bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche
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bremer kirchenzeitung Das e vangelische Magazin Apr il – Juni 2015 Bremen ist bunt! Stadtgespräch zum Islam Auferstehung Neustart ins Leben Kirchenasyl Herberge für Heimatlose Gesegnete Ostern Inhalt 8 16 4 Neustart ins Leben: Zwei Lebensgeschichten zu Ostern 12 Drahtseilakt Bekenntnis: Gemeinden in der NS-Zeit Bremer Bremen ist bunt: Einladung zum Ökumenischen Stadtgespräch „Muslime bei uns“ 6 Viele Gründe, warum 2015 das weltweite Jahr des Lichts ist 20 14 Klatschen und Juchzen: Die Geschichte von Kiras Konfirmation Ostern im Museum: Ausstellungen im Nordwesten locken mit faszinierender Kunst Herberge für Heimatlose: Kirchenasyl als Schutz und Schatz Impressum Die bremer kirchenzeitung ist eine Publikation der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie erscheint vier Mal im Jahr samstags als Beilage zum Weser-Kurier und den Bremer Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion dar. Ihr Themenvorschlag ist uns willkommen. Bitte senden Sie uns eine Mail an [email protected] oder schreiben Sie uns. Sie erreichen uns auch unter 0421 / 55 97-206 per Fax. Für unverlangt eingesandte Manuskripte können wir leider nicht haften. Herausgeber: Bremische Evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) Franziuseck 2-4, 28199 Bremen, Telefon 0421 / 55 97 - 0 Redaktion: Sabine Hatscher & Matthias Dembski Titelfoto: Matthias Dembski, Anzünden der Osterkerze. Grafische Realisation: Rank - Grafik-Design. Druck & Vertrieb: Bremer Tageszeitungen AG, 28199 Bremen. Anzeigen: Bremer Tageszeitungen AG, Hagen Röpke, Michael Sulenski (verantwortlich), Telefon 0421 / 68 689-220 oder [email protected] Die nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am 13. Juni 2015. Aktuelle Termine unter www.kirche-bremen.de „Für Würde helfen keine Almosen“ Wer fragt, was Satire darf, betreibt bereits Zensur im Kopf, sagt Christoph Sieber. „Wir leben in einem freien und aufgeklärten Land, deshalb kann die Frage nur lauten: Was muss Satire tun?“, meint der frisch gekürte Träger des Deutschen Kleinkunstpreises. Die Antwort des Kabarettisten nach den Anschlägen auf das französische Magazin Charlie Hebdo ist klar: „Satire muss alles dürfen, das müssen wir aushalten. Das gilt auch bezogen auf Religion.“ Andererseits müsse er als Kabarettist nicht alles sagen, auch wenn er es dürfe: „Ich muss nicht jeden beleidigen. Beim Thema Religion halte ich mich eher an das Bodenpersonal. Die Zeiten sind glücklicherweise vorbei, als Kirchenvertreter unantastbar waren. Ich habe lange Jugendarbeit in der katholischen Kirche gemacht, bin aber immer wieder angeeckt. Der Mensch weiß sehr gut, was gut und böse ist. Da komme ich den christlichen Werten ganz nahe. Ich glaube aber, dass der Mensch Werte wie Nächstenliebe auch ohne den religiösen Überbau leben kann.“ Christoph Sieber über Freiheit, billige Jeans und warme Suppe der Gesellschaft. Wer nicht zu den Leistungsträgern gehört und keine Rendite bringt, kriegt einen Teller warme Suppe.“ Die deutsche Gesellschaft sortiere bereits in der Schule aus, wen sie meint gebrauchen zu können und wen nicht. „Dabei ist Dummheit in allen Bevölkerungsschichten gleichermaßen verbreitet.“ Siebers aktuelles Programm, mit dem er im April auch in Bremen zu Gast ist, heißt „Alles ist nicht genug“. „Ich möchte die Frage stellen, was ein gutes Leben ist. Wir werden in jeder Lebensminute mit Konsummöglichkeiten zugeballert, die für irgendjemanden profitabel sind. Zum Glücklichsein brauche ich sie nicht. Ein gutes Leben braucht nicht viel, Besitz macht nicht glücklich. Alle wissen das, aber trotzdem rennen alle dem Konsum hinterher.“ Gespräch: Matthias Dembski Foto: Agentur Nullproblemo „Freiheit nicht aus Angst in ein Gefängnis verwandeln“ Sieber, der in Köln lebt, hält es mit dem rheinisch-katholischen Motto „Leben und leben lassen“. In einer weltanschaulich und religiös vielfältigen Gesellschaft müssten Menschen lernen, sich zu akzeptieren. „Solange wir uns auf gemeinsame Grundwerte einigen, kann ein friedliches Zusammenleben funktionieren.“ Wo die Freiheit angegriffen werde, dürfe der Staat keinesfalls mit Einschränkungen reagieren. „Schärfere Gesetze und Kontrollen sind kein Rezept gegen Hass. Wir haben nur eine Chance gegen die Zerstörungswut, wenn wir den Menschen vertrauen. Ich lebe lieber in einer offenen, lebenswerten Gesellschaft. Terroristen haben ihr Ziel erreicht, wenn wir unsere Freiheit selber aus Angst in ein Gefängnis verwandeln.“ „Bei Pegida und Co. lacht sich die Finanzelite ins Fäustchen“ Der Kapitalismus mache Menschen vielfach zu Fanatikern. „Der islamistische Terror ist nicht denkbar ohne die jahrzehntelange Destabilisierung verschiedener Länder.“ Diese vor allem amerikanische Politik ziele darauf, an billige Rohstoffe heranzukommen. Das führe zu Minderwertigkeitskomplexen der dort lebenden Menschen gegenüber der westlichen Welt. „Wer nichts zu verlieren und keine Halt mehr hat, schließt sich leichter fundamentalistischen und gewalttätigen Gruppierungen an.“ Abgrenzung aus Angst vor dem sozialen Absturz sei auch das Grundmuster der Pegida-Demonstanten: „Sie wissen, dass es kein soziales Netz und keine Solidarität mehr gibt. Wer beim ‚Schneller-Höher-Weiter-Mehr‘ nicht mitkommt, sucht nach Sündenböcken.“ Wer auf die Straße gehe, um seine Rechte einzufordern, hat grundsätzlich die Sympathie des Kabarettisten. „Aber es geht natürlich nicht, dabei nach unten, auf noch Schwächere zu treten. Bei Pegida & Co. lacht sich die Finanzelite doch ins Fäustchen: Prima, die Kleinen hauen sich gegenseitig die Köpfe ein! In Griechenland oder Spanien sind hunderttausende Kinder unterernährt. Aber der Staat rettet nur die Finanzjongleure, die Milliarden verzocken. Der Wohlfahrtsstart hat nur seine Richtung geändert – von den kleinen Leuten zu den Banken!“ Christoph Sieber „Einwanderung bereichert uns“ „Der Kapitalismus ist unsere neue Religion, wir glauben nur ans Wachstum. Dabei können wir unsern Lebensstil auf Kosten anderer so nicht weiterführen. Unser Konsum beutet andere Länder aus - innerhalb Europas und weltweit. Griechen und Spanier sind nicht fauler als wir. Uns geht‘s so gut, weil‘s denen so schlecht geht. Wo einer Gewinn macht, macht ein anderer Verlust.“ Wenn die Jeans in Bangladesch nicht mehr billig genug produziert werden könne, ziehe die Industrie weiter und schädige anderswo Menschen und Umwelt. „Die Menschen kommen auf keinen grünen Zweig und fliehen.“ Den Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ findet der Kabarettist deshalb zynisch: „Wer ums nackte Überleben kämpft, sucht natürlich Orte, wo er überleben kann. Dass Menschen fliehen müssen, ist auch eine Konsequenz unseres Lebensstils, der andere ausbeutet. Nachhaltig ist daran nur die Umweltzerstörung. Kein Mensch verlässt freiwillig und gerne seine Heimat, das ist ein Trauma.“ Wenn Flüchtlinge dann in Deutschland angefeindet werden, sei das doppelt schlimm. „Andererseits erlebe ich eine große Bereitschaft in der Bevölkerung, Flüchtlinge willkommen zu heißen und ihnen zu helfen.“ Auch wenn sich die Bundesregierung noch immer gegen den Begriff „Einwanderungsland“ wehre: „Wir brauchen Einwanderung und sie bereichert uns.“ „Zum Glücklichsein brauchen wir den Konsum nicht“ Die Würde des Menschen ist für Christoph Sieber ein Grundthema für sein Kabarett: „Die Schere zwischen Armen und Reichen geht weiter auseinander. Da helfen keine Almosen. Ich bin ein großer Kritiker der Tafeln, die Armut strukturell verfestigen. Der Staat entzieht sich seiner Verantwortung und das verstärkt die Entsolidarisierung Auftritt im Kulturbahnhof (KUBA) Bremen-Vegesack 11. April 2015, 20 Uhr www.christoph-sieber.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 3 Ökumenisches Stadtgespräch der Kirchen Ein Kampagnenmotto im Alltags-Test Gespräche: Matthias Dembski Zeichnungen: Elke R. Steiner Muslime bei uns Wieviel Islam gehört zu Deutschland? 21. April 2015, 19.30 Uhr Kirche Unser Lieben Frauen Es diskutieren Bundespräsident a.D. Christian Wulff „Der Islam gehört auch zu Deutschland“ Ilyas Hatscher Kirsten Vöge Katharina Batrakow Stellvertretende Leiterin Dietrich-Bonhoeffer-Kita Huchting: Beirat Huchting 60 Prozent unserer Kita-Kinder haben einen Migrations hintergrund, wir haben bei uns neun Nationalitäten unter einem Dach. Wir haben auch Kinder aus Syrien und Albanien bei uns, deren Familien geflüchtet sind, aber bereits in einer eigenen Wohnung leben. Zusätzlich haben wir Kinder aus der benachbarten Notunterkunft aufgenommen, die sonst keinen KitaPlatz bekommen hätten. Auch beim Flüchtlingscafé im Gemeindezentrum sind wir als Kita engagiert. Die Familien wünschen sich, dass ihre Kinder schnell einen Kita-Platz bekommen, damit sie Deutsch lernen und Kontakt zu anderen Kindern bekommen. Ein großes Problem ist das starre Aufnahmeverfahren. Wir müssen alle Plätze im März vergeben und haben dann für Flüchtlingskinder, die diese Fristen nicht einhalten konnten, später nichts mehr frei. Da treffen oft Welten aufeinander: Unser strukturiertes deutsches System und der Wunsch der Eltern, die meist aus einer ganz anderen Kultur kommen und sich einfach einen Kitaplatz in der Nähe wünschen. Bei sprachlichen Problemen unterstützen uns oft Eltern, die schon länger hier leben. Ich verstehe sehr gut, dass sich die Familien Normalität und einen schnellen Zugang zu Bildung wünschen. Die Stadt muss nachdenken, wie wir gemeinsam darauf reagieren können. Wir dürfen bislang keine Plätze freihalten, die Flüchtlingskinder bekommen könnten, die z.B. erst zum Sommer zuziehen. Doch es ist absehbar, dass wir genau dann Kita-Plätze brauchen werden. Grundsätzlich ist das bunte Bremen in unserer Kita eine Bereicherung. Dafür muss man sich für andere Menschen wirklich interessieren, offen und neugierig sein und ihnen respektvoll begegnen. Dann erfahre ich Neues und höre Geschichten, die meinen Blick auf die Welt erweitern. 4 Heike Kretschmann Managerin des TUS Huchting „Bremen ist bunt“ - das ist bei uns im Verein schlichtweg Alltag. Auch im Vorstand oder bei den Übungsleitern engagieren sich viele Menschen mit migrantischem Hintergrund. Viele Mitglieder sind Spätaussiedler, die sehr sportaffin sind. Gerade im Kinder- und Jugendbereich, zunehmend aber auch beim Gesundheitssport sind wir bunt. Integration durch Sport bietet einen leichten Zugang, denn beim Sport kann jeder mitmachen - unabhängig von Sprache und Herkunft. Sport erleichtert die Verständigung, zumal die Leute freiwillig kommen und deshalb aufgeschlossen sind. Über die Gemeinschaft lernt man sich besser kennen und auch außerhalb des Sports finden gemeinsame Aktionen statt. Menschen in Bewegung zu setzen, ist letztlich unser Auftrag. Aber Sportvereine erfüllen immer auch eine soziale Aufgabe. Einige unserer Mitglieder engagieren sich für Flüchtlinge im Stadtteil, auch wenn es anfangs bei einzelnen durchaus Skepsis gab. Als sie jedoch die Menschen und ihre Schicksale kennenlernten, schlug ihre Zurückhaltung in Sympathie um. Die Hilfsbereitschaft ist großartig. So übernehmen Senioren z.B. Behördengänge mit Flüchtlingen. Wir sind mit unserer Halle in der Luxemburger Straße direkte Nachbarn einer Notunterkunft und haben zu dem Übergangswohnheim Wardamm ebenfalls gute Kontakte. Natürlich haben wir die Kinder sofort mit einbezogen, wann immer in der Halle etwas los ist. Die Trainer berichten, wie schnell die Kinder Deutsch lernen und wie toll sie mitmachen. bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de Das bunte Bremen begegnet mir jeden Tag an der Uni oder auch zu Hause in Huchting, wo ich politisch aktiv bin. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, wo neue Flüchtlingswohnheime angesiedelt werden können und wie wir die Menschen bei uns willkommen heißen können. Wir haben die Welt in Grenzen geteilt, aber die Not durch Armut oder Kriege ist so groß, dass diese Grenzen keine Bedeutung mehr haben. Grundsätzlich erlebe ich eine große Offenheit für Flüchtlinge. Wenn ein Heim in der eigenen Nachbarschaft entstehen soll, treffe ich gelegentlich auch auf Vorbehalte. Spätestens beim zweiten oder dritten Wohnheim muss die Politik Überzeugungsarbeit leisten. In Huchting leben bereits viele Menschen mit Migrationshintergrund. Wer vor 30 Jahren hierher gekommen ist, kann es nicht unbedingt besser nachvollziehen, wie es den Flüchtlingen heute geht. Bei einer Weihnachtsfeier habe ich viele Flüchtlinge getroffen, die in ihrer Heimat Arzt oder Bankangestellte waren. Die Menschen bringen Qualifikationen und Potenziale mit, die wir gut gebrauchen könne. Außerdem lebt unsere Kultur davon, dass sie sich weiterentwickelt. Wer in Frieden und Freiheit mit uns zusammen leben möchte, bereichert unser Land. Wir dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen. Niemand verlässt seine Heimat gern und freiwillig. Die Menschen sind motiviert, hier gut zu leben. Meine Familie kommt aus Russland. Meine Großmutter war dort Kinderärztin und meine Eltern waren Kaufleute. Als wir nach Deutschland kamen, wurde ihnen ein Realschulabschluss anerkannt, mehr nicht. Dann geht man erstmal putzen, ehe man eine neue Ausbildung macht. Aus dieser Erfahrung ist mir wichtig, dass Deutschland Abschlüsse schnell und unbürokratisch anerkennt. Thomas Müller Integrationsbeauftragter der Polizei Bremen Die Polizei trifft auf Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, aus verschiedenen Religionen und Kulturen und mit unterschiedlichen politischen Ansichten. Vorurteile und Schubladendenken über Volksgruppen helfen uns bei unseren Einsätzen nicht weiter. Die Kollegen schauen genau hin: In welcher Situation treffen wir Menschen und wie erreichen wir sie am besten? Polizistinnen und Polizisten treffen hauptsächlich auf die Minderheit von Menschen, die mit Kriminalität zu tun haben. Deshalb müssen wir uns immer wieder klar machen: Bremen ist bunt und die Mehrheit der Menschen ist nicht kriminell. Auch Polizisten müssen sich bewusst sein, welchen Mechanismen sie unterliegen. Jeder Mensch hat Vorurteile, das müssen wir ehrlich sagen. Hautfarbe oder Aussehen dürfen bei Kontrollen keine Rolle spielen, wohl aber die Situation, der Ort und bestimmte Verhaltensweisen, die auf Kriminalität deuten können. Diese Sichtweise vermitteln wir in unseren Schulungen. Auch Polizistinnen und Polizisten müssen für ihre eigenen Vorurteile aufmerksam sein. Bremen ist bunt, deshalb müssen wir genau hinschauen, wen wir vor uns haben. Schüler am Technischen Bildungszentrum Khola Maryam Hübsch, Journalistin und Publizistin Ich treffe in der Schule oder beim Sport täglich auf Leute verschiedener Herkunft und Religion. Wenn ich in eine neue Mannschaft komme, werde ich nicht zuerst gefragt, welche Position ich spiele, sondern aus welchem Land ich komme. Bei Gruppenarbeiten in der Schule stecken mich die Lehrer immer mit anderen Schwarzköpfen zusammen. Die meisten sind wahrscheinlich Deutsche wie ich, sehen aber anders aus als der Durchschnittsdeutsche. Leute ordnen Menschen leider zuerst nach ihrem Aussehen ein. Weil ich dunkle Haare und Haut habe, kontrolliert mich die Polizei mindestens einmal wöchentlich, weil sie mich verdächtigt, dass ich Drogen dabei habe. „Die spirituelle Botschaft des Islam bereichert Deutschland – ablehnen müssen wir den politischen Missbrauch von Religion.“ In meiner Klasse sind neben „Deutschen“ auch Kurden, Araber und Pakistanis. Ein Mitschüler geht in eine salafistische Moschee und findet den Islamischen Staat toll. Davon will er auch andere überzeugen oder sie damit provizieren, dass seine Religion die beste sei. Viele sagen: Nerv‘ uns nicht damit, wir sind hier in der Schule und haben keine Lust, uns über das Abschlachten von Christen zu unterhalten. Warum geht er in eine Moschee, wo ihm so etwas eingetrichtert wird? Ich finde es schade, wenn durch solche Äußerungen die in ihrer großen Mehrheit friedlichen Muslime von vielen Menschen gleich in die gewalttätige Ecke gerückt werden. Wenn man in eine solche Richtung denkt wie dieser Mitschüler hat das nichts mit dem Glauben zu tun. Kein Glaube ist daran interessiert, anderen Menschen zu schaden. Ich wünsche mir von allen Religionen mehr Offenheit füreinander. An meinem evangelischen Glauben gefällt mir, dass er mir Freiheiten lässt. Mein Glaube lehrt mich, anderen offen und respektvoll zu begegnen. Wenn ich zum Rhamadan eingeladen werde, feiere ich mit. Ich verliere meinen Glauben dadurch nicht, aber ich gewinne Einblicke, die mich bereichern. Bei uns zu Hause ist jeder herzlich willkommen, ohne dass wir ihn bekehren wollen. Jede Religion muss erstmal in ihrem eigenen Garten aufräumen, damit wir irgendwann gemeinsam eine Grillparty feiern können. Prof. Dr. Christian Troll, Experte für christlichmuslimische Begegnung „Die Auslegungen des Koran und der Sunna sind in Deutschland willkommen, die mit den Werten und Idealen seiner Verfassung voll in Einklang stehen.“ Moderation: Guido Schulenberg, Radio Bremen Weitere Gäste Ismail Baser, Vorsitzender der Schura in Bremen und Prof. Mouhanad Khorchide Nordwestradio sendet das Stadtgespräch am 22. April ab 21.05 Uhr in der Sendung „Glauben und Wissen“ Dialog und Differenz Vom Glauben sprechen in einer multireligiösen Gesellschaft Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Prof. Dr. Klara Butting und Prof. Dr. Thomas Schirrmacher 16. April 2015, 19.00 Uhr Gemeindehaus St. Pauli, Große Krankenstraße 11 www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 5 Ostern ins Museum Emile Bernard in der Bremer Kunsthalle Landschaften in der Weserburg Weserburg | Museum für moderne Kunst Bernard in der Bremer Kunsthalle Der große Unbekannte Martin Luther und die Welt der Bilder. Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Er zählt zu den experimentierfreudigsten und zugleich eigensinnigsten Künstlern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Aber kaum jemand kennt Emile Bernard (1868-1941), der im Dialog mit seinem berühmten Zeitgenossen Paul Gauguin den Symbolismus in der Malerei begründete. Das will die Bremer Kunsthalle mit ihrer aktuellen Sonderausstellung ändern. Unter dem Titel „Emile Bernard - Am Puls der Moderne“ zeigt das Haus die bundesweit erste umfassende Werkschau, die auch das kaum bekannte Spätwerk des Malers einbezieht. Reger Briefwechsel mit van Gogh Mit Henri de Toulouse-Lautrec studierte Bernard in Paris. Paul Cézanne inspirierte ihn in Aix-en-Provence. Vincent van Gogh war sein Freund. Die Schriften und die Korrespondenz Bernards mit van Gogh, Gauguin und Cézanne zählen zu den kunstgeschichtlichen Hauptquellen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Bremer Kunsthalle präsentiert in Kooperation mit dem Pariser Musée d‘Orsay gut 120 Werke von Bernard, darunter Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Buchillustrationen und kunsthandwerkliche Arbeiten. Auch zahlreiche Motive mit biblischen oder religiösen Bezügen finden sich in Bernards Bremer Werkschau wieder. Anzeigen 6 bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de Inspiriert von der Bretagne Suche nach idealer Schönheit Daneben und zum Vergleich hängen ausgewählte Werke von Toulouse-Lautrec, van Gogh, Gauguin und Cézanne. „Bereits als ganz junger Künstler gehörte Bernard zur Pariser Avantgarde, zog mit ToulouseLautrec durch die anrüchigen Lokale am Montmartre“, erläutert Kuratorin Dorothee Hansen. „Dennoch ist sein Schaffen heute viel weniger bekannt als das seiner Mitstreiter, zeitlebens stand er in ihrem Schatten.“ Hansen sieht ihn als schillernde Künstlerfigur. Mit seinen farbintensiven und dekorativen Gemälden aus den späten 1880er Jahren setzte er zusammen mit Gauguin entscheidende Impulse für den Symbolismus, der sich mit Seelenzuständen, Ängsten und Träumen beschäftigte. Die Menschen in der Bretagne, ihre Urtümlichkeit und Religiosität, aber auch die raue Natur inspirierten ihn zu seinen wichtigsten Werken. „Auf der Suche nach einer unberührten Welt ging Bernard für zehn Jahre nach Kairo und entdeckte neue Motive wie träumerische Haremsfrauen, die auf dekorativen Sofas lagern“, beschreibt Hansen. Um die Jahrhundertwende regten ihn dann Reisen nach Spanien und nach Venedig dazu an, sich mit den alten Meistern und der italienischen Renaissancemalerei zu beschäftigen, also wieder klassischer zu arbeiten. Großformatige Aktdarstellungen zeugen von seiner Suche nach idealer Schönheit. Mit der „blauen Kaffeekanne“ von 1888 besitzt die Kunsthalle ein frühes Hauptwerk des innovativen Künstlers. In ihrem Eigentum ist außerdem ein besonderer Schatz aus seinem Werk: ein Klebealbum mit mehr als 850 seiner frühen Zeichnungen, die der Künstler selbst gesammelt hat. Eine Fülle von Skizzen in unterschiedlichsten Techniken und Stilrichtungen, die zugleich von seinem persönlichen Umfeld erzählen: vom Hündchen der Familie, über seine Mutter am Klavier bis hin zu den Tänzerinnen in Paris. Vielfalt und kreative Freiheit“, schwärmt KunsthallenDirektor Grunenberg. Kuratorin Hansen ist überzeugt, Bernards Leben spiegelt einen rasanten Ritt durch die Kunstgeschichte: „Und zugleich ein Leben voller Brüche und Visionen, aus dem ein berührendes und faszinierendes Werk entstanden ist.“ Text: Dieter Sell Fotos: Bremer Kunsthalle/ Weserburg/ Landesmuseum Oldenburg/ Museen Stade Das (verlorene) Paradies Expressionistische Visionen zwischen Tradition und Moderne Kunsthaus Stade Stilistische Vielfalt und kreative Freiheit Infos zu den Ausstellungen und den Öffnungszeiten an den Feiertagen unter In der experimentellen Skizzensammlung finden sich auch ein Porträt seines Freundes van Gogh sowie Zeichnungen von Bernards Wanderung durch die Bretagne, die er im Alter von 18 Jahren unternahm. Sie dokumentieren seine Suche nach einem eigenen künstlerischen Weg. „Bernard praktizierte stilistische www.bernard-bremen.de www.weserburg.de www.landesmuseum-ol.de www.museen-stade.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 7 „Ich habe gelernt, aufzutanken“ „Ich bin zurück im Leben“ Abderahim Madani An den Tag, an dem er von Ladendieben brutal nieder geschlagen wurde, kann sich Abderahim Madani selber nicht mehr erinnern. Kollegen haben ihm berichtet, was passiert ist. Denn der heute 47-jährige gebürtige Algerier lag nach dem Angriff mit schweren Kopfverletzungen vier Wochen lang im Koma. „Ich habe als Kaufhausdetektiv für eine große Handelskette gearbeitet. Eines Tages kamen mehrere Männer in die Filiale. Ich saß an der Kameraüberwachungsanlage und bemerkte gleich, dass sie sich verdächtig benahmen. In der Kassenzone habe ich auf sie gewartet. Zwei der Männer habe ich angesprochen und sie gebeten, mir ins Büro zu folgen. Ein dritter kam auf dem Weg ins Büro irgendwo hinter mir heraus.“ „Die ußtritte habe ich nicht mehr mitbekommen“ Ein Schlag auf den Kopf von hinten, Madani geht zu Boden. Sein Kopf schlägt mit voller Wucht auf den Steinboden auf. Die Täter treten den Schwerverletzten immer wieder gegen den Kopf. „Die Fußtritte habe ich nicht mehr mitbekommen, das war ich schon ‚raus‘!“ Am ganzen Körper zitternd liegt Madani am Boden, weißer Schaum tritt aus seinem Mund. Als Kollegen zur Hilfe eilen, täuscht einer der Täter vor, eine Waffe zu haben. Die Kollegen weichen aus Angst zurück, die Täter fliehen mit einem draußen geparkten Auto. Der schwerverletzte Madani kommt sofort ins Krankenhaus. „Als mir die Kollegen hinterher erzählt haben, wie sich das Ganze abgespielt hat, habe ich geheult.“ Vier Wochen im oma Erst vier Wochen später erwachte Madani aus dem Koma. „Ich wollte zum Klo gehen und bin sofort gefallen, denn 8 ich konnte nicht mehr gehen. Meine Schädeldecke war seit einer Operation seitlich an einer Stelle geöffnet. Ein Teil meines Gehirns war unwiederbringlich geschädigt und wurde entfernt.“ Nicht nur die Erinnerung war ausgelöscht, Madani konnte nicht mehr sprechen. „Vier Wochen im Koma das ist, als wenn du schon fast tot bist. Die Ärzte waren sich unsicher, ob ich jemals wieder aufwachen würde.“ Zur weiteren Behandlung kommt Madani ins Neurologische Rehazentrum Friedehorst. „Da war ich hervorragend aufgehoben. Ich brauchte für alles Unterstützung, weil ich nichts mehr konnte. Ich war schwer behindert und sah aus wie ein Zombie. Beim ersten Blick in den Spiegel erschrak ich, denn mein Schädel war nur mit Haut verschlossen, das herausgeschnittene Teil der Schädeldecke lag noch im Krankenhaus-Kühlschrank.“ Es folgt ein Reha-Marathon: Ergo-, Sprach- und Physiotherapie, Schwimmen und psychologische Betreuung, um das traumatische Geschehen zu verabeiten. „Ich hatte von morgens bis zum späten Nachmittag Therapien, die mich langsam wieder auf die Beine gebracht haben. Wie ein neugeborenes Baby habe ich alles von Null auf wieder gelernt: Waschen, Anziehen, zum Klo gehen, Essen, ins Bett gehen. Vor allem das Sprechen und Verstehen-lernen hat mich viel Kraft gekostet. Mit Spielen für Kindergartenkinder habe ich am Computer Aufgaben gelöst, um mein Gehirn wieder anzulernen. Bis heute kann ich nicht lesen oder rechnen. Mit Zahlen kann ich gar nichts anfangen, obwohl ich in Algerien Wirtschaftsmathematik studiert habe. Ich habe eine Betreuerin, die mir z.B. Briefe vorliest. „Die rzte haben mich zurück ins Leben geholt“ Jeder Fortschritt im Alltag hat mit während der Reha Spaß gemacht, denn ich habe gemerkt, dass ich schrittweise ins Leben zurückkehre. „Die Ärzte im Krankenhaus haben mich zurück ins Leben geholt, aber Friedehorst hat mir das Leben auch gerettet, weil ich hier in den Alltag zurückkehren konnte.“ Madani bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de war schnell klar: „Hier möchte ich bleiben. In den Beruf zurück kann ich nicht. In meiner Wohnung in Friedehorst fühle ich mich wohl, denn hier ist es ruhig und grün. Bei lauter Musik, Verkehrslärm oder lautem Reden bekomme ich schnell Kopfschmerzen. Oft wache ich morgens schon mit Kopfschmerzen auf. Das sind Spätfolgen des Überfalls, die bleiben werden. Die Polizei hat die Täter gefasst. Der bereits mehrfach vorbestrafte Haupttäter ist zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden, aber noch immer auf freiem Fuß. Über die Revision wird im Mai entschieden, fast drei Jahre nach der Tat. Mir ist nur wichtig, dass der Täter seine Haftstrafe antritt, damit er Zeit hat nachzudenken.“ Frieden und espekt vor dem Leben Anderer Bis heute leidet Madani an einer posttraumatischen Belastungsstörung. „Ich fühle mich draußen oft verfolgt, manchmal muss ich die Straßenseite wechseln, vor allem wenn ich Gruppen mit jungen Männern sehe. Dann kommt die Angst wieder hoch, mein Herz pocht und die Beine werden weich, ich kann nicht rennen, obwohl ich Panik habe.“ Seit einem Jahr hilft Madani einmal wöchentlich auf einer Friedehorster Pflegestation Senioren beim Frühstück. „Brote schneiden und belegen, Essen anreichen. Ich weiß ja, wie es ist, wenn man seine Hände nicht bewegen kann.“ Die Arbeit macht ihm große Freude. „Ich war auch schon mehrfach in Schulen und habe meine Geschichte erzählt. Die Begegnungen mit den alten Menschen und Schülern machen mir Mut. Ich bin wieder ein Teil dieser Welt und möchte weiterleben, denn das Leben ist schön. Ich war fast tot und bin jetzt zurück im Leben. Ich bin Moslem, aber ich kenne die Geschichte von Jesus, der auch aus dem Tod ins Leben zurückgekehrt ist. Christen und Muslime haben nur unterschiedliche Wege zu einem Gott. Angesichts der Gewalt, die ich erlebt habe, denke ich täglich darüber nach, warum es soviel Hass in der Welt gibt. Unser Glaube fordert uns doch zu Frieden und Respekt vor dem Leben Anderer auf!“ Gude Dose „Ich wollte von der frei sein“ Lange Zeit schob Gude Dose die Signale beiseite. Sie wünschte sich einen Neuanfang, etwas musste sich in ihrem Leben verändern, dieses Gefühl hatte sie schon lange. Äußerlich stimmte alles: Die heute 51-Jährige hatte eine gut etablierte Praxis für Stimm- und Sprachtherapie mit acht Mitarbeiterinnen, war beruflich erfolgreich und bei ihren Patientinnen und Patienten anerkannt. „Ich habe vor allem mit eingeschränkten Kindern und Jugendlichen im Bereich Bewegung und Sprachegearbeitet – beides hängt ja eng zusammen.“ Doch die therapeutische Arbeit und die Verantwortung für den großen Praxisbetrieb zehrten an ihr. „Nach 13 Jahren war ich ausgebrannt, was ich erst im Nachhinein verstanden habe. Ich war total erschöpft und wollte raus aus diesem Arbeitsfeld. Ich habe zwei Kinder bekommen, hatte eine Trennung zu verarbeiten, viele persönliche Schicksalsschläge. Doch ich habe immer weitergearbeitet, mir nie Zeit für eigene Bedürfnisse genommen. Ich bin nur noch wie durch einen Tunnel in die Praxis gefahren und war nach der Arbeit für meine Kinder da. Sogar die Mittagspause habe ich noch mit einer Therapie gefüllt.“ „Mittendrin und auf der uche“ Gude Dose besucht ein Berufsorientierungsseminar, kommt dann in den Kurs „Mittendrin und auf der Suche“ bei „Frau und Arbeit“. Dort bietet die Bremische Evangelische Bildung, Biographiearbeit und Beratung für Frauen an, die nach einer neuen beruflichen Zukunft oder einem Wiedereinstieg suchen. „In dem Seminar tauchte das erste Mal seit langem wieder die Frage auf: Was willst du eigentlich, wo liegen deine Fähigkeiten?“ Schon nach der Geburt ihrer ersten Tochter überlegte Gude Dose, wie sie sich ein anderes Standbein aufbauen könnte. „Das ging aber nicht neben meinen Rollen als Mutter und Praxisinhaberin.“ elastung Sie entschloss sich zu einem Schnitt. „Ich musste die Baustelle ‚Praxis‘ für mich beenden. Aus geordneten Verhältnissen habe ich einen ziemlichen Wechsel vollzogen.“ Der bedeutete auch wirtschaftliche Unsicherheit. Wohin ihre berufliche Reise künftig gehen sollte, war ihr zunächst unklar. „Aber ich wollte mich von der Belastung frei machen, weil mir die Arbeit keine Freude mehr machte. Früher bin ich öfter ins Ausland gegangen und habe auch alles hinter mir gelassen, um den Kopf frei zu kriegen. Mit der Verantwortung für Kinder geht das natürlich nicht.“ Eine neue, kleinere raxis Die Suche nach einem Neuanfang war schwieriger, als gedacht. „Ich hatte die Vorstellung, innerhalb eines Jahres ein neues berufliches Profil zu entwickeln. Ich wollte eigentlich aus dem Therapie- und Beratungsbereich raus, hatte Lust zu gärtnern oder etwas ganz anderes zu machen.“ Zwischendurch jobbt sie auf Honorarbasis als Integrationspädagogin, übernahm einzelne Sprachtherapien in der Praxis einer Kollegin und bot Seminare zu ‚Gesundheit und Stressbewältigung‘ an. Dann der entscheidende Anstoß: „Eine Freundin hat mich darauf gebracht, eine Fortbildung zur Traumatherapeutin (SE) zu beginnen. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr therapeutisch arbeiten.“ Gude Dose entschied, Traumatherapie mit Sprach- und Stimmtherapie zu verbinden. Sie eröffnete eine neue, im Vergleich zu früher kleinere Praxis für Trauma- und Sprachtherapie und beantragte 2013 wieder die Kassenzulassung als Sprachtherapeutin. wiedergefunden, stelle mich nicht mehr selber in Frage, wie früher. Dazu haben mir auch die Frauen bei „Mittendrin und auf der Suche“ geholfen.“ Sie kenne ihre eigenen Grenzen heute besser. „Ich grenze bewusster meine Rolle ein. Früher bin ich in Therapien oft über meine Grenzen hinausgegangen.“ Der Neuanfang habe ihr gut getan, meint Gude Dose. „Ich kann endlich so arbeiten, wie ich arbeiten möchte. Für mich war die Einsicht heilsam, dass ich die Welt nicht rette, sondern anderen Menschen nur Anstöße gebe, ihre Situation zu verändern. Jeder Mensch hat einen Container, in dem er Kraftressourcen sammelt.“ Mit 51 Jahren hat sie neue Pläne. „Ich würde gern in Krisengebieten traumatisierte Menschen unterstützen. Wenn meine Kinder mich nicht mehr so intensiv brauchen, würde ich gern über Hilfsorganisationen für Kurzzeiteinsätze in Katastrophengebiete gehen.“ Sie habe gelernt, auch selber aufzutanken. „Beim Joggen, beim Singen oder beim Ausdruckstanz finde ich neue Kraft. Ich muss aber immer wieder daran arbeiten, mir dafür neben Beruf und Familie genug Zeit zu nehmen.“ Text & Fotos: Matthias Dembski Frau & Arbeit Bildung und Beratung für Frauen mit und ohne Erwerbsarbeit „ ch kann heute arbeiten, wie ich möchte“ Renate Krieger und Kornelia Lerche Telefon 0421/ 346 15 24 [email protected] Gude Dose arbeitet heute anders als früher. „Nach einem längeren Weg habe ich meine Kompetenzen www.frauundarbeit.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 9 Die Welt ist mir ein Lachen mit ihrem großen Zorn, sie zürnt und kann nichts machen, all Arbeit ist verlorn. Die Trübsal trübt mir nicht mein Herz und Angesicht, das Unglück ist mein Glück, die Nacht mein Sonnenblick. Zeichnung: Elke R. Steiner Zu Ostern gibt es Humor von der Kanzel Bitte lachen! Kennen Sie den? Ruft die Ehefrau von unterwegs ihren Mann an und sagt zu ihm: „Du, wir haben im Lotto gewonnen, pack schon mal die Koffer!“ Antwortet der Mann: „Oh, das ist ja herrlich, was soll ich denn einpacken, Wandersachen für die Alpen oder meine Badehose für das Meer? Antwortet seine Frau: „Ist mir total egal! Hauptsache du bist weg, wenn ich nach Hause komme!“ Wie befreiend kann es sein, über einen Witz herzlich zu lachen? Es ist, als ob ein Panzer von von uns abfällt, wenn Traurigkeit uns gefangen gehalten hat. Zu Ostern darf gelacht werden. Es ist ein alter Brauch: Zur Osterfreude gehörte früher ganz selbstverständlich das Osterlachen, auch im Gottesdienst. Nun bricht man ja nicht auf Kommando in schallendes Gelächter aus. Also halfen die Pastoren ein bisschen nach. Man erzählte Witze oder sonderbare Geschichten von der Kanzel. Lachen befreit – und wir feiern zu Ostern schließlich das Fest des Lebens und der Befreiung. Wer möchte nicht, dass die Belastungen von ihm abfallen und er frei wird? Die zerstörerischen, tödlichen Mächte dürfen wir einfach auslachen „Ihr habt keine Macht mehr über uns. Ihr könnt uns nicht klein machen. Ihr könnt uns keine Angst mehr einflößen. Gott ist stärker. Das Leben siegt über den Tod.“ „Die Welt ist mir ein Lachen“, heißt es in einem Osterlied. Zu dieser Freude gehört: Dass wir uns nicht so ganz ernst nehmen. Dass wir nicht immer meinen, es läge alles an uns, wenn etwas schief geht. Nein: Es gehört zum Glauben an unseren Gott, dass man über sich selber auch einmal lachen darf, dass man Fehler einstecken und Fehlentscheidungen ertragen kann. Wir 10 müssen nicht die Welt retten. Seit Ostern ist sie längst gerettet. Ostern heißt, dass wir nicht endlos weiter kämpfen, hetzen, rennen, schuften, weitermachen müssen. Ostern heißt: neuer Mensch und neue Welt. Jesus hat unseren Lebensgeschichten eine Richtung gegeben. Sie drehen sich nicht im Kreis, sie haben einen Anfang und ein Ziel. Letztlich ist Ostern eine Spurensuche. Wir können Ostern dem Mut, der Hoffnung und dem Neuanfang auf die Spur kommen. Es sind meistens nicht die starken, unversehrten Menschen, die uns nahe bringen, was Auferstehung bedeutet. Es sind vielmehr jene, die in ihrem Leben Umwege gehen mussten, deren Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzt sind, deren Körper und Seelen Narben aufweisen. Wenn sichtbar wird, wieviel Mut und Hoffnung diese Menschen ihren Belastungen entgegen setzen, dann fällt es leichter, das neue Leben zu wagen. Der Glaube an die Auferstehung und einen Neuanfang kann uns in Krankheit und Schmerz, in Schuld und Trauer trösten und stärken. Er hilft uns, Ungerechtigkeit und Hass zu überwinden und die Lebensfreude neu zu entdecken. Die Karwoche, die mit dem Palmsonntag beginnt, spiegelt alle diese Gefühle: Jubel beim Einzug Jesu in Jerusalem, die stärkende Gemeinschaft beim letzten Abendmahl am Gründonnerstag, Schuld und Verrat, Angst und Verzweiflung bei Jesu Hinrichtung am Karfreitag. Doch das ist nicht das Ende: Mit der Auferstehung zu Ostern schöpfen die Jünger Jesu wieder Hoffnung. Und auch wir können befreit aufatmen und unseren Weg fröhlich weitergehen. Wir können anderen erzählen, was wir gehört und gesehen haben. Wir können von neuer Kraft und Lebendigkeit berichten. Ich freue mich, wenn möglichst viele von Ihnen zu Ostern herzhaft lachen können. bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de Paul Gerhardt, Evangelisches Gesangbuch Nr. 112 Einen habe ich noch: Drei Pastoren treffen sich und erzählen von ihren Sorgen. Ein Problem haben alle drei. Sie haben Fledermäuse im Kirchturm: Der erste jammert: „Ich habe es mit Ausräuchern versucht. Kurz waren sie weg, aber am nächsten Tag alle wieder da.“ Der zweite klagt. „Auch ich habe den Kirchturm voll mit Fledermäusen. Obwohl ich die Glocken immer besonders lange läuten lasse, bleiben sie, wo sie sind. Der Pastor von Alt-Hastedt lächelt und sagt: „Ich habe kein Problem mehr mit Fledermäusen, wisst ihr, was ich gemacht habe? Erst taufe ich sie, dann konfirmiere ich sie und dann sind sie weg….“ Jörg Mosig ist Pastor in Alt-Hastedt Übrigens: Falls Sie auch noch einen Witz für das Osterlachen am Ostersonntag in Alt-Hastedt beisteuern möchten: [email protected] achen Die Welt ist mir ein Alle Ostergottesdienste in Bremen: www.kirche-bremen.de Alle Ostergottesdienste bundesweit: www.ostergottesdienste.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 11 Ostern Seit Milliarden Jahren ist die Sonne unser Lebensspender. Denn ohne Licht gäbe es uns nicht. Die moderne Lichtforschung hat uns Solarzellen, Lasertechnik, Leuchtdioden (LEDs) oder die Glasfasertechnik beschert. Die UNO hat deshalb das Jahr 2015 zum „Internationalen Jahr des Lichts und der Lichttechnologien“ erklärt. Auch die Bibel erzählt in der Schöpfungsgeschichte vom Licht. Es steht am Anfang der Schöpfung, es ist die Grundlage für alles Leben. www.jahr-des-lichts.de Licht-Wunder Nichts ist so effizient wie die Natur: Glühwürmchen geben 95 Prozent der erzeugten Energie in Form von Licht und den Rest als Wärme ab. Das schafft bislang noch keine künstliche Lichtquelle . Die kleinen Käfer brauchen sich nicht erst von der Sonne aufladen zu lassen. Ihre Zellen erzeugen über eine chemische Reaktion eigenständig Licht. ist der Sieg des Lichts über die Finsternis. Jesus erscheint nach den Qualen der Kreuzigung den Frauen an der offenen Grabhöhle wie eine Lichtgestalt. Die Osterkerze, die in der Osternacht entzündet wird, symbolisiert die Auferstehung. Jesus selbst sagt von sich: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Johannes 8, Vers 12 Licht macht munter, glücklich & gesund Tageslicht macht wach, weil es die Produktion des Schlafhormons Melatonin hemmt. Sonnenlicht setzt im Gehirn das Glückshormon Serotonin frei, das eine gute Stimmung fördert. Die Sonne sorgt im Körper auch für die Bildung des „Sonnenhormons“ Vitamin D3. Das stärkt unser Immunsystem und sorgt für Wachstum. Deshalb freuen wir uns nach dem Winter mit seinen kurzen Tagen auf den Frühling, der wieder mehr Licht bringt. Kostenloser Energielieferant Tageslicht ist besonders hell. Selbst im trüben November lassen sich draußen 5.000 Lux messen, bei bedecktem Sommerhimmel 20.000 Lux, bei Sonnenschein sogar bis zu 100.000 Lux. Ob es sich lohnt, die Sonne als kostenlosen Energielieferanten für die private Energieproduktion anzuzapfen, zeigt z.B. das Bremer Solarkataster. www.solarkataster-bremen.de Lichtverschmutzung Die Nacht geht verloren: Je mehr künstliche Beleuchtung, desto heller erscheint der Himmel und desto weniger Sterne sind zu sehen. Eine mittelgroße Stadt hellt den Nachthimmel im Umkreis von 25 Kilometern auf. „Skyglow“ (Himmelshelligkeit) nennen Forscher dieses Phänomen. Die Folgen der „Lichtverschmutzung“ für Ökosysteme und die menschliche Gesundheit sind noch weitgehend unerforscht. Ein Beispiel: Tagaktive Räuber-Tiere können länger jagen, nachtaktive Beutetiere sind weniger geschützt. Eine Smartphone-App soll jetzt helfen, weltweit die Himmelshelligkeit zu messen. www.verlustdernacht.de Dunkelheit Blaue Stunde ist in christlicher Tradition ein Zeichen für Trauer und Tod: „Mond und Licht ist vor Schmerzen untergangen, weil mein Jesus ist gefangen“, heißt es in Bachs Matthäuspassion. Als Jesus am Kreuz stirbt, herrschte vermutlich eine Sonnenfinsternis. „Um die sechste Stunde brach eine Finsternis über das ganze Land herein bis zur neunten Stunde“, so beschreibt es der Evangelist Matthäus. Es könnte sich aber auch um einen Sandsturm gehandelt haben oder ein Unwetter, das die Sonne verdunkelte. Die Blaue Stunde tut gut: Blaues Licht steigert die Konzentration, sagen englische Forscher. Wer 30 Minuten in blaues Licht schaut, ist so aufgeputscht wie nach drei Tassen Kaffee. Blaues Licht soll Leistung, Stimmung und Konzentration steigern, hebt die Stimmung und verbessert die Konzentration. Diese Wirkung könnte mit einem vor kurzen entdeckten Lichtrezeptor im Auge zusammenhängen. Städte in neuem Licht Wenn Städte ihre Beleuchtung auf moderne LEDs umstellen, sparen sie mindesten 50 Prozent Energie ein. Testpersonen loben die Farbtreue und fühlen sich aufgrund der Helligkeit sicher. Würde die gesamte deutsche Straßenbeleuchtung umgestellt, sparte das jährlich 1,6 Millionen Tonnen klimaschädliches CO2 und 400 Millionen Euro. Im Industriebereich ließen sich 5 Millionen Tonnen CO2 einsparen, in Privathaushalten 4,5 Millionen Tonnen (1,1 Milliarden Euro). Haltbare Energiesparer Lichtemittierende Dioden (LEDs) ersetzen zunehmend alte Glühlampen. Faustregel bei der Umrüstung: Die Wattzahl der alten Glühbirne mal zehn ergibt die Lumenzahl eines genau so hellen LED-Leuchtmittels. Nach etwas über einem Jahr rechnet sich der Anschaffungspreis. Während ihrer 15-jährigen Lebensdauer spart eine LED-Lampe rund 150 Euro Stromkosten und gut 440 Kilo klimaschädliches CO2 ein. Schnell wie das Licht Die Lichtgeschwindigkeit ist sprichwörtlich. Von der Sonne bis zur Erde braucht das Licht acht Minuten und 19 Sekunden. Mit einem Auto würde diese Reise von gut 150 Millionen Kilometer bei 100 Stundenkilometern 170 Jahre dauern. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 1. Buch Mose, Kapitel 1, Vers 3 12 bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 13 Infos zum Kirchenasyl Familie R. aus dem Kosovo mit Pastor Lieberum Hohe Erfolgsquote 2013 gingen 43 von 45 beendeten Kirchen asylen positiv aus. Die Asylsuchenden bekamen mindestens eine Duldung und konnten so in Deutschland bleiben. Heiligtumsasyl Kirchenasyl als Schutz und Schatz Herberge für Heimatlose Sie stehen mit zwei Koffern vor dem Gemeindehaus: Vater, Mutter und die beiden Söhne. Der ältere Sohn spricht einigermaßen Deutsch und versucht, ihre Situation zu beschreiben. Sie kommen aus dem Kosovo, sind über Serbien nach Österreich geflohen. Als ihr Asylantrag dort abgelehnt wurde, flüchteten sie weiter nach Bremen. Hier wohnen schon Bekannte, bei denen sie aber nicht bleiben können. So oder ähnlich beginnen manche Geschichten, in denen das Schicksal von Flüchtlingen die Menschen unserer Kirchengemeinde berührt. Seit viereinhalb Jahren bin ich als Pastor in der Neustadt tätig und habe auf diese Weise Menschen aus Nigeria oder Syrien, dem Irak oder Iran, aus dem Kosovo oder aus Afghanistan kennengelernt. Manche waren nur ein paar Tage bei uns. So konnten sie die sechsmonatige Frist überbrücken, nach der sie nicht mehr in das Erstaufnahmeland abgeschoben werden durften. Die eingangs beschriebene Familie hat eineinhalb Jahre bei uns „gewohnt“. Ihre „Wohnung“ war erst ein, später waren es zwei Zimmer. Ein eigenes Bad oder eine eigene Küche gibt es bei uns nicht, von Privatsphäre kann kaum die Rede sein. In dieser Zeit haben wir uns kennengelernt. Nach dem Ende des jugoslawischen Bürgerkrieges gilt der Kosovo inzwischen wieder als sicheres Land. Doch diese Familie wurde aufgrund ihrer ethnischen Herkunft weiterhin schikaniert und ihre Konditorei in Belgrad zerstört. Sie wurden geschlagen und unter Druck gesetzt. Von ihrem Schicksal haben sie uns erzählt und wir wissen: Diese Familie ist so traumatisiert, dass eine Rückreise dorthin nicht vorstellbar ist. Wir haben dem jüngeren 15-jährigen Sohn einen Platz an der Schule besorgt. Zuerst wollte die Rektorin keine illegalen Kinder, dann hat sie aber nachgegeben. Die Familie ist ihr hoch dankbar, der Sohn hat inzwischen den Wechsel in die Oberstufe geschafft. Wir haben den Kontakt zu Anwälten vermittelt. Aus der Gemeinde haben Menschen die Familie auf die Ausländerbehörde und später zum Sozialamt begleitet. Inzwischen sind sie ausgezogen und wohnen in einer kleinen Wohnung. Die Mutter hilft nach wie vor in unserer Gemeinde beim Frühstück, der Vater backt für unseren Seniorenkreis Kuchen. Noch ist nicht alles sicher, aber die Aussichten sind gut. Kirchenasyl ist kein rechtsfreier Raum, aber ein notwendiger Schutzraum in einem laufenden Verfahren, eine Ruhezone für verfolgte und verängstigte Menschen. So können sie mit Freunden und Anwälten erst einmal alles in Ruhe besprechen. Alle, die in den letzten Jahren bei uns zu Gast waren, leben nach wie vor in Deutschland –und zwar legal! Es fanden sich Wege und Möglichkeiten, die ohne das Kirchenasyl nicht gefunden worden wären.Wir beherbergen Menschen unabhängig von ihrem Glauben. Nicht wenige der Flüchtlinge waren Moslems. Als im Dezember letzten 14 bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de Jahres die PEGIDA-Aufmärsche in Dresden begannen, haben wir in unserer Gemeinde ein interreligiöses Weihnachtsessen veranstaltet. Als manche vor der Vermischung der Religionen warnten, haben wir unsere Fahrradwerkstatt für junge Moslems geöffnet, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Neustadt leben und gebrauchte Fahrräder zusammenbauen. So können sie sich freier in Bremen bewegen, gleichzeitig entstehen Freundschaften und werden Ängste abgebaut. In der Begegnung mit dem Islam lernen wir auch unsere Religion wieder neu kennen - und schätzen! Dafür sind wir dankbar. Für unsere Gemeinde ist es keine Frage: Der Islam gehört zu Bremen und zu Deutschland. Wenn wir die Verzweiflung und die Not wahrnehmen, rückt eine rechtlich geforderte Ausreise in den Hintergrund. Es darf nicht sein, dass Deutschland ganz formal auf die Einhaltung starrer Regelungen pocht und die persönliche Leidensgeschichte der Geflüchteten keine Rolle spielt. Jetzt plant der Gesetzgeber weitere einschneidende Veränderungen: Wer ins Kirchenasyl flüchtet, soll künftig als untergetaucht gelten. Damit würde sich die Frist auf 18 Monate verlängern, bevor man nicht mehr in das Erstaufnahmeland abgeschoben werden kann. Eineinhalb Jahre zu überbrücken, würde Flüchtlinge und Helfer jedoch überfordern. Kirchenasyl ist weniger eine Rechtsfrage, sondern ein tiefes religiöses Gebot der Nächstenliebe. Wer in Not ist – den müssen wir aufnehmen. „Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen“, so sagt es Jesus im Matthäus-Evangelium. Wer Folter und Demütigung in seinem Heimatland und Unverständnis auf seiner Flucht erlitten hat, der braucht Zuwendung und Menschen, denen er vertrauen kann. „Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken, denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägypten gewesen.“ Diese Worte, gesprochen von Gott an sein Volk auf der Wüstenwanderung, sind zeitlos gültig. Christen glauben an den Gott, der sein Ebenbild in uns gelegt hat, unabhängig von unserer Religion oder Nationalität. So wie wir Gott in Jesus, dem schutzlosen Baby im Stall und später hingerichteten jüdischen Prediger, zu erkennen glauben, genauso kann uns Gott heute aus ängstlichen und verzweifelten Gesichtern anschauen. Als Kirche können wir die Augen verschließen und sagen: Staatliches Gesetz ist Gesetz. Wir können aber auch die alten biblischen Sätze heute ernst nehmen und erleben, welche Kraft unsere Religion mit ihrem Einstehen für Benachteiligte entfalten kann. Das Kirchenasyl ist nicht nur ein notwendiger Schutz für die Betroffenen, sondern auch ein kostbarer Schatz für unsere ganze Gesellschaft. Ein Ursprung des Kirchenasyls ist das in vielen Religionen bekannte „Heiligtumsasyl“. Wer sich in „heiligen Räumen“ wie Tempeln aufhielt, war vor den Nachstellungen seiner Verfolger sicher. Wurde der Schutzraum verletzt, zog dieser Frevel in vielen Kulturen göttliche und teils auch weltliche Strafen nach sich. 222 Kirchenasyle Die Bibel Schon im Alten Testament wird über Tempel asyle berichtet. So floh König David vor Saul zum Propheten Samuel nach Rama. Der Heerführer Joab wiederum floh vor König Salomo in den Tempel von Jerusalem. Das Neue Testament verpflichtet Christen mehrmals, für die Rechte und den Schutz Verfolgter einzutreten. Paulus schreibt im Brief an die Römer: „Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind; gewährt jederzeit Gastfreundschaft!“ (Römerbrief, Kapitel 12, Vers 13) Bundesweit gibt es aktuell 222 Kirchenasyle mit mindestens 411 Personen, davon sind etwa 118 Kinder. (Stand 10. März 2015) Vor einem Jahr waren es nur gut 60 Fälle. Da es öffentliche und stille Kirchenasyle gibt, sind die genauen Zahlen nicht bekannt. Grundgesetz Kirchlicher Asylschutz Bis ins frühe Mittelalter hatte die Kirche eine starke Stellung. Beim römischen Kaiser erreichte sie, dass der kirchliche Asylschutz gesetzlich anerkannt wurde. In der Aufklärung empfand man das Kirchenasyl als Behinderung einer geordneten Rechtspflege. Bis zum 19. Jahrhundert wurde es von allen europäischen Staaten formell aufgehoben. Als ab den 1970er Jahren weltweit die Flüchtlingszahlen in die Höhe schnellten, erinnerte man sich an die Tradition des Kirchenasyls. 1983 gab es das erste neuzeitliche Kirchenasyl in Berlin. Befürworter des Kirchenasyls berufen sich auf Artikel 4 des Grundgesetzes: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ Es gibt Kritiker des Kirchenasyls, wie zuletzt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU): „Als Verfassungsminister lehne ich das Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ab.“ Inzwischen ruderte er zurück und akzeptiert das Kirchenasyl für Härtefälle. Thomas Lieberum ist Pastor in der Vereinigten Evangelischen Gemeinde Bremen-Neustadt www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 15 Karl Stoevesandt Gustav Greiffenhagen mit seiner Tochter Maria Friedrich Denkhaus Bremer Gemeinden in der NS-Zeit Drahtseilakt Bekenntnis Gründonnerstag 1935: Vor dem Pfarrhaus des Bremer St. Stephani-Pastors Gustav Greiffenhagen rotten sich SA-Leute zusammen und grölen “Holt den Pfaffen raus!“ Die Gestapo kommt und nimmt nicht etwa die Randalierer fest, sondern holt Gustav Greiffenhagen „zu seinem Schutz“ aus dem Haus und sperrt ihn ein. Nach Ostern kommt er wieder frei, doch mit dieser Inszenierung wird der Pastor daran gehindert, Karfreitag und Ostern zu predigen. Freidenkertum und Bolschewismus sahen. In einigen Gemeinden regte sich jedoch Widerstand. In St. Stephani und ihrer Tochtergemeinde Immanuel erkannte man bald, dass die Führer-Ideologie, ein arisch-heldischer Jesus sowie das menschenverachtende NS-System nicht vereinbar waren mit der biblischen Botschaft und dem christlichen Glauben. früh Hitlers „Mein Kampf“ gelesen und ahnte, was kommen würde. Sie legte den Eid auf den „Führer“ nur unter Vorbehalt ab, trat weder der NS-Volkswohlfahrt noch dem NS-Lehrerbund bei und wurde aus dem Schuldienst entlassen. „Wüstenwanderung“ per Handwagen Gegen das Führerprinzip in der Kirche Der Nordbezirk von St. Stephani mit Pastor Fritz Schipper wählte den Weg in den Untergrund: Sie zogen Bibel und Abendmahlsgerät auf einem Handwagen von Ort zu Ort, um der Gestapo zu entgehen und versteckten Mitgliederlisten und Kollektengelder. Die Gemeindehelferin Magdalene Groot-Stoevesandt schilderte diese Zeit später als „Wüstenwanderung“. Aus dem Südbezirk kam offener Protest. Die schärfsten Kritiker waren hier Gustav Greiffenhagen und die Lehrerin Magdalene Thimme. Magdalene Thimme hatte bereits Thimme und Greiffenhagen konnten sich u. a. auf eine Reihe von Lehrerinnen stützen, die sich gerade wegen ihrer kritischen Haltung der StephaniGemeinde zuwandten – allen voran Elisabeth Forck und ihre Schwester Thusnelde, ferner Maria Schröder, Hedwig Baudert und Anna Elisabeth Dittrich. Auch die Immanuel-Gemeinde mit ihrem Pastor Friedrich Denkhaus löckte vielfach gegen den Stachel: Sie verweigerte den Hitlergruß, flaggte nicht und ließ eine Glocke gießen mit der deutlichen Aufschrift „Die Reiche der Welt gehören unserm Herrn und seinem Christus, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Friedrich Denkhaus lud „Landesbischof“ Weidemann zu einer theologischen Disputation ein. Der kam auch, stellte sich danach jedoch nie wieder einer solchen geistigen Auseinandersetzung. Der Hintergrund: St. Stephani war ab 1934 ein Ort, an dem sich Widerstand gegen die NS-hörigen „Deutschen Christen“ formierte. Ihr so genannter „Landesbischof“ Heinrich Weideman (1895–1976) organisierte Kirchen gemeinden nach dem Führerprinzip und lancierte NS-Gefolgsleute in die Kirchenvorstände. Solches Durchregieren von oben wurde von jenen Protestanten begrüßt, die im Nationalsozialismus ein Bollwerk gegen Anzeigen Lehrerinnen im Widerstand Bekenntnis-Synode gegen die Irrlehre Am 24. Januar 1934 löste NS-Senator und Kir chen kommissar Otto Heider mit einem Handstreich den Kirchentag, das Parlament der Bremischen Evangelischen Kirche, auf. Nicht nur in St. Stephani reagierte man darauf mit Empörung. Es folgten die üblichen Schikanen: Hausdurchsuchungen, Vorladungen, Verhaftungen, Verwarnungen. Vom 29. bis 31. Mai 1934 trafen sich in Wuppertal-Barmen 138 Theologen und Laien, die dem Unwesen der Deutschen Christen nicht länger tatenlos zusehen 16 bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de wollten. Diese erste Synode der Bekennenden Kirche verabschiedete die „Barmer Theologische Erklärung“, die im Wesentlichen von dem Theologen Karl Barth (1886-1968) verfasst worden war. Darin sprachen sich die Unterzeichner entschieden dagegen aus, jemand anderen als Jesus Christus als Heil und Vorbild anzuerkennen. Im Nachhinein, nach 1945, erkannten die Teilnehmer ihren großen Fehler: Die Juden wurden in dieser Erklärung mit keinem Wort erwähnt. Daran hatte niemand gedacht. Einziger Bremer Vertreter in Barmen war Gustav Greiffenhagen. Er brachte die Resolution mit nach Bremen und wollte im Gemeindehaus von Unser Lieben Frauen darüber berichten. Das wurde ihm jedoch verboten, woraufhin der Arzt Karl Stoevesandt sein Privathaus in der Kohlhökerstraße zur Verfügung stellte. Rund 200 Menschen saßen und standen nach Augenzeugenberichten in Zimmern, Fluren und auf Treppen und hörten gebannt Greiffenhagens Bericht. Bekennende Kirche in Bremen Dieser 4. Juni 1934 gilt als Gründungsdatum der Bremer Bekenntnisgemeinschaft. Nach der zweiten Bekenntnissynode von Berlin-Dahlem im Oktober 1934 vollzog die Bekennende Kirche die radikale Trennung von den Deutschen Christen und begann damit, eine eigene Kirchenorganisation aufzubauen. Nach diesem Vorbild wurde auch in Bremen ein Landesbruderrat gebildet. Karl Stoevesandt wurde Vorsitzender des Landesbruderrats. In den Rat entsandt wurden auch Magdalene Thimme und Elisabeth Forck – zwei Frauen in einem kirchlichen Leitungsgremium - das war neu! Stoevesandt versuchte eine Spaltung seiner Gemeinde in Deutsche Christen und Bekenntnisgemeinde zu verhindern – ein Drahtseilakt. Zweimal wurde er verhaftet, jedoch wieder freigelassen. Das hatte er auch seinem hohen Ansehen als Arzt zu verdanken. Magdalene Thimme Verhaftet und suspendiert Der vom Staat verlangte „Ariernachweis“ betraf auch getaufte Juden. Sie waren deutsche Staatsbürger, Christen und Mitglieder der Kirchengemeinden, galten im Nationalsozialismus aber als „nichtarisch“ und wurden verfolgt. In der Bekenntnisgemeinde St. Stephani hielt man jedocher weiter zu ihnen. Auch als sie den Judenstern tragen mußten, wurden sie ermutigt, weiter an den Gottesdiensten, Bibelstunden und am Abendmahl teilzunehmen. Im Herbst 1941 begannen die Deportationen der Bremer Juden. In einem Abendmahlsgottesdienst am 2. November verabschiedete St. Stephani öffentlich einige Gemeindemitglieder, die getaufte Juden waren. Sie wurden mit Geld, warmer Kleidung, Decken und Schuhen versorgt, in der Annahme, sie würden zum Arbeitseinsatz in den Osten geschickt. Dafür wurden Greiffenhagen und alle Beteiligten in einem Brief denunziert und verhaftet, die Lehrerinnen vom Dienst suspendiert, zu Geldstrafen verurteilt und der Pastor – bereits im August 1939 eingezogen und in der Bremer Wehrmachtsverwaltung tätig – versetzt. Der frühere Gymnasiallehrer Diether Koch hat die Vorgänge aufgearbeitet und schreibt: „Da geschah nichts weiter als ein ganz unpolitischer Gottesdienst und eine karitative Hilfeleistung - wenig genug angesichts der Bedrohung. Aber dies wenige, was dort geschah, ..., zog über Jahre hinaus, bis nach Berlin und München, seine Kreise. Offensichtlich hatte die kleine Gemeinde mit ihrem Festhalten an Menschen jüdischer Herkunft den Nerv nationalsozialistischer Überzeugung getroffen.“ Text: Hanni Steiner Fotos: Privat/ St. Michaelis-St. StephaniGemeinde/ Immanuel-Gemeinde Widerstand in der Bremischen Evangelischen Kirche 1933-1945 Literatur zum Thema in der Landeskirchlichen Bibliothek Franziuseck 2-4 Telefon 0421/55 97-287 [email protected] Öffnungszeiten Montag und Donnerstag 9 bis 17 Uhr Dienstag, Mittwoch & Freitag 9 bis 13 Uhr Ausführliche Biografien aus dem evangelischen Widerstand in Deutschland, auch aus Bremen, unter www.evangelischer-widerstand.de www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 17 Orgel Schüler gehen auf Entdeckungsreise zur Königin der Instrumente macht Schule Lampendreher Den Glasdeckel von der Lampe abzubekommen, ist gar nicht so einfach. Jonas Supplieth steht auf der Leiter und zieht an der Halterung. „Wo ist jetzt die Feder, um das Ding herunter nehmen zu können?“, überlegt der junge Mann. Schließlich klappt es und er reicht die gläserne Abdeckung nach unten zu Barbara FeldmannRust (68). Die „Lampendreher“ helfen ihr heute beim Frühjahrsputz. „Meine Deckenlampen kann ich nicht mehr selber abnehmen, aber sie müssen dringend sauber gemacht werden“, erzählt die 68-jährige, die seit einigen Jahren in einer Seniorenwohnung lebt. Selber auf die Leiter steigen mag die allein lebende Neustädterin nicht mehr. „Früher hätte mir das nichts ausgemacht, aber man wird halt älter.“ Ihr Sohn wohnt weit weg in Nordrhein-Westfalen. „Der kann nicht mal schnell für kleine Hilfsdienste vorbeikommen“, sagt Feldmann-Rust, während sie die Lampenschale unter der Dusche reinigt. Deshalb steigen Jonas Supplieth und Jakob Bosien für sie auf die Leiter. Lampen wechseln und Sofas schieben Die beiden Studenten engagieren sich ehrenamtlich bei den Lampendrehern, die Seniorinnen und Senioren bei kleinen Reparaturen helfen. Ob nun der Wasserhahn tropft, die Schublade klemmt, ein Bild angebracht, die defekte Glühlampe gewechselt oder das Sofa an eine andere Stelle gerückt werden soll – für solche kleinen Dienstleistungen im Haushalt sind die Lampendreher zur Stelle. Entstanden ist die Idee in der Jugendgruppe „Connect“ der Habenhauser Paulus-Gemeinde, aber zum Team gehören auch jüngere Senioren, die im 18 Ruhestand neue Herausforderungen suchen. „Bis zum letzten Sommer habe ich mein Freiwilliges Soziales Jahr bei den Johannitern gemacht“, erzählt Jonas Supplieth. Jetzt studiert er Psychologie an der Fern-Uni Hagen und engagiert sich in dem Projekt weiter für ältere Menschen. Kleine Handgriffe – große Wirkung „Oft sind es kleine Handgriffe, die Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit helfen“, sagt Nicole Rosenberger, Leiterin der Johanniter-Senio ren begegnungsstätte in der Neustadt. „Wir machen Handwerksbetrieben keine Konkurrenz, sondern vermitteln bei größeren Reparaturen an geeignete Fachfirmen.“ Die Seniorenbegegnungsstätte der Johanniter im Buntentorsteinweg und der Pflegedienst „Vacances“ organisieren den kostenlosen Dienstleistungs-Service. Mehrmals wöchentlich sind die Lampendreher in der Neustadt und in den Stadtteilen links der Weser unterwegs. Für ältere Menschen sei es manchmal schwierig, Fremde in ihre Wohnung zu lassen, meint Jonas Supplieth. Daher vermitteln die Johanniter die Einsätze, um den „Kunden“ Sicherheit zu geben. „So wissen die Senioren genau, wer um welche Zeit zu ihnen kommt, damit keine ungebetenen Gäste in die Wohnung gelangen.“ Unfallquellen beseitigen Das Team der „Lampendreher“ hat sich auf seine Einsätze intensiv vorbereitet. „Wir haben einen bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de Jugendliche organisieren Haushalts-Service für Senioren Workshop zu altersbedingten Erkrankungen und Erster Hilfe für ältere Menschen bei den Johannitern gemacht“, erklärt Jonas Supplieth. Eine weitere Schulung drehte sich um handwerkliche Fragen. „Wir achten bei unseren Besuchen auch auf Stolperfallen, Brand-Gefahren und Fluchtwege. Das ist gerade in Wohnungen älterer Menschen wichtig, um Unfälle zu vermeiden.“ Den Lampendrehern entgeht nichts. Der Einsatz bei Barbara Feldmann-Rust ist nach einer guten Stunde vorbei. Alle Lampen sind gereinigt. Ein kurzer Plausch bei einer Tasse Kaffee, danach verabschieden sich die „Lampendreher“ und machen sich auf den Weg zu ihrem nächsten Einsatz. Text & Fotos: Matthias Dembski Lampendreher Kontakt: Nicole Rosenberger Seniorenbegegnungsstätte der Johanniter Buntentorsteinweg 114 Telefon 0421/55 15 00 [email protected] www.johanniter.de „Wie schwer ist die größte Orgelpfeife?“ – Orgelbauer Friedemann Seitz und seine Kollegin Haidy Ronke sind umringt von Fünftklässlern des Ökumenischen Gymnasiums, die ihnen Löcher in den Bauch fragen. „15 Kilo, aber man muss sie genauso vorsichtig behandeln, wie die kleineren Pfeifen“, erklärt Seitz. Die Zinn-Blei-Legierung ist ein empfindliches Metall, lernen die Schüler der Orgel-Arbeitsgemeinschaft, die in der Oberneulander Kirche zu Gast sind. „Man braucht trockene Finger, sonst hinterlässt man sofort Abdrücke auf den Pfeifen“, ergänzt Haidy Ronke. Mit ihrer Pfeifenblechschere zeigt sie den Schülern an einem Blech-Muster, wie daraus eine Pfeife wird. „Das fühlt sich ja an wie gehärtetes Gummi“, ruft eine Schülerin, als sie das Blech in die Hand nimmt. Stabilität bekommt die Pfeife erst, wenn das Blech um die Pfeifenform gelegt und verlötet wird. „Trotzdem darf sie beim Einbau nicht herunterfallen. Die Zinn-BleiMischung ist so weich, dass man eine große Pfeife auch nicht über die Schulter legen und tragen darf, denn dabei würde sie sich verformen.“ Orgelbauer im Schüler-Interview Dass die Orgelbauer der Firma Ahrend gerade das Oberneulander Instrument reinigen und warten, ist für die Orgel-AG ein Glücksfall. Gemeinsam mit Kantorin Katja Zerbst haben die Schülerinnen und Schüler Interview-Fragen vorbereitet und auf Plakate geschrieben: „Wie lange dauert eine Orgelbauer-Ausbildung und was lernt man dabei?“ Oder: „Warum ist ein leises Klacken der Tasten zu hören, wenn man spielt?“ – Mit der Kirchenmusikerin und dem Orgelbauer stecken die Schüler ihre Köpfe ins Innenleben des Instruments, das wegen der Reparaturarbeiten gerade von allen Seiten geöffnet ist. Orgelbauer Seitz erläutert geduldig die Hebelübersetzung der Tasten, die das Klacken verursacht. „Das hört aber nur der Organist bei leisen Stücken.“ Gespannt blicken die Schüler dem Orgelbauer über die Schulter, als er die Register zieht und vorführt, wie sich der Klang dadurch verändert. „Gibt es eigentlich Register, die man nicht miteinander kombinieren kann?“, wollen sie wissen. „Nein, möglich ist alles, aber nicht jede Kombination ist sinnvoll. Das Grundprinzip der Orgel ist die Vervielfachung von Tönen. Aber wenn man alle Register zieht, wird es vor allem laut, nicht unbedingt schöner.“ Kirchen Führungen für Kinder und Jugendliche, die dieses faszinierende Instrument kennen lernen möchten“, sagt Landeskirchenmusikdirektor Ansgar MüllerNanninga. „Nachwuchsförderung liegt uns am Herzen, denn Kirchenmusiker haben schon jetzt und auch künftig hervorragende Aussichten und einen Beruf, der viele kreative Möglichkeiten bietet.“ Für die Schüler der Oberneulander Orgel-AG geht ihre Entdeckungsreise zur Königin der Instrumente nächste Woche weiter – und die macht viel Spaß, da sind sie sich einig. Text & Fotos: Matthias Dembski Pfeifen aus Küchenrollen bauen „Ich möchte die Schülerinnen und Schüler für das Instrument begeistern“, sagt Kirchenmusikerin Katja Zerbst, die gemeinsam mit der Schule die Idee für die Orgel-AG hatte. Dabei geht sie kreative Wege. So haben die Schüler aus Küchenrollen und Strohhalmen „Orgelpfeifen“ gebaut, die tatsächlich funktionieren. Natürlich können die AG-Teilnehmer auch selber auf der Orgel spielen. „Die meisten haben Klavierunterricht. Da ist es reizvoll, Klavierstücke auf der Orgel auszuprobieren, die andere klangliche Möglichkeiten bietet.“ Ein Schulhalbjahr können die Schüler die Königin der Instrumente entdecken und später – so hofft die Kantorin – vielleicht Orgelunterricht nehmen oder eine Ausbildung als nebenamtliche C-Kirchenmusiker machen. Das Oberneulander Projekt soll weiter Schule machen. „Wir vermitteln gerne auch in anderen Bremer Angebote für Kinder & Jugendliche rund um die Orgel Landeskirchenmusikdirektor Ansgar Müller-Nanninga Telefon 0421/330 31 11 [email protected] Ausbildung zum nebenamtlichen Kirchenmusiker (C-Kurs) Start im Februar 2016 Infos & Voranmeldungen bei Katja Zerbst Telefon 0421/205 81-17 [email protected] www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 19 J latschen & uchzen K H ilfe untereinander ist selbstverständlich Knien ist für Kira schwierig – deshalb segnet Pastor Henner Flügger sie zusammen mit den drei Konfirmandinnen im Stehen. Ansonsten eine ganz normale Konfirmation: Die Konfirmandin hat sich fein gemacht und ist genauso aufgeregt wie alle, als sie im Bremer St. Petri Dom zu ihrem KonfirmationsGottesdienst geht. Es ist ihr großer Tag, den sie sichtlich genießt. Vor dem Altar dreht sich die 14-Jährige einmal strahlend im Kreis und schaut sich ganz in Ruhe die Gemeinde an. „Die Gäste waren scheinbar nur für sie da“, erinnert sich Kiras Mutter Anke Willemer schmunzelnd. Die Konfirmandin selber zeigt ihre Freude auch während des Gottesdienstes immer wieder: Sie juchzt, jubelt und klatscht laut in die Hände – was den feierlichen Konfirmationsgottesdienst im Dom belebt, bei manchen Gottesdienstbesuchern aber zunächst für irritierte Blicke sorgt. „W „ enn‘s langweilig wird, steht Kira einfach auf Typisch Kira, die ihre Gefühle stets unmittelbar zeigt. Sie äußert sich nicht mit Worten. „Egal ob sie eine ihr sympathische Person trifft oder der Konfirmandenunterricht langweilig ist. Sie gibt eine direkte Rückmeldung“, sagt Henner Flügger. Einmal, so der Pastor, sei sie mitten im Unterricht aufgestanden und wollte nach Hause gehen. „Da war meine Unterrichtsstunde auch tatsächlich nicht gut gestaltet, es fehlte an Aktion und Abwechslung.“ Kira will gefragt werden, sie möchte nichts fertig vorgesetzt bekommen. So wie jede Jugendliche, die mit der Konfirmation auch einen Schritt ins Erwachsenenleben macht. Als sie die Bilder von der Freizeit in einem Erinnerungsalbum anschaut, klatscht sie laut in die Hände. Sie genießt es, wenn die Jungs in der Gruppe Quatsch machen. Körperlicher Kontakt ist für Pubertierende schwierig, in Kiras Konfirmandengruppe ist das anders. Die Hand nehmen, beim Treppensteigen helfen, das gehört selbstverständlich dazu. Die Konfirmanden müssen sich nicht absprechen, wer Kira beim Treppensteigen hilft. Es passiert einfach. Als es nach der letzten Unterrichtsstunde im Gemeindehaus ein Eis für alle gibt, lehnt Kira ab – und zieht ihre Hand zurück. Sie lässt sich nichts aufdrängen, das wissen alle in der Gruppe. Niemand versucht sie deshalb umzustimmen. „Der Umgang miteinander ist in einer inklusiven Konfirmandengruppe konzentrierter“, hat Henner Flügger beobachtet. „Jeder schaut, was für Bedürfnisse die Anderen in der Gruppe gerade haben und nimmt darauf Rücksicht.“ Kira gehört selbstverständlich zur Gruppe, so wie sie es kann und möchte. „Als wir das letzte Abendmahl Jesu nachgestellt haben, war sofort klar: Sie sitzt als Gastgeberin in der Mitte vor dem Brot und dem Saftkelch, weil ihr das am leichtesten fällt. Das war die Jesus-Rolle“, erinnert sich der Pastor. D ie Einladung zum Unterricht wirft Fragen auf Rückblick: Als Kira 13 Jahre alt war, bekam sie die Einladung zum Konfirmandenunterricht wie alle Gleichaltrigen. Mit ihrer „Beeinträchtigungsgeschichte“ sind die Eltern eigentlich durch. Kira ist anders, aber darüber braucht man nicht ständig zu sprechen, meinen sie. Denn was sagt eine medizinische Behinderungsdiagnose schon über ihr Kind und seine Bedürfnisse aus? Doch der Brief bringt das Thema „Behinderung“ ungewollt wieder auf die Tagesordnung: Kann Kira zum Konfirmandenunterricht gehen und, wenn ja, wie? „Wir wollten von Anfang an, dass unsere Tochter auf jeden Fall teilnimmt und einen möglichst kurzen Weg zum Unterricht hat“, erinnern sich die Eltern. „Sie sollte auf nicht-behinderte Jugendliche außerhalb der Schule treffen und Erfahrungen in einer Gruppe Gleichaltriger sammeln.“ Ein Konzept für einen „Inklusiven Konfirmandenunterricht“ gab es in der Dom-Gemeinde zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Aber die Gemeinde hat sich auf den Weg gemacht.“ Pastor Flügger besuchte die Familie, um Kira kennenzulernen und zu besprechen, welche Unterstützung sie braucht. „E Rückblickend, meinen die Eltern, sei die Konfirmandenzeit „richtig gut“ gelaufen. „Eltern mit beeinträchtigten Kindern sollten den Mut haben, ihr Kind zum Konfirmandenunterricht anzumelden. Unsicherheiten bestehen anfangs auf beiden Seiten – bei den Unterrichtenden und bei den Familien. Wichtig ist, damit offen umzugehen und zu schauen, wie die Teilnahme möglich wird.“ Kira hatte eine persönliche Assistentin, die sie auch nach der Konfirmation alle zwei Wochen zur Jugendgruppe in der Domgemeinde begleitet. Zusätzlich hat Christine Poppe vom Inklusions-Team der Bremischen Evangelischen Kirche Kira im Unterricht begleitet und dafür gesorgt, dass Konzept und Methoden passen. Bald wird Kiras jüngere Schwester konfirmiert – noch eine ganz normale Konfirmation im Dom. Kira freut sich auf den großen Tag und den festlichen Gottesdienst und wird ihrer Schwester kräftig Beifall klatschen. Kiras Konfirmation Inklusiver Konfirmandenunterricht Individuelle Beratung zu Angeboten und Unterstützungsmöglichkeiten in Bremer Kirchengemeinden Diakonin Christine Poppe Team Inklusiver Konfirmandenunterricht Telefon 0421/34615-75 [email protected] www.kirche-bremen.de Text: Matthias Dembski Fotos: St. Petri Dom-Gemeinde, Matthias Dembski, Privat „ s ist okay, dass ihre Tochter laut ist „Ein paar Monate später haben wir einen Mit kon firmanden auf der Straße getroffen, der ganz selbstverständlich ‚Hallo Kira‘ rief“, erinnert sich Peter Willemer. Ein anderes Mal erkannte Kira Mitkonfirmandinnen auf dem Fahrrad und freute sich, sie zu sehen. „Solche Kontakte im Stadtteil sind uns wichtig, denn Kira geht in Bremen-Nord zur Schule, wo es ein Förderzentrum für motorische und geistige Entwicklung gibt.“ Doch das „Experiment“ erfordert manchmal auch coole Eltern. „Beim ersten Gottesdienstbesuch im altehrwürdigen Dom beklatschte Kira den Pastor, was natürlich auffiel. Ich habe mich erst entspannt, als sich einige ältere Damen umdrehten. Die sagten mir freundlich und direkt: Es ist okay, dass ihre Tochter laut ist“, erinnert sich Anke Willemer. Sie hat während der Gottesdienste neu entdeckt, wie empfänglich ihre Tochter für Stimmungen ist. „Musik, aber auch Ruhe sind für sie wichtig.“ Die Konfirmationsgäste schicken gute Wünsche für Kira per Ballon auf die Reise. 20 bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015 21 Die Künstlerin Marietta Armena erinnert mit einer Ausstellung an den Völkermord vor 100 Jahren Gedenken an den Völkermord in Armenien 1915 land, eigentlich um als Porträtmalerin das Geld für eine Italienreise zu verdienen. Ihr Sehnsuchtsziel: Die Sixtinische Kapelle in Rom. Bis heute ist sie nicht da gewesen, Bremen wurde ihre neue Heimat. „Ich habe keinen Hass“ „Ich empfinde keinen Hass gegen die Türken. Mein Großvater berichtete, wie ihm ein türkischer Arzt geholfen hat, der ihm eine anfängliche Typhus-Erkrankung bescheinigte. Das rettetet ihn nach seiner Flucht in die Sowjetunion vor der weiteren Deportation nach Sibirien. Dorthin sollte er als ehemaliger Großgrundbesitzer und angeblicher „Ausbeuter“ deportiert werden. Er hat uns immer eingeschärft: Tragt keinen Hass in Euch, denn der tötet zuerst euch selbst. Ich habe Wut und protestiere entschieden gegen die Verleugnungspolitik. Aber ich habe keinen Hass.“ Erinnern statt vergessen Auf dem Fußboden ihres kleinen Keller-Ateliers liegt die ausgerollte Leinwand. Marietta Armena schwingt ihren großen Pinsel sanft. Allmählich entsteht wie aus einem Nebel die Struktur eines kaltblauen Flusses. Darin werden die scheinbar friedlich schlafenden Gesichter von Menschen erkennbar. Sie treiben auf dem Rücken liegend im Wasser. Die Bremer Künstlerin mit armenischen Wurzeln arbeitet gerade an einem Bild des Flusses Euphrat, der 1915 ein Schauplatz des Völkermordes an ihrem Volk war. „Es ist schrecklich, wenn ich an dieses Leid denke. Die westlichen Länder haben damals zu lange gewartet, Flüchtlinge aufzunehmen. Aber Syrien als muslimisches Land hat armenische Christen aufgenommen.“ Geschätzte 1,5 Millionen Menschen kamen zwischen 1915 und 1922 in dem kleinen Bergland ums Leben, das zwischen der heutigen Türkei, Georgien und Aserbaidschan liegt. Damals waren die christlichen Armenier eine Minderheit im kriselnden Osmanischen Reich, die schon lange unter Diskriminierung und Verfolgung litt. Nach einem Putsch der jungtürkischen Nationalisten begann mit der Vertreibung und Verhaftung führender armenische Politiker und Intellektueller die Vernichtung der christlichen Armenier und Assyrer, 22 die die Regierung der Jungtürken als interne Feinde ansah. Aus ethnischen und religiösen Gründen wurden sie systematisch vertrieben, enteignet und massenhaft getötet. „Jede Familie hatte Opfer zu beklagen“ „Meine Trauer kann ich eigentlich nur durch meine Kunst ausdrücken“, sagt Armena. „Jede armenische Familie hatte Opfer zu beklagen, doch darüber zu sprechen, war bei uns ein Tabuthema. Meine Urgroßmutter, eine damals sehr junge Frau, konnte mit ihrem kleinen Sohn nicht vor der Vernichtung fliehen. Sie war sogar bereit, um ihr Kind zu retten, Muslima zu werden. Was aus ihr geworden ist, weiß niemand. Ein Onkel hatte eine durchschossene Hand und soll in die USA geflohen sein. Man schweigt über solche Geschichten aus Schmerz.“ Versöhnung erfordert Aufarbeitung „Deutschland hat sich seiner Verantwortung für den Holocaust an den Juden gestellt. Das ermöglicht es bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de kommenden Generationen, die Vergangenheit aufzuarbeiten wird. Das geschieht in der Türkei leider nicht, aber die verdrängte Geschichte wird irgendwann hochkommen.“ Der Film von Fatih Akin „The Cut“ sei einer der ersten Versuche, sich dem Völkermord zu stellen. „Versöhnung kann es erst geben, wenn Schuld nicht mehr geleugnet wird. Wer von der Türkei keine klare Aufarbeitung dieser Geschichte fordert, macht sich mit schuldig.“ „Uns gibt‘s noch, wir leben!“ Mit ihrer Ausstellung will Armena einen Beitrag gegen das Vergessen leisten. „Armenien braucht mehr Austausch mit Deutschland und dem übrigen Europa.“ Das Interesse an der leidvollen Geschichte ihres Landes sei gering. „Ich möchte mit meiner Kunst Augen und Ohren öffnen“, sagt die Künstlerin, während sie in ihrem Atelier eine Granatapfelzeremonie vorbereitet. Dafür ritzt sie einen Granatapfel ein und entfernt die Krone, um ihn dann vorsichtig zu öffnen. Diese traditionelle Zeremonie will sie auch bei der Mahnwache für den Völkermord am 24. April auf dem Bremer Marktplatz zeigen. „Der Granatapfel ist die Frucht der Liebe.“ In Armenien gilt er als Nationalfrucht. „Die Zeremonie mit dem Granatapfel sagt allen: Uns gibt‘s noch, wir leben!“ Text & Fotos: Matthias Dembski 27. März - 28. April „Bilder gegen den Alptraum“ Ausstellung von Marietta Armena im Bamberger Haus (VHS), Faulenstr. 69 24. April, 11.30-13.30 Uhr Mahnwache auf dem Marktplatz Bremen 24. April, 16.30 Uhr Gedenkveranstaltung Gedenkstein Gustav-Deetjen-Allee/Ecke Parkstraße u.a. mit Bürgermeisterin Karoline Linnert und Schriftführer Pastor Renke Brahms 24. April, 20.00 Uhr Armenisches Oratorium von Chatschatur Awetisjan, Bremer Chorwerkstatt, Kirche Unser Lieben Frauen (Eintritt 10/ ermäßigt 6 Euro www.freundeskreis-philoxenia.de www.marietta-armena.de www.genozid1915.de Anzeigen Neue Heimat in Bremen Im Alter von acht Jahren begann Marietta Armenas „Pilgerschaft zur Kunst“, wie sie es nennt. In Jerewan in der damaligen Sowjetunion gewann sie einen Kunstwettbewerb und bekam direkt einen Platz an der Kunsthochschule. Die Kunst liegt in der Familie und wird auch für Marietta Armena zum Lebenselixier. „Ich habe unterschiedlichste Techniken gelernt und arbeite gerne experimentell.“ Sie malt, stellt Keramiken her, arbeitet als Bildhauerin und entwirft Drahtskulpturen, die faszinierende Schatten werfen und auf diese Weise ein zweites Gesicht haben. 1993 kam sie nach Deutschwww.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2015 23 ! Projekte, Hilfe und Aktionen TATENDRANG In der „Nahtstelle“ begegnen sich kreative Frauen Lust auf einen schicken Wickel-Turban oder einen Schlüsselanhänger, der garantiert ein Unikat ist, oder auf weiche Kugeln für Indoor-Boccia? – Was sich alles aus Stoff und Wolle herstellen lässt, führt die „Nahtstelle“ des Vereins für Innere Mission bei ihrem Frühlingsmarkt vor: Tischdecken mit Ostermotiven, dekorative Eierwärmer, individuell gestaltete Taschen, Frühlings-Deko und Patchworkdecken gehören ebenso dazu, wie eher ungewöhnliche Accessoires. So stellt das Frauen-Projekt auch Therapieschürzen für demenzkranke Menschen her. „An diesen Schürzen kann man knöpfen, Klettverschlüsse schließen oder alte Muster ertasten, die frühere Erinnerungen wecken“, erläutert Christine Glenewinkel vom Anziehungspunkt. Dafür werden zum Beispiel alte Borten und Spitzen aufnäht. „Diese Schürzen sehen nicht nur schön aus, sondern bieten Beschäftigungsmöglichkeiten. Sie unterstützen die Beweglichkeit der Hände und sind ideal für ruhelose Menschen, die an Demenz erkrankt sind“, ergänzt Anne Driever. Immer wieder fließen Lebenserfahrungen der ehrenamtlich aktiven Frauen in das Projekt ein. So entstand die Idee, für eine krebskranke Freundin einen Wickelturban zu entwerfen, den sie während einer Chemotherapie tragen konnte. Mittlerweile sind diese Turbane ein Dauerbrenner im Angebot der Nahtstelle. Offen für alle Frauen Das Projekt steht allen Frauen offen, die Lust am Handarbeiten für einen guten Zwecke haben. Das Material stammt aus Spenden, der Erlös kommt anderen Projekten der Inneren Mission wie z.B. dem „Anziehungspunkt“ oder der Beratungsstelle „Willkommen“ für Flüchtlinge zugute. „Wir arbeiten integrativ und inklusiv, d.h. bei uns machen selbstverständlich auch Frauen mit, die z.B. nach Therapien noch nicht wieder in ihrem Beruf arbeiten können, aber zurück in den Alltag 24 finden möchten. Auch Frauen, die nur wenig Deutsch sprechen, sind bei uns willkommen“, betont Christine Glenewinkel. „Wir möchten hier Barrieren abbauen. Beim Handarbeiten begegnen sich ganz unterschiedliche Frauen und kommen ins Gespräch.“ Gerarbeitet wird in Vierergruppen unter professioneller Anleitung einer Schneiderin. „Die meisten Frauen sind einmal wöchentlich für mindestens drei Stunden hier.“ Ein „Schichtplan“ sorgt dafür, dass ein Arbeitsplatz frei ist. Materialspenden willkommen Inspirationen liefert das Material. „Je nachdem, was vorhanden ist, entstehen sehr kreative Entwürfe.“ Die Nahtstelle freut sich deshalb über Materialspenden wie Stoffe, Wolle, Garne, Reißverschlüsse und Schnallen, aber auch Perlen zum Besticken. „Am liebsten verarbeiten wir Naturmaterialien.“ Spenden können im Anziehungspunkt in der Blumenthalstraße abgegeben oder – bei größeren Mengen – zu Hause abgeholt werden. „Auch Nähmaschinen können wir immer gut gebrauchen, sofern sie noch gut in Schuss sind oder keine ganz großen Macken haben.“ Ladenlokal und Werkstatt im Lloydhof Auch der „BemerkensWert!“-Laden im Lloydhof bietet dauerhaft Nahtstellen-Produkte zum Verkauf an. Dort befindet sich auch die Werkstatt. Egal wo man seine Ostergeschenke kauft: „Wir machen faire Preise, weil wir möchten, dass sich jeder unsere kreativen und liebevoll gearbeiteten Handarbeiten leisten kann.“ bremer kirchenzeitung März 2014 · www.kirche-bremen.de Text & Foto: Matthias Dembski Nahtstelle Frühlingsmarkt Samstag, 28. März, 11 bis 18 Uhr im Marienzimmer der Kirche Unser Lieben Frauen Eingang neben den Bremer Stadtmusikanten! Kontakt Christine Glenewinkel Telefon 0421-3496768, [email protected] Werkstatt im „BemerkensWert!“ Nadine Cordes, Hanseatenhof 3-9 (Lloydpassage) Telefon 0421/168 39 648 [email protected] Öffnungszeiten MO, MI, FR 9.00 – 14.00 Uh DI, DO 9.00 – 17.00 Uhr Materialspenden über den „Anziehungspunkt“ in der Blumenthalstraße 10 Öffnungszeiten MO-DO 8.30-16.30 Uhr, FR 8.30-14.30 Uhr www.innere-mission-bremen.de