Duft- und Heilpflanzen

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Duft- und Heilpflanzen
Heinz Schilcher
Ingeborg Stadelmann
Christian Herb
Duft- und
Heilpflanzen
sehen, verstehen, anwenden
Stadelmann Verlag
Wichtiger Hinweis
Dieses Handbuch dient der Aufklärung, Information und Selbsthilfe.
Jede Leserin und jeder Leser ist aufgefordert, in eigener Verant wortung zu entscheiden, ob und inwieweit die Pflanzen und deren
Zubereitungen angewendet werden können. Das Buch dient lediglich
dem Kennenlernen der Duft- und Heilpflanzen und zeigt die Vielfalt
deren Einsatzgebiete. Es ersetzt weder Fachliteratur noch medizinischen Rat.
Pflanzen und Zubereitungen daraus, homöopathische Arzneien und
ätherische Öle sind hochwirksame Substanzen, die, falsch eingesetzt
oder zu hoch dosiert, zu Nebenwirkungen führen können.
Zwischen den abgebildeten Pflanzen und deren Erscheinen in freier
Natur oder im Duft- und Heilpflanzengarten auf der Burghalde in
Kempten sind Abweichungen möglich. Für eine exakte Bestimmung
der Pflanze empfehlen wir entsprechende Literatur.
ISBN 978-3-943793-03-1
© 2012 Stadelmann Verlag
Nesso 8, 87487 Wiggensbach
Fax: 0 83 70 – 88 96
www.stadelmann-verlag.de
E-Mail: [email protected]
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen
Fällen bedarf deshalb der vorherigen schriftlichen Einwilligung
der Autorenschaft und des Verlags.
Satz: Simone Dorn, Kempten
Lektorat: Danielle Flemming, Darmstadt
Druck: Kösel, Krugzell
Vorwort
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Vorwort
Im Jahr 2004 entstand in einem Gespräch zwischen
der Naturheilkundlerin und Hebamme Ingeborg Stadelmann und dem Gärtner Christian Herb die Idee, im
Allgäu einen Duft- und Heilpflanzengarten anzulegen.
Beiden liegen nicht nur die Heilkräuter mit ihren vielfältigen Wirkungen am Herzen, sondern auch der korrekte
Einsatz dieser Pflanzen. Jedoch sollte das Wissen zu
solchen Pflanzen nicht nur in Seminaren und Vorträgen
vermittelt werden, sondern das Betrachten, Anfassen
und Kennenlernen in natura möglich sein. Der Apotheker Dietmar Wolz und die Stadt Kempten unterstützen
die Idee sofort, und so konnte im Jahr 2005 das Projekt
„Duft- und Heilpflanzengarten auf der Burghalde“ im
Herzen der ältesten Stadt Deutschlands umgesetzt werden. Die Pflanzen wurden gemeinsam ausgewählt, von
der Gärtnerei Herb zur Verfügung gestellt und unter
Mithilfe der staatlichen Berufsschule (Abteilung Gartenbau) und des Förderzentrums St. Georg konnte der
damals angehende Landschaftsarchitekt Ralph Stadelmann den mittlerweile gut besuchten Schaugarten
Wirklichkeit werden lassen.
Sieben Jahre später entstand unter Initiative von Prof.
Dr. Dr. h. c. mult. Heinz Schilcher der Wunsch, zu diesem Duft- und Heilpflanzengarten ein lehrreiches Büchlein im Sinne eines Gartenführers zu schreiben.
Der Garten wie das Buch zeigen die Vielfalt Heilpflanzen: Sowohl heimische Kräuter aus dem Allgäu bzw. der
Alpenregion sind zu fi nden wie auch viele Exoten aus
fernen Ländern.
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Vorwort
Bei Ihrem Besuch im Duft- und Heilpflanzengarten in
Kempten können Sie so mithilfe des Buchs Ihr Wissen ergänzen. Aber auch zuhause – auch weitab des Allgäus –
können Sie sich in Ruhe anhand der vielen Fotos eine Vorstellung davon machen, welche wunderbaren Geschöpfe
aus Gottes Natur die Naturheilkunde möglich machen.
Das knappe und kurze Nachschlagewerk vereint Wissenschaft, gelebte Anwendung und Erfahrung. Es beschreibt
Pflanzen, die in der Kräuterheilkunde (Phytotherapie), in
Vorwort
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der Aromatherapie und in der Homöopathie angewendet
werden. Die Pflanzen, in verarbeiteter Form, fi nden Sie
wieder in den Original IS Aromamischungen®, in Teemischungen und in den homöopathischen Taschenapotheken von Ingeborg Stadelmann, die in der BahnhofApotheke hergestellt werden und direkt dort oder über
Ihre Apotheke vor Ort erhältlich sind.
Dieses Buch soll auch aufzeigen, dass sich in der sogenannten Komplementär-Medizin wissenschaftliches und
empirisches Wissen ergänzen, sowohl bei der eigenverantwortlichen Anwendung wie in der Therapie. Dabei ist
immer eine Portion Respekt nötig und vor allem Wissen.
Zur Vertiefung Ihres Wissens fi nden Sie ab S. 293 eine
Liste der verwendeten oder empfehlenswerten Literatur.
Und vielleicht bekommen Sie ja durch das Duft- und
Heilpflanzenbuch Lust, sich auch an Ihrem Wohnort für
die Anlage eines solchen Gartens einzusetzen, damit
möglichst viele Menschen die Vielfalt der Natur betrachten können. Womöglich begleitet sie dieses Taschenbuch
aber auch beim Besuch in einem der vielen botanischen
Gärten Europas. Oder einfach nur beim nächsten Spaziergang oder beim Verweilen in Ihrem Garten, und hilft
Ihnen so, die Vielfalt der Pflanzenwelt in der Naturheilkunde besser zu sehen, zu verstehen und anzuwenden.
Viel Freude beim Lesen wünschen
Ihre Ingeborg Stadelmann
Ihr Heinz Schilcher, Christian Herb
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erläuterungen zu den Pflanzenzubereitungen . .
Erläuterungen zu Standort und Biologie . . . . . . .
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Pflanzensteckbriefe (A – Z) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alant, echter – Inula helenium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aloe, echte – Aloe vera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anis – Pimpinella anisum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Arnika, Bergwohlverleih – Arnica montana . . . . . . . . . . .
Baldrian – Valeriana offi cinalis (s. l.) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Basilikum – Ocimum basilicum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Beinwell – Symphytum offi cinale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Berberitze; gewöhnlicher Sauerdorn – Berberis vulgaris . .
Bergamotte – Citrus bergamia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bilsenkraut, schwarzes – Hyoscyamus niger var. niger . . .
Bittersüß; bittersüßer Nachtschatten – Solanum dulcamara
Blutwurz; aufrechtes Fingerkraut, Tormentill –
Potentilla erecta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Brennessel – Urtica dioica ssp. dioica, Urtica urens . . . . .
Brombeere – Rubus fruticosus
Himbeere – Rubus idaeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cistrose, Lack-Zistrose – Cistus ladanifer,
Cistus incanus ssp. creticus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Citronella, Zitronellgras – Cymbopogon nardus . . . . . . . . .
Damiana – Turnera diffusa var. aphrodisiaca . . . . . . . . . .
Dill – Anethum graveolens var. hortorum . . . . . . . . . . . . .
Eibisch, echter – Althaea offi cinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eisenhut, blauer – Aconitum napellus ssp. napellus . . . . . .
Eisenkraut, echtes – Verbena offi cinalis . . . . . . . . . . . . . . .
Eisenkraut, wohlriechendes; Zitronenstrauch,
Zitronenverbene – Aloysia citriodora . . . . . . . . . . . . . . .
Engelwurz, Angelikawurzel – Angelica archangelica . . . . .
Eukalyptus – Eucalyptus globulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fenchel – Foeniculum vulgare ssp. vulgare . . . . . . . . . . . . .
Fingerhut – Digitalis purpurea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Frauenmantel – Alchemilla xanthochlora . . . . . . . . . . . . .
Gänseblümchen – Bellis perennis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Gänsefi ngerkraut – Potentilla anserina . . . . . . . . . . . . . . .
Germer, weißer – Veratrum album . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ginkgo, Fächerblattbaum – Ginkgo biloba . . . . . . . . . . . . .
Goldrute, echte – Solidago virgaurea ssp. virgaurea . . . . .
Grapefruit – Citrus paradisi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gundermann – Glechoma hederacea . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hirtentäschel – Capsella bursa-pastoris . . . . . . . . . . . . . .
Holunder, schwarzer – Sambucus nigra . . . . . . . . . . . . . . .
Hopfen – Humulus lupulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Immortelle – Helichrysum italicum ssp. italicum,
Helichrysum arenarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ingwer – Zingiber offi cinale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Iris, Schwertlilie – Iris x germanica ssp. germanica,
Iris pallida ssp. pallida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jasmin, chinesischer – Jasminum grandifl orum . . . . . . . . .
Johanniskraut, Tüpfel-Hartheu –
Hypericum perforatum var. maculatum . . . . . . . . . . . . .
Kamille, echte – Matricaria recutita . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kamille, römische – Chamaemelum nobile . . . . . . . . . . . .
Kapuzinerkresse – Tropaeolum majus . . . . . . . . . . . . . . . .
Katzenbart, indischer Nierentee – Orthosiphon aristatus
Kermesbeere, amerikanische – Phytolacca decandra . . . . .
Knoblauch, echter – Allium sativum var. sativum . . . . . . .
Koriander – Coriandrum sativum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kornblume – Centaurea cyanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krauseminze, Nanaminze – Mentha spicata ssp. spicata . .
Kreuzkümmel – Cuminum cyminum . . . . . . . . . . . . . . . . .
Küchenschelle, gewöhnliche –
Pulsatilla vulgaris ssp. vulgaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kümmel – Carum carvi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lavandin, englischer – Lavandula x intermedia . . . . . . . .
Lavendel, echter – Lavandula angustifolia ssp. angustifolia
Lavendelsalbei; spanischer Salbei – Salvia lavandulifolia
ssp. lavandulifolia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Liebstöckel, Maggikraut – Levisticum offi cinale . . . . . . . .
Limette, Limone – Citrus aurantiifolia . . . . . . . . . . . . . . .
Majoran – Origanum majorana
Dost, wilder – Origanum vulgare . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Malve, wilde – Malva sylvestris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mandarine – Citrus reticulata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mariendistel – Silybum marianum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Meerrettich – Armoracia rusticana . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Melisse – Melissa offi cinalis ssp. offi cinalis . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Mönchspfeffer, Keuschlamm – Vitex agnus-castus . . . . . .
Muskatellersalbei – Salvia sclarea . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Myrte, Braut-Myrte – Myrtus communis ssp. communis . .
Nachtkerze, gewöhnliche – Oenothera biennis . . . . . . . . .
Niaouli – Melaleuca viridifl ora var. viridifl ora . . . . . . . . .
Orange, Apfelsine – Citrus sinensis
Bitterorange, Pomeranze (Neroli) – Citrus aurantium . .
Palmarosagras – Cymbopogon martinii . . . . . . . . . . . . . . .
Pfefferminze – Mentha x piperita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Quendel – Thymus serpyllum ssp. serpyllum . . . . . . . . . . .
Ringelblume – Calendula offi cinalis . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rose – Rosa x damascena. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rosengeranie – Pelargonium graveolens . . . . . . . . . . . . . .
Rosmarin – Rosmarinus offi cinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Salbei – Salvia offi cinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schafgarbe, Wiesen-Schafgarbe – Achillea millefolium
spp. millefolium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schöllkraut – Chelidonium majus var. majus . . . . . . . . . .
Sonnenhut, roter – Echinacea purpurea . . . . . . . . . . . . . . .
Stechapfel, gewöhnlicher weißer – Datura stramonium
var. stramonium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stephanskraut – Delphinium staphisagria . . . . . . . . . . . . .
Sumpfporst – Ledum palustre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Süßholz, spanisches; Lakritze – Glycyrrhiza glabra . . . . . .
Süßkraut – Stevia rebaudiana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tabak; virginischer Tabak – Nicotiana tabacum . . . . . . . .
Teebaum – Melaleuca alternifolia . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thymian – Thymus vulgaris, Thymus zygis . . . . . . . . . . .
Tollkirsche, echte – Atropa bella-donna . . . . . . . . . . . . . .
Traubensilberkerze, Juli-Silberkerze –
Cimicifuga racemosa var. racemosa . . . . . . . . . . . . . . . .
Waldmeister – Galium odoratum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Weidenröschen – Epilobium parvifl orum . . . . . . . . . . . . .
Weinraute – Ruta graveolens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ysop, gewöhnlicher – Hyssopus offi cinalis ssp. offi cinalis
Ysop kriechender – Hyssopus offi cinalis var. decumbens
Zaubernuss – Hamamelis virginiana . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zaunrübe – Bryonia cretica ssp. dioica . . . . . . . . . . . . . . .
Zinnkraut, Ackerschachtelhalm – Equisetum arvense . . . .
Zitrone – Citrus limon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zitronengras – Cymbopogon citratus,
Cymbopogon fl exuosus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zwiebel, Küchenwiebel – Allium cepa Cepa Grp. . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Anhang
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 – 298
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kältezonenkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nützliche Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pflanzenverzeichnis lateinisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung
Einführung
Liebe Leserin, lieber Leser, lieber Gartenbesucher,
das Duft- und Heilpflanzenbuch soll lediglich exemplarisch sein und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Es will auf die Möglichkeiten der vielseitigen „Kräuteranwendungen“ im täglichen Leben sowie in der Selbstmedikation aufmerksam machen. Kräuter werden unterteilt, je nach Verwendungszweck, ob für die medizinische
oder traditionelle Kräuterheilkunde, die Aromatherapie,
die Homöopathie oder einfach als Lebensmittel, in:
• Arzneikräuter
• Aromapflanzen
• Kräuter als Ausgangspflanze für homöopathische Arzneien
• Gewürzpflanzen
• Salat- und Gemüsekräuter
Es werden mehr als 100 Pflanzen aufgezeigt, die in der
Selbstmedikation von besonderer Bedeutung und zugleich auch „heimische Heilkräuter“ sind, oder ferne
Exoten wie Teebaum und Eukalyptus, deren ätherische
Öle über die Aromatherapie Einzug in unsere duftenden
Hausapotheken gehalten haben. Einige wenige Giftpflanzen sind exemplarische Vertreter für die homöopathischen Arzneikräuter.
In der Anwendung gibt es für viele Pflanzen Überschneidungen, z. B. können Salbeiblätter sowohl Gewürz als auch
Heilkraut sein. Weitere Beispiele sind Basilikum, Thymian,
Zwiebel u. a. Nur wenige der aufgeführten Pflanzen sind in
allen Bereichen vertreten, viele jedoch mindestens in zwei,
manche sind gar in drei oder vier Anwendungsgebieten
im anerkannten wie im bewährten Einsatz. Aber lesen
und sehen Sie selbst auf den folgenden Seiten zu den unterschiedlichen Möglichkeiten und Varianten.
Einführung
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Bei vielen Arzneikräutern1 sind die Qualität, die eingenommenen Mengen und die Zubereitungs- oder Darreichungsformen entscheidend, um den gesundheits- bzw.
krankheitsbezogenen Erwartungen gerecht zu werden.
Heilkräuter sind je nach Dosis heilend und lindernd, in
niedriger Dosis aber auch vorbeugend wirksam und unterliegen dementsprechend dem Arzneimittelgesetz
(AMG 1976). Bei den Pflanzensteckbriefen sind gesicherte medizinische Anwendungsempfehlungen beschrieben, die durch Monographien von vier Sachverständigenkommissionen erstellt wurden:
• Deutsche Sachverständigenkommission E nach dem
AMG 1976
• Europäische Kommission ESCOP (European Scientific
Cooperative on Phytotherapy)
• Kommission der WHO (World Health Organisation)
• EU-Committee for Herbal Medicinal Products
(HMPC) bei der European Medicines Agency (EMA)
in London
Die vertretbaren volksmedizinischen und traditionellen
Anwendungsmöglichkeiten sind das Ergebnis eines
5-jährigen Forschungsauftrages, den Prof. Dr. Dr. h.c.
mult. Heinz Schilcher und sein Arbeitskreis an der FU
Berlin vom Bundesgesundheitsamt erhalten hatten.
1 In der Fachsprache (Apotheker, Drogisten, Biologen etc.) steht der
Begriff „Kraut“ (im Arzneibuch unter „Herba“) nur für die Blätter
und Stängel sowie die dazugehörigen Blüten. Nicht eingeschlossen
sind aber die Früchte, Samen und Wurzeln (die jeweils eigene
Bezeichnungen haben).
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Arnika
Arnika, Bergwohlverleih –
Arnica montana L.
Pflanzensteckbrief
Familie: Korbblütler, Asteraceae (Compositae)
Ursprungsland: Nordamerika, Europa ohne britische
Inseln
Höhe: 30 – 50 cm
Blütezeit, -farbe: von Mai bis Juli; gelb
Standort und Biologie
• absonnig
• lichter Bergwald und Bergwiesen, kalkmeidend
• magerer, durchlässiger, saurer Boden
• kurzlebige Staude von 2 – 4 Jahren
• winterhart, Zone 6
• Bienen- und Insektenpflanze
Berg-Arnika
(A. montana)
Wiesen-Arnika
(A. chamissonnis)
Arnika
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Anwendung
Es werden die ganzen Blütenstände oder die ausgezupften Blütenblättchen für die Kräuterheilkunde verwendet.
Die homöopathische Arznei wird aus den getrockneten
unteriridischen Teilen hergestellt.
Arzneilich nachgewiesene Wirkung
Arnika hilft bei Blutergüssen, Prellungen, Quetschungen
und weiteren Unfallfolgen. Sie wirkt entzündungshemmend, z. B. nach Insektenstichen. Innerlich in der Selbstmedikation nicht anzuwenden und äußerlich nur als
verdünnte Tinktur (1 : 4 bis 1 : 5), z. B. mit weinsaurer
Tonerdelösung oder in der „Retterspitz-Tinktur“.
Wirkung ins Aromamischungen
Arnikaöl (Ölauszug von Arnikablüten in Olivenöl) ist als
Grundlage für Salben und Massageöle bei den genannten Indikationen sehr bewährt und beliebt, v. a. bei
Berg-Arnika (A. montana)
A
A
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Arnika
Sportlern und älteren Menschen. Es wirkt durchblutungsfördernd und erwärmend, darf aber nicht auf offene Wunden gelangen und in der Schwangerschaft nur
nach Rücksprache mit einem Experten benutzt werden.
In der Homöopathie
Die bewährte Arznei, die in keiner Hausapotheke fehlen
darf. Sie wird eingesetzt bei Folgen von Überanstrengung,
Hämatom, Prellung, Verrenkung, Verstauchung, Quetschung, rheumatischen Muskel- und Gelenkschmerzen.
Sie wirkt wundheilungsfördernd, bei Venenbeschwerden,
nach Operationen, Geburten, Zahnextraktionen. Bewährt in tiefer Potenz bei bettnässenden Kindern.
Traditionelle Anwendung
durchblutungsfördernd, erwärmend
Als Lebensmittel
keine Verwendung
Interessantes und Nützliches
Im Kräutergarten auf der Kemptener Burghalde befi ndet
sich Wiesen-Arnika (Arnica chamissonis Less.) aus Nordamerika und nicht unsere Berg-Arnika (Arnica montana), weil sich diese nur an ihrem natürlichen Standort
kultivieren lässt (Ausnahme: 2 Kultursorten der Firmen
Weleda und Kneipp). Die Wiesen-Arnika ist eine Kulturpflanze, die auch im Garten gedeiht und langlebiger ist
(5 – 10 Jahre) als die Berg-Arnika. Die Anwendung ist
ähnlich, allerdings ist sie schwächer wirksam und es existieren im Unterschied zu unserer heimischen Berg-Arnika
keine ausreichenden pharmakologischen und klinischen
Studien.
Achtung! Berg-Arnika steht unter Naturschutz und
darf nicht gesammelt werden!
Baldrian
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Baldrian – Valeriana officinalis L. (s. l.)
(Baldrian-Sammelart)
Pflanzensteckbrief
Familie: Baldriangewächse, Valerianaceae
Ursprungsland: Europa und Asien
Höhe: 80 – 120 cm
Blütezeit, -farbe: Juni bis August; weiß bis zart rosa
Standort und Biologie
• absonnig, halbschattig
• Bach, Wiese
• nährstoffreicher, feuchter Boden
• mehrjährig
• winterhart, Zone 3
• Bienen- und Insektenpflanze.
B
Die Autoren
297
Die Autoren
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heinz Schilcher
(*1930), beschäftigt sich seit 1939 mit
Heilkräutern und erforschte 55 Jahre lang
Wild- und Heilkräuter interdisziplinär auf
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in der
Industrie sowie an mehreren Universitäten,
zuletzt als Direktor des Institutes für
Pharmazeutische Biologie an der FU Berlin.
Während seiner berufl ichen Tätigkeit hat er
5 Heilkräutergärten konzipiert. Sein Buch
„Leitfaden Phytotherapie“ gilt als
„die Bibel“ in der Phytotherapie.
Ingeborg Stadelmann (*1956), Hebamme
mit Heilpraktikerausbildung, Naturheilkundlerin, Referentin, Buchautorin,
Verlegerin. Seit Ende der 1980er Jahre
enge Zusammenarbeit mit der BahnhofApotheke Kempten (Original IS Aromamischungen®). Ihr Buch „Die HebammenSprechstunde“ ist ein Bestseller und wurde
in mehrere Sprachen übersetzt. Seit 2009
Präsidentin von Forum Essenzia e.V.
(Verein für Aromatherapie, Aromapflege
und Aromakultur).
Christian Herb (*1960), gelernter
Blumen- und Gemüsegärtner, Meisterprüfung an der Uni Hohenheim. Seine
Gärtnerei ist spezialisiert auf Topfkräuteranbau und alte Gemüsesorten, seit 1998
Bioanbau und Mitglied bei Naturland.
Seit vielen Jahren hält er Vorlesungen
und Vorträge zum Thema Kräuter und alte
Gemüsepflanzen. Zusammen mit der
Bahnhof-Apotheke Kempten und dem
Stadelmann Verlag unterhält er auf der
Burghalde in Kempten den Duft- und
Kräutergarten.