Yearbook of Market Entry Advisory 2014
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Yearbook of Market Entry Advisory 2014
Alexander Tirpitz René R. Schleus (Hrsg.) Yearbook of Market Entry Advisory 2014 Klaus R. Kirchhoff Kultur und Kommunikation dem ruck aus Sonderd of Market k Yearboo ory 2014 vis Entry Ad Kultur und Kommunikation Herausforderungen der interkulturellen Kommunikation am Beispiel chinesisch-deutscher Wirtschaftsbeziehungen Klaus Rainer Kirchhoff Keywords: Intercultural Communication, Business Relationships, China In economic collaboration between two different cultures not only products and technologies determine success or failure, factors such as way of thinking and communication have a significant impact. This is often underestimated in intercultural business relationships. The past has shown that successful business models in Europe and the United States are not easy to apply in China. Nor do Chinese companies easily meet the high communication and transparency requirements of Western capital markets. There are many reasons for this – but interesting are the challenges for intercultural communication. Corporate Communications is not only facing linguistic, but also cultural challenges. The following examples from different industries demonstrate the critical influence of intercultural communication, and allow conclusions on the characteristics and requirements of intercultural communication in Sino-German economic relations. So if negotiations falter or a cooperation gets stuck without any apparent reason, usually an intercultural communication issue is behind this. The summary of communication and behavioural recommendations can help to avoid these problems, and can be applied to all areas of corporate communications. 260 Kultur und Kommunikation 1 Einleitung Bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen zwei verschiedenen Kulturen entscheiden nicht nur Produkte und Technologien über Erfolg oder Misserfolg, auch Faktoren wie Denkweisen und Kommunikation haben einen erheblichen Einfluss. Dies wird bei interkulturellen Wirtschaftsbeziehungen oft unterschätzt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in Europa und den USA erfolgreiche Geschäftsmodelle auf China nicht einfach übertragbar sind. Ebenso wenig werden chinesische Unternehmen den hohen Kommunikations- und Transparenzanforderungen der westlichen Kapitalmärkte ohne Weiteres gerecht. Die Gründe dafür sind vielfältig – interessant aber sind die Herausforderungen für die interkulturelle Kommunikation. Unternehmenskommunikation steht nicht nur vor sprachlichen, sondern auch vor kulturellen Problemen. Die nachfolgenden Beispiele aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen demonstrieren den erfolgskritischen Einfluss interkultureller Kommunikation und ermöglichen Rückschlüsse auf Besonderheiten und Anforderungen an die interkulturelle Kommunikation in chinesisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. 2 Flops westlicher Unternehmen in China Globalisierung ist ein Kinderspiel, dachten sich die eBay-Strategen offenbar im Jahr 2003. Was in den USA und in Europa hervorragend läuft, sollte auch in China funktionieren. So kauften die Manager des Global Players für 180 Millionen US-Dollar das chinesische Unternehmen EachNet mit seinem Marktanteil von 85% und firmierten es in eBay China um. Deren Technologieplattform operierte danach von den USA aus. Das eingesetzte Management sprach nicht chinesisch und hatte auch keine Markterfahrung in China. Trotz Werbeaufwendungen in Höhe von 100 Millionen Teil 4: Marketing & Communications 261 US-Dollar schaffte eBay es nicht, seine Position in China zu halten, weil es eine Besonderheit chinesischer Konsumenten missachtet hatte. Der Entscheidungsprozess vor dem Kauf ist bei Chinesen auf das Einholen von Informationen nach einer ersten Begutachtung des Kaufobjektes ausgerichtet. So stehen Online-Empfehlungen an dritter Stelle der genutzten Informationsquellen, denen die Menschen vertrauen. Eine schnell agierende Konkurrenz, die sowohl ihr Marketing als auch die Internetplattform auf diese Besonderheiten der chinesischen Konsumenten ausrichtete, nahm eBay in vier Jahren mehr als 75% seiner erworbenen Marktanteile ab. Mit 7,7% verbliebenen Anteilen zog sich eBay im Jahr 2007 ganz aus China zurück. Auch in Japan und Taiwan strich der US-Gigant die Segel. Ein Einzelfall ist eBay nicht. Die amerikanischen Konzerne Google und Time Warner, der niederländische Lebensmittelriese Ahold und der deutsche Handelskonzern Metro sind Beispiele für erfolgreiche westliche Unternehmen, die in China ihr Geschäft nicht verstehen. 3 Flops chinesischer Unternehmen im Westen Auch die umgekehrte Richtung – der Weg chinesischer Unternehmen in den Westen – ist nicht nur von Erfolg gekrönt: Als im Jahr 2007 die ersten chinesischen Unternehmen in Deutschland an die Börse gingen, waren Analysten, Journalisten und Investoren sehr positiv gestimmt. Alle fanden es interessant, am hohen Wachstum in China mit einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht teilhaben zu können. Die Anforderungen, die chinesische Unternehmen vor und nach dem Börsengang in Deutschland zu erfüllen haben, waren und sind die gleichen wie bei deutschen Unternehmen: Es gibt eine wirtschaftliche und rechtli- 262 Kultur und Kommunikation che Due Diligence, von Wirtschaftsprüfern testierte Jahresabschlüsse und einen von der Finanzaufsicht gebilligten Wertpapierprospekt. Und nach dem IPO müssen zahlreiche Publizitätspflichten erfüllt werden. Für die chinesischen Unternehmen bestand der Vorteil eines IPOs in Deutschland darin, dass es hier sehr viel einfacher und schneller an die Börse geht als in China. Während ein Börsengang in China von der Gunst staatlicher Stellen abhängt, gibt es in Deutschland klare Regularien, die erfüllt werden müssen. Zur gleichen Zeit fanden in den USA andere Börsengänge statt: Einige chinesische Unternehmen kauften billig die börsennotierte Hülle eines operativ nicht mehr tätigen Unternehmens und füllten sie mit scheinbar zunehmenden Umsätzen und Gewinnen. Im Juni 2011 kam es zum Eklat: Muddy Waters aus Hongkong erklärte, der indirekte Börsengang der Sino-Forest Corporation sei von Anfang an auf Betrug angelegt gewesen. Allein der Wert der angeblich in der Provinz Yunnan erworbenen Waldbestände sei um 900 Millionen Dollar zu hoch angesetzt worden. Sino-Forest, deren Börsenwert in Spitzenzeiten 6,2 Milliarden Kanadische Dollar betrug, verloren 80 Prozent ihres Aktienkurses. Das Unternehmen gehört zu den spektakulärsten Fällen von vermeintlichem Bilanzbetrug durch chinesische Unternehmen. Ähnliche Vorwürfe wurden gegen Longtop Financial, China Agritech und Chaoda erhoben. Die Vorwürfe haben das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Corporate Governance von Firmen aus der Volksrepublik in den USA und auch in Deutschland tief erschüttert. Als Konsequenz verloren auch die in Deutschland notierten chinesischen Unternehmen stark an Wert und bei den folgenden Börsengängen konnten nur geringe Emissionsvolumina erreicht Teil 4: Marketing & Communications 263 werden. Im Jahr 2013 gibt es bislang überhaupt keinen Börsengang eines chinesischen Unternehmens in Deutschland. Die Aktienkurse aller Unternehmen aus dem Reich der Mitte notieren in Frankfurt weit unter ihren Emissionskursen – unabhängig von ihren verschiedenen Geschäftsmodellen und ihrer unterschiedlichen finanziellen Performance. Selbst vergleichsweise hohe Wachstumsraten und Margen bei vielen Unternehmen können daran nichts ändern. Die besonders kritisch beobachteten Vorstände der chinesischen Unternehmen taten sich von Anfang an bei ihrer Kapitalmarktkommunikation schwer – die westliche Kapitalmarktkultur lernt man schließlich nicht über Nacht. In Investorengesprächen beklagen Fondsmanager, dass ihre Fragen nicht wie erwartet beantwortet werden. Für die chinesischen Vorstände sind die Verhaltensweisen der Anleger unverständlich. Dabei handelt es sich nicht um sprachliche Barrieren, da stets Dolmetscher zugegen sind. Häufig argumentieren deutsche Anleger, dass die Verzögerungen bei der Erstellung des Jahresabschlusses, die bei wenigen chinesischen Unternehmen in der Vergangenheit in Deutschland vorgekommen sind, gegen die Seriosität der Unternehmen aus China sprechen würde. Würden deutsche Anleger dies auch über deutschen Unternehmen denken? Wohl kaum. Dazu ein Beispiel: Im Oktober 2012 ging der deutsche Leuchtenhersteller Hess AG an die Börse. Vier Monate später ist die Börsenstory mit dem Insolvenzantrag des Unternehmens beendet. Über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren hatte der Vorstand die Bilanzen des Schwarzwälder Unternehmens manipuliert: Im Geschäftsjahr 2011 wurden die Umsätze um 9 Millionen Euro zu hoch angegeben, im darauf folgenden Jahr sogar um 15 Millionen Euro, wie die Sonderprüfung im März ergeben hat. Damit wurde eine Börsenstory frei erfunden: Mit den gefälschten Zahlen hatte der Vorstand vor dem Börsengang ordentlich die Werbetrommel 264 Kultur und Kommunikation gerührt und den Anlegern das stürmische Wachstum eines Hidden Champions versprochen. Kein deutscher Journalist oder Analyst käme auf die Idee alle deutschen Börsengesellschaften des Betrugs zu bezichtigen, nur weil ein Unternehmen seine Jahresabschlüsse fälscht. Bei den chinesischen Unternehmen ist es anders. Ein Betrugsfall in den USA reicht aus, die chinesischen Unternehmen – auch die in Deutschland – in Sippenhaft zu nehmen. Offenbar sind die erheblichen kulturellen Unterschiede ein wichtiger Grund für das generelle Misstrauen der Journalisten, Analysten und Investoren gegenüber Unternehmen aus dem Reich der Mitte. Worin aber liegen die Kommunikationsprobleme begründet und wie lässt sich kulturelle Fremdheit zugunsten des wirtschaftlichen Erfolgs überwinden? Zur Beantwortung dieser Fragen ist zunächst eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen erforderlich. 4 Deutschland Welten und China: Zwei unterschiedliche Im Zuge der Globalisierung rückt die Welt immer näher zusammen. Kulturelle Unterschiede verwischen immer mehr – gerade im vereinten Europa. Je unterschiedlicher jedoch die kulturellen, historischen und gesellschaftlichen Hintergründe der Länder, desto mehr Missverständnisse treten auf. In China wirken viele Umgangsformen und Verhaltensformen für Europäer immer noch befremdlich, manchmal sogar abstoßend. Die Gefahr, durch unbedachtes Verhalten bei einem Termin mit chinesischen Kunden oder Geschäftspartnern ins Fettnäpfchen zu treten, ist daher recht groß. Zu unterschiedlich sind doch manche grundsätzlichen Einstellungen und Wahrnehmungen. Vieles, was im Westen als völlig normal gesehen wird, gilt in China schnell als unhöflich oder Fauxpas und umgekehrt. Teil 4: Marketing & Communications 265 Es geht schon bei der Begrüßung los: Zwar verzichten inzwischen viele international tätige chinesische Geschäftsleute auf die traditionelle Verbeugung und begrüßen ihr Gegenüber mit Händedruck. Dieser fällt jedoch sehr schlaff aus, denn ein fester Händedruck, in Deutschland als Ausdruck des Selbstbewusstseins gewertet, gilt in China als unhöflich. Auch sollte man seinem chinesischen Gesprächspartner nicht ständig oder zu lange in die Augen schauen. Denn Chinesen fühlen sich dann eher beobachtet oder taxiert und werten den ständigen Blickkontakt – anders als in Deutschland – nicht als Zeichen des Interesses und der Aufmerksamkeit, sondern als aufdringlich. Eine wichtige Rolle spielt in China die Hierarchie. Respekt vor Höherstehenden ist ein grundlegender Bestandteil der Erziehung der Chinesen. Kommt also eine chinesische Delegation zum Beispiel zu einer Konferenz, betreten die Mitglieder streng nach ihrem Rang geordnet den Raum. Es wird mehr auf den sozialen Status geachtet als in Deutschland und anderen europäischen Ländern, weshalb erfolgreiche Verhandlungen meist nur zwischen hierarchisch Gleichgestellten möglich sind. Hierarchien lassen sich schon am Dresscode feststellen. So gibt es in China wichtige Statussymbole und Tabus, die nicht toleriert werden. Im Allgemeinen ist der Kleidungsstil der Chinesen jedoch eher pragmatisch. Für männliche Geschäftsleute ist – wie in Deutschland – ein dunkler Businessanzug mit Krawatte zu empfehlen. Im täglichen Geschäftsbetrieb sind aber auch Hose und Hemd ausreichend. Unbedingt sollten geschlossene Schuhe getragen werden, auch bei hohen Temperaturen. Für die Dame gilt in China: Hochgeschlossene Blusen, wadenlange Rücke und nicht zu eng sitzende Hosenanzüge oder Kostüme. Auf zu grelle Farben und gemusterte Strümpfe sollte Frau verzichten. Vorsicht ist bei weißer Kleidung im Rahmen von Festen und Einladungen geboten, da Weiß in China die Farbe des Todes ist. Zuviel nackte Haut, Pier- 266 Kultur und Kommunikation cings und Tattoos werden bei Frauen und Männern nicht gern gesehen. Nach dem Geschäftstermin oder beim Abendessen darf in China aber durchaus geprotzt werden: Mittels repräsentativer Accessoires von erlesener Qualität verschaffen sich Chinesen gerne Respekt und höheres Ansehen. So zeigen Männer gerne große und hochwertige Uhren, silberne Visitenkartenetuis und edle Krawattennadeln und auch Frauen tragen oft auffälligen Schmuck. Chinesen sind ein sehr kommunikatives Volk. Es wird gern und viel diskutiert, allerdings immer unter der Prämisse der Höflichkeit und Harmonie. So sagt ein Nicken, das in westlichen Ländern als Zustimmung verstanden wird, in China lediglich aus, dass der Gesprächspartner zumindest zuhört und das Gesagte akustisch verstanden hat. Wichtige Punkte werden durch mehrfaches Wiederholen betont, nicht durch ein Anheben der Stimme wie in Deutschland. In China gilt eine derartige laute Betonung von Worten als plump. Ein direktes „Nein“ verletzt ebenfalls den Harmonie-Sinn der Chinesen. Ist man anderer Meinung, ist also eher eine Antwort wie „Vielleicht“ oder „Wir werden sehen“ angebracht. Unter keinen Umständen darf der Gesprächspartner verletzt werden oder gar „das Gesicht verlieren“. Eine Streitkultur gibt es deshalb in China nicht, Ziel eines jeden Gesprächs ist der Konsens. Auch werden in China niemals direkte Bitten an jemanden gerichtet, sondern zunächst nur andeutungsweise formuliert. Denn durch das Zurückweisen einer Bitte würde der Andere „sein Gesicht verlieren“. Das macht es für Europäer oft schwer, zu erkennen, welche Erwartungen beim Gegenüber bestehen. Dementsprechend kalt und abweisend wirkt auf Chinesen die deutsche Kommunikation, die sehr direkt zum Thema kommt und auf klare Ergebnisse abzielt. Das Bedürfnis nach Harmonie lässt folglich auch Geschäftsverhandlungen in China völlig anders ablaufen als in Europa. Legt man in Deutschland die Teil 4: Marketing & Communications 267 Karten auf den Tisch, so tastet man sich in China sehr langsam mit viel Freundlichkeit und Floskeln an ein Thema heran. Auf ein zu direktes und forsches Auftreten reagieren Chinesen sehr empfindlich. Entsprechend langsam laufen Verhandlungen ab, Zeitpläne oder die typisch deutsche Agenda sind in China nicht beliebt. Man springt zwischen den Themen hin und her, verwirft bereits getroffene Vereinbarungen oder greift Punkte mehrmals auf. Auch längere Gesprächspausen sind nicht untypisch. Hier ist Geduld statt Drängeln gefragt. Stillsitzen und Zuhören zum Beispiel bei einer Präsentation – ohne Störungen durch Handyklingeln oder Gespräche – findet in China praktisch nicht statt. Um Aufmerksamkeit zu zeigen, bewegt man sich und macht Geräusche. Man tut während eines Gesprächs alles, was bei den Deutschen, den Meistern der Stille, als unhöflich gilt: Nebenbei telefonieren, laut mit Papier rascheln, Privatgespräche führen oder geräuschvoll gähnen. Ist ein Vertrag erst einmal geschlossen worden, gilt er in Europa als unwiderruflich. Nicht so für die Chinesen: Dort bildet ein Vertragsabschluss zunächst einmal nur eine anfängliche Basis, die nach Bedarf jederzeit geändert werden kann. Grundsätzlich kommt man in China nicht direkt zum Thema, sondern leitet jedes Gespräch erst einmal mit ausgiebigem Small Talk ein, der auf einer wesentlich persönlicheren Ebene stattfindet als in Deutschland, wo bei geschäftlichen Kontakten Distanz gewahrt wird. Freimütig wird nach Familienstand, Kindern, Gehalt und Alter gefragt, oder ob man Alkohol trinkt. Politische Themen oder Kritik am eigenen Land sind hingegen tabu, da die Chinesen sehr stolz auf ihr Land sind. Eines der wichtigsten Themen in China ist das Essen. Geschäftsessen sind bedeutend für den Beziehungsaufbau. Deshalb wird in China beim Essen nicht über Geschäfte gesprochen, sondern Small Talk betrieben. Meist 268 Kultur und Kommunikation fließt reichlich Alkohol und es wird sich häufig zugeprostet. Dabei sind die Tischsitten für Europäer allerdings eher befremdlich: Schlürfen, Schmatzen und Aufstoßen sind in China völlig normal und zeigen, dass es schmeckt. Essensreste wie Knochen und Kerne werden auf dem Tisch abgelegt, nicht auf dem Teller. Naseputzen gilt hingegen bei den Chinesen als widerlich, insbesondere, wenn man das benutzte Taschentuch anschließend wieder in die Tasche steckt. Auch sollte man niemals seinen Teller ganz leer essen; dies wird so interpretiert, dass man nicht satt geworden ist. Essstäbchen dürfen nie in die Schale zeigend abgelegt werden, da dies an die Räucherstäbchen vor den Ahnentempeln erinnert und somit die Ahnenwürde verletzen würde. Auch bei Gastgeschenken ist Vorsicht geboten: Auf keinen Fall sollte man Blumen als Geschenk mitbringen, da diese in China ausschließlich als Grabschmuck verwendet werden. Uhren eignen sich ebenfalls nicht als Geschenk, da das Wort „Uhr“ gleichbedeutend ist mit „Ende“ und das Geschenk so interpretiert würde, dass man dem Beschenkten ein baldiges Ableben wünscht. Auch sollte man die Zahl „vier“ bei der Anzahl der Geschenke vermeiden, da das Wort auf Mandarin gleich ausgesprochen wird wie „tot“. Mit der Glückszahl „Zwei“ und einer roten Verpackung, die ebenfalls Glück symbolisiert, macht man sich hingegen sehr beliebt beim Beschenkten. Man darf sich jedoch nicht wundern, wenn das Geschenk zunächst einige Male aus Höflichkeit abgelehnt wird. Sich zu zieren gilt in China als höflich. Deshalb unbedingt immer mehrmals nachfragen, ob jemand noch einen Nachschlag beim Essen, Hilfe oder sonstiges möchte. Diese Unterschiede gelten nicht nur für deutsch-chinesische Beziehungen. Indien beispielsweise ist bekannt für ein starkes Hierarchiebewusstsein. Die indische Gesellschaft weist eine sehr hohe Machtdistanz und hierarchische Strukturen auf. Soziale Ungleichheit und Diskrepanzen in Macht und Status sind überall gegenwärtig. Im Gegenzug sind die Inder vergleichsweise risiko- und experimentierfreudig. Teil 4: Marketing & Communications 269 Was viele deutsche Unternehmer auf dem Subkontinent immer wieder erleben sind langanhaltende Beziehungen, Loyalität und gegenseitige Fürsorge. Diese Werte haben in indischen Unternehmen zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten Vorrang. Fehler werden selten eingestanden, die Kommunikation verläuft weitgehend non-verbal. Indische Mitarbeiter konzentrieren sich häufig auch ausschließlich auf Übergeordnete und sind allein auf deren Rat angewiesen. Die Vorgesetzten sind im Gegenzug dazu verpflichtet, möglichst weitreichend für das persönliche beziehungsweise private Wohlbefinden sowie die Karriereentwicklung der Mitarbeiter zu sorgen. Dadurch werden die VorgesetztenMitarbeiter-Beziehungen persönlicher als anderswo. Selbst zu der uns räumlich sehr viel näheren Türkei sind die kulturellen Unterschiede im Geschäftsleben sehr groß. Bevor es zu einem ersten Meeting kommt, ist ein persönliches Gespräch mit dem Chef zu führen. Man sitzt in seinem Büro in gemütlichen Sesseln und redet über private Angelegenheiten, wie Familie oder Urlaub. Nach diesem Aufbau persönlichen Vertrauens kommen im anschließenden Meeting geschäftliche Anliegen zur Sprache. Das bedeutet: Wer im persönlichen Vorgespräch keine gute Beziehung zu dem Ranghöchsten oder Eigentümer eines Unternehmens herstellen kann, erhält nicht die Chance, Geschäfte zu machen. 5 Die Basis – Interkulturelle Kompetenz Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie vielfältig die Hürden für einen erfolgreichen Eintritt in asiatische Märkte sind. Natürlich sind zunächst betriebswirtschaftliche und rechtliche Fragen zu klären: Ist die Sicherung des Absatzes durch eine größere Marktnähe möglich, kann eine Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten erreicht werden, ist die Realisierung von Transportkostenvorteilen erreichbar, können die Kosten für Roh-, Hilfs- und 270 Kultur und Kommunikation Betriebsstoffe gesenkt werden. Und natürlich: Können im Ausland erwirtschaftete Gewinne nach Deutschland transferiert werden. Sodann steht das Thema unterschiedlicher Kulturen an. Gute Berater bei der Prüfung dieser Fragen im Internationalisierungsprozess zeichnen sich neben ihrer fachlichen vor allem durch übergreifende Kompetenzen aus. Das heißt, sie verfügen über belastbare Netzwerke, und sie sind kulturell versiert und kommunikationsstark. Eine herausragenden Rolle spielen die Themen Kultur und Kommunikation: Unternehmen, die in den Weltmarkt aufbrechen wollen, brauchen Mitarbeiter, die grenzüberschreitend einsetzbar sind. Die Wissenschaft spricht hier von interkultureller Kompetenz. Es sind die Fähigkeiten, die Mitarbeiter brauchen, um international erfolgreich tätig zu sein. Es ist mehr, als eine Fremdsprache zu beherrschen. Kommunikationsstärke ist Voraussetzung dafür, dass interkulturelle Kommunikation stattfinden und gelingen kann. Die Fähigkeit des richtigen Gebrauchs und des richtigen Einsatzes der Sprache ist Bedingung für eine kulturadäquate Kommunikation. Unter Kommunikationsfähigkeit kann z. B. die Fähigkeit zu klarer und stringenter Argumentation verstanden werden, oder aber die Fähigkeit erkennen zu können, wann Schweigen die bessere Alternative ist. Nur wenn die Beherrschung der Landessprache und die Fähigkeit zur Kommunikation vorhanden sind, können Interpretationsunterschiede und Missverständnisse erkannt und vermieden werden. Reflexionsfähigkeit, die Fähigkeit über sich selbst und das eigene Handeln in Begegnungssituationen kritisch nachzudenken, ist eine der wichtigsten Eigenschaften. Denn Reflexionsfähigkeit im interkulturellen Kontext bedeutet, prüfend und vergleichend das eigene Handeln und Denken vor dem Hintergrund der Kulturgebundenheit zu hinterfragen. Teil 4: Marketing & Communications 271 Die Fähigkeit zum Konfliktmanagement und Stressmanagement sind bei einer Auslandstätigkeit ebenfalls bedeutsam. Ein erhebliches Maß an Konfliktfähigkeit wird notwendig, da Entscheidungen häufig im Spannungsfeld verschiedener Interessen, insbesondere denen des Stammhauses und denen der einheimischen Mitarbeiter, getroffen werden müssen. Damit ein Konflikt durch das Akzeptieren eines Kompromisses gelöst werden kann, bedarf es eines gewissen diplomatischen Geschicks. Die Fähigkeit zur Entwicklung dauerhafter interpersoneller Beziehungen zu Angehörigen fremder Kulturen ermöglicht die Integration in die Kultur des Gastlandes und die Befriedigung des Bedürfnisses nach sozialer Interaktion. Weitere Fähigkeiten, die an der Universität Essen-Duisburg zusammengestellt wurden, sind Flexibilität, Einfühlungsvermögen, Unvoreingenommenheit und Lernbereitschaft. Der Stellenwert des Faktors Wissen ist im Rahmen interkultureller Kompetenz im Vergleich zu den anderen Faktoren als zweitrangig zu erachten. Wissen kann angeeignet werden, während Fähigkeiten wie Kommunikationsstärke schwieriger entwickelt werden können. Welche Konsequenzen sollten Unternehmen, die international tätig werden wollen, aus diesen Erkenntnissen ziehen? Eine intensive interne Kommunikation ist erforderlich, um Mitarbeiter stärker in den Prozess der Internationalisierung und die damit verbundenen Veränderungsprozesse einzubinden. Es reicht nicht aus, nur in der Geschäftsleitung darüber zu debattieren. Im Rahmen der Mitarbeiterkommunikation soll Interesse am Thema Internationalisierung geweckt und verstärkt werden. Über kontinuierliche Informationen zu gesetzten Maßnahmen und Effekten schläft das Interesse nicht ein. Ideal ist es, wenn möglichst viele Personen im Unternehmen die Gelegenheit haben, Internationalisierungsaktivitäten aktiv mitzutragen. Zu 272 Kultur und Kommunikation den Inhalten dieser Kommunikationsmaßnahmen sollten unbedingt die Gründe für die Internationalisierung – Kostensenkung und neue Absatzmärkte – erläutert werden. 6 Empfehlungen für die deutsch-chinesische Kommunikation Direkte und indirekte Signale des Geschäftspartners richtig deuten – das ist das Geheimnis interkultureller Kommunikation. Dabei helfen selbstverständlich Sprachkenntnisse und langjährige Erfahrung in der Kommunikation mit chinesischen Geschäftspartnern. Die Beachtung gewisser Grundregeln aber kann bereits eine Hilfe sein. Jedes Geschäftstreffen sollte mit Small Talk anfangen, denn Chinesen ist es wichtig, zunächst ein angenehmes Gesprächsklima zu schaffen. Dazu gehören ein Dank für die Gastfreundschaft oder für das Kommen der Gäste und anerkennende Äußerungen über China, seine Kultur oder Sportereignisse. Man zeigt Interesse am Wohlbefinden, der Familie, Heimat oder Freizeitaktivitäten seines Gegenübers. Humor wird geschätzt, sollte aber einfach verständlich und gutmütig bleiben. Anspielungen unterhalb der Gürtellinie verkneift man sich besser. Zur chinesischen Höflichkeit gehört auch eine Art „Fishing for Compliments“: Eigene Leistungen und Qualifikationen werden heruntergespielt, man „erniedrigt“ sich gegenüber dem Gesprächspartner. Darauf sollten Sie nicht ernsthaft eingehen, sondern vielmehr das Können und Wissen des Geschäftspartners loben. Andersherum sollten eigene Fähigkeiten nicht herausstellen oder Komplimente zum eigenen Können dankend entgegen genommen werden. Zeigen Sie keinen Stolz. Dies wird schnell als arrogantes Verhalten aufgenommen. Teil 4: Marketing & Communications 273 Für die Besprechung selbst gilt: Vermeiden Sie es, zu wiedersprechen und auf Ihren Standpunkt zu beharren – dieses Verhalten wirkt peinlich. Und jemanden zu korrigieren wird als Beleidigung für ihn und seine Kollegen aufgefasst. Chinesen ist es wichtig, einen Konsens zu erzielen. Unsere westliche Art, offen Kritik zu üben, kommt bei Chinesen schlecht an und führt oft dazu, dass sie "dichtmachen". Wer Chinesen Druck macht, verärgert sie nicht nur, sondern provoziert heftigen Gegendruck. Feingefühl für die chinesische Kunst des Kritikübens ist extrem wichtig – andernfalls verbaut man sich unbewusst den Zugang zu seinen Geschäftspartnern. Auch die Aufforderung zu klaren Entscheidungen sowie jede Art von Ultimatum löst bei Chinesen größtes Unbehagen aus. Daher lautet eine weitere Hauptregel im Umgang mit Chinesen, niemals Fragen zu stellen, die nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Ein zustimmendes Nicken oder "Ja" bedeutet für Chinesen lediglich, dass sie zuhören und dass sie verstanden haben, was gesagt wurde. Mehr nicht. Ein klares "Nein" können sie zwar meinen, aber nur schwer aussprechen. Stattdessen antwortet man lieber ausweichend, etwa mit „vielleicht“ oder mit einer Gegenfrage. Interpretieren Sie diese Reaktion richtig: Derartige Antworten bedeuten ein klares "Nein". Interessant ist, dass Chinesen dagegen ein klares deutsches "Nein" gern als "vielleicht" interpretieren. Daher sind sie häufig der Meinung, dass sich doch noch etwas „machen ließe“. Erklärungen, warum nicht, werden als Ausreden betrachtet. Und noch eine Falle: Wenn Ihr Gegenüber nicht widerspricht, werten Sie dies nicht als Zustimmung! Ein Chinese widerspricht in der Regel nicht direkt. Seine Ablehnung zeigt er, indem er etwas nicht bestätigt, schweigt und vielleicht lächelt. Oder er reagiert ausweichend. In diesem Fall ist nichts abschließend geklärt und Sie sollten auf den unklaren Punkt zu einem späteren Zeitpunkt noch mal zurückkommen. 274 Kultur und Kommunikation Bei Verhandlungen oder der Vermittlung von Arbeitsabläufen sollte man sensibel darauf achten, ob das Gegenüber wirklich alles verstanden hat. Die Angst vor Fehlern und einem möglichen Gesichtsverlust ist so groß, dass man es nicht mal riskiert, begriffsstutzig zu wirken. Wenn man also an bestimmten Punkten nachhakt, dann möglichst auch mit dem entsprechenden Feingefühl. Das notwendige Feingefühl ist auch für nonverbale Kommunikation wichtig: Langes In-die-Augen-Sehen gilt unter Chinesen als Provokation. Wenn Ihnen ein Chinese bei der Begrüßung nicht offen in die Augen blickt, zeigt dies nicht etwa Desinteresse, sondern Achtung. Da wir solche Details mehr unbewusst registrieren, erzeugt dieses Verhalten bei uns oft ein „komisches Gefühl“, auch Misstrauen – ebenso wird unser „Starren“ andersherum als anmaßend empfunden. Zusammengefasst: Während für uns Deutsche wichtiger ist, was gesagt wird, ist für Chinesen wichtig, wie es gesagt wird. Dinge werden selten beim Namen genannt, Symbolik und mittelbare Kommunikation haben eine viel größere Bedeutung. Das führt dazu, dass nach einer Besprechung mit Chinesen oft unklar ist, was genau eigentlich besprochen oder vereinbart wurde. Ein weiterer Grund: Vage Äußerungen zeugen in China von Klugheit, weil man so besser sein Gesicht wahren kann. Es kann also vorkommen, dass bei einer Begegnung nur Höflichkeiten ausgetauscht werden – ohne konkrete Vereinbarungen getroffen zu haben. Und trotzdem kann dieses Treffen die Zusammenarbeit erheblich vorangebracht haben. Wenn also Verhandlungen stocken oder die Zusammenarbeit scheinbar grundlos hakt, verbirgt sich dahinter meist ein interkulturelles Kommunikationsproblem. Eine Berücksichtigung der zusammengefassten Punkte kann helfen, diese Probleme zu vermeiden, und lässt sich auf die gesamte Unternehmenskommunikation übertragen. Teil 4: Marketing & Communications 275 7 Literatur Behling, Jens. (2013). Der Wurm muss dem Fisch schmecken, Ruhr Universität Bochum. http://www.analyseasia.de/content/der-wurm-muss-demfisch-schmecken, 12.04.2013 Kirchhoff, Klaus-Rainer. (2013) MEAM, Sprache ist Schlüsselqualifikation für kulturadäquate Kommunikation und interkulturelle Kompetenz. http://www.mea-monitor.com/presse-service/interviews/ra-klaus-rkirchhoff/, 12.02.2013 Lott, Sylvia. (2008). Vom Umgang mit chinesischen Geschäftsleuten, DIHK. Neises, Nicole. (2005). Relevanz interkultureller Kompetenz im Rahmen von Internationalisierungsstrategien. Universität Duisburg-Essen. Schachl Florian/Pannen-Treptau Philip/Schuler Philip, Nerida Luca (Munich Business School). (2013). Allgemeine und interkulturelle Etiquette in China. http://www.munich-business-school.de/intercultural/index.php/China__Allgemeines_und_interkulturelle_Etikette, 02.08.2013 Scholz, Wilfried/Berkemeier, Kerstin (Wilfried Scholz Unternehmensberatung). (2006). Ein Businessknigge für China, http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/Businessknigg e-China.pdf, 02.08.2013 Shi, Hongxia. (2003). Kommunikationsprobleme zwischen deutschen Expatriates und Chinesen in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit -- Empirische Erfahrungen und Analyse der Einflußfaktoren, Dissertation, Universität Würzburg Weyde, Carolina (2013) M&A in Indien: Klare Ansagen, sanfte Integration. FINANCE – Magazin, 7.8.2013. Das Yearbook of Market Entry Advisory 2014 bietet einen einzigartigen und vernetzten Einblick in den Eintritt und die Etablierung von Unternehmen in neuen Märkten. Im Mittelpunkt der diesjährigen Ausgabe stehen Markteintritte osteuropäischer und asiatischer Unternehmen in Deutschland sowie europäischer Unternehmen in Osteuropa und Asien. Mehr als zwanzig renommierte Wissenschaftler, Berater und Unternehmer präsentieren neueste Erkenntnisse, Studien und Fallbeispiele aus den Bereichen Strategy, Marketing & Communications, M & A, Business Relationship Management, Tax & Legal und Human Resources. Exklusiv enthalten sind auch die Ergebnisse des Market Entry Advisory Monitor 2013. In einer bislang einzigartigen Studie haben das German Center for Market Entry (GCME) und SMF Schleus Marktforschung die Erfahrungen, Anforderungen und Bedarfe global agierender Unternehmen beleuchtet. Die Studie liefert wertvolle Erkenntnisse zur Zusammenarbeit und Zufriedenheit der Mandanten mit ihren Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Consultants. Damit richtet sich das Jahrbuch primär an international aufgestellte oder in der Internationalisierung befindliche Unternehmen, Berater, wirtschaftsfördernde Institutionen sowie Dozenten und Studierende im Bereich International Business. Alexander Tirpitz ist Geschäftsführer des German Center for Market Entry (Berlin). Das GCME erstellt wissenschaftliche Studien und bietet Beratung und Seminare zu allen Fragen der Internationalisierung. Das GCME ist erste Anlaufstelle für Branchenverbände, Wirtschaftsförderungsgesellschaften und (inter-)nationale Unternehmen aller Branchen. Alexander Tirpitz ist Dozent für International Management an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. René R. Schleus ist Geschäftsführer von SMF Schleus Marktforschung (Hannover). Das Unternehmen hat sich auf Studien im Rechts- bzw. Steuerberatungsmarkt (MandantenMonitor) und Finanzsektor (FinanzmarktMonitor) spezialisiert und unterstützt führende Kanzleien, Beratungsgesellschaften, Finanzdienstleister und Verbände. René R. Schleus ist Dozent für Marktforschung und Strategisches Management an der Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW) Hannover. ISBN 978-3-8442-4835-7