Sweet Eighteen Helen Stadlin, 18, Zug „Liebe Frau Stadlin, wir

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Sweet Eighteen Helen Stadlin, 18, Zug „Liebe Frau Stadlin, wir
Sweet Eighteen
Helen Stadlin, 18, Zug
„Liebe Frau Stadlin, wir gratulieren Ihnen herzlich zu
Ihrem 18. Geburtstag und wünschen Ihnen alles Gute.“
Dieses Schreiben kam kurz vor meinem Geburtstag an
und war von meiner Bank. Sie wollte meine Unterschrift, damit ich von nun an selbst über mein Konto
verfügen konnte. Der Grund dafür war der Tag, an dem
sich mein Alter von einer Eins und einer Sieben in eine
Eins und eine Acht verwandeln sollte.
Als ich dann an meinem Geburtstag erwachte, fühlte ich
mich – man staune – nicht schlagartig erwachsen, sondern genau gleich alt wie am Tag zuvor.
Der Unterschied zum Vorabend war einzig das Bewusstsein um die plötzliche Möglichkeit, Autofahren lernen
und wählen zu können, und vor allem in den Clubs endlich das Ü18-Bändchen zu bekommen. Ich weiss, dass
den meisten Jugendlichen die Volljährigkeit sehr wichtig
ist. Der Tag ihres 18. Geburtstags ist für viele einer der
Höhepunkte ihres Lebens, der mit Partys und vielen
Geschenken gefeiert wird. An meinem 18. Geburtstag
habe ich ebenfalls gefeiert und mich darauf gefreut, dass
ich nicht mehr jedes Mal zuerst nachsehen muss, ob da
ein Türsteher steht, wenn ich abends etwas trinken gehe.
Oder auch, dass ich jetzt abstimmen kann.
Woran ich nicht gedacht hatte, waren die Steuererklärungen, Bankvollmachten und Versicherungsofferten,
die sich ab meinem Geburtstag in meiner Post befanden.
Ich hatte zwar gewusst, dass ich bald solche Briefe erhalten würde, doch wirklich darüber nachgedacht hatte
ich bis zum meinem 18. Geburtstag nicht. Viele Jugendliche glauben, wenn man volljährig werde, dürfe man
alles tun, was man will. Wessen sie sich nicht bewusst
sind: Man darf zwar vieles, aber man muss auch vieles.
Als 18-Jährige habe ich die gleichen Rechte wie andere
Erwachsene – aber auch die gleichen Pflichten. Leider.
Die Vollmacht für die Bank habe ich mittlerweile ausgestellt, und vielleicht werde ich ja auch Autofahren lernen. Doch was ich bestimmt noch ein, zwei Jahre beibehalten werde, ist der beste Satz, den man sagen kann,
wenn man auf der Strasse nach einer Unterschrift gefragt
wird: „Sorry, bi nuni achtzähni.“