Textile Mikrosysteme zur Energieumwandlung und –speicherung

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Textile Mikrosysteme zur Energieumwandlung und –speicherung
Textile Mikrosysteme zur Energieumwandlung und –speicherung
Dr., Uwe. Möhring, TITV Greiz, Greiz, Deutschland
Dr., Andreas. Neudeck, TITV Greiz, Greiz, Deutschland
Dr., Wolfgang. Scheibner, TITV Greiz, Greiz, Deutschland
Dipl.-Ing., Frank Thurner, TITV Greiz, Greiz, Deutschland
Dr., Yvonne Zimmermann, TITV Greiz, Greiz, Deutschland
Kurzfassung
Textilien sind nachgiebige, atmungsaktive und je nach Anwendungsfeld äußerst widerstandsfähige Mikrostrukturen, die textiltechnologisch preiswert in großen Mengen gefertigt werden können.
Mit neuen leitfähigen Garnmaterialien wie BEKINOX®, SHIELDEX® und ELITEX® lassen sich bereits einfache Komponenten für Mikrosysteme, wie flexible Platinen, Antennen, textile Datenbussysteme, Kondensatoren
und Spulen fertigen.
Durch das Applizieren von magnetisierbaren Mikropartikeln auf textilen Substraten wie Fäden und textilen Flächen können darüber hinaus textil-strukturierte magnetische Systeme hergestellt werden. Diese Systeme stellen
in Verbindung mit leitfähigen textilen Maschenstrukturen die Voraussetzung für textilbasierte elektromagnetische
Mikrogeneratoren dar. Durch die Möglichkeit die Mikrostruktur auf großen Flächen zu wiederholen, entstehen
Kaskaden dieser Mikrogeneratoren, die sich zu einem effektiven Generator ergänzen können. Analog lässt sich
der Thermoeffekt als Kaskade von textilen Mikrothermoelementen erzeugen. Derzeit kann man diese aus Leonischen Fäden fertigen.
Mit der im TITV Greiz entwickelten elektrochemischen Textilveredlung lassen sich nicht nur die hochleitfähigen
ELITEX®-Garne, sondern gezielt oberflächenmodifizierte Fäden herstellen, die als Anoden- und Kathodensysteme bei Energiewandlung in Batterien, Akkumulatoren und Solarzellen aber auch als textile Mikrothermoelemente zum Einsatz gelangen können.
Im vorliegenden Beitrag werden die oben beschriebenen Möglichkeiten zur Energieumwandlung und
-speicherung mit textilen Strukturen an den folgenden Beispielen
Gewebtes Funktionsmuster eines Thermogenerators
Textiler Generator
Solarelektrodengarn und Konzept für die Fertigung einer textilen Farbstoffsolarzelle
Textile Anoden- und Kathodenmaterialien für textile Batterien
veranschaulicht und bezüglich ihrer Effizienz und Leistungsfähigkeit charakterisiert. Applikationen solcher textilbasierter System werden zunächst in der autarken Energieversorgung von Sensoren und als Sensorbauelemente
gesehen.
1
Textile Energiewandlung
1.1
Gewebtes Funktionsmuster eines
Thermogenerator
Der gewebte Thermogenerator nutzt den thermoelektrischen Effekt zur Gewinnung elektrischer Energie.
Die zum Betrieb benötigten Temperaturdifferenzen
findet man je nach Einsatzgebiet z. B. in Form der
Differenz zwischen der menschlichen Körpertemperatur und der Umgebungstemperatur beim Einsatz in
körpernaher Bekleidung. Die Thermoelemente sind
aus leonischen Fäden gefertigt, die durch isolierende
Fäden voneinander getrennt und an den Gewebekan-
ten durch Lötstellen elektrisch verbunden sind. Diese
Kontaktstellen werden beim Weben bindungstechnisch vorbereitet, wobei die einzelnen Thermoelemente unter Nutzung des textilen Fertigungsprozesses in
sehr großer Zahl zu Kaskaden in Reihen- und/oder
Parallelschaltung zum Aufaddieren von Spannungen
bzw. Strömen angeordnet werden können. Bei dem in
Bild 1 dargestellten Thermogenerator in Form eines
ca. 10 cm breiten Bandes wurden leonische Kupferund Konstantanfäden mit Durchmessern von 0,16 mm
bzw. 0,19 mm eingewebt. Die Kontaktierung in den
Außenbereich erfolgte mit Druckknöpfen als textiltypische Verbindungstechnik. Die leitfähigen Fäden
werden durch Polyestergarne auf Distanz gehalten,
um Kurzschlüsse zu vermeiden. Bei einer Fadendichte
des Gewebes von ca. 60 Fäden/cm sind pro Meter
Gewebe etwa 1200 Thermoelemente herstellbar. Mit
einer solchen Kaskade (Reihenschaltung) aus Thermoelementen sind bei einer Temperaturdifferenz von
20 K (40°C / 20 °C) Spannungen von etwa 1 V
erreichbar. Der Kurzschlußstrom beträgt 9 µA.
Bild 2 Funktionsprinzip des textilen Generators (1Leiterschleife auf textilem Trägermaterial, 2Permanentmagnet mit streifenförmiger Polkonfiguration) und Beispiel von aus ELITEX®-Fäden gestickten 4 mm breiten Leiterschleifen
Bild 1 Gewebter Thermogenerator mit Thermoelementen aus leonischen Kupfer- und Konstantanfäden
sowie Kontaktierung mit Druckknöpfen
1.2
Textiler Generator
Bei den Funktionsmustern des textilen Generators
handelt es sich um faden- und flächenförmige textile
Gebilde, in denen elektrische Leiter so angeordnet
sind, dass über eine zeitliche Änderung des magnetischen Flusses durch elektro-magnetische Induktion
elektrische Energie erzeugt werden kann. Die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses erfolgt durch
Relativbewegungen zwischen dem mit elektrisch leitfähigen Fäden (ELITEX) ausgestatteten textilen Gebilde und einem oder mehreren Permanentmagneten.
Bei der Relativbewegung zwischen Textil und Magnet
entsteht
eine
geschwindigkeitsproportionale
Induktionsspannung, die beispielsweise genutzt
werden kann, um elektronische Baugruppen in
Bekleidungstextilien mit Strom zu versorgen oder
Bewegungen zu detektieren.
Hierzu sind die Leiterschleifen entweder in einer textilen Fläche in Dimensionen angeordnet, welche mit
der Polkonfiguration, vorzugsweise der Polbreite, eines flächenförmigen Permanetmagneten übereinstimmen, oder es handelt sich bei den Leiterschleifen
um nebeneinander liegende Maschen, durch die ein
abschnittsweise magnetisierter Faden bewegt werden
kann. Dadurch, dass die Dimensionen von Leiterschleifen und Permanentmagneten aufeinander abgestimmt sind, wobei die Breite der Leiterschleife beispielsweise der Polbreite entspricht, wird erreicht,
dass sich die Induktionsspannungen aller Leiterschleifen addieren. Als flächenförmige Permanentmagneten
sind herkömmliche magnetische Folien oder textile
Flächengebilde mit entsprechenden Polkonfigurationen einsetzbar. Bild 2 zeigt das Funktionsprinzip sowie ein Ausführungsbeispiel.
1.3
Solarelektrodengarn und Konzept
für die Fertigung einer textilen
Farbstoffsolarzelle
Im TITV Greiz sind im Rahmen von Forschungsvorhaben neue galvanisch modifizierte hochleitfähige
Garne (ELITEX®) [1] entwickelt worden. Die Garne
basieren auf stromlos vorversilberten Shieldex®Materialien aus Polyamid. Mit der Entwicklung von
elektrochemisch abscheidbaren porösen Einkristallschichten aus Zinkoxid [2], die bereits erfolgreich an
Stelle von gesinterten Titandioxidschichten in den von
Grätzel et. al. [3] entwickelten Farbstoffsolarzellen
eingesetzt werden[4], ist der Weg frei auch weniger
temperaturstabile und damit auch flexible Substrate
wie Textilien als Trägermaterialien einzusetzen. Die
neuen Zinkoxidschichten stellen Effektive Solarelektroden auf leitfähigen Materialien dar, die ohne die
sonst übliche thermische Behandlung bei Temperaturen von über 400°C.hergestellt werden können.
In ersten Untersuchungen konnte bereits gezeigt werden, dass sich derartige Schichten auch auf ELITEX®-Garnen abscheiden lassen. In einem ersten
Versuchsmuster konnte die Funktionsweise der photoaktiven Schicht in einer textilen Struktur bereits nachgewiesen werden[5].
Bild 3 Funktionsmuster einer textilbasierten Photozelle nach dem Prinzip einer Farbstoffsolarzelle [5]
Die Applikation zeigt, dass aufbauend auf den galvanisch modifizierten Garnen durch elektrochemische
Oberflächenmodifizierung photoaktive, sensorische
und interaktive Garne erzeugt werden können, die
sich selbst für die Energieumwandlung und -speicherung eignen.
2
Textile Energiespeicherung
2.1
Grundprinzipien zur Energiespeicherung
Für die Speicherung von elektrischer Energie kommen Akkumulatoren, Batterien und Bennstoffzellen
zum Einsatz. In allen drei Varianten werden die sich
einstellenden unterschiedlichen Potentiale von Elektroden ausgenutzt. Dabei versteht man unter einer Elektrode immer den Phasenübergang von zwei Phasen
mit unterschiedlichen den Strom leitenden Mechanismen. Im einfachsten Fall ist dies die Phasengrenze
Metall|Elektrolyt, also der Übergang von einer metallisch leitfähigen Phase zu einer mit Ionenleitung.. Je
nach der an der Elektrode ablaufenden Reaktion (Metall|Metallionen, gelöstes Gas/korrespondierendes Anbzw. Kation wie H2|H+, O2|OH-) stellt sich dabei zwischen der metallisch leitfähigen Phase und dem Elektrolyten ein Elektrodengewicht ein. Für Akkumulatoren, Batterien und Brennstoffzellen werden nun Elektroden, deren Potentiale möglichst weit auseinander
liegen, kombiniert. Im Fall von Akkumulatoren müssen die an Anode und Kathode ablaufenden Prozesse
reversibel sein und im Fall von Brennstoffzellen wird
ein Brennstoff (Wasserstoff, Methanol, Zink, Aluminium usw.) an der Anode oxidiert und Sauerstoff an
der Kathode reduziert. Um möglichst hohe Speicherkapazitäten zu erzielen, werden die Elektroden zu
Stapeln (Stacks) zusammengefasst. Poröse und großflächige Elektroden in möglichst geringem Abstand
zueinander erlauben hohe Stromstärken und folglich
kurze Ladezeiten.
lektroden zu verleihen. Ein erster Schritt in diese
Richtung wird mit den ELITEX®-Garnen [1] bereits
unternommen.
2.2
Textile Anoden- und Kathodenmaterialien für textile Batterien
Im Abschnitt 1.3 ist bereits beschrieben worden, dass
sich durch elektrochemische Oberflächenmodifizierung photoaktive Garne herstellen lassen, die als Solarelektrode für Farbstoffsolarzellen eingesetzt werden können. Betrachtet man die Anforderungen, die
zur Speicherung von Energie in Batterien und Akkumulatoren an die Anoden und Kathodenmaterialien
gestellt werden, so bieten die hochleitfähigen ELITEX®-Garne wegen ihrer hohen Leitfähigkeit, elektrochemischen Oberflächenmodifizierbarkeit und ihrer
textilen Verarbeitbarkeit gute Voraussetzungen. Im
Rahmen der Technologieentwicklung zur Herstellung
der hochleitfähigen ELITEX®-Garne sind bereits die
Grundlagen für eine großtechnische Herstellung gelegt worden. Da sich die Prinzipien der galvanischen
und elektrochemischen Oberflächenmodifizierung
nicht grundlegend unterscheiden, werden derzeit im
TITV Greiz die Eigenschaften mit oxidischen Schichten und leitfähigen Polymeren modifizierter Garne
[1], [5] und [7] untersucht. In [6] und [7] haben wir
gezeigt, dass sich auf diese Weise webtechnisch verarbeitbare Garne mit haftfesten, interaktiven Oberflächen aus leitfähigen Polymeren, Oxiden und einer
Vielzahl von Metallen herstellen lassen (vgl. Bild 5).
Bild 5 Gewebestruktur, die aus ELITEX®-Garnen
(Oberseite) und mit leitfähigen Polymeren modifizierten ELITEX®-Garne (Unterseite) hergestellt worden
ist (vgl. [6] und [7]).
3
Bild 4 Pilotanlage zur Herstellung von ELITEX®Garnen [1]
Zum Aufbau solcher Strukturen eignen sich textile
Strukturen insbesondere dann, wenn es gelingt Garnen oder textilen Flächen die Eigenschaften von E-
Literatur
[1] A. Neudeck, Y. Zimmermann, H. Hellwich,
A. Hacke und U. Möhring, “Technologie zur
galvanischen und elektrochemischen Modifizierung von vorstrukturierten partiell leitfä-
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
higen textilen Flächen”, Unitex, 2 (2006) 1214.
T. Yoshida, T. Oekermann, K. Okabe, D.
Schlettwein, K. Funabiki, H.
Minoura,
"Cathodic Electrodeposition of ZnO/EosinY
Hybrid Thin Films from Dye Added Zinc
Nitrate Bath and Their Photoelectrochemical
Characterization", Electrochemistry, 70
(2002) 470.
B. O'Regan, M. Grätzel, Nature, 353 (1991)
737-739.
H. Minoura, and T. Yoshida, „Fabrication of
flexible and colorful solar cells, rainbow
cells“, OYO BUTURI, Vol.73, No.12, (2004)
p.1549-1553
S. Gimpel, H. Müller, U. Möhring, A. Neudeck, and W. Scheibner, “GalvanoTextiles as
Basic Structures for Flexible Electronic Substrates and Electroluminescent Devices”,
Proceedings of the ELACH 2003 (Elektrochemische Analysenmethoden in der Chemie), Wien 2003.
A. Neudeck und W. Scheibner, „Untersuchungen von galvanisch und elektrochemisch
modifizierten textilen Elektrodenstrukturen
als interaktive Wirkstoffspeicher- und –
spendersysteme für Transdermale Therapeutische Systeme (TTS)“, Schlussbericht zum
Vorhaben
der
Grundlagenforschung
TMWTA2004WF0115, Greiz 2006.
A. Neudeck, Y. Zimmermann, J. Oettel, F.
Thurner, S. Ruppert, D. Dame, A. Hacke, S.
Scheler und U. Möhring, “Interative textile
Oberflächen”, Proceedings of the ThGOT
2006 (Thüringer Grenz- und Oberflächentag), Oberhof 2006.