Michael Kohlhaas

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Michael Kohlhaas
Kirchen + Kino. DER FILMTIPP
8. Staffel, September 2014 – Mai 2015
4. Film: „Michael Kohlhaas“
Michael Kohlhaas
Frankreich/Deutschland 2013
122 Minuten1,
FSK: 12
Regie:
Produktion:
Drehbuch:
Musik:
Kamera:
Schnitt:
Originalsprache:
Arnaud des Pallières
Serge Lalou
Christelle Berthevas, Arnaud des Pallières
basierend auf Heinrich von Kleist
Martin Wheeler/Les Witches
Jeanne Laporirie
Sandie Bompar, Arnaud des Pallières
Französisch
Darsteller/-innen:
Mads Mikkelsen:
Bruno Ganz:
Paul Bartel:
Mélusine Mayance:
David Bennent:
Delphine Chuillot:
David Kross:
Michael Kohlhaas
Gouverneur
Jérémie
Lisbeth
César
Judith
Prediger
Sergie Lopez:
Amira Casar:
Roxane Duran:
Jacques Nolot:
Denis Lavant:
Swann Arlaud:
u. a.
Manchot (Armlose)
Äbtissin
Prinzessin
Avocat
Theologe (Luther)
Baron
Auszeichnungen
-
Nominiert für die Goldene Palme als bester Film der Internationalen Filmfestspiele
in Cannes 2013
Goldene Iris 2013 beim Brüssel Film Festival
Prädikat „besonders wertvoll“ der Deutschen Film- und Medienbewertung
Auszeichnung mit je einem César 2014 für die Beste Filmmusik und den Besten Ton
Über den Regisseur
Arnaud des Pallières, geboren 1961 in Paris, begann seine Karriere als Schauspieler und Gründer
einer Theatergruppe. Nach seinem Regiestudium an der renommierten Pariser Filmhochschule La
Fémis drehte er mehrere Kurzfilme. Mit „Drancy Avenir“ entstand sein erster langer Spielfilm,
der von der Juden-Vernichtung in Paris und Banlieue handelt. Es folgten Auftragsarbeiten für
das Fernsehen, darunter auch das Porträt „Is Dead“ über Gertrude Stein, sowie zwei weitere
Dokumentartfilme.
„Adieu“(2003), seiner zweiter Spielfilm, handelt vom Schicksal illegaler Einwanderer in
Frankreich. Mit „Parc“ (2008), einer Adaption des Romans „Bullet Park“ (1969) von John Cheever,
festigt sich sein Ruf als engagierter Regisseur. „Michael Kohlhaas“ (2013) greift die gleichnamige
Novelle von Heinrich von Kleist auf.
1
http://www.michaelkohlhaas-derfilm.de/
Kirchen + Kino. DER FILMTIPP
8. Staffel, September 2014 – Mai 2015
4. Film: „Michael Kohlhaas“
Kurzcharakteristik
Der Pferdehändler Michael Kohlhaas wird zum Opfer staatlicher Willkür. Nachdem ihm auch die
Justiz sein Recht verweigert, beginnt er mit Anhängern und Rebellen aus der Bevölkerung einen
Feldzug gegen die Herrschenden. Heinrich von Kleists gleichnamige, im 16. Jahrhundert
angesiedelte Novelle wandelt sich zur zeitlosen philosophischen Reflexion über Gerechtigkeit,
Unterdrückung und Widerstand. Der französische Regisseur Arnaud des Pallières verlegt die
Handlung in die karge Landschaft der Cevennen, die er in majestätischen Bildern intensiv
einfängt und die er zu einem konzentrierten Neo-Klassiker mit deutlichen Anleihen beim
Western verdichtet.
aus: Kinotipp der katholischen Filmkritik 241/September 2013,
Filmtipp Kirchen und Kino
1969 inszenierte Volker Schlöndorff Heinrich von Kleists gleichnamige Novelle als politische
Parabel über einen um sein Recht kämpfenden Rosshändler im 16. Jahrhundert. Arnaud des
Pallières geht in seiner Lesart einen radikaleren Weg: Er bebildert den Stoff um Pferde, GewaltExzesse und die zerfließende Grenzlinie zwischen Zivilisation und Barbarei mit Kämpfernatur
Michael Kohlhaas in einer Kino-Form, die sich als überraschend zeitgemäß erweist: als
alteuropäischen Western. Was hält Menschen zusammen, wo gilt es, Strukturen anzuerkennen
oder selbst um den Preis des eigenen Lebens gegen sie aufzubegehren? ...
Inhalt
Michael Kohlhaas (Mads Mikkelsen) ist ein ehrlicher und angesehener Pferdehändler im 16.
Jahrhundert. Zusammen mit seiner Frau Judith (Delphine Chuillot) und seiner Tochter Lisbeth
(Mélusine Mayance) führt er ein zufriedenes, glückliches Leben auf dem familieneigenen Hof.
Auf dem Weg zum nächsten Markt wird Kohlhaas eines Tages an der Grenze aufgehalten. Ohne
rechtliche Grundlage – was sich erst später herausstellt – wird von ihm ein Passierschein
gefordert, den der ahnungslose Händler natürlich nicht mit sich hat. Um die Grenze dennoch
passieren zu können, hinterlässt Kohlhaas zwei gesunde, schöne Rappen als Pfand. Seinen
Knecht César (David Bennent) lässt er zur Betreuung der Pferde ebenfalls zurück. Doch als er
einige Tage nach Ende des Markts seine Tiere wieder abholen möchte, befinden sich die Pferde
in einem jämmerlichen, beklagenswerten Zustand. Auch César hat man misshandelt und davon
gejagt. Kohlhaas verlangt es nach Wiedergutmachung, doch seine Klage bei Gericht zeigt keinen
Erfolg. Der offensichtlich selbst bedrängte Advocat (Jacques Nolot) deutet an, dass die
Machtkonstellationen am Königshof eine keine weitere Klage zulassen und er sich aus der
Angelegenheit zurückzieht. Als seine Frau Judith bei einem Gerechtigkeitsgesuch bei der
Prinzessin (Roxane Duran) tödlich verletzt wird, schwört Michael Kohlhaas blutige Rache.
Nachdem er seine Tochter in Sicherheit gebracht hat, begibt er sich mit einer Gruppe von
Getreuen auf einen unerbittlichen Feldzug gegen die ungerechte Obrigkeit. Es kommt zu
blutigen Plünderungen und Brandstiftungen. Der Baron (Swann Arlaud) kann jedoch fliehen.
Dabei wird er von der Äbtissin (Amira Casar) des Klosters unterstützt. Nachdem Kohlhaas einen
eigenen Mitstreiter wegen unrechten Handelns hinrichten lässt, kommt es zu einem Treffen mit
dem Theologen Martin Luther (Denis Lavant). Dieser versucht Kohlhaas dazu zu bewegen, seinen
bewaffneten Kampf aufzugeben. Es gelingt ihm eine Begegnung mit der Prinzessin zu
vermitteln. Kohlhaas willigt ein, bei einer ordnungsgemäßen gerichtlichen Überprüfung seines
Rechtsstreits mit dem Baron das Urteil des Gerichts anzuerkennen. Nachdem die Prinzessin den
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4. Film: „Michael Kohlhaas“
zugesagten Personenschutz wegen angeblich neuer Gewalttaten von ehemaligen Mitstreitern
Kohlhaas zwischenzeitlich aufgehoben hat, muss Kohlhaas mit seiner Tochter fliehen. Schließlich
wird er gefangen. Auf dem offenen Richtplatz wird ihm vom Gouverneur (Bruno Ganz) das
Urteil mitgeteilt. Kohlhaas bekommt Recht. Der Baron muss den entstandenen Schaden
begleichen und kommt ins Gefängnis. Kohlhaas muss sich jedoch gleichfalls für sein Tun dem
geltenden Recht beugen. Nachdem er sich von seiner Tochter verabschiedet hat, wird er mit dem
Schwert hingerichtet.
Gestaltung
Anders als die literarische Vorlage von Heinrich von Kleist, dessen Novelle Michael Kohlhaas im
Gebiet der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg angesiedelt hat und dessen historischer
Ursprung auch hier zu suchen ist, wählt Regisseur Arnaud des Pallières die südfranzösischen
Cevennen als prägenden landschaftlichem Rahmen seiner Inszenierung.
Bereits zu Beginn des Films erinnern dabei nicht nur die Pferde, sondern auch die Weite und
Kargheit der bergigen Landschaft an die Atmosphäre in einem Western. Die Bilder dringen
zwar immer wieder auch in enge Räume und waldige Verstecke vor, doch bleiben die steinige
Weite und Einsamkeit der Berge und Hügel ein prägendes Moment des ganzen Films. Auch die
Inszenierung des Richtplatzes am Ende des Films kann an die Arena eines Western erinnern, in
der der Showdown des Films seinen dramatischen Höhepunkt erlangt.
Mit Mads Mikkelsen wählt der Regisseur einen gut aussehenden Helden, der mit seiner
Wortkargheit und sinnierenden Nachdenklichkeit in mancherlei Weise das Lebensgefühl seiner
heimatlichen Umgebung wider zu spiegeln scheint. Die Kamera, die selbstverständlich ein
Mindestmaß an Gesprächen wiederzugeben hat, switcht gern zwischen nahen und fernen
Blicken, ohne dass dabei ein Wort fallen muss.
Im Gegensatz zur literarischen Vorlage wird nicht nur der Charakter der Landschaft verändert.
Die örtliche Geographie wird auch insgesamt mit ihren Grenzen und juristischen Zuständigkeiten
deutlich vereinfacht. Trotzdem erfordern nicht zuletzt die zahlreichen Ellipsen, die die
Geschehnisse im Film zeitlich raffen, von den Zuschauenden ein hohes Maß an Aufmerksamkeit
und Konzentration.
Die Musik des Films ist zurückhaltend. Markant erscheinen die Trommelschläge zu Beginn. Sie
bildenden ein wiederkehrendes Motiv im ganzen Film. Renaissance-Musik
untermalt
eindrücklich einzelne wenige Szenen, beispielsweise den Tod der Ehefrau Judith. Statt einer
gleichmäßig untermalenden Musik treten Geräusche, Ton und Klänge an vielen Stellen umso
klarer hervor.
In der französischen Originalfassung lässt der Regisseur in der Gefängnisszene am Ende des Films
Mads Mikkelsen deutsch sprechen. „Man wird mich nicht foltern, nicht häuten, nicht
verbrennen.“ Er erinnert damit an die deutschsprachige literarische Vorlage von Heinrich von
Kleist, die ihn zum Film inspiriert hat.
Interpretation
Der Film Michael Kohlhaas greift bereits mit dem Titel auf seine gleichnamige literarische
Vorlage zurück. Er versteht sich jedoch nicht als Literaturverfilmung oder möglicherweise sogar
als historische Dokumentation, sondern will nach Aussage des Regisseurs die vielfältigen,
inhaltlich komplexen Vorgaben in einer eigenen ästhetischen Form zum Ausdruck bringen. Um
den Stoff zu reduzieren und zu fokussieren haben wir, so der Regisseur, aus dem großen
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Orchester bei Kleist „ein Barockquartett“2 gemacht. Die Kernfrage, um die die Geschichte von
Michael Kohlhaas kreist, verdichtet sich im Kampf um ein (verabsolutiertes) Rechtsgefühl, das
zwischen erlittenem Unrecht und eigenem Gewissen entscheiden muss. Eine dem Einzelnen
widerfahrende Gerechtigkeit erscheint als Gut, das nicht durch einen Konsens hergestellt werden
kann, sondern einer aller Weltlichkeit entzogenen Macht zugeschrieben werden muss. Sowohl
die Novelle als auch das Drehbuch des Films können am Ende letztlich nur die aufgezeigten
Ambivalenzen aushalten, wollen sie nicht mit einer eindimensionalen Antwort – und dies tut
auch der Film nicht – einen vermeintlich ungewissen Fluchtweg einschlagen.
Nicht ohne Grund liegt im zunächst überzeitlich wirkenden Dilemma des Michael Kohlhaas eine
große gesellschaftliche Aktualität. Das Gefühl des Einzelnen ungerecht behandelt zu werden,
kann in Biografien viele Spuren hinterlassen. Michael Kohlhaas, der im Film zunächst ruhig,
sachlich und gelassen wirkt, zeigt im Laufe der Geschehnisse eine Vielfalt von Reaktionen auf das
erfahrene Unrecht. Die Ohnmacht und Kränkungen, die am Ende nicht nur er erfährt, sondern
auch sein Knecht und seine Familie, steigern sich zu einem Gefühl, nur durch das eigene
Handeln - zusammen mit einigen Getreuen - Recht und Gerechtigkeit wieder herstellen zu
können. Wut, Gewalt und Rache gehen eine Allianz ein, die aus der Perspektive Dritter als
maßlos und willkürlich angesehen werden muss. Und in der Tat trifft die Gewalt Michael
Kohlhaas' nicht die an seinem Unrecht Schuldigen, Mächtige und Verantwortliche, sondern
größtenteils doch Unschuldige, Wehrlose und Schwache auf dem Weg. Im Kleinen wie im
Großen bleibt ein solches, persönliches Empfinden, das sich aus Unrecht, Missbrauch oder
Kränkung speist, erklärbar, ohne dass dies seinerseits ein entsprechendes Handeln ethisch
rechtfertigen könnte. Wenn Michael Kohlhaas bis zuletzt auf das Recht setzt, deutet sich an, dass
es hierbei nicht nur um ein persönliches, vermeintlich egoistisches Motiv geht. Kohlhaas pocht
auf das Recht, nicht nur sein Recht, und er wird dafür bezahlen. So ist nicht nur die zu
diskutierende Nähe Kohlhaas zu einem Zeitgenossen wie Thomas Müntzer zu benennen. Auch
Menschen, die heute mit und ohne Gewalt beispielsweise für Gerechtigkeit und
Menschenwürde, gegen Unterdrückung und Ausbeutung eintreten und kämpfen, stehen
gleichfalls vor der Frage, in welcher Konsequenz und Gewissensbindung sie ihr Handeln
begründen und motivieren können.
Im Film bleibt das Ringen von Michael Kohlhaas um sein Handeln nicht immer nachvollziehbar.
Die Gedanken des stummen Helden müssen oftmals mehr erraten und erahnt werden, als dass
wir sie verstehen und nachvollziehen könnten. Insbesondere das betont inszenierte Verhältnis
Michael Kohlhaas' zu seiner Tochter trägt zu dieser Irritation bei.
Eine besondere Beachtung kann im Film der Rolle Martin Luthers zukommen. Bereits zu Beginn
des Films wird deutlich, dass Michael Kohlhaas fest im neuen evangelischen Glauben verwurzelt
ist. Er liest an einer Feuerstelle im Freien in einer deutschen Bibel und legt seinem jungen
Gefährten die Textstelle 1. Kor 13,12 aus. Nachdem Michael Kohlhaas im Verlauf der späteren
Geschehnisse zu plündern und zu brandschatzen begonnen hat, kommt es zu einer direkten
Begegnung Martin Luthers mit Michael Kohlhaas. Martin Luther will Kohlhaas zur Aufgabe
seines gewalttätigen Tuns bewegen. In einer eindrücklichen Rede, in der es u. a. heißt, der „Sieg
besteht nicht in Macht und Herrschaft, sondern in Demut und Ergebenheit“, kommt es zu einer
spannenden Auseinandersetzung über die Gerechtigkeit und das menschliche Handeln.
Gleichzeitig überbringt Luther Kohlhaas ein Vermittlungsangebot der Obrigkeit. Als Kohlhaas
schließlich Luther – der im Film allerdings nie mit seinem Namen benannt wird – darum bittet,
2
Siehe Interview mit Arnaud des Pallière auf der DVD.
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4. Film: „Michael Kohlhaas“
ihm die Beichte abzunehmen, verweigert Luther dies , da Kohlhaas nicht zur Vergebung bereit
ist. Die protestantische Zuspitzung eines an das eigene Gewissen gebundene Handeln wird damit
noch einmal unterstrichen. Gleichzeitig deutet die Szene den historischen Hintergrund an, der
bereits in der Novelle von Heinrich von Kleist eingeflossen ist. Danach hat es zwischen Martin
Luther und Hans Kohlhase, der Wittenberg mehrfach überfallen und angezündet hat, eine
geheime Unterredung gegeben.3 Auch ist ein Brief Luthers vom 8. Dezember 1534 an Hans
Kohlhase überliefert. Die Vermittlung mit dem sächsischen Kurfürsten geht historisch auf Luther
zurück.
MATERIALIEN
I.
Filmeinführung (Vorschlag)
Mag sein, dass einige wegen des dänischen Schauspielers Mads Mikkelsen heute hier sind. Der
hat doch im James Bond gespielt! Casino Royale (2006)!
Und heute plötzlich so nachdenklich?! Michael Kohlhaas – das klingt doch nach
Deutschunterricht. Pflichtlektüre von Heinrich von Kleist! Was der französische Regisseur Arnaud
des Pallières daraus wohl gemacht hat! In Cannes wurde sein Film 2013 immerhin für die Goldene
Palme nominiert!
Vielleicht ist es gut, sich ein paar historische Eckdaten in Erinnerung zu rufen, auch wenn es nicht
um Geschichte geht. Vielmehr vielleicht darum, wie und warum Geschichte entsteht, und wie wir
darin unseren Platz finden! Für was wir kämpfen, wofür wir eintreten! Vielleicht aber auch, wo
es geboten ist, nachzugeben, aus Weisheit, ethischer Überzeugung, bevor nur noch mehr
Unrecht geschieht! Plötzlich liegen persönliche, aber auch unseren aktuellen politischen und
gesellschaftlichen Fragen mit auf dem Tisch!
Michael Kohlhaas – diese Gestalt knüpft bereits bei Kleist an eine historische Überlieferung an, ja
geht zurück in die Zeit der Reformation. Und auch wenn es in Arnaud des Pallières Film nicht
besonders sächsisch zugeht, kommt sogar der“ Übersetzer der Bibel“, sprich Martin Luther darin
vor. In einer, ja sogar recht spannenden Szene, wie ich finde.
Protestantischer evangelischer Glaube kommt überhaupt recht deutlich bei Michael Kohlhaas
vor, bildet vielleicht sogar eine Art Folie für sein Verständnis. Vielleicht kann es später eine
Perspektive sein, den Film zu betrachten und darüber ins Gespräch zu kommen. Wenn sie Lust
haben! Wir werden sehen!
Achten Sie am Anfang ein wenig auf die örtlichen Grenzen im Film, vielleicht auf die Zeitsprünge
in der Erzählung, es kann etwas helfen, die Orientierung zwischen den Geschehnissen ein wenig
schneller zu finden oder zu bewahren.
Doch genug der Vorrede. Große Bilder erwarten uns, bewegende Momente und Begegnungen,
und möglicherweise auch Zeit, den eigenen Gedanken etwas mehr Raum zu geben als gewohnt.
Gute Gedanken zu einem sehenswerten Film!
3
Vgl. Gerhard Ebeling: Luthers Seelsorge an seine Briefen dargestellt, Tübingen 1999, 232.
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4. Film: „Michael Kohlhaas“
II.
Filmgespräch
-
Gibt es Bilder oder Szenen, die Sie besonders berührt haben? Können Sei diese oder eine
von ihnen beschreiben?
-
Worin sehen Sie den Grundkonflikt von Michael Kohlhaas?
-
Ist Michael Kohlhaas in ihren Augen eine gescheiterte Figur?
-
Wie spielt und interpretiert Made Mikkelsen die Rolle von Michael Kohlhaas?
-
Einige Filmkritiker haben den Film Michael Kohlhaas
Western“ charakterisiert. Können Sie das nachvollziehen?
-
Halten Sie den Film für politisch? Können Sie Beispiele nennen, die die Fragen des Films
heute veranschaulichen?
-
Wie kommen Religion und protestantischer Glaube im Film vor?
-
Wie beurteilen Sie die theologische Position Martin Luthers, der zu Michael Kohlhaas
sagt: „Das Schwert, das du führst, ist […] nicht das Schwert der Gerechtigkeit!“?
-
Können Sie für sich eine „Botschaft“ des Films formulieren?
III.
als
„europäischen
Ursula Krechel: Landgericht, Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien, 2012
Ursula Krechel stellt in ihrem bewegenden Roman Landgericht u. a. ein Zitat aus Michael
Kohlhaas von Heinrich von Kleist voran. Im letztlich tragisch endenden Schicksal des in der NaziZeit aus Deutschland geflohenen Richters Kornitzer zeichnet die Schriftstellerin eine Person,
deren Leben im zermürbenden Kampf gegen das erfahrene Unrecht nach der Rückkehr aus dem
Exil im Nachkriegsdeutschland der fünfziger Jahre zerbricht. Ähnliche Motive und
Lebensschicksale greift der aktuelle Film „Im Labyrinth des Schweigens“ von Giulio Ricciarelli
(2014) auf.
IV.
Brief Martin Luthers
An Hans Kohlhase, Deutsch. Wittenberg, den 8. Dezember 1534
Gnad und Fried in Christo. Mein guter Freund! Es ist furwahr euer Unfall leid gewesen, und
noch, das weiß Gott; und wäre wohl zuerst besser gewesen, die Rache nicht furzunehmen,
dieweil dieselbe ohne Beschwerung des Gewissens nicht furgenommen werden mag, weil sie ein
selbs eigen rache ist, welche von Gott verboten ist, Deut 32. Röm. 12.: Die Rach ist mein, spricht
der Herr, ich will vergelten … , und nicht anders sein kann; denn wer sich darein begibt, der muß
sich in die Schanz geben, viel wider Gott und Menschen thun, welches ein christlich Gewissen
nicht kann billigen.
Und ist ja wahr, daß euch euer Schaden und infamia billig wehe thun soll, und schuldig seid,
dieselbige zu retten und zu erhalten, aber nicht mit sunden oder Unrecht. Quod justum est, juste
persequeris, sagt Moses; Unrecht wird durch ander Unrecht nicht zurecht bracht. Nun ist
Selbsrichter sein und Selbsrichten gewißlich unrecht, und Gottes Zorn läßt es nicht ungestraft.
Was ihr mit Recht ausführen moget, da thut ihr wohl; könnt ihr das Recht nicht erlangen, so ist
kein ander Rath da, denn Unrecht leiden. Und Gott, der euch also läßt Unrecht leiden, hat wohl
Ursach zu euch. Er meinet es auch nicht ubel noch böse mit euch, kann auch solches wohl redlich
wieder erstatten in einem andern, und seid drumb unverlassen.
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4. Film: „Michael Kohlhaas“
Und was wollet ihr thun, wenn er wohl anders wollt strafen, an Weib, Kind, Leib und Leben? Hie
musset ihr dennoch, so ihr ein Christ sein wollt, sagen: mein lieber Herr Gott, ich habs wohl
verdienet, du bist gerecht, und thust nur allzuwenig nach meinen Sunden. Und was ist unser
aller Leiden gegen sein Sohnes unseres Herrn Christi Leiden?
Demnach, so ihr meines Raths begehret (wie ihr schreibet), so rathe ich, nehmet Friede an, wo er
euch werden kann, und leidet lieber an Gut und Ehre Schaden, denn daß ihr müsset aller der
Sünden und Büberei auf euch nehmen, so euch dienen würden zur Fehde: die sind doch nicht
fromm, und meinen euch mit keinen Treuen, suchen ihren Nutz. Zuletzt werden sie euch selbs
verrathen, so habt ihr denn wohl gefischet. Malet ihr ja nicht den Teufel uber die Thür, und
bittet ihn nicht zu Gevattern, er kömmet dennoch wohl, denn solche Gesellen sind des Teufels
Gesindlin, nehmen auch gemeiniglich ihr Ende nach ihren Werken.
Aber euch ist zu bedenken, wie schwerlich euer Gewissen ertragen will, so ihr wissentlich sollet
so viel Leute verderben, da ihr kein Recht habet. Setzt ihr euch zufrieden, Gott zu Ehren, und
lasset euch euern Schaden von Gott zugefüget sein, und verheißets umb seinetwillen: so werdet
ihr sehen, er wird wiederumb euch segnen, und euer Aerbeit reichlich belohnen, daß euch lieb
sei euer Geduld, so ihr getragen habt.
Dazu helfe euch Christus unser Herr, Lehrer und Exempel aller Geduld und Helfer in Noth, Amen
Dienstag nach Nicolai, Anno 1534
(aus: Martin Luthers Briefe. In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald, Zweiter Band,
Inselverlag, Leipzig 1909)
V.
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!
Römer 12,21
Der Klügere gibt nach – bis er der Dumme ist.
Volksmund
Weitere Verfilmungen
-
1967: Michael Kohlhaas. Regie: Wolf Vollmar (TV-Siebenteiler)
-
1969: Michael Kohlhaas – der Rebell. Regie: Volker Schlöndorff
-
1999: Reiter auf verbrannter Erde (Orig. The Jack Bull). Regie: John Badham
-
2012: Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Regie: Aron Lehmann
(nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Kohlhaas)
Literatur
-
Walter Jens (Hg.), Kindlers
Michael Kohlhaas, 480-482
Neues
Literatur
Lexikon
Bd.
9,
München
1996,
-
Heinrich von Kleist – Sämtliche Werke Berliner Ausgabe hg. von Roland Reuß und Peter
Staengle, Verlag Stroemfeld/Roter Stern, Basel/Frankfurt am Main 1990, II/1 Michael
Kohlhaas (1808), Michael Kohlhaas (1810)
16.11.2014, Steffen Marklein