Der Mensch soll spielen was er will
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Der Mensch soll spielen was er will
AutomatenMARKT | Februar 1999 | Magazin Deutsches Spielemuseum Chemnitz Der Mensch soll spielen was er will Wie aus einem Museumsbesucher ein Aufsteller wurde. Und warum Nintendo und Ravensburger wunderbar zusammenpassen. Ein ganz normaler Museumsbesuch sollte es eigentlich werden. Mit anschließender Reportage über das Gesehene. Angefangen hat es auch ganz normal. Im Spielemuseum Chemnitz. Gespräch mit Museumsmitarbeiterin Heidrun Ackermann. Danach Rundgang durch die Ausstellungsräume. Und da stand es dann auch schon. Das Hockey-Gerät aus DDR-Produktion. Gebaut vermutlich in den Fünfzigern. Das Gehäuse besteht aus Massivholz. Es ist etwa 1,10 Meter hoch und steht auf einem Holzfuß. Die zirka 50 mal 100 Zentimeter große Spielfläche ist durch eine Glasscheibe abgedeckt. Über einen Aluminiumrahmen ist sie am Gehäuse befestigt. Das Hockey-Gerät ist für zwei Spieler konzipiert. An den Stirnseiten des Geräts befindet sich je ein Drehknopf. Damit bedienen die Spieler jeweils einen Torwart und zwei Feldspieler. Nur: Funktionieren will das verdammte Ding nicht. So macht Heidrun Ackermann aus dem Museumsbesucher unversehens einen „Aufsteller“. Der hat mittlerweile auch schon das Stromkabel unter dem Gerät entdeckt. Inzwischen ist Heidrun Ackermann zurück. Logo des Deutschen „Hier sind unsere Schlüssel. Probieren Sie doch mal“, sagt Spielemuseums ist sie und streckt dem Besucher eine Kiste mit knapp 30 mehr der Harlekin. oder weniger verrosteten Schlüsseln entgegen. Inzwischen funktioniert wenigstens die Beleuchtung des Hockey-Spiels schon wieder. Und der ganze Kasten klingelt in unregelmäßigen Abständen. Also Stecker wieder ’raus. Dabei entdecken wir ein Typenschild mit folgendem Aufdruck: „Hockey-Gerät, VEB Lumet, 22 Volt, 260 Watt, Typ A 501. Seriennummer: 58/3712. Heidrun Ackermann steht mit ihrem Schlüsselkasten immer noch da. Für das Löwen Darts-Gerät und den original Leonhart-Kicker (Nummer 54060), die nebenan stehen, sind die Schlüssel gefunden. Auch für das Backgammon aus Gauselmann-Produktion. Nur der für das Hockey-Gerät ist nicht da. Also Stecker wieder ’rein. Jetzt versuchen wir, eine Münze in den Schacht zu werfen. Leider bleibt es bei dem Versuch. Denn am Schlitz steht zwar „10 Pfennig“ – aber wer bitte hat neun Jahre nach der Wende noch DDR-Groschen aus Aluminium im Portmonee? Da kann auch die Museumskasse nicht weiterhelfen. Also hängen wir den „Aufstellerberuf“ wieder an den Nagel und setzen unseren Rundgang fort. Vorbei an Hunderten von Brett-, Lege- und Geschicklichkeitsspielen. Puzzles, Rätseln oder Gedächtnisspielen. In den Ausstellungsräumen im Obergeschoss befindet sich eine Dauerausstellung: Spiele aus vier Toto-Fix: Das Hockey-Gerät Jahrhunderten. Mit Billardtischen und einem aus DDR-Produktion machte Roulette-Tisch aus den Fünfzigerjahren. Einem aus dem Museumsbesucher Schachcomputer vom Typ SC 2. Hersteller: VEB einen Aufsteller. Funkwerk, Erfurt. Letzter Besitzer: Erich Honnecker, Berlin. Leiter des Museums ist J. Peter Lemcke. Und davon, dass es zu jedem Thema im Leben ein Spiel gibt, ist man in Chemnitz unter seiner Regie überzeugt. Eindrucksvoll belegen das auch Anzahl und Vielfalt der ausgestellten Spiele. An unendlichen Regalen mit Klassikern wie Abalone, Siedler von Catan, Monopoly oder Risiko geht es vorbei. In einen Raum, in dem nur Computerspiele ausgestellt sind. Unter Aufsicht können dort auch Jugendliche vor dem Bildschirm Platz nehmen. Um mit Super Mario einen auszufahren, Fußball zu spielen, am Stunt Race teilzunehmen oder gegen Straßenkämpfer anzutreten. Zum Museumskonzept gehört nämlich, dass möglichst viele Spiele frei zugänglich und zu benutzen sind. Das Motto des Museums könnte lauten: Der Mensch soll das spielen, was er will. Deswegen steht hier auch Nintendo neben Ravensburger und das Löwen Darts-Gerät neben dem Kugelmenschen. Backgammon von Gauselmann neben Affenjagd von MB. Ein unverkrampftes Verhältnis zum Spiel, das so manchem Entscheidungsträger in Stadt und Kommune zum Vorbild gereichen könnte. Brettspiel und Automatenunterhaltung. Im Chemnitzer Spielemuseum kein Problem.