AUTOMOBILTECHNIK ZüNDKERZEN

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AUTOMOBILTECHNIK ZüNDKERZEN
automobiltechnik zündkerzen
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AUTO SERVICE PRAXIS 06/2011
www.autoservicepraxis.de
Neue Anschlusstechnik
Künftig mit Napf
Die nächste Generation der Zündkerzen von Bosch hat eine neue Kontaktierung: Napf statt SAE-Mutter.
Einige andere Weiterentwicklungen erfordern erhöhte Aufmerksamkeit in Werkstatt und Autohaus.
S
eit ihrer Patentanmeldung im Jahr
1902 erfuhr die Zündkerze zahlreiche und intensive Entwicklungsfortschritte, die ihr jedoch nur zum Teil
äußerlich anzusehen sind. Erkennbare
Änderungen betreffen vor allem Größe
und Form. Das Erstlingswerk von Bosch
mit verschraubtem Einbau und ebensolcher elektrischen Kontaktierung ist nur
noch bei den ganz alten „Schätzchen“ ein
Thema. Doch Kerzen mit Gewinde M18
sollten älteren und/oder Klassiker-affinen
Werkstattprofis noch in guter Erinnerung
sein. M14-Zündkerzen sind heute die am
weitesten verbreitete Größe, wobei bereits
ihre Ablösungen in Form von M12- und
M10-Kerzen existiert, Letztere mit Langgewinde und vorgezogener Funkenlage.
Im Zusammenhang mit der Auslegung
des Motors werden drei Funkenarten unterschieden: Luft-, Gleit- und Luft-GleitFunken. Den Luftfunken kennt man von
vielen Anwendungen, er springt von der
Mittel- zur Masseelektrode. Seine exakte
Position prädestiniert ihn auch für den
Einsatz bei Direkteinspritzern. Bei den
Gleitfunken-Konzepten gleitet der Funke
von der Mittelelektrode über die Keramik
und springt dann durch einen kleinen
▶ Je nach der Auslegung des Motors
unterscheidet man drei Funkenarten:
Luft-, Gleit- und Luft-Gleit-Funken
Luftspalt zur Masseelektrode, was mit
Vorteilen bei Zündsicherheit (niedrigere
Überschlagspannung, längere Brenndauer) und Freibrandverhalten verbunden ist.
Bei hoch aufgeladenen Motoren kann sich
der Funke auf Grund des höheren Zündspannungsbedarfs allerdings in die Keramik eingraben, so dass der Einsatz auf
nicht aufgeladene Motoren begrenzt ist.
Nochmals mehr Zündsicherheit bei ebenfalls gutem Freibrandverhalten verspricht
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der Luft-Gleit-Funke, den es allerdings so
gar nicht gibt; abhängig von den Brennraumbedingungen, entsteht entweder ein
Luft- oder ein Gleitfunke, was den Einsatz
derartiger Zündkerzen bei Direkteinspritzern ausschließt. Sein Vorteil ist die deutlich niedrigere Zündenergie.
Beginnend in den 1980er Jahren, wurden vermehrt Edel- und Seltenerdmetalle
als Mittel- und Masseelektrodenwerkstoffe
eingesetzt. Stichworte: Platin, Iridium und
Nickel-Yttrium. Als Basiselektrode wird
eine Nickel-Yttrium-Legierung eingesetzt,
auf die bei der Mittelelektrode ein Edelmetallstift per Laser aufgeschweißt wird.
Die Masseelektrode enthält ein lasergeschweißtes Inlay aus Platinlegierung. Die
Werkstoffe verlängern die Standfestigkeit
der Zündkerze, heute sind bis zu 100.000
Kilometer erreichbar.
Ausfallursachen damals und heute
Bei der Veränderung der Ausfallursachen
von Zündkerzen muss zunächst ebenfalls
die Situation in den 1980er Jahren betrachtet werden. Damals enthielt Benzin noch
Blei; auch Bleiablagerungen reduzierten
die Standfestigkeit. Heute sind nur Erosion und Korrosion Ursachen dafür.
Eine aktuelle Entwicklung, die auch auf
die Zündkerzentechnik Einfluss nimmt,
ist das Downsizing, die Reduzierung von
Hubraum und/oder Zylinderzahl in Verbindung mit Aufladung. Die verbindende
Größe ist der Verdichtungsenddruck im
Brennraum, der durch Downsizing wuchs
und künftig weiter wachsen wird. Höhere
Dichte der Füllung verlangt nach ebenfalls
höherer Zündspannung, was gesteigerte
Durchschlagfestigkeit des Keramikkörpers
(Isolators) nach sich zieht. Erich Breuser,
Gruppenleiter Entwicklung im Produktbereich Zündkerze der Robert Bosch GmbH,
fasst die damit verbundene Herausforderung so zusammen: „50 Kilovolt sicher zu
isolieren, ist nicht ohne Schwierigkeit.“
Die Lösung ist eine veränderte Zündkerzenbauform: Der Isolator wird ca. neun
Millimeter länger und somit deutlich
länger. Diese Anschlussart kann auch für
Zündkerzenkonzepte mit neun Millimeter Kopfdurchmesser eingesetzt werden.
▶ Kerzen mit neuer Kontaktierung:
Napf und Stift statt Messing- oder
Stahlmutter und Feder
Wenn die Isolatorlänge zunimmt, jedoch
insgesamt nicht mehr Bauraum zur Verfügung steht, muss ein anderes Teil der Kerze
kleiner werden. Dieses Teil ist die Kontaktierung. Will heißen: Nach vielen Jahrzehnten identischer Kontaktierung geht
man bei Bosch nun zu einer anderen Variante über. Statt Bolzen mit SAE-konformer Anschlussmutter aus Stahl oder
Messung, auf die der Federkontakt des
Kerzensteckers geschoben wird, kommt
ein Bolzen mit flachem Napf zum Einsatz
(vgl. Bilder auf Seite 10). In diesen Napf
greift der Kontaktstift des Kerzensteckers.
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§ 29
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automobiltechnik zündkerzen
Typformel
U...
F...
Schlüsselweite
16 mm
16 mm
Gewinde
10 mm
14 mm
Anzugsdrehmoment
15 Nm
28 Nm
Quelle: Bosch
Die Bauhöhe der Kontaktierung reduziert
sich damit auf rund die Hälfte. Die ersten
Zündkerzen mit neuartiger Kontaktierung
und Gewinde M12 und einer Gewindelänge von 26,5 Millimeter sollen bereits in
diesem Jahr „in einen Kleinwagen einer
deutschen Marke“ eingebaut werden. 2012
folgen Kerzen mit Gewinde M10, sagt
Erich Breuser von Bosch.
Eine andere Weiterentwicklung der
Zündkerzentechnik sind größere Kupferkerne in den Mittelelektroden, die einer
verbesserten Wärmeabfuhr dienen. Nahm
der Kern aus Kupfer bislang rund 24 Prozent des Mittelelektroden-Volumens ein,
sind es heute rund 55 Prozent.
Hingegen nicht durchgesetzt hat sich
die Ionenstromdiagnose als Möglichkeit
der Erkennung von Zündaussetzern, eingesetzt bei Mercedes-Benz und Saab, doch
inzwischen vom Markt verschwunden.
Dafür gibt es zwei Gründe: „Zum einen
war der Aufwand zur Applikation des
Systems recht hoch. Zum anderen verursachten Ablagerungen auf den Elektroden
Qualitätseinbußen des Signals. Diese sind
auf Ölaschen zurückzuführen. In manchen
▶ Ionenstromdiagnose: Zu teuer für
die Erkennung von Aussetzern, Qualitätseinbußen durch Ablagerungen
Ländern werden dem Kraftstoff heute auch
Additive, beispielsweise Ferrocen oder
MMT, zugesetzt, die die Situation weiter
verschlechtern“, erklärt Erich Breuser.
Welche Entwicklungsschritte folgen als
nächste? Bereits seit geraumer Zeit ist von
der Zündung von Ottomotoren per Mikrowelle, Hochfrequenz oder Laser die Rede.
Fest steht, so Bosch: Solche Systeme sind
allesamt noch nicht serienreif.
Die zahlreichen Weiterentwicklungen
nicht nur der Zündkerzentechnik haben
auch Auswirkungen auf Service und Repa-
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00 es ist auf der Verpackung notiert
00 die Zündkerzen haben massive
statt
gefaltete Dichtringe
Konkrete Einbausituation: Die Position
der Masseelektrode zum Injektor ist genau
definiert, es gibt eine verbotene Position.
Für den Zündkerzenwechsel bedeutet das,
die Angaben des Automobil- oder Kerzenherstellers exakt einzuhalten. Das sind:
00 Drehmomentschlüssel verwenden
00 vorgeschriebenes Moment einhalten
Bilder: Bosch, Fiat
Zwei Kerzen im TS
ratur. Fünf Beispiele für die somit erhöhten
Anforderungen an Werkstattprofis:
Benzindirekteinspritzungen gibt es als
luftgeführte, wandgeführte und strahlgeführte Systeme. Bei der strahlgeführten
Direkteinspritzung (Schichtbrennverfahren) ist die exakte Positionierung des
Zündfunkens und somit der Zündkerze
nötig. Für Motoren mit dieser Einspritzung vorgesehene Zündkerzen erkennt
man an diesen beiden Details:
Zündkerzen in Twin-Spark-Motoren: eine Schlüsselweite, zwei Drehmomente
Alfa Romeo-Typen mit Twin-Spark-Motor
Modell
Motorcode
Einbauzeitraum
Alfa Romeo 145
930 MY95
Oktober 1994 bis November 1996
Alfa Romeo 145
930 MY97
November 1996 bis Februar 1999
Alfa Romeo 145
930 MY99
Februar 1999 bis Dezember 2000
Alfa Romeo 146
930 MY95
Oktober 1995 bis November 1996
Alfa Romeo 146
930 MY97
November 1996 bis Februar 1999
Alfa Romeo 146
930 MY99
Februar 1999 bis Dezember 2000
Alfa Romeo 147
937
ab November 2000
Alfa Romeo 155
167 MY92
März 1995 bis April 1996
Alfa Romeo 155
167 MY96
Mai 1996 bis Oktober 1997
Alfa Romeo 156 Berlina
932
Oktober 1997 bis Oktober 2005
Alfa Romeo 156 Sport Wagen
932
Juni 2000 bis Dezember 2005
Alfa Romeo 166
936
ab Oktober 1998
Alfa Romeo GT
937
ab Oktober 2003
Alfa Romeo GTV
916
April 1995 bis Dezember 2005
Alfa Romeo Spider
916
April 1995 bis Februar 2006
kein Anspruch auf Vollständigkeit; Quelle: Bosch
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Hält man sich nicht an die genannten
Vorgaben, kann es zu schlechtem Startverhalten, Zündaussetzern, Motor- und
Katalysatorschäden kommen. Fahrzeuge
mit strahlgeführter Benzindirekteinspritzung sind in der Tabelle rechts aufgeführt.
Der Drehmomentschlüssel spielt auch
beim zweiten Beispiel eine wichtige Rolle.
Alfa Romeos Motoren mit Twin-SparkZylinderköpfen sind, wie der Name schon
sagt, zwei Zündkerzen pro Zylinder eigen.
Diese sind trotz gleicher Schlüsselweite
(16 Millimeter, vgl. Tabelle auf Seite 12
oben) nicht identisch. Aufgrund unterschiedlicher Gewindegrößen (M14 und
Strahlgeführte Benzindirekteinspritzung
Marke
Modell
Motorcode
Einbauzeitraum
BMW
550i (F10)
N63 B44A
ab 2010
Mercedes-Benz
▶ Alfa Romeos Twin-Spark-Motoren:
Kerzen mit gleicher Schlüsselweite,
aber verschiedenen Drehmomenten
M10) sind auch die Anzugsdrehmomente
nicht die gleichen, sondern betragen 28
(M14) und 15 Newtonmeter (M10). Die
Kerzen lassen sich neben den Gewindegrößen auch anhand der Typformeln (F
und U) unterscheiden. Mögliche Schäden
bei Nichtbeachtung der Regel: zerstörte
Zündspulen und Abdeckungen. Die Tabelle auf Seite 12 unten enthält Fahrzeuge von
Alfa Romeo mit dieser Besonderheit.
Wer gewohnt ist, den Widerstand von
Zündkerzen per Multimeter zu messen,
erlebt bei Zündkerzen mit eingesinterten
Mittelelektroden aus Platin eine Überraschung in Form eines sehr hohen Werts.
Das lässt sich mit den unterschiedlichen
Wärmeausdehnungskoeffizienten von
Keramik, Kontakt- und Platinstift erklären, was bei Raumtemperatur zu einem 20
Mikrometer großen Spalt zwischen Kontakt- und Platinstift führt; bei höheren
Temperaturen schließt sich dieser Spalt,
dessen Widerstand man irrtümlich misst.
Um den korrekten Widerstandswert bei
Raumtemperatur zu ermitteln, muss eine
Messspannung von rund 15 Kilovolt anliegen. Konventionelle Multimeter messen
mit Spannungen kleiner zehn Volt, weshalb
für diese Widerstandsmessung spezielle
Multimeter nötig sind. Hier die Widerstandswerte von Zündkerzen ohne die
genannte Besonderheit:
00 Beschriftung R0: 0 bis 0,2 Ohm
00 Beschriftung R1: 1 bis 2 Kiloohm
00 Beschriftung R3: 1 bis 5 Kiloohm
00 Beschriftung R6: 3 bis 9 Kiloohm
00 Beschriftung R10: 6 bis 14 Kiloohm
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550i Gran Turismo (F07)
N63 B44A
ab 2009
X5 xDrive 50i (E70)
N63 B44A
ab 2010
650i (F12)
N63 B44A
ab 2011
X6 xDrive 50i (E71)
N63 B44A
ab Mai 2008
X6 Active Hybrid (E72)
-
ab 2010
750i/Li (F01/F02)
N63 B44A
ab November 2008
Active Hybrid 7 (F04)
-
ab 2010
C 350 CGI (W204)
M272.982
ab September 2008
E 350 CGI (W211)
M272.985
Limousine: Dezember 2007 bis März 2009
T-Modell: ab Dezember 2007
E 350 CGI (W212)
M272.983
ab April 2009
CLS 350 CGI (C219)
M272.985
ab Juli 2006
hinzu kommen alle Modelle mit den neuen Motoren M276 (V6), M278 (V8) und M157 (V8 AMG)
kein Anspruch auf Vollständigkeit; Quelle: Bosch, eigene Recherche
Zündkerzen-Programm von Bosch*
Produktbezeichnungen
Besonderheiten/Empfehlungen
Super
wie Erstausrüstung, Elektroden ohne Edelmetall
Super plus
wie Erstausrüstung, hohe Marktabdeckung, alle Techniken und Materialien vertreten
Super 4 Premium Line
vier dünne Masseelektroden, Luftgleitfunkenkerze, Alternativangebot auch für ältere Fahrzeuge
Platinum
eingesinterte Platin-Mittelelektrode
Platinum Iridium
wie Erstausrüstung, Elektroden aus Edelmetall
Silber
Silber-Mittelelektrode, gute thermische Leitfähigkeit, geeignet für Motorsport
* für Werkstätten, Herstellerangaben
Kerzen mit Elektrodenabständen größer
als 1,1 Millimeter sind durch den erhöhten
Spannungsbedarf anfällig für Kopfüberschläge. Mit spezieller Isolationspaste lässt
sich diese Gefahr vollständig vermeiden.
Bei bräunlicher Verfärbung der Keramik
besteht die Gefahr der Falschinterpretation. Die Verfärbung entsteht durch so genannte Coronaentladungen und beeinträchtigt nicht die Funktion. Peter Diehl
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