Neuere Entscheidungen
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Ausgewählte Probleme des Individualarbeitsrechts Universität Tübingen, Wintersemester 2014/2015 Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer Jobst-Hubertus Bauer Inhalt I. II. AGB-Kontrolle: Grundsätze 1. Anwendungsbereich 2. Stufen der AGB-Kontrolle 3. Schranken der Inhaltskontrolle 4. Rechtsfolge der Unwirksamkeit 5. Anwendung auf Kollektivverträge 6. Arbeitsrechtliche Besonderheiten § 310 IV 2 BGB AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 1. Schriftformklausel, betriebliche Übung 2. Bezugnahmeklausel 3. Versetzungsklausel 4. Bedingung/Befristung 5. Vertragsstrafe bei vertragswidriger Auflösung 6. Vertragsstrafe bei Wettbewerbsverbot 7. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt 8. Widerruf von Vergütung 9. Anrechnung von Tariferhöhungen auf Zulagen 10. Flexibilisierung der Arbeitszeit 2 Jobst-Hubertus Bauer Inhalt II. III. IV. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 11. Pauschalabgeltung von Nachtarbeit 12. Pauschalabgeltung von Überstunden 13. Kurzarbeitsklausel 14. Urlaubsregelung 15. Sonderzahlungen 16. Rückzahlungsklausel bzgl. Ausbildungskosten 17. Ausschlussfrist 18. Freistellungsklausel 19. Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag, Ausgleichsquittung 20. Pauschalierter Aufwendungsersatz Kündigungsschutz 1. Allgemeine Grundsätze 2. Allgemeines 3. Anhörung des BR 4. Allgemeiner Kündigungsschutz Fallstricke des Befristungsrechts 1. Befristung aus Sachgrund 2. Sachgrundlose Befristung Jobst-Hubertus Bauer 3 Inhalt V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 1. Grundlagen 2. Acht Diskriminierungsmerkmale (§ 1 AGG) 3. Persönlicher Geltungsbereich 4. Sachlicher Geltungsbereich (§ 2 AGG) 5. Benachteiligungsverbot 6. Diskriminierungsmerkmal „Alter“ 7. Verbotene Verhaltensweisen 8. Allgemeine Rechtfertigung wegen beruflicher Anforderungen (§ 8 AGG) 9. Spezielle Rechtfertigung für Ungleichbehandlung wegen Alters (§ 10 AGG) 10. Überblick über die Rechtsfolgen 11. Schadensersatz und Entschädigung 12. Haftung des AG 13. Organisations- und Handlungspflichten des AG (§ 12 AGG) 14. Sonderproblem: AGG und Kündigungen 15. Beweislastverteilung (§ 22 AGG) 4 Jobst-Hubertus Bauer Inhalt V. VI. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 16. Ausschlussfrist 17. Auskunftsanspruch bei erfolgloser Bewerbung Update Antidiskriminierungsrecht 5 Jobst-Hubertus Bauer I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 1. Anwendungsbereich • Der AN ist beim Abschluss arbeitsrechtlicher Verträge Verbraucher (BAG 25.5.05, NJW 05, 3305). Dies gilt regelmäßig auch für angestellte Organmitglieder. • § 310 III Nr. 1, Nr. 3 BGB: - Die Klauseln gelten als vom AG gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher eingeführt worden sind. Denkbar vor allem bei Führungskräften. Bei der Inhaltskontrolle sind die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, die sich ambivalent auswirken können – z.B. Führungskräfte „auf Augenhöhe“. • Individualvereinbarungen haben immer Vorrang. Solche liegen aber nur vor, wenn sie wirklich ausgehandelt sind. Der AG muss die Klausel deutlich und ernsthaft zur Disposition stellen (BAG 27.7.05, NZA 06, 40; BAG 1.3.06, NZA 06, 746). • Es ist nicht möglich, dies durch eine „Aushandlungsklausel“ zu erreichen. Diese verstößt gegen § 308 Nr. 12 b) BGB, da hierdurch der Verwender die Beweislast für das Vorliegen einer Individualabrede abwälzt. • „Ätsch-Effekt“ 6 Jobst-Hubertus Bauer I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 2. Stufen der AGB-Kontrolle a) Verbot überraschender und mehrdeutiger Klauseln § 305 c BGB • Die Klausel muss objektiv ungewöhnlich sein und der andere Teil darf mit der Klausel nicht rechnen. • Im Arbeitsrecht übliche Klauseln sind grds. nicht überraschend (z.B. Bezugnahmeklauseln, BAG 6.5.09, NZA-RR 09, 593). • Das Überraschungsmoment kann sich auch aus der Formulierung, Formatierung oder Stellung (BAG 31.8.05, NZA 06, 324: Ausschlussklausel in Schlussbestimmungen) ergeben. Ø Wichtige und mit schwerwiegenden Nachteilen verbundene Klauseln müssen drucktechnisch oder durch eine besondere Überschrift deutlich hervorgehoben werden. • Praktisch relevant ist § 305 c I BGB besonders bei Ausgleichsquittungen, der Verweisung auf TV und bei Ausschlussfristen. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 7 I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 2. Stufen der AGB-Kontrolle a) Verbot überraschender und mehrdeutiger Klauseln § 305 c BGB • Beispiel: (BAG 16.4.08, NZA 08, 876) - Die Parteien hatten einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen. Die Befristung war deutlich durch Fettdruck hervorgehoben. Allerdings befand sich im folgenden Vertragstext eine weitere Befristung durch die Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung nach deren Ablauf enden sollte. Dies war drucktechnisch nicht hervorgehoben. - Das BAG hat die Probezeitklausel als überraschend i.S.v. § 305 c I BGB angesehen. - Der AN brauche wegen der drucktechnischen Hervorhebung der ersten Befristungsabrede nicht damit zu rechnen, dass im Text noch eine weitere Befristung auftaucht. 8 Jobst-Hubertus Bauer I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 2. Stufen der AGB-Kontrolle b) Unklarheitenregelung § 305 c II BGB • Sinn der Regelung ist es, die Risiken der Vertragsauslegung dem Verfasser der Klauseln aufzuerlegen. Ihm obliegt es, sich klar und eindeutig auszudrücken. • Im Fall der Mehrdeutigkeit treten daher die Interessen des Verwenders hinter denen seines Vertragspartners zurück. Es gilt daher die für den Vertragspartner günstigere Regelung. • Die Übergänge zwischen Auslegung und Inhaltskontrolle sind fließend. Bei Mehrdeutigkeit ist § 305 c II BGB anzuwenden. Sind Klauseln unverständlich, schwer nachvollziehbar oder widersprüchlich so greift § 307 I 2 BGB. • Verzichtet man - wie teilweise das BAG - auf die Auslegung, so führt dies hin zu einer bloßen Billigkeitsprüfung, die der Rechtsicherheit nicht förderlich ist. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 9 I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 2. Stufen der AGB-Kontrolle b) Unklarheitenregelung § 305 c II BGB BAG 18.3.09, NZA 09, 1028 • Laut HausTV erhalten Beschäftigte, die ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft nachweisen, eine Ausgleichszahlung (einfache Differenzierungsklausel). Laut Arbeitsvertrag (1999) „gelten die Bestimmungen des anzuwendenden TV in seiner jeweils gültigen Fassung“. • Außenseiter haben nicht auf Grund der Bezugnahmeklausel (Gleichstellungsabrede) Anspruch auf die Ausgleichszahlung. Ø Warum ist das kein Anwendungsfall von § 305 c II BGB? 10 Jobst-Hubertus Bauer I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 3. Schranken der Inhaltskontrolle • • • • • • • • Hauptleistungspflichten (Preisabreden) sind nicht kontrollfähig! Dazu zählen insbesondere Arbeitsentgelt und Arbeitsleistung. Es fehlt an einem tauglichen Kontrollmaßstab. Der Kontrolle unterliegen aber Preisnebenabreden, die sich zwar mittelbar auf den Preis auswirken, an deren Stelle aber bei Unwirksamkeit eine dispositive gesetzliche Regelung treten kann. Preisnebenabreden sind im Arbeitsrecht vor allem Zuschläge, z.B. für Mehrarbeit, Nachtarbeit oder generell Erschwerniszulagen. Auch wenn die Vereinbarung eines Pauschalgehalts als Hauptleistungspflicht nicht der AGB-Kontrolle unterfällt, so ist doch der damit verbundene Ausschluss von Zuschlägen kontrollfähig. Eine pauschale Abgeltung ohne Einschränkungen kann zu einer Beeinträchtigung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung führen und damit eine unangemessene Benachteiligung darstellen. Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB). Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB). 11 Jobst-Hubertus Bauer I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 4. Rechtsfolge der Unwirksamkeit • Anstelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung (§ 306 II BGB). • Nur teilbare Klauseln können teilweise aufrechterhalten werden („blue-pencilTest“). Beispiele: - BAG 12.3.08, NZA 08, 699: Zwei Stufen von Ausschlussfristen. - BAG 6.5.09, NZA 09, 783: Bonus, wenn das Arbeitsverhältnis ungekündigt besteht. - BAG 13.4.10, NZA 11, 64: Konzernversetzungsklausel. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 12 I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 4. Rechtsfolge der Unwirksamkeit BAG 6.5.09, NZA 09, 783 • „Die Höhe des Bonus hängt von der Zielerreichung des Mitarbeiters … ab. Voraussetzung für die Auszahlung des Bonus ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zum Abschluss des Geschäftsjahrs …“ • Ein Anspruch auf Bonuszahlung kann durch AGB an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Abschluss des Geschäftsjahrs gebunden werden. • Ist die Klausel sprachlich teilbar und wird der unwirksame Teil der Klausel „mit einem blauen Stift“ gestrichen (blue-pencil-Test), ist die restliche Regelung aufrechtzuerhalten, wenn sie verständlich und wirksam ist. Ø Durch Streichung des Wortes „ungekündigt“ wird ein vernünftiges Ergebnis erzielt. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 13 I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 4. Rechtsfolge der Unwirksamkeit • Geltungserhaltende Reduktion ist nach Auffassung des BAG grds. ausgeschlossen (warum nicht § 306 II BGB i.V.m. §§ 133, 157 BGB?). • In „Altfällen“ ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich, wenn es sonst zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatautonomie käme. Das Gesetzesrecht darf keine angemessene Lösung bieten und der Regelungsplan der Vertragsparteien muss eine auszufüllende Lücke aufweisen. Beispiel: Teilweiser Widerruf von Vergütung (BAG 12.1.05, NZA 05, 465). • Aber keine ergänzende Vertragsauslegung bei: - „Altfällen“ von Freiwilligkeitsvorbehalten: Übergangsfrist war ausreichend für Anpassungsversuch (BAG 10.12.08, NZA-RR 09, 576). Ausschlussfristen, weil hier Lückenfüllung durch dispositives Gesetzesrecht (Verjährungsrecht) möglich ist (BAG 28.11.07, NZA 08, 293). 14 Jobst-Hubertus Bauer I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 5. Anwendung auf Kollektivverträge • Probleme bereitet die Kontrolle von in Bezug genommenen Kollektivvereinbarungen: – Globalverweisungen: Keine Inhaltskontrolle, wenn auf einen einschlägigen TV verwiesen wird. Wird aber ein anderer TV gewählt, kann diese Wahl einer Prüfung unterzogen werden. – Einzelverweisungen: Volle Inhaltskontrolle – Teilverweisungen: Eine Inhaltskontrolle ist nur entbehrlich, wenn auf einen Teilkomplex des einschlägigen TV verwiesen wird. Sonst sind die TVRegelungen einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen (BAG 6.5.09, NZA-RR 09, 593). 15 Jobst-Hubertus Bauer I. AGB-Kontrolle: Grundsätze 6. Arbeitsrechtliche Besonderheiten § 310 IV 2 BGB • Arbeitsrechtliche Besonderheiten sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Besonderheiten. • Beispiele: • - Charakter der Arbeitsleistung als absolute Fixschuld. - Kurze Ausschlussfristen. - Arbeitsverträge mit Tendenzunternehmen und kirchlichen Einrichtungen. - Fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitspflicht (§ 888 III ZPO) (BAG 4.3.04, NZA 04, 727). - Anrechnungsvorbehalt (BAG 1.3.06, NZA 06, 746). Allein die jahrelange Verwendung einer Klausel reicht nicht. 16 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 1. Schriftformklausel, betriebliche Übung BAG 20.5.08, NZA 08, 1233 • Eine einfache Schriftformklausel kann die Entstehung einer betrieblichen Übung nicht verhindern. • Eine doppelte Schriftformklausel verhindert die Entstehung einer betrieblichen Übung. Sie muss aber klarstellen, dass ausdrückliche mündliche Abreden wirksam sind (§ 305 b BGB). Vorschlag: „Änderungen des Vertrags durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen alle Änderungen dieses Vertrags der Schriftform.“ • Die „klassische“ doppelte Schriftformklausel ist in AGB unwirksam (anders noch BAG 24.6.03, NZA 03, 1145). 17 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 2. Bezugnahmeklausel (1) BAG 18.4.07, NZA 07, 965 • • Früher ging das BAG in st. Rspr. davon aus, dass die arbeitsvertragliche dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten TV als Gleichstellungsabrede auszulegen ist. Nun legt das Gericht solche Klauseln als „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ aus. (2) BAG 24.9.08, NZA 09, 154 • • • Die Verweisung erfasst dann auch für die AN ungünstigere SanierungsTVe. Transparenzgebot ist dadurch nicht verletzt. § 305 c II BGB ist i.d.R. nicht anwendbar, da Günstigkeitsvergleich nicht möglich. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 18 II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 2. Bezugnahmeklausel • Gleichstellungsabreden sind aber weiterhin möglich. Sie müssen diesen Zweck aber hinreichend deutlich machen. • Dadurch besteht dann die Gefahr der Intransparenz. • Vorschlag: „Im Übrigen gelten die TV, an die der AG derzeit tarifgebunden ist, in ihrer jeweils gültigen Fassung. Das sind derzeit die … TV. Diese Abrede gilt, weil und solange der AG tarifgebunden ist. Sie bezweckt die Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten AN.“ 19 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 3. Versetzungsklausel (1) BAG 11.4.06, NZA 06, 1149 • Wirksam: „Frau D. wird als Redakteur (verantwortlich für Wort und Bild) in der Hauptredaktion, Ressort Sonderaufgaben, beschäftigt. Der Verlag behält sich unter Wahrung der Interessen des Redakteurs die Zuweisung eines anderen Arbeitsgebiets vor.“ • • • § 308 Nr. 4 BGB ist nicht anwendbar, da er nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders meint. Auch wenn weder Anlass noch Reichweite des Versetzungsvorbehalts bezeichnet sind, verstößt die Klausel nicht gegen § 307 BGB, insbesondere ist sie nicht intransparent i.S.d. § 307 I 2 BGB. Der 9. Senat hat bei seiner Entscheidung auf § 106 GewO abgestellt und den Umstand berücksichtigt, dass der AN weder ein Arbeitsgebiet in einer bestimmten Redaktion noch ein bestimmter Arbeitsort fest zugesagt worden war. 20 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 3. Versetzungsklausel (2) BAG 13.3.07, NZA-RR 08, 504 • Wirksam: „Frau … wird … bei FRA RE 8 in Frankfurt beschäftigt. Sie kann entsprechend ihrer Leistungen und Fähigkeiten an einem anderen Ort eingesetzt werden.“ • Auf Grund der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind Versetzungsklauseln nicht unangemessen. Auch eine langjährige Beschäftigung kann kein Vertrauen auf weitere ortsgebundene Beschäftigung begründen. 21 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 3. Versetzungsklausel (3) BAG 9.5.06, NZA 07, 145 • Aber unwirksam: „Falls erforderlich, kann H. nach Abstimmung der beiderseitigen Interessen Art und Ort der Tätigkeit des/der Angestellten ändern.“ • Hier hat sich der AG eine Änderung der vertraglichen Tätigkeit als solche vorbehalten, also keine Konkretisierung der Arbeitspflicht wie bei BAG 11.4.06. • Die Klausel ist unangemessen, da sie nicht gewährleistet, dass eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zugewiesen wird. 22 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 3. Versetzungsklausel (4) BAG 13.4.10, NZA 11, 64 • Der Arbeitsvertrag enthielt folgende Klausel: „P. behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P. entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.“ • • • Eine vorformulierte Klausel, die inhaltlich der Regelung in § 106 S. 1 GewO entspricht, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 I 1 BGB. Die Klausel ist nicht deshalb unklar bzw. intransparent nach §§ 305 II, 307 I 2 BGB, weil weder ein max. Entfernungsradius noch eine angemessene Ankündigungsfrist vereinbart ist. Eine solche Konkretisierungsverpflichtung würde dem Bedürfnis des AG nicht gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Die Angemessenheit der Entfernung und eine ggf. notwendige Ankündigungsfrist sind im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 315 I BGB zu prüfen. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 23 II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 3. Versetzungsklausel (4) BAG 13.4.10 (Forts.) • Ob die Versetzungsbefugnis zu einer anderen Konzerngesellschaft der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB standhielte, kann dahinstehen, weil die Klausel über den sog. „blue-pencil-Test“ zu retten ist. Eine Konzernversetzung lag nicht vor. Ø Damit bleibt die Frage, ob bei einer Konzernversetzung die Klausel wirksam wäre. M.E. ist § 309 Nr. 10 BGB wegen der Besonderheiten des Arbeitsrechts nicht anwendbar (sehr bestr.; immerhin halten aber BAG 23.3.06, NZA 07, 30 und BAG 23.11.04, NZA 05, 929 eine Einstellung für den Konzernbereich und ein Einverständnis mit konzernweiter Versetzung grds. für möglich). 24 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 3. Versetzungsklausel (5) BAG 25.8.10, NZA 10, 1355 • Ergibt die Auslegung eines in AGB enthaltenen Versetzungsvorbehalts, dass diese Klausel inhaltlich der Regelung des § 106 S. 1 GewO entspricht, so unterliegt sie keiner Angemessenheitskontrolle nach § 307 I 1 BGB. • Die vertragliche Regelung muss die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der für AGB geltenden Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. • Behält sich der AG vor, einseitig ohne Ausspruch einer ÄndK die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringwertiger Tätigkeiten zu Lasten des AN ändern zu können, so liegt darin regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 I Nr. 1 i.V.m. II Nr. 1 BGB. 25 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 4. Bedingung/Befristung (1) BAG 8.8.07, NZA 08, 229 • Die auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem frühestmöglichen Rentenbezug endet, kann als überraschende Klausel unwirksam sein. • Für einen Altersteilzeitvertrag hat dies das BAG wegen der vorangegangenen Verhandlungen angenommen. Der AN musste mit so einer Klausel nicht rechnen. • In befristeten Verträgen muss die Möglichkeit der Beendigung durch auflösende Bedingungen vor Ablauf der Befristung deutlich hervorgehoben werden. Ø Frage: Gilt dies auch für die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung? 26 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 4. Bedingung/Befristung (2) BAG 16.4.08, NZA 08, 876 • Enthält ein Formulararbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im nachfolgenden Text ohne drucktechnische Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit, handelt es sich bei der Probezeitbefristung um eine überraschende Klausel i.S.d. § 305 c I BGB. • Eine solche Klausel ist darüber hinaus intransparent nach § 307 I 2 BGB, weil sie einerseits eine Vertragslaufzeit vom 1.11.05 bis zum 31.10.06 festlegt, andererseits aber bestimmt wird, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der sechsmonatigen Probezeit endet. Jede der beiden Regelungen ist zwar für sich genommen klar und verständlich, insgesamt ergeben sie aber nicht ohne weiteres einen vernünftigen Sinn. ► Forts. 27 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 4. Bedingung/Befristung (2) BAG 16.4.08, NZA 08, 876 • Offen ist, ob der Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB zur Unwirksamkeit nur der Befristung zum 30.4.06 oder sogar der Befristung zum 31.10.06 führt. Ø Der AGB-Kontrolle standhalten dürfte folgende Regelung: „1. 2. 3. Der Vertrag ist gem. § 14 II TzBfG befristet und endet spätestens am …, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die ersten sechs Monate sind befristete Probezeit, so dass das Arbeitsverhältnis auch vorzeitig zum … enden kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Firma dies dem AN spätestens zwei Wochen vorher schriftlich mitteilt. Andernfalls gilt der Fristablauf gem. Ziff. 1. Das Arbeitsverhältnis kann beiderseitig auch vorzeitig ordentlich gekündigt werden. Die Frist beträgt in der Probezeit zwei Wochen, danach vier Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende.“ 28 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 4. Bedingung/Befristung (3) BAG 24.1.08, NZA 08, 876 • Auch in befristeten Arbeitsverhältnissen ist die Vereinbarung einer Probezeit rechtlich möglich und zulässig. • Die in einem Formulararbeitsvertrag vereinbarte Probezeitdauer von sechs Monaten unterliegt gem. § 307 III 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB. Durch die formularmäßige Vereinbarung einer für beide Vertragsteile gleichermaßen geltenden sechsmonatigen Probezeit nutzen die Parteien lediglich die gesetzlich zur Verfügung gestellten Möglichkeiten und weichen hiervon nicht ab. (4) BAG 2.9.09, NZA 09, 1253 • Ein unbefristet teilzeitbeschäftigter AN wird durch die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung regelmäßig nicht i.S.v. § 307 I 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn die Befristung auf Umständen beruht, die die Befristung des Arbeitsvertrags nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG sachlich rechtfertigen könnten. 29 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 5. Vertragsstrafe bei vertragswidriger Auflösung (1) BAG 4.3.04, NZA 04, 727 • Vertragsstrafen sind wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten trotz § 309 Nr. 6 BGB grds. zulässig. • Sie können aber wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sein (§ 307 I BGB). • Ist Vertragsstrafe zu hoch, scheidet geltungserhaltende Reduktion grds. aus. (2) BAG 21.4.05, NZA 05, 1053 • Unangemessen ist eine Regelung, wonach eine Vertragsstrafe verwirkt ist, wenn der AG durch „schuldhaft vertragswidriges Verhalten des AN zur fristlosen Kündigung des AV veranlasst wird.“ • Eine solche Vertragsstrafe lässt nicht erkennen, durch welche konkrete Pflichtverletzung die Vertragsstrafe verwirkt wird. Sie ist daher nicht klar und verständlich (§ 307 I 2 BGB). • Die Pflichtverletzung muss so klar bezeichnet sein, dass sich der AN darauf einstellen kann. 30 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 5. Vertragsstrafe bei vertragswidriger Auflösung (3) BAG 25.9.08, NZA 09, 370 • Der Vertrag enthielt folgende Regelung: „Dieser Dienstvertrag ist unbefristet und kann mit einer Schutzfrist von 2 Monaten zum 31.7. gekündigt werden. … Wird der Kündigungstermin nicht eingehalten und kommt die Lehrkraft ihrer Verpflichtung zur Dienstleistung bis zum Ablauf des Dienstvertrags nicht nach, wird die Zahlung einer Vertragsstrafe von 3 Bruttomonatsgehältern mit sofortiger Wirkung fällig.“ Die Kl. hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 5.7.06 zum 31.7.06 gekündigt, nicht also zum 31.7.07. • • Es gibt keine generelle Höchstgrenze für eine arbeitsvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe. Eine Übersicherung liegt vor, weil die Vertragsstrafe beispielsweise auch dann verwirkt ist, wenn die Lehrkraft am 30.4. zum 30.6. kündigt und bis dahin ihre Arbeitsleistungen erbringt. Dann würde sie den AG die Arbeitsleistung für einen Monat entziehen. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 31 I. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 5. Vertragsstrafe bei vertragswidriger Auflösung BAG 25.9.08 (Forts.) • Deshalb kann dahinstehen, ob eine Vertragsstrafe von 3 Bruttomonatsgehältern in einer konkreten Fallkonstellation wie der vorliegenden angemessen wäre. • Auf Grund der einheitlichen, nicht teilbaren Regelung in § 4 S. 3 des Arbeitsvertrags kommt es bei der Prüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe nicht darauf an, ob unter die Regelung auch Konstellationen fallen können, die eine dreifache Bruttomonatsvergütung als Vertragsstrafe rechtfertigen würden. Ø Klauselvorschlag (ohne Garantie der Wirksamkeit): „Beendet der AN seine Tätigkeit vertragswidrig oder nimmt er die vereinbarte Tätigkeit vertragswidrig nicht auf oder wird das Arbeitsverhältnis vom AG wirksam aus wichtigem Grund wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit außerordentlich gekündigt, so hat der AN eine Vertragsstrafe i.H.d. Bruttomonatsgehälter zu zahlen, die er bei Einhaltung der für ihn geltenden ordentlichen Kündigungsfrist erhalten hätte, max. jedoch 3 Bruttomonatsgehälter.“ Ø Bei Top-Führungskräften und/oder Spezialisten muss m.E. auch eine höhere Vertragsstrafe zulässig sein. Ø Greift „blue-pencil-Test“, wenn gestaffelte hilfsweise Vertragsstrafen festgelegt werden? Ø Keine Kontrolle nach § 307 I 1 BGB, wenn Vertragsstrafe ausgehandelt ist! 32 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 6. Vertragsstrafe bei Wettbewerbsverbot (1) BAG 14.8.07, NZA 08, 170 • Auslösende Pflichtverletzung und zu leistende Strafe ihrer Höhe nach müssen klar und bestimmt sein. • Folgende Klausel zur Sicherung eines Wettbewerbsverbots für die Dauer des Arbeitsverhältnisses verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB): „Der AG kann unbeschadet seiner sonstigen Rechte für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatsgehältern verlangen. Im Fall einer dauerhaften Verletzung gilt jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung.“ • Unklar ist, wann ein einzelner Verstoß und wann ein Dauerverstoß vorliegt, und ob jede Wettbewerbstätigkeit die Vertragsstrafe auslöst oder ob sie nur einmal pro Monat anfällt. 33 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 6. Vertragsstrafe bei Wettbewerbsverbot (2) Klauselempfehlung: „Für jeden Fall der Verletzung des Verbots hat der Mitarbeiter eine Vertragsstrafe von EUR … zu zahlen. Die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Schadens bleibt vorbehalten. Im Fall einer dauerhaften Verletzung des Verbots wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat neu verwirkt. Eine Dauerverletzung liegt vor, wenn der Mitarbeiter sich kapitalmäßig an einem Wettbewerbsunternehmen beteiligt oder mit einem Wettbewerbs-unternehmen verbotswidrig ein Dauerschuldverhältnis eingeht, insbesondere ein Anstellungsverhältnis oder einen Vertrag als freier Mitarbeiter, Berater oder Handelsvertreter. Eine Einzelverletzung liegt dagegen vor, wenn gegen das Verbot nicht im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses und nicht durch kapitalmäßige Beteiligung verstoßen wird, sondern in sonstiger Weise. Durch jede einzelne Einzelverletzung wird die Vertragsstrafe gesondert verwirkt, ggfs. auch mehrmals innerhalb eines Monats. Einzelverletzungen im Rahmen einer Dauerverletzung verwirken keine zusätzliche Vertragsstrafe. Eine Dauerverletzung schließt jedoch eine weitere Verwirkung der Vertragsstrafe innerhalb eines Monats durch eine anderweitige Dauerverletzung oder anderweitige Einzelverletzung außerhalb der Dauerverletzung nicht aus.“ Ø Achtung: Gefahr der Intransparenz? Jobst-Hubertus Bauer ► Forts. 34 II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 6. Vertragsstrafe bei Wettbewerbsverbot Ø • Achtung: Die BAG-Entscheidungen gelten m.E. hinsichtlich der Transparenzkontrolle auch für nachvertragliche Wettbewerbsverbote (nvW). Bei der Kontrolle der Angemessenheit der Höhe einer Vertragsstrafe für ein nvW ist das Verhältnis von §§ 307 I, 306 BGB (keine geltungserhaltende Reduktion) zu §§ 75 c I 2 HGB, 343 BGB (Herabsetzung) unklar. (3) ArbG Halle 22.5.06 – 7 Ca 1812/04 Herabsetzung geht vor Angemessenheitskontrolle nach § 307 I BGB; langer Zeitraum zwischen Vereinbarung des nvW und Beginn des nvW ist arbeitsrechtliche Besonderheit. • a.A. LAG München 13.2.07 – 6 Sa 527/06, ohne Differenzierung zw. vertraglichem und nvW. 35 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 7. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt (1) BAG 25.4.07, NZA 07, 853 • Als unangemessene Benachteiligung nach § 307 I 1 BGB unwirksam bei monatlich zu zahlender Leistungszulage. • Freiwilligkeitsvorbehalt bei laufendem, im Synallagma stehenden Arbeitsentgelt widerspricht dem Zweck des Arbeitsvertrags. • Die Umdeutung eines unwirksamen Freiwilligkeits- in einen Widerrufsvorbehalt kommt nur in Betracht, wenn die Klausel so gestaltet ist, dass sie den Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt entspricht (§ 308 Nr. 4 BGB). Ø Was gilt bei Altverträgen? Was ist laufendes Entgelt? Welche Leistungen stehen im Synallagma? 36 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 7. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt (2) BAG 30.7.08, NZA 08, 1173 • Grds. wirksam bei Sonderzahlungen. • Unabhängig vom vom AG mit der Sonderzahlung verfolgten Zweck: Auch bei im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungen. • Aber wegen Intransparenz nach § 307 I 2 BGB unwirksam bei – – – Ø anspruchsbegründender Formulierung (z.B. „der AN erhält …“) + Freiwilligkeitsvorbehalt. Kombination von Widerrufs- und Freiwilligkeitsklauseln präziser Formulierung von Voraussetzungen und Höhe der Sonderleistung. Was sind Sonderzahlungen/Sonderleistungen? 37 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 7. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt (3) BAG 21.1.09 – 10 AZR 221/08, n.v. Wirksam soll z.B. sein: „Der AN erhält ein monatliches Gehalt von […]. Die Gewährung sonstiger Leistungen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld, 13. Gehalt etc.) durch den AG erfolgen freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.“ M.E. besser: „Erhält der AN ein Weihnachtsgeld, so handelt es sich dabei um eine freiwillige Leistung, auf die auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch besteht.“ • Auch bei beträchtlicher Höhe der Sonderzahlung (EUR 25.000-30.000 bei Jahresgehalt EUR 55.000; BAG 18.3.09, NZA 09, 535). 38 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 7. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt (4) BAG 8.12.10, NZA 11, 628 • Die Klausel lautet: „Soweit der AG gesetzlich oder durch TV nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar.“ • Leistet der AG mehrere Jahre lang ein Weihnachtsgeld an einen AN, ohne bei der Zahlung deutlich eine Bindung für die Zukunft auszuschließen, kann der AN aus diesem regelmäßigen Verhalten grds. schließen, der AG wolle sich dauerhaft verpflichten. Die unklare und intransparente allgemeine Klausel im Arbeitsvertrag kann das Entstehen eines zukünftigen Rechtsanspruchs nicht hindern. Die Klausel kann so verstanden werden, dass sich der AG aus freien Stücken zur Erbringung der Leistung verpflichten wollte. Ferner setzt der vorbehaltene Widerruf voraus, dass überhaupt ein Anspruch entstanden ist. • • 39 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 7. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt (5) BAG 14.9.11, NZA 12, 81 • In der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB). • Folgt die Intransparenz aus der genannten Kombination, kommen die Annahme einer Teilbarkeit der Klausel und ihre teilweise Aufrechterhaltung nicht in Betracht. • Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen i.S.v. § 307 I 1, II Nr. 1 und Nr. 2 BGB und deshalb unwirksam. 40 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 8. Widerruf von Vergütung (1) BAG 12.1.05, NZA 05, 465 BAG 11.10.06, NZA 07, 87 BAG 20.4.11, NZA 11, 796 • Eine Abrede, nach der dem AG das Recht zusteht, „übertarifliche Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen“, ist gem. § 308 Nr. 4 BGB grds. unwirksam. • Ein Widerrufsvorbehalt ist nur wirksam, wenn er Voraussetzung und Umfang erkennen lässt und der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird. • Aber: Ergänzende Vertragsauslegung für „Altverträge“. 41 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 8. Widerruf von Vergütung (2) BAG 19.12.06, NZA 07, 809 • Die Vereinbarung in einem Formulararbeitsvertrag, nach welcher der AG berechtigt ist, jederzeit die Privatnutzung eines zur Verfügung gestellten Firmenwagens zu widerrufen, ist zu weit gefasst und verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB. • Auch in Altfällen kommt keine geltungserhaltende Reduktion oder ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (widersprüchlich zur Rspr. des 5. Senats). • Gegen die Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung mit monatlich 1% des Listenpreises des Firmenwagens bestehen nach Ansicht des BAG keine Bedenken. 42 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 8. Widerruf von Vergütung (3) BAG 20.4.11, NZA 11, 796 • Der Widerruf einer in AGB versprochenen Leistung des AG darf nicht grundlos erfolgen. • Seit 1.1.02 müssen die Widerrufsgründe in der Vertragsklausel angegeben werden. Fehlt diese Angabe, ist die Klausel nach §§ 308 Nr. 4, 307 unwirksam. • Die hierdurch entstandene Vertragslücke kann in vor dem 1.1.02 vereinbarten Klauseln im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden. • Bei der Schließung der Lücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung ist es unerheblich, ob der AG dem AN in der gesetzlichen Übergangsfrist bis zum 31.12.02 eine Anpassung der Klausel an den strengeren Rechtszustand angetragen hat. 43 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 9. Anrechnung von Tariferhöhungen auf Zulagen (1) BAG 1.3.06, NZA 06, 746 • Die Regelung einer „freiwilligen, jederzeit widerruflichen und anrechenbaren betrieblichen Ausgleichszulage“ ist auch ohne Bestimmung der Anrechnungsgründe als Anrechnungsvorbehalt wirksam; die Klausel ist teilbar. (2) BAG 27.8.08, NZA 09, 49 • Freiwillige, übertarifliche Sonderzahlungen können auch ohne ausdrückliche Vereinbarung – auch rückwirkend – auf Tariflohnerhöhungen angerechnet werden. • Der konkludent, mündlich oder durch betriebliche Übung begründete Anrechnungsvorbehalt ist AGB; er verstößt nicht gegen § 307 I 1 und unterliegt keinen Zweifeln (§ 305 c II BGB). 44 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 10. Flexibilisierung der Arbeitszeit (1) BAG 7.12.05, NZA 06, 423 • § 12 I 2 TzBfG erfordert nur die Festlegung einer Mindestdauer der wöchentlichen und der täglichen Arbeitszeit. • Die Arbeitsvertragsparteien können die Arbeitszeit „nach oben“ und/oder „nach unten“ flexibilisieren. • Eine solche Flexibilisierung ist aber nach § 307 I, II BGB nur angemessen, wenn die einseitig vom AG abrufbare Arbeit des AN nicht mehr als 25% der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit beträgt. • Achtung: Eine Absenkung der Arbeitszeit „von oben nach unten“ ist rechnerisch um max. 20% zulässig (das entspricht „von unten nach oben“ 25%!). 45 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 10. Flexibilisierung der Arbeitszeit (2) BAG 17.10.12, NJW 13, 1388 • Im Vertrag ist geregelt: „1. Der Stundenlohn erhöht sich um 3%. 2. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich, von denen 35 Stunden wöchentlich vergütet werden. Für die Differenz zur bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden wird keine gesonderte Vergütung gezahlt. Überstunden, die über 40 Stunden wöchentlich hinausgehen, werden als solche weiterhin regulär vergütet.“ • Eine Klausel, nach der eine gesonderte Vergütung für die 36. bis 40. Arbeitsstunde pro Woche ausgeschlossen wird, betrifft allein die (Mit-)Vergütung dieser Arbeitsleistung und ist damit eine Hauptleistungsabrede. • Eine solche Klausel unterliegt deshalb nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 I 1 BGB. 46 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 11. Pauschalabgeltung von Nachtarbeit BAG 31.8.05, NZA 06, 324 • Zwar unterliegen „Preisabreden“ grds. nur der Transparenzkontrolle. Da mit § 6 V ArbZG eine gesetzliche Regelung besteht, unterliegt die Pauschalabgeltung der Nachtarbeit jedoch auch der Angemessenheitskontrolle. • Eine Pauschalabgeltung kann daher unangemessen sein, wenn das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung maßgeblich gestört wird. • Dies ist bei einem Pauschalgehalt, das wesentlich über dem Gehalt eines nicht nachts arbeitenden AN liegt, nicht der Fall. 47 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 12. Pauschalabgeltung von Überstunden (1) BAG 28.9.05, NZA 06, 149 • Arbeitszeitgesetzwidrig geleistete Überstunden können nicht mit einem Pauschalgehalt abgegolten werden. • Ob eine pauschale Abgeltung in AGB bis zur zulässigen Obergrenze möglich ist, hat das BAG offen gelassen. • Es müssten jedoch die zu Nachtarbeitszuschlägen genannten Grundsätze gelten: Die Anordnung von nicht extra vergüteten Überstunden darf nicht zu einer krassen Störung des Äquivalenzverhältnisses führen. 48 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 12. Pauschalabgeltung von Überstunden (2) BAG 1.9.10, NZA 11, 575 • Die in einem vom AG gestellten Formulararbeitsvertrag enthaltene Klausel, mit der monatlichen Bruttovergütung seien „erforderliche Überstunden des AN mit abgegolten“, ist mangels näherer Bestimmung des Umfangs der geschuldeten Arbeitsleistung intransparent i.S.v. § 307 I 2 BGB und deshalb gem. § 306 I BGB unwirksam. (3) Aber: BAG 17.8.11, NZA 11, 1335, dazu Bauer/Merten, RdA 12, 178 • Im Streit ist folgende Klausel: „Durch die zu zahlende Brutto-Vergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten.“ • Auf die AGB-Kontrolle kommt es nicht an, wenn ein AN von vornherein für Überstunden keine zusätzliche Vergütung erwartet. Die vereinbarte Vergütung entspricht dann § 612 BGB (ebenso BAG 21.9.11, NZA 12, 145). ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 49 II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 12. Pauschalabgeltung von Überstunden (3) Aber: BAG 17.8.11, Forts.: • Eine AGB verletzt das Bestimmtheitsgebot (§ 307 I 2 BGB), wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält. Ø Irritierend ist folgende Aussage im Urteil: „Der Umfang der Klausel ist im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden ‚etwa notwendig‘ sein sollen.“ Ø Damit werden die Anforderungen an die Bestimmtheit der Vertragsklausel überspitzt. 50 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 12. Pauschalabgeltung von Überstunden (4) BAG 22.2.12, NZA 12, 861 • Der Kl. war als Lagerleiter mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von EUR 1.800 bei einer vereinbarten monatlichen Arbeitszeit von 182 Stunden (42 Stunden/wtl.) beschäftigt. Im Vertrag hieß es u.a.: „Der AN erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung.“ • Eine Vergütungserwartung für geleistete Mehrarbeit ist gegeben, wenn jede zusätzliche Vergütung von Mehrarbeit vertraglich ausgeschlossen ist und der AN kein herausgehobenes Entgelt bezieht. • An einer Vergütungserwartung fehlt es regelmäßig bei einem Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. 51 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 12. Pauschalabgeltung von Überstunden (5) BAG 16.5.12, DB 12, 1990; vgl. dazu Bauer/Arnold/Willemsen, DB 12, 1984 • Eine Klausel in AGB, die ausschließlich die Vergütung von Überstunden, nicht aber die Anordnungsbefugnis des AG zur Leistung von Überstunden regelt, ist eine Hauptleistungsabrede und deshalb von der Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB ausgenommen. • Eine Klausel über die Abgeltung einer bestimmten Zahl von Überstunden ist bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit wirksam. • Offen bleibt, was bei der Kombination von Anordnungsbefugnis und Abgeltungsklausel gilt. Ø AG sollten sich deshalb überlegen, ob sie auf eine Klausel zur Überstundenanordnung verzichten. 52 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 13. Kurzarbeitsklausel • • • • • Der AG kann Kurzarbeit nicht einseitig mit Hilfe seines Direktionsrechts einführen. Er benötigt hierfür eine kollektiv- oder individualrechtliche Rechtsgrundlage. Insbesondere bei betriebsratslosen Betrieben und bei der Anordnung von Kurzarbeit gegenüber leitenden Angestellten gewinnen Kurzarbeitsklauseln in den Arbeitsverträgen an Bedeutung. Textvorschlag: „Der AG kann Kurzarbeit anordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 169 ff. SGB III). Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in § … dieses Vertrags geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit. Der AG hat bei der Anordnung von Kurzarbeit gegenüber dem AN eine Ankündigungsfrist von 3 Wochen einzuhalten.“ Diese Klausel sollte unter dem Regelungspunkt „Arbeitszeit“ aufgeführt werden, um zu verhindern, dass es sich um eine überraschende Klausel i.S.d. § 305 c I BGB handelt. Die Klausel ist m.E. angemessen i.S.v. § 307 I 1 BGB. 53 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 14. Urlaubsregelung • Der EuGH (20.1.09 - C-350/06 - Schultz-Hoff, NJW 09, 495) hat das deutsche Urlaubsrecht gekippt. • Deshalb ist eine ausdrückliche Regelung der Befristung und Erfüllbarkeit des Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruchs in Arbeitsverträgen empfehlenswert, soweit der eingeräumte Urlaub über den Mindesturlaubsanspruch hinausgeht. • Folgende Klausel empfiehlt sich: (1) Der AN hat Anspruch auf einen gesetzlichen Mindesturlaub von 4 Wochen. (2) Der AG gewährt dem AN zusätzlich einen Urlaubsanspruch von … Für diesen zusätzlichen Urlaub gilt abweichend von den rechtlichen Vorgaben für den gesetzlichen Mindesturlaub, dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Übertragungszeitraums auch dann verfällt, wenn der Urlaub im Übertragungszeitraum wegen Arbeitsunfähigkeit des AN nicht genommen werden kann. Soweit der Urlaub verfällt, entfällt auch ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch. • Eine solche Klausel ist auch angemessen i.S.d. § 307 I 1 BGB. 54 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 15. Sonderzahlungen (1) BAG 18.1.12, NZA 12, 499 • Zahlung einer Tantieme in Abhängigkeit einer Dividendenzahlung ist nicht unangemessen i.S.d. § 307 I 21 BGB. (2) BAG 13.11.13, NZA 14, 368 • Eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für im gesamten Kalenderjahr laufend erbrachte Arbeit darstellt, kann in AGB regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. des betreffenden Jahres abhängig gemacht werden. 55 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 16. Rückzahlungsklausel bzgl. Ausbildungskosten (1) BAG 11.4.06, NZA 06, 1042 • Die Vereinbarung, dass ein AN bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist vom AG übernommene Ausbildungskosten ohne Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss, ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, § 307 I BGB. • Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus. (2) BAG 14.1.09, NZA 09, 666 • Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. 56 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 16. Rückzahlungsklausel bzgl. Ausbildungskosten (3) BAG 18.3.08, NZA 08, 1004 • Eine Klausel, die den ratierlichen Abbau eines Studiendarlehens für jeden Monat der späteren Tätigkeit vorsieht, ist unangemessen - nach § 307 I 1 BGB, wenn sie keine Verpflichtung des Darlehensgebers zur Beschäftigung des Studierenden nach dem Abschluss enthält (s. auch BAG 18.11.09, NZA 09, 435), - nach § 307 I 2 BGB, wenn sie den Studierenden über spätere Arbeitsbedingungen im Unklaren lässt. (4) BAG 15.9.09, NJW 10, 550 zur Rückzahlungsvereinbarung nach erfolgter Schulungsmaßnahme. 57 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 16. Rückzahlungsklausel bzgl. Ausbildungskosten (5) BAG 28.5.13, BB 13, 2036 • Eine Rückzahlungsklausel für Ausbildungskosten stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der AN selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen. • Fehlt es an dieser Ausgewogenheit, kommt es grds. auf die Hintergründe einer Eigenkündigung des AN nicht an. §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Erstellen inhaltlich unangemessener AGB, nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. • An einer ergänzenden Vertragsauslegung besteht grds. kein schützenswertes Interesse. 58 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 16. Rückzahlungsklausel bzgl. Ausbildungskosten (6) BAG 6.8.13, NZA 13, 1361 • Klauseln in Formularverträgen über die Erstattung von Weiterbildungskosten genügen dem Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB) nur, wenn sie keine vermeidbaren Unklarheiten bezüglich der ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach enthalten und für den AG keine ungerechtfertigten Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume entstehen. • Der AN kann sein Zahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen, wenn der AG die Art und die Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten nicht angibt und die einzelnen Positionen (z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrtkosten) nicht genau und abschließend bezeichnet. 59 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 17. Ausschlussfrist (1) BAG 28.9.05, NZA 06, 149 • Eine Ausschlussklausel muss i.d.R. an die Fälligkeit des Anspruchs anknüpfen (s. auch BAG 1.3.06, NZA 06, 783). • Eine formularmäßige Ausschlussfrist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit ist unangemessen (§ 307 I 1 BGB). • Die Ausschlussklausel fällt bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen ersatzlos weg (§ 306 I, II BGB). (2) BAG 12.3.08, NZA 08, 699 • Hält die erste Stufe einer vertraglichen Ausschlussfristenregelung der AGBKontrolle nach §§ 305 ff. BGB Stand, beeinträchtigt die Unwirksamkeit der zweiten Stufe, die eine zu kurze Frist für die gerichtliche Geltendmachung vorsieht, die Wirksamkeit der ersten Stufe grds. nicht, wenn die Klausel teilbar ist. (3) BAG 6.5.09, NZA-RR 09, 593 • Durch (Teil-)Verweisung auf einen TV kann für den AN eine kürzere Ausschlussfrist als für den AG vereinbart werden. 60 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 17. Ausschlussfrist (4) BAG 19.3.08, NZA 08, 757 • Mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage macht der AN alle durch die Kündigung bedrohten regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich geltend (Wahrung der ersten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist). • Ist in AGB geregelt, dass von der Gegenseite abgelehnte Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen sind, um deren Verfall zu verhindern, genügt die Erhebung der Kündigungsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des AN zu verhindern (Wahrung der zweiten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist). 61 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 17. Ausschlussfrist (5) BAG 19.2.12, NZA 13, 101 • • Ein AN macht mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche „gerichtlich geltend“. Mit dieser Geltendmachung wird die 2. Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist gewahrt. Ø Mit dieser Entscheidung wird die Rspr. des BVerfG zu zweistufigen Ausschlussfristen umgesetzt (vgl. BVerfG 1.12.10, NZA 11, 354). Ø Bei der 2. Stufe einer Ausschlussfrist in AGB reichte die Erhebung einer Bestandsschutzklage für die gerichtliche Geltendmachung zur Sicherung der Ansprüche aus. Dabei berief sich das BAG auf die Unklarheitenregel des § 305 c II BGB (BAG 19.3.08, AuA 09; 618). Ø Anders beurteilte das BAG die Rechtslage bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Hier war zur Wahrung der 2. Stufe grds. eine bezifferte Klage erforderlich (vgl. BAG 17.11.09, BeckRS 10, 71524). 62 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 18. Freistellungsklausel (1) ArbG Frankfurt a.M. 19.11.03, NZA-RR 04, 409 • • • Die Freistellung des AN bei gekündigten Arbeitsverhältnis unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Ablauf der Kündigungsfrist benachteiligt den AN zumindest bei langen Kündigungsfristen unangemessen und ist in der Regel unwirksam. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des AN folgt ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch. Dieser ist grundrechtlich geschützt. Etwas anderes gilt nur, wenn der AG berechtigte Interessen für die Freistellung hat. ebenso: ArbG München 10.12.08, AE 09, 49; ArbG Berlin 4.2.05, BB 06, 559 (2) LAG BW 5.1.08, NZA-RR 07, 406 • Freistellungsklausel ist unwirksam, wenn sie auch den nicht abdingbaren Weiterbeschäftigungsanspruch erfasst. 63 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 18. Freistellungsklausel (3) ArbG Stralsund 11.8.04, NZA-RR 05, 23 • Eine in AGB vereinbarte Freistellungsklausel mit Entgeltfortzahlung verstößt nicht gegen § 307 BGB. • Da auf den Weiterbeschäftigungsanspruch wirksam verzichtet werden kann, benachteiligt dieser Verzicht den AN nicht unangemessen. • Jedenfalls bei sofortigem Wegfall des Arbeitsplatzes des AN überwiegen die Interessen des AG an der Freistellung. Im Erg. ebenso: LAG Köln 20.2.06, NZA-RR 06, 342; für Wirksamkeit nur bei besonderem, schutzwürdigem Interesse des AG: LAG München 7.5.03, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; ArbG Frankfurt 22.9.05, BB 06, 1915. 64 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 19. Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag, Ausgleichsquittung (1) BAG 8.5.08, NZA 08, 1148 • Die in einem vom AG vorformulierten Aufhebungsvertrag vereinbarte einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegt keiner Angemessenheitskontrolle. • Bei einem solchen Aufhebungsvertrag wird nicht von Rechtsvorschriften abgewichen (§ 307 III BGB). • Die Beendigungsvereinbarung ist ein selbstständiges Rechtsgeschäft, bei dem die Hauptleistung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Ø Ø Ob die Kündigungsfrist eingehalten und/oder eine Abfindung gezahlt wird, ist nicht entscheidend. Ggf. kann der Aufhebungsvertrag nach § 123 BGB angefochten werden. 65 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 19. Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag, Ausgleichsquittung (2) BAG 6.9.07, NZA 08, 219 • Ein vom AN im unmittelbaren Anschluss an eine Arbeitgeberkündigung ohne Gegenleistung in einem ihm vom AG vorgelegten Formular erklärter Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage benachteiligt den AN bei fehlender Gegenleistung unangemessen (§ 307 I 1, II Nr. 1 BGB) und ist unwirksam. • Unterschied zu BAG 19.4.07, NZA 07, 1227: Dort Aufhebungsvertrag wegen Verlängerung der Kündigungsfrist als Gegenleistung, aber Verstoß gegen Schriftformerfordernis gem. § 623 BGB. Ø Folgeproblem: Wie hoch muss die Gegenleistung sein? 66 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 19. Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag, Ausgleichsquittung (3) BAG 23.02.05, NZA 05, 1139 • Mit dem Abschluss umfassenden negativen Schuldanerkenntnissen anlässlich der Übergabe seiner Arbeitspapiere muss der AN vernünftigerweise nicht rechnen. Es handelt sich hierbei nicht um eine gewöhnliche Klausel. • Ausgleichquittungen sind daher in Formulararbeitsverträgen ohne besondere drucktechnische Hervorhebung grds. überraschend (§ 305 c I BGB). • Ansonsten können auf Ausgleichquittungen die für Aufhebungsverträge geltenden Grundsätze übertragen werden. (4) BAG 19.11.08, NZA 09, 318 • Ausgleichsklausel in Abwicklungsvertrag kann nachvertragliches Wettbewerbsverbot aufheben 67 Jobst-Hubertus Bauer II. AGB-Kontrolle: Einzelne Klauseln 20. Pauschalierter Aufwendungsersatz BAG 27.7.10, NZA 10, 1237 • Ein in AGB vereinbarter pauschalierter Aufwendungsersatz kann wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 I 1 BGB unwirksam sein, wenn dem AN nicht in entsprechender Anwendung des § 309 Nr. 5 b BGB die Möglichkeit eingeräumt wurde, den Nachweis eines fehlenden oder wesentlich geringeren Anspruchs zu führen. 68 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 1. Allgemeine Grundsätze • Ultima-ratio-Prinzip – Vorrang der Änderungs- vor der Beendigungskündigung – Notwendigkeit der Abmahnung • Negative Prognose • Interessenabwägung • Kernproblem deutschen Kündigungsschutzes: Annahmeverzug! 69 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 2. Allgemeines • Bestimmtheitsgrundsatz Ø Deutlich und zweifelsfrei Ø Beendigungswille und Zeitpunkt Ø Probleme in der Praxis - Nichtverlängerungsanzeige - Änderungskündigung • Form - § 623 BGB Ø Schriftform für jede Kündigung Ø Angabe der Gründe nicht notwendig Ø Bei Verletzung Nichtigkeit gem. § 125 BGB 70 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 2. Allgemeines • Zugang der Kündigung Ø Zugang unter Anwesenden Ø Zugang unter Abwesenden Ø Allgemeine Grundsätze - Machtbereich gelangt - Möglichkeit der Kenntnisnahme • Probleme in der Praxis Ø Ø Ø Ø Ø Ø Kündigung bei Urlaub oder Krankheit Kündigung per Bote Kündigung per Einschreiben Einwurf - Einschreiben Zustellung durch Gerichtsvollzieher Zustellung an Ehepartner 71 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 2. Allgemeines • Kündigung durch Bevollmächtigte Ø Risiken durch § 174 BGB Ø Originalvollmacht Ø Nicht wenn § 174 S.2 BGB, d.h. Kenntnis von Vertretungsmacht • Angabe der Kündigungsgründe Ø Grds. ohne Angabe von Gründen trotz § 623 BGB wirksam Ø § 626 II BGB oder § 102 II BetrVG – Keine Wirksamkeitsvoraussetzung Ø Wichtigste gesetzliche Ausnahme: § 22 III BBiG Ø Eventuell auch Ausnahme in einem TV 72 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 3. Anhörung des BR • • • • • • • Bedeutung von § 102 BetrVG wird oft verkannt Anhörung vor Ausspruch jeder Kündigung Adressat Inhalt und Umfang der Unterrichtung Ø Angaben zur Person Ø Kündigungsart Ø Kündigungsfrist, Kündigungstermin Ø Kündigungsgründe (konkret, nicht pauschal) Ø Form der Anhörung Beschlussfassung des BR Reaktionsmöglichkeiten des BR Ø Zustimmung Ø sonstige abschließende Stellungnahme Ø Schweigen Ø Widerspruch - Konsequenzen Rechtsfolgen fehlerhafter Betriebsratsanhörung 73 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 4. Allgemeiner Kündigungsschutz a) Allgemeine Grundsätze Ø Wartezeit Ø Kleinbetrieb – 6 - Monate – Erhöhung des Schwellenwertes auf zehn AN – Rechtlicher Bestand – Stichtag 1.1.04 – Unterbrechungen – Weiterhin anteilige Berücksichtigung der Teilzeitkräfte – Betrieb oder Unternehmen Ø Gemeinsamer Betrieb 74 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz b) Verhaltensbedingte Kündigung • • • • • • • • • • • • • Pflichtverletzung negative Zukunftsprognose Abmahnung Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Verschulden Interessenabwägung Alkohol / Drogen Außerdienstliches Verhalten Nebenpflichten, Nebentätigkeiten Nichterfüllung der Arbeitspflicht Treuepflichten / Straftaten Verdachtskündigung – objektive Tatsachen – Anhörung des AN – Anhörung des BR Außerordentliche (fristlose) Kündigung, insbes. wegen geringfügiger Vermögensdelikte („Fall Emmely“) 75 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • • Allgemeines Wegfall des Arbeitsplatzes durch dringende betriebliche Erfordernisse Ø Außerbetriebliche Ursachen Ø Innerbetriebliche Ursachen (Unternehmerentscheidungen, als deren Folge sich der Personalbedarf im Betrieb ändert) • Besondere Fälle: Ø Betriebseinschränkungen/-stilllegungen Ø Betriebsübergang Ø Umstellung von Arbeitsverhältnissen Ø Arbeitsverdichtung Ø Vorsicht bei vorbehaltener Betriebsveräußerung / Bewerbung um Neuausschreibung von Aufträgen 76 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • Keine arbeitsgerichtliche Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung - es sei denn, diese ist offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. - von den Arbeitsgerichten wird jedoch voll überprüft, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne AN entfallen ist. • Mögliche Weiterbeschäftigung Freier Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens. Nach Möglichkeit gleichwertiger, aber auch geringwertigerer Arbeitsplatz, ggf. Änderungskündigung. Konzernbezogene Betrachtung nur in Ausnahmefällen. 77 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • Sozialauswahl in drei Prüfungsstufen 1. Stufe: Festlegung des Kreises der in die Sozialauswahl einzubeziehenden AN 2. Stufe: Bestimmung der sozialen Schutzwürdigkeit nach sozialen Gesichtspunkten 3. Stufe: Bestimmung, ob besondere berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer AN bedingen und damit der Sozialauswahl entgegenstehen 78 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • Problem der Vergleichbarkeit Ø Beschränkung auf den Betrieb Ø Horizontale Austauschbarkeit (gegenseitig austauschbar); keine vertikale Austauschbarkeit; kein Verdrängungswettbewerb Ø Ausschluss bestimmter nicht einzubeziehender AN-Gruppen Ø Vergleichbarkeit von AN - gegenseitige tatsächliche Austauschbarkeit - rechtliche Austauschbarkeit 79 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • Sozialauswahl Ø Grundsatz: Der sozial Stärkere ist vor dem sozial Schwächeren zu kündigen Ø Sozialdaten: abschließende Aufzählung seit 1.1.04 - Länge der Betriebszugehörigkeit Lebensalter (Altersdiskriminierung?) Unterhaltsverpflichtungen Schwerbehinderung (Gewichtung ist gesetzlich nicht geregelt.) AG darf/muss sich auf diese Kriterien beschränken. Kann er weitere Kriterien berücksichtigen? 80 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • Betriebliche Bedürfnisse Ø keine Sozialauswahl, wenn Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt § 1III 2 KSchG. Ø keine ges. Definition des betrieblichen Interesses (Kenntnisse, Fähigkeiten, Leistungen). Ø Sicherung (nicht Schaffung) einer ausgewogenen Personalstruktur. Ø AG muss Interessen des sozial schwächeren AN gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abwägen (BAG 12.4.02, NZA 02, 42), fraglich, ob nach 1.1.04 noch fort gilt. Ø Berücksichtigung von verhaltens- und personenbedingten Gründen? 81 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • Beschränkte Nachprüfung der Sozialauswahl bei Vereinbarung von Auswahlrichtlinien durch TV oder BV. Überprüfung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit. Grobe Fehlerhaftigkeit nur dann, wenn die Gewichtung der Sozialdaten in der Auswahlrichtlinie jegliche Ausgewogenheit vermissen lässt und damit einen schwerwiegenden Fehler darstellt. • Namenslisten Ø Vermutung, dass Arbeitsplatz durch dringende betriebliche Erfordernisse weggefallen ist, dass betriebliche Bedürfnisse bestehen und dass keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Ø Sozialauswahl wird nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft. • Sozialauswahl bei Angebot eines freien Arbeitsplatzes in anderen Betrieben. • Rechtsfolgen fehlerhafter Sozialauswahl. 82 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz c) Betriebsbedingte Kündigung • Abfindung nach § 1 a KSchG Ø Ø Ø Ø Ø Ø Ø Kündigung des AG (ordentliche) aus betriebsbedingten Gründen Hinweis des AG keine Klage innerhalb der Frist des 4 KSchG Abfindungsanspruch kraft Gesetzes Höhe : 0,5 Monatsverdienste pro Beschäftigungsjahr § 1 a KSchG etabliert keinen unabdingbaren Mindestabfindungsanspruch (BAG 10.7.08, NZA 08, 1292) Ø Gelegentliche Auslegungsprobleme! 83 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz d) Personenbedingte Kündigung • Häufige Kurzerkrankungen Ø Negative Gesundheitsprognose – wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung • spätere Entwicklung der Krankheit unerheblich • evtl. Wiedereinstellungsanspruch – auf Grund objektiver Tatsachen • keine Erkundigungspflicht des AG • keine Auskunftspflicht des AN – auch mit künftiger Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist • Indizwirkung häufiger Erkrankungen in der Vergangenheit • Art der Erkrankungen • Steigende oder gleichbleibend hohe Tendenz • Maßgeblicher Referenzzeitraum • Erforderliche Krankheitsquote 84 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz d) Personenbedingte Kündigung • Häufige Kurzerkrankungen Ø Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen - Störungen im Betriebsablauf - Wirtschaftliche Belastungen – Entgeltfortzahlungskosten, die künftig für mehr als sechs Wochen im Jahr anfallen werden. – Diese Grenze ist allerdings nur dann maßgeblich, wenn nicht gleichzeitig Störungen im Betriebsablauf. – Maßgeblich sind die konkreten Kosten des jeweiligen Arbeitsverhältnisses. 85 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz d) Personenbedingte Kündigung • Häufige Kurzerkrankungen Ø Interessenabwägung - Höhe und Dauer den Entgeltfortzahlungskosten Umsetzung / leidensgerechter Arbeitsplatz Überbrückungsmaßnahmen Personalreserve Dauer und bisheriger Verlauf des Arbeitsverhältnisses Betriebliche Ursache der Erkrankung Verschulden des AN Durchschnittliche Ausfallquote im Betrieb/Abteilung Alter des AN sonstige Gesichtspunkte 86 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz d) Personenbedingte Kündigung • Langzeiterkrankung Ø Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Kündigung. Ø Prognose der künftigen Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit. Ø Erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen auf Grund der Ungewissheit (Problem Überbrückungsmaßnahmen). Ø Interessenabwägung. • Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit Ø Bei dauernder Leistungsunfähigkeit liegt die erhebliche betriebliche Beeinträchtigung in der Störung des Arbeitsverhältnisses als Austauschverhältnis. Ø Die Ungewissheit der Wiederherstellung steht gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit keiner anderen Prognose gerechnet werden kann. 87 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz e) Änderungskündigung, § 2 KSchG f) Sonderkündigungsschutz g) Außerordentliche bzw. fristlose Kündigung, § 628 BGB h) Kündigungsschutzverfahren 88 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 5. Aufhebungsvertrag BAG 10.11.11, NJW-Spezial 12, 52 • Die Zustimmung des AN zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht grds. im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Verpflichtung des AG zur Zahlung einer Abfindung. • Zahlt der AG eine in einem Aufhebungsvertrag geregelte Abfindung nicht, kann der AN grds. gem. § 323 I BGB vom Aufhebungsvertrag zurücktreten. • An der Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs fehlt es, wenn er aus einem noch mit dem Schuldner geschlossenen Aufhebungsvertrag vor Ausübung des Rücktrittsrechts wegen der zwischen Vertragsschluss und Fälligkeit der Abfindung erfolgten Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist und der Insolvenzverwalter deshalb die Zahlung der Abfindung ablehnt. 89 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (1) BAG 21.8.08, NZA 09, 29 • Die gesetzlichen Kündigungstermine des § 622 II BGB sind auch dann einzuhalten, wenn die Kündigung mit einer längeren als der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist ausgesprochen wird. (2) BAG 11.12.08, NZA 09, 692; BAG 28.5.09, NZA 09, 1052 • Wird die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG nicht gewahrt, so wird ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem AN in Anwendung von § 85 II ZPO zugerechnet. (3) BAG 19.2.09, NZA 09, 980 • Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4 S. 4 KSchG ist die Kenntnis des AG von der Schwangerschaft der AN zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. 90 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (4) BAG 12.3.09, NZA 09, 779 • Die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den AN für den Fall, dass der AG einem unberechtigten Verlangen auf Gewährung von Urlaub nicht entsprechen sollte, ist regelmäßig ein wichtiger Grund zur aoK. • Beruft sich der AN darauf, er sei im Zeitpunkt der Ankündigung seiner künftigen Erkrankung bereits objektiv krank gewesen, ist er im Rahmen einer sekundären Behauptungslast gehalten vorzutragen, welche konkreten Krankheiten bzw. Krankheitssymptome im Zeitpunkt der Ankündigung vorgelegen haben und weshalb er darauf schließen durfte, auch noch am Tag der begehrten Freistellung arbeitsunfähig zu sein. (5) BAG 12.3.09, NZA-RR 10, 180 • Ein Krankenpfleger in einer psychiatrischen Klinik begeht eine besonders schwere Pflichtverletzung, wenn er seine Stellung als Pfleger zur Befriedigung seiner geschlechtlichen Wünsche ausnutzt. • Auch der dringende Verdacht einer solchen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. 91 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (6) BAG 26.3.09, NZA 09, 920; BAG 8.10.09, NZA 10, 360 • Der in § 23 I KSchG verwendete Begriff des „Betriebs“ bezeichnet in Deutschland gelegene Betriebe. • Jedenfalls solche im Ausland beschäftigten AN, deren Arbeitsverhältnisse nicht dem deutschen Recht unterliegen, zählen auch dann bei der Berechnung des Schwellenwerts nicht mit, wenn die ausländische Arbeitsstätte mit einer deutschen Arbeitsstätte einen Gemeinschafts-betrieb bildet. • Für die Bestimmung der nach § 23 I KSchG maßgeblichen Beschäftigtenzahl kommt es auf den Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung an, die der Kündigung zu Grunde liegt. (7) BAG 10.12.09, NZA 10, 698 • Grobe Beleidigungen und bewusst wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen gegenüber dem AG können eine aoK rechtfertigen. • Bei der rechtlichen Würdigung sind die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Äußerungen gefallen sind. • Im vertraulichen Gespräch unter Arbeitskollegen gemachte Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrecht und rechtfertigen nicht ohne weiteres eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. 92 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (8) BAG 28.1.10, NZA 10, 625 • Unzureichende Deutschkenntnisse als Kündigungsgrund. (9) BAG 23.2.10, NZA 10, 944 • Eine erneute Anzeige i.S.v. § 18 IV KSchG ist nicht erforderlich, wenn Kündigungen nach einer ersten Anzeige vor Ablauf der Freifrist ausgesprochen werden, das Arbeitsverhältnis wegen langer Kündigungsfrist aber erst nach Ablauf der Freifrist endet. (10) BAG 21.5.08, NZA 08, 753 und BVerfG 25.2.10, NZA 10, 439 • Ob eine nachgereichte Stellungnahme des BR nach § 17 III KSchG europarechtskonform ist, entscheidet der EuGH. • Das BVerfG hat die Entscheidung des BAG wegen Verletzung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 I 2 GG aufgehoben (Nichtvorlage an den EuGH nach Art. 234 EG, jetzt Art. 267 III AEUV). 93 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (11) BAG 10.6.10 „Emmely“, NZA 10, 1227 • Ein vorsätzlicher Verstoß des AN gegen seine Vertragspflicht kann eine fristlose Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn nur ein Bagatelldelikt zu Grunde liegt. • Umgekehrt ist nicht jede unmittelbar gegen die Vermögensinteressen des AG gerichtete Vertragspflichtverletzung ohne weiteres ein Kündigungsgrund. • Ob ein wichtiger Grund i.S.d. § 26 I BGB vorliegt, muss „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“ beurteilt werden. (12) BAG 1.9.10, NZA 10, 1409 • Bei einer ordentlichen AG-Kündigung muss der AN die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der Drei-Wochen-Frist nach § 4 KSchG geltend machen, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Ø Achtung: BAG 15.12.05, NZA 06, 791 geht davon aus, dass eine ordentliche Kündigung in aller Regel dahin auszulegen ist, dass sie das Arbeitsverhältnis zum zutreffenden Termin beenden soll. Ø Dringende Empfehlung: „Wir kündigen Ihnen ordentlich zum …, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt.“ 94 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (13) BAG 30.9.10, NZA 11, 39 • Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 II SGB IX ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung i.S.v. § 93 SGB IX (BR, Personalrat usw.) gebildet ist. (14) BAG 28.10.10, NJW-Spezial 11, 84 • Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG verstößt nicht gegen Art. 3 GG. (15) BAG 24.2.11, NZA 11, 1087 • • Weigert sich ein AN aus religiösen Gründen, eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, kann dies eine Kündigung durch den AG rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass keine naheliegenden anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. 95 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (16) BAG 9.6.11, NZA 11, 1342 • Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 IV AGG stellt nach § 7 III AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 I BGB geeignet. • Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur aoK berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, u.a. von ihrem Umfang und ihrer Intensität. • Eine sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Vorsätzliches Verhalten der für dieses Ergebnis objektiv verantwortlichen Person ist nicht erforderlich. • Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit in § 3 IV AGG erfordert nicht, dass die betroffene Person ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war. • Die nach § 626 I BGB erforderliche Interessenabwägung hat unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. 96 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (16) BAG 9.6.11, Forts. • Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 III AGG. Danach hat der AG im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen. • Geeignet sind nur Maßnahmen, von den der AG annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, d.h. eine Wiederholungsgefahr ausschließen. Ø Ø Ø Ø Ø Der Kl. war schon einmal abgemahnt worden, weil er eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt hatte. 9 Monate später belästigte er eine andere Mitarbeiterin mit unakzeptablen sexistischen Bemerkungen: „Warum hast Du denn keinen Minirock an, wenn Du auf die Leiter steigst; dies hätte ich von Dir doch erwartet.“ Etwas später meinte er, nachdem sie sich einen Aluzollstock ausgeliehen hatte: „Der ist so hart und dick wie meiner.“ Dann „erkundigte“ er sich beim Essen in der „Ess-Bar“, ob sie noch nie Sex beim Essen gehabt hätte und fügte hinzu: „Du kannst auch Sex von mir haben.“ Das ging dem AG zu weit und er kündigte auch nach Ansicht des BAG zu Recht fristlos. 97 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (17) BAG 8.9.11, NJW 12, 1099 • Der Abschluss einer nach katholischem Verständnis ungültigen Ehe kommt für leitende katholische AN einer kirchlichen Einrichtung als Loyalitätsverstoß in Betracht. • Wird eine Kündigung hierauf gestützt, muss die gebotene Abwägung der Interessen das Selbstverständnis der Kirchen und das Recht des AN auf Achtung seines Privat- und Familienlebens ausreichend berücksichtigen. Die Abwägung kann zu Gunsten des AN ausfallen. • Eine mit der Kündigung einhergehende Benachteiligung wegen der Religion ist regelmäßig nach § 9 II AGG gerechtfertigt. Ø Die Abwägung ging zu Gunsten des AN aus, weil der AG auch nichtkatholische Chefärzte beschäftigte, die erneut geheiratet hatten. Außerdem hatte der AG das ehelose Zusammenleben des AN hingenommen. Ø Und weiter meint das Gericht, das Recht des AN auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 I GG), auf Schutz der Ehe (Art. 4 I GG) sowie auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK), habe der AN das Recht, eine 2. Ehe einzugehen. 98 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (18) BAG 21.3.12, NZA 12, 1058 • Beabsichtigt der AG Massenentlassungen, muss er gem. § 17 II KSchG vor Erklärung der Kündigungen den BR unterrichten. • Nimmt der BR hierzu Stellung, muss der AG gem. § 17 III 2 KSchG seiner Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit diese Stellungnahme beifügen. • Ist die Stellungnahme in einen der Massenentlassungsanzeige beigefügten Interessenausgleich integriert, ist der gesetzlichen Anforderung genügt. Einer separaten Stellungnahme in einem eigenständigen Dokument bedarf es nicht. 99 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (19) BAG 19.4.12, NZA-RR 12, 567 • Ein schwerwiegender Verstoß eines AN gegen seine vertragliche Nebenpflicht, die Privatsphäre und den deutlichen Wunsch einer Arbeitskollegin zu respektieren, nicht dienstliche Kontaktaufnahmen mit ihr zu unterlassen, kann die aoK des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (sog. „Stalking“). • Ob es zuvor einer einschlägigen Abmahnung bedarf, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. • Die Sache ist aufgehoben und an das LAG, das der Klage stattgegeben hatte, zurückverwiesen. Das LAG muss nun prüfen, ob auf Grund eines vorausgegangenen Verfahrens vor der Beschwerdestelle nach § 13 AGG und der übrigen Umstände eine Abmahnung entbehrlich war. 100 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (20) BAG 21.6.12, NZA 12, 1025 (vgl. dazu Bauer/Schansker, NJW 12, 3537) • Führt eine verdeckte Videoüberwachung zur Überführung eines Täters, kann das gewonnene Beweismaterial im Bestreitensfall prozessual nicht ohne weiteres verwertet werden. • Das Interesse des AG soll gegenüber dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des AN nur dann höheres Gewicht haben, wenn die Art der Informationsbeschaffung trotz der mit ihr verbundenen Persönlichkeitsbeeinträchtigung als schutzbedürftig zu qualifizieren ist. • Das Interesse des AG überwiegt, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des AG besteht und es keine Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen gibt und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. • Das aus einer verdeckten Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze gewonnene Beweismaterial unterliegt nicht allein deshalb einem prozessualen Beweisverwertungsverbot, weil es unter Verstoß gegen das Gebot in § 6 b II BDSG gewonnen wurde. Danach sind bei Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen kenntlich zu machen. 101 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (21) BAG 28.6.12, NZA 12, 1029 • Begeht der AG bei der Erstattung einer nach § 17 KSchG erforderlichen Massenentlassungsanzeige Fehler, werden diese durch einen bestandskräftigen Bescheid der Agentur für Arbeit nach §§ 18, 20 KSchG nicht geheilt. Die ArbG sind durch einen solchen Bescheid nicht gehindert, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen). 102 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (22) BAG 6.9.12, NZA 13, 1448 • AN des öffentlichen Dienstes müssen ein bestimmtes Maß an Verfassungstreue aufbringen. • Welchen Anforderungen diese AN unterliegen, richtet sich nach ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit und der Aufgabenstellung des öffentlichen AG. • Mitgliedschaft in und Aktivitäten für die NPD oder ihre Jugendorganisation stehen regelmäßig nicht schon als solche einer Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst entgegen, selbst wenn man die Verfassungsfeindlichkeit der Organisationen unterstellt. • Auch im öffentlichen Dienst Beschäftigte, die keiner „gesteigerten“, beamtenähnlichen Loyalitätspflicht unterliegen, dürfen nicht davon ausgehen, den Staat oder die Verfassung und deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Aktivitäten dieser Art können ein Grund für eine Kündigung liefern. Ø Fraglich ist, welche Maßstäbe für private Unternehmen gelten, die im öffentlichen Fokus stehen. 103 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (23) BAG 20.9.12, NZA 13, 32 • Beabsichtigt der AG Massenentlassungen, hat er den BR nach § 17 II 1 KSchG schriftlich u.a. über die Gründe für die geplanten Entlassungen zu unterrichten. • Ob die Unterrichtung der Schriftform i.S.v. § 126 BGB bedarf, bleibt offen. • Hat der AG die von § 17 II 1 KSchG geforderten Angaben in einem nicht unterzeichneten Text dokumentiert und diesen dem BR zugeleitet, heilt die abschließende Stellungnahme des BR zu den Entlassungen den eventuellen Schriftformverstoß. 104 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (24) LAG Hamm 10.10.12 – 5 Sa 451/12 • Der 27-jährige Kl. hatte auf seinem Facebook-Profil unter dem Punkt „Arbeitgeber“ folgenden Eintrag getätigt: „Menschenschinder & Ausbeuter, Leibeigener o Bochum, daemliche Scheiße fuer Mindestlohn – 20% erledigen.“ • Der Ausbilder kündigte dem Kl. daraufhin fristlos. Nachdem das ArbG die Kündigung mangels vorangegangener Abmahnung angesichts des Alters (!) des Kl. und seiner noch unreifen Persönlichkeit als unangemessen wertete, hatte die Berufung vor dem LAG Erfolg. • Der Kündigung steht insbesondere nicht das Alter des Kl. entgegen. 105 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (25) BAG 25.4.13, NZA 13, 1131 • Der Austritt eines altersgesicherten Mitarbeiters einer vom Caritasverband getragenen Kinderbetreuungsstätte aus der katholischen Kirche rechtfertigt die aoK des Arbeitsverhältnisses. • Dabei ist unerheblich, dass die betreuten Kinder auch einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft angehören können und religiöse Inhalte nicht vermittelt werden. Ø Die Sache wäre möglicherweise anders ausgegangen, wenn es sich beim Kl. nicht um einen Sozialpädagogen, sondern um einen nicht im „verkündungsnahen“ Bereich eingesetzten Mitarbeiter (z.B. Putzkraft) gehandelt hätte. 106 Jobst-Hubertus Bauer III. Kündigungsschutz 6. Neuere Entscheidungen (26) BAG 16.4.14, NZA 14, 1082 • Ein AG kommt trotz Nichtannahme der Arbeitsleistung nicht in Annahmeverzug, wenn sich der AN so verhält, dass der AG nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Leistung zu Recht ablehnt. • Die kann der Fall sein, wenn bei Annahme der angebotenen Dienste strafrechtlich geschützte Interessen des AG, seiner Angehörigen oder anderer Betriebsangehöriger unmittelbar und nachhaltig so gefährdet werden, dass die Abwehr dieser Gefährdung Vorrang vor dem Interesse des AN an der Erhaltung seines Verdienstes haben muss. • Es ist auf die objektive Rechtswidrigkeit des Verhaltens des AN abzustellen; Verschulden ist nicht erforderlich. Es muss ein ungewöhnlich schwerer Verstoß gegen allgemeine Verhaltenspflichten vorliegen, der den AG schlechterdings berechtigt, die Dienste abzulehnen. 107 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 1. Befristung aus Sachgrund (1) BAG 21.1.09, NZA 09, 727 • • Die Befristung eines Arbeitsvertrags aus in der Person des AN liegenden Gründen kann nach § 14 I 2 Nr. 6 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein, wenn das Interesse des AG, aus sozialen Erwägungen mit dem betreffenden AN nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, auch angesichts des Interesses des AN an einer unbefristeten Beschäftigung schutzwürdig ist. Das ist der Fall, wenn es ohne den in der Person des AN begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags gekommen wäre. (2) BAG 25.3.09, NZA 10, 34 • Der Sachgrund nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG (Vertretung) wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der AN wiederholt zur Vertretung desselben vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten AN befristet beschäftigt wird. 108 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 1. Befristung aus Sachgrund (3) EuGH 12.10.10 „Rosenbladt“, NZA 10, 1167 • Altersgrenzen bezogen auf die gesetzliche Regelaltersrente sind europarechtskonform (Bestätigung von EuGH 16.10.07 „Palacios de la Villa“, NZA 07, 1219; vgl. auch BAG 16.6.08, NZA 08, 1302). Das gilt m.E. unabhängig davon, ob es sich um eine tarifliche oder einzelvertragliche Regelung handelt. Ø Bei einer solchen Altersgrenze handelt es sich um eine Sachgrundbefristung i.S.d. § 14 I TzBfG. (4) BAG 27.10.10, NZA-RR 11, 272 • Ersuchen des EuGH um Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit von § 14 I 2 Nr. 7 TzBfG mit dem europäischen Unionsrecht (vgl. auch BAG 9.3.11, NZA 11, 911). Ø Das Vorabentscheidungsverfahren hat sich allerdings erledigt, weil die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben (BAG 10.3.11 – 7 AZR 485/09). 109 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 1. Befristung aus Sachgrund (5) EuGH 26.1.12 „Kücük“, NZA 12, 135 • Vorübergehender Bedarf an Vertretungskräften ist grds. ein sachlicher Grund i.S.d § 5 Nr. 1 a Rahmenvereinbarung / RL 1999/70/EG. • Der AG darf wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgreifen. • Allerdings müssen die nationalen Gerichte die Umstände des Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der Befristungen in der Vergangenheit bei der Frage berücksichtigen, ob die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. (6) BAG 18.7.12, NZA 12, 1351 • Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds der Vertretung beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, alle Umstände des Einzelfalls und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass AG missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs 110 (§ 242 BGB) vorzunehmen. Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 1. Befristung aus Sachgrund (7) BAG 18.7.12, NZA 12, 1359 (Parallelsache zu 7 AZR 443/09) • Der 7. Senat hat die Befristungskontrollklage abgewiesen. Hier war die Kl. vom 1.3.02 – 30.11.09 aufgrund von vier jeweils befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. 111 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 2. Sachgrundlose Befristung (1) BAG 23.8.06, NZA 07, 204 • Die Verlängerung eines nach § 14 II 1 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags setzt voraus, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags in schriftlicher Form getroffen wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt. Ø Völlig unverständliche Entscheidung. Der AG hatte Verlängerungsvertrag rechtzeitig abgeschlossen, aber Stundenlohn um EUR 0,50 erhöht!! (2) BAG 18.10.06, NZA 07, 443 • Die Überlassung eines AN an seinen vormaligen Vertragsarbeitgeber, bei dem er zuvor zwei Jahre sachgrundlos beschäftigt war, führt nicht zur Unwirksamkeit der anschließend mit dem Verleiher i.S.d. § 1 AÜG nach § 14 II TzBfG vereinbarten sachgrundlosen Befristung. 112 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 2. Sachgrundlose Befristung (3) BAG 16.1.08, NZA 08, 701 • • Die Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags setzt voraus, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags in schriftlicher Form vereinbart wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt. Allerdings können die Parteien anlässlich der Verlängerung Anpassungen des Vertragstextes an die zum Zeitpunkt der Verlängerung geltende Rechtslage vornehmen oder Arbeitsbedingungen vereinbaren, auf die der befristet beschäftigte AN einen Anspruch hat. (4) BAG 20.2.08, NZA 08, 883 • Eine Verlängerung i.S.d. § 14 II 1 TzBfG liegt nicht vor, wenn im Ausgangsvertrag ein ordentliches Kündigungsrecht vereinbart wird, das in dem nachfolgend abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag nicht mehr enthalten ist. 113 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 2. Sachgrundlose Befristung (5) BAG 13.8.08, NZA 09, 27 • Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz begründet keinen Anspruch eines AN auf Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nach § 14 II TzBfG. (6) BAG 12.8.09, ArbRB 09, 359 • • Einer Verlängerung i.S.d. § 14 II 1 TzBfG steht nicht entgegen, dass die Parteien die Vertragsbedingungen an die zum Zeitpunkt der Verlängerung geltende Rechtslage anpassen oder dass sie die Arbeitsbedingungen vereinbaren, auf die der befristet beschäftigte AN einen Anspruch hat. Wird im Arbeitsvertrag ein Sachgrund für die Befristung angegeben, rechtfertigt dies nicht ohne weiteres die Annahme, dass die Befristungsmöglichkeit nach § 14 II TzBfG abbedungen werden soll. Dies gilt auch dann, wenn die vorangegangenen Arbeitsverträge im Gegensatz zum neu geschlossenen Arbeitsvertrag ausdrücklich auf der Grundlage des § 14 II TzBfG befristet waren. 114 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 2. Sachgrundlose Befristung (7) BAG 6.4.11, NZA 11, 905 • Der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahren zu befristen, steht eine frühere Beschäftigung des AN nicht entgegen, wenn diese mehr als drei Jahre zurückliegt. • Dieser Zeitraum entspricht der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt. Ø Ø Ø Ø Dieses Ergebnis ist an sich wünschenswert; dennoch stellt sich die Frage, ob das BAG so urteilen durfte („contra legem“?; vgl. Höpfner, NZA 11, 893; Rüthers, NJW 11, 1856). Die Instanzgerichte folgen teilweise dem BAG nicht! Inzwischen ist das Problem beim BVerfG angelangt. Gesetzgeber an sich gefordert, tut aber nichts. (8) BAG 21.9.11, NZA 12, 255 • Bestätigung von BAG 6.4.11. • Zusätzlich: 35 Jahre zurückliegendes Berufsausbildungsverhältnis ist keine Vorbeschäftigung i.S.d. § 14 II 2 TzBfG. 115 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 2. Sachgrundlose Befristung (9) BAG 25.6.14, BB 14, 2548 • • Auch Arbeitsverträge mit Betriebsratsmitgliedern können nach Maßgabe von § 14 II TzBfG wirksam ohne Sachgrund befristet werden. Die aufgrund der Betriebsratstätigkeit erfolgte Weigerung des AG, nach Ablauf der Befristung mit dem Betriebsratsmitglied einen Anschlussvertrag abzuschließen, benachteiligt das Betriebsratsmitglied unzulässig i.S.v. § 78 S.2 BetrVG. In einem solchen Fall hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Folgevertrags. 116 Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 3. Schriftform (1) BAG 12.8.09, ArbRB 09, 359 • Findet sich der AN zur Unterzeichnung an der Arbeitsstelle ein und unterschreibt er dort nach einer Wartezeit, aber vor Aufnahme der Arbeit, entsteht das Arbeitsverhältnis erst mit Unterzeichnung. (2) BAG 16.4.08, NZA 08, 1184 • Eine nur mündlich vereinbarte Befristung ist nach § 14 IV TzBfG, § 125 S. 1 BGB nichtig, so dass bei Vertragsbeginn nach § 16 S. 1 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Die spätere schriftliche Niederlegung der zunächst nur mündlich vereinbarten Befristung führt nicht dazu, dass die zunächst formnichtige Befristung rückwirkend wirksam wird. • Der AG kann den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Unterzeichnung einer Vertragsurkunde durch den AN abhängig machen. Ein ihm gegenüber bis zur Arbeitsaufnahme abgegebenes schriftliches Vertragsangebot kann der AN regelmäßig nur durch eine den Anforderungen des § 126 II BGB genügende Annahmeerklärung annehmen. • Der AG macht sein Angebot von einer schriftlichen Annahmeerklärung des AN abhängig, wenn der dem AN – ohne vorangegangene Absprache – ein von ihm bereits unterschriebenes Vertragsformular mit der Bitte um Unterzeichnung 117 übersendet. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer IV. Fallstricke des Befristungsrechts 3. Schriftform (2) BAG 16.4.08 (Forts.) • Hat der AG den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses abhängig gemacht, kann der AN ein ihm vorliegendes schriftliches Vertragsangebot nicht durch die Arbeitsaufnahme konkludent, sondern nur durch die Unterzeichnung der Vertragsurkunde annehmen. Ø Leider enthält die Entscheidung keine Aussage, ob es sich bei dem zunächst entstandenen faktischen Arbeitsverhältnis um ein ZuvorArbeitsverhältnis i.S.d. § 14 II TzBfG handelt. Das ist m.E. nicht der Fall! 4. § 14 III TzBfG a.F. 5. • BVerfG 6.7.10, NZA 10, 995; BAG 26.4.06, NZA 06, 1162 Eine ultra-vires-Kontrolle durch das BVerfG setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln des EuGH offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zu Lasten der Mitgliedsstaaten führt. 118 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 1. Grundlagen • Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien (u.a. RL 2000/43/EG vom 29.6.00 und RL 2000/78/EG vom 27.11.00), Umsetzungsfrist teilweise bereits seit langem abgelaufen. • Ziel: Schutz vor Diskriminierung im Arbeitsleben und in bestimmten Bereichen des Zivilrechts (u.a. „Massengeschäfte“, privatrechtliche Versicherungen). • Zusammenfassung aller Vorschriften im AGG (z.B. Streichung der §§ 611 a, 611 b und § 612 III BGB; § 81 II SGB IX; BeschäftigtenschutzG). • Inkrafttreten: 18.8.06 119 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 2. Acht Diskriminierungsmerkmale (§ 1 AGG) • Rasse • Ethnische Herkunft • Geschlecht • Religion • Weltanschauung • Behinderung • Alter • sexuelle Identität 120 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 3. Persönlicher Geltungsbereich • Geschützter Personenkreis (§ 6 AGG): „Beschäftigte“ Ø Ø Ø Ø Ø Arbeitnehmer Auszubildende Arbeitnehmerähnliche Personen/Heimarbeiter Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Ehemalige Beschäftigte Þ aber: Bereichsausnahme für die betriebliche Altersversorgung (§ 2 II 2 AGG) 121 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 3. Persönlicher Geltungsbereich • Die Benachteiligungsverbote gelten „entsprechend“: – für Selbständige (also auch freie Mitarbeiter) und vertretungsberechtigte Organmitglieder, „soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft“ (§ 6 III AGG; vgl. dazu BGH 23.4.12, DB 12, 1499). Achtung: Organmitglieder sind aber u.U. AN i.S.d. Richtlinien und des AGG (vgl. EuGH 11.11.10 „Danosa“, NZA 11, 143). • Verpflichtete nach dem AGG: – Grds. allein der AG. – Bei Arbeitnehmerüberlassung ist auch der Entleiher AG (§ 6 II AGG). – Kein direkter Anspruch nach AGG gegen den „diskriminierenden Beschäftigten“. 122 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 4. Sachlicher Geltungsbereich (§ 2 AGG) • Begründung von Arbeitsverhältnissen: – – • Durchführung von Arbeitsverhältnissen: – • komplettes Einstellungsverfahren für Stellenanzeigen gilt das Neutralitätsgebot (§ 11 AGG) auch Beförderungsbedingungen Beendigung von Arbeitsverhältnissen: – zum Sonderproblem der Kündigung siehe später 123 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 5. Benachteiligungsverbot • Benachteiligungsverbot des § 7 I als zentrale Norm des AGG: „Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.“ • Keine unzulässige Ungleichbehandlung bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes. 124 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 6. Diskriminierungsmerkmal „Alter“ • Das Alter ist das Diskriminierungsmerkmal, das die größten Auswirkungen auf das nationale Recht hat. • Beachte: Geschützt ist sowohl „altes Alter“ als auch „junges Alter“. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung und aus § 10 III Nr. 2 AGG. • Differenzierung nach Alter war früher gang und gäbe: Altersgrenzen, Sozialauswahl, Gehaltsstufen, Sozialplanabfindungen etc. 125 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 8. Verbotene Verhaltensweisen • Unmittelbare Benachteiligung (§ 3 I AGG): „Weniger günstige Behandlung als andere Person in vergleichbarer Situation“. • Mittelbare Benachteiligung (§ 3 II AGG): „Anwendung dem Anschein nach neutraler Vorschriften führt zu Benachteiligung“. • Belästigung (§ 3 III AGG) • Sexuelle Belästigung (§ 3 IV AGG) • Anweisung zur Benachteiligung (§ 3 V AGG) 126 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 9. Allgemeine Rechtfertigung wegen beruflicher Anforderungen (§ 8 AGG) • Einheitlicher Rechtfertigungsgrund für alle Diskriminierungsmerkmale. • Voraussetzung für Rechtfertigung: „Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“. • Sehr enge Auslegung dieses Rechtfertigungsgrundes (EuGH). 127 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 10. Spezielle Rechtfertigung für Ungleichbehandlung wegen Alters (§ 10 AGG) • Generalklausel in § 10 Satz 1 und 2 AGG: Unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist zulässig, „wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist“. • Ausführlicher Beispielskatalog ist nicht abschließend („insbesondere“): Altersgrenze bei Einstellung und Beendigung, [Sozialauswahl, tarifvertragliche Unkündbarkeit,] Differenzierung in Sozialplänen. 128 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 11. Überblick über die Rechtsfolgen • Nichtigkeitsfolge (§ 7 II AGG) • Beschwerderecht (§ 13 AGG) und Maßregelungsverbot (§ 16 AGG) • Leistungsverweigerungsrecht bei Belästigung (§ 14 AGG) • Schadensersatz und Entschädigung (§ 15 AGG) • Unterlassungsanspruch des Betriebsrats/einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (§ 17 II AGG) 129 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 12. Schadensersatz und Entschädigung Ø Schadensersatz (§ 15 I AGG): – – – – Ø Ersatz für nachgewiesenen Schaden setzt Verschulden voraus keine Obergrenze kein Einstellungs- oder Beförderungsanspruch (§ 15 VI AGG) Entschädigung (§ 15 II AGG): – – – – „Schmerzensgeld“ für diskriminierendes Verhalten setzt kein Verschulden voraus (EuGH) maximal drei Monatsgehälter, wenn Bewerber auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre sonst keine Obergrenze („amerikanische Verhältnisse“?) 130 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 13. Haftung des AG • Verhalten von Vorständen/Geschäftsführern (§ 31 BGB). • Verhalten von Vorgesetzten bei Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen (§ 278 BGB). • Verhalten von Beschäftigten untereinander ohne Vorgesetztenfunktion? Nur wenn nicht ausreichend geschult! Ø Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei Anwendung von BV und TV! 131 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 14. Organisations- und Handlungspflichten des AG (§ 12 AGG) • AG muss präventive und repressive Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten treffen. • Präventive „Pflichten“ nach § 12 II und V AGG: – Aushang des AGG im Betrieb. – Schulung der Beschäftigten zur Vermeidung von Benachteiligung. Ø Schulung befreit von Haftung bei „Erstverstoß“ („Training Defense“)! 132 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 14. Organisations- und Handlungspflichten des AG (§ 12 AGG) • Reaktionspflichten nach § 12 III und IV AGG: – bei Verstoß durch Beschäftigten: Einzelmaßnahme (z.B. Ermahnung, Abmahnung, Versetzung, Kündigung etc.) – bei Verstoß durch Dritten (z.B. Kunde): „Angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten“? Ø • Angemessene Reaktion befreit von Haftung bei „Zweitverstoß“! Mögliches Mitbestimmungsrecht des BR gem. §§ 87 I Nr. 1, 98 BetrVG beachten. 133 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 15. Sonderproblem: AGG und Kündigungen • Anwendung des AGG bei diskriminierenden Kündigungen: – § 2 IV AGG: „Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“. – Richtlinienkonforme Auslegung notwendig? Vgl. BAG 6.11.08, NZA 09, 361: Die Diskriminierungsverbote sind im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigungen zu beachten. Dem steht § 2 IV AGG nicht entgegen. – § 2 IV AGG schließt Entschädigungsansprüche nach § 15 II AGG bei diskriminierenden Kündigungen nicht aus (BAG 12.12.13, NZA 14, 722; BAG 19.12.13, NZA 14, 373). • Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl? 134 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 16. Beweislastverteilung (§ 22 AGG) • Abgestufte Beweislastverteilung: (1) Der AN muss Indizien beweisen, die eine verbotene Benachteiligung vermuten lassen. Beispiele: Diskriminierende Stellenanzeige, Frage nach Diskriminierungsmerkmal bei Einstellung etc. (2) Gelingt ihm dies, muss der AG nachweisen, dass keine verbotene Benachteiligung vorliegt oder dass die Benachteiligung gerechtfertigt ist. (3) Bloße Statistik kann kein Indiz begründen (vgl. „GEMA“-Fall, LAG BerlinBrandenburg 26.11.08, AuA 09, 120 und nachfolgend BAG 22.7.10, NZA 11, 93). 135 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 17. Ausschlussfrist • Zweistufige Ausschlussfrist für Schadensersatz und Entschädigung: – schriftliche Geltendmachung innerhalb von 2 Monaten (§ 15 IV AGG). Vgl. dazu BAG 15.3.12, BB 12, 831: Frist beginnt mit Kenntnis der Benachteiligung. – Klage vor Gericht innerhalb von 3 Monaten nach schriftlicher Geltendmachung (§ 61 b I ArbGG). 136 Jobst-Hubertus Bauer V. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 18. Auskunftsanspruch bei erfolgloser Bewerbung? • Nach Auffassung des EuGH (19.4.12 „Galina Meister“, NZA 12, 493) sind die Antidiskriminierungsrichtlinien dahingehend auszulegen, dass sie für einen AN, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenbeschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der AG am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat. • Die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten kann aber ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. • Es soll Sache des vorlegenden Gerichts sein, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob eine solche Vermutung vorliegt. 137 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (1) BAG 24.4.08, NZA 08, 1351; BAG 27.1.11, NZA 11, 689 • • Bewirbt sich eine schwangere AN um eine Stelle und besetzt der AG die Stelle mit einem männlichen Mitbewerber, so hat die AN eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann glaubhaft gemacht, wenn sie außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vorträgt, welche eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen. U.U. genügt schon der „Trost“ bei der Mitteilung ihrer Nichtberücksichtigung: „Freuen Sie sich doch auf Ihr Kind.“ (2) LAG Hamm 26.6.08, LAGE § 15 AGG Nr. 5 • Wird eine Stelle altersdiskriminierend ausgeschrieben und bewirbt sich ein älterer AN erfolglos, scheidet dennoch ein Entschädigungsanspruch aus, wenn er trotz erteilter gerichtlicher Auflagen nicht dazu vorträgt, auf welche weiteren Stellen er sich beworben hat. 138 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (3) BAG 6.11.08, NZA 09, 361; BAG 12.3.09, NZA 09, 1023; BAG 13.10.09, NZA 10, 327 • Zur Berücksichtigung des Lebensalters bei Sozialauswahl und Altersgruppen-Bildung (§ 1 III KSchG). Ø Wirklich europafest? (4) LAG Berlin-Brandenburg 26.11.08, NZA 09, 43 nicht rechtskräftig; aufgehoben durch BAG 22.7.10, NZA 11, 93 • Materieller Schadensersatz gem. § 15 I AGG umfasst die gesamte gegenwärtige und künftige Differenz zwischen der tatsächlich erhaltenen und der Vergütung, die auf der höherwertigen Stelle gezahlt wird (sehr fraglich!). 139 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (5) BAG 14.1.09, NZA 09, 489 • Überlebende einer eingetragenen Lebenspartnerschaft haben auf Grund des AGG und der im Arbeitsrecht allgemein geltenden Pflicht zur Gleichbehandlung Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn für Ehegatten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine dahingehende Zusage besteht (im Ergebnis ebenso BVerfG 7.7.09, NJW 10, 1439 und BGH 7.7.10, ArbRB 10, 274 und 14.2.07, NJW-RR 07, 1441; vgl. aber auch BVerfG 6.5.08, NJW 08, 2325 zum beamtenrechtlichen Familienzuschlag). (6) BAG 21.7.09, NZA 09, 1087 • • Der öffentliche AG hat den schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht besteht nur dann nicht, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt (§ 82 S. 2, 3 SGB IX). Unterbliebene Einladung = Indiz für Benachteiligung (§ 22 AGG). 140 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (7) BAG 18.8.09, NZA 10, 222 • • • • Die Begrenzung einer internen Stellenausschreibung auf AN im 1. Berufsjahr kann eine nach § 3 II AGG unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein. Eine solche Beschränkung ist nur gerechtfertigt, wenn der AG mit ihr ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und sie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Allein die Berufung auf Kostengesichtspunkte (vom AG vorgegebenes Personalbudget) ist offensichtlich ungeeignet, den Bewerberkreis von vornherein auf jüngere Beschäftigte zu begrenzen. Wenn ein grober Verstoß des AG vorliegt, kann der BR Unterlassung nach § 17 II AGG verlangen. 141 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (8) BAG 17.12.09, NZA 10, 383 • Die ungerechtfertigte Benachteiligung eines Beschäftigten ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 7 I, 2. Hs. AGG auch dann untersagt, wenn der Benachteiligende ein Diskriminierungsmerkmal nach § 1 AGG nur annimmt. • Die in einem Bewerbungsgespräch gestellten Fragen nach näher bezeichneten gesundheitlichen Beeinträchtigungen können je nach den Einzelfallumständen darauf schließen lassen, dass der Fragensteller eine Behinderung mutmaßt. • Bedient sich der AG bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter, so ist ihm deren Verhalten i.d.R. zuzurechnen. (9) EuGH 19.1.10 „Kücükdeveci“, NZA 10, 85 • § 622 II 2 BGB ist europarechtswidrig wegen Diskriminierung jüngerer AN. • Die nationalen Gerichte dürfen die Vorschrift nicht mehr anwenden. (10) BAG 28.1.10, NZA 10, 625 • Verlangt der AG von seinen AN Kenntnisse der deutschen Schriftsprache, damit sie schriftliche Arbeitsanweisungen verstehen und die betrieblichen Aufgaben so gut wie möglich erledigen können, so verfolgt er ein sachlich gerechtfertigtes Ziel i.S.d. § 3 II AGG. Jobst-Hubertus Bauer 142 VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (11) BAG 25.2.10, NZA 10, 561 • • Nimmt der AG die bei ihm beschäftigten über 55-jährigen AN aus dem Personenkreis aus, dem er im Rahmen einer Personalabbaumaßnahme den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Abfindungen anbietet, liegt darin keine Diskriminierung wegen Alters. Es fehlt bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung wegen Alters i.S.v. § 3 I 1 AGG. Den älteren AN bleibt ihr Arbeitsplatz erhalten; sie werden deshalb nicht weniger günstig als die jüngeren AN behandelt, die ihren Arbeitsplatz – wenn auch unter Zahlung einer Abfindung – verlieren. (12) ArbG Stuttgart 15.4.10, NZA-RR 10, 344: „Ossis“ keine Ethnie! 143 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (13) BAG 20.4.10, NZA 11, 1092 • Eine Versorgungszusage kann den Anspruch auf Witwen-/Witwerversorgung davon abhängig machen, dass die Ehe vor dem (vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. • Das steht weder im Widerspruch zu Art. 6 I GG noch zur gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmung des § 1 b BetrVG. Und es liegt auch keine unzulässige Benachteiligung/Diskriminierung wegen des Alters oder des Geschlechts vor. • Das Ziel des AG, seine Leistungspflichten auf Risiken zu begrenzen, die bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt waren, ist ein rechtmäßiges Ziel i.S.d. § 3 II AGG. (14) EuGH 8.7.10 „Bulicke“, NZA 10, 869 • § 15 IV AGG, nach dem Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung wegen einer verbotenen Benachteiligung innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen sind, ist mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar. • Die Vorschrift ist allerdings richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Frist im Fall einer Bewerbung oder Beförderung erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Beschäftigte von der behaupteten Diskriminierung Kenntnis erlangt. 144 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (15) BAG 22.7.10, NZA 11, 93 • Statistische Daten können im Grundsatz ein Indiz für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung im Rahmen des § 22 AGG sein, wenn sie im Bezugspunkt der konkreten (Einstellung, Beförderung) aussagekräftig sind. • Die Geschlechterverteilung in der Gesamtbelegschaft im Verhältnis zu der Geschlechterverteilung in Führungspositionen hat keinen entsprechenden Aussagewert, denn diese Statistik sagt nichts über die Frage der Qualifikation für und die Anzahl von Bewerbungen auf Führungspositionen aus (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 12.2.09, NZA-RR 09, 357). (16) BAG 19.8.10, NZA 11, 200 • Eine Benachteiligung im Bewerbungsverfahren setzt grds. voraus, dass die Bewerbung um die Stelle schon im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung vorlag. (17) BAG 19.8.10, NZA 11, 203 (vgl. auch BAG 18.3.10, NZA 10, 1129) • Die unmittelbare Benachteiligung wegen eines vom AGG verpönten Merkmals muss in vergleichbarer Situation geschehen. 145 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (18) Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Altersgrenzen bezogen auf gesetzliche Regelaltersrente sind nicht europarechtswidrig (EuGH 16.10.07 „Palacios“, NZA 07, 1219; EuGH 12.10.10 „Rosenbladt“, NZA 10, 1167 auf Vorlage von ArbG Hamburg 20.1.09 – 21 Ca 235/08). (19) BAG 12.4.11, NZA 11, 988 • • AG und BR dürfen bei der Bemessung der Abfindungshöhe in einem Sozialplan gem. § 10 S. 3 Nr. 6 AGG Altersstufen bilden, weil ältere AN auf dem Arbeitsmarkt typischerweise größere Schwierigkeiten haben, eine Anschlussbeschäftigung zu finden, als jüngere. Die konkrete Ausgestaltung der Altersstufen im Sozialplan unterliegt nach § 10 S. 2 AGG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung: Sie muss geeignet und erforderlich sein, das von § 10 S. 3 Nr. 6 AGG verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten Altersgruppen nicht unangemessen vernachlässigen. 146 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (20) BAG 22.6.11, NZA 11, 1226 • Ein AN wird nicht dadurch diskriminiert, dass er von seinem AG aufgefordert wird, an einem Deutschkurs teilzunehmen, um arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse zu erwerben. Ø Das Verlangen von Deutschkenntnissen knüpft lediglich mittelbar an das Merkmal „ethnische Herkunft“ an. Ø Eine solche mittelbare Anknüpfung ist gerechtfertigt, wenn die verlangten Deutschkenntnisse für den Arbeitsplatz „erforderlich“ sind. Dabei ist dem AG m.E. kein grenzenloser, aber dennoch ein vernünftiger Beurteilungsspielraum einzuräumen. (21) EuGH 13.9.11 „Prigge u.a.“, NZA 11, 1039 • Eine tarifvertragliche Regelung, die für Piloten eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 60 Jahren vorsieht, während nationales und internationales Recht dafür eine Altersgrenze von 65 bestimmt, ist altersdiskriminierend. Ø Warum es den Tarifvertragsparteien verwehrt sein soll, strengere Sicherheitsmaßstäbe anzulegen, überzeugt nicht. Ø Fraglich ist, ob der EuGH auch eine gesetzliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten verworfen hätte. Ø Und fraglich ist, wie europarechtlich die nationale Altersgrenze von 60 Jahren 147 bei Polizisten und Feuerwehrleuten zu beurteilen ist. Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (22) BAG 13.10.11, BB 12, 1024 • Verstößt der AG gegen die in § 81 I 1 und 2 SGB IX geregelte Pflicht zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, und frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen, begründet dies ein Indiz für eine verbotene Benachteiligung bei der Stellenbesetzung. • Das gilt auch gegenüber Bewerbern, die ihre bestehende Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren nicht offengelegt haben. Ø Jeder Arbeitsplatz ist abstrakt für schwerbehinderte Menschen geeignet. Ø Frühzeitige Aufnahme von Verbindung mit der Agentur für Arbeit regelmäßig sinnentleertes Ritual. Ø „Selbstbedienungsladen“ für Schwerbehinderte? (23) BAG 15.12.11, NZA 12, 1044 • Die gesetzliche Regelung der Sozialauswahl verstößt nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. • Sie führt zwar zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters, ist aber durch rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt i.S.v. Art. 6 I 1, 2a der RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Jobst-Hubertus Bauer 148 VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (24) BAG 15.3.12, ArbR 12, 167 • • Für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Entschädigung oder Schadensersatz wegen Diskriminierung muss die benachteiligte Person die Zwei-Monats-Frist des § 15 IV AGG einhalten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die benachteiligte Person von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Ø Es ging um einen Bewerber, der auf seine Schwerbehinderung hingewiesen hatte. Mit Erhalt des Ablehnungsschreibens hatte er damit Kenntnis von den Indizien der behaupteten Benachteiligung erlangt. Der Bewerber war nicht nach § 82 SGB IX vom beklagten Land zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Ø Achtung: Zusätzlich zur Geltendmachungsfrist des § 15 IV AGG gilt eine dreimonatige Klagefrist nach § 61 b I ArbGG. Diese schließt nicht an den Ablauf der Geltendmachungsfrist an, sondern an den Zeitpunkt der Geltendmachung 149 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (25) BAG 20.3.12, NZA 12, 803 • Die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 I 2 TVöD-AT benachteiligt AN, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und verstößt damit gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. (26) EuGH 19.4.12 „Galina Meister“, NZA 12, 493; vgl. dazu C. Picker, NZA 12, 641 • Die AntidiskriminierungsRL 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2006/54/EG sind dahingehend auszulegen, dass sie für einen AN, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der AG am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat. • Die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten kann ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. • Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob eine solche Vermutung vorliegt. 150 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (27) BAG 21.6.12, NZA 12, 1345 • Begründet ein AG seine Maßnahme gegenüber dem AN, so muss diese Auskunft zutreffen. • Ist die Auskunft dagegen nachweislich falsch oder steht sie im Widerspruch zum Verhalten des AG, so kann dies ein Indiz für eine Diskriminierung sein. Ø Das BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Ø Dem AG könnte zum Verhängnis werden, dass er einer sachgrundlos befristeten türkischstämmigen AN ein Arbeitszeugnis mit der Leistungsbeurteilung „zu unserer vollsten Zufriedenheit“ erteilt hatte. Im Prozess hat er jedoch behauptet, die abgelehnte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beruhe auf Leistungsmängeln der AN. (28) BAG 21.6.12, NZA 12, 1211 • Will ein AN geltend machen, er sei wegen eines durch das AGG verbotenen Merkmals nachteilig behandelt worden, so muss er für alle Ansprüche auf Schadensersatz die Zwei-Monats-Frist des § 15 IV AGG beachten. • Wird eine Bewerbung abgelehnt, so beginnt die Frist in dem Moment, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. 151 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (29) BAG 23.8.12, NJW 12, 3805 • Wird eine Stelle nur für Mitarbeiter eines bestimmten Alters ausgeschrieben, ist eine Entschädigung nach dem AGG nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Stelle nicht besetzt wird. (30) EuGH 6.12.12 „Odar“, NZA 12, 1435 • Die unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung bei Reduzierung der Sozialplanabfindung für rentennahe AN kann nach Art. 6 I RL 2000/78/EG gerechtfertigt sein. Wird für die Berechnung der reduzierten Sozialplanabfindung jedoch auf die Möglichkeit eines Bezugs vorzeitiger Altersrente wegen Schwerbehinderung abgestellt, liegt darin eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung. (31) BAG 24.1.13, NZA 13, 498 • Sucht ein öffentlicher AG in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Trainee-Programm „Hochschulabsolventen/Young Professionals“ und lehnt er einen 36-jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtsschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Altersbenachteiligung. Jobst-Hubertus Bauer 152 VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (32) BAG 5.3.13, NZA 13, 916 • Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der AN die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, verstoßen nicht gegen Vorschriften des AGG. (33) BAG 26.3.13, NZA 13, 921 • Die Betriebsparteien dürfen bei der Bemessung von Sozialplanleistungen berücksichtigen, dass AN eine vorgezogene gesetzliche Altersrente beziehen können. Das verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verbot der Altersdiskriminierung. (34) BAG 25.4.13, NZA 14, 224 • Auch die Verweigerung jeglicher Auskunft durch den AG begründet grds. nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung eines Bewerbers i.S.d. § 7 AGG. Jobst-Hubertus Bauer 153 VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (35) BAG 17.10.13, NZA 14, 303 • Wird einer AN gekündigt, ohne dass Kenntnis von ihrer Schwangerschaft bei Zugang der Kündigungserklärung besteht, so ist weder die Kündigung selbst noch ein „Festhalten“ an der Kündigung ein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. (36) BAG 14.11.13, NZA 14, 489 • • Ist ein Bewerber für eine ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet, so scheidet grds. eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung i. S. d. §§ 1, 7 AGG aus, wenn ihn der AG nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlädt. Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG steht dem abgelehnten, objektiv ungeeigneten Bewerber auch dann nicht zu, wenn dem AG diese Nichteignung nicht bekannt war. 154 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (37) BAG 12.12.13, ArbR 14, 46 • Eine gegenüber einer schwangeren AN eines Kleinbetriebs ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Sie kann auch eine Benachteiligung i.S.d. §§ 1, 3 AGG sein und einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 II AGG auslösen. (38) BAG 19.12.13, NZA 14, 372 • Eine ordentliche Kündigung, die einen AN, auf den das KSchG keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist gem. § 134 BGB i. V. m. § 7 I, 1, 3 AGG unwirksam. § 2 IV AGG steht dem nicht entgegen. Eine symptomlose HIV-Infektion hat eine Behinderung i. S. d. AGG zur Folge, wenn und soweit das gegenwärtig auf solche Infektionen zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten und die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern. 155 Jobst-Hubertus Bauer VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (39) BAG 23.1.14, ArbR 14, 75 • Der Anspruch eines diskriminierten Stellenbewerbers auf Entschädigung für immaterielle Schäden nach § 15 II AGG richtet sich ausschließlich gegen den AG, nicht (auch) gegen den Personalvermittler, egal von wem die diskriminierende Handlung ausgeht. (40) BAG 10.4.14 – 2 AZR 647/13 • Eine „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung steht unter der – zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung i.S.v. § 158 II BGB, dass das Arbeitsverhältnis nicht schon aufgrund eines anderen Umstands endet. Ihre Wirkung endigt, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis bereits durch den anderen Beendigungstatbestand aufgelöst worden ist. ► Forts. Jobst-Hubertus Bauer 156 VI. Update Antidiskriminierungsrecht Neuere Entscheidungen (40) BAG v. 10.4.14 (Forts.): • Eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ oder „nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühstmöglicher Beendigungstermin ergibt. Sie ist jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn ohne umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen feststellbar ist. • Die Anhörung des AN vor einer Kündigung ist de lege lata – außer bei der Verdachtskündigung – keine Wirksamkeitsvoraussetzung. (41) BAG 18.9.14 – 6 AZR 636/13 • Die vom AG einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 I BGB beträgt 4 Wochen zum 15. oder Ende eines Kalendermonats und verlängert sich gem. § 622 II 1 BGB bei längerer Betriebszugehörigkeit in mehreren Stufen. Diese Staffelung der Kündigungsfristen verletzt das Verbot der mittelbaren Altersdiskriminierung nicht. Jobst-Hubertus Bauer 157