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Pferdeberufe
«Die Leidenschaft muss immer an erster Stelle stehen»
Vor vier Jahren wurde die berufliche Grundbildung der Pferdebranche neu organisiert. Angehende Pferdefachleute werden neu in fünf verschiedenen Fachrichtungen
ausgebildet. Patrick Rüegg, Präsident der OdA Pferdeberufe, über die Entwicklung
einer Branche im Spannungsfeld von Reitstallromanik und hartem Berufsalltag.
Pferdeberufe sind bei den Jugendlichen
in. Wie gross ist die Nachfrage konkret?
Sehr gross. Vor allem junge Frauen interessieren sich für den Beruf. Ihr Anteil
liegt bei 95 Prozent. Viele sind jedoch für
den Beruf nicht geeignet. Sie träumen
von Reitstallromantik, vom Reiten, vom
Reitunterricht, von den schönen Seiten
dieses Berufes. In der Realität ist der Beruf jedoch pickelhart und gerade für zierliche Frauen sehr anspruchsvoll.
Liebe zum Pferd – Was muss man sonst
noch für diesen Beruf mitbringen?
Es braucht eine realistische Liebe zum
Pferd. Übersteigerte romantische Vorstellungen haben im Reitalltag keinen
Platz. Unabdingbar sind weiter eine gute
körperliche Konstitution, aber auch
Durchsetzungsvermögen
gegenüber
dem Pferd. Die Lernenden müssen fähig
sein, den Lead zu übernehmen. Auch
Einfühlungsvermögen gegenüber der
Kundschaft ist gefragt.
Attestiert der Pferdebranche gute Perspektiven: Patrick Rüegg.
Peter Brand
Herr Rüegg, in der Schweiz gibt es rund
90 000 Pferde – Tendenz steigend. Wie
geht es der Pferdebranche?
Patrick Rüegg: Es geht ihr gut. Sie hat sich
gegenüber früher stark gewandelt. Traditionellerweise wurde das Pferd vor allem
in der Landwirtschaft und im Sport stark
genutzt. Mittlerweile wird es auch im
Tourismus- und Therapiebereich eingesetzt. Angeboten werden heilpädagogi-
sches Reiten, Reittherapien für psychisch
Erkrankte und neuerdings auch für Burnout-Patienten. Pferde werden aber auch
in Führungsseminaren eingesetzt. Im
Umgang mit ihnen können Führungskräfte ihre Rolle reflektieren, denn auch
das Pferd braucht einen klaren Chef.
Die Pferdebranche hat also Zukunft?
Ja. Ich bin angesichts der steigenden
Zahlen positiv gestimmt. Die Branche
braucht dringend Nachwuchs. Weil beim
Reiten die nötige Sicherheit gewährleistet sein muss, brauchen wir unbedingt
gut ausgebildete Fachleute.
Wie viele Ausbildungsbetriebe respektive
Lehrverhältnisse gibt es in der Schweiz?
Lehrbetriebe gibt es rund 350. Pro Jahr
werden zwischen 80 und 90 Lehrverhältnisse in der dreijährigen beruflichen
Grundbildung abgeschlossen. Hinzu
kommen 60 Lehrverhältnisse in der
zweijährigen beruflichen Grundbildung.
Ein vielseitiges Berufsfeld also. Gibt
es jungen Menschen auch genügend
Perspektiven für die Zukunft?
Nur bedingt. Die Leidenschaft muss in
diesem Beruf an erster Stelle stehen. Wer
möglichst wenig arbeiten und einen
hohen Lohn generieren will, ist bei uns
sicher fehl am Platz. Perspektiven gibt es
für diejenigen, die den nötigen Tatendrang mitbringen, die ihr Leben mit dem
Pferd teilen möchten und bereit sind,
andere Bedürfnisse zurückzustellen.
Vor vier Jahren wurde die Bildungsverordnung der Pferdeberufe überarbeitet. Warum?
Ausschlag gab die Änderung des Berufsbildungsgesetzes. Im Zuge davon mussten alle Berufe reformiert werden. Ausserdem waren unsere damaligen
Berufsbezeichnungen Bereiterin/Bereiter und Pferdepflegerin/Pferdepfleger
dem klassischen Reiten vorbehalten.
Verbände anderer Reitarten wie Westernreiten oder Gangpferdereiten wollten ebenfalls eine Ausbildung anbieten.
Das führte dazu, dass eine neue berufliche Grundbildung mit fünf Fachrichtungen geschaffen wurde (siehe Kasten).
Bewährt sich diese Spezialisierung? Welchen Stellenwert hat die gewählte Fachrichtung für das spätere Berufsleben?
Die Spezialisierung bewährt sich sehr. Die
Fachrichtungen unterscheiden sich stark.
Alle arbeiten zwar mit einem Pferd, aber
sehr unterschiedlich. Die Fachrichtung ist
keine lebenslange Spezialisierung. Ein
Wechsel geschieht in der Regel nur dann,
wenn es nicht anders geht, denn jede
Fachrichtung hat eben ihre eigene Leidenschaft. Man fühlt sich mit ihr verbunden und möchte dort etwas erreichen.
Neu ist auch die zweijährige berufliche
Grundbildung Pferdewartin/Pferdewart
EBA. Wie sind die Erfahrungen damit?
Diese Ausbildung eignet sich für junge
Menschen mit schwierigem Umfeld oder
schlechten Schulleistungen. Pferd und
Lehrbetrieb haben für sie einen wichtigen Stellenwert. Das Pferd hilft diesen
jungen Menschen durch die Grundbildung. Sie können beim Ausmisten ihre
Sorgen erzählen oder die Wärme des
Tieres spüren. Unsere Erfahrungen sind
sehr positiv. Sogar Lernende, die unter
Umständen ins IV-Netzwerk fallen
würden, können mit dieser Ausbildung
den Schritt ins Berufsleben schaffen.
Die Qualität der Ausbildungsbetriebe
in der Pferdebranche wird mitunter
kritisch beurteilt. Wie sehen Sie das?
Wir müssen an der Ausbildungsqualität
arbeiten, das sehe ich auch so. Auf den
meisten Betrieben lastet ein hoher wirtschaftlicher Druck. Das macht die Ausbildung für viele nicht ganz einfach. Wir
sind bestrebt, die Qualität zu verbessern.
Erste Schritte sind bereits getan. Die
Reform trägt zur Professionalisierung
der Branche bei.
[email protected]
Pferdeberufe
Die Pferdebranche bietet die
dreijährige berufliche Grundbildung
Pferdefachmann EFZ oder
Pferdefachfrau EFZ an. Möglich sind
die Fachrichtungen Pferdepflege,
klassisches Reiten, Westernreiten,
Gangpferdereiten und Pferderennsport. Der Unterricht an der
Berufsfachschule ist in den ersten
beiden Lehrjahren für alle
Fachrichtungen der gleiche. Im 3.
Lehrjahr erfolgt die Spezialisierung
in die gewählte Fachrichtung.
Angeboten wird ebenfalls die
zweijährige berufliche Grundbildung
Pferdewart EBA oder Pferdewartin
EBA.
Infos: www.pferdeberufe.ch
«espace einsteiger» ist eine Dienstleistung der Espace Media AG und des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Bern und wird in Zusammenarbeit mit folgenden Partnern realisiert:
BEKB | BCBE (www.bekb.ch) • Die Schweizerische Post, Berufsbildung (www.post.ch/lehrstellen oder 0848 85 8000) • Berufsbildung Bundesverwaltung (www.epa.admin.ch/dienstleistungen/lehrstellenangebote)