Wartungsverträge und Baumangel

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Wartungsverträge und Baumangel
12. Pantaenius Immobilientagung 15.11.2012
Empire Riverside Hotel Hamburg
Wartungsverträge und Baumangel
Rechtsanwalt Christopher Nierhaus
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
W∙I∙R Breiholdt Nierhaus Schmidt
S. 1
Die unzuverlässige Wartungsfirma
Nach Einbau eines Personenaufzuges in einen sanierten Altbau wird der
Herstellerfirma die Aufzugswartung übertragen. Der Vertrag wird auf 2
Jahre fest abgeschlossen und verlängert sich um jeweils ein Jahr, sofern
der Vertrag nicht mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt wird. Kurz nach
Inbetriebnahme des Aufzuges beanstandet die WEG-Verwaltung mehrere
Störungen. Mehrmals ließen sich die Aufzugtüren nicht schließen.
Innerhalb eines Monats blieb der Aufzug zwei mal stecken, es kam zu
Personeneinschlüssen. Dabei versagte auch der Notruf. Nachdem die
Wartungsfirma abgemahnt wurde, kam es an zwei Tagen hintereinander
zu Ausfällen der Aufzugsanlage. Daraufhin kündigte die WEG-Verwaltung
den Wartungsvertrag fristlos. Die Wartungsfirma klagt die Vergütung für
die Restlaufzeit des Vertrages ein. Mit Erfolg?
S. 2
Instandhaltung nach DIN 31051
Nach DIN 31051:2003-06 dient die Instandhaltung zur
Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes während des Lebenszyklus
einer Betrachtungseinheit, so dass diese die geforderte Funktion
erfüllt.
Im Rahmen der Instandhaltung ist zu unterscheiden nach
•Inspektion
•Wartung
•Instandsetzung
•Verbesserung
S. 3
Wartung und Instandsetzung
Nach der Definition der DIN 31051:2003-06, Ziff. 4.1.2. werden unter
Wartung solche Maßnahmen verstanden,
durch die der Abbau des Abnutzungsvorrates einer Betrachtungseinheit
verzögert wird.
Durch die Instandsetzung gem. DIN 31051:2003-06, Ziff. 4.1.4. wird
die Betrachtungseinheit wieder in ihren funktionsfähigen Zustand
zurückgeführt
S. 4
Leistungspflichten
Mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung für die Wartung kommt
den im Vertrag geregelten Leistungspflichten besondere Bedeutung zu.
Bei der Auslegung der Leistungspflichten des AN kann auf folgende
technische Regelwerke zurückgegriffen werden:
• Betriebssicherheitsverordnung (BSV)
• DIN 31051
• „Einheitsblätter“ des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und
Anlagenbau e.V.) für haustechnische Anlagen
• Instandhaltungsanweisungen des Anlagenherstellers (BGH, BauR 2009,
1589)
S. 5
Wartungsvertrag ist Werkvertrag
Nach herrschender Meinung steht bei der Wartung weniger die
Ausgestaltung als Dauerschuldverhältnis im Vordergrund als vielmehr der
zu erzielende Erfolg, dass die möglichst störungsfreie Betriebsfähigkeit der
Anlage gesichert werden soll. Geschuldet ist,
 die Anlage in einem betriebsfähigen Zustand zu halten (OLG München,
CR 1989, 283 – zu Vertrag mit Instandsetzungspflichten),
 die Erhaltung eines möglichst wenig störanfälligen Zustandes der
Anlage (OLG Stuttgart, BB 1977, 11 – zu Vertrag mit Austausch von
Verschleißteilen)
 die Funktionstüchtigkeit des Wartungsgegenstandes für den nächsten
Zeitabschnitt zu erhalten (OLG Frankfurt, DAR 1973, 296).
S. 6
Mängelrechte im Wartungsvertrag
Einfache Wartungsverträge (ohne Instandsetzungsverpflichtung)
verpflichten nur zur ordnungsgemäßen Erfüllung der vertraglich
festgelegten, sonst der branchenüblichen Inspektions- und
Wartungsarbeiten (Fischer, Wartungsverträge, S. 115).
Z.B.: Intervalle nicht eingehalten, falsche Schmiermittel, Missachtung der
Herstelleranweisungen.
Geschuldeter Erfolg ist nur ein Zustand, der einen möglichst
störungsfreien Betrieb ermöglicht, nicht aber der störungsfreie Betrieb
selbst!
„Aufgrund des Wartungsvertrages war die Klägerin auch verpflichtet,
das kurzfristige Auftreten immer neuer Betriebsstörungen zu
verhindern“
(LG Gießen, NJW-RR-2001, 136 – zur Vollwartung für Kopiergerät).
S. 7
Störungsdienst
Durch Unterhaltung eines Störungsdienstes verpflichtet sich der AN zur
Bereitstellung eines auf Abruf tätig werdenden Dienstes und i.d.R. auch
zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Anlage.
Für die Leistungspflichten des Störungsdienstes sind mangels gesetzlicher
Vorgaben vertragliche Regelungen maßgeblich zu
•Ansprechzeiten
•Reaktionszeiten
•Zeiten für Tätigwerden
S. 8
Beweislast
Die geschuldete Wartungsleistung „Verzögerung des Abbaus des
Abnutzungsvorrates“ kann aus tatsächlichen Gründen nicht nach § 640
BGB abgenommen werden. An die Stelle der Abnahme tritt daher nach
§ 646 BGB die Vollendung der Wartungsleistung (OLG München,
CR 1989, 283).
Bei Vollwartungsverträgen können die einzelnen
Instandsetzungsmaßnahmen nach § 640 BGB abgenommen werden,
auch wenn der Abnahmezeitpunkt in der Praxis häufig schwer feststellbar
sein wird (Schröder, Der Wartungsvertrag, S. 186).
Beim nicht in Anspruch genommenem (untätigem) Störungsdienst tritt am
Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit die die Abnahmewirkung gem.
§ 646 BGB ein (Schröder, a.a.O., S. 188).
S. 9
Außerordentliche Kündigung d. Wartungsvertrages
Da Wartungsverträge Dauerschuldverhältnisse sind, ersetzt das
Kündigungsrecht aus § 314 BGB das werkvertragliche Rücktrittsrecht aus
§ 634 Nr. 3 BGB. Voraussetzungen sind
•ein wichtiger Grund,
•dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar ist
•sowie in der Regel eine vorangegangene Abmahnung.
Nicht ausreichend: Insolvenz des AN, (BGH XII ZR 5/00).
Ausreichend: Wenn ein Servicetechniker nach Anforderung nicht
erscheint, obwohl bereits mehrfache Betriebsstörungen beseitigt werden
mussten (OLG Schleswig, MDR 2000, 632 f.).
S. 10
Verjährungsfall
Im Jahr 2005 baut die Klägerin in das Wohnhaus der Beklagten eine
Heizungsanlage ein. Die Arbeiten werden Februar 2006 abgenommen. Im
März 2009 beanstandet die Beklagte, dass die Heizungsanlage nicht
funktioniert. Der Monteur der Klägerin tauscht die Umwälzpumpe der
Heizungsanlage aus. Dafür berechnet die Klägerin EUR 877,03. Aufgrund
einer weiteren Beanstandung wurde zwei Monate später ein Dadiallüfter
ausgetauscht wofür die Klägerin EUR 280,86 berechnete. Die Beklagte
verweigert die Zahlung, weil es sich um Gewährleistungsfälle handele. Die
Klägerin ist der Auffassung, dass Pumpe und Lüfter infolge Verschleißes
ausgefallen seien. Im Übrigen beruft sie sich auf Verjährung der
Gewährleistungsansprüche und klagt den Werklohn ein. Die ersetzten
Teile sind bereits entsorgt.
Wer gewinnt?
Ergäbe sich ein anderes Ergebnis, wenn im Jahr 2005 die Geltung der
VOB/B vereinbart worden wäre?
S. 11
Verjährung, § 643 a BGB
(1) Die in § 634 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Ansprüche verjähren
1. vorbehaltlich der Nummer 2 in zwei Jahren bei einem Werk, dessen
Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder
in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür
besteht,
2. in fünf Jahren bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in
der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür
besteht, und
3. im Übrigen in der regelmäßigen Verjährungsfrist.
S. 12
Arbeiten am Bauwerk?
Reparatur, Erneuerungs- und Modernisierungs- und Umbauarbeiten an
einem bestehenden Gebäude sind ebenfalls Arbeiten an demselben, wenn
sie mit denen für eine Neuherstellung vergleichbar, also nach Art und
Umfang für Konstruktion, Bestand, Erhaltung und Nutzbarkeit des
Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind. (BGH, BauR 1984, 168;
BauR 1978, 303).
Bejaht für umfangreiche Malerarbeiten (BGH NJW 1993, 3195)
Bejaht für Verlegung von Teppichboden (BGH NJW 1991, 2486)
Abgelehnt für Ausbesserungsarbeiten an einem Parkettboden (OLG
Hamm, BauR 1999, 766)
Die Rechtsprechung legt den Bauwerksbegriff üblicherweise großzügig
aus.
S. 13
Verjährung, § 13 Abs. 4 VOB/B
1. Ist für Mängelansprüche keine Verjährungsfrist im Vertrag vereinbart,
so beträgt sie für Bauwerke 4 Jahre, für andere Werke, deren Erfolg in
der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache besteht, und
für die vom Feuer berührten Teile von Feuerungsanlagen 2 Jahre.
Abweichend von Satz 1 beträgt die Verjährungsfrist für feuerberührte
und abgasdämmende Teile von industriellen Feuerungsanlagen 1 Jahr.
2. Ist für Teile von maschinellen und elektrotechnischen/elektronischen
Anlagen, bei denen die Wartung Einfluss auf Sicherheit und
Funktionsfähigkeit hat, nichts anderes vereinbart, beträgt für diese
Anlagenteile die Verjährungsfrist für Mängelansprüche abweichend von
Nummer 1 zwei Jahre, wenn der Auftraggeber sich dafür entschieden
hat, dem Auftragnehmer die Wartung für die Dauer der Verjährungsfrist
nicht zu übertragen; dies gilt auch, wenn für weitere Leistungen eine
andere Verjährungsfrist vereinbart ist.
S. 14
Einfluss der Wartung auf Herstellungsmängel
Insbesondere bei Wartungsverträgen mit Instandsetzungspflichten können
Herstellungsmängel im Rahmen der Wartung beseitigt werden, so dass
dem AG die Beweisführung nicht mehr möglich wäre.
In diesen Fällen könnte ggfs. eine Beweisvereitelung durch den AN , der
zugleich Hersteller der Anlage ist, angenommen werden (vgl. OLG
München, CR 1989, 283, 284; Fischer, Wartungsverträge, 3. Aufl., S. 132)
Vertreten wird auch, dass den AN eine Hinweispflicht trifft, auf den
Herstellungsmangel hinzuweisen. Bei Verletzung dieser vertraglichen
Nebenpflicht sei der AN zum Schadensersatz verpflichtet und der AG zur
außerordentlichen Kündigung berechtigt (Schröder, Der Wartungsvertrag,
S. 223).
S. 15
Wartung vor Abnahme?
Nach Übergabe der Wohnungen eines vom Bauträger neu errichteten
Gebäudes an die Erwerber steht die Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch aus. Bevor es zur Abnahme kommt, zeigen sich Mängel am
Gemeinschaftseigentum. Die Türen der Aufzugskabine sind auffällig laut
und blockieren teilweise. Das Garagentor lässt sich nur schwergängig
öffnen. Der Bauträger ist der Auffassung, dass er für die Mängel
grundsätzlich nicht verantwortlich sei, da er seine Haftung für den Fall
ausgeschlossen habe, dass keine Wartungsverträge abgeschlossen
werden. Außerdem hätten die Mängel im Rahmen von Wartungsverträgen
verhindert werden können. Der Verwalter ist der Auffassung, er sei gar
nicht berechtigt, Wartungsverträge abzuschließen, da er ansonsten in die
laufende Gewährleistung, bzw. Herstellungsverpflichtung des Bauträgers
eingreifen würde.
S. 16
Vereinbarung kurzer Verjährung unzulässig
Die isolierte Vereinbarung der kurzen Verjährung nach § 13 Nr. 4 VOB/B
verstößt gegen § 309 Nr. 8b lit. ff BGB (Verbot der Verjährungsverkürzung
für Mängelansprüche) und ist daher unwirksam.
(BGH, BGHZ 96, 129; BGHZ 11, 388, 392; ständige Rechtsprechung).
Ein Haftungsausschluss für den Fall der unterlassenen Wartung durch
Erwerber darf nicht gegen § 309 Nr.8b lit. aa BGB (Verbot von
Gewährleistungsausschlüssen) verstoßen. Solange Haftungsausschlüsse
sich auf Verschleißerscheinungen beschränken, sind sie wirksam aber
nicht erforderlich, da kein Mangel vorliegt (Basty, der Bauträgervertrag, Rz.
1111).
S. 17
Werkvertraglicher Mangel oder Verschleiß?
Die Erfolgshaftung eines Werkunternehmers geht nicht soweit, dass er für
eine Mangelerscheinung auch dann einzustehen hat, wenn nicht feststeht,
dass sie ihm (bei Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik) nicht
zuzurechnen ist (Hans OLG, BauR 2001, 1749 – zu § 13 Abs. 5 VOB/B)
Ein Mangel liegt dann nicht vor, wenn es dem Unternehmer auch bei
Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik und sonstigen
technischen Regelwerken nicht gelingen kann, eine fünfjährige
Lebensdauer des Bauteils zu erzielen, ohne dass in der Zwischenzeit
Wartungsarbeiten durchgeführt werden müssen (OLG Düsseldorf, IBR
1992, 150; Basty, Bauträgervertrag, 6. Aufl., Rz. 1050; Hankammer/
Krause-Allenstein, BauR 2007, 963).
S. 18
Kurze Wartungsintervalle
 Instandhaltungsintervalle bei Holzfenstern im Wohnungsbau 1-2 Jahre
(vgl. OLG Düsseldorf, IBR 1992, 150: Lasuranstrich bei Holzfenstern
muss alle 2 Jahre erneuert werden)
 „Wartungsfugen“ gem. DIN 52460: 2000-2, Ziff. 3.1.39: Starken
Einflüssen (z.B. chemischen, biologischen, physikalischen,
mechanischen) ausgesetzte Fuge, deren Dichtstoff in regelmäßigen
Zeitabständen überprüft und ggfs. erneuert werden muss, um
Folgeschäden zu vermeiden.
 Wiederkehrende Prüfung von Personenaufzügen alle 2 Jahre gem. § 15
BetrSichV, Technische Wartung üblicherweise 2- 6 x pro Jahr
S. 19
Zuständigkeit für den Abschluss von Wartungsverträgen
Die Zuständigkeit der WEG zum Abschluss von Wartungsverträgen ergibt
sich aus § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG.
Problematisch ist die Zuständigkeit der WEG im Zeitraum zwischen
Übergabe des Sondereigentums und (verzögerter) Abnahme des
Gemeinschaftseigentums. Im Regelfall ist die WEG mangels
Eigentumsumschreibung auf die Erwerber noch nicht in Vollzug gesetzt
(werdende WEG). Wer muss die Wartungsverträge abschließen?
S. 20
Gefahrtragung
§ 644 BGB Gefahrtragung
(1) Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des
Werkes. Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die
Gefahr auf ihn über. Für den zufälligen Untergang und eine
zufällige Verschlechterung des von dem Besteller gelieferten
Stoffes ist der Unternehmer nicht verantwortlich.
Die §§ 644/ 645 BGB regeln nur die Vergütungsgefahr, also die Frage,
ob der Unternehmer seine Vergütung erhält, wenn sich die bereits
erbrachte Werkleistung durch Zufall verschlechtert. Die Leistungsgefahr
richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Der Unternehmer trägt die
Leistungsgefahr bis zur Abnahme des Werkes, vgl. Schutzpflicht des AN
gem. § 4 Abs. 5 VOB/B.
S. 21
Abgrenzungskriterien
Da die Verschleißfreiheit nicht vereinbarte Beschaffenheit ist, kommt es
nicht auf die werkvertragliche Mangelfreiheit bei Abnahme an.
Gilt die als Beschaffenheit vereinbarte Wartungsbedürftigkeit aber auch
vor Abnahme oder unterfällt das Wartungsrisiko bis zur Abnahme der
Herstellungsverpflichtung des Bauträgers?
Der kaufrechtliche Übergang der Leistungsgefahr bei Übergabe (§ 446
BGB) wurde vom Gesetzgeber nicht ins Werkvertragsrecht übernommen.
Auch die werdenden WE tragen entsprechend § 16 Abs. 2 WEG die
Kosten und Lasten des (künftigen) gemeinschaftlichen Eigentums
S. 22
Hinweispflicht des Bauträgers
Vor allem gegenüber Verbrauchern oder einem sonst Bauunkundigen
kann eine Hinweispflicht auf das Wartungserfordernis vor Ablauf der
Gewährleistungspflicht als vertragliche Nebenpflicht bestehen (Basty,
Bauträgervertrag, 6. Aufl., Rz. 1040; Hankammer/ Krause-Allenstein, BauR
2007, 963).
Die Verletzung der Hinweispflicht führt zur Schadensersatzverpflichtung
des Bauträgers. Der Schaden der WEG liegt u.a. in der Verschlechterung
der Anlage durch die unterbliebene Wartung und den zu deren Beseitigung
erforderlichen Kosten.
S. 23
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
S. 24