Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen oder Die Tücke

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Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen oder Die Tücke
Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen oder
Die Tücke liegt im Detail
Bisher machte ich Einzelreisen z.B. in die USA, England, Dänemark, Italien, usw. und
Gruppenreisen für behinderte Menschen, z.B. mit dem nicht mehr existierenden Reisebüro
Egnatia Tours, welche eine Kooperation mit dem Lazarus Hilfswerk eingegangen war. Dieses
Reisebüro hat leider die Unterkünfte nicht vor Ort geprüft, was zu einigen Schwierigkeiten
geführt hat. Die Kosten für die "Betreuung" beliefen sich am Beispiel Bali statt öS 19.000,- auf
öS 29.000,- oder kamen in den USA statt öS 25.000,- auf öS 40.000,-. Wobei der
Betreuungsstandard von Reise zu Reise unterschiedlich war.
Anmerken möchte ich auch, daß behinderte Menschen oft nicht gemeinsam reisen möchten
sondern "integrativ", da sie, wenn sie in Gruppen irgendwo auftauchen, oft das Gefühl der
Ghettobildung haben.
USA
Die Zubringerbusse vom Flughafen zum Hotel sind für Rollstuhlfahrer das größte Problem. Da
ich wußte, daß es in den USA die Möglichkeit gibt, einen Bus mit einer ausklappbaren
Rollstuhlrampe anzufordern, reservierte ich bei meiner letzten USA-Reise diesen. Doch als ich
am Flughafen ankam, war nur einer normaler Bus mit den herkömmlichen Stufen da. Es kam
mit der Reiseleiterin und dem Buschauffeur zu einer Debatte, worauf ich ein Taxi nehmen
mußte und man von mir auch noch verlangte, dieses zu bezahlen. Ich weigerte mich, die
Taxikosten zu übernehmen hatte aber gleichzeitig das Glück, daß es in Las Vegas auch
Rollstuhltaxis gibt, die ohne Voranmeldung und Zusatzkosten von
Rollstuhlfahrern genutzt werden können.
Die Normen für behindertengerechtes Bauen sind in den USA und Österreich in einigen
Punkten verschieden. So haben wir bei längeren Rampen Zwischenpodeste, in den USA kennen
sie diese nicht. So ist es mir einige Male passiert, daß mich während der Fahrt über eine
Rampe die Kraft verlassen hat und ich nach hinten rollte. Einige aufmerksame Passanten,
fragten mich netterweise, ob sie mir helfen können.
Einen wesentlichen Unterschied gibt es auch bei den Teppichen. In unserer Norm B1600
fordern wir niedrigflorige Teppiche zu benützen. In allen Hotels Las Vegas habe ich nur
hochflorige Teppiche vorgefunden, mit der Konsequenz, am Abend einen Muskelkater in den
Oberarmen gehabt zu haben und nicht mehr zu wissen, wie ich am nächsten
Tag meinen Rollstuhl in Bewegung bringen soll.
Auch der Wendekreis im Badezimmer ist zur ÖNORM B1600 unterschiedlich. So ist der
Duschsessel direkt an der Wand der Badezimmertür angebracht, was zur Folge, nur seitlich
oder im 90 Grad Winkel übersetzen zu können.
Sehr angenehm waren die automatischen Türöffner, die beinahe bei jedem öffentlich
zugänglichen Eingang angebracht sind.
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Fluggesellschaften - Flughäfen
Vor einiger Zeit musste ich nach Bonn zu einem Kongress. Da ich keine
Begleitperson dabei hatte, weigerte sich die Lufthansa mich nach Bonn
mitzunehmen. Das Argument war, sie hätten nur zwei Stewardessen an Bord und wenn ich
Hilfe brauche, könne sie sich nicht um die anderen Fluggäste kümmern.
Ich musste dann einen Umweg über Berlin in Kauf nehmen. Anstelle der zwei Stunden
Direktflug, war ich dann beinahe den ganzen Tag unterwegs.
Bei der Tyrolean gibt es die Richtlinie, dass Rollstuhlfahrer nicht am Platz beim Fenster sitzen
dürfen - Grund: Falls ich Hilfe brauchen würde!
Bei der Reise in die USA gab es einen Rollstuhl an Bord und ein Behinderten-WC. Dieses WC
sind eigentlich zwei, die in der Mitte eine Trennwand haben, die man wegklappen kann, so daß
der Wendekreis größer ist. Ich dachte super, der Flug ist gerettet, doch als es dann so weit war,
weigerte sich die Stewardess, die Wand umzuklappen mit dem Hinweis, während ich drinnen
bin, könne sonst niemand anderer das WC benützen.
Erstaunt bin ich immer wieder über den einheitlichen Standard, so fand ich nicht nur in
Antalya/Türkei ein Behinderten-WC, selbst in den Flughäfen von Bali und Bangkok gibt es sie.
Auf dem Flughafen von Montreal schickte mich die Stewardeß beim Check-In ohne
Wheelchair-Service oder Security zum Gate. Was sie mir nicht dazu sagte war, daß man die
Ebenen wechseln muss und somit einen Lift benötigt. Dieser war aber abgesperrt und so war
ich beinahe einem Nervenzusammenbruch nahe, weil sich keiner dafür verantwortlich fühlte
mir den Lift aufzusperren oder das Wheelchair-Service zu holen.
Am Amsterdamer Flughafen schickte mich das Wheelchair-Service bei der
Zwischenlandung alleine von einem Gate zum anderen. Ich hatte 30 Minuten Zeit um das
Flugzeug zu erwischen, was an und für sich kein Problem war. Was das Personal nicht dazu
sagte war, daß ich dazu den Lift benötigte. Als ich zum Lift kam, stand riesengroß beim Eingang
der Hinweis "No Trolleys". Ich schenkte dieser Tafel keine Bedeutung, da ich ja kein Trolley war
und stieg ein. Als ich mit den Vorderrädern über der Schwelle des Lifteingangs war gab es
noch keine Probleme, aber als ich mit allen vier Rädern im Lift war, funktionierte der Lift nicht
und - egal welchen Knopf ich drückte und surrte laut. Ich wußte, ich hatte nur mehr kurz Zeit
zum Gate zu kommen. Ich fuhr wieder raus und wieder rein, dasselbe Spektakel - ich drückte
den Notruf, es meldete sich niemand. Ich
fuhr wieder raus und rein, wieder dasselbe. Ich drückte nochmals den Notruf, jetzt meldete
sich ein Mann. Ich schilderte ihm mein Problem in einem Lift zu stehen, der sich weigert zu
fahren, sein Kommentar war nur: der Lift ist in Ordnung. Da mir die Zeit knapp wurde, stieg
ich aus und ersuchte ein Pärchen, mir über die dreißig Stufen zu helfen.
Der Mann trug mich über die Stufen, die Frau trug den Rollstuhl. Als war dann unten
ankamen, kam der Zuständige für den Lift und meinte, was wollen Sie, der Lift funktioniert eh'.
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Asien
In Thailand machte ich die Erfahrung, daß es jede Menge behindertengerechter Hotels in der
4- und 5-Sterne-Kategorie gibt, doch sobald man das Hotel verläßt, steht man vor 20 cm
hohen Gehsteigen und weit und breit gibt es keine Abschrägungen. Angeblich ein Schutz vor
Hochwasser.
Auf Bali ist es für Rollstuhlfahrer kein Problem sich in den großen
Hotelressorts von einem Hotel zum nächsten ohne Stufen zu bewegen, doch kaum verläßt
man die eingezäunten und beschrankten Areale kommt man ohne fremde Hilfe nicht mehr
weiter.
Vorarlberg
In regelmäßigen Abständen erhielt ich vom Vorarlberger Tourismusverband tolle Arrangements
zugesendet, doch nirgends stand dabei, ob die angebotenen Hotels auch rollstuhlgerecht sind.
Ich bat mir nur mehr Angebote zu schicken, bei denen das Hotel rollstuhlgerecht war.
Daraufhin bekam ich vom Chef des Vorarlberger Tourismusverbandes einen Brief, in dem zu
lesen war, dass es eine Broschüre mit rollstuhlgerechten Hotels gibt. Wie soll ich wissen, dass
es so eine Broschüre gibt?
Zimmerausstattung
Beruflich mußte ich eine Woche nach Bad Tatzmannsdorf. Übers Internet suchte ich mir dort
ein rollstuhlgerechtes Hotel. Ich fand ein hochpreisiges Zimmer und verließ mich auf die
Information im Internet ein rollstuhlgerechtes Zimmer gebucht zu haben.
Dort beim Haupteingang angekommen, stand ich vor sieben Stufen und keinen Hinweis, wo
sich der stufenlose Eingang befindet. Diesen endlich gefunden, fuhr ich mit einem Lift zu
meinem Zimmer, der so groß war, damit man sicherheitshalber auch Betten transportieren
konnte. Im Badezimmer traute ich meinen Augen nicht. Dort stand eine Eckbadewanne, die
gerade bei der günstigsten Einstiegsmöglichkeit die Massagedüsen angebracht hat.
Nachgefragt, ob es noch andere behindertengerechte Zimmer gibt, zeigte mir die Hotelchefin
ein Zimmer, dessen Badezimmer mit einer 20 cm hohen Duschtasse ausgestattet ist.
Jetzt frage ich mich allen ernstes, wer bewertet eigentlich, was ein rollstuhlgerechtes Zimmer
ist - der Hotelinhaber alleine?
In Reichenau an der Rax vermietet ein Pensionbesitzer ein sogenanntes "rollstuhlgerechtes
Zimmer", das eine Eckdusche mit einer 10 cm hohen Einstiegsstufe hat und zusätzlich befindet
sich rundherum eine Plexiglaswand, die beim Überwechseln im Weg ist.
Die Plexiglaswände im Badezimmer dürften im Trend liegen. So war ich vor kurzem in einem
tollen Hotel in Graz. Doch staune, der stufenlose Duschbereich war rundherum von einer fix
verankerten Plexiglaswand umstellt. Das Duschen war somit echt kompliziert. Ebenso erging es
mir in Bildungshäusern in Strobl am Wolfgangsee und in St. Pölten.
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Neben diesen Hindernissen war ich vor einiger Zeit in Memmingen/Tirol in einem
behindertengerechten Zimmer untergebracht, wo die Badezimmertür nach innen aufgang.
Obwohl mein Rollstuhl sehr klein ist, hatte ich Probleme, die Badezimmertür zu schließen.
Außerdem ging es zum Frühstücksraum nur über zwei Stufen.
Fremdenführer
Bei all meinen bisherigen Reisen stellte ich fest, sobald eine behinderte Person oder eine
Gruppe behinderter Menschen sich Sehenswürdigkeiten ansehen möchte oder eine Sightseeing
Tour unternehmen will, sind Reiseführer oft maßlos überfordert. Es fehlt an Kenntnissen, wo es
rollstuhlgerechte Busse aufzutreiben gibt und sie wissen oftmals nicht, welche
Sehenswürdigkeiten ohne Stufen zugänglich sind. Auf Ibiza ist glücklicherweise die
Reiseführerin auf die Idee gekommen, daß es auf der Nachbarinsel einen rollstuhlgerechten
Bus, drei Tage später konnten wir dann Ibiza besichtigen.
Barrierefreie Angebote
In den USA und Australien sind viele Kulturangebote barrierefrei zugänglich. Dies bedeutet für
den Rollstuhlfahrer, keine langen Reservierungszeiten, es ist auch keine Begleitperson mehr
notwendig, jedoch ist die Karte genau so billig bzw. teuer, wie die Preiskategorie rund um den
Rollstuhlplatz und nicht wie in der Staatsoper. Dort zahlte ich öS 60,- und der Nachbarplatz
kostete öS 800,-.
Als in in Las Vegas die öffentlichen Verkehrsmittel benützen wollte - es handelt sich dabei um
eine Art U-Bahn, die auf Stelzen fährt - erkundigte ich mich zuvor, ob es für Rollstuhlfahrer
preisreduzierte Karten gibt. Der Aufseher meinte nur, sie haben hier Lifte, haben einen
stufenlosen Eingang in den Wagon, es gibt keine Vergünstigung. Übrigens, das Ticket kostete $
3,- für eine Fahrt.
Ich denke, hier ist noch ein großer Umdenkprozeß bei uns notwendig.
Wünsche
Von den USA her kenne ich die dicken Hotelführer jeder Hotelkette. Bei jedem Hotel steht
dabei, ob es rollstuhlgerechte Zimmer hat oder nicht. In Österreich kenne ich diese
Kennzeichnung nur von den Best Western Hotels und teilweise von der Ibis-Kette. Warum
kann nicht in jedem Hotelführer und in jedem Reiseprospekt ein Hinweis sein, ob das Hotel
rollstuhlgerecht ist oder nicht? Denn es gibt - auf Nachfrage - wesentlich mehr
rollstuhlgerechte Hotels, als die Betroffenen vermuten.
Von meinen bisherigen Reisen weiß ich, alleine im Rollstuhl unterwegs zu sein, ist oftmals nicht
möglich. Alleine schon nicht vorhandene Gehsteigabschrägungen können einem das Reisen
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verleiden, geschweige denn, was sonst noch alles passieren kann. Zu überlegen wäre, ob
Reiseassistenz bezahlt wird - es muss ja nicht immer die öffentliche Hand sein. Ich denke dabei
an Firmen oder private Sponsoren. So ist mir bei meiner vorletzten USA-Reise klar geworden,
dass ich die öS 40.000,- gerade noch für mich aufbringen konnte, doch die Kosten der
Assistentin (Reisekosten, Tagespauschale, usw.) kann ich beim besten Willen nicht mehr
aufbringen.
Ich bin mir sicher, behinderte Menschen würde gerne mehr reisen, wenn einerseits die
baulichen Barrieren abgebaut werden und die benötigten Informationen seitens der Hotels
und Tourismusinformationen besser zugänglich wären.
© Kornelia Götzinger
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