bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche

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bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche
bremer kirchenzeitung
Das e vangelische Magazin Apr il – Juni 2015
Bremen ist bunt!
Stadtgespräch zum Islam
Auferstehung
Neustart ins Leben
Kirchenasyl
Herberge für Heimatlose
Gesegnete Ostern
Inhalt
8
16
4
Neustart ins Leben:
Zwei Lebensgeschichten zu
Ostern
12
Drahtseilakt Bekenntnis:
Gemeinden in der NS-Zeit
Bremer
Bremen ist bunt: Einladung
zum Ökumenischen Stadtgespräch „Muslime bei uns“
6
Viele Gründe, warum 2015 das weltweite Jahr des Lichts ist
20
14
Klatschen und Juchzen: Die
Geschichte von Kiras Konfirmation
Ostern im Museum: Ausstellungen im
Nordwesten locken mit faszinierender
Kunst
Herberge für Heimatlose:
Kirchenasyl als Schutz und
Schatz
Impressum
Die bremer kirchenzeitung ist eine Publikation der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie erscheint vier Mal im Jahr samstags als Beilage zum Weser-Kurier und den Bremer
Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion dar. Ihr Themenvorschlag ist uns willkommen. Bitte senden Sie uns
eine Mail an [email protected] oder schreiben Sie uns. Sie erreichen uns auch unter 0421 / 55 97-206 per Fax.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte können wir leider nicht haften.
Herausgeber: Bremische Evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) Franziuseck 2-4, 28199 Bremen, Telefon 0421 / 55 97 - 0
Redaktion: Sabine Hatscher & Matthias Dembski
Titelfoto: Matthias Dembski, Anzünden der Osterkerze.
Grafische Realisation: Rank - Grafik-Design. Druck & Vertrieb: Bremer Tageszeitungen AG, 28199 Bremen.
Anzeigen: Bremer Tageszeitungen AG, Hagen Röpke, Michael Sulenski (verantwortlich), Telefon 0421 / 68 689-220 oder [email protected]
Die nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am 13. Juni 2015.
Aktuelle Termine unter www.kirche-bremen.de
„Für Würde helfen keine Almosen“
Wer fragt, was Satire darf, betreibt bereits Zensur im Kopf, sagt Christoph Sieber. „Wir
leben in einem freien und aufgeklärten Land, deshalb kann die Frage nur lauten: Was
muss Satire tun?“, meint der frisch gekürte Träger des Deutschen Kleinkunstpreises.
Die Antwort des Kabarettisten nach den Anschlägen auf das französische Magazin
Charlie Hebdo ist klar: „Satire muss alles dürfen, das müssen wir aushalten. Das gilt
auch bezogen auf Religion.“ Andererseits müsse er als Kabarettist nicht alles sagen,
auch wenn er es dürfe: „Ich muss nicht jeden beleidigen. Beim Thema Religion halte
ich mich eher an das Bodenpersonal. Die Zeiten sind glücklicherweise vorbei, als
Kirchenvertreter unantastbar waren. Ich habe lange Jugendarbeit in der katholischen
Kirche gemacht, bin aber immer wieder angeeckt. Der Mensch weiß sehr gut, was gut
und böse ist. Da komme ich den christlichen Werten ganz nahe. Ich glaube aber, dass der
Mensch Werte wie Nächstenliebe auch ohne den religiösen Überbau leben kann.“
Christoph Sieber
über Freiheit, billige Jeans
und warme Suppe
der Gesellschaft. Wer nicht zu den Leistungsträgern gehört und keine Rendite
bringt, kriegt einen Teller warme Suppe.“ Die deutsche Gesellschaft sortiere bereits
in der Schule aus, wen sie meint gebrauchen zu können und wen nicht. „Dabei ist
Dummheit in allen Bevölkerungsschichten gleichermaßen verbreitet.“ Siebers aktuelles Programm, mit dem er im April auch in Bremen zu Gast ist, heißt „Alles ist
nicht genug“. „Ich möchte die Frage stellen, was ein gutes Leben ist. Wir werden in
jeder Lebensminute mit Konsummöglichkeiten zugeballert, die für irgendjemanden
profitabel sind. Zum Glücklichsein brauche ich sie nicht. Ein gutes Leben braucht
nicht viel, Besitz macht nicht glücklich. Alle wissen das, aber trotzdem rennen alle
dem Konsum hinterher.“
Gespräch: Matthias Dembski
Foto: Agentur Nullproblemo
„Freiheit nicht aus Angst in ein Gefängnis verwandeln“
Sieber, der in Köln lebt, hält es mit dem rheinisch-katholischen Motto „Leben und
leben lassen“. In einer weltanschaulich und religiös vielfältigen Gesellschaft müssten
Menschen lernen, sich zu akzeptieren. „Solange wir uns auf gemeinsame Grundwerte
einigen, kann ein friedliches Zusammenleben funktionieren.“ Wo die Freiheit angegriffen werde, dürfe der Staat keinesfalls mit Einschränkungen reagieren. „Schärfere
Gesetze und Kontrollen sind kein Rezept gegen Hass. Wir haben nur eine Chance
gegen die Zerstörungswut, wenn wir den Menschen vertrauen. Ich lebe lieber in einer
offenen, lebenswerten Gesellschaft. Terroristen haben ihr Ziel erreicht, wenn wir unsere Freiheit selber aus Angst in ein Gefängnis verwandeln.“
„Bei Pegida und Co. lacht sich die Finanzelite ins Fäustchen“
Der Kapitalismus mache Menschen vielfach zu Fanatikern. „Der islamistische Terror
ist nicht denkbar ohne die jahrzehntelange Destabilisierung verschiedener Länder.“
Diese vor allem amerikanische Politik ziele darauf, an billige Rohstoffe heranzukommen. Das führe zu Minderwertigkeitskomplexen der dort lebenden Menschen
gegenüber der westlichen Welt. „Wer nichts zu verlieren und keine Halt mehr hat,
schließt sich leichter fundamentalistischen und gewalttätigen Gruppierungen an.“
Abgrenzung aus Angst vor dem sozialen Absturz sei auch das Grundmuster der
Pegida-Demonstanten: „Sie wissen, dass es kein soziales Netz und keine Solidarität
mehr gibt. Wer beim ‚Schneller-Höher-Weiter-Mehr‘ nicht mitkommt, sucht nach
Sündenböcken.“ Wer auf die Straße gehe, um seine Rechte einzufordern, hat grundsätzlich die Sympathie des Kabarettisten. „Aber es geht natürlich nicht, dabei nach
unten, auf noch Schwächere zu treten. Bei Pegida & Co. lacht sich die Finanzelite
doch ins Fäustchen: Prima, die Kleinen hauen sich gegenseitig die Köpfe ein! In
Griechenland oder Spanien sind hunderttausende Kinder unterernährt. Aber der
Staat rettet nur die Finanzjongleure, die Milliarden verzocken. Der Wohlfahrtsstart
hat nur seine Richtung geändert – von den kleinen Leuten zu den Banken!“
Christoph Sieber
„Einwanderung bereichert uns“
„Der Kapitalismus ist unsere neue Religion, wir glauben nur ans Wachstum. Dabei
können wir unsern Lebensstil auf Kosten anderer so nicht weiterführen. Unser
Konsum beutet andere Länder aus - innerhalb Europas und weltweit. Griechen und
Spanier sind nicht fauler als wir. Uns geht‘s so gut, weil‘s denen so schlecht geht.
Wo einer Gewinn macht, macht ein anderer Verlust.“ Wenn die Jeans in Bangladesch
nicht mehr billig genug produziert werden könne, ziehe die Industrie weiter und
schädige anderswo Menschen und Umwelt. „Die Menschen kommen auf keinen grünen Zweig und fliehen.“ Den Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ findet der Kabarettist
deshalb zynisch: „Wer ums nackte Überleben kämpft, sucht natürlich Orte, wo er
überleben kann. Dass Menschen fliehen müssen, ist auch eine Konsequenz unseres
Lebensstils, der andere ausbeutet. Nachhaltig ist daran nur die Umweltzerstörung.
Kein Mensch verlässt freiwillig und gerne seine Heimat, das ist ein Trauma.“ Wenn
Flüchtlinge dann in Deutschland angefeindet werden, sei das doppelt schlimm.
„Andererseits erlebe ich eine große Bereitschaft in der Bevölkerung, Flüchtlinge willkommen zu heißen und ihnen zu helfen.“ Auch wenn sich die Bundesregierung noch
immer gegen den Begriff „Einwanderungsland“ wehre: „Wir brauchen Einwanderung
und sie bereichert uns.“
„Zum Glücklichsein brauchen wir den Konsum nicht“
Die Würde des Menschen ist für Christoph Sieber ein Grundthema für sein Kabarett:
„Die Schere zwischen Armen und Reichen geht weiter auseinander. Da helfen keine
Almosen. Ich bin ein großer Kritiker der Tafeln, die Armut strukturell verfestigen. Der
Staat entzieht sich seiner Verantwortung und das verstärkt die Entsolidarisierung
Auftritt im Kulturbahnhof (KUBA) Bremen-Vegesack
11. April 2015, 20 Uhr
www.christoph-sieber.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015
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Ökumenisches Stadtgespräch
der Kirchen
Ein Kampagnenmotto
im Alltags-Test
Gespräche: Matthias Dembski
Zeichnungen: Elke R. Steiner
Muslime bei uns
Wieviel Islam gehört zu
Deutschland?
21. April 2015, 19.30 Uhr
Kirche Unser Lieben Frauen
Es diskutieren
Bundespräsident a.D.
Christian Wulff
„Der Islam gehört auch zu
Deutschland“
Ilyas Hatscher
Kirsten Vöge
Katharina Batrakow
Stellvertretende Leiterin
Dietrich-Bonhoeffer-Kita Huchting:
Beirat Huchting
60 Prozent unserer Kita-Kinder haben einen Migrat­ions­
hintergrund, wir haben bei uns neun Nationalitäten
unter einem Dach. Wir haben auch Kinder aus Syrien und Albanien bei uns, deren Familien geflüchtet
sind, aber bereits in einer eigenen Wohnung leben.
Zusätzlich haben wir Kinder aus der benachbarten
Notunterkunft aufgenommen, die sonst keinen KitaPlatz bekommen hätten. Auch beim Flüchtlingscafé
im Gemeindezentrum sind wir als Kita engagiert. Die
Familien wünschen sich, dass ihre Kinder schnell einen Kita-Platz bekommen, damit sie Deutsch lernen
und Kontakt zu anderen Kindern bekommen.
Ein großes Problem ist das starre Aufnahmeverfahren.
Wir müssen alle Plätze im März vergeben und haben
dann für Flüchtlingskinder, die diese Fristen nicht einhalten konnten, später nichts mehr frei. Da treffen oft
Welten aufeinander: Unser strukturiertes deutsches
System und der Wunsch der Eltern, die meist aus einer
ganz anderen Kultur kommen und sich einfach einen
Kitaplatz in der Nähe wünschen. Bei sprachlichen Problemen unterstützen uns oft Eltern, die schon länger
hier leben.
Ich verstehe sehr gut, dass sich die Familien Normalität und einen schnellen Zugang zu Bildung wünschen.
Die Stadt muss nachdenken, wie wir gemeinsam darauf reagieren können. Wir dürfen bislang keine Plätze
freihalten, die Flüchtlingskinder bekommen könnten,
die z.B. erst zum Sommer zuziehen. Doch es ist absehbar, dass wir genau dann Kita-Plätze brauchen
werden. Grundsätzlich ist das bunte Bremen in unserer Kita eine Bereicherung. Dafür muss man sich für
andere Menschen wirklich interessieren, offen und
neugierig sein und ihnen respektvoll begegnen. Dann
erfahre ich Neues und höre Geschichten, die meinen
Blick auf die Welt erweitern.
4
Heike Kretschmann
Managerin des TUS Huchting
„Bremen ist bunt“ - das ist bei uns im Verein schlichtweg
Alltag. Auch im Vorstand oder bei den Übungsleitern
engagieren sich viele Menschen mit migrantischem
Hintergrund. Viele Mitglieder sind Spätaussiedler, die
sehr sportaffin sind. Gerade im Kinder- und Jugendbereich, zunehmend aber auch beim Gesundheitssport
sind wir bunt.
Integration durch Sport bietet einen leichten Zugang,
denn beim Sport kann jeder mitmachen - unabhängig
von Sprache und Herkunft. Sport erleichtert die Verständigung, zumal die Leute freiwillig kommen und
deshalb aufgeschlossen sind. Über die Gemeinschaft
lernt man sich besser kennen und auch außerhalb des
Sports finden gemeinsame Aktionen statt.
Menschen in Bewegung zu setzen, ist letztlich unser
Auftrag. Aber Sportvereine erfüllen immer auch eine
soziale Aufgabe.
Einige unserer Mitglieder engagieren sich für Flüchtlinge im Stadtteil, auch wenn es anfangs bei einzelnen durchaus Skepsis gab. Als sie jedoch die Menschen und ihre Schicksale kennenlernten, schlug ihre
Zurückhaltung in Sympathie um. Die Hilfsbereitschaft
ist großartig. So übernehmen Senioren z.B. Behördengänge mit Flüchtlingen.
Wir sind mit unserer Halle in der Luxemburger Straße
direkte Nachbarn einer Notunterkunft und haben zu
dem Übergangswohnheim Wardamm ebenfalls gute
Kontakte. Natürlich haben wir die Kinder sofort mit
einbezogen, wann immer in der Halle etwas los ist.
Die Trainer berichten, wie schnell die Kinder Deutsch
lernen und wie toll sie mitmachen.
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
Das bunte Bremen begegnet mir jeden Tag an der Uni
oder auch zu Hause in Huchting, wo ich politisch aktiv
bin. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, wo
neue Flüchtlingswohnheime angesiedelt werden können und wie wir die Menschen bei uns willkommen
heißen können. Wir haben die Welt in Grenzen geteilt,
aber die Not durch Armut oder Kriege ist so groß, dass
diese Grenzen keine Bedeutung mehr haben.
Grundsätzlich erlebe ich eine große Offenheit für
Flüchtlinge. Wenn ein Heim in der eigenen Nachbarschaft entstehen soll, treffe ich gelegentlich auch
auf Vorbehalte. Spätestens beim zweiten oder dritten Wohnheim muss die Politik Überzeugungsarbeit
leisten. In Huchting leben bereits viele Menschen mit
Migrationshintergrund. Wer vor 30 Jahren hierher gekommen ist, kann es nicht unbedingt besser nachvollziehen, wie es den Flüchtlingen heute geht.
Bei einer Weihnachtsfeier habe ich viele Flüchtlinge
getroffen, die in ihrer Heimat Arzt oder Bankangestellte waren. Die Menschen bringen Qualifikationen und
Potenziale mit, die wir gut gebrauchen könne. Außerdem lebt unsere Kultur davon, dass sie sich weiterentwickelt. Wer in Frieden und Freiheit mit uns zusammen leben möchte, bereichert unser Land. Wir dürfen
sie nicht vor den Kopf stoßen. Niemand verlässt seine
Heimat gern und freiwillig. Die Menschen sind motiviert, hier gut zu leben.
Meine Familie kommt aus Russland. Meine Großmutter war dort Kinderärztin und meine Eltern waren
Kaufleute. Als wir nach Deutschland kamen, wurde
ihnen ein Realschulabschluss anerkannt, mehr nicht.
Dann geht man erstmal putzen, ehe man eine neue
Ausbildung macht. Aus dieser Erfahrung ist mir wichtig, dass Deutschland Abschlüsse schnell und unbürokratisch anerkennt.
Thomas Müller
Integrationsbeauftragter der Polizei Bremen
Die Polizei trifft auf Menschen mit unterschiedlicher
Herkunft, aus verschiedenen Religionen und Kulturen und mit unterschiedlichen politischen Ansichten.
Vorurteile und Schubladendenken über Volksgruppen
helfen uns bei unseren Einsätzen nicht weiter. Die Kollegen schauen genau hin: In welcher Situation treffen
wir Menschen und wie erreichen wir sie am besten?
Polizistinnen und Polizisten treffen hauptsächlich auf
die Minderheit von Menschen, die mit Kriminalität zu
tun haben. Deshalb müssen wir uns immer wieder klar
machen: Bremen ist bunt und die Mehrheit der Menschen ist nicht kriminell.
Auch Polizisten müssen sich bewusst sein, welchen
Mechanismen sie unterliegen. Jeder Mensch hat Vorurteile, das müssen wir ehrlich sagen. Hautfarbe oder
Aussehen dürfen bei Kontrollen keine Rolle spielen,
wohl aber die Situation, der Ort und bestimmte Verhaltensweisen, die auf Kriminalität deuten können.
Diese Sichtweise vermitteln wir in unseren Schulungen. Auch Polizistinnen und Polizisten müssen für ihre
eigenen Vorurteile aufmerksam sein. Bremen ist bunt,
deshalb müssen wir genau hinschauen, wen wir vor
uns haben.
Schüler am Technischen Bildungszentrum
Khola Maryam Hübsch,
Journalistin und Publizistin
Ich treffe in der Schule oder beim Sport täglich auf
Leute verschiedener Herkunft und Religion. Wenn
ich in eine neue Mannschaft komme, werde ich nicht
zuerst gefragt, welche Position ich spiele, sondern
aus welchem Land ich komme. Bei Gruppenarbeiten
in der Schule stecken mich die Lehrer immer mit anderen Schwarzköpfen zusammen. Die meisten sind
wahrscheinlich Deutsche wie ich, sehen aber anders
aus als der Durchschnittsdeutsche. Leute ordnen Menschen leider zuerst nach ihrem Aussehen ein. Weil ich
dunkle Haare und Haut habe, kontrolliert mich die
Polizei mindestens einmal wöchentlich, weil sie mich
verdächtigt, dass ich Drogen dabei habe.
„Die spirituelle Botschaft des
Islam bereichert Deutschland
– ablehnen müssen wir den
politischen Missbrauch von
Religion.“
In meiner Klasse sind neben „Deutschen“ auch Kurden, Araber und Pakistanis. Ein Mitschüler geht in
eine salafistische Moschee und findet den Islamischen
Staat toll. Davon will er auch andere überzeugen oder
sie damit provizieren, dass seine Religion die beste sei.
Viele sagen: Nerv‘ uns nicht damit, wir sind hier in
der Schule und haben keine Lust, uns über das Abschlachten von Christen zu unterhalten. Warum geht
er in eine Moschee, wo ihm so etwas eingetrichtert
wird? Ich finde es schade, wenn durch solche Äußerungen die in ihrer großen Mehrheit friedlichen Muslime
von vielen Menschen gleich in die gewalttätige Ecke
gerückt werden. Wenn man in eine solche Richtung
denkt wie dieser Mitschüler hat das nichts mit dem
Glauben zu tun. Kein Glaube ist daran interessiert, anderen Menschen zu schaden.
Ich wünsche mir von allen Religionen mehr Offenheit füreinander. An meinem evangelischen Glauben
gefällt mir, dass er mir Freiheiten lässt. Mein Glaube
lehrt mich, anderen offen und respektvoll zu begegnen. Wenn ich zum Rhamadan eingeladen werde, feiere ich mit. Ich verliere meinen Glauben dadurch nicht,
aber ich gewinne Einblicke, die mich bereichern. Bei
uns zu Hause ist jeder herzlich willkommen, ohne dass
wir ihn bekehren wollen. Jede Religion muss erstmal
in ihrem eigenen Garten aufräumen, damit wir irgendwann gemeinsam eine Grillparty feiern können.
Prof. Dr. Christian Troll,
Experte für christlichmuslimische Begegnung
„Die Auslegungen des Koran und
der Sunna sind in Deutschland
willkommen, die mit den Werten
und Idealen seiner Verfassung
voll in Einklang stehen.“
Moderation:
Guido Schulenberg, Radio Bremen
Weitere Gäste
Ismail Baser, Vorsitzender der Schura in
Bremen und Prof. Mouhanad Khorchide
Nordwestradio sendet das Stadtgespräch
am 22. April ab 21.05 Uhr in der Sendung
„Glauben und Wissen“
Dialog und Differenz
Vom Glauben sprechen in einer
multireligiösen Gesellschaft
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung
mit Prof. Dr. Klara Butting
und Prof. Dr. Thomas Schirrmacher
16. April 2015, 19.00 Uhr
Gemeindehaus St. Pauli,
Große Krankenstraße 11
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015
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Ostern ins
Museum
Emile Bernard
in der Bremer Kunsthalle
Landschaften
in der Weserburg
Weserburg | Museum für moderne Kunst
Bernard in der Bremer Kunsthalle
Der große Unbekannte
Martin Luther
und die Welt der Bilder.
Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Oldenburg
Er zählt zu den experimentierfreudigsten und zugleich
eigensinnigsten Künstlern des späten 19. und frühen 20.
Jahrhunderts. Aber kaum jemand kennt Emile Bernard
(1868-1941), der im Dialog mit seinem berühmten
Zeitgenossen Paul Gauguin den Symbolismus in der
Malerei begründete. Das will die Bremer Kunsthalle mit
ihrer aktuellen Sonderausstellung ändern. Unter dem
Titel „Emile Bernard - Am Puls der Moderne“ zeigt das
Haus die bundesweit erste umfassende Werkschau, die
auch das kaum bekannte Spätwerk des Malers einbezieht.
Reger Briefwechsel mit van Gogh
Mit Henri de Toulouse-Lautrec studierte Bernard in
Paris. Paul Cézanne inspirierte ihn in Aix-en-Provence.
Vincent van Gogh war sein Freund. Die Schriften und
die Korrespondenz Bernards mit van Gogh, Gauguin
und Cézanne zählen zu den kunstgeschichtlichen
Hauptquellen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die
Bremer Kunsthalle präsentiert in Kooperation mit dem
Pariser Musée d‘Orsay gut 120 Werke von Bernard,
darunter Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken,
Buchillustrationen und kunsthandwerkliche Arbeiten.
Auch zahlreiche Motive mit biblischen oder religiösen
Bezügen finden sich in Bernards Bremer Werkschau
wieder.
Anzeigen
6
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
Inspiriert von der Bretagne
Suche nach idealer Schönheit
Daneben und zum Vergleich hängen ausgewählte
Werke von Toulouse-Lautrec, van Gogh, Gauguin und
Cézanne. „Bereits als ganz junger Künstler gehörte
Bernard zur Pariser Avantgarde, zog mit ToulouseLautrec durch die anrüchigen Lokale am Montmartre“,
erläutert Kuratorin Dorothee Hansen. „Dennoch ist
sein Schaffen heute viel weniger bekannt als das seiner
Mitstreiter, zeitlebens stand er in ihrem Schatten.“
Hansen sieht ihn als schillernde Künstlerfigur. Mit
seinen farbintensiven und dekorativen Gemälden aus
den späten 1880er Jahren setzte er zusammen mit
Gauguin entscheidende Impulse für den Symbolismus,
der sich mit Seelenzuständen, Ängsten und Träumen
beschäftigte. Die Menschen in der Bretagne, ihre
Urtümlichkeit und Religiosität, aber auch die raue
Natur inspirierten ihn zu seinen wichtigsten Werken.
„Auf der Suche nach einer unberührten Welt ging
Bernard für zehn Jahre nach Kairo und entdeckte
neue Motive wie träumerische Haremsfrauen, die auf
dekorativen Sofas lagern“, beschreibt Hansen. Um
die Jahrhundertwende regten ihn dann Reisen nach
Spanien und nach Venedig dazu an, sich mit den alten
Meistern und der italienischen Renaissancemalerei
zu beschäftigen, also wieder klassischer zu arbeiten.
Großformatige Aktdarstellungen zeugen von seiner
Suche nach idealer Schönheit. Mit der „blauen
Kaffeekanne“ von 1888 besitzt die Kunsthalle ein
frühes Hauptwerk des innovativen Künstlers. In ihrem
Eigentum ist außerdem ein besonderer Schatz aus
seinem Werk: ein Klebealbum mit mehr als 850 seiner
frühen Zeichnungen, die der Künstler selbst gesammelt
hat. Eine Fülle von Skizzen in unterschiedlichsten
Techniken und Stilrichtungen, die zugleich von seinem
persönlichen Umfeld erzählen: vom Hündchen der
Familie, über seine Mutter am Klavier bis hin zu den
Tänzerinnen in Paris.
Vielfalt und kreative Freiheit“, schwärmt KunsthallenDirektor Grunenberg. Kuratorin Hansen ist überzeugt,
Bernards Leben spiegelt einen rasanten Ritt durch
die Kunstgeschichte: „Und zugleich ein Leben voller
Brüche und Visionen, aus dem ein berührendes und
faszinierendes Werk entstanden ist.“
Text: Dieter Sell
Fotos:
Bremer
Kunsthalle/
Weserburg/
Landesmuseum Oldenburg/ Museen Stade
Das (verlorene) Paradies
Expressionistische Visionen
zwischen Tradition und Moderne
Kunsthaus Stade
Stilistische Vielfalt und kreative Freiheit
Infos zu den Ausstellungen und den
Öffnungszeiten an den Feiertagen unter
In der experimentellen Skizzensammlung finden sich
auch ein Porträt seines Freundes van Gogh sowie
Zeichnungen von Bernards Wanderung durch die
Bretagne, die er im Alter von 18 Jahren unternahm.
Sie dokumentieren seine Suche nach einem eigenen
künstlerischen Weg. „Bernard praktizierte stilistische
www.bernard-bremen.de
www.weserburg.de
www.landesmuseum-ol.de
www.museen-stade.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015
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„Ich habe
gelernt, aufzutanken“
„Ich bin
zurück im Leben“
Abderahim Madani
An den Tag, an dem er von Ladendieben brutal nieder­
geschlagen wurde, kann sich Abderahim Madani
selber nicht mehr erinnern. Kollegen haben ihm
berichtet, was passiert ist. Denn der heute 47-jährige
gebürtige Algerier lag nach dem Angriff mit schweren
Kopfverletzungen vier Wochen lang im Koma. „Ich
habe als Kaufhausdetektiv für eine große Handelskette
gearbeitet. Eines Tages kamen mehrere Männer in die
Filiale. Ich saß an der Kameraüberwachungsanlage und
bemerkte gleich, dass sie sich verdächtig benahmen. In
der Kassenzone habe ich auf sie gewartet. Zwei der
Männer habe ich angesprochen und sie gebeten, mir
ins Büro zu folgen. Ein dritter kam auf dem Weg ins
Büro irgendwo hinter mir heraus.“
„Die ußtritte habe ich
nicht mehr mitbekommen“
Ein Schlag auf den Kopf von hinten, Madani geht zu
Boden. Sein Kopf schlägt mit voller Wucht auf den
Steinboden auf. Die Täter treten den Schwerverletzten
immer wieder gegen den Kopf. „Die Fußtritte habe ich
nicht mehr mitbekommen, das war ich schon ‚raus‘!“
Am ganzen Körper zitternd liegt Madani am Boden,
weißer Schaum tritt aus seinem Mund. Als Kollegen
zur Hilfe eilen, täuscht einer der Täter vor, eine Waffe
zu haben. Die Kollegen weichen aus Angst zurück, die
Täter fliehen mit einem draußen geparkten Auto. Der
schwerverletzte Madani kommt sofort ins Krankenhaus.
„Als mir die Kollegen hinterher erzählt haben, wie sich
das Ganze abgespielt hat, habe ich geheult.“
Vier Wochen im
oma
Erst vier Wochen später erwachte Madani aus dem Koma.
„Ich wollte zum Klo gehen und bin sofort gefallen, denn
8
ich konnte nicht mehr gehen. Meine Schädeldecke war
seit einer Operation seitlich an einer Stelle geöffnet. Ein
Teil meines Gehirns war unwiederbringlich geschädigt
und wurde entfernt.“ Nicht nur die Erinnerung war
ausgelöscht, Madani konnte nicht mehr sprechen.
„Vier Wochen im Koma das ist, als wenn du schon fast
tot bist. Die Ärzte waren sich unsicher, ob ich jemals
wieder aufwachen würde.“ Zur weiteren Behandlung
kommt Madani ins Neurologische Rehazentrum
Friedehorst. „Da war ich hervorragend aufgehoben. Ich
brauchte für alles Unterstützung, weil ich nichts mehr
konnte. Ich war schwer behindert und sah aus wie ein
Zombie. Beim ersten Blick in den Spiegel erschrak ich,
denn mein Schädel war nur mit Haut verschlossen,
das herausgeschnittene Teil der Schädeldecke lag
noch im Krankenhaus-Kühlschrank.“ Es folgt ein
Reha-Marathon: Ergo-, Sprach- und Physiotherapie,
Schwimmen und psychologische Betreuung, um das
traumatische Geschehen zu verabeiten. „Ich hatte von
morgens bis zum späten Nachmittag Therapien, die
mich langsam wieder auf die Beine gebracht haben.
Wie ein neugeborenes Baby habe ich alles von Null
auf wieder gelernt: Waschen, Anziehen, zum Klo
gehen, Essen, ins Bett gehen. Vor allem das Sprechen
und Verstehen-lernen hat mich viel Kraft gekostet. Mit
Spielen für Kindergartenkinder habe ich am Computer
Aufgaben gelöst, um mein Gehirn wieder anzulernen.
Bis heute kann ich nicht lesen oder rechnen. Mit Zahlen
kann ich gar nichts anfangen, obwohl ich in Algerien
Wirtschaftsmathematik studiert habe. Ich habe eine
Betreuerin, die mir z.B. Briefe vorliest.
„Die
rzte haben mich
zurück ins Leben geholt“
Jeder Fortschritt im Alltag hat mit während der
Reha Spaß gemacht, denn ich habe gemerkt, dass
ich schrittweise ins Leben zurückkehre. „Die Ärzte im
Krankenhaus haben mich zurück ins Leben geholt,
aber Friedehorst hat mir das Leben auch gerettet, weil
ich hier in den Alltag zurückkehren konnte.“ Madani
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
war schnell klar: „Hier möchte ich bleiben. In den Beruf
zurück kann ich nicht. In meiner Wohnung in Friedehorst
fühle ich mich wohl, denn hier ist es ruhig und grün. Bei
lauter Musik, Verkehrslärm oder lautem Reden bekomme
ich schnell Kopfschmerzen. Oft wache ich morgens
schon mit Kopfschmerzen auf. Das sind Spätfolgen des
Überfalls, die bleiben werden. Die Polizei hat die Täter
gefasst. Der bereits mehrfach vorbestrafte Haupttäter
ist zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt
worden, aber noch immer auf freiem Fuß. Über die
Revision wird im Mai entschieden, fast drei Jahre
nach der Tat. Mir ist nur wichtig, dass der Täter seine
Haftstrafe antritt, damit er Zeit hat nachzudenken.“
Frieden und
espekt
vor dem Leben Anderer
Bis heute leidet Madani an einer posttraumatischen
Belastungsstörung. „Ich fühle mich draußen oft
verfolgt, manchmal muss ich die Straßenseite wechseln,
vor allem wenn ich Gruppen mit jungen Männern sehe.
Dann kommt die Angst wieder hoch, mein Herz pocht
und die Beine werden weich, ich kann nicht rennen,
obwohl ich Panik habe.“ Seit einem Jahr hilft Madani
einmal wöchentlich auf einer Friedehorster Pflegestation
Senioren beim Frühstück. „Brote schneiden und
belegen, Essen anreichen. Ich weiß ja, wie es ist, wenn
man seine Hände nicht bewegen kann.“ Die Arbeit
macht ihm große Freude. „Ich war auch schon mehrfach
in Schulen und habe meine Geschichte erzählt. Die
Begegnungen mit den alten Menschen und Schülern
machen mir Mut. Ich bin wieder ein Teil dieser Welt und
möchte weiterleben, denn das Leben ist schön. Ich war
fast tot und bin jetzt zurück im Leben. Ich bin Moslem,
aber ich kenne die Geschichte von Jesus, der auch aus
dem Tod ins Leben zurückgekehrt ist. Christen und
Muslime haben nur unterschiedliche Wege zu einem
Gott. Angesichts der Gewalt, die ich erlebt habe, denke
ich täglich darüber nach, warum es soviel Hass in der
Welt gibt. Unser Glaube fordert uns doch zu Frieden
und Respekt vor dem Leben Anderer auf!“
Gude Dose
„Ich wollte von der
frei sein“
Lange Zeit schob Gude Dose die Signale beiseite. Sie
wünschte sich einen Neuanfang, etwas musste sich in
ihrem Leben verändern, dieses Gefühl hatte sie schon
lange. Äußerlich stimmte alles: Die heute 51-Jährige
hatte eine gut etablierte Praxis für Stimm- und
Sprachtherapie mit acht Mitarbeiterinnen, war beruflich
erfolgreich und bei ihren Patientinnen und Patienten
anerkannt. „Ich habe vor allem mit eingeschränkten
Kindern und Jugendlichen im Bereich Bewegung und
Sprachegearbeitet – beides hängt ja eng zusammen.“
Doch die therapeutische Arbeit und die Verantwortung
für den großen Praxisbetrieb zehrten an ihr. „Nach 13
Jahren war ich ausgebrannt, was ich erst im Nachhinein
verstanden habe. Ich war total erschöpft und wollte
raus aus diesem Arbeitsfeld. Ich habe zwei Kinder
bekommen, hatte eine Trennung zu verarbeiten, viele
persönliche Schicksalsschläge. Doch ich habe immer
weitergearbeitet, mir nie Zeit für eigene Bedürfnisse
genommen. Ich bin nur noch wie durch einen Tunnel in
die Praxis gefahren und war nach der Arbeit für meine
Kinder da. Sogar die Mittagspause habe ich noch mit
einer Therapie gefüllt.“
„Mittendrin und auf der
uche“
Gude Dose besucht ein Berufsorientierungsseminar, kommt
dann in den Kurs „Mittendrin und auf der Suche“ bei „Frau
und Arbeit“. Dort bietet die Bremische Evangelische Bildung,
Biographiearbeit und Beratung für Frauen an, die nach
einer neuen beruflichen Zukunft oder einem Wiedereinstieg
suchen. „In dem Seminar tauchte das erste Mal seit langem
wieder die Frage auf: Was willst du eigentlich, wo liegen deine
Fähigkeiten?“ Schon nach der Geburt ihrer ersten Tochter
überlegte Gude Dose, wie sie sich ein anderes Standbein
aufbauen könnte. „Das ging aber nicht neben meinen Rollen
als Mutter und Praxisinhaberin.“
elastung
Sie entschloss sich zu einem Schnitt. „Ich musste die
Baustelle ‚Praxis‘ für mich beenden. Aus geordneten
Verhältnissen habe ich einen ziemlichen Wechsel
vollzogen.“ Der bedeutete auch wirtschaftliche
Unsicherheit. Wohin ihre berufliche Reise künftig gehen
sollte, war ihr zunächst unklar. „Aber ich wollte mich
von der Belastung frei machen, weil mir die Arbeit keine
Freude mehr machte. Früher bin ich öfter ins Ausland
gegangen und habe auch alles hinter mir gelassen, um
den Kopf frei zu kriegen. Mit der Verantwortung für
Kinder geht das natürlich nicht.“
Eine neue, kleinere
raxis
Die Suche nach einem Neuanfang war schwieriger,
als gedacht. „Ich hatte die Vorstellung, innerhalb
eines Jahres ein neues berufliches Profil zu entwickeln.
Ich wollte eigentlich aus dem Therapie- und
Beratungsbereich raus, hatte Lust zu gärtnern oder
etwas ganz anderes zu machen.“ Zwischendurch jobbt
sie auf Honorarbasis als Integrationspädagogin,
übernahm einzelne Sprachtherapien in der Praxis
einer Kollegin und bot Seminare zu ‚Gesundheit und
Stressbewältigung‘ an. Dann der entscheidende
Anstoß: „Eine Freundin hat mich darauf gebracht, eine
Fortbildung zur Traumatherapeutin (SE) zu beginnen.
Eigentlich wollte ich gar nicht mehr therapeutisch
arbeiten.“ Gude Dose entschied, Traumatherapie mit
Sprach- und Stimmtherapie zu verbinden. Sie eröffnete
eine neue, im Vergleich zu früher kleinere Praxis für
Trauma- und Sprachtherapie und beantragte 2013
wieder die Kassenzulassung als Sprachtherapeutin.
wiedergefunden, stelle mich nicht mehr selber in
Frage, wie früher. Dazu haben mir auch die Frauen bei
„Mittendrin und auf der Suche“ geholfen.“ Sie kenne ihre
eigenen Grenzen heute besser. „Ich grenze bewusster
meine Rolle ein. Früher bin ich in Therapien oft über
meine Grenzen hinausgegangen.“ Der Neuanfang habe
ihr gut getan, meint Gude Dose. „Ich kann endlich so
arbeiten, wie ich arbeiten möchte. Für mich war die
Einsicht heilsam, dass ich die Welt nicht rette, sondern
anderen Menschen nur Anstöße gebe, ihre Situation
zu verändern. Jeder Mensch hat einen Container, in
dem er Kraftressourcen sammelt.“ Mit 51 Jahren hat
sie neue Pläne. „Ich würde gern in Krisengebieten
traumatisierte Menschen unterstützen. Wenn meine
Kinder mich nicht mehr so intensiv brauchen, würde
ich gern über Hilfsorganisationen für Kurzzeiteinsätze
in Katastrophengebiete gehen.“ Sie habe gelernt, auch
selber aufzutanken. „Beim Joggen, beim Singen oder
beim Ausdruckstanz finde ich neue Kraft. Ich muss aber
immer wieder daran arbeiten, mir dafür neben Beruf
und Familie genug Zeit zu nehmen.“
Text & Fotos:
Matthias Dembski
Frau & Arbeit
Bildung und Beratung
für Frauen mit
und ohne Erwerbsarbeit
„ ch kann heute arbeiten, wie ich möchte“
Renate Krieger und Kornelia Lerche
Telefon 0421/ 346 15 24
[email protected]
Gude Dose arbeitet heute anders als früher. „Nach
einem längeren Weg habe ich meine Kompetenzen
www.frauundarbeit.de
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Die Welt ist mir ein Lachen
mit ihrem großen Zorn,
sie zürnt und kann nichts machen,
all Arbeit ist verlorn.
Die Trübsal trübt mir nicht
mein Herz und Angesicht,
das Unglück ist mein Glück,
die Nacht mein Sonnenblick.
Zeichnung:
Elke R. Steiner
Zu Ostern
gibt es Humor
von der Kanzel
Bitte lachen!
Kennen Sie den?
Ruft die Ehefrau von unterwegs ihren Mann an und
sagt zu ihm: „Du, wir haben im Lotto gewonnen,
pack schon mal die Koffer!“ Antwortet der Mann:
„Oh, das ist ja herrlich, was soll ich denn einpacken,
Wandersachen für die Alpen oder meine Badehose
für das Meer? Antwortet seine Frau: „Ist mir total
egal! Hauptsache du bist weg, wenn ich nach Hause
komme!“
Wie befreiend kann es sein, über einen Witz herzlich zu
lachen? Es ist, als ob ein Panzer von von uns abfällt,
wenn Traurigkeit uns gefangen gehalten hat. Zu
Ostern darf gelacht werden. Es ist ein alter Brauch: Zur
Osterfreude gehörte früher ganz selbstverständlich das
Osterlachen, auch im Gottesdienst. Nun bricht man
ja nicht auf Kommando in schallendes Gelächter aus.
Also halfen die Pastoren ein bisschen nach. Man erzählte Witze oder sonderbare Geschichten von der Kanzel.
Lachen befreit – und wir feiern zu Ostern schließlich
das Fest des Lebens und der Befreiung. Wer möchte
nicht, dass die Belastungen von ihm abfallen und er
frei wird? Die zerstörerischen, tödlichen Mächte dürfen
wir einfach auslachen „Ihr habt keine Macht mehr über
uns. Ihr könnt uns nicht klein machen. Ihr könnt uns
keine Angst mehr einflößen. Gott ist stärker. Das Leben
siegt über den Tod.“
„Die Welt ist mir ein Lachen“, heißt es in einem
Osterlied. Zu dieser Freude gehört: Dass wir uns nicht
so ganz ernst nehmen. Dass wir nicht immer meinen,
es läge alles an uns, wenn etwas schief geht. Nein: Es
gehört zum Glauben an unseren Gott, dass man über
sich selber auch einmal lachen darf, dass man Fehler
einstecken und Fehlentscheidungen ertragen kann. Wir
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müssen nicht die Welt retten. Seit Ostern ist sie längst
gerettet. Ostern heißt, dass wir nicht endlos weiter
kämpfen, hetzen, rennen, schuften, weitermachen müssen. Ostern heißt: neuer Mensch und neue Welt. Jesus
hat unseren Lebensgeschichten eine Richtung gegeben. Sie drehen sich nicht im Kreis, sie haben einen
Anfang und ein Ziel.
Letztlich ist Ostern eine Spurensuche. Wir können
Ostern dem Mut, der Hoffnung und dem Neuanfang
auf die Spur kommen. Es sind meistens nicht die
starken, unversehrten Menschen, die uns nahe bringen,
was Auferstehung bedeutet. Es sind vielmehr jene,
die in ihrem Leben Umwege gehen mussten, deren
Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzt sind, deren
Körper und Seelen Narben aufweisen. Wenn sichtbar
wird, wieviel Mut und Hoffnung diese Menschen
ihren Belastungen entgegen setzen, dann fällt es
leichter, das neue Leben zu wagen. Der Glaube an
die Auferstehung und einen Neuanfang kann uns in
Krankheit und Schmerz, in Schuld und Trauer trösten
und stärken. Er hilft uns, Ungerechtigkeit und Hass zu
überwinden und die Lebensfreude neu zu entdecken.
Die Karwoche, die mit dem Palmsonntag beginnt,
spiegelt alle diese Gefühle: Jubel beim Einzug Jesu in
Jerusalem, die stärkende Gemeinschaft beim letzten
Abendmahl am Gründonnerstag, Schuld und Verrat,
Angst und Verzweiflung bei Jesu Hinrichtung am
Karfreitag. Doch das ist nicht das Ende: Mit der
Auferstehung zu Ostern schöpfen die Jünger Jesu wieder Hoffnung. Und auch wir können befreit aufatmen
und unseren Weg fröhlich weitergehen. Wir können
anderen erzählen, was wir gehört und gesehen haben.
Wir können von neuer Kraft und Lebendigkeit berichten. Ich freue mich, wenn möglichst viele von Ihnen zu
Ostern herzhaft lachen können.
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
Paul Gerhardt, Evangelisches Gesangbuch Nr. 112
Einen habe ich noch:
Drei Pastoren treffen sich und erzählen von ihren
Sorgen. Ein Problem haben alle drei. Sie haben
Fledermäuse im Kirchturm: Der erste jammert: „Ich
habe es mit Ausräuchern versucht. Kurz waren sie
weg, aber am nächsten Tag alle wieder da.“ Der
zweite klagt. „Auch ich habe den Kirchturm voll mit
Fledermäusen. Obwohl ich die Glocken immer besonders lange läuten lasse, bleiben sie, wo sie sind. Der
Pastor von Alt-Hastedt lächelt und sagt: „Ich habe
kein Problem mehr mit Fledermäusen, wisst ihr, was
ich gemacht habe? Erst taufe ich sie, dann konfirmiere ich sie und dann sind sie weg….“
Jörg Mosig
ist Pastor
in Alt-Hastedt
Übrigens: Falls Sie auch noch einen Witz für
das Osterlachen am Ostersonntag in Alt-Hastedt
beisteuern möchten: [email protected]
achen
Die Welt ist mir ein
Alle Ostergottesdienste in Bremen:
www.kirche-bremen.de
Alle Ostergottesdienste bundesweit:
www.ostergottesdienste.de
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Ostern
Seit Milliarden Jahren
ist die Sonne unser Lebensspender. Denn ohne Licht gäbe es uns nicht.
Die moderne Lichtforschung hat uns Solarzellen, Lasertechnik, Leuchtdioden (LEDs)
oder die Glasfasertechnik beschert. Die UNO hat deshalb das Jahr 2015 zum
„Internationalen Jahr des Lichts und der Lichttechnologien“ erklärt.
Auch die Bibel erzählt in der Schöpfungsgeschichte vom Licht.
Es steht am Anfang der Schöpfung, es ist die Grundlage für alles Leben.
www.jahr-des-lichts.de
Licht-Wunder
Nichts ist so effizient wie die Natur: Glühwürmchen geben 95 Prozent der erzeugten
Energie in Form von Licht und den Rest als
Wärme ab. Das schafft bislang noch keine
künstliche Lichtquelle . Die kleinen Käfer
brauchen sich nicht erst von der Sonne aufladen zu lassen. Ihre Zellen erzeugen über eine
chemische Reaktion eigenständig Licht.
ist der Sieg des Lichts über die Finsternis. Jesus
erscheint nach den Qualen der Kreuzigung
den Frauen an der offenen Grabhöhle wie eine
Lichtgestalt. Die Osterkerze, die in der Osternacht entzündet wird, symbolisiert die Auferstehung. Jesus selbst sagt von sich: „Ich bin
das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird
nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird
das Licht des Lebens haben.“
Johannes 8, Vers 12
Licht macht munter,
glücklich & gesund
Tageslicht macht wach, weil es die Produktion des Schlafhormons Melatonin
hemmt. Sonnenlicht setzt im Gehirn das Glückshormon Serotonin frei, das
eine gute Stimmung fördert. Die Sonne sorgt im Körper auch für die Bildung
des „Sonnenhormons“ Vitamin D3. Das stärkt unser Immunsystem und sorgt
für Wachstum. Deshalb freuen wir uns nach dem Winter mit seinen kurzen
Tagen auf den Frühling, der wieder mehr Licht bringt.
Kostenloser
Energielieferant
Tageslicht ist besonders hell. Selbst im trüben
November lassen sich draußen 5.000 Lux messen,
bei bedecktem Sommerhimmel 20.000 Lux, bei
Sonnenschein sogar bis zu 100.000 Lux.
Ob es sich lohnt, die Sonne als kostenlosen Energielieferanten für die private Energieproduktion
anzuzapfen, zeigt z.B. das Bremer Solarkataster.
www.solarkataster-bremen.de
Lichtverschmutzung
Die Nacht geht verloren: Je mehr künstliche Beleuchtung, desto heller erscheint der Himmel und desto weniger Sterne sind zu sehen.
Eine mittelgroße Stadt hellt den Nachthimmel im Umkreis von 25
Kilometern auf. „Skyglow“ (Himmelshelligkeit) nennen Forscher dieses Phänomen. Die Folgen der „Lichtverschmutzung“ für Ökosysteme
und die menschliche Gesundheit sind noch weitgehend unerforscht.
Ein Beispiel: Tagaktive Räuber-Tiere können länger jagen, nachtaktive
Beutetiere sind weniger geschützt. Eine Smartphone-App soll jetzt
helfen, weltweit die Himmelshelligkeit zu messen.
www.verlustdernacht.de
Dunkelheit
Blaue Stunde
ist in christlicher Tradition ein Zeichen für Trauer und Tod: „Mond
und Licht ist vor Schmerzen untergangen, weil mein Jesus ist gefangen“, heißt es in Bachs Matthäuspassion. Als Jesus am Kreuz stirbt,
herrschte vermutlich eine Sonnenfinsternis. „Um die sechste Stunde
brach eine Finsternis über das ganze Land herein bis zur neunten
Stunde“, so beschreibt es der Evangelist Matthäus. Es könnte sich
aber auch um einen Sandsturm gehandelt haben oder ein Unwetter,
das die Sonne verdunkelte.
Die Blaue Stunde tut gut: Blaues Licht
steigert die Konzentration, sagen englische
Forscher. Wer 30 Minuten in blaues Licht
schaut, ist so aufgeputscht wie nach drei
Tassen Kaffee. Blaues Licht soll Leistung,
Stimmung und Konzentration steigern, hebt
die Stimmung und verbessert die Konzentration. Diese Wirkung könnte mit einem vor
kurzen entdeckten Lichtrezeptor im Auge
zusammenhängen.
Städte in
neuem Licht
Wenn Städte ihre Beleuchtung auf moderne
LEDs umstellen, sparen sie mindesten 50 Prozent
Energie ein. Testpersonen loben die Farbtreue und
fühlen sich aufgrund der Helligkeit sicher. Würde
die gesamte deutsche Straßenbeleuchtung umgestellt, sparte das jährlich 1,6 Millionen Tonnen
klimaschädliches CO2 und 400 Millionen Euro. Im
Industriebereich ließen sich 5 Millionen Tonnen
CO2 einsparen, in Privathaushalten 4,5 Millionen
Tonnen (1,1 Milliarden Euro).
Haltbare
Energiesparer
Lichtemittierende Dioden (LEDs) ersetzen
zunehmend alte Glühlampen. Faustregel bei der
Umrüstung: Die Wattzahl der alten Glühbirne mal
zehn ergibt die Lumenzahl eines genau so hellen
LED-Leuchtmittels. Nach etwas über einem Jahr
rechnet sich der Anschaffungspreis. Während ihrer
15-jährigen Lebensdauer spart eine LED-Lampe rund
150 Euro Stromkosten und gut 440 Kilo
klimaschädliches CO2 ein.
Schnell
wie das Licht
Die Lichtgeschwindigkeit ist sprichwörtlich.
Von der Sonne bis zur Erde braucht das
Licht acht Minuten und 19 Sekunden. Mit
einem Auto würde diese Reise von gut 150
Millionen Kilometer bei 100 Stundenkilometern 170 Jahre dauern.
Und Gott sprach: Es werde Licht!
Und es ward Licht. 1. Buch Mose, Kapitel 1, Vers 3
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Infos
zum Kirchenasyl
Familie R. aus dem Kosovo
mit Pastor Lieberum
Hohe Erfolgsquote
2013 gingen 43 von 45 beendeten Kir­chen­
asylen positiv aus. Die Asylsuchenden bekamen mindestens eine Duldung und konnten
so in Deutschland bleiben.
Heiligtumsasyl
Kirchenasyl als Schutz und Schatz
Herberge für Heimatlose
Sie stehen mit zwei Koffern vor dem Gemeindehaus: Vater, Mutter und die beiden
Söhne. Der ältere Sohn spricht einigermaßen Deutsch und versucht, ihre Situation
zu beschreiben. Sie kommen aus dem Kosovo, sind über Serbien nach Österreich
geflohen. Als ihr Asylantrag dort abgelehnt wurde, flüchteten sie weiter nach Bremen.
Hier wohnen schon Bekannte, bei denen sie aber nicht bleiben können.
So oder ähnlich beginnen manche Geschichten, in denen das Schicksal von Flüchtlingen
die Menschen unserer Kirchengemeinde berührt. Seit viereinhalb Jahren bin ich als
Pastor in der Neustadt tätig und habe auf diese Weise Menschen aus Nigeria oder
Syrien, dem Irak oder Iran, aus dem Kosovo oder aus Afghanistan kennengelernt.
Manche waren nur ein paar Tage bei uns. So konnten sie die sechsmonatige Frist
überbrücken, nach der sie nicht mehr in das Erstaufnahmeland abgeschoben werden
durften.
Die eingangs beschriebene Familie hat eineinhalb Jahre bei uns „gewohnt“. Ihre
„Wohnung“ war erst ein, später waren es zwei Zimmer. Ein eigenes Bad oder eine
eigene Küche gibt es bei uns nicht, von Privatsphäre kann kaum die Rede sein.
In dieser Zeit haben wir uns kennengelernt. Nach dem Ende des jugoslawischen
Bürgerkrieges gilt der Kosovo inzwischen wieder als sicheres Land. Doch diese Familie
wurde aufgrund ihrer ethnischen Herkunft weiterhin schikaniert und ihre Konditorei
in Belgrad zerstört. Sie wurden geschlagen und unter Druck gesetzt. Von ihrem
Schicksal haben sie uns erzählt und wir wissen: Diese Familie ist so traumatisiert,
dass eine Rückreise dorthin nicht vorstellbar ist.
Wir haben dem jüngeren 15-jährigen Sohn einen Platz an der Schule besorgt. Zuerst
wollte die Rektorin keine illegalen Kinder, dann hat sie aber nachgegeben. Die Familie
ist ihr hoch dankbar, der Sohn hat inzwischen den Wechsel in die Oberstufe geschafft.
Wir haben den Kontakt zu Anwälten vermittelt. Aus der Gemeinde haben Menschen
die Familie auf die Ausländerbehörde und später zum Sozialamt begleitet. Inzwischen
sind sie ausgezogen und wohnen in einer kleinen Wohnung. Die Mutter hilft nach wie
vor in unserer Gemeinde beim Frühstück, der Vater backt für unseren Seniorenkreis
Kuchen. Noch ist nicht alles sicher, aber die Aussichten sind gut.
Kirchenasyl ist kein rechtsfreier Raum, aber ein notwendiger Schutzraum in einem
laufenden Verfahren, eine Ruhezone für verfolgte und verängstigte Menschen. So
können sie mit Freunden und Anwälten erst einmal alles in Ruhe besprechen. Alle,
die in den letzten Jahren bei uns zu Gast waren, leben nach wie vor in Deutschland
–und zwar legal! Es fanden sich Wege und Möglichkeiten, die ohne das Kirchenasyl
nicht gefunden worden wären.Wir beherbergen Menschen unabhängig von ihrem
Glauben. Nicht wenige der Flüchtlinge waren Moslems. Als im Dezember letzten
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bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
Jahres die PEGIDA-Aufmärsche in Dresden begannen, haben wir in unserer Gemeinde
ein interreligiöses Weihnachtsessen veranstaltet. Als manche vor der Vermischung der
Religionen warnten, haben wir unsere Fahrradwerkstatt für junge Moslems geöffnet,
die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Neustadt leben und gebrauchte
Fahrräder zusammenbauen. So können sie sich freier in Bremen bewegen, gleichzeitig
entstehen Freundschaften und werden Ängste abgebaut. In der Begegnung mit dem
Islam lernen wir auch unsere Religion wieder neu kennen - und schätzen! Dafür sind
wir dankbar. Für unsere Gemeinde ist es keine Frage: Der Islam gehört zu Bremen und
zu Deutschland.
Wenn wir die Verzweiflung und die Not wahrnehmen, rückt eine rechtlich geforderte
Ausreise in den Hintergrund. Es darf nicht sein, dass Deutschland ganz formal auf
die Einhaltung starrer Regelungen pocht und die persönliche Leidensgeschichte der
Geflüchteten keine Rolle spielt. Jetzt plant der Gesetzgeber weitere einschneidende
Veränderungen: Wer ins Kirchenasyl flüchtet, soll künftig als untergetaucht gelten.
Damit würde sich die Frist auf 18 Monate verlängern, bevor man nicht mehr in das
Erstaufnahmeland abgeschoben werden kann. Eineinhalb Jahre zu überbrücken,
würde Flüchtlinge und Helfer jedoch überfordern.
Kirchenasyl ist weniger eine Rechtsfrage, sondern ein tiefes religiöses Gebot der
Nächstenliebe. Wer in Not ist – den müssen wir aufnehmen. „Ich bin ein Fremder
gewesen, und ihr habt mich aufgenommen“, so sagt es Jesus im Matthäus-Evangelium.
Wer Folter und Demütigung in seinem Heimatland und Unverständnis auf seiner
Flucht erlitten hat, der braucht Zuwendung und Menschen, denen er vertrauen
kann. „Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken, denn ihr seid auch
Fremdlinge in Ägypten gewesen.“ Diese Worte, gesprochen von Gott an sein Volk auf
der Wüstenwanderung, sind zeitlos gültig.
Christen glauben an den Gott, der sein Ebenbild in uns gelegt hat, unabhängig von
unserer Religion oder Nationalität. So wie wir Gott in Jesus, dem schutzlosen Baby
im Stall und später hingerichteten jüdischen Prediger, zu erkennen glauben, genauso
kann uns Gott heute aus ängstlichen und verzweifelten Gesichtern anschauen. Als
Kirche können wir die Augen verschließen und sagen: Staatliches Gesetz ist Gesetz.
Wir können aber auch die alten biblischen Sätze heute ernst nehmen und erleben,
welche Kraft unsere Religion mit ihrem Einstehen für Benachteiligte entfalten kann.
Das Kirchenasyl ist nicht nur ein notwendiger Schutz für die Betroffenen, sondern
auch ein kostbarer Schatz für unsere ganze Gesellschaft.
Ein Ursprung des Kirchenasyls ist das in
vielen Religionen bekannte „Heiligtumsasyl“.
Wer sich in „heiligen Räumen“ wie Tempeln
aufhielt, war vor den Nachstellungen seiner Verfolger sicher. Wurde der Schutzraum
verletzt, zog dieser Frevel in vielen Kulturen
göttliche und teils auch weltliche Strafen
nach sich.
222 Kirchenasyle
Die Bibel
Schon im Alten Testament wird über Tempel­
asyle berichtet. So floh König David vor
Saul zum Propheten Samuel nach Rama. Der
Heerführer Joab wiederum floh vor König
Salomo in den Tempel von Jerusalem. Das
Neue Testament verpflichtet Christen mehrmals, für die Rechte und den Schutz Verfolgter
einzutreten. Paulus schreibt im Brief an die
Römer: „Helft den Heiligen, wenn sie in Not
sind; gewährt jederzeit Gastfreundschaft!“
(Römerbrief, Kapitel 12, Vers 13)
Bundesweit gibt es aktuell 222 Kirchenasyle
mit mindestens 411 Personen, davon sind
etwa 118 Kinder. (Stand 10. März 2015) Vor
einem Jahr waren es nur gut 60 Fälle. Da es
öffentliche und stille Kirchenasyle gibt, sind
die genauen Zahlen nicht bekannt.
Grundgesetz
Kirchlicher Asylschutz
Bis ins frühe Mittelalter hatte die Kirche
eine starke Stellung. Beim römischen Kaiser
erreichte sie, dass der kirchliche Asylschutz
gesetzlich anerkannt wurde. In der Aufklärung
empfand man das Kirchenasyl als Behinderung
einer geordneten Rechtspflege. Bis zum 19.
Jahrhundert wurde es von allen europäischen
Staaten formell aufgehoben. Als ab den
1970er Jahren weltweit die Flüchtlingszahlen
in die Höhe schnellten, erinnerte man sich an
die Tradition des Kirchenasyls. 1983 gab es
das erste neuzeitliche Kirchenasyl in Berlin.
Befürworter des Kirchenasyls berufen sich auf
Artikel 4 des Grundgesetzes: „Die Freiheit des
Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses
sind unverletzlich.“
Es gibt Kritiker des Kirchenasyls, wie zuletzt
Bundesinnenminister Thomas de Maizière
(CDU): „Als Verfassungsminister lehne ich das
Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ab.“
Inzwischen ruderte er zurück und akzeptiert
das Kirchenasyl für Härtefälle.
Thomas Lieberum ist Pastor
in der Vereinigten Evangelischen Gemeinde Bremen-Neustadt
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Karl Stoevesandt
Gustav Greiffenhagen mit
seiner Tochter Maria
Friedrich
Denkhaus
Bremer Gemeinden
in der NS-Zeit
Drahtseilakt Bekenntnis
Gründonnerstag 1935: Vor dem Pfarrhaus des Bremer
St. Stephani-Pastors Gustav Greiffenhagen rotten sich
SA-Leute zusammen und grölen “Holt den Pfaffen
raus!“ Die Gestapo kommt und nimmt nicht etwa die
Randalierer fest, sondern holt Gustav Greiffenhagen
„zu seinem Schutz“ aus dem Haus und sperrt ihn ein.
Nach Ostern kommt er wieder frei, doch mit dieser
Inszenierung wird der Pastor daran gehindert, Karfreitag
und Ostern zu predigen.
Freidenkertum und Bolschewismus sahen. In einigen
Gemeinden regte sich jedoch Widerstand. In St. Stephani
und ihrer Tochtergemeinde Immanuel erkannte man
bald, dass die Führer-Ideologie, ein arisch-heldischer
Jesus sowie das menschenverachtende NS-System nicht
vereinbar waren mit der biblischen Botschaft und dem
christlichen Glauben.
früh Hitlers „Mein Kampf“ gelesen und ahnte, was kommen würde. Sie legte den Eid auf den „Führer“ nur unter
Vorbehalt ab, trat weder der NS-Volkswohlfahrt noch
dem NS-Lehrerbund bei und wurde aus dem Schuldienst
entlassen.
„Wüstenwanderung“ per Handwagen
Gegen das Führerprinzip in der Kirche
Der Nordbezirk von St. Stephani mit Pastor Fritz
Schipper wählte den Weg in den Untergrund: Sie zogen
Bibel und Abendmahlsgerät auf einem Handwagen
von Ort zu Ort, um der Gestapo zu entgehen und
versteckten Mitgliederlisten und Kollektengelder. Die
Gemeindehelferin Magdalene Groot-Stoevesandt schilderte diese Zeit später als „Wüstenwanderung“. Aus dem
Südbezirk kam offener Protest. Die schärfsten Kritiker
waren hier Gustav Greiffenhagen und die Lehrerin
Magdalene Thimme. Magdalene Thimme hatte bereits
Thimme und Greiffenhagen konnten sich u. a. auf
eine Reihe von Lehrerinnen stützen, die sich gerade wegen ihrer kritischen Haltung der StephaniGemeinde zuwandten – allen voran Elisabeth Forck
und ihre Schwester Thusnelde, ferner Maria Schröder,
Hedwig Baudert und Anna Elisabeth Dittrich. Auch
die Immanuel-Gemeinde mit ihrem Pastor Friedrich
Denkhaus löckte vielfach gegen den Stachel: Sie verweigerte den Hitlergruß, flaggte nicht und ließ eine Glocke
gießen mit der deutlichen Aufschrift „Die Reiche der
Welt gehören unserm Herrn und seinem Christus, und
er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Friedrich
Denkhaus lud „Landesbischof“ Weidemann zu einer
theologischen Disputation ein. Der kam auch, stellte
sich danach jedoch nie wieder einer solchen geistigen
Auseinandersetzung.
Der Hintergrund: St. Stephani war ab 1934 ein Ort, an
dem sich Widerstand gegen die NS-hörigen „Deutschen
Christen“ formierte. Ihr so genannter „Landesbischof“
Heinrich Weideman (1895–1976) organisierte Kirchen­
gemeinden nach dem Führerprinzip und lancierte
NS-Gefolgsleute in die Kirchenvorstände. Solches
Durchregieren von oben wurde von jenen Protestanten
begrüßt, die im Nationalsozialismus ein Bollwerk gegen
Anzeigen
Lehrerinnen im Widerstand
Bekenntnis-Synode gegen die Irrlehre
Am 24. Januar 1934 löste NS-Senator und Kir­
chen­
kommissar Otto Heider mit einem Handstreich
den Kirchentag, das Parlament der Bremischen
Evangelischen Kirche, auf. Nicht nur in St. Stephani
reagierte man darauf mit Empörung. Es folgten
die üblichen Schikanen: Hausdurchsuchungen,
Vorladungen, Verhaftungen, Verwarnungen. Vom 29.
bis 31. Mai 1934 trafen sich in Wuppertal-Barmen
138 Theologen und Laien, die dem Unwesen der
Deutschen Christen nicht länger tatenlos zusehen
16
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
wollten. Diese erste Synode der Bekennenden Kirche
verabschiedete die „Barmer Theologische Erklärung“,
die im Wesentlichen von dem Theologen Karl Barth
(1886-1968) verfasst worden war. Darin sprachen sich
die Unterzeichner entschieden dagegen aus, jemand
anderen als Jesus Christus als Heil und Vorbild anzuerkennen. Im Nachhinein, nach 1945, erkannten die
Teilnehmer ihren großen Fehler: Die Juden wurden in
dieser Erklärung mit keinem Wort erwähnt. Daran hatte
niemand gedacht. Einziger Bremer Vertreter in Barmen
war Gustav Greiffenhagen. Er brachte die Resolution
mit nach Bremen und wollte im Gemeindehaus von
Unser Lieben Frauen darüber berichten. Das wurde ihm
jedoch verboten, woraufhin der Arzt Karl Stoevesandt
sein Privathaus in der Kohlhökerstraße zur Verfügung
stellte. Rund 200 Menschen saßen und standen nach
Augenzeugenberichten in Zimmern, Fluren und auf
Treppen und hörten gebannt Greiffenhagens Bericht.
Bekennende Kirche in Bremen
Dieser 4. Juni 1934 gilt als Gründungsdatum der
Bremer Bekenntnisgemeinschaft. Nach der zweiten
Bekenntnissynode von Berlin-Dahlem im Oktober 1934
vollzog die Bekennende Kirche die radikale Trennung
von den Deutschen Christen und begann damit, eine
eigene Kirchenorganisation aufzubauen. Nach diesem
Vorbild wurde auch in Bremen ein Landesbruderrat
gebildet. Karl Stoevesandt wurde Vorsitzender des
Landesbruderrats. In den Rat entsandt wurden auch
Magdalene Thimme und Elisabeth Forck – zwei Frauen
in einem kirchlichen Leitungsgremium - das war neu!
Stoevesandt versuchte eine Spaltung seiner Gemeinde
in Deutsche Christen und Bekenntnisgemeinde zu verhindern – ein Drahtseilakt. Zweimal wurde er verhaftet,
jedoch wieder freigelassen. Das hatte er auch seinem
hohen Ansehen als Arzt zu verdanken.
Magdalene
Thimme
Verhaftet und suspendiert
Der vom Staat verlangte „Ariernachweis“ betraf auch
getaufte Juden. Sie waren deutsche Staatsbürger,
Christen und Mitglieder der Kirchengemeinden, galten
im Nationalsozialismus aber als „nichtarisch“ und wurden verfolgt. In der Bekenntnisgemeinde St. Stephani
hielt man jedocher weiter zu ihnen. Auch als sie
den Judenstern tragen mußten, wurden sie ermutigt,
weiter an den Gottesdiensten, Bibelstunden und am
Abendmahl teilzunehmen. Im Herbst 1941 begannen die Deportationen der Bremer Juden. In einem
Abendmahlsgottesdienst am 2. November verabschiedete St. Stephani öffentlich einige Gemeindemitglieder,
die getaufte Juden waren. Sie wurden mit Geld,
warmer Kleidung, Decken und Schuhen versorgt, in
der Annahme, sie würden zum Arbeitseinsatz in den
Osten geschickt. Dafür wurden Greiffenhagen und alle
Beteiligten in einem Brief denunziert und verhaftet, die
Lehrerinnen vom Dienst suspendiert, zu Geldstrafen
verurteilt und der Pastor – bereits im August 1939
eingezogen und in der Bremer Wehrmachtsverwaltung
tätig – versetzt.
Der frühere Gymnasiallehrer Diether Koch hat die
Vorgänge aufgearbeitet und schreibt: „Da geschah
nichts weiter als ein ganz unpolitischer Gottesdienst
und eine karitative Hilfeleistung - wenig genug angesichts der Bedrohung. Aber dies wenige, was dort
geschah, ..., zog über Jahre hinaus, bis nach Berlin und
München, seine Kreise. Offensichtlich hatte die kleine
Gemeinde mit ihrem Festhalten an Menschen jüdischer
Herkunft den Nerv nationalsozialistischer Überzeugung
getroffen.“
Text: Hanni Steiner
Fotos: Privat/ St. Michaelis-St. StephaniGemeinde/ Immanuel-Gemeinde
Widerstand in der
Bremischen Evangelischen Kirche
1933-1945
Literatur zum Thema in der
Landeskirchlichen Bibliothek
Franziuseck 2-4
Telefon 0421/55 97-287
[email protected]
Öffnungszeiten
Montag und Donnerstag 9 bis 17 Uhr
Dienstag, Mittwoch & Freitag 9 bis 13 Uhr
Ausführliche Biografien aus dem
evangelischen Widerstand in Deutschland,
auch aus Bremen, unter
www.evangelischer-widerstand.de
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015
17
Orgel
Schüler gehen auf
Entdeckungsreise zur Königin
der Instrumente
macht Schule
Lampendreher
Den Glasdeckel von der Lampe abzubekommen, ist gar
nicht so einfach. Jonas Supplieth steht auf der Leiter
und zieht an der Halterung. „Wo ist jetzt die Feder,
um das Ding herunter nehmen zu können?“, überlegt
der junge Mann. Schließlich klappt es und er reicht die
gläserne Abdeckung nach unten zu Barbara FeldmannRust (68). Die „Lampendreher“ helfen ihr heute beim
Frühjahrsputz. „Meine Deckenlampen kann ich nicht
mehr selber abnehmen, aber sie müssen dringend
sauber gemacht werden“, erzählt die 68-jährige, die
seit einigen Jahren in einer Seniorenwohnung lebt.
Selber auf die Leiter steigen mag die allein lebende
Neustädterin nicht mehr. „Früher hätte mir das nichts
ausgemacht, aber man wird halt älter.“ Ihr Sohn wohnt
weit weg in Nordrhein-Westfalen. „Der kann nicht mal
schnell für kleine Hilfsdienste vorbeikommen“, sagt
Feldmann-Rust, während sie die Lampenschale unter
der Dusche reinigt. Deshalb steigen Jonas Supplieth
und Jakob Bosien für sie auf die Leiter.
Lampen wechseln und Sofas schieben
Die beiden Studenten engagieren sich ehrenamtlich bei
den Lampendrehern, die Seniorinnen und Senioren bei
kleinen Reparaturen helfen. Ob nun der Wasserhahn
tropft, die Schublade klemmt, ein Bild angebracht, die
defekte Glühlampe gewechselt oder das Sofa an eine
andere Stelle gerückt werden soll – für solche kleinen
Dienstleistungen im Haushalt sind die Lampendreher
zur Stelle. Entstanden ist die Idee in der Jugendgruppe
„Connect“ der Habenhauser Paulus-Gemeinde, aber
zum Team gehören auch jüngere Senioren, die im
18
Ruhestand neue Herausforderungen suchen. „Bis zum
letzten Sommer habe ich mein Freiwilliges Soziales Jahr
bei den Johannitern gemacht“, erzählt Jonas Supplieth.
Jetzt studiert er Psychologie an der Fern-Uni Hagen
und engagiert sich in dem Projekt weiter für ältere
Menschen.
Kleine Handgriffe – große Wirkung
„Oft sind es kleine Handgriffe, die Menschen mit
eingeschränkter Bewegungsfähigkeit helfen“, sagt
Nicole Rosenberger, Leiterin der Johanniter-Senio­
ren­
begegnungsstätte in der Neustadt. „Wir machen
Handwerksbetrieben keine Konkurrenz, sondern vermitteln bei größeren Reparaturen an geeignete Fachfirmen.“
Die Seniorenbegegnungsstätte der Johanniter im
Buntentorsteinweg und der Pflegedienst „Vacances“
organisieren den kostenlosen Dienstleistungs-Service.
Mehrmals wöchentlich sind die Lampendreher in der
Neustadt und in den Stadtteilen links der Weser
unterwegs. Für ältere Menschen sei es manchmal
schwierig, Fremde in ihre Wohnung zu lassen, meint
Jonas Supplieth. Daher vermitteln die Johanniter die
Einsätze, um den „Kunden“ Sicherheit zu geben. „So
wissen die Senioren genau, wer um welche Zeit zu
ihnen kommt, damit keine ungebetenen Gäste in die
Wohnung gelangen.“
Unfallquellen beseitigen
Das Team der „Lampendreher“ hat sich auf seine
Einsätze intensiv vorbereitet. „Wir haben einen
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
Jugendliche organisieren
Haushalts-Service
für Senioren
Workshop zu altersbedingten Erkrankungen und
Erster Hilfe für ältere Menschen bei den Johannitern
gemacht“, erklärt Jonas Supplieth. Eine weitere
Schulung drehte sich um handwerkliche Fragen. „Wir
achten bei unseren Besuchen auch auf Stolperfallen,
Brand-Gefahren und Fluchtwege. Das ist gerade in
Wohnungen älterer Menschen wichtig, um Unfälle zu
vermeiden.“ Den Lampendrehern entgeht nichts. Der
Einsatz bei Barbara Feldmann-Rust ist nach einer guten
Stunde vorbei. Alle Lampen sind gereinigt. Ein kurzer
Plausch bei einer Tasse Kaffee, danach verabschieden
sich die „Lampendreher“ und machen sich auf den Weg
zu ihrem nächsten Einsatz.
Text & Fotos: Matthias Dembski
Lampendreher
Kontakt: Nicole Rosenberger
Seniorenbegegnungsstätte der Johanniter
Buntentorsteinweg 114
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„Wie schwer ist die größte Orgelpfeife?“ – Orgelbauer
Friedemann Seitz und seine Kollegin Haidy Ronke
sind umringt von Fünftklässlern des Ökumenischen
Gymnasiums, die ihnen Löcher in den Bauch fragen.
„15 Kilo, aber man muss sie genauso vorsichtig
behandeln, wie die kleineren Pfeifen“, erklärt Seitz.
Die Zinn-Blei-Legierung ist ein empfindliches Metall,
lernen die Schüler der Orgel-Arbeitsgemeinschaft, die
in der Oberneulander Kirche zu Gast sind. „Man
braucht trockene Finger, sonst hinterlässt man sofort
Abdrücke auf den Pfeifen“, ergänzt Haidy Ronke.
Mit ihrer Pfeifenblechschere zeigt sie den Schülern
an einem Blech-Muster, wie daraus eine Pfeife wird.
„Das fühlt sich ja an wie gehärtetes Gummi“, ruft
eine Schülerin, als sie das Blech in die Hand nimmt.
Stabilität bekommt die Pfeife erst, wenn das Blech um
die Pfeifenform gelegt und verlötet wird. „Trotzdem
darf sie beim Einbau nicht herunterfallen. Die Zinn-BleiMischung ist so weich, dass man eine große Pfeife auch
nicht über die Schulter legen und tragen darf, denn
dabei würde sie sich verformen.“
Orgelbauer im Schüler-Interview
Dass die Orgelbauer der Firma Ahrend gerade das
Oberneulander Instrument reinigen und warten, ist für
die Orgel-AG ein Glücksfall. Gemeinsam mit Kantorin
Katja Zerbst haben die Schülerinnen und Schüler
Interview-Fragen vorbereitet und auf Plakate geschrieben: „Wie lange dauert eine Orgelbauer-Ausbildung
und was lernt man dabei?“ Oder: „Warum ist ein leises
Klacken der Tasten zu hören, wenn man spielt?“ – Mit
der Kirchenmusikerin und dem Orgelbauer stecken die
Schüler ihre Köpfe ins Innenleben des Instruments,
das wegen der Reparaturarbeiten gerade von allen
Seiten geöffnet ist. Orgelbauer Seitz erläutert geduldig
die Hebelübersetzung der Tasten, die das Klacken
verursacht. „Das hört aber nur der Organist bei leisen
Stücken.“ Gespannt blicken die Schüler dem Orgelbauer
über die Schulter, als er die Register zieht und vorführt,
wie sich der Klang dadurch verändert. „Gibt es eigentlich Register, die man nicht miteinander kombinieren
kann?“, wollen sie wissen. „Nein, möglich ist alles, aber
nicht jede Kombination ist sinnvoll. Das Grundprinzip
der Orgel ist die Vervielfachung von Tönen. Aber wenn
man alle Register zieht, wird es vor allem laut, nicht
unbedingt schöner.“
Kirchen Führungen für Kinder und Jugendliche, die
dieses faszinierende Instrument kennen lernen möchten“, sagt Landeskirchenmusikdirektor Ansgar MüllerNanninga. „Nachwuchsförderung liegt uns am Herzen,
denn Kirchenmusiker haben schon jetzt und auch
künftig hervorragende Aussichten und einen Beruf, der
viele kreative Möglichkeiten bietet.“ Für die Schüler der
Oberneulander Orgel-AG geht ihre Entdeckungsreise
zur Königin der Instrumente nächste Woche weiter –
und die macht viel Spaß, da sind sie sich einig.
Text & Fotos: Matthias Dembski
Pfeifen aus Küchenrollen bauen
„Ich möchte die Schülerinnen und Schüler für das
Instrument begeistern“, sagt Kirchenmusikerin Katja
Zerbst, die gemeinsam mit der Schule die Idee für
die Orgel-AG hatte. Dabei geht sie kreative Wege. So
haben die Schüler aus Küchenrollen und Strohhalmen
„Orgelpfeifen“ gebaut, die tatsächlich funktionieren.
Natürlich können die AG-Teilnehmer auch selber auf
der Orgel spielen. „Die meisten haben Klavierunterricht.
Da ist es reizvoll, Klavierstücke auf der Orgel auszuprobieren, die andere klangliche Möglichkeiten bietet.“
Ein Schulhalbjahr können die Schüler die Königin
der Instrumente entdecken und später – so hofft die
Kantorin – vielleicht Orgelunterricht nehmen oder
eine Ausbildung als nebenamtliche C-Kirchenmusiker
machen. Das Oberneulander Projekt soll weiter Schule
machen. „Wir vermitteln gerne auch in anderen Bremer
Angebote für Kinder &
Jugendliche rund um die Orgel
Landeskirchenmusikdirektor
Ansgar Müller-Nanninga
Telefon 0421/330 31 11
[email protected]
Ausbildung zum nebenamtlichen
Kirchenmusiker (C-Kurs)
Start im Februar 2016
Infos & Voranmeldungen bei Katja Zerbst
Telefon 0421/205 81-17
[email protected]
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015
19
J
latschen
&
uchzen
K
H
ilfe untereinander ist
selbstverständlich
Knien ist für Kira schwierig – deshalb segnet
Pastor Henner Flügger sie zusammen mit den drei
Konfirmandinnen im Stehen. Ansonsten eine ganz
normale Konfirmation: Die Konfirmandin hat sich
fein gemacht und ist genauso aufgeregt wie alle, als
sie im Bremer St. Petri Dom zu ihrem KonfirmationsGottesdienst geht. Es ist ihr großer Tag, den sie sichtlich
genießt. Vor dem Altar dreht sich die 14-Jährige einmal
strahlend im Kreis und schaut sich ganz in Ruhe die
Gemeinde an. „Die Gäste waren scheinbar nur für sie
da“, erinnert sich Kiras Mutter Anke Willemer schmunzelnd. Die Konfirmandin selber zeigt ihre Freude auch
während des Gottesdienstes immer wieder: Sie juchzt,
jubelt und klatscht laut in die Hände – was den feierlichen Konfirmationsgottesdienst im Dom belebt, bei
manchen Gottesdienstbesuchern aber zunächst für
irritierte Blicke sorgt.
„W
„
enn‘s langweilig wird,
steht Kira einfach auf
Typisch Kira, die ihre Gefühle stets unmittelbar zeigt. Sie
äußert sich nicht mit Worten. „Egal ob sie eine ihr sympathische Person trifft oder der Konfirmandenunterricht
langweilig ist. Sie gibt eine direkte Rückmeldung“, sagt
Henner Flügger. Einmal, so der Pastor, sei sie mitten im
Unterricht aufgestanden und wollte nach Hause gehen.
„Da war meine Unterrichtsstunde auch tatsächlich nicht
gut gestaltet, es fehlte an Aktion und Abwechslung.“
Kira will gefragt werden, sie möchte nichts fertig vorgesetzt bekommen. So wie jede Jugendliche, die mit der
Konfirmation auch einen Schritt ins Erwachsenenleben
macht. Als sie die Bilder von der Freizeit in einem
Erinnerungsalbum anschaut, klatscht sie laut in
die Hände. Sie genießt es, wenn die Jungs in der
Gruppe Quatsch machen. Körperlicher Kontakt ist für
Pubertierende schwierig, in Kiras Konfirmandengruppe
ist das anders. Die Hand nehmen, beim Treppensteigen
helfen, das gehört selbstverständlich dazu. Die
Konfirmanden müssen sich nicht absprechen, wer Kira
beim Treppensteigen hilft. Es passiert einfach. Als es
nach der letzten Unterrichtsstunde im Gemeindehaus
ein Eis für alle gibt, lehnt Kira ab – und zieht ihre Hand
zurück. Sie lässt sich nichts aufdrängen, das wissen alle
in der Gruppe. Niemand versucht sie deshalb umzustimmen. „Der Umgang miteinander ist in einer inklusiven Konfirmandengruppe konzentrierter“, hat Henner
Flügger beobachtet. „Jeder schaut, was für Bedürfnisse
die Anderen in der Gruppe gerade haben und nimmt
darauf Rücksicht.“ Kira gehört selbstverständlich zur
Gruppe, so wie sie es kann und möchte. „Als wir das
letzte Abendmahl Jesu nachgestellt haben, war sofort
klar: Sie sitzt als Gastgeberin in der Mitte vor dem
Brot und dem Saftkelch, weil ihr das am leichtesten
fällt. Das war die Jesus-Rolle“, erinnert sich der Pastor.
D
ie Einladung zum
Unterricht wirft Fragen auf
Rückblick: Als Kira 13 Jahre alt war, bekam sie
die Einladung zum Konfirmandenunterricht wie alle
Gleichaltrigen. Mit ihrer „Beeinträchtigungsgeschichte“
sind die Eltern eigentlich durch. Kira ist anders,
aber darüber braucht man nicht ständig zu sprechen, meinen sie. Denn was sagt eine medizinische
Behinderungsdiagnose schon über ihr Kind und seine
Bedürfnisse aus? Doch der Brief bringt das Thema
„Behinderung“ ungewollt wieder auf die Tagesordnung:
Kann Kira zum Konfirmandenunterricht gehen und,
wenn ja, wie? „Wir wollten von Anfang an, dass unsere
Tochter auf jeden Fall teilnimmt und einen möglichst
kurzen Weg zum Unterricht hat“, erinnern sich die
Eltern.
„Sie sollte auf nicht-behinderte Jugendliche außerhalb der Schule treffen und Erfahrungen in einer
Gruppe Gleichaltriger sammeln.“ Ein Konzept für einen
„Inklusiven Konfirmandenunterricht“ gab es in der
Dom-Gemeinde zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Aber
die Gemeinde hat sich auf den Weg gemacht.“ Pastor
Flügger besuchte die Familie, um Kira kennenzulernen
und zu besprechen, welche Unterstützung sie braucht.
„E
Rückblickend, meinen die Eltern, sei die
Konfirmandenzeit „richtig gut“ gelaufen. „Eltern mit
beeinträchtigten Kindern sollten den Mut haben,
ihr Kind zum Konfirmandenunterricht anzumelden.
Unsicherheiten bestehen anfangs auf beiden Seiten –
bei den Unterrichtenden und bei den Familien. Wichtig
ist, damit offen umzugehen und zu schauen, wie die
Teilnahme möglich wird.“ Kira hatte eine persönliche
Assistentin, die sie auch nach der Konfirmation alle
zwei Wochen zur Jugendgruppe in der Domgemeinde
begleitet. Zusätzlich hat Christine Poppe vom
Inklusions-Team der Bremischen Evangelischen Kirche
Kira im Unterricht begleitet und dafür gesorgt, dass
Konzept und Methoden passen. Bald wird Kiras jüngere Schwester konfirmiert – noch eine ganz normale
Konfirmation im Dom. Kira freut sich auf den großen
Tag und den festlichen Gottesdienst und wird ihrer
Schwester kräftig Beifall klatschen.
Kiras
Konfirmation
Inklusiver
Konfirmandenunterricht
Individuelle Beratung
zu Angeboten und Unterstützungsmöglichkeiten
in Bremer Kirchengemeinden
Diakonin Christine Poppe
Team Inklusiver Konfirmandenunterricht
Telefon 0421/34615-75
[email protected]
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Text: Matthias Dembski
Fotos: St. Petri Dom-Gemeinde,
Matthias Dembski, Privat
„
s ist okay, dass ihre
Tochter laut ist
„Ein paar Monate später haben wir einen Mit­
kon­
firmanden auf der Straße getroffen, der ganz selbstverständlich ‚Hallo Kira‘ rief“, erinnert sich Peter Willemer.
Ein anderes Mal erkannte Kira Mitkonfirmandinnen
auf dem Fahrrad und freute sich, sie zu sehen. „Solche
Kontakte im Stadtteil sind uns wichtig, denn Kira geht
in Bremen-Nord zur Schule, wo es ein Förderzentrum für
motorische und geistige Entwicklung gibt.“ Doch das
„Experiment“ erfordert manchmal auch coole Eltern.
„Beim ersten Gottesdienstbesuch im altehrwürdigen
Dom beklatschte Kira den Pastor, was natürlich auffiel.
Ich habe mich erst entspannt, als sich einige ältere
Damen umdrehten. Die sagten mir freundlich und
direkt: Es ist okay, dass ihre Tochter laut ist“, erinnert sich
Anke Willemer. Sie hat während der Gottesdienste neu
entdeckt, wie empfänglich ihre Tochter für Stimmungen
ist. „Musik, aber auch Ruhe sind für sie wichtig.“
Die Konfirmationsgäste schicken
gute Wünsche für Kira per Ballon auf die Reise.
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bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015
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Die Künstlerin Marietta Armena
erinnert mit einer Ausstellung an
den Völkermord vor 100 Jahren
Gedenken an den Völkermord
in Armenien 1915
land, eigentlich um als Porträtmalerin das Geld für eine
Italienreise zu verdienen. Ihr Sehnsuchtsziel: Die Sixtinische Kapelle in Rom. Bis heute ist sie nicht da gewesen,
Bremen wurde ihre neue Heimat.
„Ich habe keinen Hass“
„Ich empfinde keinen Hass gegen die Türken. Mein
Großvater berichtete, wie ihm ein türkischer Arzt geholfen hat, der ihm eine anfängliche Typhus-Erkrankung
bescheinigte. Das rettetet ihn nach seiner Flucht in die
Sowjetunion vor der weiteren Deportation nach Sibirien. Dorthin sollte er als ehemaliger Großgrundbesitzer
und angeblicher „Ausbeuter“ deportiert werden. Er hat
uns immer eingeschärft: Tragt keinen Hass in Euch,
denn der tötet zuerst euch selbst. Ich habe Wut und
protestiere entschieden gegen die Verleugnungspolitik.
Aber ich habe keinen Hass.“
Erinnern statt vergessen
Auf dem Fußboden ihres kleinen Keller-Ateliers liegt
die ausgerollte Leinwand. Marietta Armena schwingt
ihren großen Pinsel sanft. Allmählich entsteht wie aus
einem Nebel die Struktur eines kaltblauen Flusses. Darin werden die scheinbar friedlich schlafenden Gesichter
von Menschen erkennbar. Sie treiben auf dem Rücken
liegend im Wasser. Die Bremer Künstlerin mit armenischen Wurzeln arbeitet gerade an einem Bild des Flusses Euphrat, der 1915 ein Schauplatz des Völkermordes
an ihrem Volk war. „Es ist schrecklich, wenn ich an dieses Leid denke. Die westlichen Länder haben damals zu
lange gewartet, Flüchtlinge aufzunehmen. Aber Syrien
als muslimisches Land hat armenische Christen aufgenommen.“ Geschätzte 1,5 Millionen Menschen kamen
zwischen 1915 und 1922 in dem kleinen Bergland ums
Leben, das zwischen der heutigen Türkei, Georgien und
Aserbaidschan liegt. Damals waren die christlichen
Armenier eine Minderheit im kriselnden Osmanischen
Reich, die schon lange unter Diskriminierung und Verfolgung litt. Nach einem Putsch der jungtürkischen
Nationalisten begann mit der Vertreibung und Verhaftung führender armenische Politiker und Intellektueller
die Vernichtung der christlichen Armenier und Assyrer,
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die die Regierung der Jungtürken als interne Feinde
ansah. Aus ethnischen und religiösen Gründen wurden
sie systematisch vertrieben, enteignet und massenhaft
getötet.
„Jede Familie hatte Opfer zu beklagen“
„Meine Trauer kann ich eigentlich nur durch meine
Kunst ausdrücken“, sagt Armena. „Jede armenische
Familie hatte Opfer zu beklagen, doch darüber zu sprechen, war bei uns ein Tabuthema. Meine Urgroßmutter,
eine damals sehr junge Frau, konnte mit ihrem kleinen
Sohn nicht vor der Vernichtung fliehen. Sie war sogar
bereit, um ihr Kind zu retten, Muslima zu werden. Was
aus ihr geworden ist, weiß niemand. Ein Onkel hatte
eine durchschossene Hand und soll in die USA geflohen sein. Man schweigt über solche Geschichten aus
Schmerz.“
Versöhnung erfordert Aufarbeitung
„Deutschland hat sich seiner Verantwortung für den
Holocaust an den Juden gestellt. Das ermöglicht es
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
kommenden Generationen, die Vergangenheit aufzuarbeiten wird. Das geschieht in der Türkei leider nicht,
aber die verdrängte Geschichte wird irgendwann hochkommen.“ Der Film von Fatih Akin „The Cut“ sei einer
der ersten Versuche, sich dem Völkermord zu stellen.
„Versöhnung kann es erst geben, wenn Schuld nicht
mehr geleugnet wird. Wer von der Türkei keine klare
Aufarbeitung dieser Geschichte fordert, macht sich mit
schuldig.“
„Uns gibt‘s noch, wir leben!“
Mit ihrer Ausstellung will Armena einen Beitrag gegen
das Vergessen leisten. „Armenien braucht mehr Austausch mit Deutschland und dem übrigen Europa.“ Das
Interesse an der leidvollen Geschichte ihres Landes sei
gering. „Ich möchte mit meiner Kunst Augen und Ohren öffnen“, sagt die Künstlerin, während sie in ihrem
Atelier eine Granatapfelzeremonie vorbereitet. Dafür
ritzt sie einen Granatapfel ein und entfernt die Krone,
um ihn dann vorsichtig zu öffnen. Diese traditionelle
Zeremonie will sie auch bei der Mahnwache für den
Völkermord am 24. April auf dem Bremer Marktplatz
zeigen. „Der Granatapfel ist die Frucht der Liebe.“ In
Armenien gilt er als Nationalfrucht. „Die Zeremonie
mit dem Granatapfel sagt allen: Uns gibt‘s noch, wir
leben!“
Text & Fotos: Matthias Dembski
27. März - 28. April
„Bilder gegen den Alptraum“
Ausstellung von Marietta Armena
im Bamberger Haus (VHS), Faulenstr. 69
24. April, 11.30-13.30 Uhr
Mahnwache auf dem Marktplatz Bremen
24. April, 16.30 Uhr
Gedenkveranstaltung
Gedenkstein Gustav-Deetjen-Allee/Ecke Parkstraße
u.a. mit Bürgermeisterin Karoline Linnert und
Schriftführer Pastor Renke Brahms
24. April, 20.00 Uhr
Armenisches Oratorium
von Chatschatur Awetisjan, Bremer Chorwerkstatt,
Kirche Unser Lieben Frauen
(Eintritt 10/ ermäßigt 6 Euro
www.freundeskreis-philoxenia.de
www.marietta-armena.de
www.genozid1915.de
Anzeigen
Neue Heimat in Bremen
Im Alter von acht Jahren begann Marietta Armenas
„Pilgerschaft zur Kunst“, wie sie es nennt. In Jerewan
in der damaligen Sowjetunion gewann sie einen
Kunstwettbewerb und bekam direkt einen Platz an der
Kunsthochschule. Die Kunst liegt in der Familie und
wird auch für Marietta Armena zum Lebenselixier. „Ich
habe unterschiedlichste Techniken gelernt und arbeite
gerne experimentell.“ Sie malt, stellt Keramiken her,
arbeitet als Bildhauerin und entwirft Drahtskulpturen,
die faszinierende Schatten werfen und auf diese Weise
ein zweites Gesicht haben. 1993 kam sie nach Deutschwww.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2015
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!
Projekte, Hilfe und Aktionen
TATENDRANG
In der „Nahtstelle“ begegnen
sich kreative Frauen
Lust auf einen schicken Wickel-Turban oder einen
Schlüssel­anhänger, der garantiert ein Unikat ist, oder
auf weiche Kugeln für Indoor-Boccia? – Was sich
alles aus Stoff und Wolle herstellen lässt, führt die
„Nahtstelle“ des Vereins für Innere Mission bei ihrem
Frühlingsmarkt vor: Tischdecken mit Ostermotiven,
de­korative Eierwärmer, individuell gestaltete Taschen,
Frühlings-Deko und Patchworkdecken gehören ebenso
dazu, wie eher ungewöhnliche Accessoires. So stellt
das Frauen-Projekt auch Therapieschürzen für demenzkranke Menschen her. „An diesen Schürzen kann man
knöpfen, Klettverschlüsse schließen oder alte Muster
ertasten, die frühere Erinnerungen wecken“, erläutert
Christine Glenewinkel vom Anziehungspunkt. Dafür
werden zum Beispiel alte Borten und Spitzen aufnäht.
„Diese Schürzen sehen nicht nur schön aus, sondern
bieten Beschäftigungsmöglichkeiten. Sie unterstützen
die Beweglichkeit der Hände und sind ideal für ruhelose Menschen, die an Demenz erkrankt sind“, ergänzt
Anne Driever. Immer wieder fließen Lebenserfahrungen
der ehrenamtlich aktiven Frauen in das Projekt ein. So
entstand die Idee, für eine krebskranke Freundin einen
Wickelturban zu entwerfen, den sie während einer
Chemotherapie tragen konnte. Mittlerweile sind diese
Turbane ein Dauerbrenner im Angebot der Nahtstelle.
Offen für alle Frauen
Das Projekt steht allen Frauen offen, die Lust am
Handarbeiten für einen guten Zwecke haben. Das Material
stammt aus Spenden, der Erlös kommt anderen Projekten
der Inneren Mission wie z.B. dem „Anziehungspunkt“
oder der Beratungsstelle „Willkommen“ für Flüchtlinge
zugute. „Wir arbeiten integrativ und inklusiv, d.h.
bei uns machen selbstverständlich auch Frauen mit,
die z.B. nach Therapien noch nicht wieder in ihrem
Beruf arbeiten können, aber zurück in den Alltag
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finden möchten. Auch Frauen, die nur wenig Deutsch
sprechen, sind bei uns willkommen“, betont Christine
Glenewinkel. „Wir möchten hier Barrieren abbauen.
Beim Handarbeiten begegnen sich ganz unterschiedliche Frauen und kommen ins Gespräch.“ Gerarbeitet
wird in Vierergruppen unter professioneller Anleitung
einer Schneiderin. „Die meisten Frauen sind einmal
wöchentlich für mindestens drei Stunden hier.“ Ein
„Schichtplan“ sorgt dafür, dass ein Arbeitsplatz frei ist.
Materialspenden willkommen
Inspirationen liefert das Material. „Je nachdem, was
vorhanden ist, entstehen sehr kreative Entwürfe.“ Die
Nahtstelle freut sich deshalb über Materialspenden wie
Stoffe, Wolle, Garne, Reißverschlüsse und Schnallen,
aber auch Perlen zum Besticken. „Am liebsten verarbeiten wir Naturmaterialien.“ Spenden können im
Anziehungspunkt in der Blumenthalstraße abgegeben
oder – bei größeren Mengen – zu Hause abgeholt
werden. „Auch Nähmaschinen können wir immer gut
gebrauchen, sofern sie noch gut in Schuss sind oder
keine ganz großen Macken haben.“
Ladenlokal und Werkstatt im Lloydhof
Auch der „BemerkensWert!“-Laden im Lloydhof bietet
dauerhaft Nahtstellen-Produkte zum Verkauf an. Dort
befindet sich auch die Werkstatt. Egal wo man seine
Ostergeschenke kauft: „Wir machen faire Preise, weil
wir möchten, dass sich jeder unsere kreativen und liebevoll gearbeiteten Handarbeiten leisten kann.“
bremer kirchenzeitung März 2014 · www.kirche-bremen.de
Text & Foto: Matthias Dembski
Nahtstelle
Frühlingsmarkt
Samstag, 28. März, 11 bis 18 Uhr
im Marienzimmer der
Kirche Unser Lieben Frauen
Eingang neben den Bremer Stadtmusikanten!
Kontakt
Christine Glenewinkel
Telefon 0421-3496768,
[email protected]
Werkstatt im
„BemerkensWert!“
Nadine Cordes, Hanseatenhof 3-9 (Lloydpassage)
Telefon 0421/168 39 648
[email protected]
Öffnungszeiten
MO, MI, FR 9.00 – 14.00 Uh
DI, DO 9.00 – 17.00 Uhr
Materialspenden
über den „Anziehungspunkt“ in der Blumenthalstraße 10
Öffnungszeiten
MO-DO 8.30-16.30 Uhr, FR 8.30-14.30 Uhr
www.innere-mission-bremen.de

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