Risiko für Canyoningretter Neuer Lehrgang

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Risiko für Canyoningretter Neuer Lehrgang
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www.bergrettung-tirol.com
Juni 2010
Mitgliedermagazin der Bergrettung Tirol
Risiko für Canyoningretter
Notwendige Spülungen durch Kraftwerksbetreiber können eine zusätzliche Gefahrenquelle für die Retter bilden.
Neuer Lehrgang
Bergrettung und BFI Tirol starten die Ausbildung zum
Pistenrettungs- und Sicherheitsfachmann.
P. b.b.
06Z037051M
6410 Telfs
Editorial
Inhalt
6 Sicherheit
Experten und Touristiker trafen einander beim ersten Pitztaler
Sicherheitstag zum Erfahrungsaustausch. Die Zuschauer sahen
eine erfolgreiche Leistungsschau der Bergrettung.
8 Schulung mit System
Module für spezielle Einsatzarten werden nicht nur in Tirol
genutzt. Interesse dafür melden auch ausländische Rettungsorganisationen an.
Liebe Bergretterinnen und Bergretter!
Unser langjähriger Landesarzt Dr. Hermann Köhle hat bei der letzten Landesversammlung sein Amt aus Zeitgründen zurückgelegt. Wir
wollen uns auf diesem Weg für seine langjährige Mitarbeit und sein
Engagement bedanken. Mit Dr. Jutta Wechselberger und Primar Dr.
Willi Furtwängler hat die Bergrettung Tirol ein neues Führungsteam
im Sanitätswesen, einem wichtigen Modul unserer Aus- und Weiterbildung. Auf gute Zusammenarbeit und Danke für die Bereitschaft!
Die Bergrettung Tirol hat durch die ATV-Serie „Die Bergrettung“
viel Zuspruch in der Bevölkerung erhalten, dazu sei allen Akteuren
und Mitwirkenden Dank zu sagen. Dieses positive Image sollte in
Zukunft beibehalten werden, dazu gehören vor allem professionelles
Auftreten sowie eine fundierte Aus- und Weiterbildung.
Die derzeitigen Satzungen werden wie bekannt überarbeitet, da
einige Punkte davon nicht mehr mit dem Vereinsgesetz und der Geschäftsordnung übereinstimmen. Wie mancherorts kolportiert wurde,
sollen die Ortsstellen dadurch Nachteile erhalten. Dies ist jedoch, das
können wir versichern, nicht die Absicht der Statutenkommission.
Allen Bergretterinnen und Bergrettern wünschen wir einen schönen Bergsommer! Auf weiterhin gute Kameradschaft
9 Lawinensuche
Eine in der Schweiz entwickelte Sicherheitsweste schirmt
unerwünschte Reflexionen und Frequenzüberlagerungen bei
der Suche nach Vermissten ab.
11 Recht
Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nach einem
Unfall mit einem Skidoo sorgte für Aufregung. Anlass für einen
genaueren Blick auf das Urteil und die Gesetzeslage.
13 Porträt
Johanna Ernst ist die jüngste Weltmeisterin in der Geschichte
des Sportkletterns. Seit kurzem ist die Wahltirolerin auch
Mitglied der Bergrettung Tirol.
17 Ausrüstung
Gemeinsam mit Millet wurden eine Boulderhose und ein dazu
passender Magnesiabeutel im Bergrettungs-Design entwickelt.
18 Ausbildung
Bergrettung und BFI Tirol starten im Herbst mit dem neuen
Lehrgang zum Pistenrettungs- und Sicherheitsfachmann.
20 Aus den Ortsstellen
Beim Pfunds-Kerle-Fest im August findet ein internationales
Bergrettungstreffen statt. Ein Erfolg war das Alplrennen der
Ortsstelle Telfs.
Kurt Nairz
Peter Veider
Landesleiter
Bergrettung Tirol
Geschäftsführer
Bergrettung Tirol
21 International
Ein Team der griechischen Bergrettung war wieder im Jamtal,
um neueste Techniken und Materialien kennen zu lernen.
Impressum
BERGretter – Mitgliedermagazin der Bergrettung Tirol, Juni 2010
Herausgeber und Medieninhaber: Bergrettung Tirol, Florianistraße 2, 6410 Telfs,
Tel. 05262/64140, E-Mail: [email protected] Produktion: Christa Hofer/Medienraum Redaktion: Christa Hofer, Peter Veider; Norbert Hofer, Birgita Juen, Alex
Riml, Viktoria Veider Foto Titelseite: Peter Veider Fotos Seite 2: Bergrettung Tirol, Christoph
Bierbaumer Grafik: Frisch Grafik Druck: Athesia Druck GmbH, Exlgasse 20, 6020 Innsbruck.
Anschrift für alle: Bergrettung Tirol, Florianistraße 2, 6410 Telfs, Tel. 05262/64140.
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Tirol
canyoning
Erhöhtes Risiko
für Canyoningretter
Notwendige Spülungen durch Kraftwerksbetreiber können in Schluchten eine zusätzliche
Gefahrenquelle für die Retter darstellen. Dies
muss bei der Einsatzplanung entsprechend
berücksichtigt werden.
Text: Alex Riml | Fotos: Alex Riml, Peter Veider, Archiv
Tirol
3
canyoning
Bergungen aus Canyoningschluchten sind aufwändig. Die Retter müssen nicht nur über
spezielle Kenntnisse verfügen, sondern auch äußere Gefahrenelemente berücksichtigen.
Canyoning gehört seit einigen Jahren zu den boomenden Sommersportarten. Hunderte Personen begehen zum Beispiel allein an
einem Wochenende so manche Schlucht im Ötztal. Für die Bergretter bedeutet dies auch mehr Einsätze. Rettungsaktionen, für
die sie besondere Kenntnisse benötigen und daher entsprechend
ausgebildet sein müssen. Aber nicht nur eine spezielle Seil- und
Sicherungstechnik ist für Bergeaktionen in den Schluchten nötig.
Äußere Umstände müssen ebenso berücksichtigt werden. Dazu
gehören die notwendigen Spülungen durch Kraftwerksbetreiber.
Diese können in Schluchten eine zusätzliche Gefahrenquelle für
die Retter darstellen, was bei der Einsatzplanung entsprechend
berücksichtigt werden muss.
Trotz dieser sehr gut funktionierenden Systeme gibt es immer noch ein erhöhtes Restrisiko für alle Canyoningretter, da
ein Kraftwerksbetreiber im Notfall (Gewitter, Maschinenausfall
usw.) nicht einfach die zum Schutz des Kraftwerks installierten
Automatiksysteme abstellen kann. Deshalb muss ein Einsatzleiter bei einem Canyoningunfall in einer Schlucht, in der durch
ein Kraftwerk Teile des Wassers entnommen werden, immer zuerst Verbindung mit dem Betreiber aufnehmen. Erst nach die-
Gemeinsame Lösung
In Tirol ist nicht nur der Neubau vieler Kraftwerke noch nicht
ganz geregelt, sondern zum Teil auch die für den Kraftwerksbetreiber notwendigen Spülungen. Durch diesen Umstand setzen
sich Bergretter bei einem Canyoningunfall oft unwissentlich
einem erhöhten Risiko aus. In vielen Gebieten Tirols, in denen
der Canyoningsport touristisch sehr intensiv betrieben wird, haben betroffene Ortsstellen und ansässige Outdoorfirmen mit den
zuständigen Kraftwerksbetreibern eine für beide Seiten tragbare
Lösung gefunden. Es werden zum Teil notwendige Spülungen
in den Nachtstunden durchgeführt oder es gibt frühzeitige Warnungen an zuvor besprochene Organisationen (Firmen, Bergsportführerverbände, Tourismusverbände, Ortsstellen usw.), die
anschließend diese Meldungen großflächig verteilen.
4
Tirol
Plötzlich heranrauschende Wassermassen bedeuten für Schluchtenwanderer und
Bergemannschaften Lebensgefahr. Die enorme Wucht des Schwalls wird oft unterschätzt,
was fatale Folgen haben kann.
canyoning
sem wichtigen Schritt kann ein Einsatzleiter seine Bergetrupps
entweder sofort losschicken oder zu einem späteren Zeitpunkt
mit der Bergung beginnen, um die Rettungsmannschaft nicht
zu gefährden. In einigen Canyoningrouten hat man sogar damit
begonnen, so genannte Evakuierungsstände einzurichten, damit
sich eine Gruppe im Notfall in Sicherheit bringen und somit auf
die Bergung warten kann.
Ideale Lösung im Tessin
Wünschenswert wäre jedoch eine Lösung wie im Tessin. Dort
gibt es bei jeder gefassten Canyoningtour beim Ein- oder Ausstieg
eine Notfall-Hotline, die es dem Schluchtenwanderer vor dem
Einstieg in die Tour ermöglicht, die neuesten Infos über die derzeitige Situation zu erhalten. Durch diese zentral gesteuerte InfoQuelle wurden in diesem Gebiet verschiedene Missverständnisse
optimal gelöst. 
Bergretter_11_06

13.11.2007
8:56 Uhr
Seite 1
zur person
Alex Riml ist Bergretter und leitet im Auftrag des Tiroler Bergsportführerverbandes seit einigen Jahren die Ausbildung zum
autorisierten Canyoning- und Schluchtenführer. Gleichzeitig ist
er Ausbilder für die Tiroler Bergrettung und den Österreichischen
Bergführerverband. Von Alex Riml stammt auch das Lehrbuch
„Seil- und Sicherungstechnik Canyoning“ (2008).
PA R T N E R
FÜR
PROFIS
w w w . r o c k - s n a k e . c o m Tirol
5
sicherheit
Der von Salewa-Dynafit in
Kooperation mit der Tirol
Werbung und der Tiroler
Bergrettung entwickelte
Multifunktionshelm wurde
den Besuchern des Sicherheitstages präsentiert.
Aus einem Lawinenkegel wurden von der Bergrettung Tirol unter Anwendung
der verschiedenen Such- und Ortungstechniken drei „Verschüttete“ geborgen.
Erfolgreiche Leistungsschau
der Tiroler Bergrettung
Experten und Touristiker trafen einander beim ersten
Pitztaler Sicherheitstag zum Erfahrungsaustausch.
Text: Christa Hofer | Fotos: Willi Krüger/Pitztaler Gletscher
Die verschiedensten Sicherheitsaspekte in Skigebieten standen
im Mittelpunkt des ersten Pitztaler Sicherheitstags im April, an
dem zahlreiche Seilbahnexperten, Touristiker und Interessierte
auf Einladung von Hans Rubatscher (Geschäftsführer der Pitztaler
Gletscherbahnen) teilgenommen hatten. Ergänzt wurde dieses
Fachsymposium durch Vorführungen der Tiroler Bergrettung,
präsentiert wurde in diesem Rahmen auch der neue Tirol Helm.
Sicherheit beim Skifahren
Seilbahnexperten, Touristiker und Interessierte diskutierten am Pitztaler Gletscher verschiedene
Sicherheitsaspekte in Skigebieten. Im Bild das Projektteam (von links): Dr. Hans Rubatscher
(GF Pitztaler Gletscherbahnen), Burgi Triendl (Ideengeberin), Anton Gögele (GF Fa. Securplan
Italien), Peter Veider (GF Tiroler Bergrettung) und Michael Mössinger (GF Fa. Securplan Österreich) umrahmt von den Piloten des ÖAMTC-Rettungshubschraubers.
6
Tirol
Wie der Sprecher der Pitztaler Gletscherbahnen, Willi Krüger,
betonte, rückt das Thema Sicherheit am Berg und vor allem beim
Skifahren im Laufe eines Winters immer wieder in den Mittelpunkt. Mit dem Sicherheitstag sollte daher u.a. aufgezeigt werden,
was an Maßnahmen notwendig ist, um ein Skigebiet überhaupt
betreiben zu können. „Maßnahmen, die der Gast sich erwartet,
von denen er aber natürlich nichts mitbekommen soll“, unterstrich Krüger. Die Resonanz auf den Sicherheitstag war jedenfalls enorm, weshalb es eine Fortsetzung – eventuell mit anderen
Schwerpunkten – geben soll.
ausrüstung
Unter den Experten, die am Fachsymposium teilnahmen, befand sich u.a. der Präsident des Österreichischen Kuratoriums
für alpine Sicherheit, Karl Gabl, der Sicherheitsexperte Anton
Gögele und der „Bild“-Journalist Hannes Kohlmaier, der seine
Erfahrungen mit dem Seilbahnunglück von Sölden im Jahr 2005
schilderte, sowie Peter Veider. Dieser verwies in seinem Referat
unter anderem auf EU-Richtlinien, die für die Personenrettung
aus Aufstiegsanlagen eine maximale Zeit von 3,5 Stunden vorsieht. Dies bedeute enorme Herausforderungen an die Rettungsmannschaften, insbesondere bei schlechten Wetterverhältnissen,
wenn eine Hubschrauberbergung unmöglich sei.
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für echte helden.
Risikofaktoren Kälte und Wind
Ein voll besetzter Lift, Temperaturen um die minus 15 Grad plus
starkem Wind und Schneefall würden auch perfekt arbeitende
Bergemannschaften an ihre Grenzen bringen, unterstrich Veider.
Minus 15 Grad Celsius plus eine Windgeschwindigkeit von 30
km/h bedeute eine gefühlte Temperatur auf der Haut von minus
34,4 Grad Celsius, zeigte Veider an einem Beispiel auf. Minus 20
Grad Celsius bei 65 km/h Windgeschwindigkeit würden auf der
Haut bereits mit minus 51 Grad Celsius wahrgenommen. Die Folgen für Personen, die bei derartigen Bedingungen auf einem Lift
festsitzen, wäre fatal: „Nach einer halben Stunde ohne Bewegung
wird es ziemlich kalt“, machte Veider klar. „Nach ein bis zwei
Stunden ist die Situation bereits sehr kritisch. Folgen sind dann
Zuschauer und Bergrettungsmänner verfolgen den Übungsverlauf am Pitztaler Gletscher.
etwa Erfrierungen an Händen und Füßen sowie im Gesicht.“ Dies
bedeute, dass die Einsatzmannschaften alle fachlichen Voraussetzungen haben und diese auch regelmäßig trainieren müssen, um
rasch und effizient helfen zu können. Notwendig sei dafür ein
entsprechendes Bergesystem. Veider stellte in der Folge das von
der Bergrettung Tirol entwickelte Liftbergesystem vor, das leicht
und einfach, redundant, logisch aufgebaut, lehr- und leistbar sowie nachhaltig ist. Einige Liftanlagen – darunter Fiss, Serfaus,
Fulpmes, Kitzbühel, Lienz, Kaunertal, Ober- und Hochgurgl –
nutzen dieses bereits. Wie dieses Liftbergesystem in der Praxis
funktioniert, präsentierten Tiroler Bergretter dann den Besuchern
des Pitztaler Sicherheitstages. Vorgestellt wurden darüber hinaus
noch Such- und Ortungstechniken am Lawinenkegel und der
Einsatz der Dampfsonde mit Ortungskamera bei der Suche nach
Verschütteten. 
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Tirol
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ausbildung
Schulung
mit System
Module für spezielle Einsatzarten werden
nicht nur in Tirol genutzt. Interesse dafür
melden auch ausländische Rettungsorganisationen an.
Text: Christa Hofer | Fotos: Peter Veider
Ständige Aus- und Weiterbildung ist Voraussetzung, dass Bergretter einsatztauglich bleiben. Entsprechende Vorgaben gibt es,
was den Umfang der jährlich zu absolvierenden Schulungen betrifft. Seit der Entwicklung eines eigenen Liftevakuierungssystems
durch die Bergrettung Tirol hat sich auch einiges im Bereich der
Einsatzstrategie und der dafür notwendigen Ausbildungsart getan. „Unser Ziel im Ausbildungsteam war es, den Bergrettern nach
der Grundausbildung ein Modulsystem anzubieten, das sie nach
ihren Einsatzschwerpunkten auswählen können“, erklärt Ausbildungsleiter Peter Veider. Im Rahmen dieser Fortbildungsmodule
werden spezielle Einsatz- und Bergesysteme vermittelt.
Auf Basissystem aufbauend
Basis all dieser Systeme sind die Mannschaftsseilrolle und der
Mannschaftsflaschenzug. Darauf aufbauend wurden neben dem
Liftevakuierungssystem noch Varianten für den Einsatz von Zweiund Dreibein mit Dyneemaseilen und zuletzt die Rasterfahndung
im Schnee entwickelt. „Der Vorteil dieser Systeme ist, dass sie
alle dieselbe Basis haben. Das heißt, wenn man das Grundsystem
beherrscht, versteht man auch jedes andere, das darauf aufbaut“,
erläutert Veider. Im Einsatzfall bedeute dies, dass auch in Stresssituationen weniger Fehlermöglichkeiten auftreten.
„Entstanden sind das Basissystem und die Erweiterung nach
Einsatzart aus den Anforderungen der Praxis heraus“, schildert
Veider. Wichtig war von Anfang an, dass die Systeme praktikabel
sind. „Nur wenn das der Fall ist, werden sie auch genutzt“, betont
8
Die Felsblöcke oberhalb von Hemsedal bildeten das ideale Übungsgelände.
Tirol
Kollegen beobachten die
Arbeit mit dem Dreibein.
Veider. Dies sei bereits der Fall. Besonders die Rückmeldungen aus
Ortsstellen, die viele Einsätze verzeichnen, seien positiv.
Schulung in Norwegen
Die Ausbildung für die einzelnen Systeme wird aber nicht
nur in Tirol genutzt. Rettungsorganisationen in Spanien, Frankreich und Norwegen haben bereits ihr Interesse daran angemeldet. Zuletzt fand im Mai eine Schulung auf den in Tirol entwickelten Systemen in Hemsedal in Norwegen statt. Polizei, Küstenwache, Rettungspiloten und Feuerwehr sandten Teilnehmer
zum Kurs, den Peter Veider vorbereitet hatte. 
sicherheit
Spezialweste für
Lawinenhelfer
Eine in der Schweiz entwickelte Sicherheitsweste schirmt unerwünschte
Reflexionen und Frequenzüberlagerungen
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Text: Christa Hofer | Fotos: Dominik Hunziker, Fritz Meyst
Das Spezialgewebe, das die Reflexion
hoher Frequenzen abschirmt, ist auf der
Vorderseite der Westen eingenäht.
Von außen unterscheidet sich die Spezialweste nicht von den sonst üblichen Westen.
Handy, Funkgeräte, Detektoren – sie alle bringen für Rettungsdienste enorme Vorteile. Allerdings sorgen sie mitunter auch für
Probleme durch Frequenzüberlagerungen oder Reflexion. Diese
Problematik beschäftigte auch Dominik Hunziker, der im Bergrettungsdienst im schweizerischen Samedan tätig ist. „Als Retter hat
man viele Dinge bei sich, zum Beispiel Handy, Funkgerät, Digitalkamera etc. All diese Dinge wirken aber auch als Reflektoren. In
der Praxis bedeutet dies, dass ein Retter bei der Lawinensuche, der
etwa mit Recco arbeitet, all diese Dinge von seinem Körper entfernen muss, um das Suchergebnis nicht zu verfälschen“, schildert
Hunziker. Dies bedeute aber Zeitverlust und es bestehe immer die
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sicherheit
Die Verschüttetensuche nach Lawinenabgängen stellt besondere Herausforderungen an die Rettungsmannschaften.
Gefahr, dass etwas vergessen werde. Außerdem müsse etwa wegen
der eigenen Sicherheit das LVS-Gerät natürlich am Körper getragen und entsprechend eingeschaltet sein. Was also tun?
Textilien mit Metallfäden
Aus seiner Tätigkeit als Elektromonteur waren Hunziker Textilien bekannt, die elektromagnetische Felder abschirmen können.
Diese Textilien, die mit Metallfäden versehen sind, werden etwa
in Röntgenabteilungen von Spitälern oder für Panzerwesten genutzt. „Wir haben in der Folge im Vorjahr mit verschiedensten
Textilien Tests gemacht und schließlich ein Konzept entwickelt,
das sich für die Arbeit der Retter eignet: Also leicht ist und nur
jene Frequenzen durchlässt, die wir für unsere Arbeit brauchen“,
erzählt Hunziker. Das Spezialgewebe wurde auf der Frontseite in
die normalen Sicherheitswesten für die Lawinenhelfer bzw. Einsatzleiter eingenäht, um Brust- und Bauchbereich abzuschirmen.

Also jene Bereiche, in denen üblicherweise Handy, Funk- oder
LVS-Gerät getragen werden. Die Bandbreite der Frequenzen, die
gedämpft werden sollte, wurde dabei so gewählt, dass der Retter sein LVS-Gerät eingeschaltet am Körper tragen kann. Auch
die Kommunikation über Funk ist noch möglich, was ebenfalls
wichtig ist, um mit den Kameraden in Kontakt bleiben bzw. deren
Warnungen – etwa über Nachlawinen – hören zu können.
Einsatz in der Praxis
Inzwischen hat Hunziker mit seiner Spezialweste die Marktreife
erreicht. In seinem Bergrettungsdienst sind sie bereits seit vergangenem Winter im Einsatz. Auch die Landesleitung der Tiroler
Bergrettung hat eine erste Lieferung bereits übernommen. Die
Westen werden an jene Ortsstellen verteilt, deren Vertreter die
entsprechende Schulung im Ausbildungszentrum im Jamtal absolviert haben. 
zur person
Dominik Hunziker ist Gründer und Geschäftsführer der Firma Berg & Sicherheit, die die Spezialweste entwickelt hat. Ziel der Firma, die seit 2002 besteht, ist die Förderung der Sicherheit im Gebirge und der
Arbeitssicherheit. Um dies zu erreichen, entwickelt Hunziker mit seinen Mitarbeitern Sicherheitskonzepte
(etwa für Bergbahnen) und entsprechende Produkte. Beratung und Ausbildung gehören zu den weiteren
Schwerpunkten.
Dominik Hunziker selbst ist seit 1987 Bergführer, war bis 2002 Elektromonteur und ist seit 2003 Sicherheitsfachmann. Weiters ist er seit 1994 Spezialist für Alpine Rettung beim Schweizer Alpen-Club SAC, für
diesen auch Bereichsleiter Alpine Rettung (seit 2000) und Delegierter des SAC für die Bodenrettung der
IKAR.
10 recht
Auf zwei Kufen im
rechtlichen Rahmen
bleiben
Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nach einem
Unfall mit einem Skidoo sorgte für Aufregung. Anlass für einen
genaueren Blick auf das Urteil und die Gesetzeslage.
Text: Norbert Hofer | Fotos: Shutterstock/snedelchev, Slavoljub Pantelic
Zahlreiche Ortsstellen des ÖBRD verwenden für Rettungseinsätze oder in der Funktion der Pistenrettung für Liftbetreiber Motorschlitten („Skidoo“) zur Bergung Verletzter. Unlängst sorgte eine
in den Medien kolportierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) für Unsicherheit: Von „ausufernder Haftungsausweitung“ und „verschuldensunabhängiger, unzumutbarer Haftung“
für Bergrettung und Liftbetreiber war die Rede. Die Entscheidung
des OGH vom 17. Februar 2010 bietet willkommenen Anlass,
sich mit der Verwendung von Pistengeräten und der Haftung bei
Unfällen mit diesen auseinander zu setzen.
Verwendung von Pistengeräten
Generell ist die Verwendung von Pistengeräten in Tirol, Kärnten
und der Steiermark durch landesgesetzliche Regelungen nur
11
recht
Die rechtliche Beurteilung nach
einem Unfall hängt auch davon ab,
ob das Schneemobil für Materialtransport oder einen Rettungseinsatz genutzt wurde.
Skidoo mit ca. 25 km/h etwas mehr als einen Meter vom rechten Pistenrand entfernt bergwärts. Obwohl ihm vor der Klägerin
gestartete Skilehrer begegneten, behielt er vor der Geländekante
seine Geschwindigkeit und auch die Fahrlinie ein. Drei Meter
oberhalb der Geländekante kam es schließlich zur Kollision, bei
der die Klägerin 15 Meter durch die Luft geschleudert wurde und
unter anderem eine offene Unterschenkel- und eine offene Oberschenkelfraktur erlitt.
Das Skidoo war mit einer 2,2 Meter hohen Teleskopstange mit
einem rotem Wimpel und einer Drehleuchte ausgestattet. Ob
das Folgetonhorn, welches automatisch aktiviert aber händisch
ausgeschaltet werden kann, aktiviert war, konnte im Zuge des
Verfahrens nicht mehr festgestellt werden. Die Bergbahnen und
deren Mitarbeiter wurden zur Leistung von Schadenersatz in der
Höhe von ca. € 37.000,- und zur Haftung im Umfang von drei
Viertel der zu erwartenden Folgeschäden verurteilt.
Begründung des OGH
eingeschränkt erlaubt bzw. an Sondergenehmigungen gebunden.
In der Steiermark untersagt das „Geländefahrzeugegesetz“ (LGBl.
Nr. 139/1973) die Verwendung von Kraftfahrzeugen (auch Motorschlitten) außerhalb von Straßen mit öffentlichem Verkehr oder
von befestigten Fahrwegen im freien Gelände. Nicht umfasst von
diesem Verbot sind nach § 2 Abs. 2 lit. b dieses Gesetzes Einsatzfahrten (unter anderem) der Bergrettung. Fahrten bei Übungen
wird man als „Einsatzfahrt“ qualifizieren müssen, da für derartige
Fahrten – anders als etwa für die Pistenpflege – Ausnahmebewilligungen nicht vorgesehen sind. In Kärnten und Tirol ist die Verwendung von Schlittenfahrzeugen, Skidoos und ähnliches durch
die jeweiligen Naturschutzgesetze untersagt (Kärntner Naturschutzgesetz 2002, Tiroler Naturschutzgesetz 2005). Maßnahmen
im Zuge des Hilfs- und damit auch Bergrettungswesens sind allerdings vom Anwendungsbereich dieser Gesetze ausgenommen.
Haftung bei Unfällen
Bei Unfällen mit Motorschlitten gelten die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen. Für einen Unfall ist also
dann zu haften, wenn den Lenker des Motorschlittens ein Verschulden am Unfall trifft, ein Schaden eingetreten ist und das
Verschulden auch ursächlich für den Schadenseintritt war. Eine
verschuldensunabhängige Haftung nach dem Eisenbahn- und
Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG) wie bei Unfällen im Straßenverkehr wird von der Rechtsprechung bisher abgelehnt. Es
gilt daher der Grundsatz: ohne Verschulden des Lenkers keine
Haftung!
Im konkreten Anlassfall kam es vor Beginn des Pistenbetriebes
zu einer Kollision zwischen einer Skilehrerin und dem von einem
Mitarbeiter des Liftbetreibers gelenkten Skidoo. Die Skilehrerin
fuhr als Mitglied einer Gruppe von 14 bis 15 Personen als eine
der Mittleren aus der Gruppe in mittellangen Schwüngen relativ
zügig ab. Sie näherte sich der Unfallstelle, einer Geländekante,
mit ca. 30 bis 40 km/h. Der Mitarbeiter der Seilbahn fuhr mit dem
12 Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus: Grundsätzlich ist
bei Fahrten mit dem Skidoo nach Möglichkeit eine Fahrlinie
zu wählen, bei der das Skidoo für Skifahrer stets sichtbar bleibt.
Kann das Skidoo für längere Zeit nicht wahrgenommen werden,
ist äußerste Vorsicht geboten. Im konkreten Fall musste der Lenker auch mit Skifahrern rechnen, da aufgrund einer Sondervereinbarung zwischen Liftbetreiber und Skischule Abfahrten vor
Betriebsbeginn zugelassen wurden und erst ein Teil der Gruppe
abgefahren war. Dem Fahrer wäre es daher zuzumuten gewesen,
noch vor der Geländekante anzuhalten und die Abfahrt des
Restes der Gruppe abzuwarten. Möglich wäre es auch gewesen,
am Skidoo aufzustehen und so das Sichtfeld zu erweitern. Das
Höchstgericht nahm aber auch ein Mitverschulden der Skilehrerin im Ausmaß eines Viertels an (das heißt, die Klägerin bekommt nur drei Viertel ihrer Forderung ersetzt), da sie zum
„Fahren auf Sicht“ verpflichtet ist, also so zu fahren hat, dass
sie vor Hindernissen jederzeit anhalten kann. Entgegen den
Verlautbarungen in den Medien wird daher bei Unfällen mit
Skidoos nicht „automatisch“ und immer gehaftet, sondern nur
dann, wenn den Lenker ein Verschulden trifft.
Tipps für Skidoofahrer
Die Fahrlinie soll so gewählt werden, dass das Skidoo nach Möglichkeit für Skifahrer immer sichtbar bleibt. Ist dies nicht möglich,
ist bei Geländekuppen und Engstellen besondere Vorsicht geboten. Das heißt: Geschwindigkeit reduzieren, im Sitz aufstehen,
um das Blickfeld zu erweitern, falls erforderlich kurz stehen bleiben, um das Passieren des Skifahrers zu ermöglichen oder eine
Alternativroute wählen. Das Skidoo selbst soll mit Teleskopstange
und Wimpel, Rundumleuchte und akustischer Warnung ausgestattet und letztere auch während der gesamten Fahrt aktiviert
sein. Wie streng die Sorgfaltsmaßstäbe angesetzt werden müssen,
hängt aber immer auch vom Einzelfall ab. Dabei macht es einen
gravierenden Unterschied, ob das Skidoo zum Materialtransport
oder im Rettungseinsatz verwendet wird bzw. wie dringend die
Hilfeleistung erforderlich ist. Je dringender ein Rettungseinsatz
ist, desto eher ist eine riskantere Fahrlinie und eine höher eingehaltene Geschwindigkeit gerechtfertigt. 
porträt
Griffsicher
zur
Weltklasse
Johanna Ernst ist die jüngste Weltmeisterin
in der Geschichte des Sportkletterns.
Seit kurzem ist die Wahltirolerin auch
Mitglied der Bergrettung Tirol.
Text: Birgita Juen | Fotos: Heiko Wilhelm
13
porträt
Wenn Johanna Ernst die Wände hoch geht, dann tut sie dies
mit einer Selbstverständlichkeit, die atemberaubend ist. Ganz so,
als wäre der Mensch dazu geschaffen worden, sich an Senkrechten
und Überhängen hochzuziehen wie ein Gecko – nur eleganter
eben und fast schon sinnlich. Die Muskelkraft, die sie benötigt,
um die Schwerkraft auszutricksen, lässt sich vom Betrachter nur
erahnen. Die Wahltirolerin ist die jüngste Weltmeisterin in der
Geschichte des Klettersports. Bei der WM 2009 kletterte sie als
16-jähriger Shootingstar allen anderen davon.
Lust aufs Leben
Interviews ist sie langsam gewöhnt. Dennoch scheint da ein
Rest von Ungläubigkeit; Johanna wirkt fast ein wenig überrascht
von so viel konzentriertem Interesse an ihrer Person und so vielen Fragen. Platinblond wuschelt es um ihren Kopf, spitzbübisch
wirkt sie, wenn sie lächelt. Zurückgelehnt sitzt die 17-Jährige in
einem breiten Kaffeehaussessel, rührt in ihrem Cappuccino und
grübelt kurz darüber nach, wann der Rummel begann: „Mit dem
Europacup“, klärt sie schließlich mit undefinierbarem Akzent,
wohl einer südwestösterreichischen Mischung mit Salzburgischer
Grundnote. „Vorher kräht kein Hahn nach einem.“ Das war trocken. Da sitzt kein ausgefuchster Interviewpartner, der mit einem
Strauß perfekt trainierter Antworten winkt. Johanna Ernst ist ein
Teenager mit viel Lust aufs Leben und jener burschikosen Natürlichkeit, der künstlich geschliffene Selbstdarstellung fern liegt.
Freude und Respekt
Den Druck der Wettkämpfe hinter sich lassen.
14 Dass sie seit kurzem Anwärterin bei der Tiroler Bergrettung ist,
gefällt ihr. Freudig berichtet sie vom Bergrettungs-Emblem, das
sie nun tragen darf: „Ich habe großen Respekt vor dem, was Bergretter ehrenamtlich leisten.“ Um sich im Alltag ihrer Ortsstelle
Gries am Brenner voll zu engagieren, fehlen Johanna derzeit noch
die Möglichkeiten. Der Sport fordert vorläufig seinen Tribut. Die
Landesleitung will ihr Knowhow und ihre Popularität aber noch
auf eine weitere Art nutzen: Die Kletterweltmeisterin soll als
Zugpferd einer großen Sicherheitsoffensive im Herbst dienen,
die jungen Menschen das Tragen eines Helms beim Sport im
alpinen Gelände nahe bringen soll. Johanna wird dabei
den Tirol-Helm, einen Multifunktionshelm, bewerben,
bei dessen Entwicklung die Bergrettung Tirol maßgeblich beteiligt war. „Gerade beim Klettersport ist ein
besorgniserregender Trend zum Klettern ohne Helm
und Shirt zu beobachten“, schildert Peter Veider,
Geschäftsführer der Bergrettung Tirol.
Seit Jahren räumt Johanna im Olymp der
Sportkletterer die elitären Preise ab und lässt
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die Konkurrenz alt aussehen. Die Route zur
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Weltmeisterschaft im Vorstieg führte über Tin
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gesamtsiegerin
(2008
und
2009) und Europameisterin 2008. Der
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Klettermaxe ist ein Naturtalent. Seit ihrer Kindheit ist sie mit den
Herausforderungen und Tücken himmelwärts strebender Wände
vertraut. Talent erklärt sie selbst als das instinktive Gefühl für
jene Bewegungen, die mit möglichst wenig Kraftaufwand zum
Ziel führen. Und verrät, dass sie auch mal gerne Kindern bei ihren
porträt
Zügen zusieht. Deren Intuition sei noch intakt: „Vor allem die
Kleinen denken beim Klettern nicht so viel nach. Von ihnen kann
man sich durchaus etwas abschauen.“
Ihr eigenes Talent zur Fortbewegung an senkrechten Ebenen ist
im zarten Altern von acht Jahren aufgefallen. Ein Urlaub in Osttirol führte die vierköpfige Familie Ernst zum Zeitvertreib an eine
Kletterwand. Als Johanna sich spielerisch einen Weg durch das
Griffelabyrinth suchte, beeindruckte den Besitzer die Geschicklichkeit des Mädchens. Mit dem Abstand der Jahre betrachtet,
war dies die Initialzündung für eine herausragende Sportkarriere.
Johannas Eltern entschieden, ihre Tochter diesen Sport ausüben
zu lassen.
Welchen Erfolg Johanna einmal beim Klettern haben würde,
konnte zu jenem Zeitpunkt freilich noch niemand ahnen. Das
Vertrautmachen mit Klettertechniken war neben Ballett und
Fechten nur eine ihrer Freizeitaktivitäten. Erst als sie zehn war,
wurde das Training an der Wand intensiviert. „Ich bin da so langsam hinein gewachsen“, erzählt sie von der Annäherung an einen
Sport, der über die Jahre zur großen Leidenschaft werden sollte.
Tiefpunkte überwinden
Wie in jeder leidenschaftlichen Beziehung hat Johanna auch im
Klettersport ihre Tiefpunkte erlebt. Ausgerechnet nach dem Europacup fiel die damals 13-Jährige in ein Tief, das sie ans Aufhören
denken ließ. Da war das Gefühl, etwas verloren zu haben, Nachmittage mit Freunden vielleicht, die beste Freundin war auch
nicht mehr da. „Damals habe ich mich oft gefragt, wie es ohne
das Klettern wäre, wie es ist, wenn man von der Schule nach Hause kommt und Freunde treffen kann.“ Denn neben Schule und
Training fehlte die Zeit für ein ganz gewöhnliches Teenagerleben.
Kontakte beschränkten sich zunehmend auf die Schulbank. Doch
je mehr Johanna über all diese Veränderungen nachdachte, desto
deutlicher zeichnete sich eines für sie ab: Sie wollte beim Klettern
noch viel mehr erreichen!
Geboren ist Johanna in Salzburg, dann lebte sie neun Jahre in
der Steiermark. So lange, bis sich die Wertigkeiten verschoben:
Als das Klettern keine nette Freizeitbeschäftigung mehr war und
der Druck des Leistungssport spürbar wurde, zog die gesamte Familie um nach Tirol, damit Johanna unter besseren Bedingungen
Am Weg nach oben: Johanna Ernst beim Weltcup in Chamonix.
trainieren konnte. Das allwöchentliche Pendeln nach Innsbruck
war Vater und Tochter zu viel geworden. Die Trainingsmöglichkeiten in der Steiermark waren unbefriedigend, außerdem hatte
das Mädchen in ihrer Grazer Gruppe nicht die erhoffte Förderung erhalten. „Es hieß ständig, ich wäre zu klein zum Klettern,“
erzählt sie. So hatte ihr Vater, der als Student selbst etwas geklettert war, zwischenzeitlich das Training übernommen. In Rum
bei Innsbruck gewann Johanna schließlich ihren ersten größeren
Wettbewerb und fand gleich auch einen neuen Trainer.
Tägliches Training
Den Wettkampfstress abschütteln und das Leben von der lustigen Seite betrachten.
Kettchen mit verspielten Anhängern, ein Riesen-Tweety am
T-Shirt. Abgesehen von ihren trainierten Oberarmen wirkt Johanna Ernst wie ein normaler Teenager. Dass ihr Alltag jedoch
keinem gewöhnlichen Teenagerleben gleicht, ist der jungen Weltmeisterin bewusst. Ein wenig Wehmut schleicht sich manchmal
ein: „Ab und zu, aber nicht mehr so oft.“ Täglich geht Johanna
zweimal zum Training, dazwischen lernt sie zu Hause für die Fernmatura-Schule. Aus ihrem Innsbrucker Gymnasium ist sie in der
6. Klasse ausgestiegen. Die Doppelbelastung Schule und Sport war
15
porträt
zu viel geworden, die Ermahnungen
der Lehrer, „sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen“, zerrten allzu
sehr an den Nerven des gestressten
Mädchens. „Die Matura mache
ich aber auf jeden Fall“, betont
sie mit einer Deutlichkeit, die
jeden Zweifel im Keim erstickt.
Freundschaften erlebt sie heute
im Rahmen des Klettersports.
Bedauern über Verzicht wird
man bei ihr nicht hören,
höchstens ein Nachgrübeln
in leisen Tönen. Denn Johanna hat sich entschieden: „Man kommt viel
in der Welt herum, lernt
Johan
ahlende
Eine str
2009.
in China
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eistersc
verschiedenste Menschen kennen. Diese Erfahrungen möchte ich
nicht missen!“ Außerdem, meint sie grinsend, wüsste sie ohnedies
nicht mehr, womit sie sonst ihre Zeit verbringen sollte.
Und dann schwärmt sie von einer Bergtour in Ecuador, wo vor
drei Jahren die Jugendweltmeisterschaft stattfand. Schildert begeistert die Stille am Gipfel und den wundervollen Blick über ein
wunderschönes Land. Für die Zukunft, für irgendwann einmal,
wünscht sich Johanna mehr freien Himmel über ihrem Kopf –
und Zeit für Skitouren vor allem. Ihr Sport ist ein Hallensport,
das Klettern im Freien, das ihr so viel Freude macht, ist ihr selten
möglich. Doch mittelfristig sind ihre Ziele klar definiert. Im September wird sie bei der Europameisterschaft in Innsbruck und
Imst dabei sein, 2011 steht die Weltmeisterschaft an. Länger im
voraus plant Johanna nicht. Ihre Wünsche für die Zeit nach ihren Triumphen an den Kletterwänden dieser Welt ist für sie noch
wie unerforschtes Land. „Ich warte auf ein Signal“, sagt Johanna
schulterzuckend und lächelt. 
haft
Spaß beim Klettern und Bouldern in den USA, wo Johanna Ernst gemeinsam mit Freundin Alex in Colorado unterwegs war.
16 ausrüstung
Bergrettungs-Design
für Boulder-Fans
Gemeinsam mit Millet wurden eine Boulderhose und ein dazu passender
Magnesiabeutel entwickelt.
Foto: Peter Veider
Passend zum Coolmax T-Shirt von Millet, von dem
inzwischen mehr als 5000 Stück verkauft wurden und
das sich nicht nur bei der heimischen Bergrettung großer Beliebtheit erfreut, gibt es ab sofort auch eine Boulderhose. Ergänzt wird diese durch einen im Design
angepassten Magnesiabeutel. Beide Sondermodelle
wurden von der Bergrettung Tirol in Kooperation
mit Millet entwickelt und sollen nicht nur helfen,
die Identifikation mit der Bergrettung zu stärken. Ziel
ist es auch, konkret junge Menschen anzusprechen. Sie sollen einerseits auf die Leistungen
der Bergrettung aufmerksam gemacht werden,
andererseits ist auch gewünscht, den Sicherheitsgedanken im Klettersport weiter zu verstärken. Die beiden neuen Produkte sollen –
entsprechend adaptiert – künftig auch in das
Millet-Sortiment aufgenommen und im Handel
verkauft werden. 
Tirol 17
ausbildung
Ausbildung zum Pistenrettungsund Sicherheitsfachmann
Bergrettung und BFI Tirol starten im
Herbst mit einem neuen Lehrgang.
Text: Christa Hofer | Fotos: Fritz Meyst; BFI Tirol
Tausende Skifahrer und Snowboarder ziehen im winterlichen
Tirol jeden Tag ihre Spuren auf den heimischen Pisten. Die Professionalisierung des Skibetriebs erfordert auch eine entsprechende
Pistenrettung. „Schon lange reicht eine einfache Erste-Hilfe-Versorgung nicht mehr aus. Es gilt, den gestiegenen Anforderungen
mit einer einheitlichen und umfassenden Ausbildung für Pistenretter und Sicherheitsfachkräfte gerecht zu werden“, erklärt Peter
Veider.
Start im September
„Das BFI Tirol, Tirols größter Anbieter für die berufliche Ausund Weiterbildung, hat daher auf die öffentlichen Diskussionen
reagiert und gemeinsam mit der Bergrettung Tirol und unterstützt
vom Roten Kreuz einen Lehrgang zum Pistenretter und Sicherheitsfachmann entwickelt, der ab September österreichweit das
erste Mal in Innsbruck, im Jamtal und in Nauders abgehalten
wird“, erläutert Mag. Dagmar Wresnik, Geschäftsführerin des BFI
Tirol, und betont weiter: „Wir freuen uns, mit der Bergrettung Tirol und ihrem Geschäftsführer Peter Veider einen so kompetenten
und über die Grenzen Tirols hinaus anerkannten Partner gefunden zu haben. Damit können wir eine hohe inhaltliche Qualität
18 Tirol
ausbildung
gewährleisten. Die exzellenten Standards bei Theorie und Praxis
orientieren sich am weltweit höchst entwickelten Wissen. Wir
sind stolz darauf, diese moderne Ausbildung ab Herbst erstmals
anbieten zu können.“
Theorie und Praxis in vier Modulen
In vier Modulen werden zwischen 20. September und 21. November 2010 folgende Lehrinhalte vermittelt: „Vertiefte Erste
Hilfe“, „Rechtliche Grundlagen“, „Praxisteil Technik“ und „Praxisteil Piste“. Die angehenden Pistenretter und Sicherheitsfachkräfte befassen sich im ersten Modul u.a. mit der Rettungskette,
Diagnostik, Reanimation mit Beatmungsbeutel, Wundversorgung
sowie Krisenintervention und erhalten eine Einführung in die
Zusammenarbeit mit der Rettungshubschrauber-Besatzung. Die
rechtlichen Grundlagen betreffen etwa den Aspekt Unfälle und
Haftung, das Skirecht, Pistenregeln, das Seilbahngesetz und den
Umgang mit Motorschlitten und Pistengeräten. Diese beiden Module finden im Innsbrucker BFI-Tirol-Haupthaus statt.
Im Ausbildungszentrum Jamtal werden im Praxisteil Technik
beispielsweise die Liftevakuierung, Gerätelehre sowie Sicherung
und Abtransport der geborgenen Person vermittelt. Im vierten
und letzten Modul in Franzl‘s Ski- und Wanderhütte in Nauders
stehen u.a. Einsatzübungen auf der Piste, das Absichern der Unfallstelle und Lawinenkunde auf dem Lehrplan.
Der Lehrgang richtet sich an
alle, die sich aus beruflichen
Gründen auf Pisten und im
freien Gelände aufhalten.
„Also etwa an Mitarbeiter von
Seilbahnen und Skischulen.
Die Ausbildung kann aber
auch von allen anderen Interessierten absolviert werden“,
erläutert MMag. Michael Zobl,
Referent in der Sparte Technik
des BFI Tirol. Start des Kurses
ist am 20. September mit dem
Mag. Dagmar Wresnik, Geschäftsführerin BFI
Theorieteil in Innsbruck. Die
Tirol: „Wir sind stolz darauf, diese moderne
Kosten betragen – inklusive
Ausbildung in Kooperation mit der BergretUnterlagen, Unterkunft und
tung Tirol ab Herbst erstmals anbieten zu
Verpflegung – 1750 Euro.
können.“
Alle Teilnehmer des Kurses
im Herbst 2010 erhalten einen Preisnachlass in Höhe von 250
Euro. Zusätzlich wird der Lehrgang durch das Land Tirol gefördert.
Nähere Infos dazu gibt es im Internet unter www.mein-update.at.
Die Anmeldung für den Lehrgang erfolgt am BFI Tirol (6010 Innsbruck, Ing.-Etzel-Straße 7, Tel. 0512/59660-215 oder per E-Mail an
[email protected]). 
Arbeitsfeld & Spielwiese
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Tirol 19
BFI Tirol Kundencenter ƒ Tel. 0512 596 60 ƒ(0DLOLQIR#EÀWLURODWƒZZZEÀWLURODW
aus den ortsstellen
Bergretter maßen sich beim Alplrennen
Gesamtsieger Andreas Waldhart und Stefan Trenkwalder.
Foto: Daniel Schreter
Insgesamt 22 Staffeln stellten sich im April dem 15. Alplrennen, das die Ortsstelle Telfs organisiert hatte. Die Zweier-Teams
mussten nach einem Aufstieg mit Tourenskiern in einem 400
Quadratmeter großem Bereich eine LVS-Suche durchführen
und nach einem weiteren Anstieg aus Tourenskiern, Karabinern, Reepschnüren und der Lawinenschaufel einen Schlitten
zum behelfsmäßigen Abtransport des Partners konstruieren.
In der Bergrettungsklasse siegten Andreas Waldhart/Stefan
Trenkwalder (Bergrettung Flaurling), die mit einer Zeit von 16
Minuten/38 Sekunden auch den Gesamtsieg für sich verbuchen
konnten. Mit lediglich 18 Sekunden Rückstand sicherten sich
Thomas Waldhart und Christian Thaler (Bergrettung Flaurling) den zweiten Rang in der Bergrettungsklasse. Den dritten
Rang belegte Vorjahressieger Albert Neuner, diesmal mit Gregor
Hendl als neuem Partner (BR Leutasch). Die schnellste Suchzeit
mit dem LVS-Gerät erreichten übrigens Bruno Krismer und
Michael Mariani (Bergrettung Telfs) mit 30,51 Sekunden. Die
Gästeklasse entschieden Florian Hafele und Thomas Mussak
(Team Hafele/Mussak) für sich, auf den Plätzen folgten Horst
Scheyrer mit Partner Hansjörg Hieber (Team Hopfen Buam)
und Franz Stockmeyer mit Günther Schennach. 
Kletter-Ass wirbt für
Sicherheitskampagne
Freude bei Landesleiter Kurt Nairz und seinem Stellvertreter
Toni Mattle über die Kooperation mit Kletter-Ass Johanna Ernst,
die als Anwärterin nicht nur für die Tiroler Bergrettung die Werbetrommel rühren wird. Ab Herbst steht sie außerdem im Mittelpunkt einer Sicherheitsoffensive, mit der jungen Menschen
das Tragen eines Helms beim Sport im alpinen Gelände näher
Foto: Bernhard Stecher
gebracht werden soll. 
Foto: Foto Mario (Imst); Bearbeitung: Pfunds-Kerle Studios
Pfunds-Kerle-Fest mit
Bergrettungstreffen
Das 17. Pfunds-Kerle-Fest findet vom Freitag, 27., bis Sonntag, 29.
August, in Pfunds statt. Im Rahmen des Festes gibt es erstmals ein
internationales Bergrettungstreffen mit einer großen Schauübung.
Auftakt des Pfunds-Kerle-Festes ist am Freitag um 20.30 Uhr im
großen Festzelt. Am Samstag beginnt um 19 Uhr das Konzert mit
„Da Zillertaler und die Geigerin“ und Ingo Rotter, um 21 Uhr dann
das Showkonzert der Pfunds-Kerle. Nach der Hl. Messe am Sonntag
um 10 Uhr und dem Frühschoppen marschieren um 13 Uhr die
Bergrettungsmannschaften ein. Anschließend folgt die Schauübung
mit den Bereichen Selbstrettung, Abseilen und Erste-Hilfe. 
20 Tirol
international
Von Griechenlands
Bergwelt ins Jamtal
Ein Team der griechischen Bergrettung nutzte wieder das Ausbildungszentrum im Jamtal, um neueste Techniken und Materialien kennen
zu lernen.
Text: Viktoria Veider | Fotos: iStock/MireXa, Peter Veider
Tirol 21
international
Beobachtet von ihren Kollegen übt eine Gruppe die Liftbergung.
Die Woche nach Ostern stand
im Jamtal ganz im Zeichen griechischer Bergretter. Fünf Tage lang
war eine neunköpfige Gruppe des
Hellenic Rescue Teams aus der Region rund um Athen bzw. Thessaloniki zu Gast, um die neuesten
Techniken und Materialien der
Bergrettung Tirol kennen zu lernen. Ein erster Kontakt mit dem
Hellenic Rescue Team war bereits
Die griechischen Bergretter testen die Dampfsonde.
2008 zustande gekommen, als
im Rahmen eines „Leonardo da
Vinci“-Projektes eine Gruppe der RettungsAnalyse der Übung nach erfolgter Verschütteten-Bergung.
organisation im Jamtal geschult wurde. Davon hatte die jetzige Abordnung aber nichts
gewusst: Ihr Aufenthalt wurde durch ein zufälliges Treffen mit Peter Veider bei der IKAR
(Internationale Kommission für alpines Rettungswesen) in die Wege geleitet. Anfang April
war es dann soweit.
Die neunköpfige Mannschaft, die größtenteils im Raum Athen bzw. Thessaloniki angesiedelt ist, bildet eine der 35 Abteilungen des
Hellenic Rescue Teams, die über ganz Grie-
22 Tirol
chenland verstreut sind. Die Einheit hat
sich vor allem auf die Bodenrettung
spezialisiert. Aus diesem Grund war es
ihnen auch wichtig zu sehen, wie andere Rettungsorganisationen auf diesem
Gebiet arbeiten. Der größte Teil der Einsätze, bei denen die Gruppe der terrestrischen Rettung aktiv wird, erfolgt bei
Erdbebenkatastrophen.
Keine Subventionen
Die Arbeit der Bergrettung in Griechenland gestaltet sich
nicht gerade einfach. Von
der Ausbildung bis hin zu
Einsätzen und Ausrüstung
wird alles von den Männern
selbst bzw. über Spenden
bezahlt. Subventionen oder
Förderungen gibt es nicht.
Sogar der nationale Bergnotruf und die dazugehörige Leitstelle werden von
den Bergrettern aus eigener
Tasche finanziert. Dass sie
international
Die Gruppe des Hellenic Rescue Teams mit ihren Tiroler Kollegen vor dem Ausbildungszentrum im Jamtal.
da manchmal gefragt werden, warum sie das alles überhaupt machen, lässt sich nur zu gut nachvollziehen. Doch Resignation
zeigen sie nicht.
Wie kompliziert manche Rettungsaktionen in Griechenland ablaufen können, zeigte ein größerer Lawinenabgang 2009, bei dem
fünf Menschen ums Leben kamen. Die Rettung zog sich über viele
Tage, da es keine einzige Organisation gab, die sich im Bereich der
Lawinenbergung auskannte. Der einzige Kommentar zu diesem
Missstand kam vom zuständigen Bürgermeister, der meinte, die
Leute sollen sich gefälligst von den Bergen fern halten, da hätten
sie nichts zu suchen. Die gleiche Problematik zeigt sich auch bei
der Alarmierung: So erfahren die Mitglieder des Hellenic Rescue
Teams oft erst übers Fernsehen von Tragödien oder Unfällen. Auf
eigene Faust werden dann Rettungsmaßnahmen eingeleitet.
schwierig. Die meisten Piloten wären nur für Meeresflüge ausgebildet, ein Flug im Gebirge sei deshalb oft gar nicht machbar. Die
Ausbildungswoche im Jamtal hat „alle Erwartungen bei weitem
übertroffen“, wie die Griechen bei ihrem Abschied immer wieder
betonten. Somit war es wohl allen möglich, von dieser Ausbildungswoche zu profitieren: die Gruppe des Hellenic Rescue Teams
von den Techniken und Strategien der Tiroler Bergrettung, und
unsere Bergretter letztendlich von der griechischen Gelassenheit,
gepaart mit der unendlichen Zuversicht, dass schlussendlich doch
alles gut werden wird. 
Ungewohnter Einsatz:
In luftiger Höhe wird die
Liftbergung geprobt.
Theorie- und Praxiseinheiten
Trotz allem präsentierte sich eine sehr aufgeschlossene und
motivierte Gruppe den Ausbildern im Jamtal. Die Mitglieder des
Hellenic Rescue Teams waren immer mit Feuereifer und regem
Interesse an den theoretischen und praktischen Übungseinheiten
dabei. Ob sie denn einige der Materialien und Techniken der Bergrettung Tirol auch in Griechenland verwenden könnten, bejahten
sie voller Motivation. Nur das Recco-System, meinte ein Retter,
das würde bei ihnen in hundert Jahren noch nicht funktionieren.
Auch die Zusammenarbeit mit dem Helikopter erweise sich als
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