Promotion? – eine Entscheidungshilfe

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Promotion? – eine Entscheidungshilfe
Schwerpunkt: GeoökologInnen in der Wissenschaft: Qualifizierungswege und Berufsfelder
Promotion? – eine Entscheidungshilfe
Es ist ein glorreicher Tag, wenn nach absolvierter wissenschaftlicher und alternativer Prüfung endlich der Doktorhut stolz auf dem Kopf sitzt. Doch wer sich für eine Promotion entscheidet, sollte
nicht nur das Ergebnis vor Augen haben: Der Weg zu höheren wissenschaftlichen Weihen ist steinig
und kann durch zahlreiche Motivationslöcher sehr holprig sein. Ergänzend zu den Tipps und Ratschlägen in den anderen Schwerpunkt-Beiträgen möchten wir hier weitere Hilfestellungen geben.
Von Edda Heuer, Karlsruhe und Annegret Thieken, Potsdam
Motivation, um zu
promovieren
H
ilfreich, um spätere Frustrationen zu überwinden und
zu vermeiden, ist eine Klärung der eigenen Motivation. Warum möchte ich promovieren? Dafür
gibt es viele gute Gründe, z.B. (Adamczak & Heinemann, 2001):
•
Ich will meine Berufsaussichten
verbessern.
•
Ohne Promotion bekomme ich
in meinem Fach keinen Job.
•
•
Meine Professorin oder mein
Professor bietet mir eine Promotion an.
Ich möchte eine akademische
Laufbahn einschlagen.
Es gibt einen ehrenwerten Grund:
Ich habe eine Fragestellung, die
mich nicht loslässt und die ich erforschen und beantworten will.
Und es gibt einen schlechten Grund:
Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll.
Bei einer Befragung von über 2200
Biologen, Mathematikern, Germanisten, Elektrotechnikern, Sozialund Wirtschaftswissenschaftlern von
Enders & Bronmann (2001) wurde
als häufigste Motivation für eine
Promotion ein weitergehendes wissenschaftliches Interesse angegeben.
Jeder zweite erhofft sich bessere
Berufschancen. Hier gilt generell:
Promovierte haben die besseren
Aufstiegschancen. Sie machen nicht
FORUM GEOÖKOL. 13 (1), 2002
unbedingt Karriere, aber häufiger.
Der Doktortitel ist immer noch ein
angesehener Abschluss auf dem
deutschen Arbeitsmarkt (Enders &
Bronmann, 2001). Diese Aussagen
spiegeln sich auch in der Geoökologie-Absolventenbefragung aus Bayreuth wider.
xis) für die Fragestellung der
Arbeit?
•
Wie ist das Arbeitsumfeld? Besteht ein reger wissenschaftlicher Austausch zwischen den
MitarbeiterInnen, wird im Team
gearbeitet? Gibt es ein Budget
für / oder gibt es Spielräume im
Budget für die Teilnahme an
Tagungen, Kongressen und
Workshops oder Fortbildungen?
Sind ausreichend Sachmittel
vorhanden, falls Messreihen auf
dem Programm stehen?
•
Wie stark ist man in den Lehrbetrieb eingebunden?
•
Wo bringt mich die Doktorarbeit
beruflich hin? Wo kommen die
MitarbeiterInnen nach der Promotion unter?
Der Doktorandenstelle auf
den Zahn fühlen
Oftmals entscheiden die Bedingungen an den wissenschaftlichen Institutionen, ob eine Promotion leicht
oder schwer fällt, ob sie erfolgreich
verläuft oder zur Qual wird. Daher
sollte jeder einer angebotenen Doktorandenstelle gründlich auf den
Zahn fühlen, bevor er sich entscheidet. Dies gilt vor allem, wenn man
das Institut oder die Arbeitsgruppe
nicht aus dem Studium kennt.
Die Antworten auf wenige Fragen
helfen bereits, um größeren Frustrationen vorzubeugen:
•
Ist das Thema der Doktorarbeit
fest eingebunden in die Projekte
des Institutes oder der Arbeitsgruppe? Ein Blick in die Veröffentlichungsliste des Institutes
ist dabei hilfreich.
•
Kann und will jemand an der
eigenen Forschungseinrichtung
oder an einer anderen die Arbeit
aktiv betreuen?
•
Interessiert sich die aktuelle
Wissenschaft (oder gar die Pra-
Eindeutig klären sich einige dieser
Punkte oftmals erst nach Antritt der
Stelle. Doch jeder kann sich schon
im Vorfeld mit seiner Motivation für
eine Promotion und mit seiner Arbeitsweise auseinandersetzen und
weiß immerhin schon die Wunschantwort auf jede der Fragen.
Auch bei günstigen Voraussetzungen
braucht die Doktorarbeit neben dem
wissenschaftlichen Interesse am
Thema auch die Fähigkeit zur
Selbstmotivation, eigenverantwortliches und selbständiges Arbeiten
sowie eine große Portion Pragmatismus.
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Schwerpunkt: GeoökologInnen in der Wissenschaft: Qualifizierungswege und Berufsfelder
Was tun, wenn es nicht
weitergeht?
Viele DoktorandInnen werden im
Laufe ihrer Dissertation gezwungen,
mit Krisen umzugehen. Was kann
man tun, wenn die Frustration überhand nimmt und die Motivation
verloren geht?
Am Anfang steht die Problemanalyse: Was konkret wirkt motivationshemmend und verursacht Frustrationen? Ist das Thema oder das Ziel
der Dissertation unklar formuliert?
Sind entscheidende Arbeitsmittel,
Daten und Methoden nicht verfügbar? Fühle ich mich mit der Fragestellung überfordert oder isoliert?
Habe ich mit einer konkreten Tätigkeit, z.B. dem Zusammenschreiben
der Arbeit, Schwierigkeiten? Versagt
meine Zeitplanung? Habe ich zu
viele andere Aufgaben, die nichts
mit meiner Dissertation zu tun haben? Ist die finanzielle Situation
belastend?
Problem benannt – Problem gebannt. Zumindest ist es dann einfacher, nach einer konkreten Lösung
zu suchen. Generell gilt: Man sollte
sich aktiv Hilfe suchen, Probleme
ansprechen und nicht darauf warten, dass jemand, z.B. der Chef/die
Chefin, die Notlage erkennt und von
sich aus handelt.
Bei fachlichen Problemen helfen
Diskussionen in der Arbeitsgruppe
oder mit externen WissenschaftlerInnen (direkt im Gespräch oder per
E-Mail). Oft gibt es auch fachspezifische Mailinglisten, an die man Fragen richten kann.
Bei arbeitstechnischen Problemen
(Präsentation, Zusammenschreiben,
EDV-Problemen, Zeitmanagement)
sollte man sich nicht scheuen, den
einen oder anderen Fortbildungskurs zu besuchen. Mittlerweile bieten viele Universitäten und Forschungseinrichtungen solche Kurse
an.
Zu den qualifizierenden Tätigkeiten
zählt nicht allein die Arbeit an der
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Dissertation. Dazu gehören auch die
(selbständig durchgeführte) Lehre
oder die Weiterbildung in wissenschaftlichen Methoden oder die
Erweiterung der EDV-Fähigkeiten.
Auch die Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung ist für die
weitere Berufsperspektive nicht
unwichtig. Die Konzentration auf die
Dissertation ist aber das Wesentliche
(Adamczak & Heinemann, 2001).
Dafür braucht man auch die Eigenschaft, auch einmal NEIN sagen und
Aufgaben an andere abgeben zu
können. Auch das kann man lernen!
Bei arbeitsrechtlichen Problemen
mit Vorgesetzten können der Betriebs-/Personalrat, die VertreterInnen des akademischen Mittelbaus
oder die Frauenbeauftragte weiterhelfen. Außerdem gibt es einige
DoktorandInnen-Netzwerke. Die
wichtigsten Adressen sind im Literaturteil aufgeführt. Dort ist auch zu
finden, bei wem man finanzielle
Mittel für Forschungsarbeiten beantragen kann. Solche Mittel werden
nicht nur für ganze Projekte, sondern auch für kurzfristige Forschungsaufenthalte im Ausland oder
für Tagungsbesuche gewährleistet.
Hilfestellung bei der Antragstellung
sollte der eigene Chef/ die Chefin
geben, in vielen Fällen kann man
sich auch an das akademische Auslandsamt wenden.
Change it, leave it or love it
Wenn alle Bemühungen, die eigene
Arbeitssituation zu verändern, nichts
nützen, gibt es nur zwei Auswege:
Man sucht sich einen anderen Arbeitsplatz, oder man akzeptiert die
Verhältnisse so, wie sie sind, und
macht das Beste daraus.
Gründe, um die Wissenschaft
zu verlassen
Überforderung, unzureichende
Betreuung, enttäuschende Arbeitsergebnisse und dazu die schlechte
Bezahlung sind für viele Grund genug, eine Doktorarbeit nicht abzu-
schließen. Das ist jedoch eine
schwerwiegende Entscheidung, die
gut überlegt sein will. Je länger man
schon an der Dissertation gearbeitet
hat, um so schwerer wird es, das
Projekt aufzugeben und eine solche
Entscheidung zu rechtfertigen.
Oft werden viele Schwierigkeiten,
die im Laufe der Arbeit immer stärker zum Tragen kommen, bereits im
ersten Jahr deutlich. Daher sollte
man gerade während oder nach
Ablauf des ersten Jahres die eigene
Situation kritisch prüfen.
Eine Studie aus den Niederlanden
nennt folgende Gründe, aus denen
WissenschaftlerInnen (DoktorandInnen, Post-Docs, DozentInnen,
AssistentInnen, außerordentliche
ProfessorInnen) dauerhaft von den
Universitäten Abschied nahmen (in
abnehmender Priorität):
•
gezwungen/Vertrag abgelaufen
(61.7 %),
•
freiwillig aus Unzufriedenheit
(18.2 %),
•
freiwillig wegen einer neuen
Stelle (10.4 %),
•
freiwillig aus privaten Gründen
(2.3 %) und
•
Pensionierung/
Berufsunfähigkeit (7.0 %).
Was kommt danach?
Gründe, um weiter
wissenschaftlich zu arbeiten
Trotz dieses eher pessimistischen
Bildes sollte man sich immer wieder
klar machen, dass man an einer
Universität oder in der Forschung
viele Freiheiten zum selbstbestimmten Arbeiten hat. Dazu gehört eine
relativ freie Einteilung der Arbeitszeit, die Auseinandersetzung mit
spannenden Fragestellungen, abwechselungsreiche Tätigkeiten und
die Möglichkeit, viele interessante
Menschen und Orte auf dieser Welt
kennen zu lernen. Darüber hinaus
bieten sich viele Möglichkeiten, eigene Ideen und Vorstellungen in die
Tat umzusetzen: bei der ProjektbeFORUM GEOÖKOL. 13 (1), 2002
Schwerpunkt: GeoökologInnen in der Wissenschaft: Qualifizierungswege und Berufsfelder
arbeitung, aber auch bei der Planung, Konzeption und Beantragung
von neuen Projekten. Man muss die
Chance zur Selbstbestimmung aber
auch nutzen!
„Glück ist keine Glückssache. Glück,
was auch immer Sie darunter verstehen, ist nicht etwas, das Ihnen
zustößt. Glück ist das Ergebnis von
selbstverantwortlichem, entschiedenem Handeln“ (Sprenger, 2001).
•
Enders, J. & Bornmann, L. (2001):
Karriere mit Doktorhut? Ausbildung, Berufsverlauf und Berufserfolg von Promovierten. CampusVerlag, 264 S.
•
Sprenger, Reinhard K. (2001): Die
Entscheidung liegt bei Dir! CampusVerlag, 10. Auflage 212 S.
Literatur:
•
Adamczak, W. & Heinemann, M.
(2001): Ich will promovieren. – Anregungen. Materialien der Uni Kassel. www.uni-kassel.de/wiss_tr/
Literatur- und Internetverweise zum Schwerpunktthema
Allgemeine Informationen zu
Hochschulpolitik und Möglichkeiten der Forschungsförderung
•
Bundesministerium für Bildung und
Forschung: www.bmbf.de
•
Wissenschaftsrat:
www.wissenschaftsrat.de
Netzwerke und Arbeitskreise
für DoktorandInnen und den
akademischen Mittelbau
•
Arbeitskreis für Hochschuldidaktik
e.V.: www.ahdhochschuldidaktik.de/
•
Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: www.blk-bonn.de
•
•
Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina:
www.leopoldina.uni-halle.de
Bundesvertretung akademischer
Mittelbau (BAM): www.soz.unihannover.de/bam/
•
•
Deutsche Bundesstiftung Umwelt,
Osnabrück: www.dbu.de
Doktorandenforum:
www.doktorandenforum.de/
•
•
Deutsche Forschungsgemeinschaft:
www.dfg.de
•
Deutscher Akademischer Austauschdienst: www.daad.de
Initiative Wissenschaftlicher Nachwuchs:
www.wissenschaftlichernachwuchs.
de
•
•
Deutscher Bildungsserver (mit Informationen und Links u.a. zu
Hochschuldidaktik, Forschungsförderung, Bildungs- und Hochschulpolitik): www.bildungsserver.de
Interdisziplinäres Netzwerk THESIS
für Promovierende und Promovierte
e.V.: www.thesis.de
•
Promovierendeninitiative:
www.promovierenden-initiative.de
•
•
Die Landesministerien für Wissenschaft und Kultur vergeben ebenfalls Forschungsmittel bzw. Stipendien. Internetlinks sind z.B. unter
www.cews.uni-bonn.de/
magazin/links.html zu finden.
EU Community Research & Development Information Service:
www.cordis.lu/en/home.html
•
Hochschulrektorenkonferenz:
www.hrk.de
•
KoWi Koordinierungsstelle EG der
Wissenschaftsorganisationen:
www.kowi.de/eingang/default.htm
•
Stifterverband für die Deutsche
Wissenschaft:
www.stifterverband.org
•
Volkswagen-Stiftung:
www.volkswagenstiftung.de
FORUM GEOÖKOL. 13 (1), 2002
Informationen zur Karriereplanung, Promotion und akademischen Laufbahn
•
Bolles, Nelson Richard (2000):
Durchstarten zum Traumjob. Das
Bewerbungshandbuch für Ein-, Umund Aufsteiger. Campus-Verlag,
4. Auflage, 343 S.
•
Enders, J. & Bornmann, L. (2001):
Karriere mit Doktorhut? Ausbildung, Berufsverlauf und Berufserfolg von Promovierten. CampusVerlag, 264 S.
•
Materialien der Uni Kassel (von
Adamczak & Heinemann) über wissenschaftlichen Nachwuchs, Forschungsförderung, Anregungen zur
Promotion, Hilfestellungen bei der
Erstellung von Forschungsanträgen
usw.: www.uni-kassel.de/wiss_tr/
•
Messing, B. & Huber, K.-P. (1998):
Die Doktorarbeit: Vom Start zum
Ziel. Leitfaden für Promotionswillige. Springer-Verlag, BerlinHeidelberg, 1998
•
„Science's Next Wave“ nennt sich
ein Online-Journal, das vom internationalen Wissenschaftsmagazin
„Science“ betrieben wird. Zielgruppe des Angebots ist in erster Linie
der wissenschaftliche Nachwuchs
aus den Naturwissenschaften. Seit
1. April 2002 haben deutsche Nutzer – dank Förderung durch die
Deutsche Forschungsgemeinschaft –
freien Zugang zum kompletten Angebot. Neben der internationalen
Orientierung von „Next Wave“ dürfte für junge Wissenschaftler besonders die gleichzeitige Ausrichtung
auf universitäre und außeruniversitäre Karrierewege interessant sein.
Die internationale Einstiegsseite von
Next Wave:
www.nextwave.sciencemag.org
Next Wave Deutschland:
www.nextwave.sciencemag.org/de/
Unterhaltsames zum Thema
Promotion
•
Bär, Siegfried (1996): Forschen auf
Deutsch. Der Macchiavelli für Forscher und solche, die es noch werden wollen. Harri Deutsch Verlag,
3. Auflage, 160 S.
•
Borgeest, Bernhardt & Schmid,
Dorothea (1994): Der Doktorand,
der einsame Held. – ZEITMagazin,
Nr. 42, Oktober 1994, S. 12-22.
•
Meuser, Thomas (2000): PromoViren. Zur Behandlung promotionaler
Infekte und chronischer Doktoritis.
2., völlig infizierte Auflage. GablerVerlag
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