Kommentar zu White et al. Acupuncture treatment for chronic knee

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Kommentar zu White et al. Acupuncture treatment for chronic knee
Kommentar zu
White et al.
Acupuncture treatment for chronic knee pain: a systematic review
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um ein systematisches Review incl.
Meta-Analyse zur Fragestellung, ob „Akupunktur bei chronischen
Kniegelenksschmerzen“ wirksam ist.
Das methodische Vorgehen bezüglich Literatursuche, Datenextraktion und
Datenanalyse in der Studie folgt anerkannten Qualitätskriterien für die Durchführung
systematischer Reviews und Metaanalysen.
Für den Einschluss von Originalstudien in das Review mussten folgende Kriterien
erfüllt sein: feststehende Diagnose Gonarthose oder Knieschmerzen > 3 Monate,
Körperakupunktur, Vorhandensein einer Kontrollgruppe, Erhebung von Schmerz
oder Beweglichkeit als Zielparameter. Als Kontrollgruppe waren sowohl
oberflächliche Akupunktur an Nicht-Akupunkturpunkten, TENS, Medikamente,
Warteliste etc. erlaubt. Allerdings definierten die Autoren eine Kontrollbehandlung nur
dann als „wahre Sham-Akupunktur“, wenn die Stimulation von Nerven im selben
Segment wie dem zu behandelnden Knie vermieden wurde.
Insgesamt wurden bei der Erstrecherche 157 Studien gefunden. Von diesen konnten
letztendlich 13 Studien mit insgesamt 2362 Patienten eingeschlossen werden. Von
diesen 13 konnten weitere 5 für eine Poolung der Ergebnisse aus folgenden
Gründen nicht berücksichtigt werden: bei einer Studie wurde die Akupunktur als nicht
„adäquat“ angesehen und in 4 Studien waren keine Ergebnisse für WOMACSubskalen Schmerz/Beweglichkeit als Zielparameter vorhanden. Sowohl die ARTStudie (Witt et al) als auch der Gerac-Studie (Scharf et al) gingen in diesen Reviw mit
ein.
Die Gesamtanalyse der Studien zeigte eine signifikante Überlegenheit von
Akupunktur im Vergleich zu Sham-Akupunktur hinsichtlich Schmerz und
Beweglichkeit. Diese Ergebnisse waren auch gegenüber Sensitivitätsanalysen, die
nur die methodisch hochwertigsten Studien (6 Studien mit Qualitätsscore > 50%)
einschlossen, robust.
Auch in der Langzeitbeobachtung (52 Wochen nach Studienbeginn) war die
Überlegenheit gegenüber der Sham-Akupunktur noch signifikant. Allerdings wurden
die Patienten nur in 3 Studien über solch einen langen Zeitraum nachbeobachtet.
Ebenso zeigte sich die Akupunktur auch einer „Nicht-Behandlung“ als signifikant
überlegen. Keine Aussagen aufgrund unzureichender Datenlage konnten die Autoren
zum Vergleich von Akupunktur gegenüber anderen Interventionen wie z.B.
Physiotherapie oder NSAR machen.
Einziger Kritikpunkt an der methodisch sehr guten Studie könnten die etwas
willkürlich gewählt scheinenden Kriterien für die Beurteilung einer “adäquaten
Akupunktur“ sein. Die Autoren definierten eine Akupunktur nur dann als „adäquat“,
wenn folgende Kriterien erfüllt waren: mind. 6 Behandlungen, mind. 1 Behandlung
pro Woche, mind. 4 Nadeln für mind. 20 Minuten pro Knie, Auslösen von DeQi durch
manuelle oder elektrische Stimulation. Andererseits hat anscheinend auch nur eine
Studie diese Kriterien nicht erfüllt und wurde aus diesem Grund nicht
eingeschlossen, was das Gesamtergebnis nicht sonderlich verändert haben dürfte.
Fazit:
Insgesamt unterstreicht diese Arbeit den Wert von Akupunktur als evidenzbasierte
Behandlungsoption bei Patienten mit chronischen Kniegelenksschmerzen. Die
Effektsstärke berechnen die Autoren zwar nur als moderat, aber damit immerhin
vergleichbar der errechneten Effektstärke von NSAR! (Bedenkt man die
Nebenwirkungen der NSAR, scheint hier die Akupunktur klar im Vorteil.) Die Autoren
fordern weitere Studien, um die Langzeiteffekte der Akupunktur zu bestätigen sowie
hierbei die Wirksamkeit von Akupunktur im Vergleich zu aktiven Kontrollen wie zum
Beispiel NSAR oder Physiotherapie zu untersuchen.
Diesbezüglich ist interessant, dass mittlerweile die Datenlage für Akupunktur in
einigen Bereichen, so auch bei chronischen Kniegelenksschmerzen, deutlich besser
ist als für konventionelle Therapien. So gibt es zum Beispiel keine ausreichenden
Daten zum Langzeitgebrauch von NSAR bei chronischen Kniegelenksschmerzen.
Methodisch betrachtet deutet sich in der vorliegenden Arbeit einmal mehr die
Wichtigkeit -aber auch die Schwierigkeit- von klaren Definitionen und Festlegungen
für die Beurteilung von Akupunkturstudien an. Was zählt als „wahre Akupunktur“?
Was zählt als „wahre Kontrolle“ ?
Dr. med. Stefanie Joos
Abteilung Allgemeinmedizin & Versorgungsforschung,
Universitätsklinikum Heidelberg
[email protected]