Mängeln in der Kodierung kommt,
wie es die Einzelfallprüfungen
bisher vermuten lassen. Hier
schließt sich der Kreis.
Fazit
Gerade in dem Spannungsfeld
zwischen Wirtschaftlichkeit und
Qualität im DRG-System, spielen Qualitätssicherungsmaßnahmen auf den beschriebenen
Ebenen eine entscheidende
Rolle. Für die Kliniken ist im
verschärften Wettbewerb eine
vollständige und transparente
Darstellung ihres Leistungsspektrums und ihrer Qualität notwendig. Von den Kostenträgern
und den Medizinischen Diensten ist eine transparente Darstellung ihrer Qualitätssicherungsmaßnahmen gefordert.
Zu diesem Ziel tragen zahlreiche Aktivitäten der SEG 4 der
MDK-Gemeinschaft wie die
Arbeitshilfe zur DRG-Begutachtung 2007 und die Datenbank
für Kodierempfehlungen bei.
Gerade im Hinblick auf die
Änderungen des § 275 SGB V
sollte darüber hinaus angestrebt
werden, dass die MDK die Notwendigkeit der Einzelfallbegutachtung und der Stichprobenprüfung nach § 17c KHG durch
eine aussagekräftige bundesweite Statistik belegen.
Dr. med. Claus E. Krüger
leitet das Fachgebiet
„Stationäre Versorgung/
Qualitätssicherung“ beim MDS
E-Mail: [email protected]
MDK-Forum 1/2007
Kranken- und Pflegeversicherung
Krankenhaus: Stichprobenprüfungen
sind wichtiges Prüfinstrument
Von Dr. Martina Modrack und Dr. Ursula Weibler-Villalobos
D
ie Neuregelungen im GKVWettbewerbsstärkungsgesetz zur DRG-Prüfung durch
den MDK waren heftig umstritten. Fakt ist: Künftig müssen
Krankenkassen 100 Euro zahlen,
wenn eine Einzelfallprüfung
nicht zu einer Absenkung des
Entgeltes führt. Um systematische Mängel bei der Krankenhausabrechnung aufzudecken,
sollen die Krankenkassen verstärkt verdachtsunabhängige
Stichprobenprüfungen einsetzen,
so steht es in der Gesetzesbegründung. Der MDK Rheinland-Pfalz hat in den Jahren
2005 und 2006 insgesamt 25
Stichprobenprüfungen durchgeführt. Ergebnisse und Schlussfolgerungen werden im folgenden Beitrag vorgestellt.
Bereits mit dem Gesundheitsstrukturgesetz wurde zum
1. Januar 2000 beschlossen, die
Krankenhausabrechnung von
der bisherigen Abrechnungsform
tagesgleicher Pflegesätze auf ein
durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes
Vergütungssystem umzustellen.
Seit 2003 konnten Krankenhäuser nach DRGs abrechnen;
ab 2005 mussten sie es tun. Der
Schweregrad eines Falles (DRG
= Diagnosis Related Groups)
wird dabei durch die Kodierung
der Diagnosen und Leistungen
(Prozeduren) bestimmt und definiert das zu erzielende Entgelt.
Zugleich wurde in das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)
mit dem § 17c neu eingefügt,
dass die Krankenkassen durch
den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) im
Rahmen verdachtsunabhängiger
Stichproben prüfen lassen können,
ob Fehlbelegungen bestanden
MDK-Forum 1/2007
und ob die Abrechnung der
Krankenhausfälle ordnungsgemäß erfolgte.
Der MDK Rheinland-Pfalz hat
im Auftrag der Gesetzlichen
Krankenkassen in RheinlandPfalz in den Jahren 2005 insgesamt 13 und 2006 insgesamt
12 Stichprobenprüfungen gemäß
§ 17c KHG durchgeführt. Geprüft wurden verschiedene Organisationseinheiten (Krankenhäuser bzw. einzelne Abteilungen)
und unterschiedliche Diagnosen,
Prozeduren oder Entgelte.
Teilweise wurde nur eine sehr
spezielle Fragestellung (beispielsweise nur sekundäre
Fehlbelegung bei Überschreitung
der oberen Grenzverweildauer)
geprüft. Die streng zufällig gezogene Stichprobe (über den
Kooperationspartner IMBEI,
Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universität Mainz)
betrug in der Regel 10 Prozent
der zugrunde liegenden Fälle.
Gemeinsame Prüfempfehlungen
regeln Verfahren
Gemäß den Gemeinsamen Prüfempfehlungen sind im Prüfbericht auch die Fälle auszuweisen,
bei denen es Änderungen zu
Gunsten des Krankenhauses
gab. Nach § 17c KHG war in
den Jahren 2003 bis 2004 ebenfalls zu prüfen, inwieweit neben
überhöhten auch zu niedrige
Abrechnungen auftraten.
Nicht in die Stichprobenprüfung
einbezogen werden nach den
Gemeinsamen Prüfempfehlungen
jene Fälle, die bereits im Vorfeld
durch eine Einzelfallprüfung
nach § 275 SGB V begutachtet
12
wurden (vorgeprüfte Fälle). Diese
sind im Prüfbericht gesondert
nach Anzahl und Ergebnis –
zugunsten Krankenhaus oder
zugunsten Krankenkasse – darzustellen, die Größenordnung
der Änderungen, also die Summe
der geänderten Relativgewichte,
ist jedoch nicht Bestandteil des
Berichtes.
Ergebnisse
Der Anteil der vorgeprüften
Fälle variierte in den einzelnen
Stichproben 2005 von 0 bis 20
Prozent und 2006 von 1 bis 58
Prozent der Stichprobenfälle. Im
Durchschnitt lag dieser Anteil
2005 bei 9,9 Prozent, 2006 bei
14 Prozent.
Bei den Stichprobenprüfungen
2005 lag der Anteil Primärer
Fehlbelegung zwischen 0 und
21 Prozent (Durchschnitt 1,1
Prozent). Damit werden jene
Fälle erfasst, bei denen eine
Krankenhausaufnahme medizinisch nicht notwendig war. Eine
Sekundäre Fehlbelegung – also
jene Fälle, bei denen der Patient
deutlich früher hätte entlassen
werden können – fand sich in
4 Prozent der Fälle mit Überschreitung der Oberen Grenzverweildauer (OGVD). 2006
lagen die Werte für Primäre
Fehlbelegung zwischen 0 und
4 Prozent (Durchschnitt 1,2
Prozent) und für die Sekundäre
Fehlbelegung zwischen 0 und
50 Prozent (Durchschnitt 18,5
Prozent).
Zu einer Änderung der Kodierung kam es 2005 in 19,6 Prozent der Fälle, davon in 11,3
Prozent zu Gunsten der Krankenkassen. Im Jahr 2006 wurde
Kranken- und Pflegeversicherung
die Kodierung in 11,4 Prozent
der Fälle korrigiert, davon in
8,5 Prozent zu Gunsten der
Krankenkassen.
Verrechnet man die Relativgewichtsänderungen zu Gunsten
und zu Ungunsten der Krankenkassen miteinander, so ergibt
sich 2005 im Saldo eine Änderung der effektiven Relativgewichte zwischen 1,9 Prozent zu
Gunsten eines Krankenhauses
und 21,6 Prozent zu Gunsten
der Krankenkassen (Durchschnitt 2,2 Prozent zu Gunsten
der Krankenkassen); 2006 lag
dieser Wert zwischen 1,8 Prozent
zu Gunsten eines Krankenhauses
und 6,4 Prozent zu Gunsten der
Krankenkassen (Durchschnitt
2,0 Prozent zu Gunsten der
Krankenkassen).
Die Entgeltänderung zu Gunsten
der Krankenkassen würde sich
bei Einbezug der nach § 275
SGB V vorgeprüften Fälle in
die Stichprobe 2005 um 35,4
Prozent erhöhen; 2006 läge die
Erhöhung sogar bei 110,7 Prozent.
Erkenntnisse aus den Prüfungen
Durch die gemeinsame Prüfempfehlung sind die Fristen und
Pflichten in diesem Verfahren
strikt geregelt. Bei keiner der
25 in den Jahren 2005 und 2006
durchgeführten Prüfungen traten
Schwierigkeiten bei der Durchführung oder beim Einhalten
der Fristen auf. Die Krankenakten lagen bis auf ganz wenige
Einzelfälle stets vor, die Atmosphäre war fachlich kollegial.
Nur wenige Fallbesprechungen
endeten im Dissens.
Die Ergebnisse der Stichprobenprüfungen entsprachen häufig
nicht dem Eindurck, den der
MDK aufgrund der zuvor
geprüften Einzelfälle hatte. So
zeigte sich zum Beispiel trotz
eines hohen Anteils an Einzelfallprüfungen mit Änderung zu
Gunsten der Kassen (22 Prozent) bei der Stichprobenprüfung immer noch eine hohe
Gutachterinnen und Gutachter des MDK Rheinland-Pfalz
während einer DRG-Prüfung
Änderungsrate von 26,2 Prozent.
Ebenso gab es die Konstellation,
dass sich nur wenige vorgeprüfte
Fälle mit ganz geringen Änderungen (Summe der Relativgewichtsänderungen 0,724) in der
Stichprobe fanden, es jedoch bei
der Prüfung zu deutlichen Relativgewichtsänderungen (Summe
12,443) zu Gunsten der Krankenkassen kam.
Nicht alle Sachverhalte können
durch § 17c KHG Prüfungen
erfasst werden. Insbesondere
bei Fragen zur Fallzusammenführung aufgrund der Abrechnungsbestimmungen und bei
Sekundärer Fehlbelegung mit
möglichem Unterschreiten der
Unteren Grenzverweildauer ist
die Stichprobenprüfung nach
§ 17c KHG nicht das geeignete
Instrument. Die Untere Grenzverweildauer z. B. ist als Prüfgegenstand bei der Stichprobenprüfung schlicht nicht vorgesehen.
Schlussfolgerung
Aussagen zu systematischen
Kodier-Auffälligkeiten sind
allein mit verdachtsunabhängigen Stichprobenprüfungen nur
eingeschränkt möglich. Das liegt
vor allem an den oben geschilderten Regelungen, insbesondere am Ausschluss vorgeprüfter
Fälle. Kombiniert man die Stichprobenprüfung allerdings mit
den Ergebnissen der bereits vor-
13
geprüften Einzelfälle, so ist eine
Aussage über die Kodierqualität
einer Abteilung durchaus zu
treffen.
Darüber hinaus erfahren Krankenkassen und Krankenhäuser,
in welcher Größenordnung
Fehlkodierungen zu Verzerrungen in der Entgeltberechnung
führen. Krankenhäuser erhalten
außerdem Hinweise für interne
Verbesserungsmaßnahmen und
zu Fehleinschätzungen ihrer
finanziellen Lage, die auf Fehlkodierungen beruhen.
Die Krankenkassen werden bei
einer sachgerechten Fallauswahl
für Einzelfallprüfungen unterstützt, die einer Ressourcenschonung auf beiden Seiten
zugute kommt. Nicht zuletzt
sorgen Stichprobenprüfungen
für eine Vergütungsgerechtigkeit
innerhalb des DRG-Systems.
Dr. med. Martina Modrack
ist Referentin und Koordinatorin
im Bereich Krankenhaus
des MDK Rheinland-Pfalz
E-Mail:
[email protected]
Dr. med. Ursula
Weibler-Villalobos
ist Leitende Ärztin
des MDK Rheinland-Pfalz
E-Mail:
[email protected]
MDK-Forum 1/2007
Kranken- und Pflegeversicherung
DRG-Begutachtung am Arbeitsplatz
oder im Krankenhaus?
Strukturierter Vergleich des MDK Westfalen-Lippe
Von Dr. Rainer Funk und Dr. Ulrich Heine
D
ie MDK-Begutachtung von
Fragen der stationären Versorgung – insbesondere zur
korrekten Kodierung – unterscheidet sich je nach regionalen
Vorgaben seitens der Auftraggeber sowie landesspezifischen
Regelungen. Die Spannbreite
reicht von nahezu ausschließlicher Begutachtung im Krankenhaus bis zur weit überwiegenden Begutachtung am
Arbeitsplatz des Gutachters im
MDK. In einem Modellprojekt
hat der MDK Westfalen-Lippe
Aufwand und Ergebnis von
Kodierprüfungen durch Begutachtungen im Krankenhaus
bzw. durch Begutachtungen
im MDK gegenübergestellt.
Während in der reinen Begutachtungszeit derzeit keine
wesentlichen Unterschiede
feststellbar sind, konnte die
Laufzeit der Aufträge durch
eine Krankenhausbegehung
deutlich reduziert werden.
Bei Aufträgen zur Prüfung der
Kodierqualität der Krankenhäuser hat der MDK WestfalenLippe zunächst keine Begutachtung im Krankenhaus durchgeführt. Die Begutachtung erfolgte
grundsätzlich nach Aktenlage in
der MDK-Beratungsstelle (BBS)
– ein Vorgehen, das durch die
Vorgaben des Landesvertrages
nach § 112 Absatz 2 Nr. 2 SGB V
gestützt wird, der den Anspruch
des MDK auf die Übersendung
der Behandlungsunterlagen festschreibt.
In Westfalen-Lippe hat sich wie
in vielen MDK die Erstbegutachtung auf Basis der Daten nach
§ 301 SGB V, der Krankenhausabrechnung, des Arztbriefes und
MDK-Forum 1/2007
ggf. des Operationsberichtes
oder Interventionsprotokolles
etabliert. Erst im Nachgang
werden relevante Auszüge aus
der Akte oder aber die gesamte
Krankenhausakte herangezogen.
Projekt: Begehung in
zwei Krankenhäusern
Von Januar bis Ende August
2006 wurde in zwei Krankenhäusern die Kodierung von 345
Fällen vollständig geprüft. Die
Daten der Begehung im Krankenhaus wurden den Daten aus
dem Begutachtungsjahr 2005
gegenübergestellt. Der zeitliche
Aufwand der Begehungen wurde
inklusive der Reisezeiten erfasst.
Dieser Vergleich sollte vorrangig
folgende Fragen beantworten:
• Wie unterscheidet sich der
zeitliche Aufwand der Begutachtung in der BBS von der
Begutachtung vor Ort mit
primärer Akteneinsicht ggf.
Ansicht der Patientendokumentation im Krankenhausinformationssystem?
• Lassen sich Unterschiede im
Prüfergebnis nachweisen und
wenn ja welche?
• Lässt sich Verwaltungsaufwand der Beteiligten reduzieren, indem der Verfahrensablauf bescheunigt werden
kann?
• Welche Auswirkungen auf die
Bearbeitungszeit lassen sich
nachweisen?
Für den strukturierten Vergleich
wurden zwei Krankenhäuser
gewonnen, die folgende Voraussetzungen erfüllten: In beiden
Häusern wurden jeweils so viele
Fälle hinterfragt, dass eine Be-
14
gutachtung vor Ort mit jeweils
zwei Gutachtern (operativ/konservativ) ganztägig möglich war.
In beiden Krankenhäusern wich
die Änderungsquote des DRGErgebnisses vom Durchschnitt
in Westfalen-Lippe ab; in einem
Haus lag sie deutlich höher, im
anderen Haus darunter. In Vorgesprächen mit den Krankenhäusern wurden folgende Eckpunkte vereinbart:
• Grundsätzlich werden nur
Fälle aus dem laufenden Jahr
2006 begutachtet.
• Das Krankenhaus erhält die
Liste der zu begutachtenden
Patientenaufenthalte per Mail
oder Fax sieben Kalendertage
vor Begehungstermin.
• Grundsätzlich wird die
gesamte Kodierung geprüft.
• Das Krankenhaus stellt die
komplette Akte zur Verfügung.
• Das Fallgespräch findet
zwischen Krankenhauscontrollern und MDK-Ärzten
mit dem primären Ziel des
konsentierten Fallabschlusses
statt.
• Ist eine Einigung im Fallgespräch primär nicht zu erzielen und will die Krankenhausseite Rücksprache mit
der behandelnden Abteilung
nehmen, wird der Fall auf den
nächsten Termin vertagt.
Bearbeitungszeit der
Gutachter in etwa gleich
Für beide Verfahren lassen sich
derzeit keine signifikanten
Unterschiede in der gutachterlichen Bearbeitungszeit feststellen. Die Begehung im
Krankenhaus mit voller Akteneinsicht, Begutachtung vor Ort
Kranken- und Pflegeversicherung
und Diskussion des Ergebnisses
im Rahmen des Fallgespräches
ist ein Begutachtungsverfahren,
das auf Krankenhausseite starke
Akzeptanz erfährt, weil es den
Verwaltungsaufwand vor allem
auf Seiten des Krankenhauses
senkt. In beiden Häusern wurde
der Wunsch geäußert, auch die
Notwendigkeit und Dauer der
Krankenhausbehandlung so zu
begutachten.
Kürzere Laufzeiten
Administrative Tätigkeiten, wie
z. B. die Anforderung und Verwaltung von Behandlungsunterlagen, Mahnschreiben, lassen
sich hingegen reduzieren. Dieses
ermöglicht eine sehr zeitnahe
Begutachtung, was gegenüber
der Fallprüfung anhand der
Aktenlage zu einer deutlichen
Verkürzung der Gutachtenlaufzeiten vom Auftragseingang bis
zum Postlauf führt. So konnten
wir in den Begehungsfällen die
Gesamtlaufzeit um 40 Prozent
auf 39 Tage senken, die Zeit von
der Übergabe an den Gutachter
bis zum Fallabschluss um mehr
als 60 Prozent auf 11 Tage.
Allerdings bleibt hier festzustellen, dass bisher die Reisezeiten sehr kurz sind (urbane
Krankenhäuser) und die Fallzahlen eine ganztägige Auslastung der Gutachter in regelmäßigen Abständen gewährleisten.
Vertretbare Reisezeiten und eine
ausreichende Anzahl von Fällen,
die zur Vorlage kommen, sind
Voraussetzung, dass die Begehung vom MDK als effizientes
Verfahren eingesetzt werden
kann. Bei Krankenhäusern mit
kleinen Fallzahlen wäre dieses
Verfahren weniger effizient, da
hierbei verhältnismäßig lange
Reisezeiten anfielen oder sich
die Gutachten-Laufzeiten bis
zur Sammlung ausreichender
Fallzahlen erhöhen würden.
Weniger Folgegutachten und
Einsprüche
Insgesamt kann ein deutlicher
Rückgang der Folgegutachten
festgehalten werden, was zur
Entlastung sowohl auf Krankenhausseite als auch beim MDK
Westfalen-Lippe führte. Einer
weiteren Minimierung standen
unter anderem folgende Gründe
entgegen: Haus A fusionierte in
der ersten Jahreshälfte mit einem
Haus, dessen Fälle in der BBS
begutachtet wurden. Daraus
resultierende Folgegutachten
wurden dann erstmals im Krankenhaus bearbeitet. In einigen
Begehungsfällen kamen allerdings nachträglich – nach Erhalt
des Gutachtens – noch Einwände
der Controller, obwohl die Fallgespräche im Konsens abgeschlossen worden waren. Als
Parameter für die gestiegene
Effizienz der Kodierprüfungen
nahmen wir die Einspruchsquoten und verglichen sie mit denen
der Vorjahre (Tabelle 1).
Lernprozesse
Die entgeltrelevanten Änderungsquoten durch den MDK
lassen im Vergleich zum Jahr
2005 in beiden Häusern eine
sinkende Tendenz – teilweise bis
unter den Durchschnitt aller
Begutachtungen – feststellen
(Tabelle 2). Hier gehen wir von
einem Lernprozess der Krankenhäuser aus, der sich unter
anderem durch eine merkliche
Verbesserung der Dokumentationsqualität in den Akten nachvollziehen lässt. Nicht zuletzt ist
dieser Effekt auch auf die kollegialen Fallgespräche zurück zu
führen.
Fazit
Die Begehung im Krankenhaus
zur einzelfallbezogenen Prüfung
der Kodierqualität ist ein Begutachtungsinstrument, das auf
positive Resonanz seitens der
Häuser stößt. Krankenhausbegehungen können die Fälle schneller zum Abschluss bringen, da
Folgegutachten i.d. R. entfallen.
Während in der reinen Begutachtungszeit derzeit keine
wesentlichen Unterschiede feststellbar sind, kann die Laufzeit
15
der Aufträge insgesamt deutlich
reduziert werden, wobei gleichzeitig der Verwaltungsaufwand
aller Beteiligten merklich sinkt.
Der MDK leistet damit einen
Beitrag zum Abbau der allgemein beklagten „Bürokratie“,
wodurch positive Effekte in der
Außenwirkung des MDK erzielt
werden.
Effizient kann diese Form der
Begutachtung jedoch nur bei
ausreichend hohen Fallzahlen
und vertretbaren Reisezeiten
eingesetzt werden, so dass eine
flächenhafte Etablierung in
Westfalen-Lippe ausscheidet.
Aus den Erfahrungen dieses
Modellprojekts kann der MDK
Westfalen-Lippe zukünftig die
Prüfung der Kodierqualität im
Krankenhaus gezielt einsetzen.
Tabelle 1:
Einspruchsquoten von
Haus A und Haus B
Prüfungsort
in BBS 2004
in BBS 2005
in BBS 2006*
im Krankenhaus 2006*
Einspruchsquoten
Haus A
Haus B
11,6 %
5,5 %
32,2 %
13,5 %
25,5 %
entfällt
4,6 %
3,9 %
Tabelle 2:
Entgeltrelevante Änderungsquoten der DRG
Begutachtung Begehung
in der BBS
alle Krankenhäuser
44,6 %
42,8 %
Haus A
56,5 %
43,1 %
Haus B
40,3 %
32,0 %
Dr. med. Rainer Funk
leitet das Fachreferat
Krankenhaus
beim MDK Westfalen-Lippe
E-Mail: [email protected]
Dr. med. Ulrich Heine
ist Ärztlicher Direktor und
stv. Geschäftsführer des
MDK Westfalen-Lippe
E-Mail: [email protected]
MDK-Forum 1/2007
Kranken- und Pflegeversicherung
Schauspieler zur Sprechstunde
A
n der Ludwig-MaximiliansUniversität (LMU) in München lernen Medizinstudenten
und Schauspieler gegenseitig
voneinander: die Mediziner die
Diagnose und das Patientengespräch – die Schauspieler das
glaubhafte Darstellen von
Krankheiten. Diese so genannten Simulationspatienten
schlüpfen in die Rolle eines
Kranken und sorgen in einer
Prüfungssituation dafür, dass
alle Mediziner ein standardisiertes Krankheitsbild zum
Entschlüsseln bekommen.
„Wir wollen bessere Studenten
haben, die in der Rolle des Arztes die Fähigkeiten zeigen, die
sie später im Beruf brauchen“,
fasst Prof. Stefan Schewe, Oberarzt an der LMU, das Ziel des
Simulationspatientenprogramms
zusammen. Jedes Jahr bestehen
6.000 junge Mediziner ihr Examen.
Vollgestopft mit dem Wissen
eines langen Studiums, müssen
sie ihren Lehrern zeigen, dass
sie als Arzt tätig werden können.
Noch wird beim medizinischen
Staatsexamen überwiegend Faktenwissen im Multiple-ChoiceVerfahren abgefragt. „Neben
den Ankreuztests sollte es auch
um die Kompetenz gehen, mit
Menschen gut umgehen zu können“, sagt Prof. Schewe. In
bestimmten Prüfungen an der
Patientenschauspieler Manfred Barth in der „Sprechstunde“
100 Schauspieler im Einsatz
jeder machen. Man braucht keine besondere Ausbildung dazu.
Ein bisschen Selbstbewusstsein
ist eine gute Voraussetzung“,
sagt Prof. Schewe. Der Rheumatologe leistete Pionierarbeit und
klapperte Kirchen, Betreuungszentren der Senioren und
Schauspielschulen ab und stellte
seit dem Jahr 2000 nach und
nach sein Schauspielerensemble
zusammen. Mittlerweile kann
die LMU auf etwa 100 Laienschauspieler zurückgreifen.
Dafür werden standardisierte
Patienten benötigt. „Das kann
Versetzen wir uns in eine
Prüfungssituation
LMU müssen die Mediziner von
morgen auch das unter Beweis
stellen. „Wir prüfen primär, ob
der Student bei einer gewissen
klinischen Situation eine vollständige Anamnese erheben
kann, dabei die richtigen Fragen
in der richtigen Reihenfolge
stellt und die richtige klinische
Untersuchung tatsächlich durchführen kann“, erklärt Prof. Schewe die Methode.
Stichwort Simulationspatienten
Mittlerweile interessieren sich immer mehr Universitätskliniken für
Simulationspatienten. Das sind Laienschauspieler, die Krankheitsbilder
oder Beratungsanlässe anhand vorgefertigter Rollenskripte einstudieren,
um diese dann kompetent und authentisch in einem „Arzt-PatientenGespräch“ darzustellen. Diese Methode hat das Ziel, die ärztliche
Kommunikationskompetenz in der medizinischen Ausbildung zu verbessern.
Im Gespräch mit den Simulationspatienten erproben und überprüfen
die Studierenden ihr Wissen und ihre Kommunikationskompetenz auf
praktische Art und Weise. Das strukturierte Feedback zu verbaler und nonverbaler Kommunikation sowie zu medizinischen Inhalten ermöglicht den
Studierenden, ihre Fertigkeiten zu korrigieren und zu verbessern.
MDK-Forum 1/2007
16
Prof. Schewe erklärt einer Gruppe von Simulationspatienten,
worum es dieses Mal geht: „Sie
hatten früher vorübergehend
Kreuzschmerzen. Es hat im
Rückenbereich kurz wehgetan.
Die Schmerzen gingen wieder
weg. Wichtig: Die Kreuzschmerzen sind vor allem in der Nacht
besonders stark.“ Schewe erklärt
genau, wie die Beschwerden
vorgespielt werden sollen. Die
Patienten wissen jetzt, an
welcher Stelle sie „Aua“ sagen
müssen. Mit einer kurzen
schriftlichen Beschreibung der
Kranken- und Pflegeversicherung
Beschwerden bekommen die
Patienten zudem ein kleines
Drehbuch an die Hand. Auch
für die Medizinstudenten ist das
eine außergewöhnliche Situation.
Zum ersten Mal treffen sie im
Rahmen einer Prüfung auf „echte“
Patienten. Sie müssen ihr Fachwissen und ihre menschliche
Kompetenz unter Beweis stellen.
„Ich habe so etwas noch nie
gemacht und bin richtig aufgeregt“, sagt eine Studentin im
achten Semester.
Prüfungsszene Sprechstunde
Patientenschauspieler Manfred
Barth verwandelt sich in
Michael Block, denn selbst der
Patientenname ist standardisiert.
In der Prüfungssituation hat die
Studentin zehn Minuten Zeit,
um herauszufinden, warum
Herr Block heute in „ihre
Sprechstunde“ gekommen ist.
Es geht darum, detailliert die
Vorgeschichte der Krankheit
des Patienten zu erfragen. Dazu
muss sie genau wissen, wann
und wie die Schmerzen auftreten und wie sie gebessert werden können. Am Ende des
Gesprächs sollte die Studentin
die zehn wichtigsten Fragen
gestellt haben. Eine Eieruhr im
nachgestellten Arztzimmer signalisiert: Die zehn Minuten sind
um. Patient Block gibt nun sein
Feedback zur Diagnostik und
eine menschliche Beurteilung
ab. „Sie haben gezeigt, dass sie
nicht nur Theoretiker sind, sondern auch ein Mensch. Ich würde sie auch als Arzt aufsuchen“,
lautet seine Einschätzung.
Die zweite Station der Prüfung
ist ein schriftlicher Test. Die
Simulationspatienten werden
aus Zeitgründen nur noch im
Anamnesegespräch und bei der
klinischen Untersuchung eingesetzt. Deswegen überprüfen
sich die Studenten auf der letzten Etappe nun gegenseitig.
Abwechselnd sind sie Patient
oder Arzt. Prof. Schewe achtet
darauf, dass Gesprächsführung,
Diagnose und Untersuchungs-
technik den Anforderungen entsprechen. Nach 60 Minuten sind
alle froh, die Prüfung gemeistert
zu haben.
Prof. Schewe löst nun das Rätsel
der Krankheit bei seinen Schauspielern auf: Während es beim
letzten Durchgang Gicht und
Rheuma waren, ging es bei dieser Prüfung um Tumore an der
Wirbelsäule. „Darauf deuteten
unter anderem die von ihnen
geäußerten Beschwerden in der
Nacht hin. Ich hoffe, dass sie
beim nächsten Mal wieder dabei
sind“, verabschiedet sich Prof.
Schewe.
Simulationspatienten gehören
zur Medizinerausbildung
Doch der Professor an der Universität in München ist noch
nicht zufrieden. „Wir brauchen
diese Methode auch für den
Unterricht. Wir müssen die Studenten an standardisierten
Mit Simulationspatienten die
Diagnostik verbessern
Ärzte lassen sich ungern in die
Karten schauen. Kenntnisse und
Können von Medizinern lassen
sich nur schwer bewerten.
Mit Hilfe von Simulationspatienten versuchen Medizindidaktiker
auch gestandene Mediziner mit
Standardsituationen zu konfrontieren, um daraus Schlüsse für die
Diagnosequalität zu ziehen. An
der Universität Brüssel wurde beispielsweise die Gesprächstechnik
bei 62 Ärzten erfasst, die an
einem Kommunikationstraining
mit Schauspielerpatienten teilgenommen hatten. Im Vergleich zu
Ärzten, die nicht darin fortgebildet wurden, waren die Fragen der
geschulten Ärzte nicht nur offener, sondern zugleich ergiebiger
für die Diagnose. Ähnlich angelegte Versuche in den Niederlanden und den USA kamen zu vergleichbaren Ergebnissen.
17
Patienten trainieren. Simulationspatienten nur für die Prüfung
einzusetzen, genügt nicht. Wir
müssen im Unterricht auch die
Kommunikationsfähigkeiten
trainieren. Die künftigen Mediziner sollen die Interaktion mit
dem Patienten lernen; vor allem
das Feedback des Patienten auf
die Handlungen als Arzt ist
wichtig.“
Die Arbeit mit Simulationspatienten ist aufwändig. Deswegen
setzen bisher nur wenige Universitäten Schauspieler bereits in
der Ausbildungsphase der Mediziner ein. Dagegen erkannten
amerikanische Eliteuniversitäten
seit langem den Nutzen dieser
Ausbildungsmethode. Die Erfahrung zeigt: Gut geschulte Ärzte
beziehen Ängste, Unsicherheiten
und andere psychologische Aspekte der Erkrankung häufiger
mit ein und verhielten sich
empathischer als die Mediziner
ohne dieses Training.
Eigenes Schlüsselerlebnis
Schewe bestätigt dies aus eigener Anschauung: „Bei einem
Training an der Harvard Medical
School in den USA wurde ich
selbst mit Simulationspatienten
konfrontiert. Das war für mich
ein Schlüsselerlebnis. Mir gegenüber saß eine depressive Patientin. Sie ging auf meine Fragen
einfach nicht ein.“ Nach fünf
Minuten gab die Patientin als
Feedback: „Herr Doktor, es war
nett mit Ihnen zu reden, sie
haben sich viel Mühe gegeben,
aber Sie hätten mich eigentlich
auch nach Suizidalität fragen
können.“ „Damit hatte sie
Recht“, gestand Prof. Schewe
ein. „Natürlich weiß ich, dass
Depression etwas mit Suizidalität zu tun hat. Aber wenn ich
das in einem Fachbuch lese, ist
das etwas ganz anderes, als in
der konkreten Situation damit
konfrontiert zu werden. Daran
werde ich mich immer erinnern.“
(dt)
MDK-Forum 1/2007
Kranken- und Pflegeversicherung
Pflege: Mehr Lebensqualität durch
neue Esskultur
I
ch möchte Gurkensalat mit
Joghurtsauce.“ Die 80jährige
Edith Schmitz* sitzt mit den
Bewohnerinnen und Bewohnern
ihrer Wohngruppe am Tisch
und hält die grüne Salatgurke
wie ein Zepter. Die anderen
haben Mandarinen, Lauch oder
getrocknete Erbsen vor sich. Es
ist Mittwoch Vormittag zwischen
11 und 12 Uhr: Menübesprechung im Martineum. Die
Menübesprechung ist fixer Teil
eines Projekts, mit dem das
Evangelische Seniorenzentrum
im Essener Stadtteil Steele seine
überwiegend dementen Bewohner wieder zum Essen
motivieren will.
Etwa 300 Bewohner beherbergt
das Martineum in insgesamt drei
Häusern. 80 Prozent von ihnen
leiden an einer Demenzerkrankung, viele sind völlig desorientiert. Wie so oft stand am Anfang
des Projekts ein Problem. „Das
Essen schmeckte nicht, Bewohner und Angehörige waren unzufrieden, es gab immer wieder
Beschwerden“, schildert Einrichtungsleiter Heinrich Gerlach die
Situation vor etwa drei Jahren.
Basale Stimulation beim Essen
Durch Fortbildungen kam die
Pflegedienstleitung in Kontakt
mit dem schweizer Koch und
Gerontologen Markus Biedermann. Er versucht das Konzept
der „Basalen Stimulation“, mit
dem demenzkranke Patienten
aktiviert und angeregt werden
sollen, wieder in Kontakt mit
ihrer Umwelt zu treten, ganz
konkret auf vielfältige Ess- und
Trinksituationen zu übertragen.
„Wir haben es überwiegend mit
Menschen zu tun, die ihr Hunger- und Durstgefühl nicht mehr
richtig interpretieren können
und die deshalb von sich aus
kaum essen und trinken“,
beschreibt Andrea Kolditz, die
stellv. Pflegedienstleiterin, das
pflegerische Problem. „Aus der
Nahrungsaufnahme wieder
einen Genuss zu machen und
das Essen als einen sozialen Akt
zu begreifen – das hat mich am
Konzept von Biedermann überzeugt.“ Dieses Verständnis, erläutert Kolditz, sei Voraussetzung
dafür, dass die Bewohner motiviert werden, ausreichend und so
lange wie möglich selbstständig
zu essen.
Organisatorische Veränderungen
notwendig
Für dieses Projekt, das das Essener Seniorenzentrum gemeinsam
Zunächst wurde ein Küchenchef
eingestellt, der bisher in der
gehobenen Gastronomie gearbeitet hatte. „Wir wollten jemanden, der die Bewohner als Kunden ernst nimmt“, erklärt Gerlach.
Die Küche und ihre Mitarbeiter
sollten konzeptionell von Anfang an einbezogen werden und
ihren „Zuliefererstatus“ aufgeben. Dazu fanden Fortbildungen
mit allen Berufsgruppen statt.
In der Diskussion: PEG-Sonden bei Menschen mit Demenz
Studien aus den USA stellen die Evidenz der Sondenernährung bei Demenzkranken in
Frage. Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin schliessen
sich dem zumindest für Patienten im fortgeschrittenen Stadium an. Aus der Praxis
von Pflegeheimen wird immer wieder berichtet, dass Menschen auch mit weit fortgeschrittener Demenz von der PEG-Sonde durchaus profitieren können.
Sinnvoll können PEG-Sonden dann sein, wenn
· die PEG-Sonde sich am mutmaßlichen Willen (und der Lebensqualität)
orientiert
· vorher alle Maßnahmen versucht wurden, um den dementen Menschen
zum Essen und Trinken zu bewegen
· Ernährungsprobleme frühzeitig aufgedeckt werden, Betroffene noch
ausreichend körperliche Ressourcen haben und die Mangelernährung
sich nicht manifestiert hat
· eine weitere Teilnahme an den gewohnten Mahlzeiten ermöglicht,
sowie eine orale Nahrungszufuhr, gegebenenfalls durch „Basale
Stimulation“ sicher gestellt wird
· andere Erkrankungen, nicht nur die Demenz, in die Entscheidung mit
einfließen
Denn bisher gibt es keinen Anhalt dafür, dass eine Demenz für eine Lebenszeitverkürzung verantwortlich ist. Wesentlich bedeutender sind
hier die Komorbiditäten, bzw. das Stresserleben aufgrund der demenzbedingten
Beeinträchtigungen (vgl. Wojnar, 2005). In den Fällen, in denen eine Sondenernährung erforderlich ist, ist darauf hinzuwirken, dass eine bedarfsgerechte Ernährung
gewährleistet wird und keine pauschale
Kaloriengabe von z.B. 1000 kcal.
Mehr dazu unter: www.nahrungsverweigerung.de
Uwe Brucker, MDS
* Name durch die Redaktion geändert
MDK-Forum 1/2007
mit Markus Biedermann entwickelte und das als Modellprojekt der „Landesinitiative
Demenz-Service NRW“ von
der Stiftung Wohlfahrtspflege
gefördert wurde, musste organisatorisch einiges umgekrempelt
werden.
18
Kranken- und Pflegeversicherung
Am Freitag trifft sich die
Schnibbelgruppe
Mit Martin Reinirkens, einem
agilen Mittdreißiger, wurde ein
engagierter Küchenchef gefunden. „Ich hatte vorher keinen
Kontakt zu älteren Leuten“, bekennt er freimütig. Einmal pro
Woche trifft er eine der 14 Wohngruppen, die abwechselnd den
Menüplan der folgenden Woche
mitgestalten. Reinirkens begrüßt
jeden mit Handschlag und
Namen. Etwa eine Stunde lang
dauert diese Besprechung, an
der auch die Sozialtherapeutin
teilnimmt, dann steht der Plan
für die nächste Woche. Pro Tag
werden zwei Gerichte zur Auswahl angeboten. Dabei können
die Bewohner ihre individuellen
Vorlieben einbringen. „Für diese
Generation sind Kartoffeln ganz
wichtig, ohne die geht nichts“,
lacht Reinirkens.
Außerdem ist die Schnibbelgruppe fester Bestandteil der
gemeinsamen Arbeit. Jeden Freitag treffen sich etwa 20 Frauen
und Männer, um sich an der
Zubereitung zu beteiligen. Auch
Menschen, denen längst die
Worte für ihre Handlungen fehlen, „wissen“, was zu tun ist,
wenn sie ein Messer und Obst
und Gemüse in die Hand nehmen. Ganz nebenbei kann dabei
die Motorik trainiert werden.
Wenn es mit Messer und Gabel
nicht mehr klappt
Es ist 12.30 Uhr, Zeit für das
Mittagessen in Wohngruppe
Paul-Bever-Haus I. Küchenmitarbeiter bringen die Speisen mit
Wärmewagen aus der Zentralküche im Erdgeschoss und helfen
bei der Essensausgabe mit.
„Wir wollten weg von den Tabletts, auch wenn das aufwändiger ist. Jetzt können die Bewohner selbst bestimmen, was sie
probieren und wie viel sie von
jeder Speise nehmen wollen“,
sagt Reinirkens. „Stundenlanges
Warmhalten der Gerichte, wie es
in vielen Heimen gang und gebe
Das Martineum setzt beim Essen und Trinken auf das Konzept „Basale
Stimulation“ des schweizer Gerontologen Markus Biedermann (re.)
ist, gibt es hier nicht. Gemüse,
Obst und Salat behalten
dadurch ihre wichtigen Nährstoffe – und es schmeckt auch
besser.“ Die Küche arbeite wie
ein Restaurant ‚in time’.
Für Demenzkranke, die nicht
mehr selbstständig mit dem Besteck umgehen können, wird das
Essen als Fingerfood angeboten:
Fleisch kommt als kleines frittiertes Würfelchen auf den Teller,
ebenso Kartoffeln oder Gemüse.
Besonders unruhige Bewohner
können auch während ihrer
„Laufzeiten“ essen. An gut erreichbaren Stellen stehen deshalb
Tellerchen mit kleinen hochkalorischen Häppchen bereit,
von denen sich die Betroffenen
bedienen können. Zum Teil werden die Häppchen sogar während des Laufens angereicht. „Eat
by walking“ nennen Fachleute
diese Form der Essensaufnahme.
PEG oder nicht?
Was passiert, wenn alle diese
Maßnahmen nicht ausreichen
und Demenzkranke nicht genügend Nahrung zu sich nehmen?
In vielen Einrichtungen wird
dann eine PEG-Sonde gelegt,
zum Beispiel wenn eine schwere
Schluckstörung vorliegt. Zum
einen hofft man, dass sich der
19
Patient durch die künstliche
Ernährung noch einmal erholt,
zum anderen soll die Sonde verhindern, dass der Patient durch
das Verschluckte eine Lungenentzündung bekommt. „Auch im
Martineum gibt es nicht die
schöne heile Welt, in der es keine PEG-Sonden mehr gibt“,
räumt Andrea Kolditz ein. „Wir
sehen die Sonde nur als unterstützendes Hilfsmittel, wenn es
gar nicht mehr anders geht, und
versuchen, wenn vertretbar,
trotzdem die orale Nahrungsaufnahme aufrecht zu erhalten.“ In
einem Fall sei es sogar gelungen,
die Sonde nach mehr als einem
Jahr wieder zu entfernen.
Auch in Zukunft mehr Lebensqualität durch neue Esskultur?
Die externe Förderung des Projekts ist 2006 ausgelaufen. Was
die Zukunft angeht, ist Heinrich
Gerlach skeptisch: „Wirtschaftlich wird es nicht einfach sein,
die Fülle der Ansätze in den Alltag zu übernehmen.“ Die Durchführung des Projekts sei nur
möglich gewesen, weil die Mitarbeiter mit hoher Motivation hinter dem Projekt gestanden hätten. Jetzt komme es darauf an,
die geschaffenen Strukturen
auch weiter zu pflegen.
(gr)
MDK-Forum 1/2007
Kranken- und Pflegeversicherung
Nutzenbewertung innovativer
Medizinprodukte
Expertentag der SEG 5 und der SEG 7
Von Dr. Gerhard Fergenbauer und Dr. Christoph Kreck
N
eue Medizinprodukte werden oft mit medizinischem
Fortschritt gleich gesetzt, doch
nur ein kleiner Teil hält dauerhaft Einzug in die medizinische
Versorgung. Auf dem Markt
findet sich eine zum Teil unübersehbare Vielfalt an Einzelprodukten mit häufig zweifelhaftem Nutzen für die Patienten.
Wie sich der therapeutische
Nutzen von innovativen Medizinprodukten bewerten lässt nd
welche Konsequenzen für die
Versorgungsrealität zu ziehen
sind, darüber diskutierten mehr
als 110 Teilnehmer und Teilnehmerinnen beim gemeinsamen
Expertentag der Sozialmedizinischen Expertengruppen „Hilfsmittel und Medizinprodukte“
(SEG 5) und „Methoden- und
Produktbewertung“ (SEG 7) am
12. 12. 2006 in Weimar.
Marketing oder solide Patientenversorgung? Diese Frage müssen
die Medizinischen Dienste
immer wieder beantworten. Die
Bandbreite der Fragestellungen
reicht von Fragen zur Abgrenzung zwischen Medizinprodukten und Hilfsmitteln über die
Bewertung des therapeutischen
Nutzens von diagnostischen und
therapeutischen Geräten als Teil
einer (innovativen) Methode bis
zur Evaluation von Implantaten
und „arzneimittelähnlichen“
Medizinprodukten. Der leistungsrechtliche Hintergrund ist heterogen, der Evaluationsstandard
niedrig. Fachabteilungen, die
sich über Hilfsmittel hinaus spezialisiert mit Medizinprodukten
befassen, existieren mit Ausnahme
des Fachbereichs „Medizinprodukte“ beim MDS kaum.
MDK-Forum 1/2007
Prof. Dr. Michael Forsting von der Universitätsklinik Essen mit
Mikrokatheder und Coil, das in ein Aneurysma eingebracht wird
Chancen und enttäuschte
Erwartungen
Den Auftakt der Veranstaltung
bildete eine Reihe von Fachthemen. Dr. Friedrich Kruse,
MDS, stellte das Vorgehen bei
der Bewertung des therapeutischen Nutzens von externen
Defibrillatoren am Beispiel von
LifeVest vor. Diese „anziehbaren“ externen Defibrillatoren
kommen zum Einsatz bei Patienten, bei denen die Gefahr
eines plötzlichen Herzstillstands
besteht, die aber keine Kandidaten für implantierbare Defibrillatoren sind bzw. eine solche
Implantation ablehnen. Aus der
Darstellung der Methode und
der publizierten Evidenz entwickelte Kruse einen Vorschlag,
20
wie die Versorgung in Verträgen
nach § 116b „Ambulante
Behandlung im Krankenhaus“
zu gestalten sei und wie gleichzeitig wissenschaftliche Begleitstudien zu vereinbaren seien.
Über die Kapselendoskopie als
diagnostische Methode berichtete Dr. Hans-Georg Hoffmann
vom MDK Niedersachsen. Die
Kapsel sowie zugehörige Geräte
werden für die Abklärung unklarer Blutungen und die Diagnostik chronisch entzündlicher
Darmerkrankungen wie Morbus
Crohn eingesetzt. In den Medien
werden sie jedoch auch als diagnostisches Verfahren für viele
Symptome des Magen-DarmTraktes empfohlen, bis hin zum
Colon irritabile. „Für viele Indi-
Kranken- und Pflegeversicherung
kationen bestehen Alternativen,
die besser untersucht oder wirtschaftlicher sind“, so Hoffmanns
Fazit.
Ein bereits etabliertes Verfahren
stellte Prof. Dr. Michael Forsting
vom Universitätsklinikum Essen
vor: Beim so genannten Coiling
werden in der endovaskulären
Neurochirurgie von Aneurysmen über einen Katheter Spulen
aus Platindraht („Coils“) eingebracht. Das Verfahren hat sich
als Alternative zum offenen
chirurgischen Vorgehen etabliert. Nach Forstings Einschätzung ist es aber nicht für alle
Fälle geeignet. Die Kombination
mit Stents bedeute eine Weiterentwicklung, wodurch die Rate
der Rekanalisationen reduziert
werden könne.
Hürde für die Einführung
neuer Methoden zu niedrig
Viele neue Technologien werden
eingeführt, obwohl sie kaum
evaluiert sind. Eine Reihe neuer
Medizinprodukte wird zum
Beispiel zur Behandlung degenerativer Spinalkanalstenosen
angeboten. Schon das breite
Spektrum von Operationsmethoden und Implantaten
ist ein Indiz dafür, dass die
therapeutische Situation unbefriedigend ist. Die vielfältigen
Methoden und immer häufigere
Operationen gehen jedoch nicht
mit besseren Ergebnissen einher,
wie Prof. Dr. Johannes Giehl,
MDK Baden-Württemberg,
eindrücklich darstellte. „Für
alle Produkte besteht weiterer
Evaluationsbedarf“, sagte Giehl.
Es wurde deutlich, dass die
Hürde für die Einführung neuer
OP-Methoden und Implantate
zu niedrig ist, insbesondere
„kleinere Eingriffe“ werden
ohne Nutzenbeleg verbreitet.
schen den zum Teil sehr kurzen
Produktzyklen und den Regularien, die eingehalten werden müssen, wenn neue Methoden in den
Leistungskatalog der GKV eingeführt werden, wies Dr. Dagmar
Lühmann vom Institut für Sozialmedizin der Universität Lübeck
hin. Sie stellte Lösungsansätze
vor, wie viel versprechende
Methoden und Produkte frühzeitig zu erkennen und in den Versorgungsalltag einzuführen sind.
Beispiele sind das frühzeitige
Identifizieren von viel versprechenden neuen Methoden/Produkten (Horizon Scanning), die
strukturierte Innovationsbegleitung (z. B. durch die Projekte des
MDS und der KBV) und eine
möglichst frühe Bewertung.
Dr. Gabriele Soskuty vom Medizinprodukte-Hersteller Johnson
& Johnson kritisierte, dass das
Bewertungsverfahren gerade im
Gemeinsamen Bundesausschuss
für Außenstehende intransparent sei. „Zum Wohl des Patienten
und im Interesse eines sinnvollen
medizintechnischen Fortschrittes
ist eine Optimierung des Evaluationsprozesses unter Beteiligung
aller Interessengruppen notwendig“, forderte Soskuty. Dies bei
vernünftigen Rahmenbedingungen durchzuführen, dafür stehe
die Industrie.
Neue Herangehensweisen
notwendig
„Wie viel Marktdynamik ist im
Interesse der Patienten?“ lautete
der Titel des Referats von
Dr. Martin Danner, Mitarbeiter
der Bundesarbeitsgemeinschaft
Selbsthilfe und beratender
Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss. Er
forderte eine strukturierte Einführung von Innovationen, die es
gegenwärtig nicht gebe. „Marktdynamik ist für die Patienten gut,
wenn sie mit strukturierten Verfahren analysiert wird und wenn
es ausreichende und objektive
Informationen für die Patienten
gibt“, lautete Danners Fazit.
Im zweiten Teil der Veranstaltung
ging es um versorgungspolitische
Fragen. Auf die Diskrepanz zwi-
Über die gesetzlichen Veränderungen, die das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz für den
21
Hilfsmittelbereich vorsieht,
berichtete Prof. Hans-Georg
Will vom Bundesministerium
für Gesundheit. Schwerpunkte
seien die Förderung des Wettbewerbs sowie die Erweiterung
vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten der Krankenkassen.
„Hauptsächlich durch Ausschreibungen soll die Wirtschaftlichkeit der Versorgung
weiter verbessert werden“,
betonte Will.
„Der Begriff der Innovation ist
zum undefinierten Werbeattribut
mutiert,“ kritisierte Dr. Hanspeter Schneider, Leiter des
Fachgebiets Medizinprodukte
beim MDS. Der Wert einer Innovation lasse sich besser beurteilen, wenn neben den Studien
auch das Verhalten der Hersteller betrachtet würde: Wie ist
sein Umgang mit fehlerhaften
Produkten? Wie steht es um
seine Bereitschaft, Transparenz
herzustellen und zu kooperieren? Schneiders Fazit: „Politik,
Industrie und Verbraucherverbände fordern oft eine „proaktive“ Herangehensweise an neue
Verfahren und Produkte. Dies
darf aber nicht unkritisches
Herangehen oder Zukunftsoptimismus um jeden Preis
bedeuten.“
Im Resümee bleibt das Ziel aller
am Versorgungsgeschehen
Beteiligten, viel versprechende
Methoden frühzeitig zu identifizieren und strukturiert zu bewerten. Das Patientenwohl hat
vor wirtschaftlichen Interessen
einzelner Gruppen zu stehen.
Dr. med. Gerhard Fergenbauer,
MDK in Hessen,
leitet die SEG „Hilfsmittel und
Medizinprodukte“ (SEG 5)
der MDK-Gemeinschaft
E-Mail:
[email protected]
Dr. med. Christoph Kreck,
leitet die SEG „Methoden- und
Produktbewertung“ (SEG 7)
der MDK-Gemeinschaft
E-Mail: [email protected]
MDK-Forum 1/2007
Kranken- und Pflegeversicherung
Neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen – Chancen oder Risiken?
Jahrestagung der SEG 3 und SEG 4 – Von Jochen Messer
U
nter dem Motto „Neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen – Chancen oder Risiken?“ präsentierten die Sozialmedizinischen Expertengruppen „Versorgungsstrukturen“
(SEG 3) und „Abrechnung und
Vergütung“ (SEG 4) der MDKGemeinschaft im Rahmen ihrer
Jahrestagung am 11. Januar
2007 in Mainz die Ergebnisse
ihrer Arbeit. Im zweiten Teil
der Veranstaltung diskutierten
die rund 150 Teilnehmer, vornehmlich aus dem Bereich der
Krankenkassen und ihrer Verbände, engagiert über Möglichkeiten und Grenzen der anstehenden Gesundheitsreform aus
Sicht der Politik, der Leistungserbringer und der Gesetzlichen
Krankenversicherung.
störungen“ sowie Schulungsprogramme für adipöse Kinder und
Jugendliche bewertet und mehrfach Projekte zur Integrierten
Versorgung beratend begleitet.
Aus der Arbeit
der SEG 3 und SEG 4
„DRG-Prüfergebnisse im Ländervergleich“ präsentierten Dr.
Peter Dirschedl (MDK BadenWürttemberg) und Dr. Rainer
Funk (MDK Westfalen-Lippe)
aus ihrer Arbeit in der SEG 4.
Hierbei zeigte sich ein hohes
Maß an Übereinstimmung bei
den Änderungen der Diagnosen.
Die Referenten werteten dies
als Zeichen dafür, dass das Auftragsverhaltens der Kassen und
die Begutachtungen in den
MDK vergleichbar sind. Der
länderübergreifende Vergleich
von DRG-Begutachtungen, so
das Fazit von Dirschedl und
Funk, unterstützt die Einheitlichkeit der Begutachtungen und
die Effektivität der Fallauswahl.
Prof. Dr. Reinhard Schuster und
Dr. Carsten Glaefke (beide
SEG 4, MDK Nord) stellten ihre
Erfahrungen zum „Einsatz von
Krankenhausroutinedaten bei
Budgetverhandlungen und im
Dr. Petra Walter, die Leiterin der
SEG 4, und Dr. Michael Dziuk,
der die SEG 3 leitet, stellten
Schwerpunktthemen ihrer
Gruppen aus dem Jahr 2006 vor.
Die SEG 4 war insbesondere
mit der Überarbeitung der Deutschen Kodierrichtlinien, in den
Arbeitsgemeinschaften OPS
und Klassifikation sowie bei der
Bearbeitung von Zusatzentgelten
tätig. Im ambulanten Bereich
engagierte sich die SEG 4 vor
allem im Arbeitsausschuss des
Bewertungsausschusses.
.
Die SEG 3 hat ein Grundsatzgutachten zum Stellenwert der
Insulinpumpentherapie mit
entsprechenden Arbeitshilfen
erstellt, eine Arbeitshilfe zu
„Schlafbezogenen Atmungs-
MDK-Forum 1/2007
Zum Thema „Verdachtsunabhängige DRG-Stichprobenprüfungen im Krankenhaus (§ 17c
KHG)“ berichtete Dr. Martina
Modrack, Mitglied der SEG 4,
über Erfahrungen aus dem
MDK Rheinland-Pfalz. Diese
Prüfungen böten sich für die
Krankenkassen als ein wichtiges Instrument zur Überprüfung ihrer Fallauswahl nach
§ 275 SGB V an und könnten
sowohl den Krankenkassen als
auch den Krankenhäusern als
Instrument der Qualitätssicherung dienen.
22
Krankenhausfallmanagement“
vor. Das im MDK Nord etablierte
Verfahren mit derzeit mehr als
einer Million Datensätzen helfe,
Auffälligkeiten zu identifizieren.
„Die fortlaufende Erweiterung
der Auswertungsinhalte bringt
den Kostenträgern einen direkten
Nutzen in den Verhandlungen
und im Fallmanagement“, stellten
Schuster und Glaefke heraus.
Dr. Christine Baulig, Mitglied
der SEG 3 aus dem MDK
Rheinland-Pfalz, bewertete in
ihrem Vortrag zu „Schnarcherschienen – Alte Versorgung
unter neuen Gesichtspunkten“
die Evidenz der Unterkieferprotrusionsschienen. Diese seien als
NUB-Verfahren zu beurteilen.
Die CPAP-Therapie (continuous
positive airway pressure) stelle
weiterhin den „Goldstandard“
zur Therapie des obstrukiven
Schafapnoe-Syndroms dar.
Dr. Michael Dziuk, Leiter der
SEG 3, referierte in seinem Beitrag „Patientenschulungsprogramme – Überholt uns die
Realität?“ über die Erfahrungen
mit der Bewertung von Patientenschulungsprogrammen. Häufig, so Dziuk, seien Schulungsprogramme nicht ausreichend
gemäß den gesetzlichen Vorgaben evaluiert und/oder entsprechen nicht den Vorgaben
der Spitzenverbände zu Schulungsprogrammen. Andererseits
würden Schulungsprogramme
verstärkt angeboten. Vor allem
die Franchising-Konzepte könnten
aus den o.g. Gründen problematisch sein.
Ein Projekt zur Palliativversorgung, das durch die SEG 3 be-
Kranken- und Pflegeversicherung
gleitet wurde, stellte Janine PothSchwindling vom VdAK/AEV
e.V. Saarland vor. Unter dem
Referatstitel „Integrierte Versorgung: Optimierte Palliativversorgung“ beschrieb sie, wie mittels
Case-Management und unter
Einbeziehung der gesamten
palliativmedizinischen Versorgungskette eine durchgängige
und qualitätsgesicherte Versorgung angeboten wird. Als wichtiger Bestandteil kommt eine
serverbasierte elektronische
Patientenakte zum Einsatz, auf
die alle Beteiligten zugreifen
können.
Versorgungspolitik im
Gesundheitswesen
Am Nachmittag der Jahrestagung
kamen Experten aus Politik,
Krankenversicherung und Krankenhaus zum Thema „Gesundheitsreform“ zu Wort.
Dr. Gerald Gaß, Leiter der Abteilung Gesundheit im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz referierte über „Qualitätsverbesserung – Chancen
der Gesundheitsreform“. Er wies
darauf hin, dass auf Ausgrenzung
von Leistungen verzichtet und
sogar Leistungserweiterungen
vorgesehen seien. Hier nannte
er u.a. die Impfung als Regelleistung, die geriatrische Rehabilitation als Pflicht- und die
Vater-Mutter-Kind-Vorsorge als
Regelleistung sowie die Implementierung von Palliativ-CareTeams, und die Erweiterung der
häuslichen Krankenpflege. Eine
Qualitätssteigerung ist nach
Gaß’ Einschätzung u. a. auch
durch mehr Wettbewerb (Arznei- und Heilmittelbereich),
durch das Einholen einer Zweitmeinung bei hochinnovativen
Arzneimitteln, die Zertifizierung
von Reha-Einrichtungen und
Erweiterung der Integrierten
Versorgung zu erzielen.
Nikolaus Schmitt, Abteilungsleiter und Projektleiter Integrierte
Versorgung bei der Barmer
Die Wirkungen der Gesundheitsreform standen im Mittelpunkt der
Podiumsdiskussion
Ersatzkasse in Wuppertal,
berichtete über „Neue Wege für
neue Versorgungs- und Vergütungsformen“. Er stellte die Integrierte Versorgung als Möglichkeit der Qualitätsverbesserung
heraus und zeigte einige Beispiele
mit ihren Evaluationsergebnissen.
Die in der Gesundheitsreform
angestrebten Veränderungen der
Integrierten Versorgung wurden
kritisch diskutiert.
Gesundheitsreform auf die
MDK-Gemeinschaft. Inhaltliche
Unabhängigkeit, Qualität und
Transparenz, Kommunikation
und Kooperation sowie dezentrale Gestaltung von Handlungsfreiräumen seien dabei wesentliche Grundlagen, um die
Veränderungen als Gestaltungschance zu nutzen.
Rainer Klein, Landesvorsitzender
der Krankenhausdirektoren
Rheinland-Pfalz und Saarland,
gab in seinem Vortrag „Krankenhäuser im Wettbewerb – Chancen für die Versorgungsqualität“
einen Überblick über politische
Rahmenbedingungen der Krankenhäuser, die Konsequenzen
der DRG-Umsetzung sowie die
Herausforderungen und Möglichkeiten, die Qualität als relevanter Wettbewerbsfaktor bietet.
Unter Wettbewerbsbedingungen
bestehen für die Versicherten
aus seiner Sicht große Chancen,
aber auch Risiken für die Versorgungsqualität.
Diese hochaktuellen Beiträge
boten Anlass für eine spannende
und teilweise kontrovers geführte
Diskussion. Die vom Vertreter
des rheinland-pfälzischen Landesministeriums vorgetragene
Argumentation, dass die Vorteile
für die Versicherten bei der
anstehenden Gesundheitsreform
überwiegen würden, blieb nicht
unwidersprochen. Kritik kam
vor allem von Seiten der Krankenkassen. „Der MDK ist jetzt
und auch weiterhin eine wichtige und notwendige Institution
im Gesundheitswesen“, betonte
Gaß zum Abschluss.
Unter dem Titel „Die Gesundheitsreform – Chancen für die
MDK-Gemeinschaft“ sprach
Dr. Gundo Zieres, Geschäftsführer des MDK RheinlandPfalz, über mittelbare und unmittelbare Auswirkungen der
23
Fazit
Alle Vorträge zum Download:
www.mdk-rlp.de
www.mdkbw.de
Jochen Messer ist
stv. Geschäftsführer
des MDK Rheinland-Pfalz
E-Mail:
[email protected]
MDK-Forum 1/2007
Gesundheits- und Sozialpolitik
Pflegebericht 2005 –
Ergebnisse und Tendenzen
Interview mit Alexander Wagner, MDS
I
m Jahr 2005 führten die
MDK insgesamt 1,3 Millionen
Begutachtungen durch; eine Zunahme um 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Gesamtzahl der Leistungsbezieher
wuchs auf 1,95 Millionen.
Was sich sonst noch tat im
elften Jahr seit Einführung der
Pflegeversicherung, beschreibt
Alexander Wagner, Leiter des
Fachgebietes Datenservice und
-vertrieb beim MDS sowie
Autor des Pflegeberichts, im
Interview mit MDK-Forum.
Zahl der über 80-Jährigen in
Deutschland hat zwischen 1996
und 2005 um über 20 Prozent
zugenommen. Im gleichen Zeitraum blieb jedoch die Gesamtbevölkerung fast konstant. Unsere
älter werdende Gesellschaft wird
es mit immer mehr pflegebedürftigen Menschen zu tun haben.
? MDK-Forum: Welche
Schlüsse ziehen Sie aus diesen
Auswertungen?
? MDK-Forum: Herr Wagner,
die Zahl der Begutachtungen hat
in den vergangenen Jahren stetig
zugenommen. Was bedeutet das?
! Alexander Wagner: Die Zahl
der Versicherten, die innerhalb
eines Jahres vom MDK erstmalig
als pflegebedürftig begutachtet
werden, blieb in den letzten
Jahren mit jährlich rund 470.000
fast konstant. Zugenommen hat
die Zahl der Folgebegutachtungen. Hierbei wird geprüft, ob
sich der Hilfebedarf bei schon
als pflegebedürftig anerkannten
Menschen im Vergleich zum Vorgutachten verändert hat. Diese
gutachterliche Tätigkeit steht
aber in keinem Zusammenhang
mit der Entwicklung der Leistungsempfängerzahlen.
? MDK-Forum: Worauf lässt
sich denn generell die häufig beschriebene Zunahme pflegebedürftiger Menschen zurückführen?
! Alexander Wagner: An
erster Stelle ist hier natürlich der
demographische Wandel im Zusammenhang mit der bekannten
Altersabhängigkeit von Pflegebedürftigkeit zu nennen. Die
MDK-Forum 1/2007
gibt, deren Hilfebedarf sich in
leistungsrechtlicher Hinsicht nicht,
oder nur sehr langsam verändert
und die zudem sehr lange im
Leistungsbezug verbleiben. Hierbei kann es sich z. B. um Versicherte mit bestimmten Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems handeln. Dies hat zur Folge,
dass sich der Bestand von Pflegebedürftigen der Stufe I über die
Jahre hinweg erst aufgebaut hat
und sich derzeit noch aufbaut.
Alexander Wagner, MDS
? MDK-Forum: Im Pflegebericht schreiben Sie, dass die
Zunahme von pflegebedürftigen
Menschen ausschließlich auf
Pflegebedürftige der Pflegestufe I
zurückzuführen ist. Kann man
daraus schließen, dass der Hilfebedarf pflegebedürftiger Menschen
in den letzten Jahren abnahm?
! Alexander Wagner: Nein,
ein solcher Rückschluss wäre
voreilig. Die Entwicklung der
Leistungsempfängerzahlen hinsichtlich der „Schwere“ von
Pflegebedürftigkeit wird von
mehreren Faktoren beeinflusst.
Meine Modellrechnung im
Pflegebericht zeigt, dass es unter
den Pflegebedürftigen der Stufe I
eine große Zahl von Menschen
24
! Alexander Wagner: Die
wichtigste Feststellung ist, dass
viele Pflegebedürftige der Stufe I
eine lange Verbleibdauer in dieser
Pflegestufe und wahrscheinlich
auch eine lange Lebensdauer
haben. Es sollten deshalb Anstrengungen mit dem Ziel unternommen werden, bei dieser Gruppe die Möglichkeiten rehabilitativer Maßnahmen zu eruieren.
Aus den Ergebnissen der Folgebegutachtungen wissen wir, dass
ein Rückgang des Hilfebedarfs
erreichbar ist. Pro Jahr scheiden
sogar 20.000 Versicherte aus dem
Leistungsgeschehen aus, da im
Sinne des Gesetzes keine Pflegebedürftigkeit mehr vorliegt. Weiterhin muss bei Berechnungen
über die zukünftige Entwicklung
des Leistungsgeschehens in der
Pflegeversicherung berücksichtigt
werden, dass sich auch zehn
Jahre nach Einführung der
Pflegeversicherung noch nicht
endgültige Prävalenzen herausgebildet haben, die eine absolut
verlässliche Grundlage für
Hochrechnungen bieten.
Die Fragen stellte Andrea Steidle
Gesundheits- und Sozialpolitik
Gesundheit – Rauchen – Pflege
Von einer Posse zur nächsten
Von Mike Schier
R
getäuscht und ausgetrickst“
worden, er „schäme“ sich für
seine Partei. Vertreter des rechten
„Seeheimer Kreises“ und der
„Netzwerker“ forderten daraufhin disziplinarische Maßnahmen – bis zum Ausschluss aus
der Fraktion. Am Ende gab es –
wie so oft in der ganzen Reformdebatte – nach lautem Wortgeklingel einen lauen Kompromiss: Nach kurzer Entschuldigung der Abweichler erklärte
Fraktionschef Peter Struck die
Angelegenheit für erledigt.
es bei den Privatkassen noch
ein paar Zuckerl für die CSU.
Womöglich hätte sich die bayerische Unionsschwester noch
etwas sperriger gezeigt, hätte sie
sich nicht ab Dezember lieber
mit der eigenen Gesundheit
beschäftigt: Der Pauli-Virus raffte erst den Widerstand gegen
Ulla Schmidt und dann gleich
noch den Parteivorsitzenden
und Ministerpräsidenten dahin.
Am Ende stimmte die CSULandesgruppe in weiten Teilen
lammfromm zu.
Vielleicht hatte Struck sein ganz
eigenes Interesse, nicht noch
mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf die Angelegenheit zu
lenken. Denn die stärkste Fraktion der Abweichler kam ausgerechnet aus dem zuständigen
Fachausschuss. Elf Mitglieder
stellt die SPD im Gesundheitsausschuss; fünf von ihnen lehnten
die Reform ab, zwei enthielten
sich. Hätte Struck sie – wie
gefordert – ihrer Ausschusssitze
enthoben, wäre wohl eine neuerliche Debatte um die Reform
entbrannt, der man offenbar
umso skeptischer gegenüber
steht, desto mehr Kenntnis man
von der komplexen Materie hat.
Dass dennoch keineswegs alle
in der Union glücklich mit der
Reform sind, bewies der ehemalige Gesundheitsminister Horst
Seehofer, vorher öffentlich eifriger Verfechter des Reformwerks,
nur wenige nach der Verabschiedung. In kleiner Runde
räumte der Kandidat um den
CSU-Vorsitz unumwunden ein,
beispielsweise das Thema Generationengerechtigkeit bei der
Reform ziemlich verschlafen zu
haben. Für eine Reform, die angeblich zehn bis 15 Jahre halten
soll, ist das eine ebenso bemerkenswerte wie traurige Erkenntnis.
Abweichler zum Rückzug
gezwungen
Pauli-Virus raffte CSU dahin
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse einer Großen Koalition
wäre dies kein Problem gewesen.
Doch in der SPD entwickelte
sich daraus eine Debatte, ob die
Abgeordneten nun eher ihrem
Gewissen oder doch mehr der
Koalitionsdisziplin verpflichtet
sind. Harte Worte wurden ausgetauscht. Der Abgeordnete
Wolfgang Wodarg wetterte die
Parlamentarier seien „belogen,
Also entschieden sich alle Seiten
für gute Miene zum bösen Spiel:
Überall in der Regierung war die
Erleichterung darüber zu spüren,
das Endlosthema Gesundheit
endlich zu den Akten legen zu
dürfen. Bis zum Schluss hatte
man noch um Details gerungen.
Der Widerstand der finanzstarken Länder Baden-Württemberg
und Bayern brach zusammen
wie ein Kartenhaus. Zudem gab
Es ist aber auch nicht einfach
für die Politiker. Das klingt ironisch, ist es aber nicht. Manchmal muss man ehrliches Mitleid
mit den Gesundheitspolitikern
haben, die eine derart schwere
Materie beackern. Selbst die
Lobbyisten, die in der Regel nur
reagieren statt agieren, verheddern sich bei ihrer Kritik oft
genug in den Fallstricken der
Details. Insofern kann man den
Gesundheitspolitikern nicht
verdenken, dass sie sich mit
egieren ist eine komplizierte
Angelegenheit. Bisweilen
scheint es die Politiker sogar
zu überfordern. Die Gesundheits- und Sozialpolitik liefert
für diese harte These derzeit
ausreichend Beispiele. Kaum
wurde die verkorkste Gesundheitsreform mit Hängen und
Würgen verabschiedet, da mutiert ein vermeintlich einfaches
Rauchverbot zur Dauerposse.
Und im Hintergrund bahnt sich
für 2007 bereits der nächste
Ärger an: bei der Pflegereform.
Ein Überblick.
Die Gesundheitsreform
Eines muss man den Regierungsfraktionen lassen: Sie bemühten
sich bis zum Schluss, ihrem
Reformmonster in der Gesundheitspolitik einen Abschluss zu
verschaffen, der sich der vorangegangenen Debatte würdig erwies. Sowohl bei Union als auch
bei SPD gab es eine ganze Reihe
Abweichler, die ihren Namen
nicht mit steigenden Beiträgen,
Gesundheitsfonds oder einer
(am Ende halbherzigen) Attacke
auf die Private Krankenversicherung verbinden wollten.
25
Das Rauchverbot
MDK-Forum 1/2007
Gesundheits- und Sozialpolitik
Restaurants,
Discos und
Kneipen –
fällt dagegen
in die Zuständigkeit der
Länder. So
begann mal
wieder der
föderale Wettlauf: Jedes
Land kochte
sein eigenes
Süppchen,
einige Kandidaten versuchten
sich zu Vorkämpfern zu
stilisieren.
Noch in diesem Jahr will die große Koalition die Reform
der Pflegeversicherung verabschieden
Feuereifer auf ein vermeintlich
einfaches Themenfeld stürzten:
das Rauchverbot. Wenn in Irish
Pubs, italienischen Cafés, ja sogar im zigarrenseligen Havanna
nicht mehr geraucht werden
darf, sollte das doch auch in
Deutschland ein verhältnismäßig einfaches Projekt mit maximaler Wirkung sein. Dachte
man. Die eingesetzte Arbeitsgruppe der Koalition erzielte
auch relativ bald Einigkeit –
ehe das in Deutschland offenbar
unvermeidliche Endlospalaver
begann.
Verqualmte Bund-LänderBeziehung
Aus dem Bundesinnenministerium
und den Spitzen der beiden
Regierungsfraktionen erhielten
die Gesundheitspolitiker den
irritierenden Hinweis, dass sie
für das Thema Rauchverbot
wohl gar nicht zuständig seien:
Grund war ausgerechnet die
Föderalismusreform, die eigentlich die komplizierten BundLänder-Beziehungen entflechten
sollte. Stattdessen mussten die
Bundespolitiker (wie später auch
beim Thema Kinderkrippen)
feststellen, dass die Zuständigkeiten eher verkompliziert
wurden. Der Bundestag konnte
zwar über bundeseigene Einrichtungen beraten, das Kernstück des Rauchverbots – die
MDK-Forum 1/2007
Und schließlich folgte nach
diversen Beratungen und
Rauchverbots-Gipfeln der völlig
überraschende Kompromiss:
Das Rauchen wird in Restaurants
und Gaststätten weitgehend verboten. Bayern setzte noch eine
Ausnahme für Bierzelte (sprich:
die Wiesn und den CSU-Wahlkampf) durch, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen pochten
freilich auf ihre Extra-Wurst,
wonach Wirten die Möglichkeit
eingeräumt werden soll, ihre
Restaurants als Raucherlokale
zu deklarieren. Allerdings blieb
unklar, wo hier der entscheidende
Unterschied zur heutigen Regelung liegt, in der es ja Wirten
auch unbenommen bleibt, ihr
Geschäft zum Nichtraucherlokal
zu erklären – bekanntlich mit
bescheidenem Erfolg.
Verwirrte Wirte
Inzwischen sieht es so aus, als
stehe dem Rauchverbot für 2008
nichts mehr im Wege. Die Dauerdebatte hat immerhin zur Folge,
dass die Fronten zu bröckeln
beginnen. Ein Münchner Wirt –
zum x-ten Mal nach dem x-ten
Vorschlag in der Debatte befragt
– stöhnte im Januar nur noch:
Wie die konkrete Regelung aussehe, sei ihm inzwischen egal.
Aber er würde gerne endlich
einmal wissen, worauf er sich
einrichten müsse...
26
Die Pflegereform
Während sich der Rauch beim
Nichtraucherschutz allmählich
lichtet und im Gesundheitswesen zumindest die größten
Feuerstellen gelöscht sind,
bahnt sich bereits der nächste
heiße Tanz in der Koalition an.
Es geht um die Pflege, ein Thema das Union und SPD in den
vergangenen Monaten so gut
wie möglich zu ignorieren versuchten. Durch den Trick, den
Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung 2006 13 Mal zu
kassieren, haben auch die Pflegekassen eine kleine Finanzspritze
erhalten. Dies erlaubte der Koalition zwar von ihrem ursprünglichen Zeitplan (laut Koalitionsvertrag sollten schon im Sommer
2006 Eckpunkte einer Reform
vorgelegt werden) abzuweichen,
allerdings wird der Finanzdruck
nun trotz konjunktureller Erholung wieder deutlich
anwachsen. Eine baldige
Reform ist also unumgänglich.
Erinnerungslücken beim
Koalitionsvertrag
Doch wie diese aussehen soll,
dürfte noch für reichlich Debatten
sorgen. Eigentlich macht der
Koalitionsvertrag hier ziemlich
deutliche Vorgaben: Auf eine
„Ergänzung des Umlageverfahrens durch kapitalgedeckte
Elemente als Demografiereserve“
hatten sich die Koalitionäre
darin geeinigt. Doch daran
scheinen sich nicht mehr alle
erinnern zu wollen. Erst im
Februar verkündete die SPDVize Elke Ferner: „Wir brauchen
keinen einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag.“ Nach Ferners Auffassung soll die Pflegekasse einen „direkten finanziellen Transfer“ von der Privaten
Pflegeversicherung bekommen.
Sieht fast so aus, als würde der
Streit wie bei der Gesundheit
wieder von Neuem beginnen.
Bitte nicht!
Mike Schier ist Politikredakteur
beim Münchner Merkur
Gesundheits- und Sozialpolitik
Nach der Reform ist vor der Reform
Beirat „Pflegebedürftigkeitsbegriff“ eingerichtet
A
n welchen Kriterien soll
die Pflegebedürftigkeit
künftig gemessen werden?
Welcher Begriff von Pflegebedürftigkeit soll zugrunde
gelegt werden? Wer soll in
Zukunft Leistungen aus der
Pflegeversicherung erhalten?
Auf diese Fragen soll der
„Beirat zur Überprüfung des
Pflegebedürftigkeitsbegriffs“
Antworten geben, den das
Bundesministerium für Gesundheit im Oktober 2006 ins
Leben gerufen hat. Mit konkreten Ergebnissen ist im November 2008 zu rechnen. Dann
soll das Gremium auch eine
Empfehlung für ein neues
Begutachtungsverfahren abgeben.
Die Kritik am Begriff der Pflegebedürftigkeit ist so alt wie
die Pflegeversicherung selbst.
Der aktuelle Pflegebegriff stellt
mit seiner Konzentration auf
die Verrichtungen des täglichen
Lebens Pflegebedürftige mit
vorwiegend somatischem Hilfebedarf besser als Pflegebedürftige mit gerontopsychiatrischen
Einschränkungen, so die
Meinung der Pflegeexperten.
Die Bundesregierung hat deshalb bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung vom 11. November 2005 angekündigt, dass
der Pflegebedürftigkeitsbegriff
mittelfristig überarbeitet
werden soll. „Wir wollen eine
Pflege, die den neuen Entwicklungen besser als bisher Rechnung trägt. Der heutige Begriff
der Pflegebedürftigkeit muss
daraufhin überprüft werden,
wie er auch neuen Wohnformen
und dem besonderen Bedarf
demenzkranker Menschen
gerechter werden kann“, unterstrich Gesundheitsministerin
Ulla Schmidt den Anspruch
dieses Vorhabens.
Modellvorhaben der Spitzenverbände gestartet
Parallel dazu hat das Bundesgesundheitsministerium ein
Modellvorhaben nach § 8 Abs.
3 SGB XI bei den Spitzenverbänden der Pflegekassen angestoßen, das am 7. November 2006
an den Start gegangen ist. Im
Laufe des Modellvorhabens
soll ein neues Begutachtungsinstrument erarbeitet und erprobt
werden. Wie es in der Antwort
der Bundesregierung vom
11. November 2006 auf eine
kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion heißt, „ist auch
die Frage zu klären, wie sich die
Änderungen vor allem auf die
Pflegeversicherung und/oder
andere Sozialleistungsbereiche
auswirken“.
Das Modellvorhaben sieht drei
Phasen vor:
• In einer Vorphase sollen die
international angewandten
Instrumente für ihren Einsatz
in Deutschland geprüft werden.
• Danach soll in der 1. Hauptphase ein Begutachtungsinstrument unter Beteiligung von
Experten aus der Pflege, den
Kostenträgern und den Betroffenen entwickelt und in einem
Pretest auf seine Eignung hin
geprüft werden.
• In der 2. Hauptphase, so die
Planung, wird das dann entwickelte Begutachtungsinstrument auf Validität und
Reliabilität geprüft.
Die Vorarbeiten der MDKGemeinschaft zu einem neuen
Begutachtungsassessment werden
in dieses Modellvorhaben einfließen. Das Institut für
Pflegewissenschaft der Universität Bielefeld unter Leitung
von Prof. Dr. Doris Schaeffer
bewertet zur Zeit im Rahmen
27
der Vorphase die internationale
Literatur zu Begutachtungsverfahren.
Beirat im November erstmals
zusammengetreten
Im Beirat sind alle wesentlichen
Interessengruppen aus der Pflege vertreten. Hierzu gehören
neben der Wissenschaft unter
anderem Vertreter der Sozialhilfeträger, der Kirchen, der Sozialpartner und der Betroffenenverbände – von der Alzheimer
Gesellschaft bis zum Deutschen
Behindertenrat. Außerdem sind
die Spitzenverbände der Pflegekassen und der MDS vertreten.
Zum Beiratsvorsitzenden wurde
Herr Wilhelm Schmidt, Vorsitzender des Deutschen Vereins
für öffentliche und private Fürsorge e.V. ernannt. Stellvertretender Vorsitzender ist Herr
Prof. Dr. Peter Udsching, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht. Der Beirat hat
seine Arbeit am 13. November
aufgenommen.
Nach der Reform ist vor der
Reform
Die Arbeit des Beirates greift
inhaltlich wie zeitlich über die
Vorbereitung der kommenden
Pflegereform hinaus. Für die
aktuelle Reform, die in Angriff
genommen werden soll, sobald
die Gesundheitsreform die
parlamentarischen Hürden
passiert hat – also noch in diesem Jahr – werden diese Ergebnisse daher wohl zu spät
kommen. Die Neu-Konzeption
des Pflegebedürftigkeitsbegriffs
wird damit Gegenstand einer
nächsten, weiteren Reform sein.
Ob dies noch in dieser Legislaturperiode stattfinden wird,
bleibt abzuwarten.
(gr)
MDK-Forum 1/2007
Gesundheits- und Sozialpolitik
Was können Pflegende
aus Fehlern lernen?
Interview mit Heiko Fillibeck, Leiter des Modellprojekts
„Aus kritischen Ereignissen lernen“ beim KDA
D
as Kuratorium Deutsche
Altershilfe (KDA) hat im
November 2006 das Modellprojekt „Aus kritischen Ereignissen lernen – Ein Fehlerberichts- und Lernsystem für
die Altenhilfe“ gestartet. Dieses Internet-basierte System
will ab 2007 Pflegekräften die
Möglichkeit geben, Fehler oder
Beinahe-Fehler auf einer Internetseite einzustellen und dazu
fachliche Kommentare zu
bekommen. Das Modellprojekt
wird vom Bundesministerium
für Gesundheit gefördert.
Heiko Fillibeck, beim KDA für
dieses Projekt verantwortlich,
erläutert für MDK-Forum die
Ziele des Projekts.
? MDK-Forum: Was ist die
Grundidee von „Aus kritischen
Ereignissen lernen“ und an wen
wendet sich das Fehlerberichtsund Lernsystem?
! Heiko Fillibeck: Obwohl in
der Altenpflege überwiegend
gute Arbeit geleistet wird,
kommt es immer mal wieder zu
Ereignissen, die als kritisch einzustufen sind. Es handelt sich
nach unserer Definition um
Zwischenfälle, bei denen etwas
erlebt wurde was nicht beabsichtigt war und was in dieser
Form nicht mehr vorkommen
sollte. Dabei muss es sich
keineswegs immer um Fehler
von Pflegenden handeln. Erfahrungen mit ähnlichen Systemen in der Medizin zeigen,
dass auf der einen Seite fast
drei Viertel aller Ereignisse planungs- und organisationsbedingt
sind und dass auch Beinah-Unfälle dazu gehören, bei denen
Pflegende geistesgegenwärtig
MDK-Forum 1/2007
? MDK-Forum: Sie sichern
den Personen, die über kritische
Ereignisse berichten, zu, dass
ihre Anonymität gewahrt wird.
Warum ist die Anonymität so
wichtig?
Heiko Fillibeck, Kuratorium
Deutsche Altershilfe
einen Schaden von pflegebedürftigen Personen abwenden konnten.
Die Grundidee ist, dass die
allermeisten Pflegenden solche
Ereignisse erlebt haben und in
der Regel für sich einen Nutzen
daraus ziehen konnten. Allein
durch das Berichten solcher
Ereignisse können andere
Pflegende davor bewahrt werden, auch in solche Situationen
zu geraten – insbesondere dann,
wenn die Lösung zur Vermeidung direkt mitgeliefert wird.
Die Berichtenden benötigen also
die Motivation, ihr Erfahrungswissen an andere weiter geben
zu wollen. Das Fehlerberichtsund Lernsystem wendet sich an
alle Pflegenden, die diese Motivation besitzen. Angesprochen
sind dabei ausdrücklich nicht
nur Pflegefachpersonen, sondern
auch Pflegehelfer, Angelernte
aber auch privat Pflegende, die
an einer konstruktiven Auseinandersetzung interessiert sind.
28
! Heiko Fillibeck: Dass die
Berichtenden unter keinen
Umständen ausfindig gemacht
werden, ist ein unumgängliches
Kriterium des Lernsystems. Dies
liegt in erster Linie darin
begründet, dass – obwohl das
eigene Verhalten nicht immer
Ursache für ein kritisches Ereignis
ist – es doch darum geht, etwas
zu benennen, was man lieber
nicht erlebt hätte. Das Berichten
über solche Ereignisse wird nach
wie vor mit der Benennung oder
zumindest der Suche nach
Schuldigen gleichgesetzt. Daraus
resultiert dann die nicht unbegründete Befürchtung, disziplinarische Konsequenzen zu erfahren.
Anonymität ist allerdings auch
ein Schutz gegen die missbräuchliche Verwendung des
Berichts- und Lernsystems.
Durch die Anonymität wird
verhindert, dass andere Pflegende,
ganze Einrichtungen oder die
Altenpflege insgesamt schlecht
geredet oder an den Pranger
gestellt werden können. Eine
solche Verwendung des Systems
würde die ganze Idee des Lernens am Fall zunichte machen.
? MDK-Forum: Wie
stellen Sie die Anonymität der
Berichtenden sicher?
! Heiko Fillibeck: Datenschutz und Datensicherheit sind
zentrale Fragen im Hinblick auf
die Akzeptanz unseres Systems.
Organisation und Management
Damit die Berichtenden auf keinen Fall zurück verfolgt werden
können, ist ein mehrstufiges
Datenschutzkonzept vorgesehen:
Erstens werden bei der Eingabe
bereits keine Daten erhoben, die
einen Rückschluss auf den Nutzenden zulassen. Zweitens werden alle Eingaben, bevor Sie
öffentlich gemacht werden, von
der Redaktion des Systems auf
Anonymität geprüft und ggf.
geändert. Drittens werden auf
der technischen Seite Vorkehrungen zur Datensicherheit, speicherung und -übermittlung
getroffen. Bevor das System
freigegeben wird, werden wir
es zudem von einem externen
Datenschutzbeauftragten zertifizieren lassen.
? MDK-Forum: Sollen im
Anschluss die Berichte auch
ausgewertet werden – etwa mit
dem Ziel, bestimmte Verteilungen
oder Muster zu identifizieren?
! Heiko Fillibeck: Wenn
eine ausreichend große Anzahl
von Berichten vorliegen wird,
werden diese in einer nach
Schlagworten und nach Kategorien recherchierbaren Datenbank erfasst werden. Damit
werden zwar keinerlei Aussagen
über die Verteilung oder gar die
Häufigkeit von kritischen Ereignissen möglich sein. Möglicherweise wird aber ersichtlich,
ob immer wieder vergleichbare
Umstände zu Zwischenfällen
führen. Das KDA wird darauf
reagieren, indem es Qualitätsentwicklungsangebote für diese
Bereiche entwickeln wird. Die
Sammlung der Berichte selbst ist
also – neben dem Selbstlerneffekt der Lesenden – als ein
Instrumentarium anzusehen,
mit Hilfe dessen weiterführende
Konzepte entwickelt werden
können, um risikobehaftete
Arbeitssituationen gezielt zu
verbessern.
? MDK-Forum: Welchen
zeitlichen Rahmen hat das
Projekt und was soll danach
passieren?
! Heiko Fillibeck: Das
System wird noch 2007 starten.
Damit beginnt dann die öffentliche Darstellung und Kategorisierung der eingegangenen
Berichte. Wenn die Anzahl der
Berichte es erlaubt, risikobehaftete Arbeitssituationen zu
benennen, beginnt die Entwicklung und der Einsatz von Qualitätsentwicklungskonzepten. Die
Förderung durch das Bundesministerium für Gesundheit
endet im Oktober 2009. Wir
hoffen, dass bis dahin eine neue
Kultur im Umgang mit kritischen
Ereignissen populär gemacht
werden konnte, und werden dann
Weiterentwicklungsansätze
angehen.
(gr)
„Miteinander Neuland betreten“
Interview mit Karl-Heinz Plaumann, dem Vorsitzenden des
ISmed-Managements, zur Einführung von ISmed-Next
? MDK-Forum: Herr Plaumann, in den vergangenen zehn
Jahren hat sich ISmed zu einer
laufstabilen und gut etablierten
Software entwickelt. Was gab
den Anstoß zu einer komplett
neuen Softwarelösung?
! Karl-Heinz Plaumann:
ISmed war mit Sicherheit 1996
eine innovative Lösung. Die
Analyse im Jahr 2003 hat aber
ergeben, dass sie nicht mehr
zukunftsfähig ist. Zukunftsfähig
bedeutet, dass der Datenträgeraustausch mit allen Kassen möglich ist, dass Benutzer von jedem
Ort und zu jeder Zeit über das
Internet auf ISmed-Next zugreifen können und dass alle erforderlichen Daten elektronisch
archiviert werden können. Eine
reine Erweiterung oder Anpassung von ISmed war mit vertretbarem Aufwand nicht mehr zu
realisieren, so dass durch die
ISmed-Gemeinschaft die Entscheidung für ein komplett neues System getroffen wurde.
? MDK-Forum: Für nahezu
jede Anwendung gibt es fertige
Branchenlösungen. Warum hat
sich die ISmed-Gemeinschaft
gegen eine „Lösung von der
Stange“ entschieden?
29
! Karl-Heinz Plaumann:
Natürlich gibt es für viele
Anwendungsbereiche Standardlösungen, Beispiele sind Logistik- und Wirtschaftslösungen,
aber auch Finanz- und Buchhaltungssoftware. In diesen
Bereichen setzen wir Standardsoftware ein. Für den größten
Teil unserer Arbeit gibt es keine
Standardlösungen. Prozesse, die
unsere Software unterstützen
muss, sind in dieser Form in
keiner anderen Branche vorhanden. Auch haben unsere Auftraggeber unterschiedliche ITSysteme. Hinzu kommt noch,
dass wir besondere VerpflichMDK-Forum 1/2007
Organisation und Management
tungen hinsichtlich des gesetzlich vorgeschriebenen Datenschutzes haben. Aber wir setzten
durchaus Standardprodukte ein,
Oracle als Datenbank und Lotus
Notes als Dokumentenmanagement. Kurz gesagt: Wir setzten
Standardprodukte ein, jedoch
keine vorkonfigurierten Standardlösungen.
? MDK-Forum: Neuentwicklung und Etablierung von
ISmed-Next erfordern eine straffe
Projektleitung. Wer sind die
Entscheidungsgremien und wie
wurden sie etabliert?
! Karl-Heinz Plaumann:
Die ISmed-Gemeinschaft ist
Top-Down organisiert. Die
Geschäftsführer der ISmedGemeinschaft bilden das ISmedManagement. Dieses ISmedManagement wählt fünf Mitglieder in das ISmed-Entscheidungsgremium wobei der Vorsitzende des ISmed-Managements
auch gleichzeitig der Vorsitzende des ISmed-Entscheidungsgremiums ist. Das operative
Geschäft wird vom ISmedEntscheidungsgremium durchgeführt, das Management ist
gewissermaßen der Aufsichtsrat.
? MDK-Forum: Dieses Projekt hat viele Beteiligte: Interne
wie externe Teilnehmer, Firmen
und Organisationen. Wie kann
dies ohne Reibungsverluste
organisiert werden?
! Karl-Heinz Plaumann:
Ein solches Projekt braucht eine
straffe Organisation, wie ich sie
eben beschrieben habe. Die
Partner der ISmed-Gemeinschaft stehen gleichberechtigt
nebeneinander. Sowohl beim
zugrunde liegenden Grobkonzept
als auch bei der Erstellung des
Feinkonzeptes ging es immer
wieder darum, Meinungen und
Auffassungen zu bündeln und in
das Gesamtkonzept einzubringen.
Dies fordert in einem föderalen
System erhebliche Abstimmungsprozesse. Von außen mag dies
durchaus als Reibungsverlust
MDK-Forum 1/2007
„wahrgenommen“ werden. In
Wirklichkeit ging es aber viel
mehr darum, in solchen Projekten
zu lernen, miteinander Neuland
zu betreten.
? MDK-Forum: Im Rahmen
des ISmed-Next-Managements
wurde eine eigenständige ITService-Organisation. Was sind
ihre Aufgaben?
! Karl-Heinz Plaumann:
Die ISmed-Gemeinschaft hat
am 1. April 2006 die IT-ServiceOrganisation (ITSO) mit Sitz in
Lahr gegründet. Ihre Aufgabenschwerpunkte sind unter anderem
die Koordination der Wartung,
Pflege und Weiterentwicklung
von ISmed-Next sowie die
Koordination und Überwachung
des laufenden Betriebes. Als
weitere Neuerung bildet die
ITSO die zentrale Datenannahme- und Weiterleitungsstelle
für den Datenaustausch mit den
Kranken- und Pflegekassen.
Die ITSO ist dabei keine eigenständige juristische Person,
sondern sie ist eine Abteilung
der ISmed-Gemeinschaft, die
für das operative Geschäft
bestimmte Aufgaben erfüllt.
Sie ist aber auch – da wir ein
externes Rechenzentrum für alle
ISmed-Anwender beauftragt
haben – gleichzeitig Interessenvertreter der ISmed-Gemeinschaft
gegenüber diesem Rechenzentrum. Die ITSO hat die alte
Zentrale ISmed-Koordinationsstelle (ZIK), die ISmed-Qualitätssicherungsstelle und die Administrationsstelle abgelöst. Ihr Leiter
ist Peter Willmann, der von
einem hoch kompetenten Team
unterstützt wird.
? MDK-Forum: Zahlreiche
Projektpartner verfügen über
eine gewisse Monopolstellung.
Begibt sich die ISmed-Gemeinschaft nicht in Abhängigkeiten?
! Karl-Heinz Plaumann:
Die ISmed-Gemeinschaft hat
eindeutige Regelungen getroffen,
dass keine Abhängigkeiten entstehen. Durch die Gestaltung der
30
Verträge und die Auswahl der
Partner haben wir die Sicherheit, auch in Zukunft optimal
unterstützt zu werden und technologisch mit allen Entwicklungen
Schritt halten zu können. Eine
Monopolstellung unserer Vertragspartner ergibt sich eindeutig
nicht. Dies gilt übrigens auch für
das Rechenzentrum GSKV in
München, mit denen wir einen
befristeten Vertrag über drei Jahre geschlossen haben.
? MDK-Forum: ISmed-Next
wird als Meilenstein in der ITUnterstützung der MDKen dargestellt. Was ist das besondere
an ISmed-Next?
! Karl-Heinz Plaumann:
Der Kern der Anwendung ist
das Auftragsmanagementsystem
unter Oracle. Hier werden die
Aufträge entgegengenommen
und weiterbearbeitet. Die Gutachtenerstellung erfolgt im
Dokumentenmanagementsystem
auf Basis von Lotus Notes. Der
Charme der Realisierung besteht
darin, dass der Datenaustausch
über die standardisierte Sprache
XML erfolgt. Damit besitzen wir
eine absolut zukunftssichere
und allgemein verwendete Technologie, die weiter ausbaufähig
ist und als „State of the Art“
beschrieben werden kann.
? MDK-Forum: Mit ISmed
hat es in den vergangenen Jahren
gelegentlich Pannen gegeben, was
ändert sich für den Anwender
vor Ort?
! Karl-Heinz Plaumann:
Die Analyse der Probleme ergab, dass diese Plattform am
Ende ihrer Entwicklungsmöglichkeiten war. Mit ISmed-Next
haben wir ein neues Anwendersystem, dass eine Hochverfügbarkeit besitzt, d. h. Ausfallsraten wie sie auch von Banken
und Versicherungen gefordert
werden. Der Anwender wird
rasch eine wesentliche Erleichterung seiner Arbeit spüren, da
ISmed-Next stabiler sein wird als
es ISmed zuletzt war und auch die
Organisation und Management
organisatorischen Umstände
erheblich verbessert wurden.
? MDK-Forum: Fällt mit der
Bildung der zentralen IT-ServiceOrganisation die Softwareunterstützung vor Ort weg oder gibt es
in den einzelnen MDKen noch
eine „ISmed-Next-Feuerwehr“?
! Karl-Heinz Plaumann:
Selbstverständlich bleibt die
Unterstützung vor Ort als FirstLevel-Support bestehen. ISmedNext stellt einen Kern dar, an
den verschiedene Schnittstellen,
Programme und Entwicklungen
angedockt werden. Auch das
sind Aufgaben, die entweder die
ITSO oder der einzelne MDK
wahrnehmen können. Man
braucht diese „Feuerwehr“ vor
Ort. Für Fragestellungen, die vor
Ort nicht gelöst werden können,
gibt es die ITSO als SecondLevel-Support. Dieser kann
sich bei schwerwiegenden
Fragestellungen an den ThirdLevel-Support unserer Vertragspartner wenden.
? MDK-Forum: In der ersten
Testphase traten unerwartete
Probleme auf. Welche waren
dies hauptsächlich und wie
konnten sie beseitigt werden?
! Karl-Heinz Plaumann:
Jedes große IT-Projekt hat
Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Denken
Sie dabei an die neue Windows
Vista Version. Eine Testphase
dient aber gerade dazu, Schwächen und Instabilitäten zu erkennen und zu beseitigen. Gerade Abstimmungen und Systemintegration vom Endgerät
des Anwenders bis zum Applikationsserver im Rechenzentrum
lassen sich unter Laborbedingungen nicht komplett durchspielen.
Inzwischen sind die Probleme
aus der Testphase beseitigt und
wir konnte auch die notwendige
Stabilität erzielen.
? MDK-Forum: Es heißt, dass
ISmed-Next zu einer Standardisierung und Optimierung der
Karl-Heinz Plaumann, Geschäftsführer des MDK Baden-Württemberg
Arbeitsabläufe der einzelnen
MDKen führen wird. Was ändert
sich für die MDK-Gemeinschaft?
! Karl-Heinz Plaumann:
ISmed-Next wurde als gemeinsames Feinkonzept von vielen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sämtlicher Fachebenen
erarbeitet. Insofern kann man
sicher von einer Best-PracticeLösung sprechen, die der Entwicklung zugrunde lag. ISmedNext hat damit neue Standards
geschaffen, die sich auf die
Arbeitsabläufe bis hin zur Harmonisierung der Produkte auswirken. Bei der Einführung ist
es natürlich von MDK zu MDK
unterschiedlich, welche Anpassungen die Organisation durchführen muss, um diese BestPractice-Lösung auch für sich
optimal zu nutzen. Dabei wird
zu diskutieren sein, in wie weit
spezifische Anpassungen des
Systems erfolgen müssen.
MDKen, die nicht ISmed-NextAnwender sind, werden ihre ITLösungen daraufhin überprüfen
müssen, ob sie im Hinblick auf
unsere Auftraggeber bei ihren
Lösungen verbleiben werden.
? MDK-Forum: Wie erfolgt
der Roll-Out, wie schnell kann
der Umstieg von der bisherigen
Software auf ISmed-Next erfolgen?
31
! Karl-Heinz Plaumann:
Die erfolgreiche Pilotphase beim
MDK Bayern wird im Frühjahr
dieses Jahres enden. Das ISmedManagement wird Ende Februar
beschließen, wie das Roll-Out
weiter von statten geht. Ich gehe
davon aus, dass im Jahr 2007
noch zwei bis drei MDK umgestellt werden, alle weiteren dann
im Jahr 2008. Es wird jetzt auch
festgelegt werden, welche Serviceleistungen durch die ITSO
dem jeweiligen MDK innerhalb
des Roll-Out-Verfahrens angeboten werden. Viele MDKen
haben sich dafür entschieden,
weiterhin Lotus Notes anzuwenden. Dies bedeutet, dass für
den Endanwender keine großen
Umstellungen notwendig werden. Dennoch fallen Schulungsmaßnahmen an, weil ISmedNext auch in den organisatorischen Teil hinein wirkt. Die
ITSO wird den einzelnen
MDKen hierzu Hilfestellungen
anbieten, die MDK werden
dann zu entscheiden haben,
ob sie diese Service-Angebote
annehmen oder ob sie eigene
Wege gehen z. B. durch interne
Schulungen oder externe Berater.
? MDK-Forum: Wie werden
die Nutzer zukünftig über organisatorische Veränderungen und
Programmentwicklungen informiert? Gibt es hierzu eigenständige Informationsmedien?
! Karl-Heinz Plaumann:
Der bisherige Focus des Projektes
lag in der Entwicklung bis hin
zur Produktreife. Kommunikation ist bei solchen Projekten
und auch beim Betrieb dieser
Software von zentraler Bedeutung. Deswegen wurde auch ein
ISmed-News-Letter erstellt,
dessen Erstausgabe soeben
erschienen ist. Dieser Newsletter
wird in Papierform und elektronisch wesentliche Informationen
vermitteln. Zusätzlich wird es
Informationsveranstaltungen,
Usertreffen und ähnliches
geben. An den Details dazu wird
gerade intensiv gearbeitet.
(sa)
MDK-Forum 1/2007
Organisation und Management
MD-Campus auf der Learntec
Von Michael Lauterbach
W
issen macht gesund“ –
unter diesem Slogan
präsentierte sich das Thema
Gesundheit im Rahmen der
Health Care Arena vom
13. – 15. Februar auf der
Learntec 2007, dem internationalen Kongress und Fachmesse
für Bildungs- und Informationstechnologie. Bekannte Akteure
aus dem Gesundheitswesen
wie die Bundesärztekammer,
die Helios-Kliniken oder die
IKK-Akademie, aber auch
Firmen wie SAP oder das
Fraunhofer Institut präsentierten ausgewählte Projekte aus
dem Bereich des e-gestützten
Bildungs- und Wissensmanagements. Michael Lauterbach aus
dem Bereich Fort- und Weiterbildung beim MDS stellte die
virtuelle Fortbildungsakademie
für die MDK-Gemeinschaft,
MD-Campus, vor.
Bei MD-Campus handelt es sich
um ein Projekt zur Weiterentwicklung der Lernaktivitäten
und des Wissenstransfers für die
Mitarbeiter/innen der MDK, das
der MDS im Jahr 2005 aufgelegt
hat. Eine internetbasierte Lern-
MDK-Forum 1/2007
und Kommunikationsplattform
bildet die zentrale Drehscheibe
eines zukunftsorientierten Lehrund Lernkonzepts. MD-Campus
hat sich seit seiner ersten Erprobung im Jahr 2005 von
einem reinen e-learning Projekt
zu einer virtuellen Akademie
„gemausert“. Die Präsentation
von MD-Campus auf der Learntec hat die Kompetenzen der
MDK-Gemeinschaft auf dem
Gebiet moderner Bildungs- und
Informationskonzepte unter
Beweis gestellt.
Zielrichtung
„Virtuelle Akademie“
Erste Erfahrungen mit webbasiertem Lehren und Lernen
wurden ab Mitte 2005 im
Rahmen einer pilothaften
Erprobung mit den Seminaren
„Medizinprodukte“ und „Evidenz-basierte Medizin (EbM)“
gesammelt. Diese Veranstaltungen wurden als Blended-Learning-Kurse (Kombination von
Seminaren und online-Aktivitäten)angeboten.
In einem zweiten Projektstrang
wurde erprobt, wie
die Arbeit verschiedener Kompetenzeinheiten (Facharztgruppen, SEGen)
durch webbasierte
Diskussions- und
Arbeitsforen unterstützt werden
könnte. Nach dem
erfolgreichen Abschluss der Pilotphase 2005 wurde
die Lern- und
Kommunikationsplattform MDCampus konsequent
in Richtung „virtuelle Akademie“
32
weiterentwickelt. Das heißt:
Lern-, Kommunikations- und
Informationsangebote werden
integriert zur Verfügung gestellt
und können von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeitund ortsunabhängig genutzt
werden. Dieses Angebot ist seit
Anfang 2006 in einer völlig
überarbeiteten Version online
und wird kontinuierlich ausgebaut. Mittlerweile werden sechs
Blended-Learning-Kurse und
13 online-Foren sowie ein
umfangreiches Informationsangebot auf dem MD-Campus
vorgehalten.
Fast 500 Mitglieder
immatrikuliert
Das Interesse am MD-Campus
ist sehr hoch, was sich auch in
der Nachfrage widerspiegelt.
Nach gut einem Jahr Echtbetrieb sind fast 500 Mitglieder
immatrikuliert. Flankierend
wird in diesem Jahr erstmalig
ein Blended-Learning Kurs
„Bildungs- und Wissensmanagement“ durchgeführt. Mittelfristig
wird es interessant sein, ob
und wie sich angedachte Web
2.0-Technologien (Wiki’s, Blogs,
etc.) im nächsten Evolutionsschritt des MD-Campus angenommen und entwickeln werden.
Neugierig geworden? Zum
MD-Campus gelangt man über
die Homepage des MDS
(www.mds-ev.de) oder direkt
über http://md-campus.mdsev.net. Interessierte Mitarbeiter/innen der MDK erhalten
die Zugangskennung vom Autor
([email protected]).
Michael Lauterbach
ist Mitarbeiter im Fachgebiet
Fort- und Weiterbildung
des MDS
MDK im Dialog
MDK Mecklenburg-Vorpommern
MDK organisiert
MammographieScreening
Von Stefanie Rosenkranz und
Dr. Karl-Friedrich Wenz
W
eil es um Sie geht – unter
diesem Motto startete im
Frühjahr 2006 die Informationskampagne zum MammographieScreening in MecklenburgVorpommern. Dabei handelt
es sich um ein vom Bundestag
im Sommer 2002 beschlossenes
qualitätsgesichertes Röntgenuntersuchungsprogramm im
Rahmen der Brustkrebsfrüherkennung. Der MDK hat die
Führung der so genannten Zentralen Stelle übernommen und
ist damit für die Organisation
des Screenings, für die Einladungen sowie für die Terminabstimmung zuständig.
Etwa zehn Prozent aller Frauen
erkranken im Laufe ihres Lebens
an Brustkrebs, die meisten nach
dem 50. Lebensjahr. Bei zwei
Dritteln aller Erkrankungen werden Tumore erst spät entdeckt,
so dass eine radikale Operation
und/oder belastende Therapien
notwendig werden.
Hohes Maß an Sicherheit
für Patientinnen
Das Screening-Programm bietet
ein hohes Maß an Sicherheit für
die Patientinnen. Ärzte und Personal werden geschult und zertifiziert. So müssen die Mediziner
ihre Qualifikation regelmäßig
nachweisen und mindestens
5.000 Screening-Untersuchungen
jährlich vorweisen. Modernste
digitale Mammographie-Geräte,
ein voll automatisierter medizi-
nischer Workflow, ein zentraler
Steuerungsknoten für ganz
Mecklenburg-Vorpommern mit
teleradiologischer Übertragung
digitaler Bilder kommen zur
Anwendung. Alle ScreeningEinheiten sind untereinander
und mit der Zentralen Stelle
elektronisch und online vernetzt,
so dass ein Austausch der Daten
verschlüsselt stattfinden kann.
Jede Aufnahme wird von mindestens zwei Ärzten begutachtet.
230.000 Frauen
könnten teilnehmen
230.000 Frauen in MecklenburgVorpommern haben die Möglichkeit, am Mammographie-Screening-Programm teilzunehmen.
Eingeladen werden Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Die Teilnahme ist freiwillig und für gesetzlich Versicherte kostenfrei. Bei
unauffälligem Befund werden die
Frauen nach Ablauf von zwei
Jahren erneut eingeladen. Die
Schirmherrschaft für dieses Programm hat Dagmar Ringstorff,
die Frau des Ministerpräsidenten
von Mecklenburg-Vorpommern,
übernommen. Im Oktober 2005
hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einstimmig
beschlossen, dem MDK die eigenständige Führung der Zentralen
Stelle zu übertragen. Ein Vertrag
zwischen Kassenärztlicher Vereinigung, Krankenkassenverbänden und dem MDK regelt hierzu
die notwendigen Details. Die
Übermittlung der entsprechen-
33
den Einwohnermeldedaten an
die Zentrale Stelle wurde ebenfalls gesetzlich festgelegt.
Arbeit im Juni 2006
aufgenommen
Im Juni 2006 hat die Zentrale
Stelle in Schwerin ihre Tätigkeit
aufgenommen. Hierzu wurden
vier Verwaltungsmitarbeiterinnen
des MDK M-V intensiv und gezielt geschult. Der MDK lädt die
Frauen wohnortnah ein, individuelle Wünsche werden nach Abstimmung berücksichtigt. „Allein
in der Startwoche hatten wir 437
Anrufe. Die Frauen stimmen sich
mit unserer Zentralen Stelle ab“,
sagte Sigrid Gierich vom MDK.
Der Erfolg des Programms
hängt von der Beteiligung der
anspruchsberechtigten Frauen
ab. Für das Früherkennungsprogramm wird eine Teilnahmequote von 70 Prozent erwartet.
Auf allen Programmebenen stehen
Information und Motivation der
Frauen an erster Stelle.
Kontakt:
[email protected]
Stefanie Rosenkranz ist
Sekretärin der Geschäftsführung
E-Mail:
[email protected]
Dr. Karl-Friedrich Wenz ist
Geschäftsführer des MDK
Mecklenburg-Vorpommern e. V.
E-Mail: [email protected]
MDK-Forum 1/2007
MDK im Dialog
MDK Sachsen
Pflege-Qualitätsprüfung
neu: Ein Jahr danach
Von Daniela Gottfried
S
eit 1. Januar 2006 gelten
die Richtlinien für die
Qualitätsprüfungen des MDK
in stationären und ambulanten
Pflegeeinrichtungen (QPR).
Sie sind die Grundlage für den
Prüfablauf und die Prüforganisation des MDK und geben
konkret das Instrument zur
Erfassung der Prüfergebnisse
vor. Vor zwei Monaten ging der
MDK Sachsen mit einem auf
die neuen Anforderungen zugeschnittenen mobilen Softwaremodul in den Praxisbetrieb.
In die Qualitätsprüfungen gehen
die Struktur- und Prozessqualität der Einrichtung und die
Ergebnisqualität von mindestens
fünf und maximal 15 Pflegebedürftigen einer Einrichtung ein.
Insgesamt werden pro Prüfung
jetzt zwischen 150 und 400
Erhebungsbogen bearbeitet. Die
Datenmenge sowie die Systematik der Erhebungsbogen verlangen den Einsatz moderner Kommunikationsmittel und -verfahren für den gesamten Prozess
der Qualitätsprüfung.
Geführte Datenerfassung
sichert Qualität
Die im MDK Sachsen für alle
anderen Anlässe eingesetzte Software-Lösung umfasst die Auftragsverwaltung, die Erstellung
der Formular-Gutachten sowie
deren Archivierung einschließlich aller Vorgangsunterlagen.
Für die Qualitätsprüfungen hat
MDK-Forum 1/2007
der MDK Sachsen ein analoges
Modul entwickelt, das alle
Daten der Erhebungsbogen
elektronisch erfasst und den
Prüfer bei der Datenerhebung
„führt“. Damit soll der Prüfprozess effizient gestaltet und qualitätsgesichert werden.
Um die Prüfdokumente zu
erzeugen, müssen ein Posteingang angelegt und die Prüfdetails in einer Auftragsdatenbank
erfasst werden. Einer der zwei
bis vier Prüfer eines Prüfteams
muss als Hauptprüfer definiert
werden, damit er auf den Erhebungsbogen der Einrichtung
zugreifen und den Prüfbericht
erstellen kann.
Prüfdaten werden im MDKSystem weiter bearbeitet
Nach der Prüfung speisen die
Prüfer ihre Daten in das EDVSystem im MDK ein. Die Erhebungsbogen können jetzt aufgeblendet und weiter bearbeitet
werden. Anschließend übergeben die Prüfer die Erhebungsbogen an den Hauptprüfer. Sind
alle Erhebungsbogen erstellt und
keine Änderungen mehr notwendig, generiert der Hauptprüfer über die Programmfunktion
„Erhebungsbogen abschließen
und das Prüfgutachten erstellen“
den Prüfbericht und erzeugt die
Bewertungssystematik.
Elektronische Signatur
Erhebungsinstrumente
auf dem Notebook
Vor der Prüfung lädt der Hauptprüfer an seinem Arbeitsplatz im
MDK den Erhebungsbogen für
die Einrichtung und die eingescannten Unterlagen auf sein
Notebook. Die einrichtungsbezogenen Daten werden automatisch in den Erhebungsbogen
übertragen. Die Erhebungsbogen für die Versicherten legen
die Prüfer bei der Prüfung vor
Ort an. Dafür steht die Programmfunktion „Neuen Erhebungsbogen anlegen (Person)“
zur Verfügung. Um ein effektives
Arbeiten zu ermöglichen, sind
die Erhebungsbogen als thematisch gegliederte Datenerfassungsmasken dargestellt.
34
Anmerkungen im Prüfbericht
kann der Hauptprüfer in Freitextpassagen vornehmen. Er
kann einen Zweitprüfer in die
Erstellung des Prüfberichtes
einbeziehen oder den Bericht an
einen Supervisor weiterleiten.
Den Prüfbericht abschließen
kann nur der Hauptprüfer.
Dabei werden alle entstandenen
Dokumente elektronisch
signiert. Nachdem die entsprechende Statistik erzeugt ist,
steht der Prüfbericht für den
Postlauf bereit.
Daniela Gottfried ist Leiterin
Büro Verwaltungsrat und Ge–
schäftsführer des MDK Sachsen
E-Mail: dgottfried@
mdk-sachsen.de
MDK im Dialog
MDK Bayern
Fort- und Weiterbildungsangebot
für Kranken- und
Pflegekassen
U
nter dem Motto „WEITER
durch BILDUNG“ bietet
der MDK Bayern den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und deren Mitarbeitern
ein umfangreiches Fort- und
Weiterbildungsprogramm zu
sozialmedizinischen Themen
an. Durchgeführt werden die
Veranstaltungen von ausgewählten ärztlichen Gutachtern
und medizinischem Fachpersonal des MDK Bayern.
Die ausgesprochen gute Resonanz auf erste Schulungsangebote im Jahr 2004 veranlasste
den MDK Bayern zu einer umfassenden Neukonzeptionierung,
Strukturierung und Erweiterung
seines Fortbildungsangebotes.
Erstmals für 2005 wurde ein
Fort- und Weiterbildungskatalog
mit über 70 Kursen für die Kunden aufgelegt. Zudem wurde
ein „Fortbildungsservice“ eingerichtet, der das gesamte Schulungsangebot koordiniert und
organisiert. Dabei ist einiges zu
tun; im Jahr 2006 wurden über
3.000 Teilnehmer aus den Kranken- und Pflegekassen in 226
Kursen zu sozialmedizinischen
Themen weitergebildet.
Neben allgemeinen Themen
wie „Sozialmedizinische
Aspekte ausgewählter Erkrankungen“ oder „Außervertragliche Leistungen“ stieß
besonders das Fortbildungsangebot des Ressorts „Versorgungsstrukturen“ zum Fall-
pauschalengesetz bei den Krankenkassen auf große Resonanz.
Wesentlicher Bestandteil ist die
seit 2003 ständig aktualisierte
Weiterbildung zur DRG-Kodierund Dokumentationsassistenz.
In fünf Schulungswochen –
unterbrochen durch begleitende
Ausbildung am Arbeitsplatz –
werden die Teilnehmer/-innen
über die Grundlagen des DRGSystems, zu diagnostischen Verfahren, zum ICD 10, dem OPSKatalog und den Kodierrichtlinien geschult. Schwerpunkt
ist dabei das Üben mit Fallbeispielen aus der Praxis, um die
Teilnehmer/-innen konkret auf
die zukünftigen Aufgabengebiete
vorzubereiten. Zum Erfolg der
Ausbildung trägt dabei auch bei,
dass in den Kursen Kassen- und
MDK-Mitarbeiter gemeinsam
geschult werden.
Individuell und praxisnah
Aufgrund des breiten inhaltlichen Spektrums und des
modularen Aufbaues des
Kursangebotes ist es den Kranken- und Pflegekassen möglich,
sich ihr individuelles Fortbildungsprogramm zusammenzustellen. Dies kann in Form
von Ganz- oder Halbtagsschulungen geschehen, „Inhouse“ oder – was gerade für
kleinere Kassen wichtig ist –
kassenübergreifend in „externen“ Schulungsveranstaltungen
beim MDK.
35
Im Angebot sind zudem Schulungen von individuellen Fragestellungen der Kassen. Auch bei
solchen wird in der Umsetzung
großer Wert auf Praxisnähe
gelegt. In der Regel wird an konkreten Fällen gearbeitet, die von
den Teilnehmern bereitgestellt
werden. Zu den einzelnen Ausbildungen werden Handouts
erstellt und die Teilnahme wird
mit einem Zertifikat bestätigt.
Alle Veranstaltungen werden
anhand eines standardisierten
Feed-Back-Bogens bewertet,
so dass das inhaltliche und
methodisch-didaktische Angebot ständig verbessert und an
die Kundenwünsche angepasst
werden kann.
Für 2007 beispielsweise wurden,
einem häufigen Kundenwunsch
entsprechend, fachlich-inhaltlich
orientierte Seminare reduziert
und das Angebot der an der
Alltagspraxis orientierten Coaching-Maßnahmen ausgebaut.
(na)
MDK-Forum 1/2007
MDK im Dialog
MDK in Hessen
Abrechnungsprüfung
von Blutstammzelltransplantationen
Von Dr. Rüdiger Hoffmann
D
ie Hochdosistherapie bösartiger Erkrankungen – vor
allem des Knochenmarks und
des Lymphsystems – mit anschließender Transplantation
eigener (autologer) oder fremder
(allogener) Blutstammzellen ist
ein Gebiet der modernen
Medizin auf Wachstumskurs.
Seit 2005 hat der MDK in
Hessen 210 Abrechnungen von
Blutstammzelltransplantationen
(SZT) nach alten und neuen
Fallpauschalen (DRG) geprüft.
Die Hochdosistherapie verabreicht Zytostatika in Dosen, die
vom Knochenmark des Patienten ohne Ersatz durch eigene
oder fremde Blutstammzellen
nicht oder nur schlecht toleriert
werden. Deshalb werden im
Anschluss an die Hochdosis-
chemotherapie Knochenmark
oder Blutstammzellen – also das
blutbildende System im engeren
Sinne – transplantiert. Dabei
werden eigene – im Vorfeld der
Therapie gewonnene – Blutstammzellen (autologe SZT)
oder Stammzellen eines Spenders
(allogene SZT) übertragen.
Hauptindikation für die allogene
Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation (SZT) sind
akute Leukämien. Auch nach
gelungener Transplantation sind
die Empfänger für längere Zeit
anfällig für Infektionen. Hauptindikation für die autologe SZT
ist das Plasmozytom (= multiples Myelom). Die Anzahl der
autologen SZT beim Plasmozytom hat sich in sieben Jahren
verdreifacht.
Ergebnisse der Prüfungen
Über ein Drittel der geprüften
Abrechnungen (66) bezog sich
auf die SZT bei der Indikation
Plasmozytom. Die zweimalige
Hochdosistherapie („Tandemtherapie“) beim Plasmozytom
außerhalb von Studien bzw.
der Behandlung von Rezidiven
ist nicht als allgemein anerkannter Standard für jeden
Patienten anzusehen. Von
15 solcher Doppelbehandlungen
konnten nur sieben der einschlägigen Studie aus Heidelberg (GMMG-HD3) zugeordnet
werden. In diesen Fällen kann
die Krankenkasse diese Leistung
nach § 137c SGB V in Verbindung mit § 8 Krankenhausentgeltgesetz übernehmen. Von
fünf allogenen SZT waren nur
zwei als anerkannte Alternative
zu akzeptieren.
Blutstammzelltransplantationen in Deutschland, 2002 bis 2005
Allogene SZT
Autologe SZT
2002
1.685
3.009
2003
1.684
3.216
2004
1.883
3.321
2005
2.060
3.568
Anzahl
59
43
30
78
Ø Tsd. e
175
107
93
22
Abrechnungsvolumen aus 210 Fallprüfungen
einschließlich Zusatzentgelten
allogen, alte Fallpauschalen
allogen, DRG
autolog, alte Fallpauschalen
autolog, DRG
MDK-Forum 1/2007
36
Über die Abrechnung der allogenen Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation nach
den sehr hohen alten Fallpauschalen gab es eine Reihe von
Rechtsstreitigkeiten. Das
Landessozialgericht RheinlandPfalz hat am 1. Juni 2006 in
zweiter Instanz festgestellt, dass
das Krankenhaus bei nicht
myeloablativer (knochmarkzerstörender) Konditionierung
keinen Anspruch auf die Fallpauschale 11.02 hat. Bei der
Prüfung von 59 dieser Abrechnungen durch den MDK in Hessen waren 14 Konditionierungs-
MDK im Dialog / Impressum
Impressum
protokolle nicht myeloablativ,
wie in der Fallpauschalendefinition ausdrücklich gefordert.
MDK-Forum · Das Magazin
der Medizinischen Dienste der
Krankenversicherung
Mängel bei der Indikation
Herausgeber:
Medizinischer Dienst
der Spitzenverbände
der Krankenkassen e. V.
Sieben von 102 allogenen SZT
entsprachen nicht den allgemein
anerkannten Therapieempfehlungen. Auch bei sieben von
108 autologen SZT wich die
Indikation vom wissenschaftlich
gesicherten Kenntnisstand ab.
Verantwortlicher Redakteur:
Dr. Ulf Sengebusch (se), MDK Sachsen
Redaktion:
Martin Dutschek (dt),
MDK Niedersachsen
Christiane Grote (gr), MDS
Wolfgang Nafziger (na),
MDK in Bayern
Dr. Uwe Sackmann (sa),
MDK Baden-Württemberg
Mindestmengen beschlossen
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zum 1. Januar 2006
eine Mindestmenge von
25 allogenen und/oder autologen Blutstammzelltransplantationen pro Jahr und Zentrum
in Kraft gesetzt. Diese Mindestmengen gelten nicht für die
Behandlung von Kindern. Einige Standorte waren und sind
ohne entsprechenden Versorgungsauftrag tätig und erreichen
die Mindestmengen nicht.
Namentlich gekennzeichnete
Artikel geben nicht unbedingt
die Meinung der Redaktion wieder.
Bildredaktion:
Elke Grünhagen, MDS
Erscheinungsweise:
vierteljährlich
Lay-out:
BestPage Kommunikation
GmbH & Co. KG
45481 Mülheim an der Ruhr
Das deutsche Register für
Stammzelltransplantationen
(Ulm/Essen) trägt mit seinen
Berichten zur Transparenz bei.
Die Meldungen sind allerdings
bisher freiwillig. Wünschenswert
sind vollständige Meldungen
und komplette Auswertungen
auf nationaler Ebene – wie z. B.
in Frankreich bereits verwirklicht.
Druck:
asmuth druck + crossmedia
gmbh & co. kg
50829 Köln
Die Jahresberichte des Deutschen Registers für Stammzelltransplantationen stehen im
Netz unter www.drst.de
Fotonachweis:
AOK Lörrach: S. 6
Bangkok Hospital: S. 8
BestPage-Archiv: S. 19
Deutscher Infografikdienst: S. 3
Dutschek, Martin
MDK Niedersachsen: S. 4, 9
Karlsruher Messe- und
Kongress-GmbH: S. 32
KDA: S. 28
LMU: S. 16
MDK Baden-Württemberg: S. 31
MDK Rheinland-Pfalz: S. 13, 23
MDS: S. 24
Pflaum, Thomas / VISUM: S. 20
www.bilderbox.com: Titel, S. 2
www.kirsten-neumann.de: S. 26
Redaktionsanschrift:
Redaktion MDK-Forum
MDS e. V.
Martina Knop
Lützowstraße 53
45141 Essen
Telefon (02 01) 83 27-111
Telefax (02 01) 83 27-3111
E-Mail: [email protected]
Dr. med. Rüdiger Hoffmann,
MDK in Hessen
37
MDK-Forum 1/2007
Die Medizinischen Dienste
ISSN 1610-5346
Baden-Württemberg
MDK Baden-Württemberg
Ahornweg 2
77933 Lahr
Telefon: 0 78 21/9 38-0
Telefax: 0 78 21/9 38-2 00
Geschäftsführer: Karl-Heinz Plaumann
E-Mail:
[email protected]
Nord
MDK Nord
Hammerbrookstraße 5
20097 Hamburg
Telefon: 0 40/2 51 69-0
Telefax: 040/2 51 69-509
Geschäftsführer: Peter Zimmermann
E-Mail:
[email protected]
Westfalen-Lippe
MDK Westfalen-Lippe
Burgstraße 16
48151 Münster
Telefon: 02 51/53 54-0
Telefax: 02 51/5354-2 99
Geschäftsführer: Dr. Holger Berg
E-Mail:
[email protected]
Bayern
MDK Bayern
Putzbrunner Straße 73
81739 München
Telefon: 0 89/ 6 70 08-0
Telefax: 0 89/6 70 08-4 44
Geschäftsführer: Reiner Kasperbauer
E-Mail:
[email protected]
Nordrhein
MDK Nordrhein
Bismarckstraße 43
40210 Düsseldorf
Telefon: 02 11/13 82-0
Telefax: 0211/1382-1 99
Geschäftsführer: Wolfgang Machnik
E-Mail:
[email protected]
MD Bundeseisenbahnvermögen
Hauptverwaltung
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 2
53175 Bonn
Telefon: 0228/3077-0
Telefax: 0228/3077-160
Geschäftsführer: Burkhard Nette
E-Mail:
[email protected]
Berlin-Brandenburg
MDK Berlin-Brandenburg e.V.
Konrad-Wolf-Allee 1-3 TH III
14480 Potsdam
Telefon: 03 31/5 05 67-0
Telefax: 03 31/5 05 67-11
Geschäftsführer: Dr. Rolf Matthesius
E-Mail:
[email protected]
Rheinland-Pfalz
MDK Rheinland-Pfalz
Albiger Straße 19d
55232 Alzey
Telefon: 0 67 31/4 86-0
Telefax: 0 67 31/4 86-2 70
Geschäftsführer: Dr. Gundo Zieres
E-Mail:
[email protected]
See-Krankenkasse
Reimerstwiete 2
20457 Hamburg
Telefon: 0 40/3 61 37-0
Telefax: 0 40/3 61 37-7 47
Geschäftsführer: Nicolai Woelki
E-Mail:
[email protected]
Bremen
MDK im Lande Bremen
Falkenstraße 9
28195 Bremen
Telefon: 04 21/16 28-0
Telefax: 04 21/16 28-1 15
Geschäftsführer: Wolfgang Hauschild
E-Mail:
[email protected]
Saarland
MDK im Saarland
Dudweiler Landstraße 5
66123 Saarbrücken
Telefon: 06 81/9 36 67-0
Telefax: 06 81/9 36 67-33
Geschäftsführer: Dr. Gerhard Minkenberg
E-Mail:
[email protected]
Hessen
MDK in Hessen
Zimmersmühlenweg 23
61440 Oberursel
Telefon: 0 61 71/6 34-00
Telefax: 0 61 71/6 34-5 55
Komm. Geschäftsführer: Dr. Gert von Mittelstaedt
E-Mail:
[email protected]
Sachsen
MDK im Freistaat Sachsen e. V.
Alfred-Althus-Straße 2-2a
01067 Dresden
Telefon: 03 51/49 85-30
Telefax: 03 51/4 96 31 57
Geschäftsführer: Dr. Ulf Sengebusch
E-Mail:
[email protected]
Mecklenburg-Vorpommern
MDK Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Lessingstraße 31
19059 Schwerin
Telefon: 03 85/74 40-100
Telefax: 03 85/74 40-199
Geschäftsführer: Dr. Karl-Friedrich Wenz
E-Mail:
[email protected]
Sachsen-Anhalt
MDK Sachsen-Anhalt e.V.
Allee-Center, Breiter Weg 19c
39104 Magdeburg
Telefon: 03 91/56 61-0
Telefax: 03 91/56 61-1 60
Geschäftsführer: Rudolf Sickel
E-Mail:
[email protected]
Niedersachsen
MDK Niedersachsen
Hildesheimer Str. 202
30519 Hannover
Telefon: 05 11/87 85-0
Telefax: 05 11/87 85-1 99
Geschäftsführer: Jürgen Vespermann
E-Mail:
[email protected]
Thüringen
MDK Thüringen e.V.
Richard-Wagner-Straße 2a
99423 Weimar
Telefon: 0 36 43/5 53-0
Telefax: 0 36 43/553-1 20
Geschäftsführer: Franz Schmelzer
E-Mail:
[email protected]
Knappschaft
Pieperstraße 14-18
44789 Bochum
Telefon: 02 34/3 04-0
Telefax: 02 34/3 04-80 04
Geschäftsführer: Dr. Georg Greve
E-Mail:
[email protected]
MDS e. V.
Lützowstraße 53
45141 Essen
Telefon: 02 01/83 27-0
Telefax: 02 01/83 27-100
Geschäftsführer: Dr. Peter Pick
E-Mail:
[email protected]
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im Internet:
www.mdk.de

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