Russland ist nicht China – Gewerblicher Rechtsschutz in Russland Y

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Russland ist nicht China – Gewerblicher Rechtsschutz in Russland Y
Право и финансы | Recht und Finanzen
Prof. Dr. Andreas Steininger
Dipl.-Ing., Jurist, Of Counsel, BEITEN BURKHARDT Moskau
Taras Derkatsch, Ph.D.
Dipl.-Jurist, Senior Associate, BEITEN BURKHARDT Moskau
Y Russland ist nicht China – Gewerblicher Rechtsschutz
in Russland
Несмотря на то, что в плане защиты интеллектуальной собственности Россию часто сравнивают с Китаем, в теории правовая защита
промышленной собственности в России развита хорошо, можно
даже сказать, очень хорошо.
Einführung
Im Hinblick auf den Schutz des geistigen Eigentums wird Russland oft mit China verglichen: Plagiate, Nachmachungen,
Markenverletzungen werden mit Berichten über Korruption
und fehlende Rechtsstaatlichkeit vermischt, so dass am Ende
ein Bild entsteht, nach welchem gewerblicher Rechtsschutz in
Russland fast unmöglich ist. Doch Plagiate gibt es nicht nur in
Russland – das zeigte vor einiger Zeit die Geschichte mit der
Doktorarbeit eines bekannten deutschen Politikers. Abgesehen
von allen Vergleichen mit anderen Ländern stellt sich die
grundsätzliche Frage: welche Möglichkeiten existieren in Russland für effektiven Rechtsschutz?
Vor einiger Zeit wurde angekündigt, dass die letzten Abstimmungen zum Beitritt Russlands in die WTO ein baldiges Ende
finden werden, so dass einem Beitritt Russlands zur WTO – sogar schon bis Anfang 2012 – nichts mehr im Wege stehe. Der
über 18 Jahren andauernde Weg Russlands in die WTO setzte
allerdings auch voraus, dass das Land im Jahr 2008 den gesamten Schutz des geistigen Eigentums umgestaltet hat. Eine
der wichtigsten Maßnahmen war, dass am 1. Januar 2008 in
Russland der vierte Teil des russischen ZGB in Kraft getreten
ist, der die gesamten Rechtsnormen bezüglich des Schutzes des
geistigen Eigentums enthält.
Der gewerbliche Rechtsschutz in Russland hat eine lange Tradition, sowohl im zaristischen Russland als auch in der UdSSR befand sich der gewerbliche Rechtsschutz auf einem hohen Niveau.
In den Zeiten der UdSSR galten – wie in Deutschland – separate
Gesetzte im Hinblick auf Objekte des geistigen Eigentums: Patentgesetz, Markengesetz, Urhebergesetz. Ab Beginn 2008 hat der
russische Gesetzgeber alle Rechtsnormen im Hinblick auf das geistige Eigentum im 4. Teil ZGB zusammengefasst. Dies ist bislang
einzigartig auf der Welt und zeigt auch, dass der Schutz des geistigen Eigentums in Russland einen hohen Stellenwert einnimmt.
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Allgemeine Bestimmungen
Der 4. Teil des ZGB beinhaltet neun Kapitel, in welchen die
wichtigsten Fragen wie Auflistung der schutzbaren Objekten
des geistigen Eigentums, Definitionen der Lizenz- sowie Abtretungsverträge, Gültigkeitsfristen für Objekte des geistigen Eigentums, Befugnisse und Ansprüche des Rechteinhabers geregelt sind. Bei der Aufgliederung ist der russische Gesetzgeber
sehr systematisch vorgegangen, indem er – wie nach deutscher Rechtstradition bekannt – alle gemeinsamen und sich
wiederholenden Vorschriften der einzelnen Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster, Marken etc.) in einem „Allgemeinen
Teil“ des gewerblichen Rechtsschutzes zusammengefasst hat.
Zumindest in der Theorie führt dies zu einer größeren Transparenz und damit auch Rechtssicherheit.
Die weiteren Kapitel beinhalten eine detaillierte rechtliche Regelung im Hinblick auf das Urheberrecht, das Patentrecht, das
Markenrecht, Recht auf Firmennamen und Know-how etc.
Grundsätzlich sind bei gewerblichen Schutzrechten immer
zwei Fragen interessant: Wie kann man ein Schutzrecht verwerten und was kann man gegen Schutzrechtsverletzungen
unternehmen?
Die Verwertung von Objekten des geistigen Eigentums kann
grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen: entweder durch die
volle Abtretung oder durch die Gewährung eines Nutzungsrechts (Lizenzierung). Entsprechende Verträge sind Gegenstand einer Registrierung beim Rospatent, wenn das Objekt
des geistigen Eigentums selbst registrierungspflichtig ist (Patent, Gebrauchs- sowie Geschmacksmuster und Marken). Die
Registrierung der entsprechenden Verträge dauert in der Regel
zwei Monate.
Was die Schutzrechtsverletzungen angeht, so stehen dem
Rechtsinhaber im Allgemeinen Teil des 4. Teiles des ZGB folgende Ansprüche für sämtliche Schutzrechte zu:
> Anspruch auf Anerkennung des rechtmäßigen Schutzrechtsinhabers,
> Unterlassungsanspruch bezüglich der Schutzrechtsverletzung,
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> Schadensersatz,
> Beschlagnahme der Träger von schutzrechtsverletzendem
Gut,
> Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung, die auf eine
Schutzrechtsverletzung zulasten des eigentlichen Schutzrechtsinhabers erkannt hat.
Im Folgenden sei auf die in der Praxis relevanteren Schutzrechte, nämlich Patente, Marken Urheberrechte und Knowhow eingegangen.
deren Registrierung beim Rospatent. Neben dem russischen
nationalen Patent kann auch die Anmeldung des Eurasischen
Patentes durchgeführt werden, die Geltung dieses Patentes erstreckt sich auch auf einige ehemaligen Staaten der Sowjetunion. Ferner ist Russland Mitglied des so genannten PCT – Patent Cooperation Treaty, der erlaubt, eine Patentanmeldung in
einem Mitgliedstaat durchzuführen und diese dann auf andere Mitgliedstaaten zu erstrecken. Für die Aufrechterhaltung
des Patentes ist eine jährliche Patentgebühr zu entrichten.
Patentrecht
Das Patentrecht enthält Rechtsnormen zu Erfindungspatente,
Gebrauchsmuster und Geschmacksmuster. Wie auch in
Deutschland gelten für die Patenterteilung folgende Voraussetzungen: Neuheit, erfinderische Tätigkeit (erfinderischer
Schritt) sowie gewerbliche Anwendbarkeit. Zu beachten ist vor
allem, dass das Patent in Russland wirksam bzw. beim Russischen Patent- und Markenamt (Rospatent) angemeldet sein
muss, ein ausländisches Patent hilft nicht weiter.
Marken
Das russische Markenrecht ist dem deutschen Markenrecht
sehr ähnlich. Einige Unterschiede bestehen allerdings in der
Registrierung der Marke. Wie im deutschen Recht handelt es
sich bei einer Marke um ein Zeichen, dass dazu geeignet ist,
Waren bzw. Dienstleistungen juristischer Personen oder Einzelunternehmer von denen anderer zu unterscheiden. Hiervon
strikt zu unterscheiden ist die Firma, welche das Unternehmen
und nicht das Produkt kennzeichnet.
Im Hinblick auf Gebrauchsmuster besteht ein Unterschied
zum deutschen Recht. So sind beim russischen Gebrauchsmuster lediglich die Neuheit und die gewerbliche Anwendbarkeit
Voraussetzungen für die Anmeldung eines Gebrauchsmusters.
Die Hürde des erfinderischen Schrittes fehlt vollständig. Dies
ergibt sich insbesondere aus Art. 1351 Abs. 1 S. 2 ZGB. Dieser
Umstand trägt in der erheblichen Weise dazu bei, dass die
Anmeldung gewerblicher Schutzrechte im Rahmen des
Gebrauchsmusterrechts sehr vereinfacht wird und damit triviale Anmeldungen möglich werden. Dies begünstigt die so
genannten Patenterpresser, die eine bereits bestehende Technik kopieren, dann marginal verändern, so dass die Neuheit
der Erfindung gerade gegeben ist, und dann als neues
Gebrauchsmuster beim Rospatent anmelden. Danach nutzen
die Nachahmer dann das registrierte Schutzrecht, um von der
Firma, welche die Technik eigentlich erfunden hat, Lizenzgebühren zu verlangen. Hier bleibt als einziger Ausweg dann
nur noch der bisweilen langwierige Weg der Patentannullierung.
Für die Registrierung der Marke für das Gebiet der Russischen
Föderation existieren zwei Möglichkeiten: eine nationale Registrierung der Marke beim Rospatent oder eine internationale
Anmeldung durch die WIPO ("World Intellectual Property Organisation") aufgrund des Madrider Abkommens bzw. Madrider Protokolls. Die Registrierung dauert von fünf bis sechs Monaten bis eineinhalb Jahre, letzteres vor allem bei internationalen Anmeldungen.
Gegenstand des Geschmacksmusters sind künstlerisch-konstruktive Lösungen aus industrieller oder handwerklicher Produktion, die sich nach dem äußeren Erscheinungsbild bestimmen lassen. Ein Geschmacksmuster richtet sich ausschließlich
auf die optische Aufnahmefähigkeit, also auf die Form und
Farbe des Objektes. Das Geschmacksmuster erfüllt die Schutzvoraussetzungen, wenn es nach der „Gesamtheit seiner wesentlichen Merkmalen“ neu und originell ist. Dies entspricht
weitgehend dem deutschen Recht.
Ihren rechtlichen Schutz erlangen Patente (Erfindungspatente,
Gebrauchs- sowie Geschmacksmuster) ausschließlich durch
Erst mit der Registrierung der Marke ist diese geschützt und
der Markeninhaber verfügt über ein ausschließliches Recht an
der Marke. Das ausschließliche Recht umfasst eine Reihe von
Befugnissen und Nutzungsrechten, darunter Anbringung der
Marke auf Waren, auf Etiketten und Verpackungen, die Nutzung der Marke in Angeboten, Dokumentation, im Internet, so
auch im Namen der Domain und bei anderen Adressformen
etc. Es ist nur auf der Grundlage einer Abtretung oder eines
Lizenzvertrages erlaubt, das Markenrecht zu nutzen.
Urheberrecht
Das russische Urheberrecht erstreckt sich wie im deutschen
Recht auf wissenschaftliche, literarische und künstlerische
Werke. Dabei sind Ideen, Methoden, Vorgehen und andere ähnliche Ergebnisse geistiger Tätigkeit vom Schutz ausgeschlossen.
Wie auch im deutschen Recht umfasst das russische Urheberrecht so genannte Urheberverwertungsrechte und Urheberpersönlichkeitsrechte. Aus dem Urheberverwertungsrecht ergibt sich das Recht auf Nutzung des Werkes auf jede Weise,
während die Urheberpersönlichkeitsrechte, die vor allem die
Nennung des Namens des Urhebers beinhalten, nicht übertragbar und lizenzierbar sind.
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Das Urheberrecht gilt für das gesamte Leben des Autors sowie
70 Jahre danach, gerechnet ab dem 1. Januar des auf den Tod
des Autors folgenden Jahres. Nach Ablauf der Geltungsfrist des
ausschließlichen Rechtes wird das Werk gemeinfrei, d. h. es
kann von jedem ohne weitere Zustimmung benutzt werden.
Know-how
Viele gerade in der mittelständischen Industrie gemachten
Neuerungen sind nicht unbedingt registrierbare Erfindungen,
führen jedoch zur Erleichterung von Produktion und Effizienzsteigerung im Produktionsprozess (niedergelegt z. B. in Betriebsanleitungen, Handbücher etc.). Der russische Gesetzgeber hat erkannt, dass es sich bei Know-how um einen schützenswerten Gegenstand gewerblichen Rechtsschutzes handelt
und dieses daher im 4. Teil des Zivilgesetzbuches festgeschrieben. Zwar kann das Know-how nicht registriert werden. Kernbestandteil des Know-how-Schutzes ist vielmehr die Geheimhaltung, die im russischen Gesetz „Über das Geschäftsgeheimnis“ festgelegt ist. Soweit die dort vorgeschriebenen Regeln zur
Geheimhaltung beachtet werden, genießt das Know-how
nach russischem Recht Schutz wie jedes anderes Schutzrecht
auch.
chung hat sich zugunsten der Rechtsinhaber gefestigt. So
bleibt nur zu empfehlen, vor dem Markteintritt oder vor Inverkehrbringen einer neuen Technik zu prüfen, ob alle Schutzvoraussetzungen für diese Technik erfüllt sind, so insbesondere
Registrierung. Ist dies der Fall, kann man von einem weitreichenden Schutz ausgehen.
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Durchsetzbarkeit von Schutzrechten
Fraglich ist, inwieweit die oben geschilderten Vorschriften sich
in der Praxis auch wirklich durchsetzen lassen. Die Kammer für
Patentstreitigkeiten beim Rospatent ist vor allem für die Annullierung bestehender Schutzrechte zuständig, was in den geschilderten Fällen der Kopien von technischen Erfindungen relevant ist. Allerdings tendiert die Kammer in der Regel eher dahin, bereits erteilte Schutzrechte zu erhalten. Ein wesentlich effektiverer Rechtsschutz wird durch die Arbitragegerichte
geboten, die für Streitigkeiten zwischen Unternehmen und
auch für Patentverletzungsverfahren sowie für Berufungsverfahren im Hinblick auf die Kammer für Patentstreitigkeiten zuständig sind (die Arbitragegerichte sind vergleichbar mit der
Kammer für Handelssachen an deutschen Landgerichten).
Diese Gerichte bieten aufgrund ihrer Spezialisierung in der Regel einen recht guten Schutz bei den Verletzungsverfahren. Die
Rechtsprechung der Arbitragegerichte im Hinblick auf Patentund Markenschutz hat sich im Hinblick auf einige Fragen nach
Inkrafttreten des Vierten Teils ZGB gefestigt und ist eindeutig
auf den Schutz der Interessen der Rechtsinhaber gerichtet. Insbesondere in Marken- und Domainrecht bestehen zurzeit Entscheidungen des Obersten Wirtschaftsarbitragegerichts, aufgrund derer Rechtsinhaber aktiver ihre Position durchzusetzen
vermögen.
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass der theoretische
Rechtsschutz für gewerbliche Schutzrechte in Russland gut bis
sogar hervorragend ausgestaltet ist. Aber auch die Rechtspre-
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