Weitere Informationen zum Fiat 500 Topolino

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Weitere Informationen zum Fiat 500 Topolino
ZeitHaus
Automobile Klassiker
Fiat 500 Topolino – das erste italienische Volks-Automobil 1936-1955
Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – dies
ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren:
Automobile, die Maßstäbe definierten und anderen Herstellern als Vorbild dienten, sei es
technologisch, konzeptionell, im Design oder in der Produktionsweise. Der Fiat „Topolino“
gehört zweifellos zu diesem elitären Kreis. Er leitete in Italien die Massen-Motorisierung ein –
so, wie der Volkswagen Käfer in Deutschland.
„Giacosa, Senator Agnelli
möchte ein kleines Automobil
herstellen, ein ökonomisches
Modell, das für 5.000 Lire
verkauft werden kann. Glaubst
Du, dafür ein Chassis und
einen Motor konstruieren zu
können?“ – so erinnerte sich
„Topolino“-Schöpfer
Dante
Giacosa
seinen
später
in
Memoiren an die Worte seines Vorgesetzten. Dieser Antonio Fessia hatte Mitte der 30er Jahre
des 20. Jahrhunderts bei Fiat das Amt des Technischen Direktors inne. Beider Arbeitgeber
wiederum war Senator Giovanni Agnelli Senior, 1866 geborener Mitgründer und Präsident
der Fabbrica Italiana Automobili Torino – kurz FIAT.
Jungingenieur
war
damals,
Giacosa
1933,
erst
28 Jahre alt. Seit 1926 hatte
er bei Fiat Flugmotoren konstruiert und dabei gehöriges
Know-how erworben – und
Selbstbewusstsein.
Deshalb
kam seine Antwort ohne Zögern:
„Natürlich
kann
ich
das!“ Erst danach wurde ihm
klar, was die wesentliche Vorgabe
Agnellis
bedeutete:
5.000 Lire – weniger als die Hälfte, die Fiat für das bis dahin kleinste Modell, den Balilla, forderte. Giacosa später: „Uns stand ein unvergesslicher Kraftakt bevor.“ Schnell gefunden war
indessen ein Name für den Prototyp des Turiner Kleinwagens, neben dem sich Giacosa 1934
stolz von seinem Chef Fessia fotografieren ließ (siehe Foto): „Zero A“. „Zero“ wurde in
Erinnerung an das erste, noch vor dem Ersten Weltkrieg gebaute Fiat-Erfolgsmodell dieses
Namens gewählt; „A“ steht für „Aero“, weil das Auto in der Flugmotoren-Abteilung entstehen sollte.
Schnell fixiert war auch das Generalkonzept des neuen Kleinwagens: „Komfortabler,
kräftiger und stattlicher als die deutsche und französische Konkurrenz“ sollte er sein, wobei
aus deutscher Produktion DKW, Hanomag und Standard übertrumpft werden sollten.
Annähernd 15 PS wurden angestrebt, doch sechs italienische Steuer-PS (zu deren
Berechnung der Hubraum mit herangezogen wurde) durften nicht überschritten werden.
Folglich musste die Leistung aus maximal knapp 600 Kubikzentimeter Hubraum fließen.
Dabei galt Fiat-intern die restriktive Vorgabe, aus Gründen der Haltbarkeit eine Nenndrehzahl
von 4.000/min nicht zu überschreiten.
„Keinerlei Zögern“, so Giacosa, „gab es bei der Entscheidung für vier Zylinder, für
Frontmotor – und für Heckantrieb.“ Was die Wahl der Antriebsachse anbelangt, hatte der
junge Konstrukteur besonders schlagende Argumente: Einige Jahre zuvor testeten andere
Fiat-Ingenieure erstmals einen Frontantriebs-Prototypen. Der verunglückte anlässlich einer
Probefahrt schwer – Pech für dessen Entwickler: Senator Agnelli saß nämlich als Passagier im
Wagen. In vorauseilendem Gehorsam war Frontantrieb bei Fiat folglich tabu.
Gleichwohl
wurde
in Gestalt des Zero A,
der innerhalb von rund
zwei Jahren zum Fiat
500 reifte, ein höchst
innovatives kleines Automobil realisiert. Dabei stehen zwei Merkmale hervor: der bemerkenswerte Leichtbau und die Mitte der 30er Jahre noch ungewöhnliche Positionierungen
von Motor und Passagieren auf dem Chassisrahmen. Um Gewicht zu sparen, sind fast alle
Rahmenteile durchlöchert wie die Spanten eines Flugzeug-Flügels – wie der Rahmen des
Hochleistungs-Mercedes 720 SSKL. So gelang es, das Gewicht des kompletten motorisierten
und deshalb fahrtüchtigen Chassis auf 250 Kilogramm zu drücken. Nach Montage der
Karosserie wogen Zero-A-Prototypen kaum mehr als 500 Kilogramm.
Bis zum Erscheinen des Fiat 500 saß der Motor bei allen Heckantriebswagen zwischen
Vorderachse und Armaturenbrett. Giacosa rückte die Motor-Getriebe-Einheit so weit nach
vorn, dass nun der Reihen-Vierzylinder vor den vorderen Rädern hing und das Getriebe knapp
dahinter. Auch darin zeigt sich die Aero-Vergangenheit sowohl von Giacosa, als auch von
Fessia: Wie der Motor eines Fliegers vorn an der Kabine, so ist der Motor des kleinen Fiat vorn
am Rahmen montiert. Durch diese Verlagerung der Technik konnte in der extrem kompakten
Karosserie mehr Raum für zwei Erwachsene und (dahinter) für zwei Kinder oder Gepäck
geschaffen werden.
Trotz der für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Konzeption realisierten die FiatKarosseriebauer bemerkenswert harmonische Fahrzeug-Proportionen – ähnlich, wie dies ein
Vierteljahrhundert später beim nicht weniger revolutionären Austin Mini gelang. Und wie bei
diesem half auch beim Topolino ein optisch-technischer Trick bei der Generierung guten
Aussehens: Die Wahl eines im zeitlichen Kontext ungewöhnlich kleinen Radformats. Je kleiner
nämlich die Räder, desto stattlicher wirkt der Aufbau. So ließ Fiat eigens für den neuen
Kleinwagen bei Pirelli 15-Zoll-Reifen fertigen – üblich waren zuvor 18 Zoll und mehr. Alec
Issigonis, Schöpfer des britischen Mini, wagte Ende der 50er Jahre zugunsten eines
großzügigen Innenraums und guter Proportionen sogar zierliche 10-Zoll-Räder.
Produktions- und Materialkosten
sparen – so lautete die Devise bei der
Entwicklung des Fiat 500, sollte die
Vorgabe des Firmenchefs, Verkaufspreis
5.000 Lire, auch nur annähernd erfüllt
werden. Nach dem Motto „Was nicht ist,
kostet nichts“ konstruierte Giacosa den
500-Vierzylinder unter der Maxime des
Weglassens. So mussten zwei Kurbelwellen-Lager, vorn Rollenlager, hinten Kugellager, ausreichen. Fallbenzin aus einem hoch über dem Motor angebrachten Tank macht eine
Benzinpumpe entbehrlich. Die Thermosiphon-Wasserkühlung kommt ohne Wasserpumpe
aus. Selbst bei der Ausführung der Ölpumpe konnte gespart werden: Die hat lediglich die
Aufgabe, Schmierstoff zu den Pleuellagern und Zylindern zu befördern, dies ohne
Druckaufbau, da hier Spritzschmierung erfolgt. Schließlich sind die Ventile seitengesteuert,
weil dieses Prinzip der Gemischzuführung am preisgünstigsten zu produzieren ist.
Trotz aller Sparmaßnahmen und ungewöhnlichen Lösungen verfehlten Fessia und
Giacosa das von Agnelli gesetzte Verkaufspreis-Ziel. Als der von der Fiat-Verkaufsorganisation
„Fiat 500“ getaufte Kleinwagen am 15. Juni 1936 vorgestellt wurde, standen auf dem
Preisschild 8.900 Lire. Dennoch wurde das damals weltweit kleinste in Großserie gebaute
Automobil aus dem Stand zum Verkaufsrenner, dem seine Käufer wegen der wie
Mäuseohren abstehenden Scheinwerfer schnell den Kosenamen „Topolino“ („Mäuschen“)
gaben. In den Bauserien A, B und C bis 1955 gebaut, profilierte sich der Kleine als
Traumwagen der italienischen Mittelschicht, die dem Fahrrad, dem Motorrad oder dem
Motorroller entwachsen war.
Über eine halbe Million Mal wurde er gebaut, der
Ur-Cinquecento aus Turin, von 1951 bis 1955 zudem in
Neckarsulm 9.064 Mal als NSU-Fiat 500C und in
Frankreich als Simca Cinq in unbekannter Stückzahl.
Typisch italienisch bildete der 500 zudem die Basis für
zahlreiche Tuning- und Motorsport-Versionen – zum
Beispiel für Einsätze bei der legendären Mille Miglia.
Auch
Ferruccio
Lamborghini
begann
seine
Auto-Karriere
übrigens
mit
einem
leistungsgesteigerten Topolino.
Das ZeitHaus in der
Autostadt würdigt diese
italienische
Erfolgsge-
schichte mit der Präsentation eines 500B von
1949, der mit 21.623 Exemplaren rarsten Bauserie unter den Topolini.
Der B feierte nach Kriegsende sein Debüt, äußerlich rollte er wie das
Vorkriegsmodell einher. Doch unter der Motorhaube war er tiefgreifend modernisiert: Dank
hängender, statt stehender Ventile kann der B-Motor (Foto) freier atmen und leistet statt der
ursprünglichen 13 PS nun über 16 PS. Der Treibstoff wird fortan von einer mechanischen
Benzinpumpe gefördert – und sogar der Schmierstoff-Haushalt funktioniert mit konventioneller Druckpumpe.
Dieses Triebwerk übernahm 1949 auch der 500C (siehe Anzeigen-Motive auf der vorigen und
der nachfolgenden Seite), dessen Äußeres grundlegend im amerikanischen Stil modernisiert
worden war – und dem seine neckischen Mäuseohren zugunsten in die vorderen Kotflügel
integrierten Scheinwerfer abhanden gekommen waren. B und C konnten alternativ auch als
geräumigere, viersitzige Kombis gekauft werden, Belvedere und Giardiniera genannt.
Für Dante Giacosa war der Ur-500 nur der erste Schritt einer beispiellosen KonstrukteursKarriere: Von seinem Zeichentisch stammen alle Fiat-Automobile der 40er, 50er und 60er
Jahre. Darunter solche im Volkswagen-Stil mit Heckmotor (600, Nuova 500) und solche, die
nach des Senator Agnelli´s Tod (1945) Frontantrieb haben durften. Auch sein letztes Werk
kann im ZeitHaus besichtigt werden: Es ist der A 112 der Fiat-Tochter Autobianchi, der 1969
seine Premiere feierte, – 27 Jahre bevor Dante Giacosa 91-jährig in Turin verstarb.
Hersteller: Fiat S. A. / Baujahr 1949
Meilenstein Fiat 500 B „Topolino“
W elcher Stellenwert?
Die
Bedeutung
der
Fabbricia
Italiana Automobili Torino – kurz
FIAT – für die Motorisierung der
italienischen Massen ist vergleichbar mit der von Volkswagen in
Deutschland. Eine Hauptrolle spielte dabei seit Ende der 30er Jahre
der von Fiat-Konstrukteur Dante
Giacosa genial konzipierte 500, im
Volksmund
wegen
seiner
wie
Mäuseohren abstehenden Scheinwerfer
„Topolino“
(Mäuschen)
genannt.
W ann entstanden?
Als 500 (Serie A) feierte der kleine
Fiat 1936 Premiere. Mit modernisiertem Motor (hängende statt
stehende Ventile, 16,5 statt 13 PS)
erschien 1948 der 500 B, schon ein
Jahr später abgelöst vom technisch identischen, jedoch neu eingekleideten und bis 1955 gebauten 500 C.
W ie erfolgreich?
Fiats Kleinster war bis Mitte der 50er Jahre Italiens meistverkauftes Automobil: Insgesamt
fand er alternativ als 2+2-sitzige Cabriolimousine oder viersitziger Kombi über 520.000
Käufer. Am erfolgreichsten war dabei die letzte Bauserie 500C mit 376.371 verkauften
Exemplaren.
W elche W irkung?
Dante
Giacosas
500
setzte in der Geschichte
kleiner
Vollwert-Auto-
mobile
Zeichen:
mit
Leichtbau, guter Raumökonomie
und
hoch-
wertiger Technik. In Lizenz wurde der kleine
Fiat auch in Frankreich
(Simca) und Deutschland (NSU/Fiat) gebaut.
W elche Daten?
Reihen-Vierzylinder, wassergekühlt, 569 ccm, 12 kW/16,5 PS, Gewicht 600 Kilogramm,
Höchstgeschwindigkeit: 95 km/h; damaliger Neupreis des NSU-Fiat 500C ab 1951 (der Fiat
500B wurde in Deutschland nicht angeboten): 4.750 DM.
W eitere Informationen finden Sie unter www.autostadt.de
oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected]
Fotonachweis: Autostadt, Archiv Fiat SpA, bei einigen der abgebildeten Motive handelt es sich um zeitgenössische
Dokumente

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