Liebe Leserinnen und Leser

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Liebe Leserinnen und Leser
2
EDITORIAL
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Liebe Leserinnen und Leser,
was ist eigentlich mit dem
Wetter los? Ende Oktober
Hitze wie in Damaskus und
keine vier Wochen später versinkt das Münsterland im
Schnee und alles bricht
zusammen: der Verkehr, die
Zugverbindungen und vor
allen Dingen die Strommasten. Baut RWE die bei uns
eigentlich weniger stabil als in
Bayern? Dort unten ist der
Winter in der Regel dreimal so
hart, aber haben Sie schon mal
gehört, dass da ganze Landstriche tagelang ohne Heizung
und Strom gewesen wären?
Zum Glück sind alle unsere
Leute wohlauf. Auch die Kol-
legin von „Hier und Heute”,
die mit einer unserer Verkäuferinnen eine Woche lang auf
der Straße gelebt hat und
plötzlich die volle Härte der
Obdachlosigkeit mitbekam.
Respekt: Sie hat durchgehalten bis zum Schluss, auch als
das Zelt der beiden fast unter
den Schneemassen zusammengebrochen wäre.
Andere hatten weniger Glück.
In Dortmund ist ein Mann
unter einer Fußgängerbrücke
erfroren und bei Minden fand
ein Jäger im Wald die Leiche
eines Obdachlosen, der offenbar von der Kälte überrascht
wurde. Auch in Brüssel sind
zwei „Berber” erfroren, der
eine in einer überdachten
Bushaltestelle, der andere im
Eingang einer Kirche. Wir
befürchten, es werden nicht
die letzten Opfer in diesem
Winter sein. Deshalb ein
Appell an alle, die Platte
machen: Geht in die Unterkunft, wenn es draußen rattenkalt ist!
Bis nächstes Jahr, Ihr
Gerrit Hoekman
3
I N H A LT
Impressum
Herausgeber:
,,draußen!“ e.V.
Anschrift:
Overbergstr. 2
48145 Münster
Redaktion:
Tel.: 02 51 / 53 89 - 128
Fax: 0251 / 5389 - 129
Streetwork:
Sabrina Kipp
[email protected]
3:1 gegen Oranje!
Draußen Münster besiegt den Erzrivalen
Alles Nichtschwimmer
Schöne Tage im Lazarett
Gegen den Strom
Internet:
www.muenster.org/draussen
Rosa Münsterland for ever
Lindenstraße bricht Tabus
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12
Die Kultserie wird zwanzig Jahre alt
Großes Stühlerücken
Heinz Dalmühle (hd), Michael Heß
(mh), Sabrina Kipp (sk), Kerstin
Winkelnkemper (kw)
Immer mehr Straßencafés versperren in der City den Weg
Illustration: Sigi Nasner
Irma und Erwin
Layout:
Heinz Dalmühle
Weihnachtsgeschichte von Sigi Nasner
Auflage:
8000
Heinz Dalmühle
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Das schwule KCM feiert Jubiläum
Fotos:
Titel:
8
Münster im Kriegsjahr 1941
Unrast-Verlag macht linke Bücher
Barbara Blasum, Heidi Brülls, Heinz
Dalmühle, Paul Demel, Horst Gärtner,
Michael Heß, Gerrit Hoekman
(V.i.S.d.P.), Sabrina Kipp, Malte
Koppe, Sigi Nasner, Klaus Panreck,
Jörg Rostek, Kerstin Winkelnkemper
6
CDU und FDP wollen Frei- und Hallenbäder schließen
E-Mail-Adresse:
[email protected]
An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet::
5
Lesen hinter Gittern
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16
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JVA eröffnet neue Bücherei
Druck:
Borgsmüller Druck
Steine vom Herzen
unterstützt durch:
City-Advent schafft Besinnlichkeit
Siverdes-Stiftung
Bankverbindung:
Sparkasse Münster
Konto-Nr. 33 878
BLZ 400 501 50
Wir danken allen Spendern!
Gerd Meyerratken ist tot
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„draußen!“ sagt dem Besetzer der Frauenstraße 24 adieu
Truthahn, Punsch und Bratäpfel
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Leckeres zu Weihnachten
draußen! 2006
Fußballberber in Polen
Jungs, wir sind stolz auf euch! Siebter Platz und die Niederländer geschlagen. Wir danken den Leuten, die unserem
Team mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben: Bäckerei Krimphove, Karstadt Sport, SC Preußen Münster, Berthold Tillmann, Richard Halberstadt, Westfälische Nachrichten, Ratio, Westfalen AG, Traluna, Butt’s, Stadtteilauto, WKP u.a.
draußen! 2006
STRONGMENI
Draußen Münster 05:
3:1 gegen Oranje!
Sie sind wieder da, die obdachlosen Fußballer von Draußen Münster 05 und sie haben
sogar einen großen Pokal mitgebracht. Nun
ja, Europameister sind sie als deutscher Vertreter im polnischen Gdansk nicht geworden,
Donnerstag. Sechs Wochen
haben wir uns vorbereitet.
Trainiert. Sponsoren gefunden. Sportschuhe, Trikots,
und Stutzen besorgt. Wir wollen ja gut aussehen als deutscher Vertreter bei der ersten
inoffiziellen Europameisterschaft. Jemal, der Wirbelwind
aus Bosnien, darf leider nicht
mit, er bekommt kein Visum
für Polen. Der erste Nackenschlag, aber nun geht es endlich los. Richard Halberstadt
von der CDU spendet unseren
Jungs Fresspakete für die
lange Zugreise nach Gdansk,
dem ehemaligen Danzig. Gut
zwölf Stunden werden wir
unterwegs sein. Um elf Uhr
abends trifft sich das Team
und muss die erste Hiobsbotschaft verdauen: Spielertrainer Bodo liegt mit Fieber im
Bett. Ein herber Verlust, der
ehemalige Profi vom FC
Nantes ist der Star der Mannschaft. Auch ein paar Fans
sind gekommen. Sie geben
den Jungs taktische Tipps mit
auf den Weg, wie die Meisterschaft zu holen ist. Abschiedstränen fließen. Mit der Bahn
geht es nach Hamm. Mitten in
der Nacht haben wir eine
Stunde Aufenthalt. Es ist kalt,
die Spieler sind müde. Die
Stimmung sinkt. Jetzt heißt
es: Zähne zusammenbeißen!
Freitag. Über Berlin kommen
wir gegen elf Uhr morgens an
die polnische Grenze. Wir
haben das Gefühl, es wird
schlagartig kälter. Zwischendurch schneit es sogar heftig.
Der Zug ist rappelvoll und
aber damit hat auch niemand gerechnet. Viel
wichtiger: Sie haben die Niederländer geschlagen, sehr zum Leidwesen des Chefredakteurs. Teammanagerin Sabrina Kipp hat
Reisetagebuch geführt.
wir kriegen keine Abteile für
uns alleine. Die polnischen
Schaffner kommen jede Stunde vorbei und wollen die
Fahrscheine sehen. Auch die
Feldjäger schauen schwer
bewaffnet bei uns rein. Nach
15 endlosen Stunden erreichen wir erschöpft Gdansk.
Am Bahnhof werden wir mit
dem Bus abgeholt. Alle warten schon auf uns, in einer
Stunde soll die Eröffnungsfeier beginnen und vor uns liegen noch 50 Kilometer Fahrt
nach Tczew. In der Sporthalle
muss alles ruckzuck gehen,
wir sind spät dran. Rein in die
Trikots und unter Blitzlichtgewitter und dem Jubel von
800 Zuschauern aufs Feld
laufen. Kinder in polnischen
Trachten begleiten die Mannschaften, die Landesfahnen
vorneweg.
Dann die Auslosung. Beim
Anblick unserer Gegner kriegen wir einen Schreck. Hier
spielen offenbar zwei Welten
gegeneinander.
Russland,
Tschechien und die beiden
polnischen Teams sind super
durchtrainiert und spielen
schon lange zusammen. Diszipliniert und bestens ausgerüstet treten sie an. Die
Norweger haben einige Talente in ihren Reihen, aber Dänemark, die Niederlande und
Deutschland, also wir, sind
echte Straßenteams. Schade,
die Holländer sind in die
andere Gruppe gelost worden.
Zum Start der Meisterschaft
spielen
polnische
Stars
gegeneinander. Ein Spekta-
kel. Boxweltmeister Dariusz
Michalczewski, der Tiger,
macht auch mit.
Auf dem Weg zum Bus, der
uns zum Quartier in eine
Schule bringt, müssen die
Spieler den polnischen Fans
die ersten Autogramme
geben. „Niemcy! Germany!“
rufen sie als wir einsteigen.
Alle sind überwältigt, überrascht, müde, hungrig. In der
Schule sind wir bestens behütet: Wir schlafen im Religionsraum unter Portraits vom
alten polnischen und vom
neuen deutschen Papst. Nach
dem Abendbrot fallen alle um
halb neun in die Feldbetten.
Samstag. Direkt nach dem
Frühstück haben wir um neun
Uhr unser Auftaktspiel gegen
Dänemark. Wir versieben
eine gute Möglichkeit nach
der anderen und verlieren am
Ende unglücklich mit 1:3. Als
nächstes warten die Cracks
aus Polen und spielen uns
beim 0:19 Knoten in die
Beine. Zum Abschluss der
Vorrunde gibt es noch ein 1:9
gegen Norwegen. Markus
erzielt den Ehrentreffer.
Große Enttäuschung bei unseren Spielern. Aber die Fans
stehen hinter uns. Auf alles
mögliche müssen wir Autogramme schreiben. Torwart
Alfred ist der Star, mit Glanzparaden hat er Schlimmeres
verhindert. Radio, Fernsehen
und Zeitung - er ist der Liebling der polnischen Medien
und gibt ein Interview nach
dem anderen.
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Nach der Vorrunde besuchen
wir Gdansk. Eine wunderschöne Stadt. Zurück in
unserem Quartier hören wir,
dass es den Niederländern
ähnlich ergangen ist wie uns.
Sie sind Tabellenletzter, das
heißt morgen geht es gegen
Oranje um Platz sieben! Das
packen wir, sind alle sicher.
Trotzdem feiern wir ein bisschen mit den Norwegern,
Dänen und Polen. TeamKrankenschwester Nicole
versorgt die leichten Blessuren der Spieler. Um Mitternacht ist Ruhe, wir müssen
morgen fit sein.
Sonntag. Wir spielen als
erste. Die Stimmung auf der
Tribüne könnte bei einem
Finale nicht besser sein. Die
polnischen Zuschauer stehen auf, als das „Deutschlandlied“ und das „Wilhelmus“, die niederländische
Hymne, erklingen. Unser
Spieler legen ergriffen die
Hand aufs Herz. Dann der
Anpf iff! Schoko flankt,
Markus köpft. Tor! Kurz vor
der Pause erhöht Heiko auf
2:0. In der zweiten Halbzeit
machen die Holländer mächtig Druck und erzielen den
Anschlusstreffer. Nun ist in
der deutschen Hälfte die
Hölle los, die Oranjes wollen den Ausgleich. Ein eiskalter Konter beendet die
Hoffnungen der Niederländer - Goalgetter Heiko
knipst zum 3:1. Der Erzrivale ist besiegt, unsere Spieler
liegen sich in den Armen.
Die Holländer gratulieren
und die Teams tauschen die
Trikots. Im Finale schlägt
Russland Polen und wird
inoffizieller Europameister.
Bei der Abschlussfeier
bekommen alle Pokale und
Geschenke. Anschließend ist
das gewaltige Büffet geöffnet. Im Zug auf der Heimreise sind sich alle einig: Das
war eine große, große Show,
die niemand jemals vergessen wird.
draußen! 2006
6
SEEPFERDCHEN
Bäder-Gutachten:
Alternativen herausgearbeitet!“, findet Carola Möllemann-Appelhoff, Chefin der
FDP-Fraktion.
Alles Nichtschwimmer
Amelsbüren, zweimal Handorf und das Südbad, dazu noch Nienberge und vielleicht
auch Stapelskotten - bei der Ratsmehrheit
aus CDU und FDP geht es im Moment zu
wie auf Tillmanns Resterampe. Alles muss
raus und zwar so schnell wie möglich. Selten
Sie stehen beim Bäcker, vor
dem Supermarkt und im Südbad mit dem Kugelschreiber
in der Hand. Sie legen ihre
Listen im Treffpunkt der
Weißenburgsiedlung aus und
heften sie mit Reißzwecken an
die Pinnwände in den Kitas.
Innerhalb von vierzehn Tagen
haben die Mitglieder der Bürgerinitiative „Rettet das Südbad“ auf der Geist fast 4.000
Unterschriften gesammelt und
dem Oberbürgermeister persönlich ins Rathaus gebracht.
Ziel: Das Bad muss erhalten
bleiben! Genutzt hat es wenig,
die Ratsmehrheit will mit aller
Gewalt ihren Antrag am 7.
Dezember
verabschieden.
Bürgerwille hin, Bürgerwille
her.
Vor etwas mehr als einem Jahr
verpassten die Münsteraner
der CDU bei der Kommunalwahl eine schallende Backpfeife. Die Christdemokraten
verloren die absolute Mehrheit und Berthold Tillmann
musste in die Stichwahl. Die
Bürger wollten keine Tiefgarage unter dem Ludgeriplatz.
Tillmann sagte erschrocken
„Ich habe verstanden“, kippte
über Nacht das Projekt und
blieb OB. Nun wollen CDU
und FDP ein Drittel der Bäder
schließen und wieder regt sich
überall der Widerstand. Doch
die Politik schaltet auf stur. Ist
der Beschluss erst mal durch,
wird der Protest schon aufhören, so offenbar das Kalkül.
Die nächste Wahl ist noch
lange hin, anders als bei der
draußen! 2006
-kw
Allerdings fast ausschließlich
unter finanziellen Gesichtspunkten, was das aber für die
Bürger ganz konkret bedeutet,
spielt kaum eine Rolle. Alleine wichtig ist das riesige, klaffende Loch im Stadthaushalt.
Das Gutachten, das im Internet unter www.muenster.org
und dem Link „Stadtgespräch“ nachzulesen ist, ist für
Laien schwer zu verstehen. Da
rüber täuschen auch die bunten Grafiken und niedlichen
Smileys nicht hinweg. Es
wimmelt von Fachbegriffen,
Zahlen und Abkürzungen.
Absicht? Ein Gutachten, das
über die Belange Tausender
Bürger entscheidet, aber von
denen nicht verstanden wird,
ist das Geld nicht wert. Am
Alltag der Menschen geht es
jedenfalls vorbei. Sie fühlen
sich von der Stadt übergangen. „Wissen Sie eigentlich,
dass allein durch die
Schließung des Südbads über
1.000 Schüler und Schülerinnen aus 15 Schulen von der
Streichung des Schwimmunterrichts bedroht sind?“, fragte Katrin Liebert den Oberbürgermeister, als sie ihm die
4.000 Unterschriften überreichte.
beteiligt werden. Wir brauchen einfach nur etwas Zeit,
um funktionierende Alternativen aufzeigen zu können“,
sagt Katrin Liebert, Sprecherin der Bürgerinitiative
„Erhaltet das Südbad.“ Auch
Heinz-Dieter Sellenrieck, der
Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rat, betonte noch
Anfang November: „Wir wollen die Reaktionen auf den
Bürgerversammlungen abwarten.“ Die waren eindeutig
für den Erhalt der Bäder,
doch die Koalition hält am
Termin 7. Dezember fest.
„Das Gutachten hat sehr gute
Natürlich weiß er das, aber der
ehemalige Stadtkämmerer,
auf dessen Schreibtisch im
Rathaus ein Dagobert Duck
steht, denkt an die Haushaltskasse. Die Frei- und Hallenbäder machen kräftig Miese.
Aber nicht nur die laufenden
Kosten sind groß, die meisten
Bäder müssten dringend renoviert werden. Betritt man das
Südbad, schlägt einem der
Geruch der Siebziger entgegen. Es riecht nach Chlor und
Fußpilz. Modrige Holzbänke,
rostige Kleiderhaken, hässlich
geflieste Duschräume. Aber
die Bewohner der Geist und
ist eine Vorlage in solchem Affenzahn durch
die Gremien gejagt worden. Aber in den
betroffenen Stadtteilen rumort es. Ein Bericht von Gerrit Hoekman und Kerstin Winkelnkemper. Beide wären übrigens von der
Schließung betroffen.
Tiefgarage unterm Ludgeriplatz.
Grund für den Ärger ist das
Gutachten der Hamburger
Wenzel-Consulting, für das
die Stadt 100.000 Euro
bezahlt hat. Inhalt: Die vom
Aus bedrohten Bäder sind im
muss so bleiben wie es ist.
Deshalb fordern Opposition,
Bürgerinitiativen, Schwimmvereine, Schulen und der
DLRG, über den Antrag später abzustimmen. „Wir wollen an den Gesprächen rund
um die Bäderschließungen
Südbad: Demnächst vielleicht auf dem Trockenen
Unterhalt zu teuer und müssten außerdem dringend renoviert werden. Dafür fehlt in
der gähnend leeren Stadtkasse
das Geld. Also schließen. Das
war im Oktober. Nun ist es
Dezember und in allen betroffenen Stadtteilen gehen die
Bürger auf die Barrikaden,
gründen Initiativen, machen
mobil. Was sie besonders
empört, ist die Hatz, mit der
CDU und FDP den Antrag
durch den Stadtrat prügeln.
Obwohl die Bürger Gespräche
angeboten haben, obwohl sie
Alternativen
vorschlagen,
obwohl sie nicht sagen: Alles
7
SEEPFERDCHEN
im Südviertel lieben „ihr“
Südbad und von liebgewonnenen Freunden trennt man sich
nicht so einfach. Besser so
eins als gar keins, denken
viele.
Besonders wer Kinder hat,
fragt sich: Wie viel Schwimmstunden werden in der Schule
demnächst wohl ausfallen?
Bis wohin muss ich mein
Kind bringen, wenn es bei der
DLRG Schwimmen lernen
will? Krieg ich das zeitlich
überhaupt hin? Geht das noch
mit dem Rad oder muss ich
mit dem Auto fahren, nachmittags durch den dicken
Berufsverkehr? Am meisten
betroffen sind die Schulen.
Zum Beispiel das HittorfGymnasium im Geistviertel.
Nach dem Willen der Hamburger Gutachter müssen die
Schülerinnen und Schüler in
Zukunft eine halbe Weltreise
zum Hallenbad nach Kinderhaus antreten, einmal quer
durch die Stadt. Wie soll das
gehen in einer Doppelstunde
von neunzig Minuten? Fürs
Schwimmen bleibt dann höchstens noch eine halbe Stunde,
die Schüler müssen ja wieder
pünktlich in der Schulbank
sitzen. Alle erinnern sich noch
an das Chaos, das ausbrach als
die Stadt vor Jahren das Stadtbad Mitte umbaute. „Es kam
zu erheblichen Störungen im
Schwimmunterricht.
Die
Schüler mussten auf andere
Bäder ausweichen, was zu
hoffnungslos
überfüllten
Becken führte“, erzählt eine
Schulleiterin. Der Zustand
dauerte damals nur ein paar
Monate, aber vergessen hat
das von den Lehrern niemand.
Die Grundschulen rangeln
heute schon um Schwimmzeiten, weil es zu wenig Platz da
ist. Wie soll das erst werden,
wenn das Bäder-Gutachten
umgesetzt wird? Viele Kindergärten und Kitas sind
davon ebenfalls betroffen.
Früher Jahre buhlte die Stadt
noch mit einem „Tag im Wasser“ um die kleinen Badegäste, solche Aktionen kann sie
sich demnächst sparen. Schon
jetzt ist es ein Riesenaufwand
mit den Kleinen schwimmen
zu gehen, berichtet eine
Erzieherin. „Müssen wir auf
weiter entfernte Bäder ausweichen, ist das von der Zeit
her kaum noch zu machen.“
Auch die Kinder selbst
bekommen inzwischen mit,
dass ihr Bad geschlossen werden soll und ärgern sich. „Ich
möchte doch, wenn ich etwas
größer bin, vielleicht auch das
Bronze-Abzeichen machen!“,
schreibt die kleine Hannah in
einem Brief an den Oberbürgermeister. Ihre Mutter hat
Vergnügen.
„Die Zahl der Nichtschwimmer wird künftig sicher
ansteigen“, befürchtet eine
Grundschullehrerin.
„Aus
Nichtschwimmern werden
Schwimmer, aus Schwimmern werden Rettungsschwimmer und aus Rettungsschwimmern werden Ausbilder für Schwimmanfänger“,
sagt auch Wilfried Sandbaumhüter vom DLRG. Man dürfe
in der Diskussion, ob die
Bäder geschlossen werden,
den sozialen Aspekt nicht
außer Acht lassen: „Dieser
Kreislauf macht deutlich, dass
Kinder und Jugendliche syste-
Bürgerinitiative kämpft um den Erhalt
- kw
kein Auto, sagt sie. Da geht es
ihr nicht anders, als den
Bewohner der autofreien
Weißenburgsiedlung.
Wer
hier leben will, muss auf den
eigenen fahrbaren Untersatz
verzichten. Kein Problem,
Supermarkt, Spielplatz, Bioladen, Schule, Kindergarten,
Wochenmarkt,
Apotheke,
Kiosk und Frittenbude - alles
um die Ecke. In der Weißenburg wohnen vor allem Familien mit Kindern, wenn sie in
Zukunft nicht mehr ins Südbad können, sondern mit dem
Bus nach Hiltrup oder ins
Stadtbad Mitte müssen, wird
der Badespaß ein teueres
matisch an die Übernahme
von Verantwortung herangezogen werden.“ 350 Jugendliche sind zur Zeit in Münster
bei den Lebensrettern aktiv.
Erst vor kurzem hat die Stadt
600.000 Euro in das Hallenbad in Amelsbüren gesteckt,
das im Gutachten übrigens am
schlechtesten
wegkommt.
Damals vermuteten einige,
mit der Summe wolle die
CDU die Gegner der in
Amelsbüren geplanten Forensik besänftigen. Ein Wahlgeschenk. Nun will sie es aber
doch schließen und über eine
halbe Millionen Euro sind
futsch. Egal, die Zeit ist günstig, die nächsten Wahlen sind
weit weg. Die Stadt hat klar
gemacht, dass sie sich an den
Betriebs- und Sanierungskosten der Bäder, die sie
schließen will nicht mehr
beteiligt. Basta. Immerhin
spart sie pro Hallenbad
250.000 Euro und für jedes
Freibad
laut
Gutachten
200.000.
Ob aber der Antrag überhaupt
den Stadtrat passiert, ist unsicher. Im Stadtrat gibt es zwischen der Opposition und der
Koalition ein Patt. Dass CDU
und FDP regieren können,
verdanken sie Berthold Tillmann, der als Oberbürgermeister die entscheidende Stimme hat. Die FDP wird geschlossen für den Antrag sein,
das gilt als sicher. Bei der
CDU in Nienberge und in
Amelsbüren rumort es jedoch
und wenn nur ein Fraktionsmitglied dagegen stimmt...
Aber auch, wenn für die
Koalition alles glatt läuft - ein
Ratsbeschluss muss nicht
ewig gelten und wie schnell
er geändert werden kann, hat
sich bei der Tiefgarage unter
dem Ludgeriplatz gezeigt. Als
Schirmherr der DLRG sagte
Berthold Tillmann einmal:
„Große und kleine Probleme
wollen besprochen und gelöst
werden. Dabei geht es für
mich immer um eins: Das
Beste für Münster und die
Münsteraner zu erreichen.“
Die Bürgerinitiativen, Schulen und Schwimmvereine
wollen gerne dabei mithelfen.
Nun muss der Oberbürgermeister nur noch zuhören und
sich an das erinnern, was er
nach der Kommunalwahl versprochen hat: „Kommunalpolitik ist Bodenturnen. Noch
stärker das Ohr bei den Bürgern zu haben, für Anregungen und Gespräche noch
mehr Zeit als bisher zu finden, das habe ich mir für die
kommenden Jahre vorgenommen.“
draußen! 2006
8
DAMALS
Münster im Krieg:
Schöne Tage im Lazarett
1941 ist der Zweite Weltkrieg im vollem Gange und auch die Münsteraner bekommen die Auswirkungen mehr und mehr zu spüren. Im Sommer bombardieren die Alliierten vier Nächte hintereinander die Stadt. „Wegen Einberufung geschlossen!“, steht auf den Schildern, die neuerdings
in vielen Schaufenstern hängen. Gerrit Hoekman hat weiter in den Notizen des Stadtchronisten
der Nazis, Franz Wiemers, geschnüffelt. Fazit der Propagandamache: Alles halb so schlimm.
Im Januar gibt sich die NaziProminenz im Friedenssaal die
Klinke in die Hand: der
Reichsjugendführer, der Stabschef der SA, die Frauenreichsführerin und Innenminister Werner Frick. Am 11.
Januar empfängt Oberbürgermeister Hillebrand den berüchtigten Alfred Rosenberg,
„Beauftragter für die Überwachung der gesamten geistigen
und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der
NSDAP“, der wenig später
zum „Reichsminister für die
besetzten Ostgebiete“ ernannt
wird. Ein Schlächter der übelsten Sorte.
Überhaupt wird den Münsteranern im Winter 1941 einiges an
Remmidemmi geboten: Am
Tag der Polizei können sie am
Servatiiplatz von einem mittelhohen Holzturm aus kleine
Bomben auf ein Model der britischen Hauptstadt London
werfen. Zwei Groschen kostet
der Spaß. „Das Sausen einer
Bombe ist ausgezeichnet nachgemacht“, freut sich der Stadtchronist. „Viele Kinder, Soldaten und Erwachsene klettern
die hohe Treppe herauf und
werfen eine Bombe auf England.“ Eines der vielen Potemkinschen Dörfer der Nationalsozialisten. Richtig echte
Bomben werfen nämlich die
Briten auf Münster.
Zwölf Mal ist die Stadt 1941
Ziel alliierter Flugzeuge, ein
insgesamt
vergleichsweise
ruhiges Kriegsjahr. Im Juli
jedoch wird es ganz hart, in
draußen! 2006
Bunkerbau an der Aegidiistrasse
- sa
Werbewoche der Luftwaffe
- sa
H.J.-Auftritt auf dem Domplatz
- sa
vier Nächten hintereinander
greifen die Alliierten an. Das
Hafenviertel liegt in Trümmern, der rechte Flügel des
Schlosses ist zerstört. Auch
Dom und Lambertikirche sind
schwer getroffen. 43 Münsteraner kommen ums Leben,
zehn sind vermisst, 196 verletzt. An der Kanalstraße hat es
ein Wohnhaus erwischt. „Es
liegen noch zwei oder drei
Menschen unter den Trümmern. Wo bleiben denn nur die
Helfer, die die Trümmer wegräumen“, fragen Frauen vor
der Schutthalde, die gestern
noch eine Mietskaserne war.
Der Buddenturm steht unversehrt inmitten der Ruinen.
Die Luftabwehr hat kaum eine
Chance gegen die Bomber.
„Am Servatiiplatz stehen Truppenkommandos. Alle Leute
fragen: Seid ihr von der Flak?
Kommt ihr jetzt endlich wieder? Wir hatten eine schlimme
Nacht“, notiert Nazi-Chronist
Wiemers. Aber die Soldaten
werden nur verlegt. Die Münsteraner versuchen so gut es
geht weiter zu machen. Dem
Gasthof „Zum Krummen-Timpen“ hat es die Fenster rausgehauen, der Wirt hat die Rahmen mit Pappdeckeln zugeklebt. Die Möbelhäuser dürfen
erst mal nur an Ausgebombte
verkaufen. „Andere brauchen
gegenwärtig gar nicht versuchen, dort einzukaufen. Auch
keine Brautleute, die ihre
Möbel einkaufen möchten.“
In der Stadt sind jetzt viele verwundete Soldaten unterwegs.
An Krücken humpeln sie
durch die Straßen. Auf einem
Archivfoto sind zwei Verletzte
zu sehen, die sich in Positur
geworfen haben: „Sie möchten
eine Erinnerung an ihren schönen Lazarett-Aufenthalt in
Münster haben“, glaubt Wiemers. Einem der beiden fehlt
das linke Bein. Aber auch als
Kriegsversehrter ist das Leben
schön. „Fröhliche Verwundete
im Lazarett Hedwigsklinik“
9
DAMALS
Bund deutscher Mädchen
tanzt im Schlossgarten unterdessen Ringelrein und macht
Gymnastik.
fotografiert der Chronist. Die
Stenotypistinnen der Stadtverwaltung sind vorbeigekommen
und haben den Verwundeten
kleine Geschenke mitgebracht.
Im Sommer sind vier neue
Bunker fertig, auf dem Hindenburgplatz ist einer für 1.000
Menschen im Bau. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die
meisten Münsteraner hocken
weiter notdürftig geschützt in
modrigen Kellern. Um gegen
die Brände anzukommen, hat
die Stadt einen Löschteich
angelegt - auf dem Platz, wo
bis zur Reichspogromnacht
1938 die Synagoge stand.
Nach den Bombennächten im
Juli beginnt die NSDAP Kulturschätze aufs Land zu bringen. Auch die Kinderverschickung läuft auf Hochtouren. „Hier weint eine Frau, weil
sie ihre Kinder alleine auf dem
Transport hat mitgeben müssen“, notiert der Chronist.
Frauen mit Kleinkindern, alte
Leute und Kranke - alle müssen raus aus Münster. Wer ausgebombt ist, schläft außerhalb
der Stadt unter freiem Himmel.
„Im Walde gleich jenseits von
Telgte, nahe der Ems: Eine
Familie, die ich mit dem Fotoapparat noch im Schlaf um 5
Uhr morgens überrascht habe.
Alles schläft noch im Heidekraut
des
Waldrandes“,
schreibt Wiemers poetisch.
Die Schüler üben beim Sicherheitshilfsdienst für den Ernstfall. „Man scheint in Münster
für dieses Jahr noch allerhand
zu erwarten“, sagt ein Junge,
der gerade auf dem Weg zu
einer vierwöchigen Übung ist.
Auch die Hitlerjugend zeigt
Präsenz, in Reih und Glied
steht sie auf dem Prinzipalmarkt. Wiemers fotografiert
die Szene. „Unter den Jungen
herrscht stramme Disziplin.
Weil einer zu dem Kameramann auf die Seite geschaut
hat, bekommt er ordentlich
eins abgerissen!“, klopft er
sich auf die Schenkel. Der
Schnaps wird knapp bei Loerdemann
- sa
Ludgeristrasse nach Bombenangriff
- sa
Aufräumen am „Krummen Timpen“
- sa
Flakstellung auf dem Dach von Hettlage
- sa
Jeder muss mithelfen, auch die
Münsteraner Wirte! Die NaziFührung steckt sie in blaue
Uniformen und macht sie zu
Polizisten. „Überall mangelt
es an Hilfskräften“, klagt Wiemers. Nicht nur daran. In langen Schlangen stehen die
Frauen vor den Gemüseständen auf dem Wochenmarkt.
Nur bei den Metzgern geht es
ruhig zu, Fleisch und Wurst
gibt es nur noch rationiert auf
Marken. Langsam werden
auch die Rohstoffe knapp, die
Nationalsozialisten sammeln
deshalb im großem Stil bei
den Bürgern altes Metall,
Papier und Lumpen. Viele
Münsteraner stellen leere Flaschen vor die Haustür für die
Wehrmacht.
Gerüchte gehen um, die Nazis
hätten die Fronleichnam-Prozession verboten. Aber noch
mehr Gläubige als sonst nehmen daran teil. Subtiler Protest
gegen die Diktatur. Davon
steht natürlich nichts in Franz
Wiemers Tagebuch und auch
die flammende Rede des Kardinal von Galen gegen die Euthanasie hat er glatt verpaßt.
Die Partei hält mit Propaganda
dagegen. Auf den Pappkartons, die bei vielen Häusern
das Fensterglas ersetzen, steht
ein großes V. „Das europäische
Siegeszeichen, das Viktoria
bedeutet“, belehrt Wiemers.
Im Schaufenster einer Kneipe
steht die Büste des Führers
und ein Reichsadler, darüber
der Spruch „Gib auch Du!“.
Und zwar dein Haus, deine
Seele, deine Kinder und vor
allen Dingen dein Leben.
Das aber verschweigt der
Nazi-Chronist ebenfalls.
Die Internet-Ausstellung des Stadtarchivs finden Sie unter www.muenster.de/stadt/kriegschronik
draußen! 2006
10
BUCHHANDEL
Unrast-Verlag:
Friedemann Bieber
Gegen den Strom
preisgekrönt
Seit 15 Jahren ist der Unrast-Verlag aus
Münster so etwas wie der Hecht im kapitalistischen Karpfenteich. Wo die großen
Fische im deutschen Buchhandel mit Massenware Geld scheffeln, versucht der klei-
„draußen!“-Autor Friedemann
Bieber hat bei einem Schreibwettbewerb der HeinrichBöll-Stiftung in NordrheinWestfalen und der Berliner
„Tageszeitung“ einen von
zwei ersten Preisen gewonnen.
Die 33 teilnehmenden Jungautoren sollten sich Gedanken
machen, wie verlassene Orte
neu genutzt werden können.
Der 15-jährige Gymnasiast
Bieber, der auch Chefredakteur der Schülerzeitung
„Schillerglocke“ ist, beschreibt in seinem Siegertext,
wie aus dem stillgelegten
Atomkraftwerk Stade ein Kindergarten wird. Eine beängstigende Vorstellung. „Runder,
stringenter Text mit vielen
konkreten Ideen“, lobte die
Jury den Nachwuchsjournalisten. Der schöne Erfolg, für
den er eine teure Fotobearbeitungs-Software bekommen
hat, ist nicht überraschend:
Mit 13 Jahren war Bieber der
jüngste Autor, der je für unser
Straßenmagazin geschrieben
hat. Seinen preiswürdigen
Artikel lesen Sie in der nächsten „draußen!“. Wer nicht bis
dahin warten will: Unter
www.vorspulen.net gibt es alle Beiträge des Wettbewerbs
im Internet.
Was aus einem anarchistischen Kollektiv werden kann,
zeigt der Unrast Verlag am
Haverkamp. Dort wird seit
1990 versucht mit politischen
Sachbüchern die Gesellschaft
zu verändern, ganz im Dienst
der linken Sache. Auch wenn
Verleger Martin Schüring den
anarchistischen Anspruch in
Reinkultur längst aufgegeben
hat. „Wir wollen heute Verbindungsglied innerhalb der Linken sein“, umreißt er das Ziel
bei Unrast. Die oft zerstrittenen linken Gruppen zusammenzuführen ist schon eine
Herkulesaufgabe für sich.
„Wir Linke sind hier unterrepräsentiert“, sagt Martin
Schüring. „Münster ist für uns
ein schwarzes Loch.“ Die
Zahl der Buchhandlungen in
der Stadt ist allgemein gesunken, linke oder alternative
Buchläden gibt es kaum noch.
Die Großen haben den Markt
unter sich aufgeteilt. Sie verkaufen streng am Geschäft
orientiert. Was schlechter
läuft, kommt erst gar nicht ins
Regal. „In Deutschland findet
ein Monopolkampf zwischen
Thalia und Hugendubel statt,
der mit Stapelware und Bestsellerlisten geführt wird“, sagt
Schüring. „Das Sortiment
wird immer flacher. Es fehlt
die Tiefe.“ Die Buchhandlungen bestehen auf Mindestbestellmengen, die für Unrast zu
hoch sind. „Da kommen wir
nicht rein“, weiß Schüring.
Die kleinen Verlage würden
ausgeschlossen und isoliert.
„Der Buchhandel ist durchkapitalisiert.“ Schon allein desdraußen! 2006
ne Betrieb am Hawerkamp mit gesellschaftskritischen Sachbüchern und Romanen dagegen zu halten. Mit einigem
Erfolg. Jörg Rostek hat dem linken Kultverlag einen Besuch abgestattet.
halb, weil die Buchhandlungen mit moderner Technik
arbeiten, wie Codes und Scannern, die an die Kleinverlage
Anforderungen stellten, denen
sie nicht gewachsen sind.
Trotzdem verkauft der Unrast
Verlag seine Bücher. Zwar
nicht unbedingt in Münster,
aber in anderen Gegenden der
Republik, hauptsächlich in
Großstädten wie Berlin, Köln
oder Hamburg. Die Umsatzzahlen steigen. „Ostdeutschland repolitisiert sich“, begründet Schüring die positive
Entwicklung. Dort herrscht
offenbar reges Interesse an
linker Literatur abseits des
früher staatlich verordneten
Marxismus-Leninismus. „Im
Rahmen des Sozialabbaus
landen die Leute beim Sozia-
lismus“, vermutet Schüring.
Das Buch „Kommunismus Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird“ gehört
zu den Rennern bei Unrast.
Aber auch aufklärende Literatur über die rechte Szene läuft
gut. „White Noise“, ein Buch
das sich mit der rechtsradikalen Musikszene beschäftigt,
ist ebenfalls ausgesprochen
erfolgreich.
In Krisenzeiten werden die
Menschen politischer, das
hilft den linken Verlagen in
Deutschland. „Wir profitieren
von den Katastrophen, die der
Kapitalismus
verursacht“,
sagt Schüring. 25 bis 30 verschiedene Titel verbreitet
Unrast pro Jahr im deutschsprachigen Raum. Engagierte
Literatur rund um klassische
linke Themen: Gesellschaftskritik, Antifaschismus, Feminismus, Internationalismus.
Alternative Zeitungen wie
Junge Welt, Jungle World und
taz besprechen die UnrastBücher. Besondere Pressepflege, die bei den renommierten Verlagen zum Alltag
gehört, kann ein kleiner Verlag nicht leisten. Trotzdem
kommt hin und wieder eine
Anfrage von freien Mitarbeitern der MZ und der WN.
Auch die Frankfurter Rundschau und die Neue Zürcher
Zeitung sind schon mal auf
Titel vom Hawerkamp aufmerksam geworden.
Um nicht ganz alleine im
kapitalistischen Universum
zu sein, hat sich Unrast mit
anderen in „Alive“, der
Assoziation Linker Verlage,
zusammengeschlossen. Die
Zusammenarbeit
würde
Schüring gerne ausbauen.
Aber die meisten linken Verleger fürchten den damit verbundenen
bürokratischen
Verwaltungsaufwand.
Immerhin ist auf der nächsten Buchmesse schon mal ein
gemeinsamer,
sechszehn
Meter langer Stand geplant.
Länger ist nur noch der Weg
zu einer anderen, gerechteren
Gesellschaft.
Biebers Burg
- hd
HOMO SAPIENS
20 Jahre KCM:
Rosa Münsterland for ever
Wo hat 1972 die erste Schwulen-Demo in der
Geschichte der Bundesrepublik stattgefunden? Genau, in Münster. Die Szene in der
Domstadt war schon immer sehr aktiv, kein
Zufall also, dass eines der größten Schwulenzentren des Landes, das KCM, hier seinen
Klaus Wowereit, Guido
Westerwelle, Volker Beck jede Partei hat wenigstens
einen prominenten Schwulen.
Nur bei der CDU fällt uns auf
Anhieb keiner ein. „Ole von
Beust, der Bürgermeister von
Hamburg!“, ruft Richard Halberstadt wie aus der Pistole
geschossen. Klar doch! Den
haben wir ganz vergessen.
Und Politiker in Münster?
„Da gibt es bestimmt welche“,
vermutet Halberstadt, der bis
zur Kommunalwahl im letzten
Jahr für die Christdemokraten
im Stadtrat saß. Dann verlor
er seinen Wahlkreis am Hafen
an die Grünen und war
draußen.
Nun widmet er sich anderen
Aufgaben: Seit kurzem ist der
Sozialpolitiker der neue Vorsitzende des Schwulenzentrums KCM. „Es ist nicht
mehr wichtig, ob ein Politiker
schwul ist. Das ist heute Privatsache“, glaubt Halberstadt.
Kaum noch jemand regt sich
auf, wenn der regierende Bürgermeister von Berlin mit seinem Lebensgefährten auf dem
Bundespresseball auftaucht.
Es hat sich viel getan seit
1985, als Schwule und Lesben
in Münster das erste Zentrum
für Homosexuelle gründeten.
Im AStA-Häuschen, links
vorm Schloss, saßen sie
zusammen und stritten über
den Namen. Sollte der Verein
MÜSLI heißen, Münsteraner
Schwulen- und Lesbeninitative? Zu provokant für die konservative Domstadt, fanden
die meisten. Damals schauten
Sitz hat. Von weit her kommen die Gäste, aus
dem Ruhrgebiet, sogar aus Holland. Auch
Sorgenonkel Jürgen Domian vom WDR ist
hier schon gesichtet worden. Unlängst ist das
KCM 20 Jahre alt geworden. Gerrit Hoekman gratuliert.
sich junge Leute noch verstohlen dreimal um, bevor sie
in die Beratungsstelle an der
Rothenburg huschten, aus
Angst jemand könnte sie
beobachten und als schwul
outen.
Kommunikationscentrum Münster hingegen klang neutral.
Heute fast unvorstellbar: Kein
Notar wollte für den neuen
Verein den Eintrag ins Register beantragen. „So etwas
Unmoralisches mache ich
nicht“, meinte einer. Erst in
Handorf fand sich eine mutige
Frau, die alles für das KCM
regelte. Die Schwulen und
Lesben mieteten runtergekommene Räume in einem
Teppichgeschäft an der Grevener Straße, dort wo heute ein
Aldi ist. Als der Vermieter
herausbekam, wer seine Mieter waren, kündigte er den
Vertrag und drehte Wasser,
Strom und Heizung ab: „Es ist
einem ahnungslos getäuschtem Privatmann nicht zuzumuten, an eine Randgruppe zu
vermieten, deren Betätigungsfelder leider vor einigen Jahren als Strafbestand aus dem
Gesetzbuch herausgenommen
worden ist“, schreibt er in
einem Brief ans KCM. Später
musste er sich vor Gericht
dafür entschuldigen.
riege kamen Schwule und
Lesben höchstens am Stammtisch in schlüpfrigen Witzen
und als Feindbild im Wahlkampf vor. Als 1987 am Tag
der offenen Tür auch die CDU
ins KCM eingeladen wurde,
empfanden das viele als
Anbiederei. „Es besteht die
Gefahr, dass aus dem KCM
ein Kaffee- und Kuchenzentrum wird“, lästerten Kritiker.
Die Mehrheit wollte aber an
den Geldtopf der in Münster
damals noch allmächtigen
CDU und nahm dafür auch
das eine oder andere frivole
Plakat von der Wand, wenn
Politiker auf der Matte standen, und schmiss sich in Schale mit Anzug und Krawatte.
Der Einsatz half: Mit den
Stimmen der CDU bekam das
KCM ab sofort Geld von der
Stadt.
1989 zog das Zentrum an den
Hawerkamp, wo es bis heute
geblieben ist. Es gab nun
einen Frauentag, rauchfreie
Partys und das schwule Radio
„Rosa Welle“. Anfang der
11
Neunziger kam es zu den heftigsten Auseinandersetzungen
in der Geschichte des KCM:
Eine Selbsthilfegruppe von
Pädophilen wollte sich in den
Räumen am Hawerkamp treffen. Mit großer Mehrheit
lehnten die Mitglieder den
Antrag schließlich ab. Legendär auch die Demonstration
bei den Westfälischen Nachrichten. Schwule und Lesben
kamen in Münsters größter
Tageszeitung nicht vor. Selbst
aus Todesanzeigen entfernten
die Redakteure das Wort
schwul.
Die wilden Zeiten sind vorbei,
die WN berichten inzwischen
über die Schwulenszene in
Münster, auch wenn ihnen
noch ein wenig die Lockerheit
im Umgang fehlt. Die Lesben
haben vor einigen Jahren
einen eigenen Verein gegründet, LIVAS. Das KCM ist nun
rein schwul. Für die Zukunft
haben sich die Mitglieder
einiges vorgenommen, aus
dem Schwulenzentrum soll
ein Ort soziokultureller Begegnung werden. Überflüssig
wird das KCM aber noch
lange nicht. Wie sagte Oberbürgermeister Berthold Tillmann auf der Geburtstagsgala
des Vereins in der Cascade:
„Es gibt noch viel zu tun, bis
die Entscheidung, als Mann
einen Mann oder als Frau eine
Frau zu lieben und diese Liebe
auch offen zu leben, keine
Nachteile mehr mit sich
bringt.“
Anzeige
Münster hat sich geändert und
auch das KCM. Dass nun mit
Richard Halberstadt ein CDUPolitiker dem Verein vorsteht,
wäre in den Achtzigern undenkbar gewesen. In der
christdemokratischen Herrendraußen! 2006
12
MÜNCHEN
Fernsehkult:
Lindenstraße bricht Tabus
Wer noch nie den Prinzipalmarkt sonntagabends gegen 18.50 Uhr gesehen hat, der ist
entweder kein Münsteraner, sitzt noch brav
in der Messe oder ist Lindenstraßenfan.
Andere Serien kamen und gingen, aber die
Lindenstraße gibt es am 8. Dezember stolze
Am liebsten hängt der struppige Harry am Stehtisch von
Olaf Klings Imbiss herum.
Gern sitzt er auch mit Anglermütze, Nickelbrille und spekkigem Parka an der Theke im
„Akropolis“ und wartet, dass
ihm ein freundlicher Gönner
ein Bier ausgibt. Seit einigen
Jahren verkörpert der erfolgreiche Übersetzer, Vorleser
und „Zeit“-Kolumnist Harry
Rowohlt den wohl einzigen
Obdachlosen in einer deutschen Fernsehserie. Die Lindenstraße hat schon manches
Tabu gebrochen.
Nachbarschaftshilfe und Ehekrisen, Fahrerflucht und Nazivergangenheit, Drogenabhängigkeit und Zwangsprostitution - seit 20 Jahren schaffen es
die Autoren immer neue
gesellschaftspolitische Themen in die Serie hineinzuschreiben. Wer wissen will,
was die Republik bewegt,
muss Lindenstraße gucken.
Wenn es die Aktualität der
Ereignisse erfordert, scheut
Regisseur Hans Geißendörfer
keine Mühen um schon fertige
Folgen auf den neusten Stand
zu bringen und Szenen neu
einzuspielen. Legendär: Egal
wie eine Bundestagswahl ausgeht, in der Lindenstraße gibt
es schon eine halbe Stunde
später das echte Ergebnis. Die
Macher sind auf alle Eventualitäten vorbereitet.
In den achtziger Jahren sorgte
die erste Liebesszene zwischen zwei Männern für einen
regelrechten Skandal. So
draußen! 2006
20 Jahre. Wie es die Familienserie zur Kultsendung brachte und wie die Fans das Jubiläum feiern: Claudia Siemens sprach mit
einem Fanclubvorsitzenden, der es durch
seine Leidenschaft sogar ins Guinness Buch
der Rekorde geschafft hat.
etwas wollte der deutsche
Zuschauer nicht sehen und
trotzdem blieb er vor dem
Bildschirm hocken. Der erste
AIDS-Tote war dann nur noch
eine Frage der Zeit - aber es
traf zur Überraschung aller
einen Hetero und keinen
Schwulen. Das Schicksal des
freundlichen Benno Zimmer-
Marie-Luise Marjan
- www
mann wühlte 1988 die Nation
auf, Millionen vergossen im
heimischen Wohnzimmer vor
der Flimmerkiste Trauertränen. Das Virus war in der
Mitte der Gesellschaft angekommen. Womit sich die Lindenstraße um die Aufklärung
in Sachen HIV mehr als verdient gemacht hat. Heute
gehört das schwule Paar Carsten und Käthe zum Serienalltag und kein Hahn kräht mehr
danach, dass die beiden inzwischen einen Jungen an Kindesstatt bei sich aufgenommen haben.
Nicht zuletzt wegen ihrer
Tabubrüche und ihrer starken
Charaktere, von denen 12 seit
dem ersten Jahr dabei sind, hat
sich die Lindenstraße zum
Kult entwickelt. Und wo es
nach Kult riecht, lassen die
Fans nicht lange auf sich warten. André Weber guckt die
Lindenstraße von der erste
Folge an. Bei der Premiere am
8. Dezember 1985 saß der
damals 13-Jährige vor dem
Fernseher und prophezeite altklug: „Diese Sendung gibt es
in zehn Jahren noch.“ Weber
hat Recht behalten und weil
ihn die Serie nie mehr losgelassen hat, gründete er vor ein
paar Jahren mit Gleichgesinnten den Kölner Fanclub „Jour
Fix“, einer von insgesamt 25
im deutschsprachigen Raum.
Die elf Mitglieder treffen sich
regelmäßig und reden über
das, was gerade in der Lindenstraße passiert. Manchmal
laden sie auch Schauspieler
Willi Herren
- www
oder Techniker ein. „Wir sprechen dann über Gott und die
Welt“, erzählt Weber. Aber
auch darüber, was im Hintergrund geschieht und wie die
Sendung technisch entsteht.
„Die Lindenstraße ist wie eine
Großfamilie“, sagt Weber, der
selbst schon häufig als Kom-
parse in seiner Lieblingsserie
mitgespielt hat. Ob MarieLuise Marjan, Willi Herren
oder Joachim Luger - die
Schauspieler findet er durch
die Bank sympathisch. „Das
Besondere an der Lindenstraße ist: die Zuschauer können
sich gut mit den Personen in
der Serie identifizieren“, findet Weber. Die Rollen sind
eben mitten aus dem Leben
gegriffen, haben einen eigenen Lebenslauf, sogar einen
Geburtsort und einen Geburtstag.
Das 20-jährige Jubiläum feiern die eingefleischten Fans
mit einer großen Party auf
dem WDR-Gelände in KölnBocklemünd. Von montags bis
freitags dreht die Lindenstras-
Joachim Luger
- www
sen-Crew hier in den Kulissen
zwischen Café Beyer und der
Villa Dressler fleißig die
neuen Folgen. Einen ganz
besonderen Gratulanten bekommen die Zuschauer am
19. Februar zu sehen, verrät
André Weber - Dallas-Fiesling
J.R. Ewing alias Lary Hagman
kommt als Kunde in das Reisebüro von Helga Beimer.
Auch die Sendung wird Weber
wieder auf Video aufzeichnen,
wie alle 1049 Folgen zuvor.
Über 500 Stunden Lindenstraße - das war auch dem Guinness Buch der Rekorde einen
Eintrag wert. Jetzt träumt
Weber von einem Fanzimmer,
in dem er seine Sammlung
unterbringen kann. Vielleicht
ist ja in Ursulas Frisiersalon
noch ein Hinterzimmer frei.
13
P L AT Z D A !
Sommer in der City:
Das große Stühlerücken
Wer in diesem Sommer in der Innenstadt
unterwegs war, musste oft genug Zickzack
laufen: Stühle und Tische verstellten den
Weg auch dort, wo bisher alles frei war. Die
Außengastronomie hat inzwischen einen groDer Kellner am Marienplatz
muss ständig auf der Hut sein:
Mit Kaffeekännchen, Kuchen
und Bier auf dem Tablett steht
er an der Bordsteinkante. Entdeckt er eine Lücke im Verkehr auf der Königsstraße
huscht er schnell hinüber. Sein
Revier befindet sich nämlich
auf der anderen Straßenseite,
wo eine Münsteraner Gaststätte neben dem kleinen Park im
Sommer Tische und Stühle
aufgebaut hat. Auch die
Belegschaft am Lambertikirchhof ist nicht zu beneiden.
Hier kommen den Maitres
zwar keine Autos in die
Quere, aber sie müssen sich
durch den Strom von Passanten in der Salzstraße zwängen.
Viele Münsteraner sehen die
Entwicklung skeptisch. „Geld
kann ich doch nur einmal ausgeben“, meint eine Passantin.
Und ein Busfahrgast am Klemensplatz
findet:
„Die
Bestuhlung sieht an vielen
Stellen wirklich nicht schön
aus.“ Unterm Strich dürfen
die Gastwirte momentan
3.300 Quadratmeter in der
Innenstadt für Außengastronomie nutzen. Das sind etwa
zwei Drittel eines Fußballfeldes und das klingt zunächst
nach wenig. Verteilt auf die
kleine City ist das aber viel.
Es fehlt nun einmal ein
Prachtboulevard. Den finanziellen Vorteil hat zunächst die
Stadt. Ein Brancheninsider
schätzt den Nutzen auf „etwa
80.000 Euro, vielleicht noch
etwas mehr“. Das lindert die
städtische Finanznot zwar nur
ßen Teil des öffentlichen Raums in Beschlag
genommen. Die Bürger müssen sehen, wie sie
durch den Irrgarten kommen. Michael Heß
hat für „draußen!“ alle Hürden übersprungen. Hier sein Bericht.
in homöopathischer Dosis,
doch Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist.
Die Kritik entzündet sich
nicht an Alteingesessenen wie
Stuhlmacher und Pfefferkorn,
die - Hand aufs Herz - zu
Münsters guter Stube gehören
wie die Käfige von Sankt
Lamberti. Es sind die in den
letzten beiden Jahren ausge-
Straßencafé: Kaum Platz für die Passanten
stellten Genehmigungen, die
nicht immer überzeugen. An
manchen Stellen wie unterhalb des Horstebergs am Dom
bleibt kaum noch Platz für die
Passanten und am Klemensplatz verhinderten noch im tristen November Tische und
Stühle die eigentliche Nutzung des Platzes als öffentlicher Raum für alle Bürger.
Der allerletzte Cent aus der
Pelz- und Stiefelgastronomie
scheint mehr zu wiegen.
Dafür dürfen die gewöhnlichen Münsteraner auch mal
einen Umweg gehen.
Peter Schnepper, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, hingegen freut
sich: „Wirtschaft, Bürgerschaft und Stadt müssen
gemeinsam daran arbeiten,
- mh
ihre Innenstadt aufzuwerten
und besser zu vermarkten.“
Im Klartext: Die Privatisierung des öffentlichen Raums
soll weiter gehen. Was in
erster Linie im Interesse der
Wirte ist. „Der Teufel liegt im
Detail“, sagt Horst-Werner
Koch vom Ordnungsamt. Die
Behörde muss alle Gastronomen gleich behandeln, deshalb war das Ordnungsamt
faktisch gezwungen, neuen
Anträgen zuzustimmen, so
lange nicht gewichtige Argumente dagegen sprechen.
Zum Beispiel die Straßenverkehrsordnung: Mindestens
1,80 Meter des Gehwegs
müssen bis zur Bordsteinkante frei bleiben, müssen die
Kellner eine Straße überqueren, darf die kein hohes Verkehrsaufkommen aufweisen.
Die Lizenz vom Ordnungsamt gilt meistens von April
bis Oktober. Nur wenige wie
„Pfefferkorn“ erhalten Lizenz
für das ganze Jahr. Die
Gastronomen haben sich
außerdem mit der Verwaltung
auf die Regelung weiterer
Details wie zum Beispiel zu
vorteilhaften Bestuhlungen
und Tischdekor verständigt,
die das Stadtbild nicht zu sehr
strapazieren.
Das klingt alles vernünftig,
doch der Preis ist zumindest
am Klemensplatz hoch: Bürger, Parteien und Vereine, die
früher hier ihre Infotische aufbauten oder sich zu Kundgebungen trafen, müssen nun
woanders hin. Im letzten Jahr
waren es immerhin 40 Veranstaltungen, die Hälfte davon
am Samstag. Der Ausländerbeirat feierte sein Fest der
Kulturen. Amnesty International, das schwule Zentrum
KCM oder der Allgemeine
Deutsche Fahrradclub - alle
machten am Klemensplatz an
zentralem Orte auf ihre Sache
aufmerksam. In diesem Sommer bot die Stadt den
Rathausinnenhof als Ersatz
an, aber dort sind, was Lautstärke und Besucherandrang
betrifft, enge Grenzen gesetzt.
Lichtblick: Laut Ordnungsamt sind keine neuen Genehmigungen mehr geplant. Aber
der nächste Sommer kommt
bestimmt und bis dahin sollten alle Beteiligten für den
Klemensplatz eine Lösung
finden. Wirte, Stadt und die
Münsteraner Vereine, Parteien
und Bürger.
draußen! 2006
14
TRÄNEN
Weihnachten:
Mami hat euch ganz doll lieb!
Der Advent ist die Zeit der Besinnung, das
können Sie an einer anderen Stelle in dieser
Ausgabe ganz genau nachlesen. Auch Anne,
die seit gut einem Jahr die „draußen!“ verkauft, wird melancholisch, wenn sie an WeihAnzeige
Anne wächst in Emsdetten
auf. Hier besucht sie die
Hauptschule und träumt davon, Pferdepflegerin zu werden. „Dafür muss man aber
einen
Realschulabschluss
haben,“ erzählt die 34-Jährige. Statt eine Ausbildung zu
machen geht sie putzen.
Gerade 18 geworden lernt sie
ihren Mann kennen und zieht
zu ihm. Das Familienglück
„draußen!“-Verkäuferin Anne
scheint perfekt, als die erste
Tochter geboren wird. Die
Kleine ist gesund und munter,
hat aber einen großen Blutschwamm im Gesicht. Die
junge Mutter muss immer
wieder mit dem Mädchen zu
Spezialisten, die das Mal in
etlichen Sitzungen weglasern.
Weil das Gesicht des Kindes
wegen
der
Behandlung
manchmal geschwollen ist,
erzählen sich die Leute das
Mädchen werde geschlagen.
Das Jugendamt meldet sich.
draußen! 2006
nachten denkt. Eigentlich ist sie eine lebenslustige, junge Frau, nur wenn sie von ihren
Töchtern erzählt, wird sie ganz traurig. Die
drei Mädchen leben seit über einem Jahr im
Kinderheim. Sabrina Kipp hat ihr zugehört.
„Ich musste die kleine Maus
bis auf die Unterwäsche ausziehen“, schämt sich Anne.
Das Amt will das Mädchen
mitnehmen, aber der Arzt verhindert das mit einem Attest,
das die Krankheit bescheinigt.
Wenige Jahre später bekommt
Anne das zweite Mädchen.
Das Baby leidet an einer
- hd
schweren Nierenkrankheit, es
weint viel, hat immer wieder
Fieber. Mit acht Monaten
muss es eine schwere Operation überstehen. „Ich saß jahrelang ständig in irgendwelchen
Wartezimmern“, erinnert sich
Anne. Sie wird wieder
schwanger und bringt die dritte, zum Glück rundherum
gesunde Tochter zur Welt.
Arzttermine, nachts aufstehen
und Pampers wechseln - die
kleine Familie ist am Rande
ihrer Kräfte. Immer öfter
spielt Alkohol eine Rolle, hin
und wieder wird es richtig
laut zwischen den Eheleuten.
Wieder steht das Jugendamt
vor der Tür. Nachbarn haben
den Verdacht, die Kinder werden geschlagen und kriegen
nichts zum Essen. „Das mit
dem Alkohol war manchmal
wirklich schlimm, aber zum
Essen hatten wir immer genug.
Und misshandelt haben wir die
Kinder auch nicht“, weint
Anne. Alle drei Mädchen kommen in ein Heim. Kurz darauf
verlässt Anne ihren Mann, sie
hält es zu Hause nicht mehr
aus. Der Schlussstrich unter
ihrem bisherigen Leben.
Anne hat neu angefangen. Ihr
jetziger Freund brachte sie
mit zur „draußen!“. Nun ist
sie eine der wenigen Frauen,
die Münsters Straßenmagazin
verkaufen. Inzwischen hat sie
auch eine eigene kleine Wohnung. „Es fehlt zwar noch
einiges, aber das wird schon“,
freut sie sich. In ihrer Freizeit
spielt Anne Dart, das englische Pfeile werfen, und hat
schon den einen oder anderen
Preis gewinnen können. Aber
obwohl es aufwärts geht - das
Schicksal
ihrer
Kinder
schmerzt noch immer. Im
Moment überlegt das Jugendamt, ob die Älteste zum Vater
zurück kann. Anne hatte zu
ihr die ganze Zeit Kontakt.
Die beiden Kleinen sollen in
Pflegefamilien untergebracht
werden. Für Anne steht fest:
„Egal wo meine drei Mäuse
sind, ich hab sie ganz doll
lieb!“
15
KUNST
Gelungener Abend
von Brigitte Borchers Kalligraphien oder von Ulrike
Röttgers und Anne Hellmuths
Gemälden bezaubern lassen.
Fetzige Musik, klassischer
Stunden im Hotel
Das Hotel „Hansa-Haus“ platzte fast aus allen
Nähten: Über 150 Besucher kamen zum
Albersloher Weg um eine ungewöhnliche Aktion zu bestaunen. Gut ein Dutzend Künstlerinnen, Musiker und Schriftsteller zeigten ihre
Am Eingang gleich die erste
Überraschung: Statt einer Eintrittskarte bekommen wir
einen Schlüssel mit glitzerndem Anhänger, den wir als
schönes Andenken behalten
dürfen. Als erstes fällt Kascha
B. auf alias „Frau Pillepalle“.
Durch ihre schrullige Art
sorgt sie beim Publikum für
lachende Gesichter. Auch
Anja Rohlf als „Dame in
Blau“ sticht durch ihr grellblau geschminktes Gesicht
sofort ins Auge.
Kunst dort, wo sonst die Gäste schlafen. Am
Ende stand nicht nur ein gelungener Abend,
sondern auch eine Spende von 800 Euro für
unser Straßenmagazin. Kerstin Winkelnkemper hat sich unter die Leute gemischt.
mich wohl dort erwarten? Und
in der Sauna? Oder im Treppenhaus? In den Gästezim-
Brigitte Borchers
- privat
Gesang, gehaltvolle Lesungen, ein großartiger Zauberer
und ausdrucksstarke Bilder die einzigartige Veranstaltung
Petra Brandes
- privat
mern konnte man gemütlich
auf den Betten liegen und Brigitte Kreymeyers Lyrik lauschen und den plattdeutschen
Texten von Ulla Wolanewitz.
Anja Rohlf
zwischen Gedichten und Liedern, die er mit Gitarre und
Mundharmonika begleitete,
Hiltrud Allhoff
- privat
fand ein begeistertes Publikum. Auch das Gitarren-Duo
Helm & Heik mit ihrer Film
Guitar Show erhielten großen
Beifall. Ihre Bühne war das
Treppenhaus. Auf dem Weg
dorthin konnten die Gäste sich
Gerlinde Niedick
- privat
im Hotel „Hansa Haus“ bot
für
jeden
etwas.
Die
„draußen!“ bedankt sich herzlich bei den Organisatorinnen,
den Künstlerinnen und Künstlern für einen wundervollen
Abend!
- privat
„Vier Ausstellungen, drei
Lesungen, zwei Sängerinnen
und ein Gitarrenduo - wo kriegen sie das woanders an
einem Abend zu sehen?“,
begrüßte Organisatorin Petra
Brandes die Besucher. „Und
wir legen sogar noch einen
Zauberer drauf, Frau Pillepalle, eine Dame in Blau in der
Wäschekammer
und
Geschichten aus der Hotelsauna!“ Das Publikum strömte
durch das Hotel, wanderte von
einem Zimmer in das nächste
und fragte sich: Was mag
Kascha Borgmann
- privat
Sigi Nasner, der „draußen!“Poet las aus seinen Texten, die
Facetten seines Lebens widerspiegelten. Das Wechselspiel
Petra Brandes übergibt 800 Euro an Horst Gärtner
-hd
draußen! 2006
16
WEIHNACHTS
Irma und Erwin
von Sigi Nasner
Das schwere vereiste Friedhofstor glitt Irma aus den
Händen, und fiel laut ins
Schloss. „Im Alter lassen die
Kräfte doch etwas nach. Den
Toten wird der Lärm wohl
egal sein,“ dachte sie. Gefrorener Kies knirschte unter
ihren Schuhen, als sie fröstelnd durch die verlassenen
Grabreihen ging. Der eisige
Wind zerrte an ihrem Kopftuch. Die Luft war schneidend kalt. Irma blieb vor
einem der Gräber stehen, und
hielt inne. „Dieses Weihnachtsfest werde ich ohne
dich feiern müssen Donna.
Aber in Gedanken werde ich
bei dir sein.“, sagte sie. Sie
beugte sich zur Grabstätte
hinab, nahm eine Grabkerze
aus ihrer Handtasche und
entzündete sie. Das Grab
wurde in einen rötlichen
Schimmer getaucht. Tränen
liefen ihr über die Wangen.
Mit einem Taschentuch
trocknete sie ihr Gesicht. In
lieben Erinnerungen an ihre
Freundin verharrte sie und
ihre Schultern zitterten. Der
auffrischende Wind ließ sie
leicht schwanken. Sie vergaß
Zeit und Ort.
Nach einer Weile hörte sie von
der nahen Kirche die Glocken
Anzeige
erklingen. „Ich muss nun wieder gehen, meine Liebe.
Schnipp wartet vor dem Friedhof und er friert bestimmt
schon.“ murmelte sie. Langsam wendete sie sich ab, und
ging den Weg, den sie kam,
wieder zurück.
hatte ihn vor einigen Wochen
an einem Baum angebunden
gefunden. Er bibberte vor
Angst und Kälte. Es machte
sie traurig, dass Leute so
etwas übers Herz bringen. Sie
hatte ihn Schnipp getauft und
schnell hatte sie ihn lieb
Unerwünscht im Warteraum
Neben dem Friedhofstor war
ein kleiner Hund angebunden.
Als er sie sah, sprang er freudig kläffend hin und her. Irma
Nun, da ihr klar wurde, wohin
sie ging, wurde ihr Gang
bestimmter und schneller.
- sn
gewonnen. Den Verlustschmerz, der sie nach dem
Tod ihrer Freundin ergriffen
hatte, ertrug sie jetzt ein
wenig leichter.
Mit Schnipp an der Leine
machte Irma sich in Gedanken
versunken auf den Weg nach
Hause. Sie fürchtete sich vor
der Einsamkeit, die dieser
Heilige Abend ohne ihre
Freundin mit sich bringen
würde.
Nach einer Weile bemerkte
sie, dass sie unbewußt eine
völlig andere Richtung eingeschlagen hatte. Dieser Weg
draußen! 2006
würde sie geradewegs zu
einem kleinen See führen. Oft
hatte Irma an dessen Ufer mit
ihrer Freundin auf einer Parkbank gesessen und vertraute
Gespräche geführt. Manchmal
hatten sie in stiller Zweisamkeit auch einfach nur dagesessen, um die Schönheit und
Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, zu genießen.
Auf dem Bahnsteig herrschte
vorweihnachtliche Betriebsamkeit. Jeder wollte zeitig zu
Hause sein, um das Weihnachtsfest im Kreise der Familie zu feiern. Erwin saß allein
in einem kleinen beheizten
Warteraum. Früher hatte er
mit seinem Freund Karl
zusammen hier gesessen. Sie
hatten die Reisenden beobachtet und über Gott und die
Welt geredet. Was sollten sie
auch sonst unternehmen? Sie
bewohnten gemeinsam ein
Zimmer im nahe gelegenen
Obdachlosenheim. Aber dort
gab es häufig Streit unter den
Bewohnern. Vor allem, wenn
GESCHICHTE
zuviel Alkohol getrunken
wurde. Zwar hatten sie sich
auch ab und an eine Flasche
Wein gegönnt, aber streitsüchtig sind sie dabei nie geworden. Im Gegenteil! Ihr Lebensmotto hieß: leben, und
leben lassen. „Mensch Karl,
warum bist du nicht zum Doktor gegangen, als ich es dir
geraten habe?“ dachte Erwin.
Dann könnten wir bestimmt
noch immer hier beisammen
sitzen. Karl war oft über sein
Leben bekümmert gewesen.
Als seine Firma bankrott ging
hatte seine Frau ihn verlassen.
Aus Frust hatte er zu trinken
begonnen. Das war ihm dann
alles auf den Magen geschlagen und er hatte schlimme
Bauchschmerzen bekommen.
Aber zum Arzt mochte er einfach nicht gehen. „Ärzte sind
mir suspekt“, hatte er oft
gesagt.
schleppenden Schritten auf
den Weg. „Einen alten Mann
einfach so in die Winterkälte
zu schicken!“ dachte er, als er
aus dem Bahnhof heraustrat.
Der Wind blies ihm ins
Gesicht. Trotzdem wollte er
nicht zurück zur Obdachlosenunterkunft. „Ich werde
noch eine Weile zum See hinunter gehen“, murmelte er
leise. „Das wird mir bestimmt
gut tun“. Er schlug den Mantelkragen hoch und machte
sich auf den Weg.
Am Seeufer, im Windschatten
einer Tannenschonung, saß
Irma auf der einzigen Bank.
Neben sich den kleinen
Schnipp. Sie blickte verträumt
über die matt schimmernde
Eisfläche. Am Ufersaum
sie. Er setzte sich gemächlich.
Der kleine Hund begann neugierig an ihm herumzuschnüffeln. Schweigend saßen sie
eine Weile nebeneinander.
Dann ergriff Irma das Wort:
„Wir haben uns eine Zeit lang
nicht gesehen, Erwin. Wo ist
denn ihr Freund, mit dem sie
sonst unterwegs sind?“ Erwin
hob seinen Blick und schaute
ihr ins Gesicht. „Er hat diese
Welt verlassen“, entgegnete er
traurig. „Der Magen hat
rebelliert. Sein Kummer hat
ihn aufgefressen.“ „Das tut
mir sehr leid“, sagte Irma.
Wieder war es still. Nach
einer Weile wollte er wissen:
„Und ihre Freundin, ist sie
noch im Krankenhaus? Wie
geht es ihr?“ „Auch sie hat
17
Weihnachtsfest verbringen,
wenn nicht mit ihrem
Freund?“ wagte sie sich
schließlich zu fragen. „Ich
weiß noch nicht, was heute
sein wird“, erwiderte Erwin
wahrheitsgetreu. Der vor
Kälte
zitternde
Hund
schmiegte sich an Erwins
warmen Mantel. „Er scheint
wirklich ein guter Mensch zu
sein.“ dachte Irma. Dann
erhob sie sich von der Bank.
„Kommen sie!“ forderte sie
ihn auf. „Es wird wohl ein
sehr kaltes Weihnachtsfest
werden. Aber ein einsames
braucht es nicht zu sein.“
Erwin zögerte. Er blickte sie
verlegen an. „Nun kommen
sie schon, bevor wir hier
noch festfrieren“, ermunterte
Irma ihn und hielt Erwin
Eines Morgens war Erwin von
einer Reise zurückgekehrt. Er
hatte Karl in seinem eigenen
Blut liegend vorgefunden.
„Magendurchbruch! Er ist vor
etwa drei Stunden verstorben“, hatte der Notarzt sachlich festgestellt.
In Erwins Augen schimmerten
Tränen, als er nun an jenen
Morgen zurückdachte. „Kann
ich bitte mal ihren Ausweis
sehen“, riss ihn eine Stimme
aus seinen trüben Gedanken.
Zwei Beamte der Bundespolizei standen vor ihm, und
musterten ihn streng. Überrascht kramte er seinen Ausweis hervor und gab ihn weiter. Während der eine Beamte
die Papiere kontrollierte, fragte sein Kollege: „Wollen sie
verreisen? Kann ich mal die
Fahrkarte sehen?“„Ich wollte
mich hier nur etwas aufwärmen“, erwiderte Erwin. „Das
ist gegen die Vorschriften“,
sagte der Polizist bestimmt.
„Sie müssen den Bahnsteig
unverzüglich verlassen.“ Erwin bekam seinen Ausweis
zurück, und machte sich mit
Gemeinsam den Heiligen Abend feiern
streckten Korbweiden ihre
Äste wie dürre Finger Richtung Himmel. Sie sah einen
Mann auf sich zukommen. Sie
freute sich, als sie Erwin
erkannte, mit dem sie schon
früher gerne geredet hatte. Er
lächelte sie freundlich an, als
er vor der Bank stand: „Ob ich
mich wohl einen Augenblick
zu Ihnen setzen dürfte, Irma?“
„Aber natürlich“, antwortete
- sn
diese Welt verlassen. Das
Herz wollte nicht mehr mitmachen“, antwortete sie nach
kurzem Zögern. „Mein aufrichtiges Beileid.“ Erwin sah
sie betroffen an. Der eisige
Wind nahm an Stärke zu.
Schnipp leckte vertrauensselig an Erwins Hand. Irma
beobachtete beide lächelnd
und ihr kam eine Idee. „Mit
wem werden sie heute das
ihren Arm entgegen. „Da
wartet noch eine Gans, die
gebraten werden will und ein
Baum, der geschmückt werden muss.“ Erwin stand auf
und hakte sich bei Irma ein.
Schnipp sprang freudig von
der Bank und umkreiste die
beiden. Nun machten sie sich
auf den Weg und freuten sich
auf den gemeinsamen Heiligen Abend.
draußen! 2006
18
DRINNEN
Knastbücherei:
Lesen hinter Gittern
Stadtbüchereien wären über so eine Quote froh:
80 Prozent aller Gefangenen nutzen die Bibliothek der Justizvollzugsanstalt in der Gartenstrasse. Eine Chance, klüger aus dem Knast zu
kommen, als man reingegangen ist. Für Maria
„Für die Freiheit des Wortes“ unter diesem Motto stand die
feierliche Neueröffnung Mitte
November am Tag des Writers-in-Prison-Day, dem weltweiten Gedenktag an verfolgte Autoren. Für die Insassen
der 152 Jahre alten JVA hat
das Wort Freiheit unbestreitbar seine eigene, ganz besondere Bedeutung. Trotz des
schlechten Wetters und der
Kühle im Veranstaltungsraum,
gelang es Maria Look, den
vielen angereisten Medienvertretern aus Presse, Funk und
Fernsehen ihre Anstalt erfolgreich zu präsentieren. Als
erste von vier Rednern
erwähnte sie die hohe Benutzerquote und den Platzmangel, die es nötig machten, die
neue Bibliothek einzurichten:
Anzeige
draußen! 2006
Look, Leiterin der JVA, ist Lesen wichtig für die
Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Weil
die alte Bücherei zu klein geworden war, musste
eine neue her. Jörg Rostek hat an der Eröffnung
teilgenommen.
„Die Übersichtlichkeit war
nicht mehr sichergestellt.“
Wahrlich: Wie beruhigend
und notwendig ist doch die
Freiheit des Geistes, besonders in der Unfreiheit. Das
Wissen wir spätestens seit der
„Schachnovelle“ von Stefan
Zweig. Jetzt stehen auf hundert Quadratmetern Regale,
angefüllt mit Lektüre aus
allen erdenklichen Gebieten:
Belletristik,
Geschichte,
Theologie, Philosophie und
Wissenswertes über Westfalen, in der Bücherei der JVA
findet jeder etwas passendes.
Auch Comics.
Ein kleines Eckchen ist reserviert für Werke unterdrückter
Autoren, wie Rushdie, Pamuk
und Solschenizyn.
Ja, es könnte beinahe eine gut sortierte Buchhandlung sein, was sich
den neugierigen
Besuchern
der
Feier dort bot und
den Insassen nun
zur „freien“ Verfügung steht. Fontane auf Litauisch,
Böll auf Spanisch
und Puzo auf Polnisch bieten auch
denjenigen Einblick in die Welt
der Bücher, die des
Deutschen kaum
oder nicht mächtig
sind. Alle erforderlichen Sprachen
sind vorhanden.
Für die Einge-
sperrten ist die Bibliothek
sicher auch eine gerne genutzte Möglichkeit die enge Zelle
für kurze Zeit zu verlassen.
Lesestube Gartenstrasse
Geld-, Bücher- und Sachspenden sowie Rat und Tat haben
eine besuchenswerte Bibliothek hervorgebracht. Das
Architekturbüro Bolles + Wilson, das schon die Stadtbücherei in Münsters Innenstadt entwarf, trug maßgeblich
dazu bei. Michael Klaus ist
Vizepräsident des PEN-Zentrums in Deutschland, einer
Organisation, die sich schon
jahrelang für das freie Wort
einsetzt. Er betonte eindrucksvoll die Bedeutung des PEN
und die Verschlechterung der
„Freiheit des Wortes“ nach
den Attentaten in den USA am
11. September 2001. Die
Wahrheit könne in den Texten
von Autoren auch hinter einer
Fabel versteckt sein, um sie
vor der Zensur zu schützen,
erklärte Klaus. Sehr deutlich
und einprägsam war seine Kritik an autoritären Staaten wie
Sierra Leone und Iran, die die
Menschenrechte ihrer Bürger
und die Freiheit ihrer Autoren
missachten und einschränken.
Etwas über 150 Gäste waren
bei der Feier anwesend. Vier
engagierte Reden wurden ge-
- archiv
halten und in den Pausen
erklang bezaubernde Gitarrenmusik, gespielt von der anstaltseigenen Gitarrenlehrerin
Tania Pentcheva. Ganz kurz
kam es einem so vor, als sei
dies eher eine Art Treffen von
alten Bekannten und Freunden. Nur die Gefangenen kamen nicht zu Wort, niemand
bat sie ans Rednerpult. Stattdessen schenkten sie für die
Gäste Eintopf aus. Vielleicht
hätten sie einiges zu erzählen
gehabt. Am Tag „Für die Freiheit des Wortes“ in der Unfreiheit.
19
CANDLELIGHT
City-Advent:
die Schokoladenindustrie das
Potential, das im Adventskalender steckt und er trat seinen
Siegeszug um die ganze Welt
an.
Steine vom Herzen
Verstopfte Straßen, brechend volle Geschäfte, gestresste Kunden und Verkäufer. Kurz
vor Weihnachten herrscht wie jedes Jahr
Ausnahmezustand in Münster. Von Besinnlichkeit keine Spur, an den Advent erinnert
Advent in Münster. Aus Bussen und Zügen quellen Touristen, die in die Altstadt ziehen
und kategorisch alle Straßen
mit Kopfsteinpflaster zur
Fußgängerzone erklären. Ihr
Ziel: der Weihnachtsmarkt.
Lichterketten, wohin das
Auge blickt. Aus dem Lichtlein - erst eins, dann zwei,
dann drei, dann vier- sind
unzählige Glühbirnen geworden. Spielzeug, Weihnachtsschmuck,
Kunsthandwerk
und jede Menge Leckereien,
herzhaft oder süß, je nach
Laune und Geschmack. Es ist
schwer, aus dem Menschenstrom, der sich durch die
Budenreihen zwängt, auszubrechen und sich zu den einzelnen Ständen durchzuboxen. Im Gedränge bleibt
kaum Platz, das nach langem
Anstehen erbeutete Essen zu
verspeisen. So mancher Besucher lässt sich mit seinem Plastikteller müde und erschöpft
in einem Kaufhauseingang
nieder. Aber trotz allem: die
in Lichter getauchte Altstadt,
die
Tannenbäume,
geschmückten Buden, weihnachtlichen Düfte und Lieder
sind ein Erlebnis. Wer mit
Muße über den Weihnachtsmarkt schlendert, kann noch
etwas erahnen von der Vorfreude und Besinnung als
eigentliche Absicht des Advent. Vorfreude worauf? Abgesehen vom Weihnachtsfest
mit Familie, gutem Essen und
Geschenken? Advent heißt
Ankunft, und derjenige, dessen Kommen erwartet wird,
ist Jesus.
nur die Beleuchtung. Festliche Stimmung
findet man höchstens auf dem Weihnachtsmarkt bei einer Tasse Glühwein und Gebäck.
Heidi Brülls erinnert daran, was Advent aus
christlicher Sicht eigentlich bedeutet.
Für viele heute unvorstellbar:
Das Warten auf die Ankunft
Christi war ursprünglich eine
Kuppel der Dominikanerkirche
Buß- und Fastenzeit, und im
Advent durfte weder getanzt
noch geheiratet werden. Denn
man dachte nicht an die
Geburt des kleinen Kindes im
Stall von Bethlehem, sondern
an die Wiederkunft des Erlösers am Ende der Zeiten.
Aber schon früh setzte sich
daneben auch das Motiv der
Menschwerdung
Gottes
durch, die Freude darüber,
dass Gott „in tiefster Nacht
erschienen“ ist und in einem
hilflosen Neugeborenen Gestalt angenommen hat. Kerzen anzuzünden symbolisierte das Licht, das durch Jesus
in die Welt gekommen war.
Erst im 19. Jahrhundert kam
jemand im protestantischen
Norddeutschland auf die Idee,
Kerzen auf einen mit Tannenzweigen umkränzten Holzreifen zu stecken. Daraus ent-
- André Guczki
wickelte sich schließlich der
Adventskranz, der bald in ganz
Deutschland verbreitet war
und 1925 zum ersten Mal auch
in einer katholischen Kirche
hing. Den Adventskalender
gibt es ebenfalls noch gar nicht
so lange. Früher hat man, um
den Kleinen die Tage bis Weihnachten zu verkürzen, für
jeden Tag einen Strohhalm in
die Krippe gelegt oder 24 Kreidestriche an die Haustür
gemalt, von denen täglich einer
weggewischt wurde. Den
ersten Adventskalender schuf
1908 ein schwäbischer Pfarrersohn. In seiner Kindheit hatte
die Mutter 24 Plätzchen auf
einen Karton genäht, um ihm
die lange Zeit bis zum Heiligabend zu versüßen. Nach dem
Zweiten Weltkrieg entdeckte
Wer einmal von der Hektik der
Weihnachtseinkäufe verschnaufen möchte, für den ist die
Dominikanerkirche in der
Salzstraße die richtige Adresse. Hier veranstaltet das „Kirchenfoyer“ den sogenannten
„City-Advent“. Also eintreten,
die vollen Einkaufstüten beiseite stellen, Stress abschütteln
und zur Ruhe kommen. Das
Motto in diesem Jahr lautet
„Gottes Weg mit mir...“. Diesem Weg kann der Besucher an
verschiedenen Orten der Stille
für sich selbst nachspüren.
Zum Beispiel beim Betrachten
der Photos unterschiedlicher
Menschen, die ihren persönlichen Weg mit Gott beschrieben
haben. In einem Buch in der
besinnlichen Ecke kann man
seine Wünsche eintragen. Die
Ordensschwestern der Klarissen schließen sie dann im Dom
in ihre Gebete ein. Seine Sorgen kann man in der Dominikanerkirche symbolisch ablegen, indem man sie auf einen
Stein schreibt. Wer möchte,
darf sich aus dem Steinhaufen
einen wegnehmen, um so die
Sorgen eines anderen mit zu
tragen. Und wenn jemand nach
dieser Atempause Lust auf
einen Glühwein bekommt,
braucht er nicht lange zu
suchen, wenn er die Kirche
wieder verlässt.
Dominikanerkirche
26.11.05 - 18.12.05
Öffnungszeiten:
Mo - Do 15.00 - 18.00 Uhr
Fr 13.00 - 18.00 Uhr
Sa 13.00 - 17.00 Uhr
So 12.00 - 17.00 Uhr
draußen! 2006
20
SPENDENAUFRUF
Spenden Sie uns!
Liebe Leserinnen und Leser,
hoppla, schon wieder Weihnachten, schon wieder ein Jahr vorbei. Ich habe das Gefühl, die Zeit
vergeht schneller, je älter man wird. Ein Freund, der sich für solche Phänomene interessiert, hat
mir mal erklärt woran das liegt: Für ein fünfjähriges Kind bedeutet ein Jahr ein Fünftel seines
Lebens und das ist gefühlt eine ganz schön lange Zeit. Für einen Vierzigjährigen macht das Jahr
aber nur ein Vierzigstel aus - ein Wimpernschlag im Vergleich zum Gefühl eines Kleinkindes.
Wir bei „draußen!“ jedenfalls
haben die knappe Zeit genutzt
und blicken auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Die Auflage
hat sich zwischen 5.500 und
6.000 Hefte eingependelt, das
ist noch mal eine leichte Steigerung gegenüber letztem
Jahr. Trotzdem: Ohne Ihre
Spende kann die „draußen!“
nicht überleben, dazu müssten
wir doppelt so viel verkaufen.
Ob wir das jemals schaffen,
keine Ahnung. Aber wir bemühen uns nach Kräften. Weil
Anzeige
wir im letzten Jahr viele neue
Verkäufer gewonnen haben,
sind wir nun auch außerhalb
Münsters in Greven, Telgte
und Warendorf regelmäßig
präsent. Über 30 Verkäufer
sind jetzt für die „draußen!“
aktiv und dazu hat die HartzReform einen großen Beitrag
geleistet. Die Menschen sind
ärmer geworden.
Mit Ihrer Spende helfen Sie,
jenen eine Perspektive zu geben,
die am Rande der Gesellschaft
stehen. Viele unserer Verkäufer
würden morgens keinen Grund
haben aufzustehen, gäbe es die
„draußen!“ nicht. Sie ist ein
gutes Stück Lebensinhalt für sie
geworden und ein bisschen auch
wie ein Zuhause. Die meisten
haben keine Aussicht eine „normale“ Stelle zu bekommen.
Weil sie auf der Straße krank
geworden sind, weil sie psychische Probleme haben, weil sie
niemand brauchen kann. Deshalb stehen sie bei Wind und
Wetter in der Innenstadt und
haben für jede Käuferin und
jeden Käufer ein nettes Wort,
manchmal sogar einen Lutscher
oder ein paar Kekse für die Kinder. Sie sind gute Botschafter
unserer Stadt, das beweisen die
Mails, die uns Besucher von
auswärts schicken.
Und nun ist die „draußen!“
sogar in Polen ein Begriff. Dank
unserer neuen Fußballmannschaft, die als deutscher Vertreter bei der inoffiziellen Europameisterschaft in Gdansk einen
großen Beitrag zur Verständigung zwischen den beiden Ländern geleistet hat. Die „Fußballberber Draußen Münster“
waren auf geschichtlich schwierigem Terrain sympathische
Repräsentanten und die Lieblinge der polnischen Fans. Unsere
Kicker zeigen, wie schnell Menschen zu motivieren sind, die
sich lange haben hängen lassen.
Anstatt den ganzen Tag auf der
„Platte“ rumzuhängen, rennen
sie jetzt auf der Wiese dem Ball
hinterher.
Wer für „draußen!“ spendet,
kann sicher sein: Das Geld
kommt dort an, wo es hin soll.
Direkt, ohne Umweg. Es fließt
in die Weihnachtsfeier, in das
Sommerfest, in die Miete für
unser Büro. Wir unterstützen
damit auch die Verkäufer, die im
Krankenhaus oder in der Psychiatrie sind und eine Zeitlang
nicht auf der Straße stehen können.
Damit wir auch in Zukunft
unsere soziale Aufgabe erfüllen
können, sind wir auf Ihre Hilfe
angewiesen. Deshalb bitte ich
Sie um einen kleinen Beitrag.
Jede Spende hilft. Wie die zehn
Euro, die uns neulich eine ältere
Dame geschickt hat mit einem
lieben Brief dabei. Sie finden in
diesem Heft einen Überweisungsträger, den Sie nur noch
auszufüllen brauchen. Sollte
der verschwunden sein, steht
unsere Bankverbindung vorne
im Impressum. Ich wünsche
allen unseren Leserinnen und
Lesern ein frohes Weihnachtsfest und einen Guten Rutsch
ins neue Jahr.
Ihr Gerrit Hoekman
Falschaussage
Letzten Monat berichteten wir über einen Neonazi, der angeblich an der Volkshochschule und am Sprachwissenschaftlichen
Institut der Universität unterrichten soll. Das behauptet zumindest die Antifaschistische Aktion aus Münster. Was die Uni
angeht, hat die Antifa scheinbar schlampig recherchiert. „Bei
uns hat der Mann nie Seminare gegeben“, wehrt sich das Institut gegen den Vorwurf Rechtsradikale bei sich zu dulden. „Das
gäbe es bei uns auch nicht.“ Zwar sei der Neonazi in den UniListen als freier Dozent geführt, aber keinem Fachbereich zugeordnet. Man werde in jedem Fall Augen und Ohren offen halten.
draußen! 2006
21
BERLIN
Bundespräsident Horst Köhler
Grußwort für die Straßenzeitungen
Es sind oft kleine Nachrichten, die es nur selten bis ins
Fernsehen schaffen. Umso
wichtiger sind sie aber für
jene, die darin eine Rolle spielen oder die in ihrem Alltag
ganz ähnliche Situationen
erleben.
Liebe Leserinnen und Leser,
während Sie diese Straßenzeitung lesen, sitzen Sie wahrscheinlich in der U-Bahn oder
S-Bahn. Sie fahren zur Arbeit,
zum Einkaufen oder nach
Hause. Vielleicht sind Sie ein
bisschen abgelenkt, weil Sie
schon darüber nachdenken,
was Sie am Ziel Ihrer Reise
tun werden.
Dennoch nehmen Sie Eindrücke mit, indem Sie in dieser Zeitung blättern, und erhalten Einblicke in Lebenswelten,
die Sie nicht alle aus persönlicher Erfahrung kennen: Sie
lesen einen Artikel über Armut
in der Stadt und einen über
Probleme mit Ein-Euro-Jobs
und Hartz IV. Sie erfahren,
dass eine Freiwilligenagentur
Nachwuchs sucht. Ein Überblick über kulturelle Veranstaltungen in Ihrer Stadt liegt der
Straßenzeitung vielleicht auch
bei, und eine Tombola für
Bedürftige vermeldet, was sie
eingespielt hat. Sie finden ein
Interview mit dem Besitzer
eines kleinen Sportstudios und
einen Beitrag, in dem die
sozialen Probleme von kinderreichen Familien beschrieben
werden. Ein Straßenzeitungsverkäufer schildert seine Eindrücke von der weihnachtlichen Stadt. Am Ende finden
Sie die Lokalnachrichten:
Neuigkeiten aus Fußballverein, Standesamt, Schuldnerberatung, Arbeitsamt, Kirche
und Tierheim.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen
geht: Ich freue mich immer,
wenn ich auf eine interessante
Information stoße, die ich in
anderen Zeitungen nicht gefunden hätte. Bei den Berichten aus den Stadtvierteln fühle
ich mich kurzfristig in einer
Straße, einer kleinen Lebenswelt zu Besuch. Oft lese ich
aber auch von Dingen, die mir
keine Ruhe lassen, zum Beispiel von Kindern, die in Armut leben, von Ausschreitungen gegen Obdachlose oder
von einsamen alten Menschen. Ich denke dann, das
darf so nicht sein, da muss
man doch was ändern können!
Nun werden einige von Ihnen
sagen, Sie sind doch der Bundespräsident, Sie könnten
doch alle Missstände ändern,
wenn Sie wollten! Ganz so
einfach ist es aber nicht.
Natürlich kann ich als Bundespräsident den Finger in
manche Wunde legen, indem
ich die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit auf bestimmte
Tatsachen lenke. Aber wirklich etwas ändern - das können wir nur alle gemeinsam.
Ohne die Mithilfe von jeder
und jedem Einzelnen von
Ihnen, liebe Leserinnen und
Leser, werde ich aber gar
nichts ausrichten. Nur wenn
wir alle hinschauen, werden
Ausschreitungen gegen Obdachlose aufhören, werden
Kinder bekommen, was sie
brauchen, wird jemand der
alten Dame von nebenan beim
Einkaufen helfen. Meine
besondere Hochachtung gilt
daher all jenen Menschen, die
sich ehrenamtlich engagieren.
Sie haben erkannt, dass kein
Einzelner machtlos ist, und
dass selbst Politiker nicht so
einflussreich sind, dass sie alle
Probleme aus der Welt schaffen könnten.
Dabei ist es egal, wo man sich
engagiert - Sport- oder Heimatvereine, Umwelt- und
Naturschutzverbände
sind
genauso wichtig wie soziale
Einrichtungen und die private
Hilfe in der Nachbarschaft.
Ich möchte daher auch Sie,
liebe Leserin, lieber Leser,
bitten, sich für ein Thema zu
engagieren, das Ihnen wichtig
ist. Nicht nur, weil Weihnachten ist - das ist ein guter
Anlass, um ein solches Engagement zu beginnen, aber
nicht die einzige Zeit, in der
Ihre Hilfe gebraucht wird.
tan: Sie unterstützen durch
den Kaufpreis eine Obdachloseninitiative, und Sie informieren sich aus der Straßenzeitung über Probleme und
Aspekte, die Obdachlose in
Ihrer Stadt wahrnehmen. Vielleicht haben Sie ja gerade deshalb jetzt, in der Weihnachtszeit, eine Obdachlosenzeitung
gekauft, weil auch die Weihnachtsgeschichte von einer
Familie erzählt, die kein
Zuhause hat. Vielleicht geht es
Ihnen aber auch wie mir und
Sie haben durch diesen Kauf
Ihrer Dankbarkeit darüber
Ausdruck gegeben, dass Sie
ein warmes Zuhause haben
und dass es Ihnen gut geht.
Welche Motive dabei eine
Rolle gespielt haben, ist letztlich nicht wichtig. Wichtig ist,
dass jeder Einzelne von uns
auf diesem Weg weitergeht.
Allen Verkäufern, Mitarbeitern und Lesern dieser
Straßenzeitung und ihren
Familien wünsche ich ein
gesegnetes Weihnachtsfest.
Ihr
Indem Sie diese Zeitung
gekauft haben, haben Sie bereits einen ersten Schritt geAnzeige
Feldenkrais-Praxis
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Ludgeristr. 114
48143 Münster
Tel./Fax: 0251-796707
draußen! 2006
22
KRAKERS
Frauenstraße 24:
Gerd Meyerratken ist tot
Vermutlich können sich nur betagte Münsteraner an die Besetzung des Jugendstilhauses in der Frauenstraße 24 erinnern
und die damit verbundenen Demonstrationen. Wer aber die Auseinandersetzung um
Einmal schickten Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet
wintertags eine LKWLadung Kohlen für die
Besetzer vorbei. Die Kumpel wollten der Frauenstrasse 24 Solidarität beweisen.
Viele Geschichten ranken
sich um das Haus mit der
blauen Jugendstilfassade,
sogar einem Giftanschlag
sind die Bewohner Ende
der Siebziger nur knapp
entkommen. Bis zu 5.000
Demonstranten trafen sich
dereinst in Münsters Innenstadt, weil mal wieder Politiker und Polizei mit der
Räumung drohten. Aber
das Haus hat alles überstanden, selbst den Krieg,
als eines der wenigen Gebäude in der Innenstadt.
den drohenden Abriss des Hauses begleitet
hat, dem ist wahrscheinlich auch Gerd
Meyerratken ein Begriff. Klaus Panreck
erinnert an den Münsteraner, der vor
Kurzem gestorben ist.
Als 1973 der alte Besitzer
der Frauenstraße 24 gestorben war, rissen sich
eine Menge Makler um die
historische Hütte. Erben
gab es keine. Der neue
Eigentümer drängte die
Mieter auszuziehen, die
meisten suchten sich was
neues. Nur der Kunststudent Gerd Meyerratken war
renitent, er wollte seine
liebgewonnene Bleibe partout behalten. Die längste
Hausbesetzung in der Bundesrepublik hatte begonnen. Schnell zogen weitere
Studenten in die leere Frauenstraße und verschanzten
sich hinter Stacheldraht.
Die Politiker blieben lange
Zeit hart, keine Verhandlungen, kein Entgegen-
Anzeige
Presse und Informationsamt
Tausend Fragen - eine Adresse
Infos und Service im publikom - Stadtnetz für Münster
www.muenster.de
Portal für Münster und das Münsterland
www.muenster.de/stadt
Service und Infos der Stadtverwaltung
www.muenster.de/soziales-netz
Sozialforum, Online-Freiwilligenbörse
www.termine.muenster.org
Münsters Veranstaltungskalender
www.wilsberg.muenster.de
Das „Wilsberg“-Spiel des Presseamtes
www.buene.org/stadtgespraech
Diskussion: Münsters Bürger reden mit
www.awm.muenster.de
Abfall und Recyling, Entsorgungskalender
www.muenster.de/stadt/formulare
Vordrucke online - das spart Zeit und Wege
draußen! 2006
ber ging bei Hausbesetzers, dann glättete er die
Wogen und hielt die
Wohngemeinschaft zusammen. Er war redegewandt
und alleine schon durch
seine Körpergröße eine
charismatische
Erscheinung. Selbst im Winter
hielt er als einer der wenigen aus, ohne Heizung,
Strom und fließend Wasser.
kommen. Erst nachdem die
Studenten damit drohten,
einen internationalen Hausbesetzer-Kongress in Münster abzuhalten, endete die
Auseinandersetzung.
Die
Mieter bekamen Verträge
und durften ab sofort legal
in der Frauenstraße wohnen. Inzwischen gehört
das Haus der Landesentwicklungsgesellschaft, der
AStA, die Vertretung der
Studenten, kümmert sich
um das Organisatorische
und sucht die Mieter aus.
Gerd Meyer ratken war
eine der treibenden Kräfte
beim Erhalt der Frauenstraße 24, die inzwischen
unter Denkmalschutz steht.
Wenn es drunter und drü-
Bis in die späten Achtziger wohnte Meyer ratken
in der Frauenstraße 24. Er
arbeitete als Gastdozent
an der Kunstakademie in
Münster und stellte unter
anderem in Berlin, Köln
und dem Ruhrgebiet aus.
Eine überregionale Berühmtheit, die von der
Kunst leben konnte. Am
30. Oktober ist Gerd Meyerratken im Alter von 68
Jahren gestorben und auf
dem Zentralfriedhof beigesetzt worden. Und wenn
wir das nächste Mal in der
Frauenstraße 24 unten in
der Kneipe sitzen, dann
schauen wir uns sein
berühmtes Wandgemälde
an und trinken ein Glas
auf ihn.
23
LESERBRIEFE
Leserbrief:
Leserbrief:
Lutscher für die Kleinen War dieses Armutszeugnis wirklich nötig?
Unsere Verkäufer sind freundlich, das hören wir immer wieder. Selten bekommen wir aber
so eine schöne Zuschrift, wie die
von Thomas und Marvin Dietzel aus Hopsten:
Hallo liebe draussen Redaktion,
Hause nicht aus der Hand
gegeben.
ich hatte heute eine sehr nette
Begegnung mit einem eurer
Verkäufer. Leider habe ich
nicht auf sein Namensschild
geschaut, aber er stand vor
Sinn Leffers. Er ist übrigens
großer VW-Käfer-Fan. Wir
hatten zwar nur eine kurzes,
aber sehr schönes Gespräch.
Er hatte sogar für meinen
Kleinen einen Lutscher und
sagte dass er sich das extra für
die Kinder ausgedacht hat.
Das ist ganz großes Kino und
mein Kleiner hat den Lutscher
auch die ganze Fahrt nach
Mir hat diese positive Einstellung an dem Herrn sehr imponiert und ich wünsche ihm
und allen anderen Verkäufern
alles positive. Egal was auch
passiert: Man sollte sich nicht
seine Würde und seinen
Humor nehmen lassen.
Vielen Dank
Liebe Grüße
Thomas + Marvin Dietzel
aus Hopsten
Der Verkäufer heißt übrigens Michael Schmitz und ist in der Tat
ein großer Käfer-Fan. Mit dem Geld, das er durch die „draußen!“
verdient, fährt er zu Auto-Treffen in der ganzen Republik. Das
mit den Lutschern und den Keksen hat er sich selbst ausgedacht
und kommt damit offenbar gut an. Auch eine Leserin rief in der
Redaktion an und richtete Michael ihre besten Grüße aus.
Übrigens:
Bei unseren Verkäufern
können Sie auch noch
immer die „WIR“, die
bundesweite Verkäuferausgabe des Bundesverbandes der sozialen Strassenmagazine kaufen.
Welch´ ein Erfolg: die Nazis
konnten nur eine von drei Kundgebungen in der Öffentlichkeit
mitteilen. Das war der positive
Ausgang der Demo gegen den
angekündigten Nazi-Aufmarsch
in Göttingen am 29.10.05. Leider
fiel die Beteiligung der von uns
angesprochenen Münsteraner
alles andere als befriedigend aus.
Als wir im Internet auf die Demo
gegen Nazis aufmerksam wurden,
die in zwei Wochen stattfinden
sollte, waren wir sofort fest entschlossen, uns zu engagieren. Wir
fertigten prompt Plakate an und
hängten sie in Münster bei Anlaufpunkten wie Supermärkten und
Diskotheken auf. Außerdem
mischten wir uns in Münsters
Nachtleben, verteilten Flyer mit
den wichtigsten Informationen zur
Demo und unseren Telefonnummern (bei eventuellen Rückfragen
und Absprachen) und sprachen
gezielt Menschen an, um sie dazu
zu bewegen, mit uns nach Göttingen zu fahren und gegen Nazis
aktiv zu werden. Damit die Kosten
nicht zu groß wurden, schlugen
wir die Fahrt mit dem Wochenendticket vor. Das wären dann bei
fünf Personen jeweils sechs Euro
Kostenaufwand gewesen. Doch
selbst das war den meisten noch
zuviel. Außerdem mussten wir
uns mit Sätzen wie „Ich kann doch
sowieso nichts ändern!“ und „Das
bringt doch alles nichts!“ abspeisen lassen.
Dass wir auf so wenig Interesse
und vor allem Gleichgültigkeit
gestoßen sind, hat uns nicht nur
erstaunt, sondern auch entsetzt.
Richtig frustriert waren wir, als
wir nachts fünf Stunden bevor der
Zug nach Göttingen gefahren
wäre, niemanden gefunden hatten,
um uns das Zugticket teilen zu
können. Die Tatsache, dass in
unserer Demokratie, in der alle
Menschen gleichberechtigt sein
sollten, Aufmärsche erlaubt werden, bei denen ausländische Mitbürger als weniger wert angeprangert werden, finden wir schockierend. Aber dass es so schwierig ist,
jemanden zu finden, der sich dem
entgegenstellt, ist ein Armutszeugnis für Münster.
Wer Interesse hat, im nächsten
Jahr auf friedliche Art und
Weise den Nazis entgegenzutreten, wende sich bitte an die
„draußen!“ -Redaktion.
Radlos ?
Sarah und Claudia
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gebrauchte Fahrräder
Montag bis Freitag
10 - 13 Uhr
14 - 18 Uhr
Frauenfahrradladen
Dortmunderstr. 11 Tel 66 57 61
draußen! 2006
24
EXIL
Kurt Tucholsky:
Ein aufgehörter Deutscher
Vielen ist er heute nur noch wegen seines streitbaren Ausspruchs „Soldaten sind Mörder!“ ein
Begriff. Doch Kurt Tucholsky war viel mehr:
Mit der Feder kämpfte der Publizist und Theaterkritiker gegen deutschen Militarismus und
Welche Verbindung hat einer
wie Kurt Tucholsky zu Münster? Geboren ist er woanders,
gestorben auch. Wir wissen
noch nicht einmal, ob er
jemals in der Stadt gewesen
ist. Aber seine Bücher lagen
auch in Westfalen auf dem
Scheiterhaufen der Nazis.
Neben den Werken all der
anderen großen Schriftstellern, die im Dritten Reich verbrannt wurden.
„Deutsche, kauft deutsche
Zitronen!“ Der brillante Satiriker Kurt Tucholsky überschüttete die Nazis zunächst
mit beißendem Spott. Nach
ihrer
Machterschleichung
1933 vernichteten die Nationalsozialisten öffentlich das
Werk des feingeistigen Humanisten als zersetzende Literatur. Tucholsky, der sich zu der
Zeit bereits in Schweden im
Exil befand, kommentierte die
Ereignisse in Deutschland mit
Galgenhumor: „Schadensersatzforderungen haben keine
Aussicht.“ Die Nazis entzoAnzeige
draußen! 2006
Nationalwahn. Am 21. Dezember jährt sich
Tucholskys Todestag zum 70. Mal. Malte Koppe
gedenkt einem Mann, der sich stets in Opposition zu seiner Zeit befand. Ein Vorbild für heutige Journalisten.
gen ihm die deutsche Staatsbürgerschaft, voll tiefer Verbitterung stellte der studierte
Jurist danach das Schreiben
für immer ein.
Als Sohn eines Bankkaufmanns wuchs Tucholsky ohne
materielle Not auf und konnte
sich sorgenfrei seinem Studium widmen. Zu schaffen
machte ihm aber der frühe Tod
des Vaters und das schlechte
Verhältnis zur Mutter. 1912
veröffentlichte er „Rheinsberg
- ein Bilderbuch für Verliebte“, in dem er sich nicht um
die verordnete Prüderie im
Kaiserreich scherte. Ein Jahr
später begann er als Theaterkritiker für die linksliberale
Zeitschrift „Die Schaubühne“,
später „Weltbühne“, zu schreiben.
Im Ersten Weltkrieg kam der
Pazifist als Feldschreiber um
den Schützengraben herum.
Nach Kriegsende schrieb er
unter seinen Pseudonymen
Peter Panter und Theobald
Tiger politische Leitartikel,
Gerichtsreportagen, Satiren
und Gedichte. Es gab kaum
ein Gebiet, zu dem Kurt
Tucholsky nichts zu sagen
hatte. Wie sein Vorbild Heinrich Heine verbrachte Tucholsky einige Jahre in Frankreich.
Schloss Gripsholm
„Ich ruh' mich von meinem
Vaterlande aus“, schrieb er
aus Paris. Von dort setzte er
sich für die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland ein. „Es muß vernünftig
und besonnen von einer
Demokratie zur anderen verhandelt werden. Dazu müssen
freilich zwei da sein. Frankreich hat eine ... „, bemerkte er
bissig. Politisch schlug das
Herz des Satirikers für die
unabhängigen Sozialisten.
Doch alles Engagement blieb
vergebens: Die Stimmung in
Deutschland wurde mit jedem
Tag radikaler. Gleichzeitig
verschlechterte sich Tuchol-
skys Gesundheitszustand zunehmend. Genau parallel zum
Niedergang der ersten Demokratie in Deutschland.
Tucholskys Leben und Werk
sind umstritten. Manche werfen ihm versteckten Antisemitimus vor und verweisen dabei
vor allem auf die „Wendriner“-Geschichten. Der Historiker Golo Mann glaubt, Tucholsky trage Mitschuld am
Scheitern der Weimarer Republik. Dass er die „Weimarer
Verhältnisse“ und das konservative Bürgertum kategorisch
abgelehnt hatte, habe alleine
den Nationalsozialisten in die
Hände gespielt. Manche stießen sich auch am Privatleben des Satirikers und seine zahlreichen Liebschaften.
Christiane
Dahms
vom Institut für
Neuere
deutsche
Literatur an der Universität Münster verteidigt den Schriftsteller: „Tucholsky ist
in erster Linie ein virtuoser literarischer
Publizist, der gegen
sämtliche Instanzen
seiner Zeit Sturm
läuft, und dies laut
und ausgesprochen
kreativ. Sein Werk
- www lässt sich durchaus
als Versuch
zur
Mobilisierung
der
Abwehrkräfte gegen den Nationalsozialismus deuten.“
Über Tucholskys letzte Lebensjahre geben nur seine privaten Briefe Auskunft. „Daß
unsere Welt in Deutschland zu
existieren aufgehört hat, brauche ich Ihnen wohl nicht zu
sagen. Und daher: Werde ich
erst amal das Maul halten“,
klagte er einem Freund. Die
volle Brutalität des Dritten
Reichs hat Tucholsky nicht
mehr erlebt. Er starb 1936 in
Schweden an einer Überdosis
Schlaftabletten, vermutlich
wählte er den Freitod.
25
MIX
Schnee in deutschen Flüssen
Bald ist Weihnachten und zu
Weihnachten
gehört
der
Schnee wie der Weihnachtsmarkt in den Münsteraner Rathausinnenhof. Doch der nun in
deutschen Flüssen entdeckte
Schnee lässt das adventliche
Herz nicht höher schlagen. Es
schrillen vielmehr die Alarmglocken!
Der Glöckner der deutschen
Wissenschaftler heißt Professor
Fritz Sörgel, vom Nürnberger
Institut für Biomedizinische
und Pharmazeutische Forschung, kurz IBMP. Fritz Sörgel sorgte bereits vor einigen
Jahren für Schlagzeilen, als er
Kokain-Spuren auf 90 Prozent
der im Umlauf befindlichen
Banknoten entdeckte. Ebenso
fand er mit Hilfe von Wischproben Kokain-Rückstände im
Deutschen Bundestag oder im
Europaparlament. Jetzt gelang
es ihm und seinen Kollegen
erstmals Spuren von Benzoylecgonin, dem Abbauprodukt von Kokain, in deutschen
Flüssen nachzuweisen. Die
Ergebnisse belegen, dass es in
Deutschland weit mehr Kokser
gibt, als bisherige Umfragen
vermuten ließen. Bislang ging
man in Deutschland davon aus,
dass es knapp 1 Prozent kokainabhängige Menschen gibt.
Professor Sörgels Forschungsergebnisse zeichnen ein deutlich anderes Bild. „In Wahrheit
sind es wohl dreimal so viele.“
Um solide Messergebnisse zu
erhalten, entnahmen die Forscher aus 15 Flüssen in ganz
Deutschland Proben. Ob nun
die Probe aus dem Rhein, der
Isar oder der Spree ist, überall
finden sich Reste des Rauschmittels.
Ein interessantes Ergebnis lieferte Professor Sörgel auch mit
der Aussage, dass sich in den
Abwässern der 8000-SeelenGemeinde Heroldsberg bei
Nürnberg, exakt die Spur einer
Line Kokain nachweisen lässt.
Dieser einsame Kokser in
Heroldsberg sollte sich eventuell überlegen, ob ein Umzug
in eine Großstadt sinnvoll
wäre. Wer weiß, wie weit die
Forschung in ein paar Monaten ist?
MIEZE DES MONATS
Der Kater Moppel ist ca. 1/2
Jahr alt und ein richtiges
Herzchen! Er ist ein ausgesprochen menschenbezogener Kater, für den nichts über
seine geliebten Dosenöffner
geht. Er kommt mit anderen
Katzen zurecht, ist aber gerne
der Oberboß. Moppel sucht
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Zuneigung und Liebe schenken möchten. Da er so sehr
anhänglich ist, sollte er keinen Freigang bekommen.
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Münster - Ein Reiseführer in leichter Sprache
Die lebenswerteste Stadt der Welt
kann mit einer
weiteren Innovation aufwarten: dem
bundesweit ersten
Stadtführer in leichter Sprache, der
sich an Kinder und
Erwachsene mit
Lese- und Lernproblemen richtet.
Auch
Senioren
sollen sich damit
besser zurechtfinden. Im Vergleich
mit üblichen Führern geht der Text
mit Informationen
sparsam um, zeigt
dadurch aber das
Wesentliche an der
Strecke und die Besonderheiten Münsters. Der Text wird
durch eine beiliegende CD
ergänzt, so dass man sich die
vorgestellten Touren auch ansehen und anhören kann.
Die Autorinnen haben sechs
Touren durch Münster zusammengestellt. Die Beschreibung
ist genau, viele Bilder illustrieren den Weg aufs Beste. Die
Schriftgrad ist größer als üblich, um das Lesen zu vereinfachen. Zusätzlich haben die
Texte für jede Tour eine andere
Farbe. Die Spiralbindung erlaubt zügiges Blättern, das A-5Format passt in jede Handtasche. Nicht zu vergessen: alle
Touren wurden von potentiellen Nutzern erprobt und für gut
befunden. Mit diesem Reiseführer kann vom Knirps bis
zum rüstigen Rentner jeder
selbst seinen Weg durch Münster finden. Einfache Touren
wechseln sich ab mit mehrstündigen Rundgängen. Nicht nur
in der Innenstadt, sondern auch
am Aasee, im Botanischer Garten, am Zwinger und am Zoo.
Ein umfangreicher Infoteil
sagt, wo die Sehenswürdigkeiten stehen und wo man in Münster übernachten kann. Buch
und CD können übrigens auch
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Michael Heß
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Achtermannstraße 12
48143 Münster
Verlag Ulrike Wellige Münster
84 Seiten, 10 EUR
ISBN 3-9810253-7-7
draußen! 2006
26
MIETERTIPP
Alle Jahre wieder:
Betriebskostenabrechnung
Flattert Anfang des Jahres die Betriebskostenabrechnung ins Haus, kommt es oft
schnell zum Streit. Wer muss was bezahlen?
Hat der Vermieter auch wirklich alles richtig
abgerechnet? Warum zahlt Familie X. viel
Peter Preuß, dessen Namen
wir geändert haben, wunderte
sich: Die Nachforderung aus
der Betriebskostenabrechnung
war im letzten Jahr schon
recht hoch gewesen, aber diesmal war sie noch höher. Er
schaute sich die Abrechnung
genauer an, aber was da stand,
waren für ihn Böhmische Dörfer. Peter ging also zum Anwalt, der ebenfalls nicht
schlau aus dem Schreiben
wurde. Er forderte den Vermieter auf, die verschiedenen
Beträge zu erklären und Rechnungskopien vorzulegen. Der
Anwalt staunte, als er die
Unterlagen sah: Der Vermieter
hatte nicht nur das Haus, in
dem Peter wohnte, zu Grunde
gelegt, sondern gleich noch
sechs andere Häuser in der
Nachbarschaft. Mietrechtler
nennen das eine WirtAnzeige
mehr als Familie Y.? Im Extremfall treffen
sich dann beide Parteien vor dem Richter
wieder. Paul Demel schildert einen echten
Fall, der kürzlich vor dem Amtsgericht in
Münster verhandelt worden ist.
schaftseinheit. Im Grundsatz
darf der Vermieter nur ein
Haus separat abrechnen, nur
in Ausnahmefällen kann er
das anders handhaben. Wenn
er das tut, muss er das aber in
der Abrechnung ausdrücklich
erwähnen und den Grund nennen. Das hatte Peters Vermieter unterlassen.
Bei der Prüfung durch den
Rechtsanwalt stellte sich auch
noch heraus, dass der Vermieter vor zwei Jahren den Betrieb der Heizungsanlage
einer Wärmefirma übertragen
hatte, „Wärme-Contracting“
nennen das Juristen. Das war
ein Grund für die hohe Abrechnung bei Peter. Die Betriebskosten waren nun deutlich höher, weil die Wärmefirma ja auch von etwas leben
will. Im normalen Mietver-
hältnis sind aber diese Kosten
schon in der Grundmiete enthalten. Der Bundesgerichtshof
hat im April dazu folgendes
Urteil gefällt: Entstehen dadurch Mehrkosten, darf der
Vermieter keine Wärmefirma
beauftragen ohne die Zustimmung der Mieter. Ausnahme:
Wenn der Mieter bereits im
Mietvertrag einer solchen
Möglichkeit zugestimmt hat.
Das hatte Peter aber nicht
getan.
Außerdem waren die Versicherungskosten um mehr als
das Doppelte gestiegen. Der
Vermieter hatte einfach eine
neue Versicherung beauftragt,
die teurer war als die bisherige. So eine Erklärung reicht
natürlich nicht. Der Vermieter
muss die Betriebskosten wirtschaftlich verwalten und darf
nur Kosten umlegen, die angemessen und erforderlich sind.
Das sah die
Richterin in
der Verhandlung vor dem
Amtsgericht
ähnlich. Sie
gab zu verstehen, dass
sie Peter aller Voraussicht nach
Recht geben
würde.
Schon allein
die zugrunde
gelegte Wirtschaftseinheit sei nicht
erkennbar.
Der Vermie-
draußen! 2006
ter müsse also vermutlich die
gesamte Abrechnung noch
einmal neu erstellen.
Der pfiffige Peter hatte gehört, dass ein Vermieter eine
ordentliche Abrechnung innerhalb eines Jahres vorlegen
müsse. Danach stehe ihm
keine Nachzahlung mehr zu.
Das Jahr aber sei nun schon
vorbei. Er wollte aber mit dem
Vermieter keinen Ärger und
schlug eine gütliche Einigung
vor. Für die Jahre 2003 und
2004 vereinbarten beide Parteien einen Abzug von 700
Euro zu Peters Gunsten. Mal
schauen, ob die Abrechnung
für dieses Jahr ordentlich erstellt ist.
„draußen“
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Gottesdienst
in der Clemenskirche
27
Erdbeben in Pakistan
Mehr als 76.000 Menschen
sind bereits an den Folgen
des verheerenden Erdbebens in Pakistan gestorben.
Nach Schätzungen pakistanischer Regierungsstellen
sind 500.000 Familien obdachlos geworden. Aufgrund der harten Winter
droht ihnen nun der Erfrierungstod. Nach wie vor
mangelt es an Decken und
Zelten.
Jüngst folgte er einem
Angebot der pakistanischen
Botschaft und verschaffte
sich im Erdbebengebiet
einen Überblick über die
Ausmaße der Naturkatastrophe. In einem Reisebericht hat der 64-Jährige
seine schockierenden Eindrücke festgehalten.
Die Humanity Care Stiftung mit ihrem Förderverein in Münster unterstützt
seit Jahren die Ärmsten der
Armen in Pakistan. Stiftungspräsident Folker Flasse hat bereits Hilfsgüter im
Wert von 15 Millionen Euro
nach Pakistan gebracht.
Die Humanity Care Stiftung unterstützt unter anderem zwei Zeltlager für
Überlebende. Folker Flasse
bittet um Spenden, um das
Überleben der Notleidenden zu gewähren: Volksbank Münster, BLZ 401
600 50, Konto 523 838 400.
(www.humanity-care-stiftung.de)
draußen! 2006
28
BUCHTIPP
Genauso leserfreundlich
wie die Literaturverweise
und die Angaben zu den
Autoren.
Attac (Hrsg.) - ABC der Globalisierung
VSA Verlag Hamburg,
224 Seiten, Euro 10,
ISBN 3-89965-139-1
Bis heute fehlen in der
Debatte der Globalisierungskritiker wichtige Definitionen. Was ist eigentlich
genau Globalisierung - darüber gibt es viele Auffassungen. Deshalb schrieben
71 renommierte Autoren
aus dem Umfeld von
ATTAC ein kleines Nachschlagewerk mit über hundert Stichworten, von A wie
Alterssicherung über Grundeinkommen und Neoliberalismus bis Z wie Zivilgesellschaft. „Kleine Tupfen
des Wissens“ wie die taz
aus Berlin schreibt. Im Sinne einer Volkserziehung gegen den neoliberalen Ungeist.
Die Texte erheben keinen
wissenschaftlichen
Anspruch, sie sind aber auch
kein Zeitvertreib. Sie wenden sich an den interessierten Leser, der ernsthaft mitreden will beim
Thema Globalisierung und
sich dabei Diskussionssicherheit wünscht. Das
Layout ist einfach und auf
Fotos wird konsequent
verzichtet. Dieses ABC will
in die Hand genommen
werden. Es ist ein Arbeitsbuch und taugt nicht für
den Schrank. Kein Text ist
länger als zwei Seiten.
draußen! 2006
Das ABC macht deutlich,
wie vielschichtig das Phänomen Globalisierung ist;
hier fließen ethische, historische, juristische, natürliche, ökonomische und
politische Aspekte zusammen. Doch das Phänomen
wurde von konservativen
„Think Tanks“ konzipiert,
es wird von neoliberalen
Politikern voran getrieben
und von sich selbst zensierenden Medien als alternativlos dargestellt. So
übermächtig diese Phalanx
scheinen mag, ist gerade
deshalb eine andere Welt
möglich. Die Frontlinie
verläuft nicht nur in Cancun und Seattle, sondern in
jedermanns Kopf.
Michael Heß
Helme Heine mit Gisela von
Radowitz: Neue Fälle für
Freunde. Geschichten aus
Mullewapp. München: Hanser, 2005. 108 S. , Ill. (farb. u.
schw.-w.), ISBN 3-44620635-3, fest geb.,
Kriminal-Vorlesegeschichten für Kinder ab 5 J.
Endlich, endlich gibt es
wieder Neuigkeiten aus
Mullewapp! Aber von wegen dörflicher Ruhe: hier
tobt der Bär! Sechs neue
kriminalistische Fälle, die
ganz schön verzwickt sind,
gilt es für die drei Freunde
Franz von Hahn, Johnny
Mauser und den dicken
Waldemar zu lösen.
Franz von Hahn, der trotz
seines gefürchteten Kikerikis ungekrönter König seiner Hennengarde ist, tappt
tatsächlich in eine Liebesfalle! Da ist Ärger natürlich
vorprogrammiert!
Ebenso
juckend wie ansteckend ist
eine geheimnisvolle Krankheit, die nicht nur den
dicken Waldemar sondern
gleich mehrere Bewohner
des Hühnerhofes befallen
hat. Auch die Freunde sind
sich nicht immer einig.
Nach einem heftigen Streit
zwischen Franz und Waldemar ist Johnny Mauser
spurlos verschwunden. Ist
er einem Verbrechen zum
Opfer gefallen und vielleicht schon mausetot? Als
ein kleiner Igel fast ums
Leben kommt, geraten die
drei Freunde sogar in den
schrecklichen
Verdacht,
Fahrerflucht begangen zu
haben! Ganz heikel ist auch
der Fall der Kindesverwechslung, den die Hennen
Lulala und Leila auslösen.
Hier muss mit sehr viel
Fingerspitzengefühl vorgegangen werden, um niemandem zu schaden! Die
Krone des Ganzen ist ein
ausländischer Artgenosse,
der sich mit fremden
Federn schmücken, d.h.
den Platz von Franz einnehmen will. Da kommen
schon mal Mordgelüste
auf.
Wie schön, dass Helme
Heine, zusammen mit seiner Frau Gisela von Radowitz, nun eine Fortsetzung
des ersten Bandes „Ein Fall
für Freunde“ veröffentlicht
hat! Alle Geschichten sind
altersgerecht spannend und
regen an, die Lösung selbst
herauszuf inden.
Alles in allem ein tolles
Buch, in dem es immer
auch um die Freundschaft
geht.
Ab November 2005 werden
wieder jeden Sonntag in
der „Sendung mit der
Maus“ von den drei Freunden neue Fälle gelöst.
Barbara Blasum
Busch, Andrea C., Heuner,
Almuth (Hrsg.): Mord zwischen Lachs und Lametta.
Illustriert von Bengt Fosshag. Hildesheim: Gerstenberg 2005. 336 S., 20 Ill.
(farb.),
ISBN 3-8067-2563-2,
Euro 24,90,
Für Krimifans und Hobbyköche
Man nehme: 21 Morde,
gespickt mit vielen internationalen
Festtagsmenüs
vom Valentinstag bis zum
Chinesischen Neujahrsfest
und lasse sich beides
genüsslich auf der Zunge
zergehen!
Essen und Trinken hält
Leib und Seele zusammen,
doch hier kommt es schon
mal vor, dass der Küchenchef (sprich: Autor)
dem Küchenpersonal (sprich:
den Protagonisten) das Fell
über die Ohren zieht. Aber
das Leben ist manchmal
keinen Pfifferling wert, und
29
BUCHTIPP
so wird das Corpus Delicti
eben als Delikatesse angeboten und unverfroren
serviert. Hier wird gemeuchelt und geheuchelt
und statt Nouvelle de Cousine gibt es Bruschetta
Mortale. Wenn Engelstrompeten Halluzinationen
auslösen oder die Lösung
wie Schuppen von den
Augen fällt, keimt beim
Leser eventuell der Verdacht, dass viele Köche
womöglich den Brei verderben. Doch Festtagsmenüs sind trotz ihrer mörderischen Kalorien nicht
unbedingt Gift für den
Magen! Die 130 Rezepte
sind in der Tat völlig
unschädlich, sehr inspirierend und allesamt ohne
größeren Aufwand nachzukochen. Einzig und allein
das Vierzig-Zehen-Huhn
könnte bei Knoblauch-Gegnern vielleicht eine Gänsehaut auslösen.
Das Rezept dieser ungewöhnlichen Kombination
aus Krimi und Kochbuch
geht auf, denn das Buch ist
die erweiterte Neuauflage
des Erfolgstitels „Mord
zum Dessert“. (Übrigens
eines der meistgeklautesten
Bücher auf einer Frankfurter Buchmesse). Es wurde garniert mit Illustrationen von Bengt Fosshag,
dem es mit seinem leicht
boshaften Stil hervorragend
gelungen ist, die skurril
spannende Atmosphäre der
einzelnen Kriminalgeschichten einzufangen.
In diesem Sinne: passen Sie
gut auf sich auf, wenn Sie
demnächst eine Einladung
zum Essen annehmen!
Barbara Blasum
Die nächste „draußen!“
erscheint am 27. Jan. 2006
will oder nicht! Wenn das bloß
gut geht!
Achim Bröger/Leope: Du
bleibst hier! Stuttgart: Thienemann, 32 S., Ill. (farb.),
ISBN 3-522-43514-1,
Euro 12,90
Bilderbuch ab 4 Jahren
Schöne Momente möchte man
am liebsten für immer festhalten. Nicht anders geht es dem
Familienhund Goli. Für ihn
steht fest: Der Weihnachtsmann, der so gut duftet und
auch noch Geschenke mitbringt, darf nicht wieder weg.
Diesmal bleibt er hier, ob er
Jedes Jahr ist es dasselbe,
kaum hat der Weihnachtsmann seine Päckchen an die
Familie und die dazugehörigen Tiere verteilt, will er
schon wieder weg. Das möchte Goli auf jeden Fall verhindern. Die Einladung auf ein
Glas Punsch nimmt der Weihnachtsmann noch gerne an,
aber dann, ja dann wendet
Goli viele originelle Tricks an,
um ihn zum Bleiben zu bewegen. Ob das klappt, soll hier
nicht verraten werden. Die
humorvollen Bilder mit vielen
witzigen Details bringen
sowohl den Vorlesenden als
auch die Zuhörer immer wieder zum Schmunzeln.
Die überschäumende Freude
dieses weihnachtssüchtigen
Hundes macht die Geschichte
zu einem herrlichen Vorlesespaß für die ganze Familie.
Barbara Blasum
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draußen! 2006
30
REZEPTE
Weihnachtsessen:
TRUTHAHN
Truthahn, Punsch und Bratäpfel
Weihnachten feiert man mit vielen traditionellen
Bräuchen, die besonders in den ländlichen
Gegenden gepflegt werden. Die ganze Familie
trifft sich zum Festessen unter dem Christbaum.
Es gibt eine leckere Suppe, das Hauptgericht ist
WEIHNACHTSSUPPE
Zutaten:
für 4 Personen
125 g Truthahnfleisch
125 g Rindfleisch
125 g Lammfleisch
125 g Schweinefleisch
1 Tasse Reis
2 Eier
2 Zitronen
Salz und Pfeffer
Zubereitung:
Das Fleisch waschen und in
einen großen Topf legen.
Soviel Wasser angießen, daß
das Fleisch bedeckt ist, salzen
und ca. 2 Stunden auf kleiner
Flamme kochen lassen.
Dabei den Schaum abschöpfen.
Die Brühe durch ein Sieb gießen, wieder aufkochen lassen
und den Reis zugeben.
Die Eier verquirlen und langsam den Saft der Zitronen einrühren. Etwas kochende
Brühe vorsichtig einrühren.
Wenn der Reis gar ist die
Suppe vom Feuer nehmen und
die Ei-Zitronensoße langsam
zugeben.
Mit frisch gemahlenem Pfeffer und Salz abschmecken.
Das Fleisch kann man nun
kleingeschnitten zur Suppe
geben oder anderweitig weiterverwenden.
draußen! 2006
der Weihnachtsbraten: Truthahn, Gans oder
alternativ Spanferkel. Danach gibt es Süsses,
Bratäpfel, Tiramisu und natürlich viel leckeres
Gebäck. Dazu trinkt man einen Weihnachtspunsch. Heinz Dalmühle hat Rezepte.
B R AT Ä P F E L M I T
VANILLEEIS
Zutaten:
4 grosse, aromatische Äpfel
75 g Marzipanrohmasse
1 Messerspitze Zimt
3 Esslöffel Sahne
4 Kugeln Vanilleeis
Zubereitung:
Den Backofen auf 180° C vorheizen. Die Äpfel waschen
und trocken tupfen und das
Kerngehäuse mit einem Apfelausstecher herausschneiden.
Die Marzipanrohmasse mit
dem Zimt und der Sahne verquirlen und die Äpfel damit
füllen.
Die Bratäpfel in die Auflaufform setzen und in dem Ofen
(Mitte, Umluft bei 160° C) ca.
30 min backen.
Warm mit jeweils einer Kugel
Vanilleeis servieren.
Zubereitung:
Sahne steif schlagen, Mascarpone, Quark, Zucker und
Vanillezucker verrühren, Sahne unterheben. In eine eckige
Auflaufform ca. 3 El von der
Creme verteilen, darüber eine
Schicht Spekulatius legen.
Die Beeren darauf verteilen.
Restliche Creme darauf streichen und mit Spekulatius
bedecken. 4-5 Std. oder über
Nacht kühl stellen. Vor dem
Servieren mit Puderzucker
bestreuen.
WEIHNACHTSPUNSCH
Zutaten:
1 l Weißwein
1/2 l Rum
1/2 l Orangensaft
1 Orange
3 Zimtstangen
6 Nelken
1 Prise Fenchelsamen
200 g Kandis
Zubereitung:
WEIHNACHTSTIRAMISU
Zutaten:
für 4 Portionen
200 g Sahne
250 g Mascarpone
250 g Quark
100 g Zucker
1 Pck. Vanillezucker
200 g Spekulatius
400 g gemischte Beeren
Wein, Rum und Orangensaft
mischen, Orangenscheiben
halbieren und alle Zutaten
hinzufügen. Aufkochen und
genießen!!
Ein frohes und beschwingtes
Weihnachtsfest wünscht Ihnen
die „draußen!“-Redaktion!
Übrigens: Dieser Punsch
schmeckt auch zu Silvester
ganz gut.
Zutaten:
1 Truthahn, ca. 5 bis 6 kg
500 g Schweinegehacktes
6 Scheiben durchwachsenen
Speck, gewürfelt
6 dünne Scheiben durchwachsenen Speck
1/2 Tasse gewürfelter Kochschinken
1 gewürfelte Zwiebel
3 gewürfelte Knoblauchzehen
2 gewürfelteStangensellerie
1/2 Tasse geschälte und gehackte Mandeln
4 Äpfel geschält, gewürfelt
1/2 Tasse Rosienen
1/2 Tasse Weisswein
1/2 Tasse Jerez-Sherry
Salz und Pfeffer, Öl
Zubereitung:
Den Truthahn innen und außen
abspülen, abtrocknen und anschließend mit Pfeffer und Salz
würzen. In einer tiefen Pfanne
die Zwiebel in Fett glasieren
und den Knoblauch hinzufügen.
Den gewürfelten Speck und das
Hackfleisch hinzufügen und
anbraten. Den gewürfelten Schinken, Mandeln, Rosinen, Äpfel,
Stangensellerie und 1/2 Tasse
Jerez hinzufügen. Alles gut
durchmischen und bei niedriger
Hitze so lange kochen, bis fast
alle Flüssigkeit verdampft ist.
Dem Truthahn mit einer Spritze
die 1/2 Tasse Weißwein gut verteilt injizieren, mit der Pfannenmischung füllen und zunähen.
Die Flügel fest anlegen, die
Beine kreuzen und den Truthahn gut binden. Anschließend
würzen, rundherum mit dünnen Scheiben durchwachsenem
Speck bedecken und mit der
Brustseite nach oben in einen
eingefetteten Bräter legen.
Bevor der Truthahn in den vorgeheizten Ofen (175°C) kommt
noch gut mit Alufolie abdecken.
Mind. 5-6 Std. braten lassen und
gegen Ende der Bratzeit die Folie
entfernen, mit dem Bratsaft oder
weicher Butter begießen und weitere 10 bis 15 min braten lassen.
ANZEIGEN
31
Gr¸n f¸r die Groflstadt:
Der Garten auf der Fensterbank
Kr‰uter, Gem¸se und Zierpflanzen
auf kleinstem Raum angebaut
von „draußen!“-Layouter Heinz Dalmühle
Wer nicht über einen eigenen Garten verfügt, aber einen Balkon,
ein kleines Dach oder vielleicht nur eine Fensterbank bepflanzen
kann, findet in diesem Buch einen wertvollen Ratgeber. Der
Autor schreibt aus persönlicher Überzeugung und, was noch
wichtiger ist, aus alltäglicher und praktischer Erfahrung. So gibt
er machbare, interessante und ausführliche Hinweise über die
Möglichkeiten, auf kleinstem Raum Gemüse, Zierpflanzen und
Kräuter anzubauen.
Es ist schon erstaunlich, was sich alles auf Fensterbänken und
Balkonen, in Kübeln, auf Dächern und an Fassaden pflanzen läßt.
Wer sich mit Gemüse und Kartoffeln, Früchten vom Erdbeerbaum oder auch nur mit frischen Kräutern selbst versorgen möchte, wird ebenso gut beraten wie derjenige, der sich zu jeder Jahreszeit mit schönen Pflanzen umgeben möchte.
Einige Restexemplare abzugeben für 12 Euro
Anfragen telefonisch: 0175-5207708
oder in der „draußen!“-Redaktion 0251-5389128,
persönlich abzuholen bei „draußen!“, Overbergstr. 2, 48145 Münster
draußen! 2006
Stunden im Hotel KünstlerInnen im Hotel Hansahaus, Albersloher Weg 1
Gelungener Abend für einen guten Zweck

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