Planet golf - Golfurlaube

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Planet golf - Golfurlaube
Planet
golf
Kanada
100|
Golfpunk · September 2008
Planet
golf
Kanada
Gibt es einen Ort auf dieser Welt, an dem die Golfplätze so reizvoll wie in
Schottland, der Sommer so angenehm wie am Bodensee und die Preise so
lachhaft niedrig wie in Bulgarien sind? Ja, diesen Ort gibt es, und auch wir
haben ihn gerade erst entdeckt.
Text und Fotos: Jan Langenbein
P.E.I.
Montreal
hefredakteur Götz klingt erwartungsvoll am Telefon: „Zück’ mal deinen Kalender! In zwei Wochen
fliegen wir für zwölf Tage nach Prince Edward Island. Was man so hört, müssen die Plätze da drüben
phantastisch sein.“
„Da drüben …“, geht es mir durch den Kopf, „wo das
wohl sein mag?“ Ohne Lust, diese geographische Bildungslücke offen zur Schau zu stellen, murmle ich etwas
wie: „Prince Edward Island? Cool, da wollte ich immer
schon mal hin“, und versuche gleichzeitig, den gerade
zum ersten Mal im Leben gehörten Namen irgendwo auf
dem Globus unterzubringen. „Klingt irgendwie nach Karibik …“, und in Gedanken packe ich schon mein Strandtuch und Badesachen ein. „Tu nicht so, als ob du
wüsstest, wo das liegt“, lacht es hämisch aus dem Hörer.
„Ich hatte auch keine Ahnung! Zur Info: PEI, wie die Einheimischen sagen, ist eine Insel an der kanadischen Ostküste.“ „Also doch keine Badehose, sondern Windbreaker
und Pullover“, denke ich mir. Ein Fehler, wie sich bald
herausstellen soll …
Zwei Wochen später sitzen zwei GolfPunk-Redakteure
an Bord einer Air Canada Boeing nach Montreal, von wo
aus es nur noch ein Katzensprung in einem kleinen Jet
nach Charlottetown, der Hauptstadt der Insel, ist. Keiner
von uns beiden war bisher in Kanada und unsere Erwartungen sind dementsprechend dilettantisch. Sehen die
Kanadier wirklich aus wie in South Park? Hatte Homer
Simpson recht, als er sich darauf freute, mit seiner Familie nach Kanada zu fahren: „Juhu, wir verlassen die USA,
um USA-Junior im Norden zu besuchen!“? Die Antworten
nach zwölf Tagen intensiver Recherche lauten wie folgt:
Nein und Ja.
South-Park-Kopfformen konnten wir keine finden und
zu unserer Enttäuschung auch keine Bären. Die Nähe zu
den USA (Boston liegt nur eine Tagesfahrt mit dem Auto
entfernt) ist jedoch allgegenwärtig. Die Pick-ups der Einheimischen lassen unseren japanischen Mietwagen lächerlich klein aussehen und global operierende FastfoodKetten finden sich an jeder Straßenecke. Der Kanadier
C
liebt ganz offensichtlich Sandwiches, denn die Dichte der
Subway-Filialen auf dieser Insel mit lediglich 140.000 Einwohnern ist höher als in einer deutschen Großstadt. Eigentlich wäre das nicht weiter erwähnenswert, auf PEI
gibt es jedoch das Lobstersub! Allein wegen dieses Snacks
lohnt sich ein Urlaub hier, denn für die Menge Hummerfleisch, mit der dieses Sub belegt ist, müsste man in
Deutschland schon 15 € auf den Tisch legen. SeafoodLiebhaber kommen hier also sogar in Fastfood-Schuppen
auf ihre Kosten, leicht vorstellbar also, was anständige
Restaurants wie das Dayboat in Oyster Bay Bridge oder
eines der unzähligen Lobster Suppers an der Küste zu bieten haben. Einfach fantastisch! Wir sind jedoch hier, um
Golf zu spielen, und unser Zeitplan sieht eine Runde pro
Tag für den gesamten Aufenthalt vor. Mögen die Spiele
beginnen!
STANHOPE
Für die erste Woche beziehen wir Quartier im Stanhope
Beach Resort, einem Strandhotel an der Grenze zum Nationalpark von PEI, von wo aus nahezu alle Golfplätze der
Insel in unter einer Stunde erreichbar sind. Zu jedem
Zimmer gehört eine eigene Terrasse mit Blick auf eine
Bucht und auch die Infobroschüren auf dem Nachttisch
lassen Spektakuläres erwarten. Eine zweistellige Zahl von
Golfplätzen auf dieser Insel soll das Prädikat „outstanding“ tragen.
Eagles Glenn, der erste Platz auf unserer langen Liste,
die es in den nächsten knapp zwei Wochen abzuspielen
gilt, empfängt uns schon vor der Einfahrt mit typisch kanadischer Gastfreundschaft. „Special Offer: 2 Greenfees
= 99 $“, versucht ein großes Schild Laufkundschaft von
der Straße anzulocken. Bevor wir den ersten Ball geschlagen haben, dämmert uns, dass es auf PEI um das PreisLeistungsverhältnis nicht schlecht bestellt ist. 99 kanadische Dollar entsprechen einem Gegenwert von etwa 63 €
und schon nach neun Löchern in Eagles Glenn sind wir
uns einig, dass wir nirgendwo in Europa einen Platz dieser Qualität finden könnten, der uns für lächerliche 30 €
Greenfee eine Runde drehen ließe. Optisch ist Eagles
Glenn exakt das, was wir uns unter einem Golfplatz in
Kanada vorgestellt hatten. Die Spielbahnen verlaufen
durch hügliges Gelände, manche davon durch dichten
Wald, andere über offene, völlig dem teilweise richtig
starken Wind ausgesetzte Anhöhen. Dass einer unserer
Mitspieler mit Linkshänderschlägern spielt, uns während
der Runde allerdings erzählt, außerhalb des Golfplatzes
wäre er Rechtshänder, gibt uns zu diesem Zeitpunkt noch
nicht zu denken.
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Planet
golf
Kanada
Zurück in Stanhope ärgere ich mich schon am zweiten
Abend, das Klima hier völlig falsch eingeschätzt zu haben. All die Windjacken und Pullover, die in meinem Koffer den leichten Sommerklamotten den Platz weggenommen haben, sind völlig fehl am Platze. Der Sommer hier
an der kanadischen Ostküste ist heiß, aber niemals unangenehm drückend. Wie es sich für eine Insel gehört, kann
man allerorts das Meer schmecken und ein allgegenwärtiger Wind lässt auch Temperaturen jenseits der 30° angenehm erscheinen. Nur wenige Minuten Fußmarsch hinter
unserem Hotel befindet sich Brackley Beach, einer der
schönsten Strände der Insel mitten im Prince Edward Island National Park. Eine etwa sieben Meter hohe Brücke
dient als Sprungbrett ins Meer und nach 18 Löchern unter
sengender Sonne habe ich in diesem Moment auf nichts
mehr Lust als auf diesen Sprung. Einen Augenblick überlege ich mir, auf die vergessenen Shorts zu pfeifen und
einfach ohne ins Meer zu springen, aber FKK war noch
nie mein Ding und im prüden Nordamerika kommt
Nacktbaden am helllichten Tag nicht gut an. Die Landschaft, das Meer und der Strand erinnern stark an Sylt
oder auch Long Island. Einziger Unterschied sind die Preise der Fischrestaurants in den Dünen, die einen darüber
nachdenken lassen, vielleicht auch zum Frühstück schon
einen Hummer zu verputzen.
„Alter der geht rein!“
All die Windjacken
und Pullover in
meinem Koffer sind
völlig fehl am Platze!
Am nächsten Morgen warten wir am ersten Abschlag
des Anderson Creek Golf Clubs auf unseren Mitspieler
und was da den Weg zum Tee entlangschlendert, sieht
aus wie der Prototyp eines kanadischen Eishockeyspielers: gedrungene Figur, breites Kreuz. Lediglich die Tatsache, dass Alex, wie er sich uns vorstellt, scheinbar noch
über alle Zähne verfügt, passt nicht so ganz in dieses
Bild. „Dieser Typ ist sicher verdammt lang“, orakelt Götz
und keine Minute später sollte sich diese Annahme eindrucksvoll bewahrheiten. Mit einem Geräusch, wie wir es
von einem Driver noch nie gehört haben, drischt Alex auf
seinen Ball, der augenblicklich in der Stratosphäre verschwindet. Dass dieser Ball wahrscheinlich 300 Meter
links, außerhalb des Golfplatzareals irgendwo auf einem
Kartoffelfeld landen wird, schmälert unser Staunen nur
geringfügig. „DAMMIT, ich bin noch ganz kalt“, flucht
Alex in einer sonderlichen Mischung des hier auf PEI gesprochenen Inselkauderwelschs mit eindeutig schottischen Einschlägen. „Aber wenn ich das heute noch in
den Griff bekomme, könnt ihr euch auf eine Show gefasst
machen. Ich habe schon mehr als die Hälfte der Par-4Bahnen mit dem Abschlag erreicht.“ Mir stockt der Atem
und ein Blick Richtung Götz zeigt mir, dass er sich in diesem Moment die gleiche Frage stellt: „Long Drive Champion oder Großmaul?“. Als auf der zweiten Bahn, einem 317
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So etwas nennt sich dann wohl Targetgolf
Planet
golf
Kanada
Course
you can
Brackley Beach und keine
Badehose in Sicht
Und morgen beim Superzoom…
Meter langen Par 4, Alex’ Drive 5 Meter rechts vom Grün,
aber – viel wichtiger – Pin-high landet, ist diese Frage geklärt: Wir sind offiziell beeindruckt.
Auch Alex spielt mit Linkshänderschlägern. Als er seine astronomisch hohen Scores – schließlich landet jeder
zweite Abschlag irgendwo außerhalb des Platzes – auf
seine Scorekarte kritzelt, fällt jedoch wieder einmal auf,
dass er mit rechts schreibt. In all den Jahren, die wir uns
nun mit diesem Sport beschäftigen, ist uns nur ein Golfer
zu Gesicht gekommen, der zwar Rechtshänder ist, aber
andersherum Golf spielt: Phil Mickelson. Und hier in Kanada haben wir schon nach drei Tagen zwei weitere Exemplare dieser raren Spezies ausgegraben? Die Erklärung
für dieses Phänomen ist eben so simpel wie einleuchtend.
„Hockey hat bei uns in etwa den Stellenwert, den bei euch
in Europa Fußball genießt“, erklärt Alex. „Vielleicht ist
Hockey hier sogar noch größer. Das ist unsere Religion
und jeder spielt es. Ob man den Schläger links- oder
rechtsherum hält, hat nichts damit zu tun, mit welcher
Hand man schreibt, und da viele Hockeyspieler Linksausleger sind, greifen die meisten dieser Jungs auch auf dem
Golfplatz zu Linkshänderschlägern.“
Glaubwürdigen Schätzungen führender Schlägerhersteller zufolge spielen etwa 40 Prozent aller kanadischen
Golfer mit Linkshänderequipment, was Kanada zum unangefochten größten Markt für Linkshänderschläger
weltweit macht. Auf das Design der Golfplätze hat diese
erstaunliche nationale Eigenart, wie Alex uns bestätigt,
allerdings keine Auswirkung. Obwohl die Mehrheit
deutlich knapper ausfällt, werden auch hier die Golfplätze für Rechtshänder geplant und gebaut.
In den darauffolgenden Tagen spielen wir uns kreuz
und quer über die Insel und überall, wo wir unsere
Tees in den Boden drücken dürfen, sind wir begeistert.
In Fox Meadow begleiten uns braune Füchse über die
Spielbahnen und schauen uns interessiert beim Putten
zu – ein fast vollwertiger Ersatz für die fehlenden Bären – und auch Glasgow Hills macht seinem Namen
alle Ehre. Dramatische Höhenunterschiede machen
diesen Platz zu einem wahren Abenteuer.
Das Highlight unserer ersten Woche auf PEI ist aber
ohne Zweifel The Links at Crowbush Cove. Gelegen an
der Nordküste der Insel wurde Crowbush im Eröffnungsjahr 1994 als „Best New Course“ in Kanada ausgezeichnet. Die 18 Bahnen sind eine gelungene Mischung aus von
Bäumen flankierten Löchern durch dichten Mischwald
und völlig dem Wind ausgesetzten Linksbahnen inmitten
beeindruckender Dünen. Höhepunkte bietet der Links in
Crowbush jede Menge, vor allem aber die Par-3-Löcher
bleiben in Erinnerung. Die Acht (171 Meter von den BackTees) wirkt wie eine gezähmte Version der 17 des weltberühmten Ocean Course auf Kiawah Island und auch die
17 in Crowbush vergisst man trotz ihrer eigentlich lachhaften Länge von gerade einmal 103 Metern nicht so
schnell. Auf der Driving Range warten zu Pyramiden aufgeschichtete nagelneue Rangebälle, das auf einer Anhöhe
gebaute Restaurant bietet einen sagenhaften Blick über
den Golfplatz und das Meer und das Cartgirl schaut un-
Detaillierte Informationen zu allen wichtigen
Golfplätzen auf Prince Edward Island finden Sie
unter www.golfpei.ca
Eagles Glenn
Par 72, 18 Loch, 6.100 Meter
Killerloch: Loch Nummer 8, 560 Meter langes
Par 5 mit leichtem bis sehr starkem Gegenwind. Ein Par fühlt sich hier wie ein Birdie an.
GolfPunk-Urteil: Abwechslungsreich mit vielen
Schräglagen, aber etwas zu weiche Grüns.
Dankbarer Platz für alle Spielstärken.
www.eaglesglenn.com
Andersons Creek Golf Course
Par 72, 18 Loch, 6.050 Meter
Killerloch: Nummer 15, es gilt ca. 200 Meter
Waste Area zu überqueren, bis endlich das Fairway ins Spiel kommt. Das Grün ist stark erhöht,
man kann die Fahnenposition nicht einsehen.
Mit 350 Metern nicht sehr lang, aber tricky.
GolfPunk-Urteil: Großartiges Design, das das
gesamte Schlagrepertoire fordert. Die besten
Grüns auf Prince Edward Island. Top-5-Platz.
www.andersonscreek.com
Fox Meadow
Par 72, 18 Loch, 6.140 Meter
Killerloch: Nummer 7, ein Par 3, dessen Grün
bergab auf einer Halbinsel liegt. Jan war einen Kinderdaumenbreit vom ersten Hole in one entfernt.
GolfPunk-Urteil: Empfehlenswerter ParklandKurs, der im Kontext der hochklassigen Plätze
minimal zurücksteht. Gehört bei einer ausgedehnten Golftour in jedem Fall unter die Top 10.
www.foxmeadow.pe.ca
Glasgow Hills
Par 72, 18 Loch, 6.240 Meter
Killerloch: Nummer 9, ein relativ kurzes Par 4
mit einem reinrassigen Inselgrün nach einem
Dogleg. Hier muss man den richtigen Anspielwinkel finden, sonst droht der Untergang.
GolfPunk-Urteil: Top-Pflegezustand, sehr abwechslungsreich mit massig altem Baumbestand,
Glasgow Hills gehört zur Oberklasse auf PEI.
www.glasgowhills.com
Green Gables
Par 72, 18 Loch, 6.300 Meter
Killerloch: Nummer 6, ein prächtiges Par 5 in
der Nähe der Küste mit einigen surrealen Bunkern rund ums Grün.
GolfPunk-Urteil: Das Kronjuwel unter den PEIPlätzen wurde erst am 1. August wiedereröffnet. Eine Mischung aus Parkland- und LinksPlatz mit rohem Zuschnitt und außergewöhnlicher Atmosphäre.
www.greengablesgolf.com
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Planet
golf
Kanada
Dundarave
Par 72, 18 Loch, 6.300 Meter
Killerloch: Nummer 12, ein tückisches Par 4
mit einem Wasserhindernis in der Drive-Landezone und fiesen Bunkern rund um ein gnadenlos onduliertes Grün. Ein Par ist hier ein Grund
zum Feiern.
GolfPunk-Urteil: Neben Crowbush und Green
Gables ein Must Play auf der Insel. Für derlei
Plätze zahlt man in den USA oder Europa locker 100-300 Euro Greenfee.
www.golflinkspei.com
The Links at Crowbush Cove
Par 72, 18 Loch, 6.200 Meter
Killerloch: Es gibt einige, hier die besten:
Nummer 5 (irres Par 5 mit Halbinselgrün),
Nummer 11 (surreale Aussicht von den Backtees) und 17, das vielleicht bizarrste Par 3 der
Insel. Sie sehen eine Fahnenspitze und eine
Hecke. Viel Erfolg.
GolfPunk-Urteil: Beinahe schon kitschig
schön und ein absolutes Muss!
www.golflinkspei.com
Mill River
Par 72, 18 Loch, 6.150 Meter
Killerloch: Nummer 7, 10 Wasserhindernisse,
die mit vier Brücken die beiden Fairway-Teile
verbinden. Drüber müssen Sie in jedem Fall,
denn das Grün liegt erhöht auf der linken Seite.
Äußerst skurril.
GolfPunk-Urteil: Licht und Schatten – zu viele
Löcher, die einfach nur durch Waldschneisen
führen, dafür ist der Rest reine Weltklasse.
Pflegezustand ist top.
www.golflinkspei.com
Wegweiser
ANREISE
Ab Deutschland mit Air Canada via Montreal
nach Charlottetown. Interessanterweise ist
New York von Prince Edward Island mit dem
Auto innerhalb von ca. 12 Stunden zu erreichen. Es gibt eine Brückenverbindung zum
Festland. Auf der Insel benötigen Sie einen
Mietwagen, auf ein Navi kann verzichtet werden.
ÜBERNACHTEN
Stanhope Beach Resort
Rustikales Beach Resort mit großartiger Atmosphäre. In der auf historisch getrimmten Lobby
stehen bspw. rund um die Uhr kostenlos Erfrischungen sowie frisch gebackene Cookies und
Kaffee für die Gäste bereit.
www.stanhopebeachresort.com
The Great George
Historisches Gebäude mit außergewöhnlichen
Zimmersuiten. Jedes Zimmer mit unterschiedlicher Interieur-Thematik und eigenem Whirlpool sowie kostenlosem WLAN, großem Flachbild-TV und Kamin.
www.thegreatgeorge.com
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Verdammt, hätte ich bloß nicht mein Haus auf ein Birdie hier gesetzt!
glaublicherweise alle vier Löcher vorbei und versorgt die
Spieler mit eiskaltem Gatorade. Kurzum – der Service ist
perfekt.
Gerade als wir denken, dieser Golftag könnte gar nicht
mehr besser werden, klingelt das Handy des Chefs und
Alex, unser „Ich drive jedes zweite Par 4“-Mann überschlägt sich fast: „Euer Magazin ist einsame Spitze und
übermorgen steigt die Eröffnung des Green Gables Golf
Course. Dieser Golfplatz wurde 1939 von Stanley Thompson designet und zählte immer schon zu den besten in
Kanada. Die letzten eineinhalb Jahre wurde er komplett
überarbeitet und ist nun besser denn je. Wir wollen GolfPunk bei der Eröffnung dabeihaben. Die gesamte Prominenz der Insel wird am Start sein. Was sagt ihr dazu?“
„Scheißt der Papst in den Wald? Natürlich sind wir da …“
Ob er das mit dem Papst verstanden hat?
CHARLOTTETOWN
Nach einer Woche im Stanhope Beach Resort verlegen wir
unseren Wohnsitz ins historische Zentrum von Charlottetown. Unser Domizil für die nächsten Tage ist ein liebenswertes, altehrwürdiges Boutique-Hotel namens The Great
George, dessen Zimmer allesamt mit unzähligen Antiquitäten individuell eingerichtet sind, im Gegensatz dazu
aber auch über einen riesigen Flatscreen, einen Kamin, in
dem auf Knopfdruck die Flammen züngeln, und einen
großen Jacuzzi verfügen. Ein fernbedienbarer Kamin und
ein Jacuzzi, das mag zwar ein wenig nach 70er–JahreBräuteabschleppschuppen klingen, entpuppt sich am
späten Abend nach 18 Löchern Golf jedoch als absolute
Wohltat.
Nach Tagen der völligen Ruhe und Entspannung in
Stanhope ist Charlottetown eine willkommene Abwechslung. Mit 32.000 Einwohnern ist diese Stadt mit Abstand
die größte Ansammlung von Menschen auf dieser Insel
und hat trotz ihrer überschaubaren Größe einiges zu bieten, um die freie Zeit zwischen den Golfrunden totzu-
Nett, vorher anzuzeigen
wohin der Drive gehen wird
Planet
golf
Kanada
Stanhope Resort: relaxing…
den ersten drei Rennen. Das Adrenalin fließt, der
Übermut nimmt zu und wir setzten alles auf einen
Gaul mit dem Namen „U Da Man Dude“, der natürlich
prompt als Letzter durchs Ziel geht, womit all unser
gewonnenes Geld futsch ist. Was will man auch erwarten bei solch einem bescheuerten Namen?
Die Platzeröffnung in Green Gables ist ein gesellschaftliches Ereignis. Der lokale Bautycoon, Financier
des gesamten Umbaus, hat die Ehre, den goldenen
Ball vom ersten Tee zu schlagen, und slicet diesen
formvollendet in den Wald. Alex, wie sich nun herausstellt Sohn des Slicers, hält eine flammende Rede
über die Geschichte des Golfplatzes und darüber,
welchen Stellenwert er in nach diesem Komplettfacelift wieder in der kanadischen Golfszene haben wird,
und lässt sich nicht davon abhalten, uns als Vertreter
der internationalen Presse vorzustellen, die extra angereist sind, um diesem Event beizuwohnen. Sofort sind wir
der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Reporter des
Guardian, der Tageszeitung auf PEI, wittert eine Sensationsstory für sein Lokalblatt. Ohne ein Interview lässt er
„U Da Man Dude“
geht natürlich als
Letzter durchs Ziel.
Die Plätze waren um Welten
besser als die Lagen
schlagen. Es gibt unzählige Kneipen, ein großes Theater,
eine Mall und eine Trabrennbahn, auf die uns unser Local Barry unbedingt mitnehmen will. Zunächst skeptisch
gegenüber dieser Abendplanung, die wir eigentlich eher
einer Rentnergruppe zugetraut hätten, verfliegen unsere
Vorurteile schnell, als wir merken, wie viele Dollars wie
für ein paar unserer Euros bekommen, und realisieren,
dass es nicht im finanziellen Ruin enden muss, ein Vielfaches dessen auf die im Kreis rennenden Pferde zu setzen, als es unsere Begleiter tun. „Schaut euch die Europäer an! Unsere Dollars müssen ihnen wie Spielgeld
vorkommen“, grinsen unsere Gastgeber und bleiben beim
Minimaleinsatz von zwei Dollar. Unter 20 Dollar fangen
wir erst gar nicht an zu wetten und gewinnen sogar bei
uns nicht aufs erste Tee und es ist eine spaßige Erfahrung, einmal selbst befragt zu werden, wo wir doch sonst
immer auf der anderen Seite stehen.
Als die Presse ihr Material hat, können wir endlich abschlagen und haben die Ehre, als Erste einen Platz zu
spielen, über den seit eineinhalb Jahren kein Golfer mehr
geschritten ist. Divots sucht man vergebens, die Bunker
sind gefüllt mit feinstem, weil nagelneuem Sand und die
Grüns wissen noch nicht, was Pitchmarken sind. An einigen Stellen lässt es sich zwar nicht übersehen, dass dieser
Platz noch ein wenig Zeit braucht, bis er in voller Blüte
stehen wird, aber spätestens zur nächsten Golfsaison
wird Green Gables in absolutem Topzustand sein und zu
Kanadas besten Golfplätzen zählen. Der Verlauf der Bahnen durch dichten Wald und entlang der Buchten bei Carvendish hat in den 69 Jahren seines Bestehens nichts an
Schönheit und Brillanz verloren und verbindet sich nun
mit hochmodernem Bunker- und Gründesign zu einem
Golfplatz der Extraklasse. Nach 18 atemberaubenden Löchern sind wir uns einig, den zukünftig besten Golfplatz
auf PEI gespielt zu haben, und machen uns über das Buffet her, das zur Feier des Tages im Clubhaus aufgebaut ist,
denn der Abend verspricht mehr flüssige als feste Nahungsmittel – eine Tour durch Charlottetowns bunte Szene kleiner Pubs steht an.
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Planet
golf
Kanada
Big in Canada
Technisch gesehen spielte
n wir
wenig später Platzrekor
d
The Links at Crowbush Cove: GolfPorn von der 1 bis zur 18!
Im historischen Distrikt finden sich viele Kneipen, die
hervorragende lokale Biere ausschenken. Das beste darunter: die Gahan Brewery, wo selbst gebrautes dunkles
Ale und Stout gezapft werden. Jeder, der durch die Eingangstür des Gahan Brew tritt, kann sich glücklich schätzen, dass die Heimwege in dieser Stadt niemals lang sind.
Das Frühstück am nächsten Morgen nehmen wir nach
diesem Abend ein wenig verlangsamt wahr, ein Blick in
kaum hat man die erste Spielbahn hinter sich gelassen,
taucht man für vier Stunden in eine Welt der Stille ein, in
der man unter Garantie keine anderen Golfer zu sehen bekommt, es sei denn, man spielt der vorher gestarteten
Gruppe in die Hacken. Leider gingen in der Nacht vor unserem Besuch in Dundarave monsunartige Regenfälle
über den Platz nieder und verwandelten jeden der 120
Bunker, die sonst mit dem für diese Insel typischen roten
Sand gefüllt sind, in rot gefärbte
Abseits der Trampelpfade des Schlammlöcher. Eine Niete aus dem
würde sich über eine Platzreinternationalen Golftouris- Bunker
gel in Dundarave freuen, die für gemus haben wir eine Destination nau diesen Fall für jeden Ball, der in
der Superlative entdeckt. einer dieser 120 Fallen landet, straffreie Erleichterung außerhalb des
Bunkers vorschreibt, aber wie wir geden Guardian macht uns jedoch schnell wieder munter.
merkt haben, macht Golf nur dann Spaß, wenn man BunDie „German Writers“ haben es, wir können es kaum
kerschläge auch wirklich spielen muss, und das ist heute
glauben, auf die Titelseite geschafft.
hier leider nicht der Fall. Nach hitzigen Diskussionen
Noch eine letzte Runde Golf steht aus; der Name des
kommen wir nach all den Runden zum Ergebnis, dass
Platzes war uns während unserer Zeit auf der Insel immer Dundarave sich die Krone für den besten Golfplatz auf
wieder begegnet: Dundarave Golf Course. Mit Jack NickPEI mit Crowbush und im nächsten Jahr auch mit Green
laus und Tom Watson haben schon Legenden des Spiels
Gables teilen muss, allerdings nur, wenn es zuvor nicht
diesem 1999 eröffneten Monster von einem Golfplatz die
allzu ausgiebig geregnet hat und die Bunker wirklich
Ehre erwiesen und wie schon die alten Herren vor uns
Bunker sind.
merken auch wir schnell, was die Stunde in Dundarave
Zwölf Tage auf einer Insel, deren Namen wir noch nie
geschlagen hat. Gelände stand beim Design dieser 18 Lögehört hatten, liegen hinter uns und beeindruckt von der
cher genügend zur Verfügung und so schlängeln sich die
Menge vorzüglicher Golfplätze hier, ganz im Südwesten
Spielbahnen in einer endlos erscheinenden Schleife den
Kanadas, steigen wir wieder in eine kleine Maschine, die
Brudenell River entlang. Dundarave ist lang und die Streuns dieses Mal nach Toronto bringen wird.. Wir werden
cken zwischen den Bahnen sind teilweise so weit, dass
vieles vermissen: das Lobstersub, das kanadische Spielauch eingefleischte Golfcart-Verweigerer hier über ein Gegeld und hausgebrautes Bier … Eines steht jedoch fest: Wir
fährt nachdenken sollten. Was Dundarave allerdings zwihaben eine neue Golfdestination der Superlative entdeckt,
schen Abschlägen und Grüns zu bieten hat, ist spektakudie momentan noch abseits der Trampelpfade des internalär. Jede Bahn liegt allein und völlig isoliert in einer fast
tionalen Golftourismus liegt und gerade deshalb ein
schon beklemmend abgeschiedenen Landschaft und
echtes Juwel ist. Diese Insel ist tatsächlich Golf Island.
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