Ein unwirksames Elektrogerät und zweifelhafte Tinkturen
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Ein unwirksames Elektrogerät und zweifelhafte Tinkturen
Schweizerische Studiengruppe für Komplementäre und Alternative Methoden bei Krebs (SKAK) Ein unwirksames Elektrogerät und zweifelhafte Tinkturen Krebs«bekämpfung» nach Hulda Clark Seit Anfang der 90er Jahre sind Bücher und Schriften im Umlauf, die sich auf die «Krebstherapie» nach «Hulda Clark» berufen. Hulda Regehr Clark, eine US-Amerikanerin, die Ende der 1920er Jahre zur Welt gekommen ist, hat gemäss eigenen Angaben an verschiedenen US-Universitäten Abschlüsse in Kunst und Physiologie erworben. Sie publizierte mehrere Bücher über Pädagogik, was darauf schliessen lässt, dass sie in diesem Gebiet tätig war. Ab Ende der 70er Jahre wandte sie sich der Ernährungsberatung zu und liess sich in Naturheilkunde ausbilden. Vermutlich begann sie in dieser Zeit, ihre eigenen Ideen über die Entstehung von Krebs zu entwickeln. Nach einer Reihe von Rechtsstreitereien musste Clark die USA verlassen, weil sie ohne Lizenz medizinische Ratschläge erteilt hatte. Sie wanderte nach Mexiko aus, wo sie ihr Angebot über eine private Klinik in Tijuana angeboten haben soll. Verlässliche Angaben zu ihrer derzeitigen Tätigkeit gibt es nicht. Parasiten und Giftstoffe als Ursache für Krebs 1993 veröffentlichte Clark ihr Buch «Heilver fahren aller Krebsarten». Darin erläuterte sie, Grund für die Entstehung aller Krebsarten seien Mikroorganismen – insbesondere der grosse Darmegel – und Giftstoffe, die z.B. über Kosmetika und die Umwelt in den Körper gelangten. In einem wenig später veröffentlichten Buch führte sie auch AIDS, Alzheimer und weitere schwere Erkrankungen auf die gleichen Ursachen zurück. 1999 erweiterte sie im Buch «Heilung aller fortgeschrittenen Krebsarten» ihre Hypothesen. Insbesondere behauptete sie nun, auch der Hasenegel sei ein krankmachender Parasit, und sie ergänzte die Liste mit den Nahrungsergänzungsstoffen, die sie im «Kampf» gegen Krebs empfiehlt. Clark geht bei ihren Annahmen davon aus, dass die Egel nach einer Infektion (z.B. durch kleine Verwundungen oder die Nahrung) in die Blutbahn und von dort in andere Organe wie die Leber, Niere oder Gebärmutter gelangen. In der Leber produziere der erwachsene Parasit einen Wachstumsfaktor – das «Ortho-phospho-tyrosin» – der in Kombination mit Propylalkohol die Zellteilung anrege und dadurch Krebs hervorrufe. Die Substanz Ortho-phospho-tyrosin findet allerdings in keiner der namhaften medizinischen Datenbanken Erwähnung. Kur aus Stromstössen und Pflanzensäften Nur mit einer Kombination von zwei Methoden lassen sich Clark zufolge die Parasiten beseitigen. Zum einen durch Nahrungsergänzungsmittel (z.B. Pflanzenpräparate, Aminosäuren und später auch Vitamine etc.), zum anderen durch ein sogenanntes «Synchrometer». Das ist ein Gerät, das von einer 9 Volt-Batterie betrieben wird und schwache Stromstösse aussendet. Dank diesen könnten, so Clark, die Parasiten «weggezappt» bzw. abgetötet oder der Körper auf «Giftstoffe» hin untersucht werden. Unter den Nahrungsergänzungsmitteln beschreibt Clark auch ein «Parasitenbeseitigungsprogramm mit Kräutern». In ihrem ersten Buch umfasst dieses nur 3 Pflanzenpräparate (Tinktur aus den grünen Hüllen der schwarzen Walnuss, Absinthkraut und gemahlene Nelken) sowie die beiden Aminosäuren Ornithin und Arginin. Im 6 Jahre später veröffentlichten Buch erweitert Clark die Liste der Nahrungsergänzungsmittel um zahlreiche Substanzen Dosierungsempfehlungen und Risiken einiger Substanzen nach Clark (exemplarische Zusammenstellung; ausführlich in der Dokumentation «Heilverfahren» nach Hulda Clark) Absinthkraut: Tagesdosis nach Clark: 1–14 Kapseln à 200–300 mg. Dosierungsempfehlungen der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP): bis zu 3 x täglich 1–1,5 g als Tee in 150 ml Wasser. Clark überschreitet diese Dosis, allerdings wird das getrocknete Kraut in einer Kapsel eingenommen. Risiken: keine Einnahme bei Schwangerschaft. Laut der Natural Medicine Database sind Wechselwirkungen mit Medikamenten gegen zuviel Magensäure und Krampfanfälle denkbar. Frisch gemahlene Nelken: Tagesdosis nach Clark: zwischen 3 und 6 Kapseln à 500 mg. Dosis nach Physician Desk Reference: 1,9 g in gepulverter Form. Clark übersteigt diese Dosis bis zum 6fachen. Theoretisches Risiko erhöhter Blutungen bei gleichzeitiger Einnahme gerinnungshemmender Medikamente. Ornithin: Tagesdosis nach Clark: zwischen 2 und 6 Kapseln à 500 mg. Typische Tagesdosis nach der Natural Medicine Database: 500 mg. Clark übersteigt diese Dosis um das Doppelte bis 6fache. Risiken: Keine Daten bekannt. Folsäure: Tagesdosis nach Clark: 25 mg. Die empfohlene Tagesdosis für gesunde Erwachsene zwischen 21 und 50 Jahren beträgt 400 μg, d.h. 0,4 mg. Die höchste ohne Nebenwirkungen tolerierbare Dosis wird mit 1 mg angegeben. Clark übersteigt diesen Wert um das 25fache. Risiken: Bei einer Chemotherapie mit Arzneimitteln, die mit dem Folsäuremetabolismus in Wech- selwirkung stehen (Methotrexat), kann Folsäure die Wirksamkeit des Chemotherapeutikums herabsetzen. Vitamin A: Tagesdosis nach Clark: 100‘000 Einheiten (= ca. 30 mg). Die empfohlene Tagesdosis beträgt 0.8–1 mg. Die höchste ohne Nebenwirkungen tolerierbare Dosis wird mit 3 mg angegeben. Clark übersteigt diesen Wert um das 10fache. Risiken: Es können Nebenwirkungen auftreten wie Rötungen, Kopfschmerz, juckende Haut, Hautschuppung. Jod: Tagesdosis nach Clark ist nicht genau berechenbar, da sie teilweise nicht gängige Präparate nennt. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 150–200 μg. Risiken: Für Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen kann die Desinfektion mit Lugol’scher Lösung (Jod) lebensbedrohend sein. Impressum: Kurzfassung der Dokumentation «Heilverfahren» nach Hulda Clark der Studiengruppe für Komplementäre und Alternative Methoden bei Krebs (SKAK) Redaktion der Kurzfassung: Texterey, Bern und Erfurt Hinweis: Die vorliegende Kurzfassung wurde von der Schweizerischen Studiengruppe für Komplementäre und Alternative Methoden bei Krebs (SKAK) und der Krebsliga Schweiz mit aller Sorgfalt und Sachkenntnis erstellt. SKAK und Krebsliga Schweiz geben jedoch keine Versicherung, Garantie oder Zusage im Hinblick auf die Richtigkeit, Genauigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der darin enthaltenen Informationen. Dementsprechend haften sie nicht für Schäden, die daraus entstehen, dass jemand auf die darin enthaltenen Informationen vertraut. Die ausführliche Dokumentation «Heilverfahren» nach Hulda Clark kann bezogen werden als Druckversion bei: Krebsliga Schweiz SKAK Postfach 8219 CH-3001 Bern als elektronische Version (pdf-Datei) unter: (Vitamine, Enzyme, Chemikalien) und selbst hergestellte Mittel wie etwa einen «Nierenreiniger», der sich aus einem Sud von Eibischwurzeln, Goldrutentinktur, Ingwerpulver, Tropfen von Salzsäure und anderem mehr zusammensetzt. Clark empfiehlt ausserdem, den in vielen Shampoos und Kosmetika enthaltenen Propylalkohol und das Rauchen zu meiden. Auch seien das Haus von Chemikalien und die Haustiere von Parasiten zu befreien, und Asbest-, Formaldehyd- und Arsenquellen müssten entfernt werden. Freunde oder Verwandte – nicht jedoch die Kranken selber – sollten schliesslich die Wohnung mit Borax (einem mineralischen Reinigungsmittelzusatz) und Soda gründlich reinigen. Nahe gelegt wird den Kranken auch eine Zahnsanierung; namentlich vor Operationen sollten Zähne mit Füllungen (Kunststoff, Metall) wegen vermeintlicher Giftstoffe am besten gezogen werden. Wirkungsweise des Vorgehens nach Hulda Clark Wissenschaftliche Experimente zur Theorie von Hulda Clark und zu den von ihr vorgeschlagenen Methoden wurden keine durchgeführt. Die von Clark selber geschilderten Fallberichte gestatten keine wissenschaftlich-medizinische Beurteilung: die darin enthaltenen Angaben sind unsystematisch und variieren in Länge und Angaben zur klinischen Situation der Patienten. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass der Körper zwangsläufig Reaktionen zeigt, wenn ein Mensch die von Clark empfohlenen 5 bis 80 Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt; es fehlen indes jegliche Anzeichen für einen krebsspezifischen Effekt. Risiken des Verfahrens Clark selber gibt zwar an, ihre Empfehlungen seien unbedenklich. Dennoch erscheinen in ihrem Werk Hinweise auf gewisse Risiken: von der Desinfektion mit Lugol’scher Lösung sollen Kranke mit Jodallergie Abstand nehmen, da dies lebensbedrohlich sein könne. Folsäure könne die Wirkung bestimmter Chemotherapien herabsetzen. http://www.swisscancer.ch/skak Informationen zu weiteren Themengebieten wie Lebensstil, Sport, psychosoziale Betreuung etc. finden sie auf der Homepage der Krebsliga Schweiz: http://www.swisscancer.ch Schliesslich sollte bei Nebenwirkungen – wie etwa Hitzegefühl und Rötung durch hohe Dosierung des Vitamins Niacin – als Gegenmassnahme die Einnahme vorübergehend einfach unterbrochen werden. Abgesehen von Clarks eigenen Hinweisen auf gewisse Risiken bekräftigen die Angaben anerkannter wissenschaftlicher Organisationen den Schluss, dass die von Clark empfohlenen Tinkturen und Substanzen Nebenwirkungen nach sich ziehen können: Die Walnusstinktur soll nicht bei Magen-Darm-Beschwerden eingenommen werden. In hohen Dosen kann Absinthkraut Erbrechen, starken Durchfall oder Lähmungsgefühle hervorrufen. Das Einatmen von Nelkenpulver wiederum kann Krämpfe bei der Atmung oder Wassereinlagerung im Lungengewebe herbeiführen. Letztlich sind nur Schätzungen des Risikos möglich, da wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen der Mischung von bis zu 80 Substanzen fehlen. In der Spalte finden sich Angaben zu den von Clark verschriebenen Substanzen und es werden Vergleiche aufgeführt zwischen ihrer Dosierung und gängigen Empfehlungen. Fazit: eher gefährlich als nützlich Weder die hypothetischen Annahmen über die Ursachen der Krebsentstehung von Hulda Clark noch die von ihr vorgeschlagenen Behandlungsmethoden sind wissenschaftlich belegt. Die von Clark empfohlenen Vorgehensweisen wirken wie ein Sammelsurium verschiedener medizinischer AussenseiterMethoden – zum Beispiel der Enzymtherapie, der Ausschwemmung von sogenannten «Giftstoffen» aus dem Körper oder der Verabreichung von Vitamin-Megadosen. Vermutlich beziehen die Clark’schen Methoden ihre Attraktivität daraus, dass sie Menschen in existenzieller Verzweiflung scheinbar plausible Erklärungen für die Ursachen ihrer Krankheit anbieten und den Anschein erwecken, durch die Wahl geeigneter Teemischungen und Reinigungsprozeduren könne zur Heilung beigetragen werden.