Der dritte Tag der Traumzeit: Schlagwirbel, Jazzpunk

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Der dritte Tag der Traumzeit: Schlagwirbel, Jazzpunk
http://www.du2010.de/allgemein/der-dritte-tag-der-traumzeit-schlagwirbeljazzpunk-und-intensivindependent
Der dritte Tag der Traumzeit:
Schlagwirbel, Jazzpunk und
Intensivindependent
Normalerweise stehen Perkussionisten im
Orchester ja sehr versteckt hinter all den Geigen, Trompeten, Posaunen und Bässen. An diesem
Traumzeit-Tag aber standen die Schlagwerker der Duisburger Philharmoniker im Rampenlicht und
eröffneten den Schwerpunkt Perkussion, während Blood Sweat Drum ‘n Bass den Schwerpunkt Big
Band beendeten.
Faszinierend, was in drei Tom-Toms ans Klängen steckt. Ebenso faszinierend, dass Vibraphon und
Marimbaphone ebenfalls ins Repertoire der Schlagwerker einzuordnen sein – die Komposition
„Schatten und Differenzen“ von Frank Zabel verwob die Klänge der beiden Instrumente mit einer
elektronischen Komponente. Welche Vielzahl an Instrumenten sonst noch normalerweise nur versteckt
im Orchester zu finden sind zeigte dann das Stück „Fiesta del Sol“ mit karibischem Einschlag.
In der Anmoderation wurden sie als die beste Vollversammlung von Musikern des Ruhrgebiets
bezeichnet: The Dorf aus Dortmund sprengten fast die Bühne am Gasometer und sind die Einzigen, die
im Programm bei den Mitgliedernamen eine zweite Spalte brauchten. The Dorf schauen gerne über den
Tellerrand des Jazz hinweg, nehmen sich die Freiheit auch mal rockige Töne anzuschlagen und sind
mit einer Spielfreude gesegnet, die sich hören ließ. Optisches Highlight: Dirigent Jan Klare im Kilt.
Soundliches Highlight: Das Sousaphon. Nach dieser Traumzeit werden The Dorf sicherlich kein
Geheimtipp mehr bleiben.
Mit etwas Verspätung begann das Konzert von Efterklang, denen der Landschaftspark Nord sehr gut
gefällt: „Pretty place you have here“. Efterklang überziehen ihr Publikum mit Klangflächen, die man
vermutlich recht schnell in die Ecke Independent packen könnte. Wobei es schwierig wird genau zu
beschreiben was für ein Independent dies sein soll, schillert die Musik doch einerseits vor sangbaren
Melodien, andererseits bricht sich das immer wieder mit überraschenden Effekten. Ein ungewöhnlicher
frischer Sound.
Ibrahim Maaloufs Trompete hat vier Ventile. Das ist vielleicht eine Tatsache, die man achselzuckend
zur Kenntnis nimmt – dann aber ruft man sich in Erinnerung, dass die Trompete doch eigentlich nur
drei Ventile zur Tonerzeugung hat? Warum es bei Maalouf vier sind war schnell klar als der Trompeter
mit seiner Band die Gießhalle betrat. Zu hören waren nämlich Anklänge an die arabische Musik und
die hat Zwischentöne, die man mit der normalen Trompete nicht spielen könnte. Maalouf erweitert also
die Trompete und er erweitert auch den Jazz. Rocklastige Klänge zum Kopfnicken wechseln sich ab
mit sanften Tönen zum Hinhören, perfekte Melange die zu den Temperaturen passte. Sogar HeavyMetal-Anklänge flossen in das Konzert mit hinein, was man bei Maalouf nicht unbedingt erwarten
würde.
Musikalische Genregrenzen kennt ebenfalls die Blood Sweat Drum ‘n Bass Big Band aus
Kopenhagen nicht. Den langen Reiseweg – seit fünf Uhr war die Band unterwegs – merkte man
den Musikern nicht an und so legten sie mal ihre sanften Seiten an den Tag. Bezaubernd:
Sängerin Lauridsen. Um dann Knall auf Fall den Zuhörer eine Ladung Rock vom Feinsten um
die Ohren zu hauen, wiederum gibt’s dann Platz für experimentelle Stücke. Eine Reise zu allen
Genres der Musik.
Die Pat Metheny Group schaltete im Vergleich zu der Big Band einen Gang zurück: Ausgeprägt ruhige
improvisatorische Jazzlandschaften mit Stücken von an die zehn Minuten Dauer waren in der
Kraftzentrale zu hören. Nachdenkliche wirkende Kompositionen, Stücke die in einander übergingen.
Was soll man noch zu The Notwist schreiben was nicht längst geschrieben wurde? Dass die Band seit
20 Jahren einerseits ihre Songgebilde in regelrechtem Chaos enden lassen kann um dann dann wieder
poetisch langsame Zartheit walten zu lassen? Dass die Gruppe sich mit Elan und Verve in ihr Konzert
warf? Dass Musik von The Notwist sich eigentlich jeder Schublade entzieht, weil sie längst eine eigene
Kategorie für sich geschaffen hat? Was man bisher noch nicht über The Notwist geschrieben hat – die
Band schafft es beim Traumzeitfestival die Generationen zu vereinigen. Trotz oder vielleicht gerade
ihres teilweise recht schrägen Sounds. Wahrlich eine unübertroffene Leistung, die das TraumzeitFestival würdig beschloss. Jedenfalls für den Großteil der Zuhörer, wer nach The Notwist sich noch
etwas Entspannen wollte konnte dem weichem aber unter der Oberfläche komplexem Jazz des
Sebastian Gahler Trios lauschen.
Text und Medien: Christoph Müller-Girod
http://www.du2010.de/allgemein
http://www.xtranews.de/2010/07/05/letzter­traumzeit­tag­
genregrenzenueberschreitungen/ Photo: Nikolaj Holm Moeller - Quelle: Traumzeit-Festival
Faszinierend, was in drei Tom-Toms an Klängen steckt. Um 16:00 Uhr eröffneten die Schlagwerker
der Duisburger Philharmoniker den Schwerpunkt Percussion an diesem Tag. Ebenso faszinierend, dass
Vibraphon und Marimbaphone ebenfalls ins Repertoire der Schlagwerker einzuordnen sind – die
Komposition „Schatten und Differenzen“ von Frank Zabel verwob die Klänge der beiden Instrumente
mit einer elektronischen Komponente. Welche Vielzahl an Instrumenten sonst noch normalerweise nur
versteckt im Orchester zu finden sind zeigte dann das Stück „Fiesta del Sol“ mit karibischem
Einschlag. Unter anderem Klanghölzer, Schnarren und vor allem Christoph Lamberti, der mit seinem
Trommelsolo das Publikum von den Stühlen riss. Übrigens der einzige Musiker, der mit Flipflops
spielte. Das dürfte ihm den Titel “Ungewöhnlichste Fußbekleidung des Festivals auf der Bühne”
eingetragen haben.
In der Anmoderation wurden sie als die beste Vollversammlung von Musikern des Ruhrgebiets
bezeichnet: The Dorf aus Dortmund sprengten fast die Bühne am Gasometer und sind die Einzigen, die
im Programm bei den Mitgliedernamen eine zweite Spalte brauchten. The Dorf schauen gerne über den
Tellerrand des Jazz hinweg, nehmen sich die Freiheit auch mal rockige Töne anzuschlagen und sind
mit einer Spielfreude gesegnet, die sich hören ließ. Optisches Highlight: Dirigent Jan Klare im Kilt.
Soundliches Highlight: Das Sousaphon. Für diesen Klang braucht man fast schon einen
Waffenschein…
Mit deutlicher Verspätung begann das Konzert von Efterklang, denen der Landschaftspark Nord sehr
gut gefällt: „Pretty place you have here“. Efterklang überziehen ihr Publikum mit Klangflächen, die
man vermutlich recht schnell in die Ecke Independent packen könnte. Wobei es schwierig wird genau
zu beschreiben was für ein Independent dies sein soll, schillert die Musik doch einerseits vor sangbaren
Melodien, andererseits bricht sich das immer wieder mit überraschenden Effekten. Das
Schubladendenken wird hier sehr stark strapziert. Was auch gut so ist.
Ibrahim Maaloufs Trompete hat vier Ventile. Das ist vielleicht eine Tatsache, die man achselzuckend
zur Kenntnis nimmt – dann aber ruft man sich in Erinnerung, dass die Trompete doch eigentlich nur
drei Ventile zur Tonerzeugung hat? Warum es bei Maalouf vier sind war schnell klar als der Trompeter
mit seiner Band die Gießhalle betrat. Zu hören waren nämlich Anklänge an die arabische Musik und
die hat Zwischentöne, die man mit der normalen Trompete nicht spielen könnte. Maalouf erweitert also
die Trompete und er erweitert auch den Jazz. Rocklastige Klänge zum Kopfnicken wechseln sich ab
mit sanften Tönen zum Hinhören, perfekte Melange die zu den Temperaturen passte.
Musikalische Genregrenzen kennt ebenfalls die Blood Sweat Drum ‘n Bass Big Band aus
Kopenhagen nicht. Bezaubernd: Sängerin Lauridsen. Die Big Band selbst zeigte keine Spur von
Müdigkeit obwohl sie seit fünf Uhr morgens unterwegs waren nur um eigens auf dem Festival
spielen zu können. Einsatz der sich lohnte – experimentelle Sounds waren zu hören, andererseits
sanfte Klänge. Es scheint, als ob das Traumzeit-Festival an diesem dritten Tag sich auf den
Punkt “Genremelange” konzentriert hätte. Dann jedoch: Die Pat Metheny Group. Ausgeprägt
ruhige improvisatorische Jazzlandschaften mit Stücken von an die zehn Minuten Dauer waren in der
Kraftzentrale zu hören.
Was soll man noch zu The Notwist schreiben was nicht längst geschrieben wurde? Dass die Band seit
20 Jahren einerseits ihre Songgebilde in regelrechtem Chaos enden lassen kann um dann dann wieder
poetisch langsame Zartheit walten zu lassen? Dass Musik von The Notwist sich eigentlich jeder
Schublade entzieht? Ja, das kann man auch jetzt wieder schreiben und es wäre auch richtig und wahr.
Aber: Was man bisher noch nicht über The Notwist geschrieben hat – die Band schafft es beim
Traumzeitfestival die Generationen zu vereinigen. Querweg alle Altersgruppen waren beim Konzert zu
sehen. Trotz oder vielleicht gerade ihres teilweise recht schrägen Sounds.
Insgesamt gesehen konnte die Traumzeit wieder das Erfüllen, was man sich von ihr erwartete. Neben
den großen Acts gabs genug kleine, die die Entdeckung lohnten. Einzig und allein die Tatsache, dass in
diesem Jahr das kostenlose Fringe-Programm zugunsten der neuen Bühne am Gasometer gestrichen
wurde könnte einen Hauch von Wehmut dazupacken. Dass am Samstag ein gewisses Fußballspiel dann
die Massen vielleicht eher abzog als anlockte – das konnte man jedenfalls nicht planen. Hoffen wir,
dass in den Zeiten der Geldknappheit das Festival auch im nächsten Jahr wieder verzaubern kann und
darf.