Die Hallesche Störung - Zeit
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Die Hallesche Störung - Zeit
Udo Grashoff Die Hallesche Störung Hasenverlag EDITION Band 1 Dr. Udo Grashoff: Die Hallesche Störung. Das Buch zur gleichnamigen Ausstellung zum Stadtjubiläum 1200 Jahre Halle hrsg. vom Zeit-Geschichte(n) e.V. – Verein für erlebte Geschichte Halle (Saale), Hasenverlag, 2008. EDITION Zeitgeschichte(n), Band 1 www.zeit-geschichten.de Gestaltung: Steffi Kaiser Druck: Druckwerk Christophe Hahn & Martin Paul GbR, Halle/S. Titelfoto: Stadtarchiv Besonderer Dank an alle, die Fotos und Informationen zur Verfügung gestellt haben: Ralf Jacob (Leiter Stadtarchiv) und seine Mitarbeiter, Bernd Quilitzsch (MZ-Archiv) und Mitarbeiter, Prof. Werner Freitag, Prof. Hans-Joachim Kertscher, Dr. Uta Monecke, Dr. Andreas Schmidt, Wiebke Janssen, Frank Lausch, Wolfgang Seilkopf, Tobias Barth, Simone Trieder, Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnten die Rechtsinhaber der Fotos nicht in allen Fällen ermittelt werden. Alle Rechte vorbehalten, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe. Hasenverlag Gabelsberger Str. 5 in D-06114 Halle (Saale) Internet-FAX +49 (012126) 88 555 888 Mobil +49(0170) 85 277 95 [email protected] www.hasenverlag.de ISBN 978-3-939468-27-1 12,80 € (D) Inhalt 5 Der geologische Gründungsmythos der Stadt 8 Das alte Halle 10 Hallesche Störungen: Legenden und Wirklichkeit im Mittelalter 13 Hallesche Störer (Mittelalter) 15 Kleine Chronik des halleschen Stadtwappens 16 Halle im Umbruch (um 1500) 22 Auch das noch. Eine hallesche Chronik 24 Halle im Umbruch (um 1680) 26 Hallesche Störer (18. Jahrhundert) 29 Kleine Chronik der halleschen Straßenbeleuchtung 30 Hallesche Störer (um 1800) 33 Trotz alledem. Halle nach 1806 35 Hallesche Störer (Vormärz) 38 Halle im Aufbruch (Gründerzeit) 40 Hallesche Originale 42 Hallesche Störungen (Weimarer Republik) 44 Die hallesche Störung ergreift die Massen 46 Kleine Chronik der halleschen Luft 48 Hallesche Störungen (Nachkriegszeit) 51 Aufbegehren (1947-1990) 57 Halle – ein raues Pflaster? Kleine Chronik des halleschen Pflasters 58 Der „Charme“ der Hallenser 62 Hallesche Störer (20. Jahrhundert) 66 Kleine Chronik des halleschen Eierwurfs 67 Halle im Umbruch (nach 1990) 69 Es hätte schlimmer kommen können 72 Die Störung der Störung 74 Anhang Der geologische Gründungsmythos der Stadt Halle ist gestört. Und das ist gut so, denn ohne diese Störung würde es die Stadt vielleicht gar nicht geben. Oder zumindest hieße sie nicht Halle. Und aussehen würde sie auch ganz anders. So wie Leipzig etwa oder Berlin oder eine ähnlich platte Stadt. Doch Halle hat seine ganz spezielle Störung.1 Angefangen hat die Geschichte gegen Ende der Kreidezeit, vor etwa 65 Millionen Jahren, als sich eine Erdscholle allmählich über die andere hob. Diese von den Geologen als „Halle-Störung“ bezeichnete Bruchstelle läuft quer über den Markt. Der Störung verdankt Halle seine frühe Existenz als Stadt des Salzes, denn dadurch entstanden die Salzquellen, die der Stadt bereits im Mittelalter eine bedeutende Stellung einbrachten – damals war Halle etwa 200 Jahre lang Mitglied im Städtebund der Hanse. Schaut man sich ein bisschen um in der Weltgeschichte, so findet man auch andere Orte, die ihre besondere Bedeutung unterirdischen Brüchen verdanken. Zum Beispiel Delphi. An der antiken Orakelstätte sollen, neuesten Forschungen zufolge, einst ansehnliche Schwaden von Methan- und Ethangasen aus der Erde aufgestiegen sein, was den Rausch der Priesterinnen befördert haben soll. Im Jahr 362 fand dort das letzte Orakel statt, etwa zur gleichen Zeit soll die dampfende Erdspalte versiegt sein.2 Zurück nach Halle. Hier kann so ein eindeutiger Endpunkt der Störung nicht konstatiert werden. Schilderungen wie die des halleschen Künstlers Klaus Völker, welcher berichtet, stets Widerstände zu spüren bei dem Versuch, von einer Seite des Marktplatzes auf die andere zu kommen (und damit die hallesche Störung Geologisches Blockbild der Stadt Halle. Quelle: Landesamt für Geologie und Bergwesen SachsenAnhalt zu überwinden), gaben und geben uns, den Initiatoren der Ausstellung zur „Halleschen Störung“ (Heidi Bohley und Udo Grashoff), zu denken. 5 Einmarsch von Soldaten zum Gottesdienst in die Marktkirche (ca. 1871). Foto: Stadtarchiv Radpanne beim Stadtjubiläum 1961. Foto: Stadtarchiv Der barocke Seitenflügel des Rathauses war 1945 von den Bomben verschont geblieben, und wurde erst 1950 abgerissen. Foto: Stadtarchiv Nach der Wohnungssanierung in den 1990er-Jahren wurde es in manchen halleschen Badezimmern recht eng. Foto: MZ-Archiv 6 Der Verdacht, dass die Hallesche Störung bis in die jüngere Vergangenheit die Geschicke der Saalestadt beeinflusst hat, kam uns bei der Sichtung von historischen Fotos im halleschen Stadtarchiv im Winter 2000, als wir eine andere Ausstellung (über den 17. Juni 1953) vorbereiteten. Damals sprang uns die hallesche Störung in Form befremdlicher Fotografien vom Hallmarkt um das Jahr 1870 ins Auge. Der Platz war eine schlammige Wüste. Das kam uns bekannt vor. Halb im Spaß, halb im Ernst fragten wir uns: Schwebt über dieser Stelle zwischen Händelhalle und Hallmarkt – wo die Stadtoberen in der 1980er-Jahren vergeblich versuchten, einen Kulturpalast zu bauen, wo sie Unmengen von Beton in den Boden schütteten, ohne festen Grund zu bekommen, wo nach 1990 mit besserer Technik ein Loch für eine Tiefgarage ausgeschachtet und dann teilweise wieder zugeschüttet wurde, und wo bis heute jenes ominöse Loch klafft – ein Verhängnis? Eine Nachricht, die kurz vor Redaktionsschluss eintraf, gab dieser Vermutung neue Nahrung: Am 30. Oktober 2006 entschied die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, das Geistes- und Sozialwissenschaftliche Zentrum der Universität nicht an diesem Ort zu bauen. Ist in Halle eine untergründige regulative Idee am Wirken? Im Mittelpunkt dieses Büchleins, das gleichzeitig ein erweiterter Katalog der Freiluftausstellung „Die hallesche Störung“ ist, die von Mai bis Dezember 2006 auf dem Platz vor der Marktkirche zu sehen war, stehen aber keineswegs Spekulationen, sondern historische Tatsachen. Erfindungsgabe ist nicht erforderlich, es genügt, genau hinzusehen, um zu erkennen: Halle ist auch überirdisch gestört. Umbrüche und Störungen, störende und gestörte Menschen waren und sind Teil der Stadtgeschichte. Sie haben dafür gesorgt, dass in dieser Stadt viele eigenartige und aberwitzige Dinge passiert sind und immer noch passieren. 7 Das alte Halle Halle ist alt. Aber wie alt ist die Stadt eigentlich? Steinkammergrab aus der Dölauer Heide, Landesmuseum für Vorgeschichte. Foto: Stadtarchiv 8 Im Jahr 1961 feierten die Hallenser das 1000-jährige Stadtjubiläum. Im Jahr 2006 wurde bereits die 1200Jahr-Feier ausgerichtet. Die Stadt ist demnach im Verlauf von 45 Jahren ganze 200 Jahre älter geworden! Was würde Georg Cantor dazu sagen? Der Mathematiker ist in Halle verrückt geworden. Er war nicht der einzige. Aber die Erklärung ist einfach: Alles ist relativ. 1961 wurde die urkundliche Nennung der Burg Giebichenstein im Jahr 961 als Bezugspunkt gewählt. Die Feiern 2006 beriefen sich auf die Erwähnung eines Kastell-Neubaus bei einem Ort namens „Halla“ im Jahr 806. Halle als Siedlungsgebiet ist wesentlich älter. Schon vor mehreren tausend Jahren siedelten hier Menschen, und nutzten auch damals schon die Salzquellen. Halle als Stadt hingegen ist jünger. Die Befestigung und Verdichtung der heutigen Innenstadt begann im 11. Jahrhundert. Und erst um 1200 wurde Halle nachweislich als Stadt bezeichnet. Federzeichnung der Burg Giebichenstein um 1600. Quelle: Stadtarchiv Bei der Eröffnung der 1000-Jahr-Feier in Halle durch Walter Ulbricht. Fotos: Stadtarchiv 9 Hallesche Störungen Legenden und Wirklichkeit im Mittelalter Das Kastell – Phantasie und Wirklichkeit Halle auf Wanderschaft Die Chronik des französischen Klosters Moissac ver- Jüngsten Ausgrabungen zufolge ist das Gebiet um merkt, dass bei Halle im Jahr 806 ein Kastell gebaut den Markt erst um 1000 allmählich bebaut worden. wurde. Es ging darum, die Slawen, deren Siedlungsge- Das widerspricht der Vermutung von Stadtchronist biet bis an die Saale heranreichte, zurückzudrängen. Schultze-Galléra, demzufolge sich der Ort Halla, den Das ist relativ sicher. Wo das Kastell aber genau gebaut die Klosterchronik um 806 erwähnt, am heutigen wurde, ist bis heute ungeklärt. Hallmarkt befand. Schultze-Galléra zufolge sollen die Stadtchronist Schultze-Galléra vertrat in den 1920er- Mongolen im 10. Jahrhundert die Siedlung am Markt Jahren die These, das Kastell hätte eine Furt an der verwüstet, und die Salzbrunnen zugeschüttet haben. heutigen Klausbrücke überwacht. Archäologe Volker Archäologische Spuren davon scheint es nicht zu ge- Hermann konnte dafür bis heute keine Belege finden. ben. Die Erklärung des Archäologen Hermann geht Seiner Meinung nach war das Saaletal an dieser Stelle demgegenüber so: Die Siedlung Halla befand sich vor 1200 Jahren sumpfig und unwegsam. Auch wur- um 806 am Giebichenstein. Wahrscheinlich ist der den bei Grabungen in den 1960er-Jahren keine Spu- Siedlungsschwerpunkt in den folgenden 300 Jahren ren für ein Kastell gefunden. Hermann hält es daher „gewandert“, und mit ihm auch der Name Halle. Salz- für wahrscheinlicher, dass das Kastell im Jahr 806 auf quellen gab es zunächst am Giebichenstein auch, so dem Gelände des heutigen Amtsgartens gestanden auf dem Gelände des späteren Wittekindbades, und hat. Bewiesen ist auch das nicht. Dort müsste mal bei Lehmanns Felsen. Vielleicht war dort ein frühes jemand systematisch graben... Zentrum der Salzgewinnung, und dann hat sich Halle 3 bis etwa 1100 allmählich zum heutigen Hallmarkt verlagert. Im Mittelalter war die „Wanderung“ einer Siedlung im übrigen gar nicht so ungewöhnlich, weiß Volker Hermann. Auch die Städte Brandenburg, Erfurt, Lübeck, Meißen und Weimar sind im Mittelalter „gewandert“. Rekonstruktionsvorschlag von Architekt Alfred Koch für das irrtümlicherweise an der Spitze vermutete Kastell. Quelle: Freitag/Ranft (Hg.), Geschichte der Stadt Halle, Band 1. 10 Katastrophe und Neubeginn 1135 brennt Halle fast vollständig ab. Zuvor hat die Stadt eine neue Mauer gebaut und das Stadtgebiet Beim Festumzug zur 1000-Jahr-Feier. Foto: Stadtarchiv auf das Fünffache vergrößert. Aber der Katastrophe folgt der Aufschwung, und er wird nicht unwesentlich durch Zugezogene mitgetragen: Flämische und niedersächsische Siedler kommen nach Halle. Schultze-Galléra schreibt darüber: „Der Brand der Stadt, ihr Neuaufbau zog eine bedeutende innere Umwälzung nach sich: die Gerichte der Oberstadt wurden eingesetzt und gegen die der Talstadt festgelegt und abgegrenzt.“4 In der Tat ist Halle über Jahrhunderte eine Doppelstadt. Das Berggericht findet auf dem höher gelegenen Markt statt, das für die Salzsieder zuständige Talgericht unten am heutigen Hallmarkt. Jedes Gericht hat seine eigene Hinrichtungsstätte. Die geologische Bruchstelle wird im Mittelalter zur juristischen Grenze. 11 Der Graseweg Als im Jahre 1350 die furchtbare Pest in Halle haust und keinen verschont, weder Mann noch Weib, weder Kind noch Greis, da will man sich durch Absperrungen vor der Ansteckung retten. So vermauert und vernagelt man alle Ausgänge des Graseweges, in dem die Pest aufgetreten ist, trotz des Flehens und des Jammergeschreies der Einwohner, die elend verhungern müssen. Erst nach zehn Jahren wird die Absperrung niedergerissen: Hohes Gras ist auf der ganzen Straße gewachsen, aus dem die weißen Knochen der Skelette der Verhungerten und der an der Pest Gestorbenen schimmern.5 An die Legende – hier in der Version des Stadtchronisten Schultze-Galléra wiedergegeben – wird man heute noch erinnert, wenn man den Ort aufsucht. Zwar gibt es in Halle die Pest nicht mehr, aber seit einigen Jahren versperrt ein Zaun den Graseweg. Halle kämpft sich frei Das Siedlungsgebiet Giebichenstein-Halle wird zwischen 806 und 1680 mehr oder weniger von den Und wieder wuchert das Gras. Der Graseweg im Jahr 2007. Foto: Heidi Bohley Magdeburger Erzbischöfen beherrscht. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts aber erreichen die Hallenser eine beachtliche Freiheit. Die Stadt kämpft, handelt und kauft den Bischöfen einige Privilegien ab, und tritt um das Jahr 1263 der Hanse bei. Möglicherweise verweisen die Stadtfarben rot/weiß auf die HanseMitgliedschaft, die gut 200 Jahre währt. Zeichen des Bürgerstolzes ist der Rote Turm, der im Verlauf des 15. Jahrhunderts allmählich Gestalt annimmt. Hallescher Salzwirker im Mittelalter. Quelle: Stadtarchiv 12 Hallesche Störer (Mittelalter) Müllerbursche und Esel Es ist eine der ältesten Legenden Halles, sie wird in mehreren Versionen erzählt, und eine davon geht so: Als einst Kaiser Otto Halle besuchen will, wollen die Hallenser den Weg durch das Rannische Tor verschönern, indem sie ihn mit Rosen bestreuen. Weil aber die Elsteraue überschwemmt ist und der Kaiser einen anderen Weg nehmen muss, trabt statt des Kaisers nur ein Müllerbursche mit seinem Esel durch die Rannische Straße. Lachend bewerfen ihn die Leute mit Rosen. Müllerbursche mit Esel beim Festumzug 1961. Foto: Stadtarchiv 13 Ludwig der Springer Ludwig II. war Halunke von Natur aus und Hallenser eher gegen seinen Willen. Unbestätigten Berichten zufolge brachte er knapp drei Jahre im Verlies der Burg Giebichenstein zu. In Ludwigs Auftrag soll der Pfalzgraf Friedrich III. ermordet worden sein, dessen Gattin Adelheid kurz darauf Ludwigs Ehefrau wurde. Ob er wegen dieser Mordsache, oder erst später, als er gegen den König opponierte, hinter Gittern saß, ist nicht mehr nachzuprüfen. Dass er, wie behauptet, mit einem legendären Befreiungssprung vom Giebichenstein in die Saale entkommen konnte, ist zwar nicht ganz ausgeschlossen, es gibt aber auch andere Erklärungen für den erst lange nach Ludwigs Tod aufgekommenen Beinamen „der Springer“. Zum Beispiel ein Sprachspiel Ludwig beim Sprung in die Saale. Holzschnitt von Johann Beer (1655-1700). Quelle: Stadtarchiv späterer Chronisten: Denn Ludwig kam aus dem Stamm der Salier, und der Springer heißt lateinisch „saltator“.6 14 Kleine Chronik des halleschen Stadtwappens 1235 Halles Stadtsiegel zeigt ein von zwei Türmen flankiertes massiv gemauertes Tor, das von einem dritten Turm überragt wird. Etwa zur gleichen Zeit ziert die Mondsichel mit den beiden Sternen das Siegel der Schöffen des Gerichts der halleschen Salzsieder im „Thal“.7 1424 Das Stadtsiegel zeigt die Jungfrau Maria mit Kind, und zu ihren Füßen drei Wappenschilde mit Sichelmond und Sternen. um 1450 Sichelmond und zwei Sterne bilden fortan das hallesche Stadtwappen. Die Farben Rot und Weiß sind die Farben der Hanse. Rätselhaftes Stadtwappen: Ein Zeichner drehte 1492 in Halles Stadtwappen den Mond nach unten. Quelle: Chronik aus dem Jahr 1492, Stadtarchiv Juli 2000 Der Reporter einer überregionalen Zeitung, der Angela Merkel auf ihrer Wahlkampftour begleitet, schreibt (in Unkenntnis der unterschiedlichen Zackenzahl von Sowjet- und Halle-Stern), dass in die Fassade von Halles Ratshof immer noch ein Sowjetstern gemeißelt sei.8 15 Halle im Umbruch (um 1500) Schumachermeister Weissack Im 15. Jahrhundert verdrängen hallesche Bürger nach und nach die wohlhabenden Besitzer der Salzsiederechte, die so genannten „Pfänner“, aus dem städtischen Rat. 1478 nimmt dieser innerstädtische Machtkampf eine unerwartete Wendung, gemäß dem Sprichwort: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Der Dritte ist in diesem Fall der Erzbischof. Seine Truppen stehen vor den Toren von Halle. Mit Hilfe des Schumachermeisters Jacob Weissack, der am Sonntag, dem 20. September 1478, klammheimlich ein Stadttor öffnet, besetzt der Bischof die Stadt. Die Pfänner müssen erhebliche Teile ihres Besitzes abgeben. Nachhaltig wirken diese Maßnahmen zwar nicht, eine Generation später beherrschen nahezu die gleichen Familien das Salzgeschäft wie zuvor, aber Halle verliert seine Freiheit. Als Zeichen der Unterwerfung lässt der Erzbischof 1481 den Roland, Zeichen der Gerichtsbarkeit der Stadt, mit einem Häuschen umbauen. Weniger symbolisch ist die Errichtung der Moritzburg, ihr Zweck ist es, die streitlustigen Hallenser in Schach zu halten. Eine Leiche am Fenster – ein Herz für Halle Im Jahr 1513 ist Halle unruhig, es gibt Gerüchte, dass ein Aufstand der halleschen Bürger gegen den kranken Erzbischof Ernst bevorsteht. Der 23jährige Thomas Müntzer ist zu dieser Zeit in Halle als Hilfslehrer tätig. Steckt er hinter den Aufstandsplänen? Zwölf Jahre später, am 16. Mai 1525, gesteht der revolutionäre Theologe unter der Folter in Heldrungen, dass tatsächlich ein Umsturz geplant war. Hallore beim Stadtjubiläum 1961. Foto: Stadtarchiv 16 1513 wird in Halle eine Aufruhrordnung erlassen – für alle Fälle. Letztlich bleibt es aber ruhig, was vielleicht einem Trick zu verdanken ist: Als im Sommer der an Syphilis erkrankte Erzbischof Ernst stirbt, wird der Leichnam an ein Fenster der Moritzburg gestellt, um Zeit zu gewinnen zum Heranholen militärischer Verstärkung. In der Stadt soll man glauben, der Bischof lebe noch. Später werden die sterblichen Überreste des Bischofs nach Magdeburg überführt – bis auf das Herz, das in Halle bleibt.9 Es wird in der Maria-Magdalenen-Kapelle der Moritzburg beigesetzt, wo es sich heute noch befindet. Marktumbau anno 1500 Festumzug zur 1000-Jahr-Feier. In der Mitte: Thomas Müntzer. Foto: Stadtarchiv Abb. rechts: Stadtarchiv Kurz nach 1500 wird am Marktplatz kräftig abgerissen. Es fallen die Gewandhäuser und Verkaufsbuden, die damals in Nord-Süd-Richtung quer über den Platz standen. Der Friedhof wird ausgelagert. Und aus den zwei unmittelbar hintereinander stehenden Kirchen wird eine einzige gemacht: Das vordere Kirchenschiff, einst zwischen Rotem Turm und Hausmannstürmen gelegen, wird abgerissen und die Türme dem hinteren Kirchenschiff, der heutigen Marktkirche, zugeordnet. Durch die Umbauten bekommt Halle in seiner Mitte sehr viel Platz. 17 Kardinal Albrecht. Kupferstich von Dürer. Bildunterschrift: „So trug jener Augen, Wangen und Mund im 29. Jahre seines Lebensalters. 1519“ Quelle: Stadtarchiv 18 Martin Luther im Jahr 1520. Kupferstich von Lucas Cranach Quelle: Stadtarchiv Halle und die Reformation Kardinal Albrecht ist ab 1515 Vertriebsleiter des Papstes für den Ablasshandel in Deutschland. Das heißt, dass er Ablassbriefe verkaufen darf, von deren Erlös er die eine Hälfte behalten, die andere an den Papst abführen muss. Ablass bedeutet im Mittelalter, dass man sich die Vergebung der Sünden erkaufen kann. Sozial gestaffelt natürlich, für Fürsten kostet es 25 Gulden, für Handwerker nur einen Gulden, ganz Arme können sich den Ablassbrief auch erhungern. Albrecht braucht das Geld dringend, denn er hat sich sein Amt mit einem Kredit des Bankhauses Fugger gekauft, den er nun zurückzahlen muss. Allerdings verdirbt ihm ein Wittenberger Theologe das Geschäft. Martin Luther kritisiert in seinen berühmten Thesen, die er am 31. Oktober 1517 an Albrecht schickt, zwar weniger den Ablass an sich, sondern den marktschreierischen Handel mit Ablassbriefen, den ein Mönch namens Tetzel organisiert. Aber Albrecht leitet den Beschwerdebrief Luthers an den Papst weiter und macht damit aus dem lokalen Noch ein Esel in Halle: Johann Tetzel als Ablasshändler (zeitgenössische Karikatur). Ereignis einen Streit der Gesamtkirche, der wenig später eskaliert. Es folgen Bücherverbrennung, Kirchenbann und die Reichsacht gegen Luther. So gibt die Residenzstadt Halle, die zwar bis 1541 noch katholisch bleibt, doch den Anstoß zur Reformation. Das hallesche Heiltumbuch von 1520 Kardinal Albrecht hat 8.133 Reliquienpartikel und 42 ganze Körper von Heiligen zusammengetragen. Das entspricht damals einem Buß-Ablass für mehr als 39 Millionen Jahre. 1519 verzeichnet der Nürnberger Maler Wolfgang Traut die Schätze in einem Katalog, dem Heiltumbuch.10 Hallesches Heiltumbuch. Quelle: Stadtarchiv 19 Albrecht hinterlässt Halle als leere Schatztruhe Kardinal Albrecht macht aus dem Dom gleich in zweifacher Hinsicht eine Schatztruhe. Drinnen lagern die Reliquien und Kunstschätze des halleschen Heiltums. Draußen lässt er der gotischen Kirche Renaissancegiebel aufsetzen, wodurch der Dom auch äußerlich wie ein Reliquienschrank wirkt. Albrecht möchte den Dom zu seiner eigenen Grabkirche machen, aber diese Pläne zerschlagen sich 1541, als der Bischof nach Mainz flüchtet. Alle tragbaren Kunstschätze nimmt er mit. Selbst die Nägel lässt er aus den Innenwänden des Domes entfernen. Trotzdem sind es die Albrechtschen Bauten, die bis heute das Bild der Stadt prägen: Die aus zwei Kirchen zusammengelegte Marienkirche auf dem Marktplatz, der Dom mit seinen Renaissancegiebeln, die Neue Residenz und der Stadtgottesacker. Armknochen des Evangelisten Lukas, in Silber gefasst, mit welchem er das Evangelium schrieb. Quelle: Das Hallesche Heiltumbuch 20 Alte Steine – Neue Residenz Das Kloster Neuwerk ist im Mittelalter ein wichtiger kultureller und ökonomischer Faktor. Mühlen, Weinbau, Schulwesen und natürlich das religiöse Leben werden vom Kloster geprägt. Im 16. Jahrhundert wird das Kloster Neuwerk abgerissen. Die Steine des Klosters lässt Albrecht für den Bau seiner neuen Residenz verwenden. Das Gebäude kann er aber nicht mehr beziehen. Als Albrecht die Stadt verlässt, unter Mitnahme aller Kunstschätze und unter Zurücklassung der Schulden, ist der Reichtum der Renaissance dahin. Andererseits bestimmen nach der Reformation die durch erzbischöfliche Gewalt zurückgesetzten Pfänner wieder stärker das städtische Leben. Traditionelles Fischerstechen vor der Neuen Residenz. Quelle: Stadtarchiv Störung am Brunnen Der Hallmarkt-Brunnen des Bildhauers Bernd Göbel, noch zu DDR-Zeiten entworfen, erregt 1998 die Gemüter, weil Göbel Kardinal Albrecht als Hurenbock darstellt. Albrecht war ein Renaissance-Kirchenfürst, der sinnliche Freuden hoch schätzte, er hatte Konkubinen und lebte erst mit Elisabeth Schütz, dann mit Ursula Rediger in einer festen Beziehung. Albrecht heiratete seine Konkubinen nicht, hielt ihnen aber bis zum Tod die Treue und bekannte sich zu seiner Tochter Anna.11 Der Streit im Jahr 1998 endet damit, dass die Mitra vom Kopf der Bischofs-Figur entfernt wird; stattdessen stehen dem Bischof jetzt die Haare zu Berge. Kardinalsfigur am Hallmarkt-Brunnen. Foto: Heidi Bohley 21 Auch das noch. Eine hallesche Chronik. Anno 1487 11. September 1560 Einem Hallenser namens Stein sind nach 13 Jahren Ein „großer Wind“ wirft den Galgen (am heutigen Rie- Haft im Ratsgefängnis die in den Stock gelegten beckplatz) mit sechs daran hängenden Körpern um. Füße derart abgefault, dass er sich frei machen und Es dauert 19 Wochen, bis ein neuer Galgen errichtet seine Mitgefangenen befreien kann. Diese erschla- wird, weil zunächst kein Zimmermeister diese Arbeit gen den Kerkerwärter mit dem Schlüsselbund und machen will. Schließlich errichten alle 28 Meister den fliehen. Drei der schnell wieder eingefangenen Un- neuen Galgen gemeinsam und erhalten als Lohn eine glücklichen werden umgehend, zwei am folgenden Tonne Bier. Tag enthauptet; zwei weitere schließlich begnadigt. Welches Schicksal dem Fußversehrten zuteil wurde, 6. Januar 1637 ist nicht bekannt.12 Sächsische Soldaten zünden auf dem Estrich der 26. August 1550 Moritzburg ein Feuer an, weil ihnen kalt ist. Die Balken darunter beginnen zu glühen, im Untergeschoß lagert Die im Jahr 1550 erlassene Stadtordnung verfügt, Stroh, die Moritzburg brennt ab. In den folgenden dass am Korbteich (am heutigen Glauchaer Platz) zur Jahren wird die Burg durch weitere Kampfhandlun- Bestrafung von Garten- und Felddieben ein Korb mit gen des Dreißigjährigen Krieges restlos ruiniert. einem Schwengel aufgerichtet wird, in welchen man Diebe setzt, um sie von dort ins schlammige Wasser 26. Juli 1717 fallen zu lassen oder verschiedene Male unterzutauchen. König Friedrich Wilhelm I. senkt die Schulden der Stadt Halle von 4,5 Millionen Taler auf 0,4 Millionen Taler ab. 9. März 1735 Ein 14-Jähriger promoviert an der halleschen Universität. Philipp Baratier soll neben der deutschen die französische, lateinische, griechische, hebräische, syrische, chaldäische, jiddische und arabische Sprache beherrscht haben. Zudem soll er sich in Theologie, Philosophie, Geschichte, Mathematik und Astronomie ausgekannt haben. Schon am 5. Oktober 1740 stirbt das kluge Kind 19-jährig „an der Auszehrung“. Feuerwerk vor der Moritzburg, ca. 1616. Quelle: Stadtarchiv 22 Himmelfahrt 1816 Weil durch die Heide ziehende Männergruppen das Rauchverbot nicht einhalten, wollen Forstbeamte deren Tabakspfeifen konfiszieren. Als das misslingt, holen die Beamten den Landsturm. Die Männer verschanzen sich am Heiderand und treiben den Landsturm mit einem Steinhagel in die Flucht. Schließlich rückt Gendarmerie an und verhaftet acht Männer, die schwer bestraft werden. 6. August 1876 Dr. Otto Ule. Nach ihm ist in Halle die Ulestraße benannt. Foto: Stadtarchiv Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, Dr. Otto Ule, wird bei einem Löscheinsatz in der Gr. Ulrichstraße von einem herabfallenden Stein am Kopf getroffen. Der pflichtbewusste Ule, der im Frack von einer Festlichkeit zum Brandort geeilt ist, stirbt einen Tag später. Feuerwehr um 1900 im Hof der Moritzburg. Foto: Stadtarchiv 23 Halle im Umbruch (um 1680) Halle wird Provinznest Im Dreißigjährigen Krieg verliert die Saalestadt beide werden gestört. Da es auch wirtschaftlich nicht so gut Burgen. 1636 setzen schwedische Soldaten die Burg läuft, ziehen vor allem die wohlhabenderen Hugenot- Giebichenstein absichtlich in Brand, während sächsi- ten schließlich Leipzig als Wohnort vor. sche Soldaten ein Jahr später den Brand der Moritz- Langfristig aber verändern die Franzosen die Saale- burg durch Unachtsamkeit verursachen. stadt, indem sie – nach einem Urteil des Stadtchronis- Der Krieg stellt aber auch die Weichen für eine lang- ten Hertzberg – mit ihren feinen Sitten zur Milderung fristige Veränderung Halles. Im Westfälischen Frie- der „alten Hallischen Derbheit“ beitragen.13 densvertrag von 1648 wird festgelegt, dass mit dem Tod des erzbischöflichen Administrators Augustus der Universität und „Franckesche Stiftungen“ entstehen Status Halles als Residenzstadt erlöschen wird. Da Augustus jedoch noch weitere 32 Jahre am Leben ist, Mehrere Schulen werden nach 1680 in Halle gegrün- entfaltet sich in dieser Zeit in der Stadt noch einmal det. Die wichtigsten sind August Hermann Franckes ein am barocken Dresden orientiertes anspruchsvolles Schul-Imperium „Franckesche Stiftungen“ (seit 1698) Kulturleben. und die Universität (seit 1694). Der Aufklärungsphilo- Umso härter ist die Zäsur, als Halle 1680 preußisch wird. soph Christian Wolff kommt nach Halle. Seine Vorle- Der Hof geht nach Weißenfels. Und zu allem Unglück sungen haben so großen Zulauf, dass der preußische rafft 1683 eine Pest-Epidemie ein Drittel der Bevölke- König der Universitätsgründung zustimmt. rung hinweg. Händel wird geboren Hugenotten kommen In dieser spannenden Zeit wird Halles größter Sohn, der 1685 bietet der preußische König Friedrich Wilhelm Komponist Georg Friedrich Händel, geboren. I. den in Frankreich wegen ihrer Religion verfolgten Händels Vater, der Wundarzt Georg Händel, hat mit evangelischen Glaubensgenossen (Hugenotten) Anna Oettinger, der Witwe eines halleschen Chirur- freie und sichere Niederlassung in Brandenburg an. Zu gen, bereits sechs Kinder, als Anna 1682 ein Opfer den empfohlenen Städten für eine Ansiedlung gehört der verheerenden Pest-Epidemie wird. Ein Jahr später auch Halle. Hunderte Franzosen kommen in die Stadt, heiratet Georg Händel die junge Pfarrerstochter Doro- gründen 18 Woll- und Seidenstrumpf-Manufakturen, thea Taust und zeugt mit ihr im Alter von fast 62 Jahren bauen eine Mühle und eine Brauerei. den später weltberühmten Georg Friedrich. Die Hallenser beäugen die Neuankömmlinge misstrauisch und feindselig. Weder können sie den Neid auf die Privilegien und die Geschäftstüchtigkeit der Fremden zügeln, noch vermögen sie, religiöse Toleranz zu üben. Die Franzosen werden beleidigt, auf dem Markt mit verfaulten Früchten beworfen, ihre Gottesdienste 24 Einmarsch der Preußen in Halle. Festumzug zur 1000-Jahr-Feier 1961. Foto: Stadtarchiv Ankunft der Hugenotten in Halle. Festumzug 1961. Foto: Stadtarchiv Georg Friedrich Händel Quelle: Steffi Kaiser August Hermann Francke und die Waisenkinder. Festumzug 1961. Foto: Stadtarchiv 25 Hallesche Störer (18. Jahrhundert) Quelle: Wikipedia (l.), Stadtarchiv (r.) Eine außergewöhnliche Promotion: Harte Sitten: Fürst Leopold von Dessau (1676-1747) Dorothea Christiana Erxleben (1715-1762) In Halle wird 1718 das Regiment des Fürsten Leopold Es ist in erster Linie seine aufgeklärte Weltsicht, die von Dessau stationiert. Gegen den Willen der halle- Friedrich den Großen veranlasst, Dorothea Leporin (so schen Bürger lässt der „alte Dessauer“ über Nacht ihr Geburtsname) als erster Frau in Deutschland ein die Bäume auf dem Domplatz fällen, um Platz für Universitätsstudium zu gestatten. Allerdings kommt die Exerzierübungen zu schaffen. Mehrfach kommt es zu Familie Leporin durch den Krieg im Jahr 1741 erst ein- Beschwerden, weil die Preußen auch nicht davor zu- mal in enorme Schwierigkeiten, da Dorotheas Bruder rückschrecken, immatrikulierte Studenten nachts aus nach Sachsen geflüchtet ist, um der Einberufung zum dem Bett zu holen und gewaltsam dem Kriegsdienst Kriegsdienst zu entgehen. Dem Deserteur droht die To- zuzuführen. 1719 kommt es in Halle zu Ausschreitungen desstrafe, und so bittet Dorothea den König in einem der Studenten aus Protest gegen eine solche Zwangs- Brief, ihren Bruder straffrei nach Halle zurückkehren rekrutierung, 1734 boykottieren die Studenten aus zu lassen, da sie sich alleine – ohne Begleitung durch ähnlichem Anlass die Lehrveranstaltungen. den älteren Bruder, der gleichzeitig mit ihr die Studien- Wirtschaftlich profitieren die Bürger vom Regiment zulassung erhalten hat – „nicht nach Universitaeten kaum, da die private Einquartierung der Soldaten getrauet“. Der Bruder entscheidet sich jedoch dafür, in nicht honoriert wird. Und es ist nicht gerade ein er- Göttingen zu studieren. Und Dorothea bleibt in Qued- freulicher Anblick, wenn in der engen Schlossgasse linburg, heiratet den Pfarrer Erxleben, bekommt Kinder Deserteure und Delinquenten bei Spießrutenläufen und praktiziert – gemeinsam mit ihrem Vater – als Ärz- gezüchtigt werden. Geschlagen wird auf den ent- tin. Erst nach dem Tod des Vaters, genötigt durch eine blößten Rücken. Wie der Schweizer Albrecht Haller Denunziation von konkurrierenden Medizinern, die ihr bei einem Besuch in Halle 1726 beobachtet, geht wegen der fehlenden Ausbildung „Kurpfuscherei“ vor- dem Gezüchtigten ein Unteroffizier voran, damit dieser werfen, kommt sie 13 Jahre später auf das Privileg zu- nicht zu rennen beginnt. Manche Soldaten versuchen, rück. Am 12. Juni 1754 verteidigt Dorothea Christiana die Ruten zu knicken, um die Härte der Schläge zu Erxleben in Halle ihre Dissertation. Der Termin ist zuvor mindern. Um das zu verhindern, werden die Ruten noch einmal verschoben worden, weil sie zwischen- vorher kontrolliert.14 durch noch ein Kind bekommen hat.15 26 Viele Unterlagen von Semler sind verschollen. Abbildung des in Merseburg gebauten und nach der Demonstration im Jahr 1715 zerstörten Perpetuum Mobile von Johann Ernst Elias Bessler. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Ernst_Elias_Bessler Bewegtes Forscherleben: Christoph Semler (1669-1740) Schon als kleiner Junge soll Christoph Semler mit er- der Franckeschen Stiftungen. Der studierte Theologe, staunlicher Geduld eine Uhr auseinander genommen Mathematiker und Philosoph will aber mehr sein als nur und wieder zusammengesetzt haben. Später kon- Didaktiker. Ihn reizt das Unmögliche. Deshalb versucht struiert er in seinem Haus ein Uhrensystem, wodurch Semler, Baumwolle, Datteln und Zuckerrohr in Halle in jedem Zimmer die gleiche Zeit angezeigt wird. Das heimisch zu machen. Dreißig Jahre lang arbeitet er an bleibt keineswegs die einzige bemerkenswerte Erfin- der Konstruktion eines Perpetuum Mobile. Zudem ge- dung. Er entwickelt ein Schiff mit Windmühlenantrieb, lingt ihm eine „bis heute in ihrer Tragweite noch nicht einen Energiespar-Ofen, einen Pflug, der gleichzeitig ergründete Entdeckung“ (Prof. Hans-Joachim Kert- pflügen, eggen und säen kann, und weitere originelle scher): Die „Dreyfache Methode die Länge zur See zu Dinge. Als Gründer der ersten deutschen Realschule finden, samt deren darzu gehörigen Instrumenten und (1708 in Halle) bringt Semler den Schülern praktische See-Charten“. Eigentlich will er diese Erfindung noch Fähigkeiten bei. Viele Lehrmaterialien aus Semlers Re- publizieren, aber er stirbt, und das Manuskript geht auf alschule befinden sich heute in der Naturalienkammer abenteuerlichen Wegen verloren.16 27 „Robin Hood“ aus Halle: Christian Andreas Käsebier (geb. 1710) Er hasst die Reichen und hilft den Armen, aber ein Halunke ist er trotzdem. Aufgewachsen in der Mittelstraße 17, zeigt Käsebier bereits als Junge eine beachtliche kriminelle Energie. Eines Tages setzt er sich, wie die Legende berichtet, neben einen Bauern, der sein Geld zählt, auf einen Holzstapel. Käsebier tut, als würde er Nüsse knacken. Unbemerkt nagelt er dabei die Hose des Bauern an den Holzstapel, um ihm dann das Geld zu rauben. Später schart Käsebier eine Räuberbande um sich und macht Preußen unsicher. Vorübergehend lebt er in Halle, heiratet und frönt der Spiellust. Ab 1748 verbringt er wegen der Verbrechen seiner Bande einige Jahre im Zuchthaus Stettin, wird aber aufgrund seiner Schläue vom preußischen König nach Prag geholt. Dort soll er als Spion die Eroberung der Stadt in die Wege leiten, verrät aber den König und macht sich aus dem Staub. Um 1762 soll er unter falschem Namen in Preßburg gelebt haben. Danach verliert sich seine Spur.17 28 Christian Andreas Käsebier im Kerker in Stettin. Quelle: Stadtarchiv Kleine Chronik der halleschen Straßenbeleuchtung 1. August 1729 An diesem Tag beleuchten erstmals Öllaternen die halleschen Straßen. Den Anlass dafür gibt König Friedrich Wilhelm I., der auf der Rückreise von Karlsbad durch Halle fährt. Ziel der Beleuchtung ist laut Edikt des Königs die „Verhütung von Diebereien und anderem nächtlichem Unfug“. Allerdings brennen die Lampen in den folgenden Jahren nur in den Wintermonaten, nicht im Sommer, und auch nicht bei Mondschein.18 30. Januar 1869 Der Experimentalchemiker Niedergesäß erleuchtet Halle von den Hausmannstürmen aus zwischen 7 und 8 Uhr abends. Das Licht soll bis Nietleben sichtbar gewesen sein. Mitteldeutsche Zeitung vom 6. 12. 2000 11. April 1965 4. August 2003 Auf dem Markt werden 24 zusätzliche Leuchten in- „Mit maßvollen Abschaltungen von Straßenlampen stalliert. „Das bedeutet, daß es abends auf unserem sollen in Halle strukturelle Einsparungen von bis zu Marktplatz viermal heller als bisher ist. Mit anderen 700.000 Euro erreicht werden“, schreibt der Hall- Worten: das ist Großstadtbeleuchtung“, heißt es Anzeiger. „Der Beschluss des Stadtrates sieht vor, stolz in der SED-Zeitung „Freiheit“. Der Artikel moniert grundsätzlich nur jede zweite Straßenlaterne weiter gleichzeitig auch, dass an zwei HO-Warenhäusern die zu betreiben. Außerdem soll bei Leuchten mit zwei Neonreklame nicht funktioniert. Glühlampen nur noch eine Lampe brennen. Die 19 Innenstadt und die Leipziger Straße sind von der Veränderung ausgenommen, um keinen Imageschaden entstehen zu lassen.“ Weiter heißt es: „Der finanzielle Spielraum für die Stadt ist ausgesprochen eng. Würde die Einsparung bei den Straßenlaternen nicht erzielt, so träfen die Kürzungen andere, gleichfalls wichtige Bereiche in unserer Stadt, wie zum Beispiel das Vereinsleben oder die Förderung von Kindern und Jugendlichen.“20 29 Hallesche Störer (um 1800) Karl Friedrich Bahrdt (1740-1792) Friedrich Christian Laukhard (1757-1822) Ein Radikalaufklärer wird Gastwirt Ein Skandal-Gelehrter wird Soldat Quelle: http://www.ifhas.de/heymann/1933-45/heide/galera.htm Quelle: Stadtarchiv Der bei Studenten sehr beliebte Professor für Theo- Der Philosophie-Dozent ist hochbegabt, aber selten logie und Sprachwissenschaft, der seit 1779 in Halle nüchtern. Er liebt wilde Feiern und Bordellbesuche. lehrt, engagiert sich als Vorkämpfer für Demokratie Deshalb ist er auch ständig verschuldet. Im Winter und Menschenrechte. Er publiziert eifrig und macht 1783 hat er nicht einmal mehr Geld, um das Holz zum sich Feinde. Heizen seines Hörsaals zu bezahlen. Damit versiegt Bahrdt gilt seinen Zeitgenossen nicht nur in politischer seine Einnahmequelle, das Honorar, das er von den Hinsicht als „enfant terrible“, sondern auch hinsicht- Studenten bezieht. lich seiner als „frivol“ und „sittenlos“ empfundenen In dieser Situation erregt Laukhards Entschluss, als Lebenshaltung. Beispielsweise schwängert er seine einfacher Soldat (und nicht etwa, wie man es bei Haushälterin und verstößt die Ehefrau. einem Magister vielleicht erwartet hätte, als Offizier) 1787 gibt Bahrdt seinem Lebensweg eine spektakulä- zu dienen, großes Aufsehen. Die Hallenser kommen re Wendung: Angesichts der reaktionären politischen in Scharen, um dem einstigen Dozenten beim Exerzie- Wende in Preußen wirft er seine Professur hin und zieht ren zuzusehen: Ein Gaudi! sich auf einen Weinberg zurück. Bahrdts Gastwirt- Später wird Laukhard als preußischer Soldat Zeuge schaft, in der auch Feste und Turniere sowie Vorlesun- der berühmten „Kanonade von Valmy“ am 20. Sep- gen stattfinden, entwickelt sich zu einem beliebten tember 1792.22 Als er 1795 wieder nach Halle zurück- Ausflugsziel der Hallenser.21 kehrt, erhält er keine Lehrbefugnis. Er schreibt Bücher Der radikale Aufklärer gründet eine aufklärerische, über sein wildes Leben, heiratet, ohne das Glück zu geheime Korrespondenzgesellschaft, die „Deutsche finden. 1802 verlässt er die Saalestadt erneut, und lebt Union“. 1789 wird Bahrdt verhaftet und muss über ein als Pfarrvikar und Privatgelehrter in verschiedenen Or- Jahr in Haft verbringen. Wenig später stirbt er. ten im Saarland und in Rheinland-Pfalz.23 30 Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) Philipp Friedrich Theodor Meckel (1755-1803) Ein Raufbold schreibt ein Buch Ein Arzt wird Präparat Quelle: http://www.preussen-chronik.de/_/person_jsp/ key=person_friedrich+ludwig_jahn/row=3.html Quelle: Stadtarchiv Jahn kommt als 17-Jähriger zum Studium nach Halle. Der Mediziner, seit 1779 in Halle, interessiert sich Zeit Der starke Jüngling legt sich mit den hiesigen Korpsstu- seines Lebens sehr für die Anatomie des menschlichen denten an, deren flegelhafte Sitten ihn anwidern. Körpers und nimmt zahlreiche Leichenöffnungen vor. Beispielsweise ist es zu dieser Zeit üblich, dass Studen- Selbst zwei eigene, früh verstorbene Kinder obduziert ten die Hallenser vom Bürgersteig in die Gosse sto- er. „Mein Knochengerippe soll künstlich zusammen- ßen. gesetzt werden, und einen eigenen Schrank zur Auf- Nach mehreren Prügeleien überfallen ihn Korpsstu- bewahrung erhalten“, verfügt Meckel dann auch denten mit Peitschen und Spazierstöcken. 1799 zieht folgerichtig in seinem Testament. So geschieht es. sich Jahn in eine Höhle an der Saale zurück (das so Auch die Leber wird präpariert; die anderen sterbli- genannte Schneiderloch; heute die Jahnhöhle ge- chen Überreste kommen in das Grab auf dem Stadt- nannt) und schreibt ein patriotisches Buch. Ein Theolo- gottesacker. giestudent namens Höpffner kauft ihm das Manuskript Das Skelett des Professors steht bis heute in der halle- ab und bringt es unter eigenem Namen heraus. schen Anatomie. Es ist eine Besonderheit, denn Me- Jahn verlässt Halle, studiert an weiteren Universitäten, ckel hatte ein zusätzliches 13. Rippenpaar.25 ohne je ein Studium abzuschließen. Er etabliert das Turnen als Organisationsform des Patriotismus, kämpft 1813 im Lützowschen Freikorps und wird zum Idol einer neuen Studentengeneration. Von dem Aufenthalt in Halle bleibt dem späteren „Turnvater“ eine Narbe am Kopf, die angeblich von einem Kampf auf dem Marktplatz herrührt.24 31 „Ich erinnere mich mit Entzücken jener akademischen Jahre, die ich in Halle gelebt. In Halle herrschte damals ein frisches, seelenvolles, höchst bewegtes, wissenschaftliches Leben. Es waren zu jener Zeit zwölfhundert Studenten in Halle, und deren geselliges Leben war wilder und rauer als es je gewesen.“ Ludwig Börne, 1823 „Die Aufklärung hatte Energien geweckt, zu deren Meisterung vielen der Charakter fehlte.“ Bernhard Weißenborn, Heimatkalender für Halle und Saalkreis 1922 32 Meckels Skelett. Bahrdts Weinberg in Nietleben. Quelle: Stadtarchiv Trotz alledem (Halle nach 1806) Drei Tage nach der verheerenden Niederlage der mit den Worten: „Heute haben wir eine hallesche Preußen bei Jena und Auerstedt nehmen französi- Legende aufgeführt – der Esel, der auf Rosen geht.“ sche Truppen im Oktober 1806 Halle im Handstreich. Napoleon persönlich kommt in die Saalestadt. Zu den ersten Maßnahmen des französischen Imperators gehört die Schließung der Universität, weil die Studenten offenbar zum Widerstand bereit sind. Alle 1.200 Studenten müssen Halle unverzüglich verlassen. Fast zwei Jahre bleibt Halles Universität geschlossen, und auch danach erreicht die Lehrstätte nicht mehr ihr bisheriges Niveau. Das ist eine Katastrophe für die Stadt, deren gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben durch die Universität geprägt wird. Johann Christian Reil. Quelle: Stadtarchiv Halle wird Kurort Trotz des Niedergangs gibt es um 1806 auch Tatkraft und Hoffung in Halle. So schart der in Ostfriesland geborene Mediziner Christian Reil wohlhabende Bürger um sich und gründet eine Gesellschaft, die dem wirtschaftlichen Niedergang etwas entgegensetzen will. Die Idee, Halle zum Kurort zu machen, wird geboren. Reil baut einen Badesalon und einen Kursaal. 1810 kommen bereits 70 reiche Familien zur Kur nach August Hermann Niemeyer, Kanzler der Universität, wird 1806 von den Franzosen in Geiselhaft genommen. 1000-Jahr-Feier in Halle. Foto: Stadtarchiv Halle. Die Kurortidee kann an das Entstehen einer Gartenkultur anknüpfen, die schon im 18. Jahrhundert begonnen hat. Mehrere Bürger haben Gärten nach englischem Vorbild angelegt; einen dieser Gärten hat Wieder geht ein Esel auf Rosen der beim preußischen König wegen seiner Sympathien für die französische Revolution in Ungnade gefallene Als am 24. Mai 1808 der Bruder von Napoleon, der Hofkapellmeister Johann Friedrich Reichardt erwor- als König von Westfalen eingesetzte Jerome, nach ben. Zeitweise macht Reichardts Garten als „Herberge Halle kommt, säumen junge Mädchen seinen Weg der Romantik“ sogar Heidelberg Konkurrenz.26 Reils Ba- mit Blumen. Der Universitätsprofessor Rüdiger kom- desalon besteht nur kurze Zeit. Doch später entstehen mentiert das, so besagt jedenfalls eine Anekdote, neue Solbäder, unter anderem das „Wittekind-Bad“. 33 Das einstige „Fürstenthal“ unterhalb der Moritzburg, wo Reils Badesalon im Jahr 1809 stand. 1864 wurde hier wieder ein Solebad eingerichtet. Die Gegend zwischen Robert-Franz-Ring und Pfälzer Straße wurde um 1900 mit Wohnhäusern bebaut. Zeichung des Barfüßerklosters am heutigen Universitätsplatz mit der Schulkirche, die Reil kauft und als Theater nutzt. Goethe steuert zur Eröffnung 1814 einen Prolog bei. Quelle: Stadtarchiv (4) rechte Seite: Dr. Uta Monecke 34 Hallesche Störer (Vormärz) Friedrich Wilhelm Alexander Held (1813-1872) Der Leutnant a.D. gibt seit Mitte 1843 in Halle die politische Zeitschrift „Locomotive“ heraus. Held, der seine Zeitschrift zunächst in Leipzig publiziert hat (wo sie verboten wurde), ist ein Schalk: Alle Stellen, die der Zensor gestrichen hat, kennzeichnet Held durch ein rätselhaftes „Cfnstrschffrf“. (Ersetzt man „f“ durch „e“ und „t“ durch „u“, erschließt sich der Sinn.) Held verläßt Halle nach der Eskalation der Streitigkeiten mit dem Zensor im Frühjahr 1844. Die zensierten Passagen nimmt er mit und publiziert sie wenig später in dem Buch „Censuriana oder die Geheimnisse der Zensur“, das in Kassel erscheint. Während der Revolution 1848 wirkt Held in Berlin.27 35 Gustav Adolf Wislicenus (1803-1875) „Eine radicale prächtige Figur“ sei Wislicenus, so der Publizist Arnold Ruge. 1844 sorgt der Pfarrer der halleschen Laurentiuskirche mit einem provokanten Vortrag über die Autorität der Bibel für Aufsehen. Wislicenus plädiert dafür, dass der „in uns selbst innewohnende lebendige Geist der Wahrheit“ zur Norm des Christentums erhoben wird. Das widerspricht dem reformatorischen Schriftprinzip – der streitbare Pfarrer wird seines Amtes enthoben, schart gleichzeitig viele Anhänger um sich und gründet die erste freie Gemeinde in Halle, die auf Kultus und Sakramente verzichtet und sich dem „Prinzip unbedingten Wahrheitsstrebens“ verpflichtet. 1848 ist Wislicenus Vorsitzender des revolutionären „Demokratischen Volksvereins“ in Halle. 1853 geht er nach Amerika, um einer Haftstrafe wegen Lästerung der Bibel zu entgehen. Dann lebt er bis zu seinem Lebensende in der Schweiz.28 Friedrich Wilhelm Gustav Rawald (1812-1892) Der in Nienburg geborene Weinhändler kommt 1839 nach Halle. Das gediegene Weinlokal Rawald, an der Stelle des heutigen Opernhauses gelegen, wird bald zum Treffpunkt fortschrittlich gesinnter Hallenser. Dort kann man mehrere Zeitungen lesen, unter anderem die „Hallesche Demokratische Zeitung“, die der Weinhändler mit herausgibt. Gustav Rawald zeigt Rednertalent und Courage und wird 1848 eine der wichtigsten Persönlichkeiten der revolutionären Bewegung in Halle. Er begründet den „Demokratischen Volksverein“ mit und ist Pfingsten 1848 beim Demokraten-Kongress in Frankfurt/Main der einzige Vertreter der Provinz Sachsen. Im November 1848 wird er wegen seines revolutionären Engagements verhaftet und muss sechs Jahre Haft in der Zitadelle Magdeburg verbüßen. Danach lässt sich Rawald in Freyburg/Unstrut nieder, wo er wiederum eine revolutionäre Tat vollbringt: Er initiiert dort im Januar 1856 die Aufnahme der Sektproduktion.29 Quelle: Stadtarchiv (2) 36 1848 in Halle Bereits am 26. März 1848 kommt es in Halle zur ersten Redner auftreten, umstellt auf Anweisung der städti- Großkundgebung an den Pulverweiden mit 7.000 schen Behörden die Bürgerwehr den Markt. Gegen Teilnehmern. Die Revolutionsereignisse kulminieren 11 Uhr ergeht der Befehl an die Volksversammlung, schließlich im Herbst 1848 in einer Störung auf dem auseinanderzugehen. Dieser wird nicht befolgt. Da- Marktplatz. Nachdem es in Berlin zum offenen Bruch raufhin rückt die Bürgerwehr gegen die Demonstran- zwischen Regierung und Nationalversammlung ge- ten vor. Dem stellt sich jedoch eine aus besitzlosen kommen ist, sollen Teile der Landwehr zur Unter- Arbeitern gebildete Teiltruppe der Bürgerwehr, das stützung des Königs nach Berlin geschickt werden. „Lancier-Korps“ (so genannt wegen der Bewaffnung Das versucht eine große Volksmenge zu verhindern. mit Lanzen), entgegen, um das freie Versammlungs- Nachdem es nicht gelungen ist, die Einkleidung der recht zu schützen. Schüsse fallen, mehrere verwun- Soldaten an der Saline zu verhindern, kommt es am dete Menschen stürzen zu Boden, Panik bricht aus. Vormittag des 19. November 1848 zu einer Protest- In den nächsten Tagen werden revolutionäre Politiker kundgebung auf dem Markt. Während mehrere inhaftiert. Das Lancier-Korps wird aufgelöst. Am 19. November 1848 kommt es zum Zusammenstoß von Bürgerwehr und demokratischen Lanciers auf dem halleschen Markt. Quelle: Hallische Nachrichten vom 19. November 1928. 37 Halle im Aufbruch (Gründerzeit) Das Ende der Salzstadt Am Anfang war das Salz. Aber die hallesche Störung, die dafür sorgt, dass die Sole sprudelt, hat auch ihre Grenzen. Bereits der für Halle katastrophale Siebenjährige Krieg (1756-1763) besiegelt das Ende der Einzelsieder unterhalb des Marktes; danach wird Salz in einer gemeinschaftlichen Pfännerei und Der einstige Ort der Salzgewinnung, nach dem Abriss der Siedehütten. Blick vom Schülershof Richtung Moritzburg. in der heute noch erhaltenen königlichen Saline gesiedet. Im Jahr 1868 wird das Salzsieden im so genannten „Thal“ dann endgültig eingestellt. Die Siedehütten werden abgerissen. Um 1875 ist die Stelle eine öde Schlammwüste. Wenig später beginnt hier die gründerzeitliche Bebauung des Hallmarktes. Frohe Zukunft im Paulusviertel Geröll aus der Grube „Frohe Zukunft“ wird nördlich der Ludwig-Wucherer-Straße aufgeschüttet. Dabei wird auch eine feuchte Senke verfüllt, in der die „faule Witschke“ fließt. Unterirdisch gibt es diesen Wasserstrom bis heute: Feuchte Keller und Risse in manchen Gebäuden des Paulus- und Mühlwegviertels zeugen Blick von der „Spitze“, Richtung Marktkirche. davon. Auf dem Hasenberg entsteht 1903 die imposante Pauluskirche. Zeitgleich werden Straßen angelegt, die erst nach und nach von Wohnhäusern gesäumt werden. Die „faule Witschke“ wird verfüllt. Fotos: Stadtarchiv 38 Am Hasenberg um 1900. Foto: Gottfried Riehm (Stadtarchiv) Hirsch und Händel Zum 200. Geburtstag von Georg Friedrich Händel lässt der Besitzer das Geburtshaus des Komponisten pompös dekorieren. Über der Toreinfahrt wird auf einer von Pilastern getragenen Konsole eine Händelbüste aufgestellt; die Fenster umkränzt oben Eichenlaub- und Lorbeer-Stuck, während unten Schilder an Werke des Meisters erinnern. Hinzu kommt ein Hirsch in plastischer Darstellung mit dem Schriftzug „Dies Haus steht in Gottes Hand – zum weißen Hirsch wird es genannt“. Mal abgesehen davon, dass Händel im „Haus zum gelben Hirsch“ gelebt hat – das dekorierte Haus ist nicht das Geburtshaus von Händel. Erst 1922 wird der Irrtum nachgewiesen: Der große Komponist kam im Nachbarhaus zur Welt. Händels falsches Geburtshaus. Foto: Stadtarchiv 39 Hallesche Originale Silber-Sechser Großer Kopf, krumme Beine, verwachsene kurze Gestalt: Schön ist er nicht, der legendäre „Silber-Sechser“. Nachgesagt wird dem Pferdepfleger des Ausspanngasthofes „Grüner Hof“ eine nahezu unerschöpfliche sexuelle Potenz. Man erzählt, dass er seine Dienstleistung für einen Sechser (25 Pfennige) anbietet. Vor allem Markt- und Bauersfrauen sollen Ende des 19. Jahrhunderts seine Kundinnen gewesen sein.30 Angeblicher Arbeitsort des Silber-Sechsers: Der „Grüne Hof“ am Steintor um 1900, kurz vor dem Abriss. Foto: Gottfried Riehm (Stadtarchiv) Foto rechts: Stadtarchiv Zeitungs-Maxe Maxe läuft in den 1920er-Jahren „wie ein geölter Blitz“ durch die Straßen und verkauft Zeitungen. Sein richtiger Name ist Max Körtge, geboren ist er wahrscheinlich im Mai 1884. Er verleiht sich mehr oder weniger phantasievolle Titel und drapiert seine Brust mit selbst gebastelten Orden wie zum Beispiel einer „GoetheMedaille“. 40 Zither-Reinhold (1878-1964) Einer Erkrankung an Unterleibstyphus im Alter von neun Jahren verdankt Reinhold Lohse sein kindliches Gemüt. Die Hallenser mögen den einfältigen Straßenmusiker, der eigentlich Pastor werden will. Reinhold zieht mit einem Leierkasten, später mit einer Zither durch die Innenstadt. Die Leute schenken ihm Geld, Zigaretten, Süßes. Alkohol lehnt er rigoros ab. Mit einer Fettbemme und einer Tasse Kaffee ist er glücklich. Aber nicht alle meinen es gut mit ihm. Jugendliche stürzen den Leierkasten in die Saale. 1952 antwortet Reinhold auf die Frage, wo sein Leierkasten geblieben sei: „Der ist kaputt, da ham die Kinder Pferdeäppel reingesteckt.“ 1954 lebt Reinhold bei einer Verwandten, bei der er seine nicht unbeträchtlichen Tageseinnahmen abliefern muss. Bei einer Gerichtsverhandlung wird bekannt, dass sie das Geld vertrunken hat. Am 17. April 1957 wird Zither-Reinhold auf der Schmeerstraße von einem Radfahrer angefahren. Einen Monat später ist er schon wieder wohlauf. Als seine Zither kaputt ist, schenken ihm Mitarbeiter der HO zu Weihnachten 1958 ein nagelneues Instrument. Im Herbst 1964 stirbt Reinhold Lohse an den Folgen eines Unfalls; er ist am Franckeplatz gegen einen Bus gelaufen. Zur Beerdigung kommen 250 Hallenser.31 Foto: Stadtarchiv Artikel aus der Liberal-Demokratischen Zeitung vom 18. Mai 1957 41 Hallesche Störungen (Weimarer Republik) Halle ist in der Zeit der Weimarer Republik eine Stadt Eine wütende Menschenmenge quält von Klüber zu der politischen Extreme. Tode. (Der Kriegsinvalide wird vier Monate später zum Tode verurteilt.) Kommunistische Ideen erlangen ab 1918 im Raum Halle eine Massenbasis. Bei der Wahl zur Weimarer Der Mord an dem Offizier soll Vergeltung sein für die Nationalversammlung erhält die links von der SPD gewaltsame Beendigung des Generalstreiks durch stehende USPD in Halle 41 Prozent der Stimmen. Im General Georg Maercker: Am 1. März 1919 rücken die Februar 1919 demonstrieren ca. 40.000 Arbeiter auf Truppen von General Maercker in die Stadt ein, um dem Markt mit roten Fahnen und Losungen wie „Alle den Generalstreik zu beenden. Bewaffnete Arbeiter Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!“ versammeln sich kampfbereit auf dem Markt, aber der Soldatenrat lehnt Widerstand als aussichtslos ab. Gleichzeitig gibt es massive Gegenreaktionen. Im Vereinzelt kommt es dennoch zu Gefechten im Stadt- Januar 1919 demonstrieren 25.000 hallesche Bürger gebiet, bei denen mindestens 36 Menschen sterben. gegen die Revolution. Als im Februar 1919 Bergarbeiter den Generalstreik ausrufen, dem sich drei Viertel Während der Kampfhandlungen gerät die Situation aller Betriebe sowie die Eisenbahner anschließen, kon- in der Stadt außer Kontrolle. Hunderte Geschäfte wer- tert das hallesche Bürgertum mit einem Gegenstreik: den in der Nacht vom 2. zum 3. März 1919 geplündert. Ärzte, Postbeamte, Bäcker und Fleischer legen das Nach der Niederschlagung des Streiks bildet General öffentliche Leben vollends lahm. Maercker zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung paramilitärische Verbände, so das „Freikorps Diese radikale Spaltung prägt die 1920er-Jahre in Halle“. Das begünstigt aber auch neuen Terror, wie Halle. Politische Auseinandersetzungen fordern hun- zum Beispiel den Lynchmord an Meseberg. derte Todesopfer. Gewalt erzeugt neue Gewalt, zum Beispiel im Frühjahr 1919: Weitere gewaltsame Störungen erschüttern in den Jahren 1920 und 1921 die Saalestadt, mit mehreren Obermatrose Karl Meseberg, seit 1918 Kommandeur hundert Todesopfern. Das Klischee vom „roten Halle“ einer Kompanie revolutionärer Matrosen in Halle, wird ist dabei nur eine Teilwahrheit. Große Teile von Halles am 13. März 1919 ein Opfer rechter Paramilitärs. Sie Arbeiterschaft sind in dieser Zeit kommunistisch einge- schießen auf ihn und werfen ihn schwer verletzt in die stellt, große Teile von Halles Bürgerschaft deutschnati- Saale, wo er ertrinkt. (Der Haupttäter, ein Medizinstu- onal. Die Rechten sammeln sich zum Beispiel um den dent, flieht ins Ausland.) radikalen „Stahlhelm“-Führer Theodor Duesterberg. Auch wird in Halle der militante Bund „Wehrwolf“ ge- Auf ähnliche Weise wird zehn Tage vorher der Reichs- gründet. Zur Demokratie bekennt sich nur eine Minder- wehr-Oberleutnant von Klüber gelyncht. Der Offizier heit: Halle ist in dieser Zeit vor allem eines: extrem.32 wird auf einem „Erkundungsgang“ in Zivil von einem 24-jährigen Kriegsinvaliden erkannt und angegriffen. Fotos: Stadtarchiv (6) 42 Hallesche Störung von links: Seit November 1918 treibt eine ca. 260 Mann starke Matrosenkompanie unter Obermatrosen Karl Meseberg die Revolution in Halle voran. Hallesche Störung von rechts: Studienrat Fritz Kloppe gründet 1923 in Halle den rechtsradikalen Bund „Wehrwolf“. Begünstigt durch die Beteiligung der Polizei am bürgerlichen Gegenstreik werden am Wochenende 2./3. März 1919 Geschäfte geplündert und zerstört. „Lumpenproletariat“ soll sich ebenso daran beteiligt haben wie „brave Bürgersleute“. Fritz Weineck, Hornist des Rotfrontkämpferbundes, stirbt 1925 während einer Wahlkampfveranstaltung der KPD im Volkspark durch eine Polizeikugel. In der DDR wird er als „kleiner Trompeter“ zur Märtyrerfigur gemacht. Hallesche Störung von rechts: Truppen unter General Georg Maercker schlagen Anfang März 1919 den Generalstreik gewaltsam nieder. Mindestens 36 Menschen sterben. Hallesche Störung von links: Ende 1932 spricht Hitler auf dem Sarrasani-Platz. Plötzlich ist der Ton weg. Der Kommunist Franz Heyl soll es gewesen sein, der das Kabel mit einem Beil durchtrennt hat. Heyl stirbt 1936 in einem Konzentrationslager. 43 Die hallesche Störung ergreift die Massen 2. August 1914. Mobilmachung in Halle für den 1. Weltkrieg. Quelle: General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen, 19. August 1914. Hallenser bei einem Wahlkampfauftritt von Hitler 1932. 44 „Nach Paris“ lautet die Losung, die Soldaten 1914 mit Kreide an ihre Waggons schreiben. Ankunft von Truppen der Heeresnachrichtenschule in Halle 1936. Maidemonstration in Halle 1954. Massenkundgebung mit Erich Honecker an den Betonfäusten am Thälmannplatz (heute Riebeckplatz). Das 1970 eingeweihte „Monument der siegreichen Arbeiterklasse“ wurde 2005 abgerissen. 3. Festival der Jugend der DDR und der UdSSR 1975. Fotos: Stadtarchiv (6) 45 Kleine Chronik der halleschen Luft Vor 1800 20. Jahrhundert Ludwig Tieck schreibt am 12. Juni 1792 aus Halle Professor Rajabali Khorb aus dem Iran, der zum 1000- an Wackenroder: „Ich ging neben den Gärten hin, jährigen Stadtjubiläum 1961 nach Halle gekommen wo mich der balsamische Duft von tausend Blumen ist, äußert angesichts der verschmutzten Saale und umfing, die Lichter erloschen nach und nach in den der permanenten Dunsthaube über der Stadt: „Wenn Häusern, die Hunde bellten mir allenthalben nach, ich Halle eine ‚Perle an der Saale’ ist – das hörte ich in ging vor einer Wassermühle vorbei, deren schäumen- einem Loblied –, so ist es doch wohl eine dunkle Per- der Wasserfall wie Flammen in dem Strahl des Mondes le.“36 flutete, alles war so schön, so abenteuerlich. Ich setzte mich oft nieder, die schönen Gegenden zu Ludwig Ehrler, ehemaliger Rektor der „Burg“, erinnert übersehen. Die Saale glänzte mir wie ein großer See, sich: „Da war ja noch in den 60er Jahren der sprich- tausend kleine Sterne zitterten auf der ungewissen wörtliche englische Nebel, wo man im November Oberfläche, ein leichter goldener Nebel ruhte über mitunter – an der Lutherlinde ist mir das passiert – je- die ganze Gegend ...“ manden anrannte, so dicht war das. Die Autos wur- 33 den mit Fackeln durch die Straßen geführt und überall 19. Jahrhundert brannten Feuer, Signalfeuer – also es war sprichwörtlich Kriminalnebel aus London. Aber diese industrielle Stadtchronist Schultze-Galléra schilderte die Gegend Geschichte hat eben verdeckt, was da unter dem des heutigen Hallmarktes wie folgt: „Stieg man von Staub, wie ein Aschenputtel, was für eine Prinzessin der Treppe an der Kirche ins ‚Tal’ hinab, gelangte unter dieser grauen Decke ist.“37 man in einen ganz mittelalterlich zurückgebliebenen Stadtteil voll krauser enger Gassen, Säcke, Schlupfen, Zahl der Nebeltage in Halle35 daß kaum ein Mensch sich hindurchwinden konnte, in ein Gewirr kleiner, zwei- und dreistöckiger, niedriger, Zeitraum 1891-1900 13,5 gelb und grün angestrichener Häuser mit dunklen, un- Zeitraum 1961-1970 59,3 geteilten Fluren und engen Höfen. Abseits davon, auf der Mitte der Halle zogen sich zwei lange Gebäude entlang, die Siedehäuser; Tag und Nacht quoll aus ihren Schornsteinen der Kohlenrauch ...“34 Rechts: Gasse in der halleschen Innenstadt um 1956 Foto: Stadtarchiv 46 47 Hallesche Störungen (Nachkriegszeit) Der Rote Turm brennt ab nen, und dann – fast glaube ich, eine Halluzination zu haben – sehe ich plötzlich in der Luke des dem Schülershof direkt gegenüberliegenden Türmchens einen winzig kleinen Lichtschein.“ Sollte dort jemand mit einer Taschenlampe hantieren? Die Hallenser sitzen in den Kellern und Bunkern der Stadt. Hans Naundorf begreift, dass eine Granate den Turm getroffen hat.38 „Mit unserem Kleinlöschgerät, einer Handspritze und Brechwerkzeugen eilten wir zum Turm. Leider wurde uns sehr bald klar, daß ein Eindringen unmöglich war. Alle Türen waren verschlossen und damit unserem Bemühen Einhalt geboten. Wir mußten, da die uns zur Verfügung stehenden Hilfsmittel unzulänglich waren, von Löschversuchen Abstand nehmen und gaben Der Rote Turm: 30 Jahre ohne Spitze. Foto: Danz eine Meldung an unsere Wache ab. Inzwischen hatte sich der Brand so weit entwickelt, daß sich nun bereits aus der Luke des kleinen Ecktürm- Der dichterisch begabte Feuerwehrmann Hans chens eine größere Flamme herauswand, die wie ein Naundorf berichtet von seinem Einsatz am Nach- feuriges Fahnentuch um das Türmchen wehte. Von mittag des 16. April 1945, als der Marktplatz unter unserem Standort konnten wir deutlich beobachten, US-amerikanischen Artilleriebeschuss gerät: „Einschla- wie der innere Luftzug im Turm die herausschlagen- gende Geschosse, zerfetzte Fassaden, herumliegende de Flamme entfachte. Sie wurde größer und größer. Trümmer und einige Tote am Eingange der Schmeer- (...) Es kamen dann auch weitere Löscheinheiten zur straße, das war das grausige Bild, das sich uns zu dieser Brandstelle, die aber ebenfalls die Aussichtslosigkeit Stunde bot.“ Der Feuerwehrtrupp sucht Deckung am einsehen mußten, dieses Feuer, das nun wütend um Schülershof, und Hans Naundorf späht in Richtung sich griff, wirksam zu bekämpfen. Allein die Höhe des Roter Turm: „Wie in Gedanken versunken stehe ich Brandes und die zu Gebote stehenden Hilfsmittel (zu in diesen Augenblicken und nehme das Bild dieses kurze Leitern und zu geringer Wasserdruck) machten schönen Bauwerkes, umstrahlt vom Sonnenschein jeden Versuch zunichte. (...) und auf dem Hintergrund eines seidig-blauen Früh- Die Abenddämmerung ist inzwischen hereingebro- lingshimmels, in mich auf. Erinnerungen werden wach, chen. Ein klarer, wolkenloser Himmel wölbt sich über und meine Ohren vermeinen ganz fern den Glocken- dem schaurig-schönen Bild. Es ist so unendlich traurig, klang seines herrlichen Geläutes zu vernehmen. Dann tatenlos dem Vernichtungswerk des rasenden Feuers heftet sich mein Blick an seine Bedachung. Ich sehe zusehen zu müssen. Gebannt hängen aller Blicke an die schlanken, spitzen Ecktürmchen, die diese umkrö- dem brennenden Turm. Wie bei einem riesigen Feu- 48 erwerk flattern brennende Balken, glühende Teile der Von 1945 bis 1976 steht der Rote Turm als Torso auf Bedachung aus der Höhe zur Erde. Das Feuer frißt sich dem Markt, versehen mit einem provisorischen Flach- weiter nach oben, an dem nun zu Tage tretenden dach. Stadtplaner ziehen 1964 sogar den Abriss in Sparrengerüst weiterlaufend, bis zur höchsten Spitze, Erwägung.40 Zehn Jahre später ist davon keine Rede bis zum Turmknauf. Wie aus feurigglänzendem Filigran mehr. Der Turm bekommt 1976 sogar wieder eine ori- gebildet, hebt sich die Kontur des Turmes mit seinem ginalgetreue Haube. unendlichen Sparrengewirr leuchtend gegen den nachtblauen Himmel ab. Die ganze Schönheit dieses nun sterbenden stolzen Bauwerkes tritt noch einmal wundersam in Erscheinung. Das, was vor Jahrhunderten ein Baumeister erdachte, was fleißige Hände schufen, hier sinkt es in Schutt und Asche! Nun hat das Feuer den Turm in seiner ganzen inneren Ausdehnung ergriffen, rasend jagen die riesigen Feuerlohen empor. Die großen Spitzbogenfenster leuchten in blutig-roter Feuerglut. Feuerkaskaden rauschen in Abständen hernieder. Der Turmhelm scheint nun soweit zerfressen zu sein, daß sein Gesamtgefüge jeden Augenblick zusammenbrechen muß. – Dann – wie seltsam berührt es! – ein einziger, klagender Anschlag einer Glocke! Sie läutet ihrem Turm den Grabgesang! Fred Frohberg – Ein leichtes Beben regt sich noch im glühenden Gebälk, eine leichte Drehung, kaum bemerkbar von Fred Frohberg und sein Holzbein unten, folgt, und dann senkt sich die Spitze nach Südwest. Mit donnerndem Getöse bricht sie in einer Das in Halle kursierende Gerücht, der in der Saale- prasselnden Feuergarbe zusammen. (...) stadt geborene Schlagersänger Fred Frohberg (größ- Längst ist Mitternacht vorüber; die angrenzenden ter Hit: “Zwei gute Freunde“) hätte sein Bein beim Straßen und der Markt haben sich inzwischen von Kohleklauen in der Nachkriegszeit verloren, ist ganz Menschen geleert. Wie vielen mag gleich mir dabei offenbar falsch: Sein Bein verlor der 19-jährige Soldat das Herz schwer gewesen sein? – Die Trümmerreste, in den letzten Kriegsmonaten. Trotzdem war da auch die weit um die Brandstätte herum liegen, haben wir was mit Kohlenklau. Aber nicht er war es, sondern drei abgelöscht. Still und einsam folgen wir unserer Arbeit. Frauen – Verlobte, Mutter und Tante, die im Februar Der grauende Morgen zieht herauf. 1947 auf dem halleschen Bahnhof Kohlen klauten Ich gehe etwas abseits, meinen Blick noch einmal und erwischt wurden. Als sie dem Polizisten erklärten, dem Turme zuwendend. Die schwarze Silhouette dass sie die Kohlen brauchen, um für eine Hochzeits- einer Ruine hebt sich vom dämmernden Morgenhim- feier eine warme Stube zu haben, ließ der Ordnungs- mel ab, klagend und mahnend. Mein Herz ist von tie- hüter sie laufen, samt Kohlen – unter der Maßgabe fer Traurigkeit erfüllt, als hätte ich einen lieben, alten, allerdings, zur Hochzeit eingeladen zu werden, wo er treuen Freund verloren.“ dann auch erschien und mitfeierte – so steht es jeden- 39 falls in Frohbergs Autobiografie.41 49 Beim Laternenfest 1947 setzt eine Feuerwerksrakete ein Transparent des Gewerkschaftsbundes an der Burg Giebichenstein in Brand. Die Hallenser jubeln. „Der Spiegel“ berichtet am 30. August 1947 darüber. 50 Aufbegehren (1947-1990) 60.000 Menschen demonstrieren am 17. Juni 1953 auf dem Hallmarkt. „Freiheit“ steht auf dem Transparent, das der Demonstrant den sowjetischen Panzern entgegenhält. Fotos: Archiv Verein Zeit-Geschichte(n) 51 52 Zwei Hallenser fliegen im Jahr 1964 über die Mauer hinweg bis nach Minden. Und das, obwohl sie nach eigener Aussage nie zuvor ein Flugzeug gelenkt haben. Artikel aus: Die Welt vom 17. April 1964, S. 28. 53 Halbstarke in Halle „Außer Rand und Band“ geraten in den 1950er-Jahren keineswegs nur die Jugendlichen westlich der deutsch-deutschen Grenzlinie. Auch im Osten kommt es zu Krawallen, die zwar (laut einer aktuellen Forschungsarbeit der Historikerin Wiebke Janssen) nicht ganz so geballt und zahlreich wie in Westdeutschland auftreten, aber dennoch für das SED-Regime ungeheure Brisanz bergen. Wieso es am 16. Dezember 1958 auf dem Weihnachtsmarkt zu einer größeren Schlägerei zwischen „Halbstarken“ und der Volkspolizei kommt, lässt ein Artikel in der „Freiheit“ am 20. Dezember durchblicken: Demnach hätten Halbstarke einen Soldaten der NVA angepöbelt, worauf es zu Handgreiflichkeiten kam. Ein massives Polizeiaufgebot hätte schließlich 39 Beteiligte verhaftet, darunter vier weibliche Jugendliche. Die sind keineswegs nur mitgegangen, sie mischten auch kräftig mit, weshalb eine von ihnen wegen Landfriedensbruch zu acht Monaten Haft verurteilt wurde. Der Tumult auf dem Hallmarkt wird auch in der westdeutschen Presse zum Thema, so meldet „Die Welt“ am 24. Dezember, dass ein Volkspolizist zu Tode kam. In Halle selbst wird darüber in der Presse nicht berichtet. Statt dessen versucht die „Freiheit“, die Weihnachtsmarkt-Schlägerei als Folge einer gezielten Einschleusung der „amerikanischen Unkultur“ in die DDR darzustellen. FDJ-Funktionäre berichten von einem westlich gekleideten Unbekannten in schwarzer bzw. roter Lederjacke, der als angeblicher Rädelsführer von Westdeutschland aus das Ganze eingefädelt habe. Der Unbekannte bleibt ein Phantom. Der Volkspolizist indes, so hat Wiebke Janssen herausgefunden, ist tatsächlich an jenem turbulenten Abend gestorben. Er erlitt bei dem Polizeieinsatz infolge gesundheitlicher Probleme einen Herzinfarkt. 54 Notiz in der SED-Zeitung „Freiheit“ vom 18. Dezember 1958. Flugblatt, am 23. 12. 1976 in Briefkästen verteilt. Quelle: BStU 4. November 1989. Foto: MZ Archiv Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung Friedliche Revolution Eine Flugblatt-Aktion gegen die Ausbürgerung des „In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Liedermachers Wolf Biermann erschreckt zu Weih- Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört.“ Mit nachten 1976 die Machthaber. Obwohl bis 1986 fast diesem Satz beginnt der Gründungsaufruf des NEUEN 10.000 Menschen überprüft werden, gelingt es der FORUM. In Halle ist die Störung besonders stark aus- Staatssicherheit nicht, die fünf befreundeten jungen geprägt. Während am 9. Oktober 1989 die Leipziger Leute (zwei Frauen, drei Männer) ausfindig zu ma- Montagsdemonstration friedlich verläuft, setzt die chen, die am 23. Dezember 1976 die 500 selbstgefer- Polizei in Halle Schlagstöcke ein. Und noch Ende Ok- tigten Flugblätter in Briefkästen gesteckt haben. tober plant die SED eine Gegendemonstration „Rote 42 Fahnen gegen weiße Kerzen“, die aber nicht mehr zustande kommt.43 55 56 Halle – ein raues Pflaster? Kleine Chronik des halleschen Pflasters 18. Jahrhundert „Freilich ist das Pflaster der Straßen bodenlos schlecht, trotzdem man die Stadt erst 1725 mit 8.195 Talern Unkosten umgepflastert hat.“44 19. Jahrhundert „Man klagt weiter über das schlechte Pflaster, trotzdem um 1820 die ganze Stadt umgepflastert war.“45 20. Jahrhundert Paul Frankl konstatiert, dass „Halle inzwischen soviel schöner geworden ist (sogar gutes Pflaster hat und bessere Straßenbeleuchtung als einst)“.46 21. Jahrhundert „Trotz mancher technischer Fehler bei der Verlegung ist die Stadt mit der neuen Pflasterung besser benutzbar geworden, und das ist zweifellos notwendig. Es hätte dafür aber nicht des teilweise sehr hohen Aufwandes bedurft. Der groß verkündete optische Qualitätsanspruch ist weitgehend verfehlt. Allzu viele Spielereien vermitteln nichts weiter als ein neues Beispiel für die Beliebigkeit, wie sie heute auch in vielen anderen Lebensbereichen um sich greift.“47 Hallenser im Baudreck: Richard-Wagner-Straße um 1900. Foto: Stadtarchiv 57 Der „Charme“ der Hallenser „Meine Kneipe ist keine Kirche“ Seit 1913 führt Bernhard Weißbach die legendäre Kneipe „Sargdeckel“ mit harter Hand. Arbeiter, Schauspieler und vor allem Studenten zechen hier. Eines Abends, als die Kneipe wieder mal überfüllt ist, fordert er die Stammgäste „in grob bestimmender aber doch höflicher Weise“ auf, abwechselnd eine halbe Stunde zu stehen.48 Weißbach ist bekannt dafür, dass er Radaubrüder und Volltrunkene eigenhändig vor die Tür setzt. Leute, die er nicht mag, platziert er an einen Tisch in der hintersten Ecke, selbst wenn die Kneipe leer ist. Wer seinen Anweisungen nicht Folge leistet, wird aufgefordert, das Lokal zu verlassen. Schachspielen oder die Bestellung nichtalkoholischer Getränke fasst Weißbach als Provokation auf: „Meine Kneipe ist keine Kirche“, lautet einer seiner Leitsprüche. Der „Sargdeckel“ in den 1920er-Jahren. Foto: Stadtarchiv Das Haus soll früher einem Sargtischler gehört haben. Zwischenzeitlich wird der Name sogar behördlich verboten; Weißbach überpinselt daher den Schriftzug „Sargdeckel“ mit den Buchstaben „S.D.“. Als Weißbach 1937 stirbt, ist er gerade mal 56 Jahre alt. Seine Nachfolger versuchen, die rüde Tradition fortzusetzen. Ein Kraftfahrer, der hier im Jahr 1968 ein alkoholfreies Getränk verlangt, wird von Wirt Rolf Valerius mit den Worten abgewiesen: „Diese Kneipe ist kein Wartesaal“. Nicht zuletzt wegen des groben Wirtes war der „Sargdeckel“ auch in den siebziger und achtziger Jahren eine Kultkneipe in Halle. 1994 wurde das Haus abgerissen, damit die „Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt“ und die „Versicherungsgruppe Hannover“ dort einen Büroblock bauen konnten. Rechte Seite: Nachruf auf Bernhard Weißbach in der Saale-Zeitung vom 3. Dezember 1937. Der Sargdeckelwirt ist in SA-Uniform abgelichtet: Auch das gehört zur Geschichte dieser Kneipe. Quelle: Stadtarchiv Noch ein grober Wirt: HOG „Frohe Zukunft“ anno 1990. Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 3. April 1990 58 59 „’S jeht niche“49 Eine Anekdote aus der Zeit vor 1900 berichtet, dass es – „Warum?“ – „Weils ähm nich jeht.“ in der Nacht kaum möglich ist, auf dem Bahnhofsvor- Umständlich erzählt der Kutscher von der Anordnung platz eine Pferdedroschke zu bekommen. des Oberbürgermeisters: „Desdewejen gann ich ähm Halles Oberbürgermeister, der deshalb eines Nachts nich fort, weil denn geene Droschke mehr uffn Bahn- nach Hause laufen muss, ordnet daher – unter An- hofe is.“ Auch die Offenbarung des OB („Wissen Sie, drohung von Strafe – an, dass sich Tag und Nacht ich bin selbst der Oberbürgermeister“) beeindruckt mindestens eine Droschke am Bahnhof bereitzuhalten ihn nicht. Der Kutscher klopft seelenruhig seine Pfeife hätte. am Trittbrett aus: „Das nitz ooch nischt, da missense 14 Tage später kommt der Bürgermeister mit dem erscht bei mein Scheff nungerjehn in de Mansfelder Nachtzug nach Halle zurück, und stellt erfreut fest, Straße un den fra’n, un wenn där saat, ich derf fahrn, dass eine Droschke wartet. Er stößt den vor sich hin denn fahr ich, sonst muss ich hierbleim.“Auch in die- dösenden Kutscher an und sagt: „Fahrn Sie mal los.“ ser Nacht geht der Oberbürgermeister zu Fuß nach Der Kutscher blickt sich um und nölt: „’S jeht niche.“ Hause. Kleine Ulrichstraße um 1900, Foto: Stadtarchiv 60 Reichardt und die Regenrinne Der romantische Garten des Hofkapellmeisters Johann Friedrich Reichardt hat die Zeiten überstanden, wenngleich es am Rande manchmal recht ruppig zuging. So wird Reichardts Haus im Jahr 1903 wegen der Begradigung der Seebener Straße abgerissen. Um an Reichardt zu erinnern, errichten Verehrer des Komponisten am Rande des Parks einen Gedenkort. Aus der Mitteldeutschen Zeitung vom 13. September 2005. An der Mauer, über der eine Büste angebracht ist, steht zu lesen: „Zum Volk hast Du Dein Lied gesungen, Des Künstlers Ruhm Dir selbst errungen, So bleib ein Vorbild deutscher Art, Die Volk und Kunst mitsammen paart. (...)“ Der Wunsch, Reichardts Vorbild solle eine Harmonisierung von Volk und Kunst bewirken, fand an diesem Ort leider keine Erfüllung. Hier kommt es in den 1920erJahren zur harten Konfrontation von Kunst und Alltag. „Hallenser – das sind Menschen mit so unendlich viel Charme, den sie aber gut verstehen zu verbergen.“51 Hans-Dietrich Genscher Vom Grundstück des angrenzenden Hauses der Wittekindstraße wird ein Abflussrohr von hinten durch die Gedenktafel getrieben. Das löst öffentlichen Protest aus; das Ableitungsrohr muss wieder entfernt werden. Dabei wird die Tafel jedoch endgültig ruiniert.50 61 Hallesche Störer (20. Jahrhundert) Felix Graf von Luckner (1881-1966) Als das rauskommt, wird ein Sonderehrengericht gegen ihn vorbereitet. Dabei wird Luckner auch mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern konfrontiert. Um kein Aufsehen zu erregen – inzwischen hat der Zweite Weltkrieg begonnen und Hitler will jede Unruhe an der „Heimatfront“ vermeiden – wird der Foto: Agentur Keystone „Seeteufel“ 1939 aber nicht verurteilt, sondern nach Halle verbannt, wo seine Eltern wohnen. Er darf nicht Die weltweite Vermarktung von Luckners Abenteuern mehr publizieren, nicht mehr reisen. im Ersten Weltkrieg und die Vortragsreisen mit Showeinlagen (wie das Zerreißen von Telefonbüchern) ma- Der Graf, „eines der größten Schlitzohren des Jahrhun- chen Felix Graf von Luckner in den 1920er-Jahren zum derts“ (Norbert von Frankenstein), nimmt es Zeit seines Weltstar. Sympathie bringt ihm, selbst bei einstigen Lebens mit der Wahrheit nicht so genau. Aber in den Gegnern, seine ritterliche Art der Kriegsführung ein. letzten Kriegstagen im April 1945 hat er tatsächlich Die Nazis schicken Luckner 1937 erneut auf Werbe- eine Sternstunde. Er trägt maßgeblich zur kampflosen Tour. Aber der Graf hält sich nicht an die Vorga- Übergabe der Stadt an die US-Truppen bei. Luckners ben, lässt Propagandamaterial ins Meer werfen und Einschaltung in die Verhandlungen verhindert, dass macht aus der Reise eine private Vergnügungsfahrt. Halle flächenhaft bombardiert wird.52 62 Der Jodler (1894-1981) Er läuft im Sommer in kurzer Lederhose und einem weißen Motorrad-Sturzhelm auf dem Kopf durch Halle, führt mit den Hirschen im Zoo lebhafte Gespräche, und erschreckt ansonsten die Leute durch lautes Trällern und das Grölen eigenartiger Worte wie „Humpelbeen“. Klar, der Typ ist verrückt. Deshalb lebt Paul Grunicke, so sein bürgerlicher Name, auch im Pflegeheim in der Beesener Straße. Gleichzeitig aber hat er die Gabe, seine Krankheit so originell auszuleben, dass er in den 1970er-Jahren zum Stadtgespräch wird. Neben dem Spitznamen „Joodler“ rufen ihn die Hallenser auch „Tante Anna“ bzw. „Tante Hannelore“. Das kommt daher, dass der Jodler in der Wintersaison sein Outfit verändert. Dann trägt er nämlich eine Damenperücke, und geht am Krückstock.53 Der hallesche Musikproduzent Frank Lausch erinnert sich noch sehr lebhaft an den Jodler: „Die Anzugsordnung variierte selbstredend entsprechend zur Jahreszeit. Die kurze Lederhose reichte immerhin bis fast zum Knie. Dazu wurde entweder eine Art kurzer Joppe getragen, oder eben auch nicht. Konsequenterweise gab es die Krachlederne auch bis tief in den November, dann allerdings zur langen Unterhose. Außerdem wurde gern schmückender Unfug durch die Stadt getragen, wie das berühmte Kofferradio, welches nur das Gehäuse eines ‘Stern Elite‘ war. Die Schiffermütze Foto: Privatarchiv Frank Lausch rundete das Bild ab. An einen Motorradhelm kann ich mich nicht erinnern, will ihn aber um Gotteswillen nicht in Frage stellen. Der Gamsbarthut war dann eine Sein Repertoire an (angesungenen) Liedern war Entscheidung des Pflegeheims. scheinbar unerschöpflich. Mitte der 70er nahm Ecke Jedenfalls gab es in den letzten Lebensjahren ein Bethmann, hallesches Rock-Urgestein, den Jodler optisches Lifting des Jodlers. Er trug einen hellblauen gern mit zu Gigs seiner damaligen Band TREND. Die Sommeranzug, schwarze Arbeitsschuhe und stellen- sowieso schon skurrilen Veranstaltungen wurden da- weise eine weiße Küchenuhr um den Hals. durch noch einen Hauch eigentümlicher.“ 63 Frank Lausch hat einige Tondokumente vom Jodler archiviert: In einem Gespräch mit Frau Danneberg, einer damals 81-jährigen Opernsängerin, lässt Paul Grunicke einige persönliche Daten sprudeln. So nennt er seinen Geburtsort Teutschenthal – was überraschend ist, da er einen eher böhmisch klingenden Dialekt spricht – und sein Geburtsdatum, den 25.12.1894. Auf die Bemerkung der alten Dame: „Da sind Sie doch auch Steinbock“, schmettert er ihr entgegen: „Feiertag!“ – „Wa?“ – „Ich bin an einem Feiertag geboren!“ Zwischen einigen unvermittelten Jodlern und Liedanfängen erwähnt er auch einen Unfall in Leuna. Einmal redet er von einem Schädelbruch, zweimal von einem Schädelbasisbruch. Das könnte sein seltsames Gebaren vielleicht erklären. 64 Der Jodler und die Gruppe TREND im Jahr 1977. Fotos: Privatarchiv Frank Lausch „Matthias“ BAADER Holst (1962-1990) Halles sprachmächtigster Untergrund-Dichter „Matthias“ BAADER Holst schreibt Zeilen wie „laß das mit dem menschsein lerne bäcker“ und hält sich nicht dran. Er lernt Baufacharbeiter, arbeitet als Postbote und Bibliothekar. Und er lässt es nicht mit dem Menschsein, verweigert 1982 den Wehrdienst und liest viel. Seine Spontanlesungen auf Parties haben Kult-Status. BAADER Holst zeichnet, tritt mit Bands auf, ist Mitherausgeber der Literaturzeitschrift „Galeere“, die verboten wird. 1988 zieht er zum Prenzlauer Berg nach Berlin. BAADER Holst stirbt Ende Juni 1990, im Alter von 28 Jahren. Im Morgengrauen läuft er in Berlin gegen eine Straßenbahn. Tage später erliegt er seinen schweren Verletzungen – es ist die Nacht vor der Währungsunion.54 Foto: André Gessner 65 Kleine Chronik des halleschen Eierwurfs 14. Juli 1593 Auf dem halleschen Marktplatz wird ein Pranger errichtet. „In alten Zeiten ist der Gebrauch gewesen, daß man diejenigen, so an den Pranger gestellt worden, mit faulen Eyern geworffen, welche der Rath bezahlt ...“55 11. Mai 1991 Im Frühjahr 1991 zeichnet sich deutlich ab, dass das Versprechen des Bundeskanzlers, es werde keinem schlechter, aber vielen besser gehen, so nicht einlösbar ist. Die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch. Die Abwanderung ist nicht zu stoppen. Also heißt es in Halle: Faule Eier statt blühender Landschaften. Helmut Kohl wird am 11. Mai 1991 auf dem halleschen Markt mit Eiern beworfen. Allerdings ist der Werfer kein Arbeitsloser, sondern ein Jura-Student, der sich den Studienplatz mit einem gefälschten Abiturzeugnis erschlichen hat.56 Ein Abend, etwa im Jahr 2000 Ort der Handlung ist das Café Nexus in der Kohlschütter Straße: „Eines Abends kam eine junge Frau ins Lokal gestürzt, zückte ein großes, rohes Ei aus ihrer Manteltasche, donnerte dies mit gekonntem Schwung einem Gast auf den Kopf und verschwand so schnell wie sie gekommen war“, berichtete NexusWirt Torsten Weiß im Januar 2001 einem MZ-Lokalreporter, ohne den Hintergrund dieses Ereignisses näher aufklären zu können. Fotos: MZ-Archiv 66 Halle im Umbruch (nach 1990) Dynamik aus Hildesheim Foto: MZ, 6. November 1990. Dirk Bettels, 26-jähriger Bankkaufmann, hat 1990 Die hohe Honorarsumme ergibt sich aus dem ge- schnell erkannt, was in Halle los ist: „Die Leute haben schätzten Stammkapital der HWG, das Bettels etwa keine Dynamik. Eine Portion Faulheit mischt sich mit zehnmal so hoch einschätzt wie der spätere hallesche einem Quentchen Angst und 40 Jahren verordneter Finanzdezernent Brisken.58 Als sein Gönner, OB Peter Lethargie“, vertraut er der Hildesheimer Allgemeinen Renger, als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS enttarnt Zeitung an. wird, geht Dirk Bettels nach Hildesheim zurück. Dort Bettels hingegen zeigt Dynamik, wird in Halle im Hand- ist er neben seiner unternehmerischen Tätigkeit heute umdrehen Chef der Magistratskanzlei, zweiter Mann u.a. Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer neben dem Oberbürgermeister, Aufsichtsratsvorsit- Hannover und Honorarkonsul der Slowakischen Re- zender der Halleschen Wohnungs- und Grundbesitz publik. AG und Aufsichtsratsmitglied der Hall-Bau AG. Leider setzt er seine Dynamik eher im eigenen Interesse Ganoven GmbH Halle als im Interesse der Stadt ein. Ende 1990 erhebt die „Frankfurter Rundschau“ den Vorwurf, Bettels hätte Die komplette Deindustrialisierung von Halle ist ein gute Bekannte aus Hildesheim mit Aufträgen ohne dunkles Kapitel, das der Aufarbeitung harrt. „Mafia- Ausschreibung versorgt. Mitte 1991 enthüllt die „Mit- ähnliche Zustände, in denen sich alles unter der Hand teldeutsche Zeitung“, dass Millionenbeträge aus der abspielt“, bescheinigt der Journalist Michael Jürgs der Kasse der Wohnungsgesellschaft HWG an zwei Anwäl- halleschen Treuhand-Niederlassung. Unternehmer te geflossen sind – der eine ist der Onkel von Bettels, entziehen halleschen Betrieben Millionenbeträge und der andere der Anwalt der Familie in Hildesheim: sanieren damit ihre verschuldeten Firmen. Ein Liqui- „Anderthalb Millionen. Für ein paar Tage Arbeit.“ Laut dator verschwindet mit einer Million D-Mark. Einige MZ-Recherche ist das „nicht rechtens“, da „zum da- der kriminellen Machenschaften von Unternehmern maligen Zeitpunkt ein westdeutscher Anwalt für seine und Treuhand-Managern sind mit Haftstrafen belegt Beratungen auf dem Gebiet der damaligen DDR kein worden. Die Betriebe hingegen sind weg, und die Honorar erhalten darf“. Arbeitsplätze auch.59 57 67 Ein Einfamilienhaus bläht sich auf „Auf Generationen hinaus verhunzt“ sei der Markt- „Handelt es sich beim Kaufhof am Marktplatz nicht in platz durch die „Geistlosigkeit“ eines Kaufhaus-Neu- Wahrheit um ein Einfamilienhaus, aufgedunsen zu ei- baus, findet der Journalist Günter Kowa im Jahr 1994, nem form- und gestaltlosen Klumpen?“ und fragt entsetzt: 68 Quelle: MZ vom 2. November 1994 Es hätte schlimmer kommen können Modell des Entwurfs von Ernst Sagebiel für ein nationalsozialistisches Gauforum in Giebichenstein. Foto: Stadtarchiv Wenn in Irland etwas Schlimmes passiert, hört man dort oft die Redewendung „it could be worse“ (es könnte schlimmer sein). So berichtet es Heinrich Böll in seinem „Irischen Tagebuch“. Und nicht genug dieser guten Sitte, in Irland gibt es auch noch eine Zwillingsschwester dieser Redewendung, die lautet: „I shouldn’t worry“ (ich würde mir keine Sorgen machen). Halles Stadtgeschichte, unter diesem Blickwinkel betrachtet, offenbart eine ganze Menge von Episoden, die den Schluss zulassen, dass es auch viel schlimmer hätte kommen können. Noch kurz vor dem Kriegsende 1945 zerschlug eine Bombe das Dach der Marktkirche und zerstörte einen Pfeiler. Die Kirche hätte einstürzen können. Foto: Stadtarchiv 69 Viel wurde in Halle abgerissen. Das Foto zeigt den Schülershof in den 1980er-Jahren, als ein Flächenabriss großer Innenstadtareale begann. Aber es gab auch noch drastischere Pläne. 1964 wurde zum Beispiel der Abriss des Roten Turmes und der Bau einer Hochstraße am Robert-Franz-Ring diskutiert. Foto: Stadtarchiv Architurwettbewerb Rathausneubau 1993, erster Preis (Gottfried Böhm, Köln). Foto: Stadtarchiv Bevölkerungsentwicklung in Halle. Die längste Zeit seiner Existenz hatte Halle weit weniger Einwohner als heute. Quelle: Wikipedia 70 Beinahe hätte es in Halle im Jahr 1986 eine schlimme Gasexplosion gegeben, wie diese Information der Staatssicherheit belegt. Quelle: BStU60 71 Die Störung der Störung Halle ist gestört. Und wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dann liefert ihn die Geschichte dieser Ausstellung. Fast wäre sie ein Opfer der Verzögerungen beim Umbau des Marktplatzes geworden. Nach Lieferschwierigkeiten und einem langen Winter sorgten offenbar Diebe dafür, dass die Pflasterung des Marktplatzes nicht fertig wurde. Und ausgerechnet das letzte Stück, das überhaupt an die Reihe kam, war jene Stelle an der Marktkirche, wo die Ausstellung im Mai 2006 aufgestellt werden sollte. Bis wenige Tage vor der geplanten Eröffnung sicherten die Verantwortlichen zu, dass der Markt fertig würde – und hielten sich nicht dran. Eröffnet wurde die Ausstellung dann schließlich am 13. Juni. Nichtsdestotrotz feierte Halle schon am 10. Mai 2006 die Neugestaltung des Marktplatzes, immerhin sah ja jeder, dass an dem Problem gearbeitet wurde. Aber auch die feierliche Enthüllung des restaurierten Roland-Standbildes am Roten Turm blieb von einer Störung nicht verschont. Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler betonte in ihrer Rede, dass der hallesche Roland ein ganz besonderer sei, denn er trage sein Schwert in der Scheide. Wenig später fielen die Hüllen, und die steinerne Figur reckte den Anwesenden ihr blankes Schwert entgegen – so wie sie es schon seit dem Mittelalter tut, oder genauer gesagt seit 1719, als der hölzerne Roland des Mittelalters durch eine Kopie aus Stein ersetzt wurde. Ein besonderes Exemplar ist der hallesche Roland durchaus, aber nicht wegen seines Schwertes, sondern weil er keinen Helm, keine Krone und Rüstung trägt.61 Mitteldeutsche Zeitung vom 10. Mai 2006 72 Gegenwärtig herrscht Ruhe an der halleschen Störung, konstatierte erst kürzlich der Geologe Prof. Max Schwab.62 Für die geologischen Platten im Untergrund mag das stimmen. Erdbeben sind bis auf Weiteres nicht zu befürchten. Überirdisch aber ist zwischen Trotha und Silberhöhe, Neustadt und Hufeisensee wohl noch manches zu erwarten ... 73 Anhang Anmerkungen Mit diesen treffenden Worten beschrieb Sylvia Pom- 13 Stadtarchiv Halle, Sammelmappe IV/5. mert in der Mitteldeutschen Zeitung die geologische 14 Norbert Böhnke, Neuerungen im Alt-Anhaltischen Herkunft von Halle (Zitat aus dem Internet: http://peo- Regiment, in: http://www.ifhas.de/barockeshalle.htm ple.freenet.de/hallesfreunde). (1.1.2007). 1 2 Vgl. Axel Bojanowsky, Die Abgase von Delphi, in: Süddeutsche Zeitung vom 7./8. Oktober 2006, S. 24. 3 Vgl. Volker Hermann, Die Entwicklung von Halle (Saa- le) im frühen und hohen Mittelalter, Halle 2001, S. 33. 4 Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Die Stadt Halle, Halle 1930, S. 39. 5 Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Die Sagen der 15 Vgl. Ursula Schmiedgen, Dorothea Christiana Lepo- rin, verheiratete Erxleben (1715-1762). Pfarrfrau und streitbare Ärztin in Quedlinburg, in: Eva Brinkschulte / Eva Labouvie (Hg.), Dorothea Christiana Erxleben. Weibliche Gelehrsamkeit und medizinische Profession seit dem 18. Jahrhundert, Halle 2006, S. 32-54, hier S. 48-50. Hans-Joachim Kertscher, Exkurs Johann Ernst Philippi, Stadt Halle und des Saalkreises, Halle 1922, S. 55. Von 16 der Legende soll die Straße ihren Namen „Graseweg“ in: Ders., „Dis ist die schöne Stadt, die Halle wird ge- erhalten haben. Wahrscheinlicher ist aber, dass der nennet“ (unveröffentlichtes Manuskript). Name auf den Grashof verweist, ein Anwesen der 17 Herren vom Grashof, das sich im Mittelalter dort be- as Käsebier. Ein Erzbösewicht aus Alt-Halle, 7-teilige fand. Serie in: Heide-Bote 8 (1934) Nr. 48-52 und 9 (1935) Nr. Siegmar Baron von Schulze-Galléra, Christian Andre- 6 Vgl. Hilmar Schwarz, Die Ludowinger, Eisenach 1993. 1-2. 7 Vgl. Heiner Lück, Siegel und Wappen der Stadt Halle, 18 Diese und die folgende Begebenheit aus: Stadtar- in: Werner Freitag/Andreas Ranft (Hg.), Geschichte chiv Halle, Sammelmappe IV/23. der Stadt Halle, Halle 2006, Bd. 1, S. 156-167. 19 Der Markt ist viermal heller, in: Freiheit vom 11. April 8 Stadtarchiv Halle, Sammelmappe IV/23. 1965. 9 Vgl. Werner Piechocki, Als in Halle die Sieder streik- 20 http://hallanzeiger.de/archiv/lokalnachricten/2003/ ten..., in: Mitteldeutsche Neueste Nachrichten vom beleuchtung.htm?seite=3 (1.1.2007). 5./6. April 1975; Ders., Aufruhrordnung von 1513, in: 21 Freiheit vom 20. August 1988. auf dem Gelände der späteren Irrenanstalt Nietleben 10 Vgl. Heinrich L. Nickel (Hg.), Das Hallesche Heilthum- buch von 1520, Halle 2001 (Reprint von 1520). 11 Vgl. Ludwig Grote, Kardinal Albrecht und die Re- naissance in Halle Halle 2006. Bahrdts Weinberg befand sich sehr wahrscheinlich an der Heideallee. Vgl. Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Karl Friedrich Bahrdt 949. 22 Das Artilleriegefecht zwischen der preußisch-öster- reichischen Koalitionsarmee und französische Revo- Vgl. Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Die Sagen lutionstruppen brachte die Richtung Paris marschie- der Stadt Halle und des Saalkreises, Halle 1922, S. 106; renden Koalitionstruppen zum Stehen; die Revoluti- Dr. Wendel, Unser Marktplatz vor 400 Jahren, in: onstruppen gingen von der Defensive in die Offensive Hallische Zeitung vom 10. Oktober 1925. über. Goethe, der an dem Feldzug teilnahm, soll am Die anderen Begebnisse dieser Chronik sind notiert in: Abend nach der Kanonade zu Offizieren gesagt ha- Sammelmappe IV/23, Stadtarchiv Halle. ben: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der 12 Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid da- 74 bei gewesen.“ Vgl. Stefan Winkle, Die Ruhr als Kriegs- Hochschule für Kunst und Design „Burg Giebichen- seuche während der Campagne in Frankreich 1792 in stein“, im Interview mit Tobias Barth. den Aufzeichnungen von Goethe und Laukhard, in: 38 Hamburger Ärzteblatt 42 (1988), S. 13-20. sie darin einen deutschen Artilleriebeobachter ver- 23 Vgl. H. Peter Brandt, Friedrich Christian Laukhards Offenbar beschossen die US-Truppen den Turm,weil muteten. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Roter_ Leben und Leiden, Idar-Oberstein 2001; Stadtarchiv Turm_(Halle) (1.1.2007). Halle, Familienarchiv Friedrich Christian Lau(c)khard 39 2045; Stefan Winkle, Die Ruhr als Kriegsseuche wäh- schinengeschr. Bericht, 5 S., Stadtarchiv Halle. rend der Campagne in Frankreich 1792 in den Auf- 40 zeichnungen von Goethe und Laukhard. Denkmalpflegers, in: Der Neue Weg vom 30. Dezem- 24 Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Friedrich Ludwig Jahn 2926. 25 Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Ph.F.Th. Meckel 1438. 26 Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Johann Christian Reil 11075 I, II. 27 Vgl. Uta Monecke, Zwischen staatlicher Obrigkeit Hans Naundorf, Der Brand des Roten Turmes, maVgl. das Interview mit Kurt Marholz: Die Meinung des ber 1964. 41 Manfred Anders, Fred Frohberg. Zwei gute Freunde, Halle 2001, S. 32f. 42 Vgl. Udo Grashoff, Erhöhter Vorkommnisanfall. Aktio- nen nach der Biermann-Ausbürgerung im Bezirk Halle, Halle 2001. 43 Vgl. Udo Grashoff, Keine Gewalt! Der revolutionäre und bürgerlichem Aufbruch. Preußische Zensur und Herbst 1989 in Halle an der Saale, Halle 2004. städtische Zensoren in Halle und Naumburg 1816- 44 1848, Halle 2006. ko, Halle 1935, S. 6. Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Halle im Roko- 28 Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Wislicenus 42. 45 29 Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Gustav Rawald Halle 1930, S. 246. 2623. 30 Zu halleschen Originalen vgl. Stadtarchiv, Sammel- mappe IV/22. 31 Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Zither-Reinhold 2603. 32 Vgl. Dirk Schumann, Politische Gewalt in der Wei- 46 Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Die Stadt Halle, Paul Frankl, Die Physiognomie des Geistigen Halle, 1931. 47 Hendryk Löhr, Pflastergestaltung in der Innenstadt, in: Arbeitskreis Innenstadt, Heft Mai 2003. 48 Darüber berichtet die Saale-Zeitung in einer Notiz am 3. Februar 1936, in: Stadtarchiv Halle, Häuserar- marer Republik 1918-1933, Essen 2001; Stadtarchiv chiv 126. Halle, Sammelmappe I/10. 49 33 Aus: Joachim Bagemühl (Hg.), An der Saale hellem Nach der gleichnamigen Anekdote in: Ernst Bun- gers, Närrsche Leide, Halle 1929, S. 81-84. Strande. Literarische Streifzüge durch die Landschaft 50 zwischen Elbe und Harz, Halle-Leipzig 1987, S. 109f. rich Reichardt 11000. 34 Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Die Stadt Halle, Halle 1930, S. 259. 35 Quelle: Ausstellung „Halle - Stadt der Arbeit“, Stadt- museum 2006/07. 36 Zeitungsnotiz in der „Freiheit“ 1961, genaues Datum unbekannt. 37 Ludwig Ehrler, Maler und ehemaliger Rektor der 51 Vgl. Stadtarchiv Halle, Familienarchiv Johann Friedhttp://de.wikiquote.org/wiki/Halle_an_der_Saale (1.1.2007). 52 Vgl. Felix Graf von Luckner, Aus siebzig Lebensjahren, Biberach 1955; Norbert von Frankenstein, „Seeteufel“ Felix Graf Luckner. Wahrheit und Legende, Hamburg 1997. 53 Vgl. Der Joodler, in: Liberaldemokratische Zeitung 75 Literatur, Quellen zur Stadtgeschichte vom 4. Februar 1976; Jedrällert un jefiffen, in: Mittel- Stadtarchiv Halle, Häuserarchiv 126 deutsche Neueste Nachrichten vom 8. Juni 1978. 54 Peter Wawerzinek, Es läßt sich keiner umerziehn, in: Stadtarchiv Halle, Familienarchiv: Karl Friedrich Bahrdt Tageszeitung vom 19. Juli 1990, S. 17. 949; Joseph von Eichendorff 1458; Dorothea Erxleben 55 Stadtarchiv, Sammelmappe IV/23. 2550; Georg Händel 3214; Friedrich Ludwig Jahn 2926; 56 Vgl. http://hoelle.free.fr/eitag.html Fritz Kloppe 11237; Friedrich Christian Lauckhardt 57 Vgl. Szenen aus Halle – Westdeutsche Seilschaft gibt 2045; Ph.F.Th. Meckel 1438; Thomas Müntzer 2927; die Richtung an, in: Frankfurter Rundschau vom 3. De- Gustav Rawald 2623; Johann Christian Reil 11075 I, II; zember 1990, S. 7; Die fünf Türme beherrschen Halles Wislicenus 42; Zither-Reinhold 2603. Markt – doch wer beherrscht Halle? In: Hallesches Tageblatt vom 5. November 1990, S. 3. 58 Steffen Reichert, Wie mit einem Deal in Halle die Mil- Stadtarchiv Halle, Sammelmappen I/6, I/10, I/20, I/21, IV/5, IV/22, IV/23, IV/25. lionen verschoben wurden, in: Mitteldeutsche Zeitung vom 8. Juni 1991, S. 18. 59 Stadtarchiv Halle, Mappe VI 11. Vgl. Michael Jürgs, Die Treuhändler, München 1998, bes. S. 356-363. Werner Freitag/Andreas Ranft (Hg.), Geschichte der 60 BStU, MfS, ZAIG, Nr. 14709, Bl. 118. Stadt Halle, Halle 2006. 61 Schultze-Galléra nimmt an, dass die Rolandsfi- Werner Freitag, Halle 806 bis 1806. Salz, Residenz und gur mehrfach dem Zeitgeschmack angepasst wur- Universität. Eine Einführung in die Stadtgeschichte, de. „Möglich, daß bei der Wiederaufrichtung des Halle 2006. Rolandbildes 1854 bedeutendere Aenderungen Volker Hermann, Die Entwicklung von Halle (Saale) im vorgenommen worden sind, denn die Repara- frühen und hohen Mittelalter, Halle 2001. turkosten beliefen sich auf 222 Taler; so mag die Hans-Joachim Mrusek, Halle/Saale, Leipzig 1960. Krone vom Haupte herabgemeißelt sein, vielleicht Heinrich L. Nickel (Hg.), Das Hallesche Heiltumbuch ist auch der Schild getilgt worden.“ Vgl. Siegmar von 1520, Halle 2001. Baron von Schultze-Galléra, Die Sagen der Stadt Martin Schellbach, Kampf und Sieg der Reformation Halle und des Saalkreises, Halle 1922, S. 32, zit. 53. in Halle, Halle 1941. 62 Max Schwab, Der geologische Untergrund der Stadt Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Die Sagen der Halle und die „Hallesche Marktplatzverwerfung“, in: Stadt Halle und des Saalkreises, Halle 1922. Werner Freitag/Andreas Ranft (Hg.), Geschichte der Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Die Stadt Halle, Stadt Halle, Halle 2006, Bd. 1, S. 78-90, zit. 84. Halle 1930. Siegmar Baron von Schultze-Galléra, Halle im Rokoko, Halle 1935. Holger Zaunstöck (Hg.), Halle zwischen 806 und 2006, Halle 2001. 76