Michael Kohlhaas
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Michael Kohlhaas
Kirchen + Kino. DER FILMTIPP 8. Staffel, September 2014 – Mai 2015 4. Film: „Michael Kohlhaas“ Michael Kohlhaas Frankreich/Deutschland 2013 122 Minuten1, FSK: 12 Regie: Produktion: Drehbuch: Musik: Kamera: Schnitt: Originalsprache: Arnaud des Pallières Serge Lalou Christelle Berthevas, Arnaud des Pallières basierend auf Heinrich von Kleist Martin Wheeler/Les Witches Jeanne Laporirie Sandie Bompar, Arnaud des Pallières Französisch Darsteller/-innen: Mads Mikkelsen: Bruno Ganz: Paul Bartel: Mélusine Mayance: David Bennent: Delphine Chuillot: David Kross: Michael Kohlhaas Gouverneur Jérémie Lisbeth César Judith Prediger Sergie Lopez: Amira Casar: Roxane Duran: Jacques Nolot: Denis Lavant: Swann Arlaud: u. a. Manchot (Armlose) Äbtissin Prinzessin Avocat Theologe (Luther) Baron Auszeichnungen - Nominiert für die Goldene Palme als bester Film der Internationalen Filmfestspiele in Cannes 2013 Goldene Iris 2013 beim Brüssel Film Festival Prädikat „besonders wertvoll“ der Deutschen Film- und Medienbewertung Auszeichnung mit je einem César 2014 für die Beste Filmmusik und den Besten Ton Über den Regisseur Arnaud des Pallières, geboren 1961 in Paris, begann seine Karriere als Schauspieler und Gründer einer Theatergruppe. Nach seinem Regiestudium an der renommierten Pariser Filmhochschule La Fémis drehte er mehrere Kurzfilme. Mit „Drancy Avenir“ entstand sein erster langer Spielfilm, der von der Juden-Vernichtung in Paris und Banlieue handelt. Es folgten Auftragsarbeiten für das Fernsehen, darunter auch das Porträt „Is Dead“ über Gertrude Stein, sowie zwei weitere Dokumentartfilme. „Adieu“(2003), seiner zweiter Spielfilm, handelt vom Schicksal illegaler Einwanderer in Frankreich. Mit „Parc“ (2008), einer Adaption des Romans „Bullet Park“ (1969) von John Cheever, festigt sich sein Ruf als engagierter Regisseur. „Michael Kohlhaas“ (2013) greift die gleichnamige Novelle von Heinrich von Kleist auf. 1 http://www.michaelkohlhaas-derfilm.de/ Kirchen + Kino. DER FILMTIPP 8. Staffel, September 2014 – Mai 2015 4. Film: „Michael Kohlhaas“ Kurzcharakteristik Der Pferdehändler Michael Kohlhaas wird zum Opfer staatlicher Willkür. Nachdem ihm auch die Justiz sein Recht verweigert, beginnt er mit Anhängern und Rebellen aus der Bevölkerung einen Feldzug gegen die Herrschenden. Heinrich von Kleists gleichnamige, im 16. Jahrhundert angesiedelte Novelle wandelt sich zur zeitlosen philosophischen Reflexion über Gerechtigkeit, Unterdrückung und Widerstand. Der französische Regisseur Arnaud des Pallières verlegt die Handlung in die karge Landschaft der Cevennen, die er in majestätischen Bildern intensiv einfängt und die er zu einem konzentrierten Neo-Klassiker mit deutlichen Anleihen beim Western verdichtet. aus: Kinotipp der katholischen Filmkritik 241/September 2013, Filmtipp Kirchen und Kino 1969 inszenierte Volker Schlöndorff Heinrich von Kleists gleichnamige Novelle als politische Parabel über einen um sein Recht kämpfenden Rosshändler im 16. Jahrhundert. Arnaud des Pallières geht in seiner Lesart einen radikaleren Weg: Er bebildert den Stoff um Pferde, GewaltExzesse und die zerfließende Grenzlinie zwischen Zivilisation und Barbarei mit Kämpfernatur Michael Kohlhaas in einer Kino-Form, die sich als überraschend zeitgemäß erweist: als alteuropäischen Western. Was hält Menschen zusammen, wo gilt es, Strukturen anzuerkennen oder selbst um den Preis des eigenen Lebens gegen sie aufzubegehren? ... Inhalt Michael Kohlhaas (Mads Mikkelsen) ist ein ehrlicher und angesehener Pferdehändler im 16. Jahrhundert. Zusammen mit seiner Frau Judith (Delphine Chuillot) und seiner Tochter Lisbeth (Mélusine Mayance) führt er ein zufriedenes, glückliches Leben auf dem familieneigenen Hof. Auf dem Weg zum nächsten Markt wird Kohlhaas eines Tages an der Grenze aufgehalten. Ohne rechtliche Grundlage – was sich erst später herausstellt – wird von ihm ein Passierschein gefordert, den der ahnungslose Händler natürlich nicht mit sich hat. Um die Grenze dennoch passieren zu können, hinterlässt Kohlhaas zwei gesunde, schöne Rappen als Pfand. Seinen Knecht César (David Bennent) lässt er zur Betreuung der Pferde ebenfalls zurück. Doch als er einige Tage nach Ende des Markts seine Tiere wieder abholen möchte, befinden sich die Pferde in einem jämmerlichen, beklagenswerten Zustand. Auch César hat man misshandelt und davon gejagt. Kohlhaas verlangt es nach Wiedergutmachung, doch seine Klage bei Gericht zeigt keinen Erfolg. Der offensichtlich selbst bedrängte Advocat (Jacques Nolot) deutet an, dass die Machtkonstellationen am Königshof eine keine weitere Klage zulassen und er sich aus der Angelegenheit zurückzieht. Als seine Frau Judith bei einem Gerechtigkeitsgesuch bei der Prinzessin (Roxane Duran) tödlich verletzt wird, schwört Michael Kohlhaas blutige Rache. Nachdem er seine Tochter in Sicherheit gebracht hat, begibt er sich mit einer Gruppe von Getreuen auf einen unerbittlichen Feldzug gegen die ungerechte Obrigkeit. Es kommt zu blutigen Plünderungen und Brandstiftungen. Der Baron (Swann Arlaud) kann jedoch fliehen. Dabei wird er von der Äbtissin (Amira Casar) des Klosters unterstützt. Nachdem Kohlhaas einen eigenen Mitstreiter wegen unrechten Handelns hinrichten lässt, kommt es zu einem Treffen mit dem Theologen Martin Luther (Denis Lavant). Dieser versucht Kohlhaas dazu zu bewegen, seinen bewaffneten Kampf aufzugeben. Es gelingt ihm eine Begegnung mit der Prinzessin zu vermitteln. Kohlhaas willigt ein, bei einer ordnungsgemäßen gerichtlichen Überprüfung seines Rechtsstreits mit dem Baron das Urteil des Gerichts anzuerkennen. Nachdem die Prinzessin den Kirchen + Kino. DER FILMTIPP 8. Staffel, September 2014 – Mai 2015 4. Film: „Michael Kohlhaas“ zugesagten Personenschutz wegen angeblich neuer Gewalttaten von ehemaligen Mitstreitern Kohlhaas zwischenzeitlich aufgehoben hat, muss Kohlhaas mit seiner Tochter fliehen. Schließlich wird er gefangen. Auf dem offenen Richtplatz wird ihm vom Gouverneur (Bruno Ganz) das Urteil mitgeteilt. Kohlhaas bekommt Recht. Der Baron muss den entstandenen Schaden begleichen und kommt ins Gefängnis. Kohlhaas muss sich jedoch gleichfalls für sein Tun dem geltenden Recht beugen. Nachdem er sich von seiner Tochter verabschiedet hat, wird er mit dem Schwert hingerichtet. Gestaltung Anders als die literarische Vorlage von Heinrich von Kleist, dessen Novelle Michael Kohlhaas im Gebiet der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg angesiedelt hat und dessen historischer Ursprung auch hier zu suchen ist, wählt Regisseur Arnaud des Pallières die südfranzösischen Cevennen als prägenden landschaftlichem Rahmen seiner Inszenierung. Bereits zu Beginn des Films erinnern dabei nicht nur die Pferde, sondern auch die Weite und Kargheit der bergigen Landschaft an die Atmosphäre in einem Western. Die Bilder dringen zwar immer wieder auch in enge Räume und waldige Verstecke vor, doch bleiben die steinige Weite und Einsamkeit der Berge und Hügel ein prägendes Moment des ganzen Films. Auch die Inszenierung des Richtplatzes am Ende des Films kann an die Arena eines Western erinnern, in der der Showdown des Films seinen dramatischen Höhepunkt erlangt. Mit Mads Mikkelsen wählt der Regisseur einen gut aussehenden Helden, der mit seiner Wortkargheit und sinnierenden Nachdenklichkeit in mancherlei Weise das Lebensgefühl seiner heimatlichen Umgebung wider zu spiegeln scheint. Die Kamera, die selbstverständlich ein Mindestmaß an Gesprächen wiederzugeben hat, switcht gern zwischen nahen und fernen Blicken, ohne dass dabei ein Wort fallen muss. Im Gegensatz zur literarischen Vorlage wird nicht nur der Charakter der Landschaft verändert. Die örtliche Geographie wird auch insgesamt mit ihren Grenzen und juristischen Zuständigkeiten deutlich vereinfacht. Trotzdem erfordern nicht zuletzt die zahlreichen Ellipsen, die die Geschehnisse im Film zeitlich raffen, von den Zuschauenden ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration. Die Musik des Films ist zurückhaltend. Markant erscheinen die Trommelschläge zu Beginn. Sie bildenden ein wiederkehrendes Motiv im ganzen Film. Renaissance-Musik untermalt eindrücklich einzelne wenige Szenen, beispielsweise den Tod der Ehefrau Judith. Statt einer gleichmäßig untermalenden Musik treten Geräusche, Ton und Klänge an vielen Stellen umso klarer hervor. In der französischen Originalfassung lässt der Regisseur in der Gefängnisszene am Ende des Films Mads Mikkelsen deutsch sprechen. „Man wird mich nicht foltern, nicht häuten, nicht verbrennen.“ Er erinnert damit an die deutschsprachige literarische Vorlage von Heinrich von Kleist, die ihn zum Film inspiriert hat. Interpretation Der Film Michael Kohlhaas greift bereits mit dem Titel auf seine gleichnamige literarische Vorlage zurück. Er versteht sich jedoch nicht als Literaturverfilmung oder möglicherweise sogar als historische Dokumentation, sondern will nach Aussage des Regisseurs die vielfältigen, inhaltlich komplexen Vorgaben in einer eigenen ästhetischen Form zum Ausdruck bringen. Um den Stoff zu reduzieren und zu fokussieren haben wir, so der Regisseur, aus dem großen Kirchen + Kino. DER FILMTIPP 8. Staffel, September 2014 – Mai 2015 4. Film: „Michael Kohlhaas“ Orchester bei Kleist „ein Barockquartett“2 gemacht. Die Kernfrage, um die die Geschichte von Michael Kohlhaas kreist, verdichtet sich im Kampf um ein (verabsolutiertes) Rechtsgefühl, das zwischen erlittenem Unrecht und eigenem Gewissen entscheiden muss. Eine dem Einzelnen widerfahrende Gerechtigkeit erscheint als Gut, das nicht durch einen Konsens hergestellt werden kann, sondern einer aller Weltlichkeit entzogenen Macht zugeschrieben werden muss. Sowohl die Novelle als auch das Drehbuch des Films können am Ende letztlich nur die aufgezeigten Ambivalenzen aushalten, wollen sie nicht mit einer eindimensionalen Antwort – und dies tut auch der Film nicht – einen vermeintlich ungewissen Fluchtweg einschlagen. Nicht ohne Grund liegt im zunächst überzeitlich wirkenden Dilemma des Michael Kohlhaas eine große gesellschaftliche Aktualität. Das Gefühl des Einzelnen ungerecht behandelt zu werden, kann in Biografien viele Spuren hinterlassen. Michael Kohlhaas, der im Film zunächst ruhig, sachlich und gelassen wirkt, zeigt im Laufe der Geschehnisse eine Vielfalt von Reaktionen auf das erfahrene Unrecht. Die Ohnmacht und Kränkungen, die am Ende nicht nur er erfährt, sondern auch sein Knecht und seine Familie, steigern sich zu einem Gefühl, nur durch das eigene Handeln - zusammen mit einigen Getreuen - Recht und Gerechtigkeit wieder herstellen zu können. Wut, Gewalt und Rache gehen eine Allianz ein, die aus der Perspektive Dritter als maßlos und willkürlich angesehen werden muss. Und in der Tat trifft die Gewalt Michael Kohlhaas' nicht die an seinem Unrecht Schuldigen, Mächtige und Verantwortliche, sondern größtenteils doch Unschuldige, Wehrlose und Schwache auf dem Weg. Im Kleinen wie im Großen bleibt ein solches, persönliches Empfinden, das sich aus Unrecht, Missbrauch oder Kränkung speist, erklärbar, ohne dass dies seinerseits ein entsprechendes Handeln ethisch rechtfertigen könnte. Wenn Michael Kohlhaas bis zuletzt auf das Recht setzt, deutet sich an, dass es hierbei nicht nur um ein persönliches, vermeintlich egoistisches Motiv geht. Kohlhaas pocht auf das Recht, nicht nur sein Recht, und er wird dafür bezahlen. So ist nicht nur die zu diskutierende Nähe Kohlhaas zu einem Zeitgenossen wie Thomas Müntzer zu benennen. Auch Menschen, die heute mit und ohne Gewalt beispielsweise für Gerechtigkeit und Menschenwürde, gegen Unterdrückung und Ausbeutung eintreten und kämpfen, stehen gleichfalls vor der Frage, in welcher Konsequenz und Gewissensbindung sie ihr Handeln begründen und motivieren können. Im Film bleibt das Ringen von Michael Kohlhaas um sein Handeln nicht immer nachvollziehbar. Die Gedanken des stummen Helden müssen oftmals mehr erraten und erahnt werden, als dass wir sie verstehen und nachvollziehen könnten. Insbesondere das betont inszenierte Verhältnis Michael Kohlhaas' zu seiner Tochter trägt zu dieser Irritation bei. Eine besondere Beachtung kann im Film der Rolle Martin Luthers zukommen. Bereits zu Beginn des Films wird deutlich, dass Michael Kohlhaas fest im neuen evangelischen Glauben verwurzelt ist. Er liest an einer Feuerstelle im Freien in einer deutschen Bibel und legt seinem jungen Gefährten die Textstelle 1. Kor 13,12 aus. Nachdem Michael Kohlhaas im Verlauf der späteren Geschehnisse zu plündern und zu brandschatzen begonnen hat, kommt es zu einer direkten Begegnung Martin Luthers mit Michael Kohlhaas. Martin Luther will Kohlhaas zur Aufgabe seines gewalttätigen Tuns bewegen. In einer eindrücklichen Rede, in der es u. a. heißt, der „Sieg besteht nicht in Macht und Herrschaft, sondern in Demut und Ergebenheit“, kommt es zu einer spannenden Auseinandersetzung über die Gerechtigkeit und das menschliche Handeln. Gleichzeitig überbringt Luther Kohlhaas ein Vermittlungsangebot der Obrigkeit. Als Kohlhaas schließlich Luther – der im Film allerdings nie mit seinem Namen benannt wird – darum bittet, 2 Siehe Interview mit Arnaud des Pallière auf der DVD. Kirchen + Kino. DER FILMTIPP 8. Staffel, September 2014 – Mai 2015 4. Film: „Michael Kohlhaas“ ihm die Beichte abzunehmen, verweigert Luther dies , da Kohlhaas nicht zur Vergebung bereit ist. Die protestantische Zuspitzung eines an das eigene Gewissen gebundene Handeln wird damit noch einmal unterstrichen. Gleichzeitig deutet die Szene den historischen Hintergrund an, der bereits in der Novelle von Heinrich von Kleist eingeflossen ist. Danach hat es zwischen Martin Luther und Hans Kohlhase, der Wittenberg mehrfach überfallen und angezündet hat, eine geheime Unterredung gegeben.3 Auch ist ein Brief Luthers vom 8. Dezember 1534 an Hans Kohlhase überliefert. Die Vermittlung mit dem sächsischen Kurfürsten geht historisch auf Luther zurück. MATERIALIEN I. Filmeinführung (Vorschlag) Mag sein, dass einige wegen des dänischen Schauspielers Mads Mikkelsen heute hier sind. Der hat doch im James Bond gespielt! Casino Royale (2006)! Und heute plötzlich so nachdenklich?! Michael Kohlhaas – das klingt doch nach Deutschunterricht. Pflichtlektüre von Heinrich von Kleist! Was der französische Regisseur Arnaud des Pallières daraus wohl gemacht hat! In Cannes wurde sein Film 2013 immerhin für die Goldene Palme nominiert! Vielleicht ist es gut, sich ein paar historische Eckdaten in Erinnerung zu rufen, auch wenn es nicht um Geschichte geht. Vielmehr vielleicht darum, wie und warum Geschichte entsteht, und wie wir darin unseren Platz finden! Für was wir kämpfen, wofür wir eintreten! Vielleicht aber auch, wo es geboten ist, nachzugeben, aus Weisheit, ethischer Überzeugung, bevor nur noch mehr Unrecht geschieht! Plötzlich liegen persönliche, aber auch unseren aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen mit auf dem Tisch! Michael Kohlhaas – diese Gestalt knüpft bereits bei Kleist an eine historische Überlieferung an, ja geht zurück in die Zeit der Reformation. Und auch wenn es in Arnaud des Pallières Film nicht besonders sächsisch zugeht, kommt sogar der“ Übersetzer der Bibel“, sprich Martin Luther darin vor. In einer, ja sogar recht spannenden Szene, wie ich finde. Protestantischer evangelischer Glaube kommt überhaupt recht deutlich bei Michael Kohlhaas vor, bildet vielleicht sogar eine Art Folie für sein Verständnis. Vielleicht kann es später eine Perspektive sein, den Film zu betrachten und darüber ins Gespräch zu kommen. Wenn sie Lust haben! Wir werden sehen! Achten Sie am Anfang ein wenig auf die örtlichen Grenzen im Film, vielleicht auf die Zeitsprünge in der Erzählung, es kann etwas helfen, die Orientierung zwischen den Geschehnissen ein wenig schneller zu finden oder zu bewahren. Doch genug der Vorrede. Große Bilder erwarten uns, bewegende Momente und Begegnungen, und möglicherweise auch Zeit, den eigenen Gedanken etwas mehr Raum zu geben als gewohnt. Gute Gedanken zu einem sehenswerten Film! 3 Vgl. Gerhard Ebeling: Luthers Seelsorge an seine Briefen dargestellt, Tübingen 1999, 232. Kirchen + Kino. DER FILMTIPP 8. Staffel, September 2014 – Mai 2015 4. Film: „Michael Kohlhaas“ II. Filmgespräch - Gibt es Bilder oder Szenen, die Sie besonders berührt haben? Können Sei diese oder eine von ihnen beschreiben? - Worin sehen Sie den Grundkonflikt von Michael Kohlhaas? - Ist Michael Kohlhaas in ihren Augen eine gescheiterte Figur? - Wie spielt und interpretiert Made Mikkelsen die Rolle von Michael Kohlhaas? - Einige Filmkritiker haben den Film Michael Kohlhaas Western“ charakterisiert. Können Sie das nachvollziehen? - Halten Sie den Film für politisch? Können Sie Beispiele nennen, die die Fragen des Films heute veranschaulichen? - Wie kommen Religion und protestantischer Glaube im Film vor? - Wie beurteilen Sie die theologische Position Martin Luthers, der zu Michael Kohlhaas sagt: „Das Schwert, das du führst, ist […] nicht das Schwert der Gerechtigkeit!“? - Können Sie für sich eine „Botschaft“ des Films formulieren? III. als „europäischen Ursula Krechel: Landgericht, Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien, 2012 Ursula Krechel stellt in ihrem bewegenden Roman Landgericht u. a. ein Zitat aus Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist voran. Im letztlich tragisch endenden Schicksal des in der NaziZeit aus Deutschland geflohenen Richters Kornitzer zeichnet die Schriftstellerin eine Person, deren Leben im zermürbenden Kampf gegen das erfahrene Unrecht nach der Rückkehr aus dem Exil im Nachkriegsdeutschland der fünfziger Jahre zerbricht. Ähnliche Motive und Lebensschicksale greift der aktuelle Film „Im Labyrinth des Schweigens“ von Giulio Ricciarelli (2014) auf. IV. Brief Martin Luthers An Hans Kohlhase, Deutsch. Wittenberg, den 8. Dezember 1534 Gnad und Fried in Christo. Mein guter Freund! Es ist furwahr euer Unfall leid gewesen, und noch, das weiß Gott; und wäre wohl zuerst besser gewesen, die Rache nicht furzunehmen, dieweil dieselbe ohne Beschwerung des Gewissens nicht furgenommen werden mag, weil sie ein selbs eigen rache ist, welche von Gott verboten ist, Deut 32. Röm. 12.: Die Rach ist mein, spricht der Herr, ich will vergelten … , und nicht anders sein kann; denn wer sich darein begibt, der muß sich in die Schanz geben, viel wider Gott und Menschen thun, welches ein christlich Gewissen nicht kann billigen. Und ist ja wahr, daß euch euer Schaden und infamia billig wehe thun soll, und schuldig seid, dieselbige zu retten und zu erhalten, aber nicht mit sunden oder Unrecht. Quod justum est, juste persequeris, sagt Moses; Unrecht wird durch ander Unrecht nicht zurecht bracht. Nun ist Selbsrichter sein und Selbsrichten gewißlich unrecht, und Gottes Zorn läßt es nicht ungestraft. Was ihr mit Recht ausführen moget, da thut ihr wohl; könnt ihr das Recht nicht erlangen, so ist kein ander Rath da, denn Unrecht leiden. Und Gott, der euch also läßt Unrecht leiden, hat wohl Ursach zu euch. Er meinet es auch nicht ubel noch böse mit euch, kann auch solches wohl redlich wieder erstatten in einem andern, und seid drumb unverlassen. Kirchen + Kino. DER FILMTIPP 8. Staffel, September 2014 – Mai 2015 4. Film: „Michael Kohlhaas“ Und was wollet ihr thun, wenn er wohl anders wollt strafen, an Weib, Kind, Leib und Leben? Hie musset ihr dennoch, so ihr ein Christ sein wollt, sagen: mein lieber Herr Gott, ich habs wohl verdienet, du bist gerecht, und thust nur allzuwenig nach meinen Sunden. Und was ist unser aller Leiden gegen sein Sohnes unseres Herrn Christi Leiden? Demnach, so ihr meines Raths begehret (wie ihr schreibet), so rathe ich, nehmet Friede an, wo er euch werden kann, und leidet lieber an Gut und Ehre Schaden, denn daß ihr müsset aller der Sünden und Büberei auf euch nehmen, so euch dienen würden zur Fehde: die sind doch nicht fromm, und meinen euch mit keinen Treuen, suchen ihren Nutz. Zuletzt werden sie euch selbs verrathen, so habt ihr denn wohl gefischet. Malet ihr ja nicht den Teufel uber die Thür, und bittet ihn nicht zu Gevattern, er kömmet dennoch wohl, denn solche Gesellen sind des Teufels Gesindlin, nehmen auch gemeiniglich ihr Ende nach ihren Werken. Aber euch ist zu bedenken, wie schwerlich euer Gewissen ertragen will, so ihr wissentlich sollet so viel Leute verderben, da ihr kein Recht habet. Setzt ihr euch zufrieden, Gott zu Ehren, und lasset euch euern Schaden von Gott zugefüget sein, und verheißets umb seinetwillen: so werdet ihr sehen, er wird wiederumb euch segnen, und euer Aerbeit reichlich belohnen, daß euch lieb sei euer Geduld, so ihr getragen habt. Dazu helfe euch Christus unser Herr, Lehrer und Exempel aller Geduld und Helfer in Noth, Amen Dienstag nach Nicolai, Anno 1534 (aus: Martin Luthers Briefe. In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald, Zweiter Band, Inselverlag, Leipzig 1909) V. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem! Römer 12,21 Der Klügere gibt nach – bis er der Dumme ist. Volksmund Weitere Verfilmungen - 1967: Michael Kohlhaas. Regie: Wolf Vollmar (TV-Siebenteiler) - 1969: Michael Kohlhaas – der Rebell. Regie: Volker Schlöndorff - 1999: Reiter auf verbrannter Erde (Orig. The Jack Bull). Regie: John Badham - 2012: Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Regie: Aron Lehmann (nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Kohlhaas) Literatur - Walter Jens (Hg.), Kindlers Michael Kohlhaas, 480-482 Neues Literatur Lexikon Bd. 9, München 1996, - Heinrich von Kleist – Sämtliche Werke Berliner Ausgabe hg. von Roland Reuß und Peter Staengle, Verlag Stroemfeld/Roter Stern, Basel/Frankfurt am Main 1990, II/1 Michael Kohlhaas (1808), Michael Kohlhaas (1810) 16.11.2014, Steffen Marklein