Kraftpaket mit Knick

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Kraftpaket mit Knick
Kraftpaket mit Knick
Meilenstein Hoftrac® | Mit den knickgelenkten, kompakten Hof­
ladern setzte Weidemann 1972 eine Revolution der Stall- und
Hofarbeit in Gang. Aus einem Unikum wurde ein technischer Stan­
dard, mit dem sich das Unternehmen trotz eines inzwischen breiten
Wettbewerberfeldes nach wie vor ganz vorn sieht.
E
ine technisch bahnbrechende und
praxistaugliche Lösung für eine komplexe Tätigkeit – das machte den
1972 entwickelten Hoftrac® von Weidemann schnell zu einem Meilenstein der
Landtechnik. Die Idee war so einfach wie
überzeugend: vier gleichgroße Räder,
kompakte Bauweise für den Einsatz auch
in engen Ställen, Knicklenkung für große
Wendigkeit, Hubarm und Schaufel mit
hohen Reißkräften.
Aber ganz so einfach, wie es sich hier
liest, war der Start natürlich nicht. Denn
um leistungsfähige Maschinen zu bauen,
die auch bei Türbreiten unter einem Meter und -höhen unter zwei Meter nicht
kapitulierten, brauchte es viel Ideenreichtum. Die ersten Prototypen basierten zwecks Wendigkeit auf dem dreirädrigen Prinzip. Aber unter dem
Gesichtspunkt der Standfestigkeit und
Sicherheit liefen die Pläne bald in Richtung Zweiachser mit vier Rädern und Allradantrieb, der durch besagtes Knickgelenk enorme Wendigkeit erhielt. Ergebnis
war das Modell „Perfekt 130“, mit dem
1974 die Serienfertigung begann.
Allerdings lag die Herausforderung nicht
nur im Bauprinzip. Problem damals: Für
derartige Maschinen gab es in der Landtechnik schlichtweg keine passenden
Bauteile „von der Stange“. Die Brüder Oswald und Reinhold Weidemann griffen
deshalb zum Teil auf Komponenten aus
der Automobilindustrie zurück. Die allerersten Maschinen hatten zum Beispiel
ein Getriebe von Audi. Der Perfekt 130
nannte Getriebe und Antriebsachsen des
VW Bulli sein eigen. Immerhin hatte die
Maschine bereits Allradantrieb – für den
Kraftzwerg eine echte Besonderheit, von
der das Gros „echter“ Traktoren damals
Mehr HighTech, mehr Leistung
Den nächsten Entwicklungsschritt vollzog Weidemann mit der Serie 02 Anfang
der Achtzigerjahre. Angetrieben wurden
die Maschinen von einem wassergekühlten, laufruhigen Mitsubishi-Dieselmotor
1974 1981 Werkbilder
1972 nur träumen konnte. Mitte der Achtzigerjahre stammten Getriebe und Achsen
aus eigener Fertigung.
Bezüglich der Reiß- und Hubkräfte setzte
der Perfekt 130 schon damals Maßstäbe.
Die runde Schaufel stützte sich beim Einkippen drehend auf Rollen ab, die am
Maschinenrahmen befestig waren. Die
Arbeitswerkzeuge lagen in der unteren
Lage zur Hälfte über dem vorderen Rahmenteil der Maschine. „Durch dieses
Prinzip wurden an der Schaufelschneide
oder den Zinken der Gabel enorme Losbrechkräfte bis zum 2,5-Fachen des Maschinengewichtes erzeugt. Dadurch und
dank der beweglichen Arbeitswerkzeuge
waren diese Maschinen den damals üblichen Frontlader-Traktoren weit überlegen“, berichtet Hans-Heinrich Schmidt.
Er gehörte schon 1972 zu den HofladerPionieren bei Weidemann und ist dort
heute technischer Geschäftsführer.
Der Prototyp des Hoftrac® basierte noch auf
dem Dreiradprinzip.
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Mit dem Perfekt 130 begann die Serienpro­
duktion. Dieser Typ wurde bis 1980 gebaut.
Die Serie 02 bestach durch 20-kW-Motoren und
das selbst entwickelte Schnellwechselsystem.
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Unternehmen & Märkte
mit gut 20 kW Leistung aus vier Zylindern. Weitere Besonderheit war ein selbst
entwickeltes Schnellwechselsystem für
Anbaugeräte. Als Höhepunkt der bis
1984 gefertigten Serie galt das Modell
1902 mit hydrostatischem Fahrantrieb –
wieder ein Novum für so kompakte Maschinen. Mitte der Achtzigerjahre folgte
die Serie 900. Als damals neue technische
Details nennt Hans-Heinrich Schmidt
die hydraulische Verriegelung der Anbaugeräte und die lastabhängige, automotive Steuerung des Fahrantriebs.
Modellpflege und stetige Technik-Höhepunkte folgten kontinuierlich. So sorgte
1992 das Modell 1002 D/P für Furore, das
als erster Hoftrac® eine komplett geschlossene Kabine aufwies und 20 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit erreichte. Damit wurden die Maschinen
ebenso für Kommunen im Winterdiensteinsatz interessant.
Um die Fahrleistung und Schubkräfte zu
verbessern, fanden Planetenachsen und
stärkere Fahrantriebskomponenten Verwendung. Für den Einsatz von Mähwerken, Schegelmulchern, Kehrbesen und
anderen Arbeitswerkzeugen erhielten die
Maschinen stärkere Hydraulikanlagen.
Die Bedienung des Laders erfolgte erst
mittels Kreuzsteuerhebel neben dem Sitz,
bald danach mit dem Multifunktionshebel, der die Steuerung der Hubhydraulik,
des Fahrantriebes und weiterer elektrischer Funktionen übernahm.
Sehr früh hatte man zudem die Vorteile
des Teleskopladers erkannt und diese
Technik auch auf die großen knickgelenkten Radlader übertragen. In den ers­
ten Jahren des neuen Jahrtausends prägte
die Überarbeitung des Maschinenprogramms mit einem modernen Design
und ergonomischen, kippbaren Kabinen.
Neu waren die sogenannten LP-Modelle
für niedrige Gebäude.
Mit der Übernahme des Unternehmens
durch die damalige Wacker Construction
Equipment AG im Jahr 2005 folgte der in-
1992 Das Modell 1002 D/P war der erste Hoftrac® mit
komplett geschlossener Kabine.
Agrartechnik januar 2013
tensive Ausbau der Produktpalette in
Richtung vielseitig einsetzbaren Hof-,
Rad- und Teleskopladern, mit denen der
Güterumschlag in landwirtschaftlichen
Betrieben optimiert werden kann. Mit
dem T4512 CC35 interpretierte Weidemann 2009 übrigens den Begriff des Hof­
trac® sinngemäß neu aufgrund der sehr
kompakten Bauart und großen Wendigkeit auch in Richtung der StarrrahmenTeleskoplader.
Kernprodukt war und ist jedoch für das
Unternehmen der knickgelenkte Hoflader. Als qualitativen Meilenstein wertet
Hans-Heinrich Schmidt das 2007 neu gebaute Werk in Korbach, wo seitdem die
Lader mit modernster Technik gefertigt
werden. Zu den Stärken zählen unter anderem, dass alle Stahlteile gestrahlt und
phosphatiert werden, bevor sie die Pulverlackieranlage durchlaufen. Mit der
Lackqualität sieht sich das Unternehmen
nach wie vor an herausragender Position.
„Qualitätsmanagement und Produktqualität sieht man den Maschinen nicht immer in allen Facetten sofort von außen
an. Aber sie sind zentrale Faktoren für
langlebige Hoflader und mehr denn je
Kennzeichen bei Weidemann“, so der
technische Geschäftsführer.
Sicherheit geht vor
Zwei andere zentrale Aspekte bei Weidemann sind Komfort und Sicherheit des
Fahrers. Als zum Beispiel Ende 2009 die
neue Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
in Kraft trat, die deutlich höhere Anforderungen an Umsturz- und Kippschutzvorrichtungen (ROPS/TOPS) sowie Vorrichtungen gegen herabfallende
Gegenstände (FOPS) und Fahrerrückhaltesysteme stellte, setzte der Hersteller
erneut Zeichen. Mit richtungsweisenden
technischen Lösungen (unter anderem
dem klappbaren Fahrerschutzdach Easy
Protection System) wurde sozusagen aus
der Verordnungs-Not eine Produkt-Tugend.
Erwartungsgemäß und ganz im Sinne
der Maschinenbediener sind die Fortschritte bezüglich des Komforts, etwa
durch moderne Sitze, die an die Ergonomie und Bedürfnisse des Fahrers angepasst wurden. Allerdings sind die mit
dem Sitz mitschwingenden und getrennt
davon einstellbare Konsolen, in dem Bedienhebel und die wichtigsten Schalter
untergebracht sind, eher eine Seltenheit.
Integrierte Klimaanlagen und hydraulisch vorgesteuerte Ventile tragen bei
den größeren Maschinen zum Wohlbefinden und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit des Fahrers bei. Eine gute Rundumsicht bringt Sicherheit für Bediener
und das Umfeld der Maschine. Speziell
entwickelte Federelemente mit hydraulischer Dämpfung der Fahrerkabine und
die serienmäßige, lastabhängige und
selbstregelende Schwingungsdämpfung
der Schwinge sorgen für zusätzliche Sicherheit bei hohen Geschwindigkeiten.
Jüngste Veränderung seit Ende 2012 ist
das neue Serienkonzept für die 11erund 12er-Baureihen des Hoftrac®Programms. Die vier neuen Grundmodelle heißen 1140, 1160, 1260 und 1280
und ersetzen die bisherigen Typen der
11er- und 12er-Baureihen. Zusätzlich
gibt es wie bisher einen LP-Hoftrac® mit
einer besonders niedrigen Bauhöhe. Aufbauend auf diese Grundmodelle haben
die Kunden jetzt die Möglichkeit, sich
aus einer noch größeren Optionspalette
„ihren“ Hoflader beim Kauf individuell
zusammenzustellen. „Wir haben festgestellt, dass der Bedarf der Kunden von
Hof zu Hof in den letzten Jahren so unterschiedlich geworden ist, dass sich
diese Individualität mit dem klassischen
Modellkonzept nicht optimal genug darstellen lässt. Durch die Neuordnung der
Modellpalette und die Erweiterung des
Optionsangebots kann die Einzelmaschine nun noch bedarfsgerechter konfiguriert werden“, so Hans-Heinrich
­Schmidt abschließend.
(jn)
2003/2005 2009
Zu Beginn des neuen Jahrtausends beginnt eine
neue Design-Ära, und die Modellvielfalt wächst.
Das klappbaren Fahrerschutzdach setzt die neuen
EU-Sicherheitsrichtlinien praxisgerecht um.
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