Liebes Treptow Kolleg, als ich dich vor 3 1/2 Jahren zum ersten Mal

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Liebes Treptow Kolleg, als ich dich vor 3 1/2 Jahren zum ersten Mal
Liebes Treptow Kolleg,
als ich dich vor 3 1/2 Jahren zum ersten Mal sah, war das Liebe auf den ersten Blick. Du warst
nicht ohne Konkurrenz, nein, das nicht. Neben dir gab es noch andere, die um meine Gunst buhlten. Ich schaute mir alle an, prüfte sie, versuchte herauszufinden, ob sie zu mir passten und ob
ich die Richtige für sie wäre. Aber keine gefiel mir so gut wie du. Ich kann gar nicht sagen warum,
es war einfach so ein Gefühl, das ich hatte, als ich zum ersten Mal über den Schulhof lief. Deine
schöne Backsteinfassade, das hundert Jahre alte Schulgebäude, ich habe mich gleich wohl gefühlt. Mit dir wollte ich meine nächsten Jahre verbringen. Ich spürte sofort, dass wir auf einer Wellenlänge waren.
Anfangs war alles noch spannend. Die ersten Wochen konnte ich es kaum abwarten, wieder zu dir
zu kommen. Ich wachte rechtzeitig auf, stand pünktlich an der Bahnhaltestelle und freute mich,
wenn ich dich sah, als ich in deine Straße einbog. In den kleinen Pausen plauderte ich mit den anderen Kollegiaten oder lungerte auf dem Flur herum. Und in den großen Pausen war ich damit beschäftigt, das ganze Sortiment der wechselnden Cafeterien auszuprobieren.
Nach unserer glücklichen Kennenlernphase wurde aus dem Neuen schließlich Alltag, und die ersten Probleme tauchten auf. Die Hausaufgaben häuften sich, einige Lehrer zeigten ihr wahres Gesicht, und mir wurde klar, dass das mit uns etwas Ernstes ist, dass ich an unserer Beziehung
arbeiten muss.
Schon bald hatten wir unsere erste schwere Krise. In meiner Freizeit wollte ich mich nicht für dich
aufopfern. Doch auch diese Phase ging vorbei, wir kehrten zurück zu unserem Alltag, denn ich
wusste, wie wichtig du für meine Zukunft bist. Zusammen haben wir es geschafft, wir haben unser
Ziel erreicht, ich habe die Abiturprüfungen bestanden. Als ich die Ergebnisse in den Händen hielt,
wurde mir klar, dass es nun an der Zeit war, mich von dir zu trennen. Ich wusste schon lange, dass
dieser Tag kommen würde. Und auch du wusstest es. Aber wir haben diesen Gedanken wohl beide immer verdrängt. Wir wollten die letzten gemeinsamen Monate einfach genießen. Ich habe
mich an dich gewöhnt und du dich an mich. Ich werde dich vermissen.
Ich werde den traumhaften Schulgarten vermissen, der aus einem Freiblock im Sommer einen
Kurzurlaub machte. Ich werde die Aula vermissen, in der immer tolle Theaterstücke präsentiert
wurden. Ich werde all die Leute vermissen, die zu dir gehören, unseren Hausmeister oder unsere
Sekretärin, deine guten Seelen. Ich werde die lange Bahnfahrt vermissen, die mir oft zugute kam,
wenn ich meine Hausaufgaben noch nicht erledigt hatte. Ich werde sogar die 84 Stufen vermissen,
die ich jeden Morgen hochlaufen oder hochrennen musste.
Ich habe deinetwegen geweint, nachdem ich einen Vortrag vermasselt habe.
Ich habe deinetwegen geflucht, weil ich mit meinem Stundenplan nicht zufrieden war. Ich habe deinetwegen vor Freude getanzt, als ich mein Abiturergebnis bekam.
Die schönen, aber auch die traurigen Erinnerungen werden mich noch lange begleiten. Der Abschied fällt mir schwer, denn du warst schließlich 3 1/2 Jahre mein Wegbegleiter. Aber ich weiß,
dass es nicht mehr stimmt zwischen uns. Wir haben uns auseinanderentwickelt, uns besonders in
den letzten Wochen mehr und mehr verloren. Ich habe mich weiterentwickelt, und du bist irgendwo
stehen geblieben.
Es ist aus zwischen uns! Ich habe jemand Neues kennengelernt. Viel ist noch nicht passiert, aber
ich kann nicht mehr aufhören, an ihn zu denken. Es ist ein Studiengang namens Erziehungswissenschaften, es gibt ihn an der Uni Potsdam. Ich glaube, dass er einfach besser zu mir und meinen Interessen passt.
Wie soll ich mit dir zusammenbleiben, wenn mein Herz schon einem anderen gehört?
Was du für mich getan hast, werde ich dir nie vergessen.
Du hast mich auch ein Stück weit zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin. Danke dafür.
Ich hoffe, dass wir Freunde bleiben. Es war schön mit dir.
Deine Antje Eschwe