Ein Reiseerlebnissebericht für alle Daheimgebliebenen

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Ein Reiseerlebnissebericht für alle Daheimgebliebenen
Ein Reiseerlebnissebericht
für alle Daheimgebliebenen
Es war einmal ein Freitag, der war noch mehr Nacht als Tag, als sich
ganz Schömberg und Umgebung im tiefsten Winterschlaf befand.
Ganz Schömberg? Nein! Ein kleiner Haufen unbeugsamer Musiker
leistete ihren noch unbeugsameren Weckern erfolglosen Widerstand.
Und stand einfach auf. Schlag 6 am Freitagfrüh war nämlich angedachter Abfahrtzeitpunkt gen Osten zum Mezinarodni Festival
Dechovych Hudeb Praha, dem Internationalen Blasmusikfestival
Prag. Dort findet alle Jahre wieder ein Stelldichein nahe Oberkrain
mit Blasorchestern aus ganz Europa statt.
Was lag also näher als ein paar 100 Kilometer, um mit einer blas- &
schlagkräftigen Truppe ebenfalls einmal mitzublasen & mitzuschlagen? Unser Dirigent, Werner Gerhäuser, kam zur Antwort: Dürrn.
Denn auch Dürrn bei Pforzheim hat einen Musikverein. Und einen
Dirigenten. Nämlich den selben. Und so kam es, dass sich mehr als 60
Personen, inklusive gut 50 gute Musiker, um zirka 16 Uhr per doppeltem Decker in Prag gesucht & (ein)gefunden hatten, getarnt als die
Badisch-schwäbische Spielgemeinschaft Schömberg-Dürrn.
Das *** Hotel Opatov war das erste Ziel unserer Reise. Und das zweite dessen Speisesaal. Abendessen vor der ersten Abendveranstaltung
war angesagt, darunter ein nicht sonderlich anmachender, da nicht angemachter Rohkostsalat. Und zum Nachspülen gab’s Aqua in allen erdenklichen Variationen, darunter Wasser mit Orangenaromapulver
gerührt, nicht geschüttelt. Nach dem Speiseplan hatte daraufhin
wieder der Reiseplan das Wort und wir fuhren dem ersten musikalischen Höhepunkt entgegen. Im Nationalhaus
Smichov, einer Konzerthalle inmitten der Stadt,
spielte uns und den anderen teilnehmenden
Blasorchestern zu Ehren nichts Geringeres als
das Burgwache- und Polizeiorchester der Tschechischen Republik auf. Erstaunt waren wir
Hobbymusiker, dass diese Profimusiker
ihren Flüssigkeitsverlust vor- und nachbeugend mit einem garantiert nicht alkoholfreien Getränk kompensierten.
Aber nicht umsonst gehört Plzen, so
die Original-Schreibweise, ja auch zu
Tschechien…
Kaum war der Freitag auch schon zu
Ende, begann sogleich der Samstag,
nämlich in aller Frühe ab 7 Uhr mit
Breakfast at Opatov. Denn nur wenige
Kaubewegungen später sollten wir uns
im 19. Stock zu einer Generalprobe
versammeln für das nachmittägliche
Wertungsspiel. Dabei kam so langsam, aber immer schneller, das große
Kribbeln in uns hoch. Und draußen,
noch während unserer Probe, der erste
und einzige Hauch eines Prager Winters
herunter. Warm dem, der nicht nur Schal und
Handschuhe, sondern möglichst auch eine lustig
aussehende Fellmütze seine Kopfbedeckung nennen
konnte. Demnächst sollen übrigens auch Vollzugsbedienstete mit
solchen Vollfellmützen ausgerüstet werden…
Und wieder drinnen, im Nationalhaus Smichov, waren wir dann ab
halb 11 – und bereit, aber nicht breit, unser Bestes zu geben. Um dreiviertel 3 war es schließlich soweit, der Spaß konnte beginnen. Beäugt,
belauscht und vor allem bewertet durch sechs Wertungsrichter, durften wir zeigen, was wir in uns gesteckt haben. 25 Minuten hatten wir
Zeit, um die Ernte monatelanger Probenarbeit einzufahren. Oder um
sie zu vernichten. Doch um es vorweg zu nehmen: Zu letzterem kam
es nicht.
Nachdem wir uns mit einem Einspielstück eingespielt hatten, folgte
das tschechische Pflichtstück Rodny Kraj und unser Selbstwahlstück
Schloß Tirol – und erst danach konnte unsere Pragtour so richtig
beginnen. Doch zuerst ging’s wieder zurück ins Hotel, um sich
den Kribbelschweiß von Leib & Seele zu waschen. Und um das
Mittagessen in Form des Abendessens nachzuholen.
Doch kaum gegessen, schon wieder im Bus gesessen. Der dritte offizielle Programmpunkt im Rahmen der musikalischen Gehörbildung
wollte abgearbeitet werden: Eine holländische Brassband und der
Vorjahresgesamtsieger des Wettbewerbs, ein tschechischer Verein,
ließen ihr Können erklingen. Während jedoch die holländischen
Bläser auf höchstem Niveau höchst anstrengende konzertante Blechblasmusikstücke vortrugen, brachte die tschechische Kapelle etwas
mehr Schwung in die Bude. Doch für manch einen oder gar mehrere
Musiker kamen die Tschechen zu spät: Sie hatten schon vor deren Auftritt den Saal in Richtung Prager Umwelt oder Unterwelt verlassen.
Doch auch dieser Musikgenuss fand irgendwann sein genüssliches
Ende. Und der Anfang des Prager Nachtlebens konnte beginnen.
Während es die einen oder auch nur der eine vorzog, in gewissen
Etablissements alle Hüllen anderer fallen zu lassen, die anderen den
direkten Weg per Bus ins Hotel nahmen, zog es die jetzt noch übrigen
in eine der wenigen unterirdischen Bierhallen, die nicht schon geschlossen hatten.
Und somit war der Samstag auch schon gelaufen, der Sonntag
folgte fast übergangslos. Und nach dem Frühstück die Freude auf
eine Prager „Stadtrundfahrt“. So stand es zumindest im offiziellen
Reiseprogramm. Leider wurde jedoch von der Klausel „Änderungen
sind jederzeit möglich“ Gebrauch gemacht. Anstatt „Fahrt“ hätte es
„Gang“ heißen müssen. Um kurz nach 10 Uhr wurden wir nämlich
mitsamt unserer Reiseleiterin an die erkältete Prager Luft gesetzt,
direkt vor dem Hatschi, Entschuldigung, Hradschin, der Prager Burg
mit seinem alles andere überragenden St. Veits - Dom. Daraufhin
ging’s nur noch abwärts, abwärts Richtung Prager City. Dorthin, wo
der Tod lauerte in Form eines abgemagerten Skeletts, welches zu jeder vollen Stunde ein Glockenspiel aufführt (wir haben es überlebt!).
Und dorthin, wo auf der berühmten Karlsbrücke noch unberühmte
Taschendiebe sich an uns(eren Taschen) die Zähne ausbissen. Und
dorthin, wo noch vor einem gut(?)en halben Jahr das Wasser
nicht mehr bis zum Hals, sondern weit darüber
hinaus stand. Und letztendlich dorthin, wo sich
ein beklagender Magen wieder etwas von innen
aufwärmen konnte. Mahlzeit!
Abends im Hotel wieder das allabendliche
Spielchen: zu Abend essen und sich schick machen für das abendliche Ausflugsprogramm.
Die Ameisen krabbelten wieder empor
und die Flugzeuge im Bauch machten
sich startklar. Der letzte Höhepunkt
stand uns bevor: die Bekanntgabe der
Ergebnisse des Wertungsspiels. Hinein
in unsere Uniform und hinaus zur
Entscheidung!
Der Verlauf dieser riesengroßen Party
ist schnell geschrieben. Zur Unterhaltung
spielte vor und nach der Bekanntgabe
der Ergebnisse eine Dixie-Band auf,
zwischendrin wir Musiker zusammen im
Massenchor und ein paar Minuten nach
22 Uhr schien die Massenparty endgültig
vorbei: Die Instrumentenkoffer wurden
huckegepackt, das letzte gemeinsame
Gruppenbild geschossen und zurück ins
Hotel gekehrt – dort fand der Feier-Abend
seine ungehemmte Fortsetzung. Denn wenn zwei
deutsche und ein holländischer Musikverein im
Opatov aufeinander treffen, dann kann auch Oma was
erleben: Das Foyer des Hotels wurde kurzerhand zur offiziellen
Vergnügungsstätte auserkoren – bis auch der letzte Tropfen aus der
letzten Flasche getropft und die letzte Strophe gesungen war. Wann?
Das weiß wohl niemand mehr so genau…
Kurz darauf, am Montag, blieb uns nichts mehr anderes übrig als
unsere Rückreise gen Baden- & Schwabenländle anzutreten. Kurz vor
20 Uhr konnte uns Schömberg und manch ein -er oder gar eine -erin
wieder in die Arme nehmen. Und kurz darauf hatte auch Dürrn seine
Dürrner wieder.
Fehlt wohl nur noch eines – unser Ergebnis, oder?
Wir danken unserem Dirigenten, Werner Gerhäuser, nicht nur für
dieses einmalige Erlebnis, sondern auch für das ebenso einmalige
Ergebnis. Denn für uns wurde eine Auszeichnung wahr, mit der wir
nicht gerechnet hatten und die uns deshalb äußerst zufrieden stimmte.
Es war zwar kein Goldenes Band, welches nur geglänzt, jedoch auch
kein Bronzenes Band, welches nur geschimmert hätte. Wir gewannen
nämlich das Silberne Band – und dies stellte für uns alles andere in
seinen Schatten!
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