Zahnpflege beim Pferd - Tierklinik Binger Wald

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Zahnpflege beim Pferd - Tierklinik Binger Wald
Zahnpflege beim Pferd – was ist notwendig?
Dr. Kai Kreling, Tierärztliche Klinik Binger Wald, Waldalgesheim
Die Diskussion um die Zahnpflege beim Menschen ist schon lange nicht mehr grundsätzlich
sondern es wird hier mehr um die Technik debatiert. Bei Hunden wird seit vielen Jahren über
die Reinigung der Zähne berichtet. Es gibt die verschiedensten Angebote an Zahnbürsten,
Zahnpasta und sogar Zahnseide für Hunde. Für Mensch und Hund ist das Zähne putzen eine
notwendige Maßnahme zur Gesunderhaltung des Zahnes und seiner Umgebung. Nachdem nun
aber auch für Pferde die ersten Zahnpflegeartikel auf den Markt kommen, soll hier etwas zur
Aufklärung um die Pflegebedürftigkeit des Pferdezahnes beigetragen werden. Dazu sollte man
einige Daten zum Pferdezahn kennen.
Das Pferd hat im vorderen Bereich der Maulhöhle jeweils 6 Schneidezähne oben und unten.
Nach hinten schließt bei Hengsten, Wallachen und bei einigen Stuten der Hakenzahn an. Nach
einer großen Zahnlücke beginnen in der Tiefe der Maulhöhle die Backenzähne; auf jeder Seite
oben und unten jeweils 6 Backenzähne. Vereinzelt treten Wolfszähen vor dem ersten
Backenzahn auf.
Backenzähne Vorbackenzähne Wolfszahn Hakenzahn Schneidezähne
Der Pferdezahn besteht aus drei „Bausteinen“. Es sind der Zahnschmelz, das Dentin und der
Zahnzement. Alle drei sind völlig unterschiedlich in ihrer Struktur:
Zahnschmelz
Der Zahnschmelz ist die härteste Substanz im Körper überhaupt. Er besteht zu 95 -98
Prozent aus anorganischem Material. Zahnschmelz ist farblos, und wirkt nur durch das
durchscheinende Dentin weiß-gelblich. Er beinhaltet nur vier bis sechs Prozent Wasser und
ist extrem brüchig. Wegen des geringen Wassergehaltes und dem fast ausschliesslichen
Anteil an anorganischen Substanzen bezeichnet man den Zahnschmelz auch als "tote
Substanz". Zerstörter Zahnschmelz kann vom Körper nicht mehr repariert werden. Die
Mikrostruktur besteht aus grossen Kristallen, die grösser sind als die in Dentin, Zement oder
auch im Knochen. Zahnschmelz ist bei uns Menschen und auch beim Hund die äußere
Ummantelung des Zahnes.
Dentin
Dentin stellt den grössten Anteil der Zahnsubstanz. Es wird auch als Zahnbein bezeichnet.
Es besteht aus ca. 75 Prozent anorganischem, 20 Prozent organischem Anteil und 5 Prozent
Wasser. Dentin "lebt" und ist zu einem geringen Grad sensibel. Beim Menschen wird durch
diese Nervenversorgung eine gewisse Empfindlichkeit beispielsweise für heiss oder kalt
erklärt. Ob dieser Mechanismus beim Pferd auch so funktioniert ist nicht bewiesen. Aus
Erfahrung ist die Empfindlichkeit beim Pferd deutlich geringer beziehungsweise überhaupt
nicht vorhanden. Im Dentin kommt es Lebenslang zu Umbauprozessen und dadurch auch zu
einer gewissen Reparatur von Defekten. Dentin hat den Vorteil, dass es nicht so brüchig ist
wie der Zahnschmelz. Dadurch ist die Verletzungsgefahr des Dentins geringer.
Dentin ist blass-gelb bis cremefarbend. Speziell das weniger mineralisierte Dentin an der
Aussenseite des Zahnes nimmt Pigmente aus dem Futter auf.
Zahnzement
Zahnzement ist das weichste Zahnmaterial. Er besteht aus 45-50 Prozent anorgansichem,
45-50 Prozent organischem Material und zu circa 10 Prozent aus Wasser. Zement ist
gelblich. Der Aufbau des Zahnzementes im Zahn entspricht der Struktur von Knochen und
ist aufgrund des hohen Anteils an organischer Bausubstanz relativ flexibel. Zahnzement
produziert und bildet die sogenannten Sharpeyischen Fasern, die den Zahn seitlich im
Zahnfach festhalten, beziehungsweise verankern. Von Seiten des Zahnfaches kommen
Gewebsstrukturen, die den Zahn versorgen. Hierfür stellt der Zahnzement seine Oberfläche
zur Verfügung. Durch das ständige Nachschieben des Zahnes muss auch diese Verbindung
flexibel sein. So kommt es im Laufe des Pferdelebens zu einer ständigen Ab- und Aufbau
von Zahnzement, der trotz dem Herauswachsen des Zahnes immer für eine stabile
Verbindung zwischen Zahnfach und Zahn sorgt.
Speziell im Bereich der Zahnwurzel schützt Zahnzement das darunter liegende Dentin. Bei
extrem alten Pferde, bei denen die Zähne schon sehr weit abgenutzt sind, bleibt nur noch
Zement und Dentin als Kaufläche übrig. Zahnschmelz ist hier nicht mehr in der
Zahnsubstanz enthalten. Man bezeichnet das Gebiss des alten Pferdes als "weiches Gebiss"
oder auch als "Gummigebiss". Bei diesen Pferden nutzt sich der Restzahn sehr schnell
ab.
Zahnzement ist in seiner Oberfläche nicht glatt sondern porös. Wie schon beim Dentin
beschrieben können Farbpigmente an diese raue Oberfläche anheften und den Zahn
verfärben. Dadurch entsteht die zum Teil braun- schwarze Farbe des Zahnes. Dies ist
absolut unbedenklich und stellt keine krankhafte Veränderung des Zahnes dar.
Der Pferdezahn ist außen mit Zahnzement umgeben. Nach innen schließt das Dentin an und
in der Zahnmitte befinden sich Zahnschmelzanteile. Beim Mensch und Hund ist dagegen
Zahnschmelz die äußere Ummantelung.
Fakt ist: beim Pferd wird die äußere Ummantelung des Zahnes nicht durch
Zahnschmelz sondern Zahnzement gebildet. Dunkle Verfärbungen sind durch die schon
beschriebenen Farbpigmente aus dem Futter in der porösen Oberfläche des Zahnes /
Zahnzement zu erklären.
Zahnzement
Pferdezahn
Dentin
Zahnschmelz
Menschenzahn
Der Mensch und der Hund sind „Allesfresser“. Sowohl die aufgenommene Nahrung als
auch der Speichel sind hier wesentlich aggressiver zum Zahn und zum Zahnfleisch als beim
Pflanzenfresser Pferd.
Das Entstehen von Karies ist beim Pferd möglich, wird aber durch das permanente
Abnutzen der Kaufläche und das Nachschieben des Zahnes in die Maulhöhle auf natürliche
Weise an seiner Weiterentwicklung gehindert.
Zahnfleischentzündungen kommen vereinzelt vor. Vor allem wenn sich an den
Hakenzähnen große Ansammlungen von Zahnstein festsetzen, reizt das das umliegende
Zahnfleisch. Ansonsten sind die beim Menschen bekannten Zahnerkrankungen beim Pferd
eher eine Ausnahme.
Das tägliche Zähneputzen ist aus folgenden Gründen beim Pferd nicht notwendig:
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Die Speichel- und Futterbestandteile sind für den Zahn nicht so aggressiv wie bei
Mensch und Hund
Die Oberfläche des Zahnes beim Pferd ist Zement, der gewisse „Selbstheilung“
betreiben kann
Der Zahn schiebt immer neue Zahnsubstanz nach und reibt sie an der Kaufläche
wieder ab. Dies führt zu einer permanenten „Zahnerneuerung“.
Es ist sicherlich schwierig einem Pferd die Backenzähne zuverlässig zu säubern.
Selbst mit bestem Werkzeug würden Pferde diese Prozedur nicht auf Dauer
tolerieren.
Neben dem eigentlichen Zähneputzen sollte regelmäßig eine Zahnkontrolle durchgeführt
werden. Speziell in Zeiten des Zahnwechsels ist dies sehr wichtig!
Zahnwechsel
Wie beim Menschen hat das junge Pferd ein Milchgebiss. Das Milchgebiss besteht aus
Milchzähnen, die in unterschiedlichen Alterabschnitten in bleibende Zähne gewechselt
werden. Während dieser Zeit kommt es häufig zu „Zahnschmerzen“, die entweder durch
nicht ausfallende Milchzähne oder durch die „Produktion“ der bleibenden Zähne verursacht
werden können. Bleibende Zähne, bzw. deren Reservekrone in der Tiefe der Kiefer werden
bis zum 7ten Lebensjahr aufgebaut. Solange können diese Zahnanlagen auch
Zahnschmerzen verursachen. Die Backenzähne werden in die Vorbackenzähne und die
eigentlichen Backenzähne eingeteilt. Die ersten 3 Backenzähne sind die Vorbackenzähne,
die zuerst einmal als Milchzähne angelegt werden. Sie wechseln wie unten beschrieben. Die
hinteren 3 Backenzähne sind sofort als bleibende Zähne angelegt. Das gleiche gilt für die
Hakenzähne, die mit 4 – 5 Jahren herauswachsen. Der kleine Wolfszahn, der in
unterschiedlichsten Altersabschnitten vor dem ersten Backenzahn herauswachsen kann,
kommt fast nur am Oberkiefer vor. Er kann bei Hengsten, Wallachen und Stuten
gleichermaßen auftreten und hat nur eine kleine Restwurzelanlage. Viele Pferde stört dieser
kleine Zahn. Er ist leicht zu entfernen. Eine regelmäßige Zahnkontrolle verhindert viele
Rittigkeitsprobleme während der Zahnwechselperiode.
Wechsel der Milchzähne- Pferd:
Zange
Mittelzähne
Eckzähne
1. Vorbackenzahn
2. Vorbackenzahn
3. Vorbackenzahn
1 – 3 Backenzähne
1. Backenzahn
2. Backenzahn
3. Backenzahn
Hakenzahn
vorderster Schneidezahn
mittlerer Schneidezahn
hinterster Schneidezahn
erster Backenzahn
zweiter Backenzahn
dritter Backenzahn
4.-6. Backenzahn
vierter Backenzahn
fünfter Backenzahn
dritter Backenzahn
Hengst-/ Wallachzahn
mit zweieinhalb Jahren
mit dreieinhalb Jahren
mit viereinhalb Jahren
mit zweieinhalb Jahren
mit dreieinhalb Jahren
mit vier Jahren
werden sofort als bleibende Zähne angelegt
mit einer Jahr
mit zwei Jahren
mit 4 – 5 Jahren
mit 4 – 5 Jahren
Bei Pferden über 25-30 Jahren ist der Zahn soweit abgenutzt, dass keine belastbare
Kaufläche mehr zur Verfügung steht. Hier sollten auf extrem Maulgeruch geachtet werden.
Alte Zähne können sehr leicht eine Zahnwurzelentzündung bekommen. Zahnschmerzen und
fauler Geruch aus dem Maul sind dafür deutliche Hinweise.
Fazit:
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Tägliches Zähneputzen ist nicht notwendig! Braune Zähne sind nicht faul,
sondern nur
verfärbt. Abgesehen von der fehlenden Notwendigkeit ist es von der Technik her
sicherlich nicht einfach die Backenzähne beim Pferd regelmäßig zu putzen.
Im Zahnwechsel sollte auf das Herauswachsen der „neuen Zähne“ Rücksicht
genommen werden. Regelmäßige Kontrolle der Zähne hinsichtlich festsitzender
Milchzahnreste.
Zahnproduktion im Kiefer zum Aufbau der Nachschiebenden Zahnsubstanz kann
zu Zahnschmerzen bis zum 7ten Lebensjahr führen. Keine Prophylaxe möglich!
Zahnstein sollte regelmäßig entfernt werden. Zahnstein kann sich an den
Hakenzähnen und vereinzelt an den Schneidezähnen ansetzen.
Bedingt durch das Nachschieben und Abnutzen der Pferdezähne muss
vollständiger Abrieb kontrolliert und gegebenenfalls durch das Zähne raspeln
ausgeglichen werden.
Alte Pferde auf Maulgeruch überprüfen. Faule Zähne müssen gegebenenfalls
entfernt werden.
Tägliches Pflegen ist nicht notwendig – aber dafür ist 2 x jährliche Zahnkontrolle
für die Gesunderhaltung des Pferdezahnes und seiner Umgebung mindestens
nötig.

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