AUGsBURG UnD nüRnBeRG
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ATTRAKTiOn Auch auf dem weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarkt gibt es Berührungspunkte zum „Club“. Gemeinsinn Das Transparent auf dem Rathausbalkon in Augsburg zeigt nach dem Bundesliga-Aufstieg von 2011 die gewachsene Verbindung. meHR ALs BRATWURsT UnD PUPPenKisTe Bundesliga-Clubs bereichern ihre Stadt auf unterschiedliche Weise. Sie steigern die Bekanntheit, prägen das Image mit und sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dieses Zusammenspiel wird auch durch die Beispiele AUGsBURG UnD nüRnBeRG belegt. TexT ROLAnD KARLe POPULARiTäT Als traditionsreiche Publikumslieblinge der Stadt kooperieren die „Augsburger Puppenkiste“ und der FCA . veRBinDUnG Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, Murat Sahin (GRUNDIG) und Alfred Diesner (Stadion Nürnberg, von links) dokumentieren die Kette Stadt – Wirtschaft – Sport. 32 BUNDeSlIGA-MAGAzIN 11/13 sTRATeGie FOKUS „Durch keine noch so aufwendige Werbekampagne hätte Augsburg so viel Ansehen und Aufmerksamkeit erlangen können.“ DR. KURT GRiBL, OBeRBüRGeRmeisTeR DeR sTADT AUGsBURG B ei Heimspielen des FC Augsburg sieht es vor dem Infocenter der Stadt anders aus als an gewöhnlichen Tagen. Dann werden nämlich zwei Flaggen gehisst: Die des FCA und jene des gegnerischen Vereins. Ein besonderer Willkommensgruß. Auch deshalb mag Götz Beck den Begriff „Gegner“ nicht. „Die Auswärtsmannschaft und ihre Fans sind unsere Gäste, entsprechend freundlich wollen wir sie empfangen“, sagt der Tourismusdirektor der Stadt Augsburg. Dort wurde bereits zu Zweitligazeiten ein bemerkenswertes Projekt ins Leben gerufen: „Augsburg Calling“ – die Idee, dass sich Fans der aufeinandertreffenden Clubs kennenlernen, ins Gespräch kommen, gemeinsam feiern. Zum Programm gehören kostenlose Stadt- und Stadionführungen, Besuche von Kunst- und Kulturveranstaltungen, Partys mit Livemusik. „Dadurch entsteht eine freundschaftliche Atmosphäre und eine positive Grundstimmung, die sich auf das Verhalten im Stadion überträgt“, sagt Beck. „Augsburg Calling hat sicherlich eine Sonderstellung in der Bundesliga, auf die wir auch sehr stolz sind“, untermauert Peter Bircks, Geschäftsführer des FCA. „Unter anderem hierbei ziehen die Stadt und der FCA bei der Unterstützung des tollen Projekts an einem Strang.“ Wichtiger Faktor für das Wirgefühl Auch in Nürnberg besteht eine enge Bindung zwischen Stadt und Verein. „Für uns ist der ,Club‘ ein echtes Aushängeschild, das nicht nur die Bekanntheit Nürnbergs, sondern auch sein Image ein Stück weit prägt“, sagt Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly. Natürlich sind auch Christkindlesmarkt, Rostbratwurst und 34 BUNDeSlIGA-MAGAzIN 11/13 Spielzeugmesse in der Stadt zu Hause, aber der Fußball ist fast omnipräsent, wie allein die Zahl von durchschnittlich mehr als 40.000 Zuschauern im Grundig Stadion belegt. Maly wurde früh zum „Club“-Fan. Seit fast drei Jahrzehnten geht er zu Heimspielen ins Stadion, als junger Kerl fieberte er auf dem Stehplatz mit. Auch die Erinnerung an sportlich harte Zeiten in der Bayernliga ist noch lebendig: „Da machte sich eine gewisse Depression in der Stadt breit.“ Umgekehrt gelingt es, ein besonderes Wirgefühl auszulösen. Zum Beispiel als der „Club“ 2009 und 2010 über die Relegation die BundesligaZugehörigkeit schaffte oder als in der vergangenen Saison der Klassenerhalt gelang. „Da ist der Fußball tage- und manchmal wochenlang ein beherrschendes Thema in der Region“, sagt Maly. Eine Erfahrung, die auch sein Augsburger Amtskollege Dr. Kurt Gribl bestätigen kann. „Die ganze Stadt zittert mit und freut sich, wenn am Ende das sportliche Ziel erreicht wird, das schafft eine hohe Identifikation“, sagt der Oberbürgermeister mit Blick auf den zweimal in Folge erreichten Klassenerhalt. Er selbst bezeichnet sich als „leidenschaftlichen FCA-Fan“ und verpasst kaum ein Heimspiel. In den 90er Jahren spielte der FC Augsburg noch in der Bayernliga, oft genug vor ein paar Hundert Zuschauern. Heute ist der Bundesligist am Ort ein gesellschaftliches Ereignis, die Heimspiele in der SGL arena sind meist ausverkauft. „Unsere Stadt verändert sich, hier passiert viel“, so Gribl. „Es herrscht ein selbstbewusster Spirit, dazu trägt auch der FCA bei.“ Durch ihr sympathisches, bodenständiges Auftreten seien Mannschaft und Vereinsführung vorzügliche Botschafter der Stadt. „Der Aufstieg des FCA ist das Beste, was uns passieren konnte. Durch keine noch so aufwendige Werbekampagne hätte Augsburg so viel Ansehen und Aufmerksamkeit erlangen können.“ FCA-Geschäftsführer Bircks bestätigt auch diesen Einduck: „Unsere Verbindung zur Stadtregierung, explizit zu Oberbürgemeister Dr. Kurt Gribl, ist sehr gut. Natürlich würden wir uns immer noch mehr Unterstützung wünschen, welche die klamme Haushaltslage der Stadt jedoch leider nicht zulässt.“ Dass Augsburg mit 270.000 Enwohnern zu den kleineren Städten mit einem Bundesliga-Club gehört und hier somit einen ganz besonderen Stellenwert genießt, bringt zumindest teilweise einen Vorteil, obwohl Bircks auch sagt: „Mit den Augsburger Panthern aus der Deutschen Eishockey Liga, bei denen seit Jahren ebenfalls seriös, solide und mit kleinem Budget gearbeitet wird, gibt es sportliche Konkurrenz. Bei der Suche nach Partnern fischen wir oftmals im gleichen Teich. Wahr ist andererseits, dass der kulturelle Wettbewerb in Augsburg nicht übermächtig ist.“ Bekanntheitsgrad gesteigert Was die Bundesliga-Zugehörigkeit für eine Stadt bedeutet, lässt sich nicht nur fühlen, sondern konkret in Zahlen fassen. So hat die Stadt Augsburg ihren bundesweiten Bekanntheitsgrad laut einer TNSInfratest-Befragung von 59,2 Prozent im Jahr 2006 auf aktuell 63,3 Prozent steigern können. Noch bemerkenswerter: Bei der Frage „Was verbinden Sie mit dieser Stadt?“ wird nach wie vor am häufigsten die „Augsburger Puppenkiste“ (20,5 Prozent) genannt, doch gleich dahinter kommt „Fußball/FC Augsburg“ zULAUF Fans des FC Augsburg auf dem Weg zu ihrem Freizeitvergnügen am Wochenende in der SGl arena. veRKAUFsHiT Reißenden Absatz finden die Merchandising-Artikel in der erstklassigkeit. mit einer Quote von 12,7 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Befragung vor sieben Jahren wurde der FCA noch kaum mit der Stadt in Verbindung gebracht, schaffte es bei einem Wert von 3,1 Prozent nicht mal unter die Top Ten der meistgenannten Assoziationen. Geschäftsführer Bircks kennt den größten verbindenden Nenner zwischen Stadt, Bevölkerung und Club: „Die bayerischen Schwaben sind sparsam, bescheiden, fleißig und geerdet. Und so sieht sich der FCA auch.“ AUsWäRTssPieL Als vorbildlich wird die Initiative „Augsburg Calling“ gelobt, die ein Programm für Fans des Gästeteams anbietet, zu dem auch Stadtführungen gehören. Dass von 2009 bis 2012 die Zahl der Übernachtungen in Augsburg um ein Drittel auf 682.899 pro Jahr gestiegen ist, hat viele Gründe (höhere Kapazität, mehr Veranstaltungen, wirtschaftliche Situation) – und auch der FCA trägt einen nicht genau zu beziffernden Teil dazu bei. Henning Vöpel überraschen solche positiven Ergebnisse überhaupt nicht. Der Professor Sportökonomik am Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut (HWWI) erforscht, wie sich Sport auf Standorte und Regionen auswirkt. „Etliche Studien bestätigen, dass Bundesliga-Fußball einen positiven Einfluss auf Bekanntheit und Image einer Stadt hat“, so Vöpel. Dabei seien die Effekte in kleineren Städten tendenziell stärker ausgeprägt als in Großstädten, in denen es ein umfangreiches Freizeit- und Kulturangebot gibt: „Zu den weichen Standortfaktoren, die die Attraktivität einer Stadt ausmachen und so die empfundene Lebensqualität bereichern, gehört auch der Profifußball.“ BUNDeSlIGA-MAGAzIN 11/13 35 sTRATeGie FOKUS iDenTiFiKATiOn Auch das junge Publikum im Grundig Stadion fiebert mit dem traditionsreichen 1. FC Nürnberg. sTimmUnGsmAcHeR Im Schnitt über 40.000 „Club“-Fans sorgen mit solchen Aktionen für erstklassige Atmosphäre. Vöpel bewertet „Augsburg Calling“ als vorbildliche Maßnahme, die nach innen wie nach außen wirke. Er rät dazu, positiv besetzte Markenzeichen einer Stadt mit dem Fußball zu verknüpfen. Als gelungenes Beispiel dient der 1. FSV Mainz 05, bei dem im Stadion Fastnachtsmusik gespielt wird und die Fans ihren „Karnevalsverein“ besingen. Auch eine prächtige Vorlage der „Augsburger Puppenkiste“ wird genutzt. So darf der „Kasperle“ im Stadion-TV seine Voraussage zum Spielausgang abgeben, und vor dem Anpfiff überreicht der FCA-Kapitän seinem Gegenüber neben dem Vereinswimpel auch eine Marionette der berühmten Puppenkiste. „Es gibt viele Vereine, aber nur einen ,Club‘“, sagt Martin Bader über den 1. FC Nürnberg. Der Vorstand Sport & Öffentlichkeitsarbeit sieht darin einen markenstärkenden Claim, der die lange Tradition herausstreicht. Seit Kurzem ist „Der Club“ Teil des Vereinslogos, „um eine Brücke von der Gegenwart zur 36 BUNDeSlIGA-MAGAzIN 11/13 WOcHenenDBesUcH Fans anderer Clubs – hier von Borussia Dortmund – sorgen am Stadion wie in der Stadt Nürnberg für steigende Umsätze. ruhmreichen Vergangenheit zu schlagen“. Wie stark der 1. FC Nürnberg in Stadt und Region verankert ist, zeigt allein die Zahl von rund 300 Firmen, die sich als Partner des „Clubs“ engagieren. Schon räumlich ganz nah sind sich der „Club“ und die NürnbergMesse. „Da kommt das Gespräch, auch wenn es noch so geschäftlich motiviert ist, oft ganz von allein auf Fußball“, sagt Roland Fleck, CEO der NürnbergMesse Group. Wichtiger Part auch als steuerzahler Längst spielt der Bundesligist als Teil der Wirtschaft selbst eine markante Rolle. Er beschäftigt knapp 300 Angestellte und schafft an Spieltagen in der Stadt Nürnberg rund 1.600 direkte und indirekte Arbeitsplätze. Eine Erhebung von 2011 dokumentiert die „Bedeutung des 1. FCN für die Stadt Nürnberg und die Metropolregion“ als Steuerzahler (rund 17 Millionen Euro im Jahr), als Auftraggeber von 175 meist regionalen Unternehmen und als Visitenkarte der Stadt bei einem er- rechneten jährlichen Werbewert von rund 33 Millionen Euro. Kulturell wird durch das im September 2012 eröffnete „Club Museum“ gepunktet, eine Dependance der Museen der Stadt Nürnberg und bislang von mehr als 10.000 Menschen besucht. Sogar internationales Publikum ziehen der FC Augsburg und der „Club“ an, was auch der Zusammenstellung der Kader geschuldet war oder ist. In Augsburg steht nach Dong-Won Ji und Ja-Cheol Koo mit Jeong-Ho Hong nun ein weiterer Profi aus Südkorea unter Vertrag, Makoto Hasebe, Kapitän der japanischen Nationalmannschaft, und Hiroshi Kiyotake sind für die Nürnberger nicht nur in fußballerischer Hinsicht ein Gewinn, wie Bader weiß: „Sie locken auch zusätzliche japanische Touristen in die Stadt und zu unseren Heimspielen.“ Der Autor: ROLAnD KARLe ist Inhaber eines Redaktionsbüros in Neckarbischofsheim. er schreibt über Wirtschaft, Medien und Sport, unter anderem für „Horizont“, „Handelsblat“ und „absatzwirtschaft“.