Kunsttherapie bei Schizophrenie

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Kunsttherapie bei Schizophrenie
Erfahrungsmedizin in Wissenschaft und Forschung
Kunsttherapie bei Schizophrenie: Wirksamkeit fraglich
Kunsttherapie verbessert weder das Funktionsniveau noch die geistige Gesundheit von
Schizophrenie-Patienten. Diese Ergebnisse einer englischen Forschergruppe stellen die
Empfehlungen der nationalen Leitlinien zur Behandlung von Schizophrenie in Frage. Obwohl
dort Kunsttherapie als ergänzende Behandlung bei Schizophrenie empfohlen wird, gibt es
bisher nur wenige Studien zur klinischen Wirksamkeit dieser Therapie.
Um den Einfluss der Kunsttherapie genauer zu erforschen, rekrutierten Wissenschaftler an
der Universität London insgesamt 417 Patienten mit Schizophrenie. Alle Patienten erhielten
während des Studienzeitraums von 12 Monaten die Standardversorgung, zu der die medikamentöse Versorgung sowie eine regelmässige ärztliche Betreuung gehörten. Darüber hinaus wurden die Patienten in drei Behandlungsgruppen aufgeteilt:
• Die 140 Patienten der ersten Gruppe nahmen zusätzlich einmal wöchentlich an einer
Kunsttherapie in der Gruppe teil. Dabei wurden die Teilnehmer ermutigt, sich mit Hilfe von
verschiedenen, künstlerischen Materialien frei auszudrücken.
• Die 140 Patienten, die der Gruppe zwei zugeteilt wurden, trafen sich einmal wöchentlich,
um gemeinsam verschiedenen Aktivitäten nachzugehen wie zum Beispiel Brettspiele
spielen, Filme ansehen und diskutieren oder Besuche im Cafe.
• Die 137 Patienten der Kontrollgruppe erhielten nur die Standardversorgung.
Nach jeweils 12 und 24 Monaten wurden mit standardisierten Mess-Skalen das allgemeine
Funktionsniveau (psychische, soziale und berufliche Funktionen) und die geistige Gesundheit als Parameter für den Behandlungserfolg überprüft. Dabei zeigte sich bei keinem Parameter ein Unterschied zwischen den drei Gruppen. Aufgrund dessen folgern die Wissenschaftler, dass eine Kunsttherapie nicht generell zu einer Besserung der Symptome von
Schizophrenie-Patienten führt. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass Patienten, die besonders motiviert sind, dennoch von dieser Therapie profitieren können.
Quelle: Crawford M. J. et al: Group art therapy as an adjunctive treatment for people with schizophrenia: multicentre pragmatic randomised trial. BMJ 2012;344:e846doi
Hintergrund
Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung, die relativ verbreitet ist: Sie tritt im
Lauf des Lebens etwa bei einem Prozent der Bevölkerung auf. Schizophrenien können
schubweise oder chronisch verlaufen. Neben den bekannten, sogenannten positiven Symptomen wie Denkstörungen, Sinnestäuschungen und Wahnvorstellungen leiden die Betroffenen auch unter Antriebsarmut, Aufmerksamkeitsdefiziten, Depressionen und kognitiven und
motorischen Defiziten. Diese negativen Symptome sind unterschiedlich stark ausgeprägt,
dauern jedoch länger an und können zu sozialem Rückzug und Invalidität führen. Während
die positiven Symptome in den meisten Fällen gut mit Antipsychotika behandelbar sind,
sprechen die negativen Symptome in der Regel nicht auf diese Medikamente an. Deshalb
werden zusätzlich häufig psychologische und psychotherapeutische Behandlungsformen
sowie Soziotherapie eingesetzt. Die Anwendung von künstlerischen Ausdrucksformen im
Rahmen einer Kunsttherapie soll in diesem Zusammenhang besonders vorteilhaft sein und
wird daher häufig empfohlen.