Hepatitis C-Therapie bei Problempatienten, H. Klinker 2005
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Hepatitis C-Therapie bei Problempatienten, H. Klinker 2005
Behandlung der chronischen Hepatitis C bei „Problempatienten“ H. Klinker Medizinische Klinik und Poliklinik II, Schwerpunkt Hepatologie/Infektiologie, Klinikum der Universität Würzburg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. H. Einsele) Zusammenfassung Die antivirale Therapie der chronischen C-Hepatitis mit pegyliertem Interferon-α und Ribavirin hat sich in den letzten Jahren fest etabliert und zu deutlich verbesserten Behandlungserfolgen geführt. einer heilbaren Problemsituationen Erkrankung vor, die Für viele Patienten ist die HCV-Infektion damit zu geworden. die Nicht selten liegen Indikationsstellung zur Therapie allerdings und ihre Durchführung erschweren. Das Vorliegen von Depressionen, Drogen- oder Alkoholabusus, einer HIV-Koinfektion oder einer Niereninsuffizienz galten bislang als absolute oder relative Kontraindikation zur Interferon-α/Ribavirin-Therapie. Unter bestimmten Voraussetzungen und/oder begleitenden Maßnahmen ist eine erfolgreiche HCV-Therapie bei kalkulierbarem Nebenwirkungsprofil inzwischen jedoch auch bei vielen dieser „Problempatienten“ möglich. Summary Combination therapy of chronic hepatitis C with pegylated interferon alpha and ribavirin has become accepted standard. Therapy response markedly improved and many patients now can be cured. But in several situations therapy decision and course are complicated by individual patient related issues. Psychiatric side effects such as depression, abuse of illicit drugs or alcohol, HIV co-infection, or impaired renal function were all dealt as contraindications for an interferon-α/ribavirin therapy. Under certain circumstances and/or with concomitant arrangements a successful initiation and maintenance of a HCV therapy with a calculated risk for side effects seems increasingly applicable in “problem patients” now. Key Words hepatitis C – treatment – peginterferon-α – ribavirin – hiv-coinfection – active drug use – depressive illness – renal disease 1 In der Therapie der chronischen Hepatitis C sind in vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt worden. Durch die aktuelle Standardtherapie mit PEG-Interferon-α in Kombination mit Ribavirin gelingt ein anhaltendes Therapieansprechen bei 42-46% der Patienten mit einer HCV-Genotyp 1-Infektion und 76-82% bei Patienten mit einer HCV-Genotyp 2/3-Infektion. Derartige Behandlungserfolge können jedoch nur bei richtiger Indikationsstellung sowie bei weitgehender Einhaltung von Medikamentendosis und Therapiedauer erzielt werden. In der klinischen Praxis, abseits der Studiensituation mit festen Einund Ausschlusskriterien, sehen wir uns allerdings häufig mit Konstellationen konfrontiert, die sowohl bezüglich der Indikationsstellung zur Therapie als auch hinsichtlich der Aufrechterhaltung der notwendigen Therapiedauer und –dosis problematisch sind. Dabei sind oft gerade diese Patienten auf eine langfristige Kontrolle ihrer HCV-Infektion angewiesen. Einen Überblick über die aktuell allgemein anerkannten, die problematischen Indikationen sowie die Kontraindikationen gibt Tabelle 1. a. Charakteristika von Patienten, für die eine Indikation zur HCV-Therapie allgemein anerkannt ist • • • • • • • • • Alter > 18 Jahre Erhöhte ALT Hepatitis und Fibrose in der Leberhistologie Kompensierte Lebererkrankung Akzeptable Hämoglobinwerte (> 13 g/dl bei, > 12 g/dl bei) Akzeptable Neutrophilenzahl (> 1.500/µl) Akzeptable Kreatininwerte (< 1,5 mg/dl) Depression in der Anamnese, jedoch kontrolliert Therapiemotivation und Fähigkeit, Therapiebeedingingen einzuhalten b. Charakteristika von Patienten, bei denen eine Indikation zur HCV-Therapie nicht allgemein anerkannt ist (individuelle Therapie/Studien) • • • • • • • • • Anhaltend normale ALT-Werte Versagen einer HCV-Therapie in der Vorgeschichte Aktueller Drogen- oder Alkoholabusus, jedoch Entzugs-/Substitutionsmotivation Keine oder minimale Fibrose in der Leberhistologie Akute Hepatitis C HIV-Koinfektion Alter < 18 Jahre Chronische Nierenfunktionseinschränkung Dekompensierte Leberzirrhose 2 • Z. n. Lebertransplantation c. Charakteristika von Patienten, bei denen eine HCV-Therapie als kontraindiziert gilt • • • • • • • • Unkontrollierte Major-Depression Z. n. Herz-, Lungen oder Nierentransplantation Autoimmunhepatitis Unbehandelte Hyperthyreose keine adäquate Kontrazeption/ Schwangerschaft Schwere extrahepatische Erkrankung Alter < 3 Jahre Bekannte Hypersensitivität gegen Interferon- oder Ribavirin Tabelle 1: Indikationen und Kontraindikationen einer antiviralen Therapie bei Hepatitis C-Virus Infektion (nach [17]) Problemsituationen können sich insbesondere ergeben bei Patienten mit Depressionen, HIV-Koinfektion, Drogenabusus oder Niereninsuffizienz. Da diese Komorbiditäten in den meisten großen Therapiestudien Ausschlusskriterien darstellten, sind die Kenntnisse zur Sicherheit und Effizienz einer antiviralen Kombinationstherapie einer chronischen C-Hepatitis in diesen Fällen insgesamt begrenzt. Mittlerweile liegen allerdings aufgrund von Therapieoptimierungs- und Kohortenstudien, Einzelfallberichten sowie der zahlreich durchgeführten Therapien in den großen Behandlungszentren Erfahrungswerte vor, die ein sinnvolles Management dieser Problemsituationen ermöglichen. So kann heute unter bestimmten Voraussetzungen und begleitenden Maßnahmen vielen dieser Patienten durchaus eine Therapie ihrer C-Hepatitis mit begründeter Aussicht auf einen Behandlungserfolg bei vertretbarem Risiko angeboten werden. Im Folgenden soll daher der aktuelle Stand der Interferon-α/Ribavirin-Therapie bei „Problempatienten“ mit chronischer Hepatitis C dargestellt werden. Patienten mit Depressionen Psychiatrische Syndrome im Zusammenhang mit einer chronischen Hepatitis C sind häufig. Im Vordergrund stehen Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsminderung, bei 5-30% der Patienten auch depressive Symptome. Davon bedarf ca. ein Viertel einer Behandlung mit Antidepressiva. Da unter einer Therapie mit Interferon-α 3 wiederholt schwere Exazerbationen von Depressionen, z. T. mit Suiziden, beschrieben sind, stellt eine instabile, akute Depression eine Kontraindikation gegen eine Interferon-Therapie dar. Bei allen Patienten mit deutlichen depressiven Symptomen sollte deshalb eine Mitbetreuung durch den Psychiater erfolgen und die Indikation für eine medikamentöse Behandlung geprüft werden. Ist eine solche angezeigt, hat sie immer Vorrang vor einer antiviralen Behandlung einer C-Hepatitis. Patienten mit einer kontrollierten Depression (spontan oder unter antidepressiver Therapie) kommen unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung für eine Interferonhaltige Therapie durchaus in Frage. In Abstimmung mit dem Psychiater sollte eine begleitende antidepressive Therapie, insbesondere mit einem Präparat aus der Gruppe der Serotonin Re-Uptake-Inhibitoren (SSRI), erwogen werden. Ein besonderes Problem stellen psychiatrische Nebenwirkungen unter laufender Interferon-α-Therapie dar. In der Regel beginnen sie nach ca. einem TherapieMonat. Nach ca. 3-4 Monaten wird ihre höchste Ausprägung erreicht, welche dann ohne Intervention oft über die weitere Therapie hin anhält. Neuropsychiatrische Nebenwirkungen sind ein häufiger Grund für Dosisreduktion, Auslassen von Interferon-Dosen, vorzeitige Therapieabbrüche und damit unbefriedigende Behandlungsergebnisse! In den vergangenen Jahren konnte allerdings gezeigt werden, dass eine antidepressive Therapie mit SSRI bei HCV-Patienten mit Interferon-induzierter MajorDepression zu einer raschen Besserung der Symptomatik führen und eine planmäßige Beendigung der antiviralen Behandlung bei fast 80% der Patienten ermöglichen kann (7). Nachdem sich bei onkologischen Patienten bereits der Nutzen einer prophylaktischen Paroxetin-Therapie zur Prävention einer Depression bei hoch dosierter Interferon-α-Therapie erwiesen hatte (11), gibt es hierzu jetzt auch bei Patienten mit Hepatitis C erste positive Daten (8). Dabei war auch bei den leberkranken Patienten die antidepressive Therapie gut verträglich. Aus den bisherigen Untersuchungen kann daher die Empfehlung abgeleitet werden, dass ein begleitendes psychometrisches Monitoring im Rahmen der Interferon-αTherapie sinnvoll ist und bei Auftreten von depressiven Symptomen eine antidepressive Behandlung, vorzugsweise mit SSRI, eingeleitet werden sollte. Neben Paroxetin erscheinen aktuell insbesondere Citalopram und Escitalopram für den Einsatz bei Patienten mit Hepatitis C geeignet. 4 Auch Relapse-Patienten oder Non-Responder mit Interferon-assoziierten Depressionen in der vorausgegangenen Therapie müssen von einer Re-Therapie nicht mehr ausgeschlossen werden. Hier sollte entsprechend eine prophylaktische Behandlung mit SSRI erfolgen (8). Patienten mit HIV-Koinfektion Aufgrund gemeinsamer Übertragungswege ist eine Doppelinfektion mit hepatotropen Viren und HIV nicht selten. Für Deutschland wird die Anzahl der HBV/HIV Koinfizierten auf ca. 2.800, die der HCV/HIV-Koinfizierten auf ca. 6.000 geschätzt. Bei HIV-Patienten unter hochaktiver antiretroviraler Therapie (HAART) sind bei erheblich rückläufiger HIV-assoziierter Morbidität und Mortalität bis zu 50% der Todesfälle auf lebererkrankungsbedingte Komplikationen zurückzuführen (1, 2). Wesentlicher Risikofaktor hierfür ist eine HCV-Koinfektion. Es besteht mittlerweile kein Zweifel daran, dass eine HIV-Koinfektion zu einer beschleunigten Progression der HCV-assoziierten Lebererkrankung führt. So konnte gezeigt werden, dass 10-15 Jahre nach HCV-Infektion die Leberzirrhose-Häufigkeit bei Patienten mit HIV-Koinfektion 15-25% betrug im Vergleich zu 2-6% bei Nicht-HIVKoinfizierten (16). Darüber hinaus scheint auch ein hepatozelluläres Karzinom bei HIV-Koinfizierten häufiger und früher aufzutreten. Darby et al. berichteten, dass bei HCV/HIV-koinfizierten Hämophilen ein Anstieg der Lebererkrankungs-assoziierten Mortalität ca. 10 Jahre früher als bei HCV-Monoinfizierten zu beobachten sei (4). Dabei lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der HCV-assoziierten Morbidität und Mortalität und der HIV-bedingten Immundefizienz aufzeigen (13). Weiterhin ist durch die HCV-assoziierte Leberschädigung mit einer vermehrten Toxizität der antiretroviralen Therapie zu rechnen. Diese Ausführungen machen deutlich, dass bei Patienten mit HIV/HCV-Koinfektion die erfolgreiche Behandlung der begleitenden C-Hepatitis von großer Bedeutung ist. Frühere, vorwiegend kleine Studien mit einer IFN-Monotherapie ergaben insgesamt unbefriedigende Therapieergebnisse, machten jedoch bereits deutlich, dass das Ansprechen der HCV-Therapie eng mit dem HIV-assoziierten Immunstatus verknüpft ist (10). 5 Inzwischen liegen auch bei HIV/HCV-koinfizierten Patienten die Ergebnisse mehrerer größerer Studien (3, 9, 12, 18) zur Kombinationstherapie mit pegyliertem Interferon-α und Ribavirin vor. Der Immunstatus der Patienten war mit im Mittel 480-590 CD4-Zellen/µl überwiegend gut. Die wesentlichen Ergebnisse sind in Tab. 2 dargestellt. Autor (Literatur) Patienten (n=) PerezOlmeda 2003 (12) 68 PegIFN-Typ RibavirinDos. (mg/d) Therapiedauer (Wochen) CD4Zellzahl/µl IFN-alfa 2b 800 Genotyp 1/4: 48 Genotyp 2/3: 24 591± 200 IFN-alfa 2b 800 Genotyp 1/4: 48 477 Genotyp 2/3: 48 (137-1.310) VR* (%) SVR** (%) Vorzeitiger Therapieabbruch/Abbruch wegen Nebenwirkungen (%) 40 GT 1/4: 30 GT 2/3: 81 28 GT 1/4: 24 GT 2/3: 52 21/15 Keine Daten 27 GT 1/4: 17 GT 2/3: 44 39/16 206 Carrat 2004 (3) Torriani 2004 (18) 290 IFN-alfa 2a 800 Genotyp 1/4: 48 Genotyp 2/3: 48 520 ± 277 47 GT 1/4: 38 GT 2/3: 64 40 GT 1/4: 29 GT 2/3: 62 25/12 Laguno 2004 (9) 52 IFN-alfa 2b 800-1.200 Genotyp 1/4: 48 Genotyp 2/3: 24 570 52 44 GT 1/4: 38 GT 2/3: 53 23/17 *VR = Virologic response (virologisches Ansprechen am Ende der Behandlung) **SVR = Sustained virologic response (anhaltendes virologisches Ansprechen 6 Monate nach Therapieende) Tabelle 2 : Studien zur Kombinationstherapie mit Interferon-α und Ribavirin einer chronischen C-Hepatitis bei Patienten mit HCV/HIV-Koinfektion Es zeigt sich, dass bei HIV/HCV-koinfizierten Patienten mit einer HCV-Genotyp 2/3Infektion eine Verlängerung der Therapiedauer von 24 auf 48 Wochen zu einer erheblichen Verringerung der Relapse-Rate von 29% (12) auf 2% (18) und somit zu einer deutlichen Verbesserung des dauerhaften Ansprechens führt (62% gegenüber 52%). Ein solches Vorgehen wird auch durch neuere Untersuchungen zur HCViruskinetik bei HCV/HIV-koinfizierten Patienten unterstützt (15). Besondere Toxizitätsprobleme treten in Form von Hyperlactatämien, Lactatazidosen und Pankreatitiden vor allem bei Patienten auf, die im Rahmen ihrer antiretroviralen Therapie Didanosin (DDI) und/oder Stavudin (D4T) erhalten. Hier besteht ein Zusammenhang mit Interaktionen dieser auch als D-Nukleosidanaloga bezeichneten 6 Medikamente mit Ribavirin. Der gleichzeitige Einsatz von DDI und Ribavirin stellt inzwischen eine Kontraindikation dar. Zu achten ist ferner auf eine hepatische Dekompensation bei Patienten mit bereits entwickelter Leberzirrhose, die unter einer IFN-α/Ribavirin-Therapie bei HCV/HIV-Koinfektion gehäuft auftritt. Wie bei HCV-Monoinfizierten konnte in den genannten Studien nun auch bei der HCV-Therapie von HCV/HIV-Koinfizierten die Therapiewoche 12 als entscheidend für das weitere Therapieansprechen identifiziert werden. Danach ist eine Fortführung der Behandlung nicht sinnvoll, wenn die HCV-RNA im Plasma nach 12-wöchiger Behandlung nicht mindestens um 2 Log-Stufen abgesunken ist. Eine „normale“ Ribavirin-Dosierung von 800 - 1.200 mg/d auch in der Therapie bei HCV/HIV-Koinfizierten scheint die Raten des dauerhaften Therapie-Ansprechens zu verbessern, ohne zu einer erhöhten Abbruchrate zu führen (9). Wenngleich die bisherigen Ansprechraten der HCV-Therapie bei HCV/HIVKoinfektion noch deutlich unter denen bei HCV-Monoinfektion liegen, so stellen die aktuellen Studien doch insgesamt ermutigende Ergebnisse dar. Die Indikation zur antiviralen Behandlung einer C-Hepatitis bei Patienten mit HIVInfektion orientiert sich wie bei Nicht-HIV-Infizierten an der Transaminasen-Aktivität und am Fibrosegrad. Bei Vorliegen eines HCV-Genotyp 2/3 sollte insbesondere bei jüngeren Patienten die Indikation großzügig gestellt werden. Bei ART-naiven Patienten mit mehr als 350 CD4-Zellen/µl und einer HI-Viruslast < 50.000 Kopien/ml kann die HCV-Therapie unmittelbar, vor Beginn einer antiretroviralen Behandlung, eingeleitet werden. Bei Patienten mit niedrigerer CD4-Zellzahl ist zunächst die antiretrovirale Behandlung zu initiieren bzw. optimieren. Während der IFNα/Ribavirin-Therapie sind D-Nukleosidanaloga zu vermeiden. Zu beachten ist, dass es unter einer IFN-α/Ribavirin-Therapie zu einer deutlichen Reduktion der CD4Lymphozyten kommen kann, welche nach Absetzen der Therapie jedoch reversibel ist. Von besonderem Vorteil ist es, wenn die Behandlung in Zentren oder Schwerpunktambulanzen durchgeführt wird, die sowohl in der Therapie der CHepatitis als auch in der antiretroviralen Behandlung besonders erfahren sind. Leberwerte und leberfunktionsrelevante Laborparameter sind ebenso wie die HIVspezifischen Laborwerte engmaschig zu kontrollieren. Wenn möglich, sollte die antivirale Therapie einer Hepatitis C bei Patienten mit HCV/HIV-Koinfektion im Rahmen von klinischen Studien erfolgen. 7 Patienten mit Drogenabusus Intravenöser Drogengebrauch ist in der westlichen Welt eine dominierende Ursache für eine HCV-Übertragung. Bei Patienten mit Hepatitis C, deren Drogenkonsum Jahre zurückliegt, ergeben sich bei guter Therapiemotivation in der Regel keine Schwierigkeiten, eine Interferon-α/Ribavirin-Behandlung in der üblichen Art und Weise durchzuführen. Eine noch aktuelle Drogenproblematik bei Patienten mit chronischer C-Hepatitis erfordert hingegen bei der Indikationsstellung zur antiviralen Therapie die Beachtung und Abwägung vielfältiger Gesichtspunkte. So ist es von großer Relevanz, ob zum aktuellen Zeitpunkt noch Drogen konsumiert werden oder bereits von einer gewissen Drogendistanz auszugehen ist, ob der Abusus gelegentlich erfolgt oder das Suchtverhalten unkontrolliert täglich vorliegt, welche Drogen eingenommen und wie sie appliziert werden und auch, in welchem sozialen Umfeld sich der Patient bewegt. Andererseits müssen das Stadium der Lebererkrankung, der HCV-Genotyp sowie die mutmaßliche Therapiemotivation und Compliance des Patienten mit in die Überlegungen einfließen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Depressionen bei Drogenabhängigen häufiger sind und die notwendigerweise parenterale Applikation des Interferons einem Drogenrückfall ebenso Vorschub leisten kann wie die initialen Therapie- Nebenwirkungen, die einem Drogenentzugssyndrom sehr ähnlich sein können. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen und verschiedener Studien zur HCV-Therapie bei Drogenkonsumenten besteht sowohl international (17) als auch national (14) Konsens, dass Hepatitis-C-Patienten mit aktivem Drogenabusus ungeeignete Kandidaten für eine IFN-α/Ribavirin-Therapie sind, wenngleich die Behandlung dieser Patientengruppe auch nicht pauschal vorenthalten werden sollte. Bei diesen Patienten stellt in der Regel die Suchterkrankung das größere Gesundheitsrisiko dar. Daneben ist aufgrund einer eingeschränkten Therapieadhärenz von einer reduzierten Ansprechrate auszugehen, das Risiko für das Auftreten relevanter Nebenwirkungen ist bei Drogenabusus erhöht. Überdies besteht bei fortgesetztem HCV- Infektionsrisiko durch intravenösen Drogengebrauch das Risiko für eine HCVReinfektion, da eine Ausheilung einer Hepatitis C keine Immunität vermittelt. Bis auf wenige Ausnahmen - kontrollierter Drogengebrauch, hohe Therapiemotivation, dringliche Behandlungsindikation der C-Hepatitis – sollte daher 8 bei aktiven Drogen-Gebrauchern die Therapie zurückgestellt werden und zunächst eine Suchttherapie erfolgen. Eine Methadon- oder Buprenorphin-Substitution kann erwiesenermaßen die Häufigkeit des Drogengebrauchs und der Drogen-assoziierten Komplikationen vermindern (6). Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass eine MethadonSubstitution den Erfolg einer IFN-α/Ribavirin-Therapie, sei es über Interaktionen mit Interferon-α oder Ribavirin oder eine vermehrte Toxizität, direkt beeinflusst. Bei Patienten unter stabiler Substitution ist daher die Indikation zur Therapie der chronischen Hepatitis C individuell unter Berücksichtigung der o. g. Gesichtspunkte zu stellen. Es ist aus den genannten Gründen anzustreben, möglichst viele HCVinfizierte Patienten mit aktivem i. v.-Drogenabusus in Substitutionsprogramme einzuschließen, wenn sie dazu motiviert und geeignet sind. Dies wird nicht zuletzt auch Einfluss auf die Epidemiologie der C-Hepatitis haben. Vor Einleitung der Behandlung empfiehlt sich eine psychiatrisch-psychologische Beurteilung der Suchterkrankung (5). Während der IFN-α/Ribavirin-Therapie sollten Kontrolluntersuchungen besonders engmaschig erfolgen. Alkoholabusus verursacht neben den angesprochenen, generellen Problemen als Suchterkrankung zusätzlich eine erhebliche Lebertoxizität. Patienten mit unkontrolliertem Alkohol-Suchtverhalten kommen für eine antivirale Therapie einer chronischen C-Hepatitis in aller Regel nicht in Frage. Eine Abstinenz ist hier jedoch wegen der additiven Leberschädigung von besonderer Bedeutung, weshalb alle Anstrengungen unternommen werden sollten, diese Patienten entsprechenden Behandlungsprogrammen zuzuführen. Dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass in Anbetracht des oft bereits eingetretenen Leberschadens und HCC-Risikos eine erfolgreiche Therapie der C-Hepatitis hier besonders wichtig erscheint. Vor Beginn einer IFN-α/Ribavirin-Therapie ist eine ca. 6-monatige Abstinenz zu fordern. Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion Eine eingeschränkte Nierenfunktion ist kein seltener Befund bei Patienten mit chronischer Hepatitis C. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Viele der HCV-Infektionen wurden vor langer Zeit akquiriert, als bei medizinischen Eingriffen und Transfusionen noch ein erhebliches Infektionsrisiko bestand. 9 Entsprechend befinden sich zahlreiche Patienten in fortgeschrittenem Lebensalter mit, meist infolge typischer Komorbidität (Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie u. a.), eingeschränkter Nierenfunktion. Bei Hämodialyse-Patienten stellt die chronische Hepatitis C die häufigste Lebererkrankung dar und erhöht das Mortalitätsrisiko. Ein besonderes Problem ist die membranoproliferative Glomerulonephritis bei Vorliegen einer HCV-assoziierten Kryoglobulinämie. Darüber hinaus wird einer begleitenden HCV-Infektion bei Patienten nach Nierentransplantation eine prognostisch ungünstige Bedeutung sowohl im Hinblick auf das Transplantat- als auch das Patientenüberleben zugeschrieben. So wünschenswert aus den genannten Gründen eine antivirale Therapie einer CHepatitis bei Patienten mit Nierenerkrankungen ist, so schwierig ist andererseits ihre Indikationsstellung und Durchführung. Neben fehlenden großen Studien ist dies im Wesentlichen durch die eingeschränkte renale Clearance der eingesetzten Medikamente und die damit verbundene vermehrte Toxizität bedingt. Ribavirin ist bei Kreatininwerten > ca. 2,0 mg/dl oder einer Kreatininclearance < ca. 50 ml/min kontraindiziert. Da die Substanz nicht dialysabel ist, gilt diese Kontraindikation auch für Dialysepatienten. Wesentliche Komplikation im Falle einer Ribavirin-Akkumulation ist die dosisabhängige Hämolyse. Möglicherweise kann zukünftig die Sicherheit einer Ribavirin-Therapie bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion durch ein Therapeutisches Drug-Monitoring von Ribavirin verbessert werden, sodass eine solche Therapie unter engmaschiger Kontrolle der Serum-Konzentrationen und Dosisanpassung auch in diesem Patientenkollektiv möglich sein wird. Bislang fehlen dazu allerdings noch aussagekräftige Daten. In der eigenen Arbeitsgruppe wurde zwischenzeitlich eine geeignete Bestimmungsmethode für Ribavirin etabliert, um weitere Untersuchungen zur Ribavirin-Kinetik durchzuführen. Aufgrund der bestehenden Kontraindikationen ist bei niereninsuffizienten Patienten eine antivirale Behandlung einer C-Hepatitis lediglich mit einer Interferon-αMonotherapie durchzuführen. Aus den wenigen Studien, überwiegend mit geringen Patientenzahlen, wurde ein sehr unterschiedliches Therapieansprechen zwischen 14 und 71% berichtet bei deutlich erhöhter Rate schwerer Nebenwirkungen (26%). Peg-Interferon-α 2b wird zu ca. 30% unverändert renal eliminiert und ist bei einer Kreatinin-Clearance von < 50 ml/min kontraindiziert. Peg-Interferon-α 2a wird 10 dagegen überwiegend hepatisch eliminiert (renale Ausscheidung < 5%). Bei hochgradig eingeschränkter Nierenfunktion wird hier lediglich eine Dosisreduktion, z. B. auf 135 µg/Woche, empfohlen. Unabhängig vom Grad der Nierenfunktionseinschränkung sollten die Patienten intensiv überwacht werden. Besonders problematisch präterminaler ist eine Niereninsuffizienz, da Interferon-α-Therapie hier mit einer bei Patienten weiteren, mit kritischen Verschlechterung der Nierenfunktion gerechnet werden muss. Deshalb stellt diese Situation in der Regel eine Kontraindikation dar. Eine Ausnahme hiervon ist die Kryoglobulin-bedingte Glomerulonephritis. Hier sind unter einer Interferon-α-Therapie Besserungen, jedoch auch Verschlechterungen beschrieben. Bei Dialyse-Patienten ist eine Interferon-Behandlung unter Abwägung von Nutzen und Risiko möglich. Dosisempfehlungen liegen hier lediglich für Peg-Interferon-α 2a vor (Anfangsdosis 135 µg/Woche). Besonders in den dargestellten Problemsituationen ist die Indikation zur antiviralen Therapie einer chronischen C-Hepatitis mit großer Umsicht unter Abwägung von Nutzen und Risiko zu stellen. Von Bedeutung ist hier vor allem, welchen Einfluss die Begleiterkrankung im Vergleich zur Hepatitis C auf die Lebensqualität und die Lebenserwartung des Patienten hat und welche Implikationen in Bezug auf die Sicherheit einer Therapie mit pegyliertem Interferon-α und Ribavirin bestehen. Auch wenn die Datenlage zur Hepatitis C-Therapie bei Vorliegen von bislang überwiegend als relative Kontraindikationen geltenden Begleiterkrankungen noch relativ gering ist, so können dennoch heute für viele dieser Situationen Empfehlungen gegeben werden, die eine erfolgreiche Therapie möglich machen. Die Gewinnung einer Leberhistologie zur exakten Beurteilung von Grading und Staging der Hepatitis stellt gerade bei der angesprochenen Patientengruppe eine wichtige Entscheidungshilfe dar. Kontrolluntersuchungen während der antiviralen Behandlung sollten engmaschig erfolgen und Begleiterkrankungs-spezifische Parameter mit einbeziehen. Nach Möglichkeit sollte die Therapie einer Hepatitis C bei Vorliegen von Problemkonstellationen im Rahmen prospektiver Studien erfolgen. Eine geeignete Plattform hierfür stellt das Study-House des Kompetenznetzes Hepatitis dar. Unter 11 www.kompetenznetz-hepatitis.de sind Informationen zu aktuellen Studien und Behandlungszentren sowie auch allgemeine Diagnostik- und Therapieempfehlungen zu Virushepatitiden zu erhalten. Literatur: 1. Anderson KB, Guest JL, Rimland D. Hepatitis C virus coinfection increases mortality in HIV-infected patients in the highly active antiretroviral therapy era: data from the HIV Atlanta VA Cohort Study. Clin Infect Dis 2004; 39: 1507-13 2. Bica I, McGovern B, Dhar R et al. Increasing mortality due to instant liver disease in patients with HIV-infection. Clin Infect Dis 2001; 32: 492-497 3. Carrat F, Bani-Sadr F, Pol S et al. Pegylated interferon alfa-2b vs standard interferon alfa-2b, plus ribavirin, for chronic hepatitis C in HIV-infected patients: a randomized controlled trial. JAMA 2004; 292: 2839-48 4. Darby SC, Ewart DW, Giangrande PL et al. Mortality from liver cancer and liver disease in haemophilic men and boys in the UK given blood products contaminated with hepatitis C. 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