[Rangordnung der Rechte] § 10

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[Rangordnung der Rechte] § 10
Erster Titel | Allgemeine Vorschriften
§ 10 ZVG
die Zuschlagsentscheidung für die Kaufpreissammlung (§ 195 BauGB) an den
Gutachterausschuss (XI. Nr. 3 MiZi);
n den Vollstreckungsantrag nebst Entscheidung, wenn der Schuldner Angehöriger eines rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufes ist (XXIII. und
XXIV. MiZi). Die Mitteilung ist bei Rechtsanwälten an die zuständige Rechtsanwaltskammer, bei Notaren an die zuständigen Notarkammer sowie den Präsidenten des Landgerichts und bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern an
die Steuerberatungs- bzw Wirtschaftprüfungskammer zu richten.
Diese Behörden sind im Übrigen nur am Verfahren zu beteiligen, wenn sie Forde- 23
rungen zum Verfahren anmelden bzw einen eigenen Beitrittsantrag stellen.
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§ 10 [Rangordnung der Rechte]
(1) Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück gewähren nach folgender
Rangordnung, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
1.
der Anspruch eines die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers auf Ersatz seiner Ausgaben zur Erhaltung oder nötigen Verbesserung des Grundstücks, im Falle der Zwangsversteigerung jedoch nur, wenn die Verwaltung
bis zum Zuschlag fortdauert und die Ausgaben nicht aus den Nutzungen des
Grundstücks erstattet werden können;
1a. im Falle einer Zwangsversteigerung, bei der das Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Schuldners eröffnet ist, die zur Insolvenzmasse gehörenden
Ansprüche auf Ersatz der Kosten der Feststellung der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt; diese Kosten sind nur zu erheben, wenn ein Insolvenzverwalter bestellt ist, und pauschal mit vier vom
Hundert des Wertes anzusetzen, der nach § 74 a Abs. 5 Satz 2 festgesetzt
worden ist;
2.
bei Vollstreckung in ein Wohnungseigentum die daraus fälligen Ansprüche
auf Zahlung der Beiträge zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen
Eigentums oder des Sondereigentums, die nach § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2 und 5
des Wohnungseigentumsgesetzes geschuldet werden, einschließlich der Vorschüsse und Rückstellungen sowie der Rückgriffsansprüche einzelner Wohnungseigentümer. Das Vorrecht erfasst die laufenden und die rückständigen
Beträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten zwei Jahren. Das
Vorrecht einschließlich aller Nebenleistungen ist begrenzt auf Beträge in Höhe von nicht mehr als 5 vom Hundert des nach § 74 a Abs. 5 festgesetzten
Wertes. Die Anmeldung erfolgt durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Rückgriffsansprüche einzelner Wohnungseigentümer werden von
diesen angemeldet;
3.
die Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren rückständigen Beträge; wiederkehrende
Leistungen, insbesondere Grundsteuern, Zinsen, Zuschläge oder Rentenleistungen, sowie Beträge, die zur allmählichen Tilgung einer Schuld als Zuschlag
zu den Zinsen zu entrichten sind, genießen dieses Vorrecht nur für die laufenden Beträge und für die Rückstände aus den letzten zwei Jahren. Untereinander stehen öffentliche Grundstückslasten, gleichviel ob sie auf Bundesoder Landesrecht beruhen, im Range gleich. Die Vorschriften des § 112
Abs. 1 und der §§ 113 und 116 des Gesetzes über den Lastenausgleich vom
14. August 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 446) bleiben unberührt;
4.
die Ansprüche aus Rechten an dem Grundstück, soweit sie nicht infolge der
Beschlagnahme dem Gläubiger gegenüber unwirksam sind, einschließlich der
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Ansprüche auf Beträge, die zur allmählichen Tilgung einer Schuld als Zuschlag zu den Zinsen zu entrichten sind; Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, insbesondere Zinsen, Zuschläge, Verwaltungskosten oder Rentenleistungen, genießen das Vorrecht dieser Klasse nur wegen der laufenden und
der aus den letzten zwei Jahren rückständigen Beträge;
5.
der Anspruch des Gläubigers, soweit er nicht in einer der vorhergehenden
Klassen zu befriedigen ist;
6.
die Ansprüche der vierten Klasse, soweit sie infolge der Beschlagnahme dem
Gläubiger gegenüber unwirksam sind;
7.
die Ansprüche der dritten Klasse wegen der älteren Rückstände;
8.
die Ansprüche der vierten Klasse wegen der älteren Rückstände.
(2) Das Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück besteht auch für die Kosten
der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden
Rechtsverfolgung.
(3) Zur Vollstreckung mit dem Range nach Absatz 1 Nr. 2 müssen die dort genannten Beträge die Höhe des Verzugsbetrages nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes übersteigen; liegt ein vollstreckbarer Titel vor, so steht
§ 30 der Abgabenordnung einer Mitteilung des Einheitswerts an die in Absatz 1
Nr. 2 genannten Gläubiger nicht entgegen. Für die Vollstreckung genügt ein Titel,
aus dem die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung, die Art und der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit zu erkennen sind. Soweit die Art und
der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit nicht aus dem Titel zu
erkennen sind, sind sie in sonst geeigneter Weise glaubhaft zu machen.
I. Normzweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Die einzelnen Rangklassen
(Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. „Rangklasse 0“ (Kosten) . . . .
2. Rangklasse 1 (Verwaltungskostenvorschuss) . . . . . . . . . . . .
3. Rangklasse 1 a
(Feststellungskosten) . . . . . . . .
4. Rangklasse 2 (Hausgeld) . . . .
a) Anwendungsbereich . . . . .
b) Anmeldung von Hausgeldansprüchen . . . . . . . . . .
aa) Hausgelder . . . . . . . . . .
bb) Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Rechtsnatur . . . . . . . . .
dd) Fälligkeit . . . . . . . . . . . .
ee) Nebenansprüche . . . .
ff) Zeitliche Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . .
gg) 5-Prozent-Kappungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . .
hh) Befriedigungsreihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . .
ii) Widerspruch . . . . . . . .
c) Vollstreckung wegen
Hausgeldansprüchen
(Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Rangklasse 3 (öffentliche
Grundstückslasten) . . . . . . . . . .
a) Öffentliche Grundstückslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . .
c) Zeitliche Begrenzung . . . .
d) Beispiele für öffentliche
Grundstückslasten . . . . . . .
6. Rangklasse 4
(dingliche Rechte) . . . . . . . . . . .
7. Rangklasse 5 (sonstige Vollstreckungsansprüche) . . . . . . .
8. Rangklasse 6
(relativer Nachrang) . . . . . . . . .
9. Rangklasse 7 (ältere Ansprüche der Rangklasse 3) . . . . . . .
10. Rangklasse 8 (ältere Ansprüche der Rangklasse 4) . . . . . . .
11. „Rangklasse 9“ (verspätete
Anmeldungen) . . . . . . . . . . . . . . .
III. Kosten der Kündigung und der
dinglichen Rechtsverfolgung
(Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. „Zwangsweise Veräußerung“
des Wohnungseigentums,
§§ 18, 19 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Normzweck und Anwendungsbereich
Die Vorschrift regelt, in welcher Reihenfolge die berechtigten Ansprüche zu berücksichtigen sind. Diese Reihenfolge ist zwingend und maßgeblich für die Feststellung des geringsten Gebots (§§ 44 ff), für die Verteilung des Versteigerungserlöses (§§ 109 ff) bzw für die Verteilung der Überschüsse in der Zwangsverwaltung
(§§ 155 ff). Die Erfolgsaussichten in der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung werden ganz maßgeblich von der Rangposition bestimmt, denn ein Anspruch
wird erst dann befriedigt, wenn sämtliche Ansprüche der vorgehenden Rangklassen
vollständig bedient sind. Das Verhältnis mehrerer Ansprüche untereinander innerhalb der Rangklassen 4, 5, 6 und 8 wird in § 11 geregelt. Innerhalb der Rangklassen
1 bis 3 bestimmt sich das Verhältnis nach ihren Bruttoansprüchen. Die Rangfolge
der Teilansprüche innerhalb eines Rechts wird nach § 12 geregelt.
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II. Die einzelnen Rangklassen (Abs. 1)
1. „Rangklasse 0“ (Kosten). Die Gerichts- und Verfahrenskosten sind vorrangig
zu entnehmen (s. § 109 Rn 1 bzw § 155 Rn 3) und daher vor allen anderen Ansprüchen in der sog. „Rangklasse 0“ einzuordnen.
Soweit Gläubiger Kostenvorschüsse an das Gericht geleistet haben, sind ihre Erstattungsansprüche ebenfalls in der Rangklasse 0 zu berücksichtigen. Diese Ansprüche sind gleichrangig mit dem restlichen Anspruch der Staatskasse.1
Nicht zu den vorrangig zu befriedigenden Kosten des Verfahrens gehören die von
dem jeweiligen Gläubiger zu tragenden Anordnungs- bzw Beitrittskosten. Diese
können jedoch nach Abs. 2 als Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung im Range
des Vollstreckungsanspruchs geltend gemacht werden. Auch die Kosten für die
Erteilung des Zuschlags gehören nicht zu den Verfahrenskosten; sie sind vom Ersteher zu tragen.
2. Rangklasse 1 (Verwaltungskostenvorschuss). In der Rangklasse 1 sind die Vorschüsse eines Gläubigers nach § 161 Abs. 3 aus einem gleichzeitigen Zwangsverwaltungsverfahren zu erstatten.
Der Verwaltungskostenvorschuss genießt nur dann Vorrang vor Grundpfandrechten, soweit die vom Vorschuss beglichenen Ausgaben im konkreten Fall unmittelbar objekterhaltende oder -verbessernde Wirkung hatten. Dies gilt auch für die
Zahlungen der Hausgelder an die Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese Voraussetzung ist vom antragstellenden Gläubiger darzulegen und zu beweisen. Soweit
eine Ausgabe nur mittelbar objekterhaltende oder -verbessernde Wirkung hat, steht
ihr kein Vorrang zu.2
Beispiel: Der Gläubiger hat auf Anordnung des Gerichts nach § 161 Abs. 3 einen
Vorschuss iHv 1.000 € geleistet. Der Zwangsverwalter zahlt davon 100 € für die
Gebäudefeuerversicherung, 300 € für den Ersatz defekter Sanitäranlagen
und 600 € für die laufenden Verwaltungskosten (zB Kontogebühren, Gerichtskostenvorschuss, Kosten für eine Zeitungsanzeige). – Der Erstattungsanspruch des
Gläubigers kann iHv 400 € in der Rangklasse 1 geltend gemacht werden.
Weitere Voraussetzungen für den Vorrang sind, dass die Zwangsverwaltung bis
zum Zuschlag angedauert hat und eine Erstattung mangels ausreichender Einnahmen im Zwangsverwaltungsverfahren nicht erfolgen konnte. Nicht notwendig ist,
dass der Berechtigte dieses Anspruchs selbst die Zwangsversteigerung betreibt.
Denn auch derjenige, der ausschließlich die Zwangsverwaltung betreibt, kann diesen Anspruch im Zwangsversteigerungsverfahren vorrangig vor allen anderen
Gläubigern geltend machen.
1 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 109 Rn 8; aA Stöber, § 109 Rn 4.4.
2 BGHZ 154, 387 = NJW 2003, 2162 = Rpfleger 2003, 454 = MDR 2003, 1074.
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8 Soweit eine Vorschusszahlung nicht vorrangig geltend gemacht werden kann, weil
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sie entweder nicht der Instandsetzung oder Objektverbesserung diente oder die
Zwangsverwaltung bereits vor dem Zuschlag – zB durch Antragsrücknahme – beendet worden ist, kann der Gläubiger seinen Anspruch als Kosten der dinglichen
Rechtsverfolgung (s. Rn 50) geltend machen.
Der Anspruch wird nicht von Amts wegen berücksichtigt, er bedarf der rechtzeitigen Anmeldung. Dasselbe gilt für den Verzinsungsanspruch nach § 155 Abs. 3
(0,5 % über den Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen
Zentralbank, SFR-Zinssatz).
3. Rangklasse 1 a (Feststellungskosten). Nach §§ 55 Abs. 1, 20 Abs. 2, § 1120
BGB unterliegen alle zum Hypothekenhaftungsverband gehörenden Gegenstände
der Versteigerung, so zB auch das Zubehör, das im Eigentum des Schuldners steht.
Die Kosten, die durch die Feststellung entstehen, dass es sich bei diesen Gegenständen nicht um freie Insolvenzmasse, sondern um beschlagnahmtes Grundstückszubehör handelt, können vom Insolvenzverwalter angemeldet werden
(§§ 37 Nr. 4, 45 Abs. 1, 110, 114 Abs. 1) und werden pauschal mit 4 % des für
das Zubehör festgesetzten Verkehrswertes angesetzt. Es ist nicht erforderlich, dass
der Insolvenzverwalter besondere Aufwendungen vollbracht hat.3 Ist der Wert des
Zubehörs im Wertfestsetzungsbeschluss (§ 74 a Abs. 5) nicht gesondert ausgewiesen, muss er glaubhaft gemacht werden. Wenn der Insolvenzverwalter das Grundstück und das Zubehör aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat, kann er die
Feststellungskosten nicht mehr geltend machen.
4. Rangklasse 2 (Hausgeld). a) Anwendungsbereich. In der Zwangsvollstreckung
in ein Wohnungseigentum kann der Anspruch der anderen Wohnungseigentümer
gegen den Schuldner (Miteigentümer) auf Zahlung von Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums (Hausgeld) mit Vorrang geltend gemacht werden. Das
Vorrecht wird nur in den Verfahren gewährt, die nach dem 1.7.2007 anhängig
geworden sind (§ 62 Abs. 1 WEG). Mit Anhängigkeit ist hier der Tag der Beschlussfassung der Verfahrensanordnung gemeint.4 In den Altverfahren, die bereits
vor dem Stichtag anhängig waren, gibt es das Vorrecht weder für die Hausgeldansprüche noch für die späteren Beitrittsgläubiger.5 Dagegen können in den Neuverfahren auch Hausgeldansprüche mit Vorrang geltend gemacht werden, die bereits vor dem 1.7.2007 fällig geworden sind.6 Das Vorrecht gilt auch im Zwangsverwaltungsverfahren7 (wegen der Besonderheiten s. § 156 Rn 2) und in den Verfahren, die Teileigentum, Wohnungserbbaurecht und Teilerbbaurecht betreffen
(§§ 1 Abs. 6, 30 Abs. 3 S. 2 WEG).
b) Anmeldung von Hausgeldansprüchen. aa) Hausgelder. Zu den bevorrechtigten
Hausgeldansprüchen8 gehören nach §§ 16 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 4, 28 Abs. 2 WEG:
n die anteiligen Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums (zB Grundbesitzabgaben, Instandhaltungskosten, Verwaltungsausgaben, Kosten eines
Rechtsstreits oder einer Zwangsvollstreckung, Hausmeisterkosten) entsprechend dem Miteigentumsanteil des Schuldners (§ 16 Abs. 2, 7 WEG);
n Kosten des Sondereigentums, soweit sie über die Gemeinschaft abgerechnet
werden;
n die gemäß Wirtschaftsplan festgelegten laufenden Vorschusszahlungen;
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BGH NJW 2003, 3475 = Rpfleger 2002, 646 = ZInsO 2002, 826.
BGH Rpfleger 2008, 321.
BGH NJW 2008, 1383 = Rpfleger 2008, 321.
Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 10 Rn 20; Hintzen/Alff, Rpfleger 2008, 165.
BGH NJW 2009, 598 = ZInsO 2009, 205 = Rpfleger 2009, 163 = WM 2009, 414 = NZM
2009, 129.
8 Vgl BT-Drucks. 16/887, S. 44 ff.
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die Zahlungen auf die Instandhaltungsrücklage;
die Zahlungen der von der Gemeinschaft beschlossenen Sonderumlagen.
Die Ansprüche sind nicht aus dem Grundbuch ersichtlich und bedürfen der rechtzeitigen Anmeldung (§§ 37 Nr. 4, 45 Abs. 1, 110, 114 Abs. 1). Die Ansprüche
können alternativ auch durch Vollstreckung in der Rangklasse 2 geltend gemacht
werden (vgl Rn 22).
bb) Anspruchsberechtigte. Berechtigte der Ansprüche ist die beschränkt parteifähige Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 6 WEG), die gesetzlich von ihrem Wohnungsverwalter vertreten wird. Fehlt ein Verwalter, so vertreten alle
Wohnungseigentümer gemeinschaftlich. Soweit ein Miteigentümer (zB in einer
Zweiergemeinschaft) für die Beträge in Vorlage getreten ist, kann er seinen Rückgriffsanspruch ebenfalls in der Rangklasse 2 geltend machen.
cc) Rechtsnatur. Der Streit, ob es sich bei einem Hausgeldanspruch in der Rangklasse 2 um einen dinglichen9 oder nur um einen privilegierten persönlichen10 Anspruch handelt, ist vom BGH ohne weitere Begründung zu Gunsten der ersten
Meinung entschieden worden.11 Wichtig ist die Unterscheidung in den Fällen, in
denen eine Grundstücksübertragung vorangegangen ist (Vollstreckung von Altansprüchen gegen den Rechtsnachfolger des Eigentümers), und wenn eine Insolvenz
des Schuldners vorliegt (kein Vollstreckungsverbot nach §§ 49, 89 InsO).12 Wird
eine dingliche Haftung bejaht, ergeben sich erhebliche vollstreckungsrechtliche
Probleme. So muss der Vollstreckungstitel (s. Rn 23) im Fall der Rechtsnachfolge
umgeschrieben werden, ohne dass zu diesem Zeitpunkt die Höhe des dinglichen
Anspruchs (max. 5% des Verkehrswertes, vgl Rn 19) bestimmbar wäre. Diese Bestimmung kann erst im Versteigerungstermin unmittelbar vor der Gebotsabgabe
(s. § 37 Rn 7) erfolgen. Auch die Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung ist dem Rechtsnachfolger kaum möglich. Er muss zunächst die Anordnung
der Zwangsversteigerung, die Festsetzung des Verkehrswertes, die Terminsbestimmung und den Beginn der Bietzeit abwarten, um dann den dinglichen Gläubigeranspruch genau beziffern und begleichen zu können! Ansonsten wird er genötigt, die gesamte Forderung der Hausgemeinschaft zu bezahlen, obwohl er für diese
Beträge persönlich nicht haftet.
dd) Fälligkeit. Die Beträge müssen durch Beschluss oder gültigen Wirtschaftplan
fällig gestellt sein. Daher kann eine geplante, aber noch nicht beschlossene Jahresabrechnungszahlung nicht geltend gemacht werden.
Die Beträge müssen sich ausdrücklich („die daraus fälligen Ansprüche“) auf das
zur Vollstreckung stehende Wohnungseigentum beziehen, nicht etwa auf andere
Wohnungen desselben Schuldners (keine Gesamthaftung).13
ee) Nebenansprüche. Neben den Hausgeldansprüchen sind auch die Kosten der
dinglichen Rechtsverfolgung (Abs. 2, s. Rn 50 ff) und die Säumniszinsen (§§ 286,
288 BGB) in der Rangklasse 2 anzusetzen. Da für die Vollstreckung ein Zahlungstitel genügt (Abs. 3 S. 2), gehören auch die Kosten für die Beschaffung dieses Titels
zu den Kosten der „dinglichen“ Rechtsverfolgung. Auch diese Beträge sind nicht
grundbuchersichtlich und müssen daher ausdrücklich angemeldet werden. Das
Gericht muss die Zinsberechnung nachprüfen, sie aber nicht selber aufstellen. Bei
der Berechnung der gesetzlichen Säumniszinsen ist zu beachten, dass die einzelnen
monatlichen Vorauszahlungen rechtlich eigenständige Teilansprüche sind. Der
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Hintzen/Alff, Rpfleger 2008, 165; Schneider, ZMR 2009, 165.
Kesseler, NJW 2009, 121.
BGH DB 2009, 842.
BGH DB 2009, 842.
BT-Drucks. 16/887, S. 45; BGH NJW 2009, 598 = NZM 2009, 129 = WM 2009, 414.
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Zinsbeginn ist für jeden Teilanspruch gesondert zu bestimmen und die Zinsen einzeln zu berechnen. Die Zinshöhe bestimmt sich nach § 288 BGB und beträgt
5 Punkte bzw 8 Punkte über den Basiszinssatz. Innerhalb eines jeden Teilanspruchs
ist § 12 zu beachten, also zunächst die Kosten, dann einmaligen Nebenleistungen,
danach die wiederkehrenden Leistungen (Zinsen) und schließlich die Hauptforderung (s. § 12 Rn 4).
ff) Zeitliche Begrenzung. Das Vorrecht ist zeitlich begrenzt auf die laufenden und
die rückständigen Beträge aus dem Jahr der (ersten) Beschlagnahme und aus den
letzten zwei Kalenderjahren. Die Abgrenzung der laufenden Beträge zu den rückständigen erfolgt gem. § 13 (s. § 13 Rn 7).
Beispiel: Im März 2009 beschließt die Wohnungseigentümergemeinschaft die Jahresabrechnungen für die Jahre 2006 bis 2008 mit den entsprechenden Nachzahlungen sowie die Zahlung eines monatlichen, im Voraus zu erbringenden Vorschusses. Der Tag der ersten Beschlagnahme (vgl § 22 Rn 8) war der 13.11.2009.
– Ergebnis: Die laufenden Leistungen umfassen den am 1.11.2009 für den November fällig gewordene Vorschuss und alle späteren, bis zum Versteigerungstermin bzw zum Erlösverteilungstermin jeweils fällig gewordenen Vorschüsse. Die
rückständigen Leistungen erfassen die (übrigen) Beträge aus 2007 (Jahr der Beschlagnahme) und die Ansprüche aus den Jahresabrechnungen für die Jahre 2007
und 2008. Der Abrechnungsbetrag für 2006 ist zwar erst im März 2009 durch
Beschluss fällig geworden, stammt aber nicht aus den beiden letzten Jahren.
gg) 5-Prozent-Kappungsgrenze. Die Summe sämtlicher Ansprüche der Rangklasse 2 einschließlich Zinsen und Rechtsverfolgungskosten ist betragsmäßig beschränkt auf 5 % des Verkehrswertes nach § 74 a Abs. 5. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Ansprüche mit einer Anmeldung oder mit mehreren Anmeldungen,
von einem oder von mehreren Berechtigten (vgl Rn 13), mit Anmeldung oder durch
Vollstreckung (Abs. 3, s. Rn 22) geltend gemacht worden sind. Weitergehende (titulierte) Ansprüche können nur mit einem Vollstreckungsantrag (Anordnung bzw
Beitritt) in der Rangklasse 5 anhängig gemacht werden.
hh) Befriedigungsreihenfolge. In der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung haben sämtliche Teilansprüche untereinander Gleichrang (Abs. 1 Hs 2) und
sind im geringsten Gebot bzw in der Erlöszuteilung im Verhältnis ihrer Bruttogesamtbeträge zu berücksichtigen. Außerhalb der Zwangsversteigerung gilt gem.
§ 366 Abs. 2 BGB (Anrechnung der Leistung auf mehrere Forderungen) eine andere
Befriedigungsreihenfolge.
ii) Widerspruch. Soweit ein angemeldeter Anspruch in der Rangklasse 2 wegen der
Kappung auf 5 % des Verkehrswertes (s. Rn 19) nicht in voller Höhe im Teilungsplan aufgenommen werden kann, gilt die Anmeldung gem. § 115 Abs. 2 als Widerspruch.
c) Vollstreckung wegen Hausgeldansprüchen (Abs. 3). Zusätzlich zur Anmeldung
(s. Rn 12–21) kann wegen der bevorrechtigten Hausgeldansprüche auch vollstreckt
werden, also die Anordnung bzw der Beitritt beantragt werden. Abs. 3 ergänzt und
modifiziert die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen der ZPO. Wie die
Gläubiger einer persönlichen Forderung aus der Rangklasse 5 erhält die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der Beschlagnahme ein dingliches Befriedigungsrecht (vgl § 20).
Gemäß Abs. 3 S. 2 muss ein Zahlungstitel vorliegen, in dem die Zahlungspflicht,
die Art der Schuld, der Bezugszeitraum und die Fälligkeit erkennbar sind. Die erste
Voraussetzung muss sich unmittelbar aus dem Titel ergeben, die drei letzten Voraussetzungen können dagegen auch glaubhaft gemacht werden (Abs. 3 S. 3), etwa
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durch Vorlage einer Kopie der Klageschrift.14 Mahnbescheide werden daher in aller
Regel nicht ausreichend sein, da sich insb. die Art der Schuld (einschließlich der
genauen Angaben, welche Wohnung betroffen ist) nicht nachweisen lässt. Ältere
Zahlungstitel weisen den Wohnungsverwalter unmittelbar als Gläubiger aus, weil
dieser in gewillkürter Prozessstandschaft den Anspruch der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer im eigenen Namen eingeklagt hat. In diesem Fall muss auch
in dem Vollstreckungsantrag und dem Anordnungs- bzw Beitrittsbeschluss der
Verwalter als Gläubiger ausgewiesen werden. Die Anordnung kann in diesem Fall
auch für den Wohnungsverwalter in der Rangklasse 2 erfolgen.
Die Vollstreckung ist nach Abs. 3 S. 1 nur zulässig, wenn der Gesamtanspruch den
Verzugsbetrag des § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG überschreitet, also mehr beträgt als 3%
des steuerlichen Einheitswertes (vgl §§ 19 ff BewG). Die Grenze muss zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Anordnung bzw zum Beitritt überschritten
werden. Zahlt der Schuldner im Laufe des Verfahrens einen Teilbetrag, so dass der
Anspruch unter 3% fällt, ist der Beschluss nicht aufzuheben. Für einen weiteren
Vollstreckungsantrag muss auch die neue Forderung die 3%-Grenze übersteigen.
Der Nachweis des Einheitswertes ist eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung
und muss mit dem Antrag von der Gläubigerin (idR die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) urkundlich nachgewiesen werden (vgl § 16 Abs. 2). Das Vorliegen kann weder unterstellt noch auf andere Weise glaubhaft gemacht werden. Die
Gläubigerin kann unter Bezug auf Abs. 3 S. 1 Hs 2 und unter Vorlage eines vollstreckbaren Titels beim Finanzamt eine Bescheinigung über den Einheitswert beantragen. Die weiteren Voraussetzungen für eine Vollstreckung in der Rangklasse 2
(Abs. 3 S. 2 und 3) sind gegenüber der Finanzverwaltung nicht nachzuweisen.15
Das Erreichen der Wertgrenze kann die Gläubigerin auch dadurch beweisen, dass
die Forderung, wegen der der Beitritt beantragt wird, 3% des rechtskräftig festgesetzten Verkehrswertes des Versteigerungsobjekts übersteigt.16
Wird ein Nachweis nicht erbracht, kann keine Anordnung (bzw Beitritt) in der
Rangklasse 2 erfolgen; stattdessen ist nur die Anordnung aus der Rangklasse 5
(nicht bevorrechtigter, persönlicher Anspruch) möglich.17 Wird der Einheitswert
zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht, kann die Gläubigerin einen Beitrittsbeschluss im Sinne eines Ergänzungsbeschlusses beantragen, um so klarstellen zu lassen, dass die in der Rangklasse 5 angeordneten Beträge tatsächlich der Rangklasse 2
zuzuordnen sind.18 Da es sich in diesem Fall zwar um dieselbe Forderung gegen
denselben Schuldner handelt, aber nunmehr der dingliche Anspruch vollstreckt
wird, erfolgt für die Gläubigerin auch eine neue (weitere) Beschlagnahme. Für die
Fristberechnung des § 44 Abs. 2 (s. § 44 Rn 22) ist auf die Zustellung des Ergänzungsbeschlusses abzustellen. Nach §§ 30 a, 30 b ist der Schuldner auch erneut zu
belehren.
Die Rangklasse gehört zur „Art des Anspruchs“ und muss daher nach § 16 Abs. 1
im Anordnungsbeschluss bezeichnet werden. Das Vollstreckungsgericht kann daher in der Anordnung der Zwangsversteigerung die Rangklasse, in welcher die
Versteigerung erfolgen soll, nicht offen lassen.19 Wegen der Kappung auf 5% des
Verkehrswertes (s. Rn 19) ist es aber nicht möglich, die Höhe des Betrages, der in
der Rangklasse 2 berücksichtigt werden kann, zu beziffern. Denn zu Beginn des
Verfahrens liegt der Verkehrswert (§ 74 a Abs. 5) noch nicht vor. Selbst wenn er
zum Zeitpunkt des Beitritts vorliegen sollte, steht die Gesamtsumme aller Ansprü14
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BT-Drucks. 16/887, S. 46.
AA Rechtsausschuss des Bundestages, BT-Drucks. 16/12714, S. 23.
BGH NJW 2009, 1888 = NZM 2009, 400 = WM 2009, 1372.
BGH Rpfleger 2008, 375.
BGH Rpfleger 2008, 375.
BGH Rpfleger 2008, 375; aA Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 10 Rn 83.
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che der Rangklasse 2 noch nicht fest, da Anmeldungen noch bis zur Aufforderung
zur Abgabe von Geboten möglich sind (§ 37 Nr. 4). Demzufolge kann das Gericht
im Anordnungs- bzw Beitrittsbeschluss die Rangklasse nur dem Grunde nach festlegen. Ein Formulierungsvorschlag für einen Beitrittsbeschluss in der Rangklasse 2 kann wie folgt lauten:
u … wird wegen eines Hausgeldanspruchs in Höhe von … € (Betrag)
a) in der Rangklasse 2 des § 10 ZVG bis zum Betrag aller Ansprüche in Höhe von 5 %
des festgesetzten Verkehrswertes
b) im Übrigen in der Rangklasse 5 des § 10 ZVG
der Beitritt der Gläubigerin zu der angeordneten Zwangsversteigerung … (genaues
Rubrum) zugelassen. t
28 5. Rangklasse 3 (öffentliche Grundstückslasten). a) Öffentliche Grundstücks-
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31
last. Eine öffentliche Grundstückslast ist eine Abgabenverpflichtung, welche auf
öffentlichem Recht beruht. Sie ist durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistung zu erfüllen und setzt nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks voraus.20 Eine öffentliche Abgabe ist nur dann eine Grundstückslast und in der Rangklasse 3 zu berücksichtigen,
wenn sie in dem für die Abgaben maßgeblichen Bundes- oder Landesgesetz als
öffentliche Last des Grundstücks bezeichnet ist oder aus der gesetzlichen Regelung
eindeutig hervorgeht, dass die Abgabenschuld auf dem Grundstück lastet und folglich nicht nur eine persönliche Haftung des Abgabenschuldners, sondern auch die
dingliche Haftung des Grundstücks besteht.21 Ob eine Abgabe dinglicher Natur
ist, kann sich idR nur aus der jeweiligen Rechtsvorschrift, auf der die Abgabe beruht, nicht aber aus dem ZVG ergeben.22
b) Anmeldung. Die Ansprüche der Rangklasse 3 sind nicht grundbuchersichtlich
und müssen rechtzeitig angemeldet werden (§§ 45 Abs. 1, 114 Abs. 1, 37 Nr. 4).
Zusätzlich ist auch eine Vollstreckung durch Anordnung bzw Beitritt möglich. Die
Vollstreckungsvoraussetzungen sind in den Verwaltungsvollstreckungsbestimmungen des Bundes und der Länder geregelt.
c) Zeitliche Begrenzung. Die Ansprüche in der Rangklasse 3 sind zeitlich limitiert.
Wiederkehrende Leistungen (s. § 13 Rn 2) genießen das Vorrecht nur für die laufenden Ansprüche (s. § 13 Rn 7) und für die zwei Jahre rückständigen Beträge. Bei
den einmaligen Leistungen (s. § 12 Nr. 2 Alt. 2; § 13 Rn 2) gilt in der Rangklasse 3
eine zeitliche Grenze von vier Jahren. Der Berechnungszeitpunkt für die einmalige
Leistung bestimmt sich nach dem Eingangsdatum der Anmeldung bzw des Anordnungs- oder Beitrittsantrags.23 Maßgeblich ist der Fälligkeitstermin innerhalb von
vier Jahren vor diesem Tag. Ältere Ansprüche fallen in die Rangklasse 7.
Beispiel: Eingang der Anmeldung im Verfahren: 29.5.2010. – Die Erschließungskosten für eine Straßenbaumaßnahme aus dem Jahre 2004 wurde gegenüber den
Anliegern am 2.6.2006 abgerechnet und fällig gestellt: Die Ansprüche sind keine
vier Jahre alt und werden somit bevorrechtigt in der Rangklasse 3 berücksichtigt.
Der Vorrang der Rangklasse 3 bleibt auch dann erhalten, wenn der Anspruch – zB
infolge einer Ablösung gem. § 268 BGB durch einen nachrangigen Gläubiger –
20 BGH NJW 1981, 2127 = MDR 1981, 1002 = Rpfleger 1981, 349; Dassler/Schiffhauer/
Rellermeyer, § 10 Rn 30; Stöber, § 10 Rn 6.1.
21 BGH NJW 1989, 107 = MDR 1989, 60 = Rpfleger 1988, 541; Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 10 Rn 30.
22 Steenbock, KStZ 1977, 209.
23 BGH Rpfleger 2008, 213 = WM 2008, 740.
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Erster Titel | Allgemeine Vorschriften
§ 10 ZVG
nicht mehr einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung, sondern einer Privatperson
zusteht.
d) Beispiele für öffentliche Grundstückslasten. Als die wichtigsten öffentlichen
Grundstückslasten lassen sich folgende benennen:
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n
Anschluss- und Erschließungsbeiträge können nach dem KAG einiger Länder
bevorrechtigte einmalige Leistungen sein.
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n
Erschließungsbeiträge nach § 134 BauGB.
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n
Grundbesitzabgaben nach dem KAG einiger Länder: Ein Sammelbegriff für
Benutzungsgebühren für Straßenreinigung, Entwässerung und Abfallbeseitigung, die in einigen Ländern bei entsprechenden Ortsatzungen als bevorrechtigte wiederkehrende Leistung ausgestaltet sein können. Voraussetzung ist jeweils, dass die Benutzungsgebühr grundstücksbezogen erhoben wird. Allein
aus dem Anschluss- und Benutzungszwang kann eine Grundstücksbezogenheit
nicht abgeleitet werden. Wenn nicht vorrangig auf die Existenz des Grundstücks an sich, sondern auf dessen konkrete Nutzung oder die Anzahl der Bewohner abgestellt wird, spricht vieles gegen eine „Grundstücksbezogenheit“.24
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n
Grundsteuern lasten gem. § 12 GrStG auf dem steuerlichen Gegenstand. Das
ist nach § 2 GrStG und § 70 Abs. 1 BewG jede wirtschaftliche Einheit des
Grundvermögens. Die Grundsteuer wird vierteljährlich zur Mitte eines Quartals fällig.
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Kosten einer vorangegangenen Mobiliarvollstreckung können nicht in der
Rangklasse 3 berücksichtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Kommunalkasse nach Landesrecht oder interner Verwaltungsanordnung die Immobiliarvollstreckung erst nach einer ergebnislosen Mobiliarvollstreckung betreiben darf.25 Die Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung (Abs. 2) können geltend gemacht werden.
Schornsteinfegergebühren nach §§ 24, 25 SchfG werden nach landesrechtlicher
Gebührenordnung erhoben. Es handelt sich um einmalige Gebühren, die in Abhängigkeit der erbrachten Tätigkeit entstehen und individuell abgerechnet werden.
Zinsen auf Ansprüche, die auf der AO beruhen, nehmen als Nebenleistung (§ 3
Abs. 4 AO) am Vorrang des Hauptanspruchs teil. Für Säumniszuschläge (§ 240
AO) gilt dies jedoch nicht, da es sich hierbei um ein Druckmittel gegen den Abgabenschuldner handelt und eine dingliche Haftung des Grundstücks fehlt.26
6. Rangklasse 4 (dingliche Rechte). In die Rangklasse 4 gehören alle im Grundbuch eingetragenen Rechte der Abteilung II (zB Reallasten, Dienstbarkeiten) und
Abteilung III (Grundschulden und Hypotheken). Zu beachten ist aber auch die
Rangklasse 6 (relativer Nachrang, s. Rn 45).
Die Rangverhältnisse der Rechte untereinander bestimmen sich nach § 11. Es wird
auf die dortigen Ausführungen verwiesen.
Neben dem Hauptanspruch (Kapital) kommen in die Rangklasse 4
n Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung (Abs. 2; s. Rn 50 ff);
n einmalige Nebenleistungen (ohne zeitliche Limitierung);
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n
24 OLG Zweibrücken WM 2008, 179 = Rpfleger 2008, 218; LG Zweibrücken Rpfleger
2007, 492; AG Dortmund, Beschl. v. 26.6.2008 – 275 K 010/03, juris = AbfallR 2008,
261 = BeckRS 2008, 18199.
25 LG Dortmund Rpfleger 2007, 677 = KKZ 2008, 63.
26 Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 10 Rn 44 mwN; Sievers, Rpfleger 2006, 522 mwN;
aA LG Ansbach Rpfleger 1999, 141; Stöber, § 10 Rn 6.14, § 15 Rn 34.9.
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die laufenden Beträge für Zinsen und andere wiederkehrende Leistungen sowie
Rückstände für zwei Jahre. Maßgeblich für die Abgrenzung ist § 13 (s. § 13
Rn 7). Ältere Beträge fallen in die Rangklasse 8. Wenn auch deswegen das
Verfahren betrieben wird, fallen sie in die Rangklasse 5.
Zur Rangfolge innerhalb der Teilansprüche s. § 12 Rn 4.
7. Rangklasse 5 (sonstige Vollstreckungsansprüche). In der Rangklasse 5 werden
die (betreibenden) Gläubiger mit folgenden Ansprüchen aufgenommen:
n der Zahlungsanspruch eines persönlichen Gläubigers in voller Höhe;
n die älteren öffentlich-rechtlichen Grundstückslasten (vgl Rn 31);
n die älteren wiederkehrenden Leistungen aus den dinglichen Rechten der Rangklasse 4 (vgl Rn 42).
In jedem Fall ist ein Anordnungs- oder Beitrittsbeschluss erforderlich, der auch die
Höhe des Anspruchs festlegt. Darüber hinausgehende Ansprüche desselben Gläubigers können nur berücksichtigt werden, wenn er deshalb dem Verfahren beigetreten ist. Die Berücksichtigung erfolgt nach dem Beitritt an der Rangstelle der
neuen Beschlagnahme.
Innerhalb der Rangklasse 5 bestimmt sich das Rangverhältnis der verschiedenen
Ansprüche nach der Reihenfolge ihrer Beschlagnahme (§ 11 Abs. 2).
8. Rangklasse 6 (relativer Nachrang). Dingliche Ansprüche, die nach der Beschlagnahme im Grundbuch eingetragen worden sind und daher dem (betreibenden) Gläubiger aus der Rangklasse 5 gegenüber relativ unwirksam sind (§ 23), gehören aus der Sicht dieses Gläubigers in die Rangklasse 6 (relativer Nachrang), im
Verhältnis zu anderen Gläubigern und Berechtigten in die Rangklasse 4.
9. Rangklasse 7 (ältere Ansprüche der Rangklasse 3). Meldet eine Behörde einen
älteren Anspruch aus einer öffentlich-rechtlichen Grundstückslast an (s. Rn 29),
der wegen seines Alters nicht mehr in der Rangklasse 3 aufgenommen werden kann
(s. Rn 31), erfolgt eine Berücksichtigung in der Rangklasse 7. Wird deswegen vollstreckt, gehört der Anspruch in die Rangklasse 5.
10. Rangklasse 8 (ältere Ansprüche der Rangklasse 4). Werden von einem im
Grundbuch eingetragenen Berechtigten wiederkehrende Leistungen angemeldet,
die wegen ihres Alters nicht mehr in der Rangklasse 4 aufgenommen werden können (s. Rn 42), erfolgt eine Zuordnung zur Rangklasse 9. Wird deswegen vollstreckt, gehört der Anspruch in die Rangklasse 5.
11. „Rangklasse 9“ (verspätete Anmeldungen). Ansprüche, die für eine Berücksichtigung angemeldet werden müssen (s. § 110 Rn 2) und erst nach Aufforderung
zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin, also verspätet, angemeldet
worden sind, erleiden gem. § 110 einen Rangverlust und gehen allen übrigen Ansprüchen im Range nach (s. § 110 Rn 7).
Werden mehrere Ansprüche verspätet angemeldet, bleibt zwischen ihnen innerhalb
der Rangklasse 9 das untereinander bestehende Rangverhältnis bestehen. Auf den
Zeitpunkt der (verspäteten) Anmeldung kommt es nicht an (s. § 110 Rn 8).
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III. Kosten der Kündigung und der dinglichen Rechtsverfolgung (Abs. 2)
50 Im Range des jeweiligen Anspruchs – also in der Rangklasse 2 bis 6 – sind auch die
Kosten der Kündigung und die der dinglichen Rechtsverfolgung, also die zur Befriedigung aus dem Grundstück erforderlichen Vollstreckungskosten, zu berücksichtigen (für Grundschulden und Hypotheken vgl auch § 1118 BGB). Im Übrigen
gilt hinsichtlich der Vollstreckungskosten für alle Ansprüche § 788 Abs. 1 ZPO
iVm § 91 ZPO. Hiernach fallen die notwendigen Vollstreckungskosten dem
Schuldner zur Last.
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Erster Titel | Allgemeine Vorschriften
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Sind dem Gläubiger darüber hinaus weitere Vollstreckungskosten – zB wegen einer
vorangegangenen Mobiliarzwangsvollstreckung – entstanden, können diese in der
Zwangsversteigerung nur in der Rangklasse 5 (vgl auch Rn 38) geltend gemacht
werden, wenn ihretwegen das Verfahren ausdrücklich auch betrieben wird.
Die Kosten der Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung
sind die durch Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung oder Zwangssicherungshypothek veranlassten notwendigen Aufwendungen. Dies können sein:
n Kosten der dinglichen Klage;
n Kosten der Anordnung bzw des Beitritts;
n Kosten der anwaltlichen Vertretung im Versteigerungsverfahren;
n Kosten eines Grundbuchauszugs;
n Kosten eines erforderlichen Erbscheins;
n Vorschüsse einer Zwangsverwaltung (§ 161 Abs. 3), die nicht in der Rangklasse 1 eingeordnet werden können (s. Rn 6).
51
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IV. „Zwangsweise Veräußerung“ des Wohnungseigentums, §§ 18, 19 WEG
Hat ein Wohnungseigentümer sich einer so schweren Verletzung der ihm gegenüber 53
anderen Wohnungseigentümern obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht,
dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, so können die anderen Wohnungseigentümer von ihm die Veräußerung
seines Wohnungseigentums verlangen (§ 18 Abs. 1 S. 1 WEG). Unter den Voraussetzungen des § 18 WEG kann der „störende“ Miteigentümer zur Veräußerung
seines Wohnungseigentums verurteilt werden. Die zwangsweise Durchsetzung erfolgt nach § 19 Abs. 1 S. 1 WEG entsprechend den Vorschriften des Ersten Abschnitts des ZVG. Weder im WEG noch im ZVG ist dieses Verfahren konkret geregelt worden. In den Begründungen zum Gesetzesentwurf wurde dazu lediglich
ausgeführt, dass dieser Titel wohl im Rang des § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG vollstreckt
werden kann.27 Diese Annahme ist allerdings fehlerhaft: Wie aus dem Wortlaut
des Einleitungssatzes des Abs. 1 hervorgeht, normiert Abs. 1 die Rangordnung der
Rechte auf Befriedigung aus dem Wohnungseigentum. Demzufolge gehört in die
Rangklasse 5 nur der (Zahlungs-)Anspruch eines Gläubigers, soweit er nicht in
einer der vorgehenden Klassen zu befriedigen ist; hierzu gehört der Entziehungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer unstreitig nicht. Er gewährt keinen aus
dem Erlös zu befriedigenden Zahlungsanspruch. Ein verbleibender Erlösüberschuss gebührt daher dem bisherigen Wohnungseigentümer.28 Eine Einordnung
eines Entziehungsanspruchs in die Rangklasse 5 ist daher ausgeschlossen.
Das ZVG regelt in erster Linie die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforde- 54
rung in ein Grundstück durch Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
(§§ 866, 869 ZPO). Das ZVG ist wie ein Teil des 8. Buches, 2. Abschnitt der ZPO
(„Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen“) anzusehen. Soweit nicht wegen
einer Geldforderung vollstreckt wird, sondern zur Durchsetzung von Rechten,
werden die Vorschriften des Ersten Abschnitts für anwendbar erklärt. Zu diesen
besonderen Verfahren zählen die Teilungsversteigerung (§§ 180 ff), die Nachlassversteigerung (§§ 175 ff) und die Insolvenzverwalterversteigerung (§§ 172 ff). Diese besonderen Verfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen, die nicht auf Zahlung
gerichtet sind, können nicht mit einem Verfahren „zur Zwangsvollstreckung wegen
Geldforderung“ zu einem gemeinsamen Verfahren verbunden werden. Sie können
27 BT-Drucks. 16/887, S. 26 f.
28 Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 10 Rn 71.
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immer nur nebeneinander laufen.29 Dasselbe gilt auch für die Zwangsvollstreckung
zur Durchsetzung des Veräußerungsanspruchs. Auch dieses Verfahren ist eigenständig und immer unabhängig von einer parallelen Vollstreckungsversteigerung
durchzuführen.30
In der Versteigerung werden sämtliche im Grundbuch eingetragenen Rechte in das
geringste Gebot aufgenommen, auch die Ansprüche aus den Rangklassen 6, 7
und 8.31 Deshalb sind die Erfolgsaussichten für ein derartiges Verfahren in aller
Regel sehr gering. Wenn der störende Wohnungseigentümer noch Zahlungsrückstände gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft hat, wäre es sinnvoller,
die normale Vollstreckungsversteigerung, vorzugsweise aus der Rangklasse 2, zu
betreiben.
§ 11 [Rangverhältnis verschiedener Rechte derselben Klasse]
(1) Sind Ansprüche aus verschiedenen Rechten nach § 10 Nr. 4, 6 oder 8 in derselben Klasse zu befriedigen, so ist für sie das Rangverhältnis maßgebend, welches
unter den Rechten besteht.
(2) In der fünften Klasse geht unter mehreren Ansprüchen derjenige vor, für welchen die Beschlagnahme früher erfolgt ist.
I. Normzweck
1 Die Norm regelt die Rangverhältnisse der Ansprüche aus verschiedenen Rechten,
die nach § 10 Abs. 1 in derselben Rangklasse einzuordnen sind. Die Rangfolge innerhalb eines Rechts wird in § 12 geregelt.
II. Rangverhältnisse in den Rangklassen 1 bis 3
2 Gemäß dem Einleitungssatz im § 10 Abs. 1 sind innerhalb der Rangklassen 1 bis 3
die Ansprüche aus verschiedenen Rechten oder von verschiedenen Berechtigten (zB
in der Rangklasse 3: Grundsteueransprüche und Schornsteinfegergebühren) im
Gleichrang und daher bei unzureichender Teilungsmasse im Verhältnis ihrer Bruttobeträge zu berücksichtigen.
III. Rangverhältnisse in den Rangklassen 4, 6 und 8
3 1. Regelfall. Innerhalb der Rangklassen 4, 6 und 8 (im Grundbuch eingetragene
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dingliche Rechte) bestimmen sich die Rangfolgen nach §§ 879, 880 BGB. Die
Rangfolge der Rechte in derselben Abteilung des Grundbuchs wird bestimmt durch
die Reihenfolge ihrer Eintragung im Grundbuch (Lokus-Prinzip). Zwischen Rechten, die in verschiedenen Abteilungen eingetragen sind, ist das Eintragungsdatum
maßgeblich. Ob die Berechtigten die Vollstreckung betreiben oder nur anmelden,
ist ohne Einfluss auf das Rangverhältnis.
Beispiel 1: In der Abteilung III werden am selben Tag die Grundschulden III/1 und
III/2 eingetragen. – Das Recht III/1 hat Rang vor dem Recht III/2.
Beispiel 2: Am selben Tag werden in Abteilung II die Dienstbarkeit II/1 und in
Abteilung III die Hypothek III/3 eingetragen. – Die Rechte haben denselben Rang
(Gleichrang).
29 Stöber, § 172 Rn 7; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 180 Rn 166.
30 AA Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 10 Rn 72 (die Durchsetzung des Veräußerungsanspruchs erfolgt im Rahmen der Vollstreckungsversteigerung, aber im Rang nach sämtlichen Rechten, also noch hinter der „Rangklasse 9“, vgl oben Rn 48).
31 Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 10 Rn 71.
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