Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD)
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Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD)
40 Faschismus K 306 Von den Völkern geachtet. Von der Bundeswehr verachtet! Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) und der Bund deutscher Offiziere ( BDO). Im Juli 1943 (genau am 12./13.Juli) fand im Klubraum des Stadtsowjets von Krasnogorsk (einer kleinen Stadt bei Moskau) die Gründungsversammlung des Nationalkomitees Freies Deutschland statt. Warum ist die Geschichte des NKFD und des BDO aktuell? Gleichwohl der Widerstand der Soldaten gegen den Hitlerfaschismus in engem Zusammenhang mit der spezifischen Situation des imperialistischen Weltkrieges zu sehen ist und somit nicht einfach auf heute übertragen werden kann, stellt sich heute 60 Jahre später erneut die Frage nach dem Widerstand in der Armee. Die Rolle des Deutschen Imperialismus als weltweit Krieg führende Nation macht die Frage nach dem Kampf in der Armee zu einer brandaktuellen. Für alle direkt und indirekt Beteiligten, insbesondere den Soldaten der Bundeswehr, stellt sich die Frage, ob der Einsatz in Afgahnistan, auf dem Balkan oder sonstwo, in ihrem Interesse erfolgt oder im Interesse anderer, die sich wirtschaftlich, politisch und strategisch Vorteile erhoffen. Und spätestens seit den Nürnberger Urteilen kann sich der Einzelne auch nicht damit rechtfertigen, dass er auf Befehl gehandelt habe (Befehlsnotstand). Die Völker der Welt dulden kein Hinausreden beim Begehen von Verbrechen. D.h. die richtige Antwort auf einen drohenden Marschbefehl ist von jedem Einzelnen zu geben und wie die aktuell losgetretene Diskussion zeigt, in der Tat bald von jedem. Weil das so ist und weil eine falsche Antwort auf diese Fragen ein böses Erwachen oder schlimmstenfalls gar keines nach sich zieht, deshalb lohnt es sich mit diesem bedeutenden Kapitel Soldatenwiderstand auseinanderzusetzen. Auch deshalb, weil der antimilitaristische und antifaschistische Kampf des Nationalkomitees und des Bundes Deutscher Offiziere seit 1945 diffamiert, am liebsten aber unerwähnt bleibt. „Die Gründung von NKFD und BDO im Jahre 1943 sind Teil der Deutschen Geschichte, nicht aber der Tradition der Bundeswehr, die die Überlieferung von Werten und Normen, die im innerem Zusammenhang mit dem Grundgesetz stehen, zur Grundlage hat. Außerdem bleibt umstritten, inwieweit wirklicher Widerstand gegen das NS-Regime in dieser Situation (gemeint ist die Kriegsgefangenschaft) möglich war. Auch die starke kommunistische Prägung ist hierbei auffällig gewesen ... Das NKFD bestand auf der zivilen Seite hauptsächlich aus Exilkommunisten, die später die DDR aufbauten. Inso- fern ist es für die Tradition der Bundeswehr nicht möglich, diesen ,Widerstand’, der ein anderes nicht- demokratisches Regime (die Sowjetunion) unterstützte, als eigene Traditionslinie zu akzeptieren.“1 So lautete die entlarvende Antwort des „Bundesverteidigungsministeriums“ auf eine Anfrage des Verbandes Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung „Freies Deutschland“ (DRAFD) der zur Unterstützung der Gedenkfeiern zum Jahrestag der Gründung des NKFD beim „Verteidigungsministerium“ anklopfte. Kein Wunder: 13.000 Offiziere der Naziwehrmacht und der Waffen-SS wurden in die Bundeswehr übernommen, alle Bewerber des NKFD und des BDO wurden abgelehnt. Dies alles, das Totschweigen und die Missachtung des NKFD und des BDO durch diesen Staat zeigt, wessen Geistes Kind die Tradition dieser Armee zuzurechnen ist. Die fortschrittlichen Kräfte tun gut daran, sich mit der Geschichte des NKFD und des BDO zu befassen, um einen Beitrag zur Entlarvung und Bekämpfung des deutschen Militarismus zu leisten. Die Geschichte des NKFD und des BDO tragen auch dazu bei, unterscheiden zu lernen, zwischen den Interessen der Imperialisten und unseren eigenen Interessen, zu lernen, dass diese Interessen gegensätzlicher Natur sind. Die Gründungsgeschichte des NKFD und des BDO. Die Geschichte des organisierten Soldatenwiderstandes im zweiten Weltkrieg ist eng verbunden mit dem Aufruf von 158 deutschen Soldaten, die sich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befanden, das Hitlerregime zu stürzen. In dem „Appell an das deutsche Volk“ vom 10.10.1941 hieß es: „Es gibt zwei Deutschlands: das Deutschland der Nazischmarotzer und das Deutschland der Werktätigen; das Deutschland der vertierten Raub- und Mordgesellen und das Deutschland des ehrlichen und fleißigen Volkes. Es gibt das Deutschland der faschistischen Barbaren und das Deutschland der großen Denker, Erfinder und Dichter, die durch ihre Leistungen die Weltkultur bereichert haben. Es gibt ein Deutschland größenwahnsinniger Machthaber, die ihre Herrschaft durch einen aussichtslosen Krieg bis zum letzten deutschen Soldaten zu retten versuchen; und es gibt ein anderes Deutschland, das Hitler und seine faschistische Terrorherrschaft verflucht ...“2 Die 158 Soldaten waren sich einig in der Einschätzung, „Hitler kann nicht siegen. Hitler führt K 306 Deutschland dem schlimmsten Versailles entgegen, führt dazu, dass Deutschland zergliedert wird und das deutsche Volk die Kriegsschäden bezahlen muss, die Europa und die Sowjetunion durch Hitler erlitten haben. Wollt ihr dieses Los vermeiden, dann stürzt Hitler und richtet ein freies und unabhängiges Deutschland auf.“3 Es sollte aber fast noch 1,5 Jahre dauern bis die Überzeugungsarbeit der Antifaschisten und Antimilitaristen in den verschiedenen Kriegsgefangenenlagern dahingehend fruchteten, ein alle Volksschichten umfassendes Komitee zu gründen, mit dem Ziel Hitler zu stürzen, den Krieg zu beenden und ein antifaschistisches- demokratisches Deutschland aufzubauen. Erst die zahlreichen militärischen Niederlagen an der Front beschleunigten bei vielen Soldaten und Offizieren die Einsicht, sich der drohenden Katastrophe entgegenzustellen. Es war eine Herkulesaufgabe für die deutsche Emigranten, die unentwegt in den Kriegsgefangenenlagern für das Ziel arbeiteten, die von deutschem Militarismus und der faschistischen Ideologie vergifteten Soldaten und Offiziere zu überzeugen, sich endlich gegen ihre Herren, gegen ihre Befehlshaber zu wenden. Die Einsicht in die Notwendigkeit sich den Antimilitaristen und Antifaschisten anzuschließen war unter dem Leid des Krieges sicher nicht für alle freiwillig und in voller Überzeugung. Es ist müßig zu ergründen, wie viele Soldaten und Offiziere erst unter Bomben und Granaten, erst in Gefangenschaft sich gegen die Faschisten stellten. Viele sicher auch aus Opportunismus, aus Angst und Furcht. Entscheidend war aber die Tatsache, dass die faschistischen Angreifer, die Wehrmacht geschwächt und gebremst wurden und somit ihre Niederlage schneller herbeigeführt werden konnte. Dies ist der unauslöschbare Beitrag aller, die sich im NKFD und BDO organisiert hatten. Aber zurück zur Gründungsgeschichte. Besonders aktiv bei der Vorbereitung des NKFD waren Teile des Kriegsgefangenenlagers 27. Auf einer Versammlung des Lagers 27 konstituierte sich ein Ausschuss, der die Gründung des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ vorbereitete. In dem vorbereitenden Ausschuss wurden u.a. gewählt: Weinert (Vorsitzender), Johannes Becher, Hauptmann Hadermann (Dr.Ernst Hadermann war der erste deutsche Offizier, der zum Sturz Hitlers aufgerufen hatte.), Leutnant Bernd von Kügelgen, die KPD-Abgeordneten Pieck und Ulbricht. Am 16.1.1943 trat auch die erste deutsche antifaschistische Offiziersgruppe mit einem Appell an „die Offiziere der vor Stalingrad eingeschlossenen deutschen Truppen“ in Erscheinung. Auf Basis dieser verschiedenen Initiativen kam es am 12./13. Juli 1943 in Krasnogorsk zu der historischen Gründungsversammlung des Nationalkomitees Freies Deutschland. Das Gründungskomitee bestand aus 38 Mitgliedern. In der Rede, die auf der Gründungstagung des NKFD gehalten wurde, hieß es: „Die Körperschaft, die unsere Bewegung leitet und die sie vor unserem Volke und vor der Welt vertreten soll, trägt den Namen Nationalkomitee ,Freies Deutschland’. Geben wir unserer neuen Fahne ,Freies Deutschland’ die Bedeutung, die ihr gebührt. Unser Ziel ist das freie Deutschland ... Der Name ,Freies Deutschland’ Faschismus bedeutet, dass wir ein Deutschland wollen, das frei ist von jeder äußeren und inneren Knechtschaft. Die Voraussetzung der äußeren Freiheit ist die innere Freiheit unseres Volkes ... An dieser jungen Flamme soll sich der Widerstandswille im Lande und an der Front entzünden ...Die Sowjetregierung legt unserer Sammlung in diesem Lande kein Hindernis in den Weg ... seine Aufgabe ist nicht nur die Abwendung der Katastrophe, sein Ziel ist die Schaffung einer Grundlage, auf der ein freies Deutschland erblühen kann ... Unser Deutschland wird gesäubert sein von allem abscheulichen Unrat, den die fluchbeladene Hitlerzeit ihm hinterließ. Von allen schändlichen Maßnahmen, die ihren Ursprung im Völker- und Rassenhass, in der Theorie vom Herrenvolk hatten, wird nicht eine Spur mehr übrig bleiben.“4 Nach der Konstitution des Nationalkomitees war es sehr wichtig, die sich vom Hitlerregime lossagenden Offiziere zu organisieren, da davon auszugehen war, dass die Aufrufe bekannter Offiziere noch mehr Gehör finden würden als die Aufrufe der einfachen Soldaten bzw. der niedriger Dienstgrade. Da das NKFD u.a. auf Initative der emigrierten Mitglieder der KPD und auf Unterstützung der KPDSU und der Roten Armee entstand, galt es von Anfang an die Vorbehalte gegenüber den Kommunisten aus dem Weg zu räumen und sie praktisch als konsequente Verfechter für Frieden und Gerechtigkeit kennenzulernen. D.h. das NKFD selbst und die Arbeit des NKFD‘s musste auf eine möglichst breite Grundlage gestellt werden. Nur so konnten Teile aus dem Offizierscorps gewonnen werden. Klar war, dass die Entwicklung an der Front täglich dazu beitrug zu erkennen, dass der Krieg nie zu gewinnen sein wird und jeder weitere Kampftag entsprechend sinnlos sein sollte. Insbesondere die verheerende Niederlage der 6. Armee bei Stalingrad förderte diese Einsicht bei den Offizieren, ihren Eid auf Hitler abzuschwören und sich der Bewegung „Freies Deutschland“ anzuschließen. Der 11./12.09.1943 war deshalb ein weiteres wichtiges Datum, da in Anwesenheit von 100 De- 41 Präsidium der Gründungskonferenz des NKFD. Am Rednerpult Major Karl Hetz. Sitzend von links: Major Herbert Stößlein, Erich Weinert, Soldat Max Emendörfer, Wilhem Pieck, Hauptmann Ernst Hadermann 1 Junge Welt, 12.08.03 2 Bodo Scheurig: „Verrat hinter Stacheldraht?“, dtv 1965, München, S. 43 ff. 3 ebda 4 E. Weinert, Memento Stalingrad, S. 233 ff. 42 Faschismus legierten aus fünf Offiziersgefangenenlagern sowie unter Beisein von Mitgliedern des NKFD‘s der BDO gegründet wurde. Über die Aufgaben des Bundes sprachen General Seydlitz, seitens des NKFD ergriffen Weinert, Vizepräsident Major Hetz und der Gefreite Zippel das Wort. Als Präsident des BDO wurde Seydlitz, zum Vizepräsidenten Generalleutnant Edler von Daniels und Oberst Steidle einstimmig gewählt. Nach der Gründung des BDO wurde das Gründungskomitee des NKFD um 17 Mitglieder vergrößert. Die Zusammensetzung des NKFD war wie folgt: „39 von den 55 Mitgliedern waren Kriegsgefangene und zwar 4 Generale, 2 Oberste, 5 Majore, 2 Hauptleute , 7 Oberleutnante und Leutnante, 1 evangelischer und ein katholischer Wehrmachtspfarrer, 1 Armeejurist, 16 Vertreter der Mannschaften ... Die 16 Zivilisten waren 5 ehemalige kommunistische Reichtagsabgeordnete, 2 Langtagsabgeordnete, 1 Gewerkschaftsund 1 Jugendvertreter, 1 Redakteur, 6 Schriftsteller und Künstler ...“5 Das Manifest des Nationalkomitees Freies Deutschland Grundlage der Arbeit des NKFD bildete ein Manifest, gerichtet an die Wehrmacht und an das deutsche Volk. Als wichtigste Aufgabe wurde in dem Manifest die Rettung der detschen Nation betrachtet, deren Existenz bei Fortführung des Krieges bedroht war. Die Aufgabe der Wehrmacht wurde vom NKFD darin gesehen, auf die okkupierten Gebiete zu verzichten und sich in die Grenzen von 1937 zurückzuziehen. Allerdings wurde im Januar 1944 diese Forderung aufgegeben und nunmehr die völlige Souveränität für Polen, die Tscheslowakei und Österreich verlangt. Um von vorneherein den antifaschistischen Charakter des NKFD klar zu machen, richtete sich das Manifest einerseits an die Fronttruppen und andererseits an das Volk zuhause. Dazu hieß es: „Deutsche Soldaten und Offiziere an allen Fronten! Ihr habt die Waffen! Bleibt Vorstand des antifaschistischen „Bundes deutscher Offiziere“ auf der Gründungsversammlung in Lunjowo bei Moskau, 11.-13. September 1943 K 306 unter den Waffen! Bahnt euch mutig unter verantwortungsbewussten Führern, die eins sind mit euch im Kampf gegen Hitler, den Weg zur Heimat, zum Frieden!“6 An die Menschen in Deutschland wurde folgender Appell gesandt: „Ihr seid die Mehrheit! Macht sie zur Stoßkraft durch Organisation! Bildet Kampfgruppen im Betrieb, im Dorf, im Arbeitslager, auf den Hochschulen, überall, wo ihr zusammenkommt! Leistet Hitler keine Gefolgschaft mehr!“7 Das NKFD hatte seine Arbeit daraufhin angelegt, auf möglichst breiter Basis zusammenzuarbeiten und unter Berücksichtigung des faschistischen Einflusses der Soldaten und Offiziere auf das Hauptziel hinzuarbeiten, Hitler zu stürzen. In diesem Zusammenhang spielte der Gedanke der nationalen Frage eine große Rolle in der Agitation und Propaganda des NKFD bzw. BDO. Das Hitlerregime wurde angeklagt, die Nation zu zerstören und dem deutschen Volk die Ächtung und Verachtung der Menschheit zu bringen und eine nicht mehr gutzumachende Schuld an den Völkern der Welt aufzuladen. In verschiedenen Dokumenten kommen diese Gedanken zur Geltung. Mit der Deklaration „Aufgaben und Zielstellung“ und mit dem Aufruf „An die deutschen Generale und Offiziere! An Volk und Wehrmacht“ wurden die Grundsätze des „Bundes Deutscher Offiziere“ dargelegt. In der Deklaration heißt es: „Diese Erkenntnis (dass die nationalsozialistische Regierung niemals zum Frieden bereit ist) zwingt uns, dem verderblichen Regime Hitlers den Kampf anzusagen und für die Schaffung einer vom Vertrauen des Volkes getragenen und auf ausreichende Machtmittel gestützten Regierung einzutreten, damit auch von unserer Seite alles geschehe, was unserem Vaterland den Frieden und eine glückliche Zukunft sichern kann.“8 Als Ziel des BDO wurde verkündet: „Es lebe das freie, friedliche und unabhängige Deutschland.“9 Damit wurde eine gemeinsame Basis von NKFD und BDO hergestellt, nämlich ein demokratischantifaschistisches Deutschland aufzubauen. K 306 Strategie war es also, dass Volk und die Wehrmacht das Hitlerregime stürzen und bewaffnet in die Heimat zurückmarschieren. Spätestens 1944 (Januar) musste das NKFD und der BDO schließlich einsehen, dass diese Taktik nicht aufgehen wird. Trotz der zunehmenden Niederlagen an der Front, war die Mehrheit nach wie vor bereit für Hitler zu kämpfen. Zu tief war in den Köpfen der Soldaten die faschistische Ideologie verwurzelt. Diese Einschätzung der realen Situation führte beim NKFD und beim BDO zu einer Änderung ihrer Taktik. Die Soldaten wurden aufgerufen zu kapitulieren oder in geschlossener Formation überzulaufen. Für die revolutionären Kräfte im NKFD bzw. BDO war dies eine bittere Erkenntnis, dass das Deutsche Volk aus eigener Kraft den Faschismus nicht besiegen wird. Ein sehr wichtiges Dokument waren die „25 Artikel zur Beendigung des Krieges“. Vollkommen nüchtern wird die Situation dargelegt und klargestellt, dass Hitler diesen Krieg niemals gewinnen wird und dass der is dato „Millionen ehemals glücklicher Familien; Dutzende ehemals blühende Städte, Deutschlands Kraft und Ruf“ vernichtet hat.10 Das Dokument benennt die Schuldigen, ihr Krieg wird „ein Verbrechen an der Nation“ genannt. Es wird auf die Argumente der Gegner eingegangen und Punkt für Punkt widerlegt. Das NKFD stellt in diesem Dokument den Anspruch, die Keimzelle des neuen Deutschland zu sein; eine Organisation, die den Wiederaufbau und die Herstellung demokratischer Verhältnisse anpacken wird: „Das Nationalkomitee übernimmt die Erbschaft, so schwer sie auch sei ... Wir wissen: Das Volk verlangt nach Leben, Frieden, Wiederaufbau, Glück. Wir wissen: Millionen wären bereit, sofort den verlorenen Krieg auf der Stelle zu beenden, sähen sie nur die Kraft, die sie aus ihm heraus führt ... Die Welt hat uns beim Zerstören gesehen. Möge sie uns beim Aufbauen sehen.“11 Faschismus Die wichtigsten Aktivitäten des NKDF und des BDO 43 Kriegsgefangene deutsche Soldaten können sich wieder informieren Die beiden wichtigsten Säulen der Arbeit des NKFD und des BDO waren einerseits die Frontarbeit und andererseits die Arbeit in den Kriegsgefangenenlagern. Dies war Ausdruck der programmatischen Grundsätze: Beendigung des Krieges und Aufbau einer neuen Gesellschaft, deren Grundlagen bereits in den Kriegsgefangenenlagern gelegt werden sollten. Als wichtigster Bestandteil galt auch die Kontaktaufnahme zur Heimat und den Eingekerkerten in den faschistischen Gefängnissen und KZ‘s. So sollte z.B. Ernst Thälmann eine Stellungnahme zu dem Dokument „Wir Kommunisten im Nationalkomitee“ abgeben, zu der es allerdings nicht mehr kam.12 Das Verhältnis NKFD und BDO Das Flugblatt als Waffe Der BDO hat sich nie als gegensätzliche Organisation zum NKFD verstanden sondern immer als Ergänzung zum NKFD, mit einer besonderen Rolle beim antifaschistischen Aufbau. General Seydlitz der erste Präsident des BDO war zugleich auch Vizepräsident des NKFD. Der BDO betrachtete das Manifest des NKFD auch als seine politische Grundlage. Allerdings sind einige Vorbehalte und Differenzen nicht zu verhehlen. So gab es Vorbehalte gegenüber den Kommunisten im NKFD. Die Erziehung der Offiziere im Geiste der preußischen, militaristischen Tradition verbot jegliche Propaganda in Richtung auf „Zersetzung der Wehrmacht“. Sie träumten von einer Armee und einer Gesellschaftsordnung im bürgerlich-demokratischen Sinne. Dies erklärt u.a. dass nur relativ wenige sich nach dem Krieg in den Dienst des demokratischantifaschistischen Deutschlands stellten, mit dem Ziel, den Sozialismus aufzubauen. Einige einstmals hervorragende Vertreter des NKFD bzw. BDO wurden auf Grundlage dieses Widerspruches nach 1945 zu offenen Gegnern u.a. des NKFD und BDO. Rückgrat bildeten die „Frontbevollmächtigten“ (im Jahre 1943 gab es davon 17), die diese Arbeit des NKFD und des BDO anleiteten und die zahlreiche Helfer hatten. Die Berichte der Frontbevollmächtigten bildeten die Basis für die weitere Arbeit. Die an die Front geschickten Antifaschisten (Ende 1943 waren ca. 400 deutsche Antifaschisten im Auftrag des NKFD an der Front. Ende des Krieges waren rd. 2.000 im Einsatz) gaben die Verpflichtung ab „aus Treue zur deutschen Nation mit dem Nationalkomitee Freies Deutschland zu kämpfen.“ Die Arbeit der Antifaschisten an der Front erforderte fundiertes Wissen über die deutsche Truppe an dem jeweiligen Frontabschnitt. Wissen über Art, Bestand, Stärke, Mängel der Ausrüstung, Kenntnisse über die Einheitsführer (Charakter, Stärken und Schwächen), über die Verfassung der Einheit insgesamt waren unabdingbare Voraussetzungen um eine effektive Arbeit leisten zu können. Weiterer zentraler Bestandteil waren die Vernehmungen der Kriegsgefangenen und die daraus abzuleitende Strategie und Taktik im weiteren Fortgang. 5 „Sie kämpften für Deutschland“, Berlin 1959, S. 114 6 ebda, S. 146 ff. 7 ebda, S. 146 ff. 8 ebda, S. 157 9 ebda, S. 157 10 ebda, S. 173 ff. 11 ebda, S. 173 ff. 12 Else und Bernd von Kügelgen: „Die Front war überall“, Berlin 1968, Vorwort 44 Sendung mit dem Grabenlautsprecher. Deutscher Antifaschist und Rotarmist Walter Ulbricht diskutiert mit deutschen Kriegsgefangenen K 306 Faschismus Für die Agitation und Propaganda bedienten sich die Frontarbeiter der verschiedensten Mittel, wie z.B. Zeitungen („Freies Deutschland“, „Freies Deutschland im Bild“), sowie zentraler Flugschriften. Darüber hinaus gab es unzählige operative Flugblätter. Es wurden alle Wege genützt um dieses „Material“ an die deutschen Truppen zu bringen: Hinüberschießen in Behältern, Ablegen in deutschen Gräben und Stellungen durch Spähtrupps oder durch den Einsatz von Partisanen und Antifaschisten, die hinter der Front arbeiteten. Beliebt war insbesondere die Methode, über die reguläre Feldpost Flugblätter zu versenden, so dass auch die Kommandeure in den Genuss der Flugblätter des NKFD und des BDO kamen. So erreichten die Flugblätter millionenfache Auflage. Ein weiteres wichtiges Mittel (vielleicht das wichtigste Mittel) war die Lautsprecherpropaganda, die die Soldaten über die Frontlage bzw. die Inhalte des NKFD und des BDO informierte. Wichtig dabei war es, dass die Offiziere und Soldaten an den Frontabschnitten sprachen und die Nazipropaganda widerlegten, dass alle, die in Gefangenschaft geraten sind nicht, mehr lebten. Es wurden sogar ganze Sendungen abgehalten mit Musik usw. An der Leningrader Front wurden allein vom 28.09.1943 bis 19.11.1943 415 Sendungen ausgestrahlt. Oft mussten die deutschen Soldaten auf Befehl sofort schießen um diese Propagandasendungen zu stören. Arbeit in den Kriegsgefangenenlagern Zentraler Bestandteil dieser Arbeit war die Schulungstätigkeit. Es wurden Schulen für die Kriegsgefangenen eingerichtet, in denen die Antifaschisten unterrichteten und über die Ursachen des Krieges und über die Ziele des NKFD aufklärten. Im Mittelpunkt stand auch die Aufklärungsarbeit zur Vorbereitung auf eine bessere Zukunft. Diese wurden als die „umfangreichsten Vorarbeiten für den Neuaufbau des antifaschistischen Deutschlands“ verstanden.13 Z.B. hat „über 1,5 Jahre im Rahmen des Nationalkomitee eine Kommission für die Umgestaltung des Unterrichtswesens gearbeitet ... Richtlinien für den Unterricht in deutscher Geschichte, die 1945 bei der demokratischen Schulreform die Grundlage für den Geschichtsunterricht an unseren Schulen (in der DDR14) bildete.“15 Ganz wichtig war es, dass die Kriegsgefangenen über alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle Kontakt zur Heimat aufnahmen, um der faschistischen Greuelpropaganda entgegenzuwirken, zu zeigen, dass Gefangenschaft nicht mit Folter und Tod gleich bedeutend war. Nachdem 1943/44 die Rote Armee bereits drei Viertel des okkupierten Gebietes zurückerobert hatte, galt es den faschistischen Durchhalteparolen den „Sieg oder Untergang“ entgegenzutreten. Entsprechend orientierten NKFD und BDO ihre Arbeit dahingehend. Sie forderten die Soldaten und Offiziere auf, sämtliche Kampfhandlungen einzustellen und zu kapitulieren. Dies hat dazu geführt, dass viele Einheiten und Soldaten in Gefangenschaft gingen und der Krieg verkürzt wurde. Bedeutung und Würdigung des NKFD und BDO Beide Organisationen haben dazu beigetragen unzähliges Leben zu retten, indem viele Soldaten u.a. nach Kontakt mit den Flugblättern usw. des NKFD bzw. des BDO zur Roten Armee überliefen bzw. aufhörten im Kadavergehorsam für die Faschisten zu kämpfen. So verschoben sich im Verlaufe des Krieges die Relationen immer mehr : Während von den rd. 360.000 Mann, die in Stalingrad eingeschlossen wurden, 90.000 in Gefangenschaft kamen, stellte sich ein Jahr später in der Krimarmee die Situation wie folgt dar: 50.000 Mann fielen, rd. 62.000 gingen in Gefangenschaft. Oberst Steidle berichtete, dass am Dnjeprbogen über 18.000 Mann sich ergaben und jeder Dritte seinen Entschluss auch mit den Kontakt zum NKFD begründete.16 Im Kessel von Snigorowka (März 1944)streckten schließlich rd. 6.000 Offiziere und Mannschaften die Waffen, über die Hälfte bekannte sich sofort zum NKFD. Damit wurde die Hitler-Armee geschwächt und tausende Soldaten konnten gerettet werden. Aber die Bedeutung des NKFD und des BDO ging weit über die Frontarbeit hinaus. K 306 Das NKFD war eine wichtige Keimform für das demokratisch-antifaschistische Deutschland. Zumindest in einem Teil Deutschlands wurde somit den Imperialisten und Militaristen das Handwerk für viele Jahrzehnte gelegt. Das NKFD und der BDO trugen auf diese Art und Weise dazu bei den Völkern der Welt zu zeigen, es gibt ein anderes Deutschland. Das NKFD und der BDO trugen dazu bei, den Antikommunismus zu bekämpfen und zeigten großen Teilen des Volkes, dass es möglich und notwendig ist gemeinsam zu kämpfen. Das Nationalkomitee Freies Deutschland war eine wichtige Volksfrontbewegung gegen Faschismus und Krieg, so wie auf der historischen Brüsseler Konferenz der KPD von 1935 gefordert. Die Gründung förderte den Zusammenschluss der deutschen Antifaschisten weltweit. „Am 11.11.43 schufen über 2.000 deutsche Antifaschisten, die illegal in Frankreich lebten, die Bewegung ,Freies Deutschland’„, die hervorragenden Anteil am Kampf der französischen Widerstandsbewegung hatte. In der Schweiz bildete sich im August 43 die Bewegung ,Freies Deutschland‘. In England entstand unter Leitung von Prof. Robert Kuczynski das Komitee ,Freies Deutschland‘, in dem ... J.Heartfield ... mitarbeiteten ... Ähnliche Zusammenschlüsse entstanden u.a. in Schweden, Mexiko, Argentinien, Brasilien, Chile, Uruquay, Bolivien, und Kanada. Besonders genannt werden sollte hier noch das lateinamerikanische Komitee ,Freies Deutschland’, an dessen Spitze der Schriftsteller Ludwig Renn stand. In Deutschland gab es Gruppen des NKFD in Berlin/Sachsen und Thüringen, Hamburg und im Ruhrgebiet.“17 Die Arbeit des NKFD und des BDO sind somit unlöschbare Erfahrungen für die fortschrittlichen Menschen in aller Welt. Auflösung des NKFD und des BDO Ein halbes Jahr nach der Befreiung fand am 2.11.1945 die letzte Sitzung des NKFD und des BDO statt. Erich Weinert hielt das Hauptreferat des NKFD, für den BDO sprach General Seydlitz. Klar und ohne Wenn und Aber wurde in der Schlusssitzung Bilanz gezogen und den neuen Bedingungen Rechnung getragen. Erich Weinert hob hervor, dass der Zusammenschluss nicht nur zum Sturz Hitlers war, „sondern um ein neues, wahrhaft demokratisches Deutschland zu schaffen“. Allerdings : „Bewaffneter Kampf, Erhebung gegen die Unterdrücker. Das Nationalkomitee hat dieses Ziel nicht erreichen können.“18 Erich Weinert ging auf die Arbeit des NKFD ein, insbesondere auch auf die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem BDO. Er würdigte die Verdienste von General Seydlitz, den er als mutigen Mann charakterisierte. Am Ende seiner Rede erklärte Weinert: „Einstellung der Tätigkeit bedeutet nicht Aufgabe der inneren Bindungen, bedeutet nicht, dass jeder nun seines Weges gehen wird. Wenn wir Männer des NKFD uns später einmal in Faschismus Deutschland wieder finden, werden wir dasselbe gute kameradschaftliche Verhalten finden wie hier. In einem werden wir uns eins sein wie heute: in der Erkämpfung eines freien, demokratischen, sauberen Deutschland! (langanhaltender Beifall)“19 Die Auflösung des BDO wurde von General Seydlitz gegründet, der ausführte, dass der BDO eng mit dem NKFD verbunden war. Der BDO hatte aber immer seine soziale Basis zu berücksichtigen. Menschen, die im Gehorsam erzogen wurden und denen jede Neigung sich gegen bestehende Verhältnisse aufzulehnen, fremd war. „Was nutzte der Einzelne, wenn er hitlerfeindlich war und ihn dennoch unterstützte?“ „Wir haben uns hinsichtlich der politischen Denkfähigkeit und des Wagmutes der Heerführung im Unklaren befunden ... bei Gründung des BDO ... 4 Generale, 3 Oberste, viele Beamte, wenig Aktive ...“ Da wenig Hoffnung war, viele Offiziere zu gewinnen, „jetzt war nur noch Hoffnung, auf das ganze Volk einzuwirken ... Anfang 44 war völlige Verschmelzung vom Bund und Komitee ... Kampfgemeinschaft aller Werktätigen, Gewerkschaften und Kirchen, Gemeinschaft all derer, die das Wohl des Volkes über die Ichsucht stellten, denen Frieden höher dünkte als Schlachtruf. Möglichkeit und Wirklichkeit der Freundschaft zwischen General und Grenadier, zwischen Materialist und Christ, im Ideal des kämpferischen Humanismus ...“, sei dies erreicht worden. Seydlitz fährt fort: „1944 war die Hälfte der gefangenen Offiziere für die Bewegung gewonnen ... Der 20.Juli brachte auch Generalfeldmarschall Paulus zu dem Entschluss ...Was der Bund wollte, hat er nicht erreicht, aber er hat dazu beigetragen, Menschen und Meinungen zu erziehen, die die deutsche Zukunft braucht ... die das deutsche Land erneuern und erhalten können ... Die Aufgabe des Bundes ist beendet und damit auch das Weiterbestehen der Organisation. Gemeinsam mit dem Nationalkomitee haben wir zwei Jahre und zwei Monate zusammengelebt, gemeinsam mit ihm findet auch die Arbeit des Offiziersbundes und die Notwendigkeit seines Bestandes sein Ende.“20 HB21/Arbeitsgruppe Faschismus 45 Vorderseite eines Frontflugblattes, das gleichzeitig als Ausweis beim Übergang auf die Seite des NKFD benutzt werden konnte 13 Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Reihe Nr.2/3, S. 340 14 Eigene Anmerkung 15 ebda, S. 340 16 Heinz Voßke, „Im Kampfe bewährt“, Berlin 1969, S. 310 17 Wissentschaftlicher Zeitschrift, a.a.O., S. 340 ff. 18 Verrat ..., a.a.O., S. 254 ff. 19 Verrat ..., ebda 20 Verrat ..., ebda 21 Der Artikel beruht auf einem Dia-Vortrag von 1982 der revolutionären Sodaten der „Kämpfenden Jugend“ und der antimilitaristischen Zeitung „Rührt Euch“