Die zwischenmenschlichen Beziehungskrisen in Heinrich von

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Die zwischenmenschlichen Beziehungskrisen in Heinrich von
Die zwischenmenschlichen Beziehungskrisen in Heinrich von Kleists
Der zerbrochene Krug.
Dr.Dr.Ikechukwu. Aloysius .Orjinta. PhD.
Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft,
Ludwig Maximilians Universität, München
Deutschland.
Abstract.
Der Zerbrochene Krug wird den Zuschauern als eine auf die Bühne dargestellte Komik
menschlicher Sünden und Schwächen etwa Misstrauen, Intrigen, Egoismus,
Unterdrückung, Gewalt, Betrugsversuche, Sexuelle Begehen, Eifersucht, Machtgier,
Profitgier, Beleidigungen und Kränkungen vorgestellt. Hier versuche ich erstmals die
Charakterisierung gewisser dramatischen Personen darzustellen, danach werden die
Verhältnisse zwischen den Charakteren untersucht, indem ich die entsprechenden
dramatis personae zu zweit analysiere. Auf die Bühne treten gewisse Menschentypen auf,
die verschiedenen Varianten von Menschentypus verkörpern. Solche Personen wie das
frivole Dienstmädchen, die untreue Ehegattin, der trieborientierte Lustmolch, der geizige
Ehemann, der Faulenzer und der Vögel-Lustige sind dem Publikum schon bekannt.
Durch Typen-, Situations- und Sprachkomik werden wir diese Typen literarisch
nuancieren.
1.Einführung
Der Zerbrochene Krug ist ein Lustspiel, das tief von Romantik geprägt ist. Liebe ,das
Leitmotiv der Romantik
wird hier als Tagesordnung dargestellt. Also die
Auseinandersetzung zwischen den Haupthandlungsfiguren: Adam, Eve und Ruprecht
basiert auf die Suche nach Liebe und den Schutz und Aufbewahrung des Liebesobjektes.
Die Personenkonstellation umfasst deswegen gegensätzliche Charaktere, die sich bei
diesem Liebesszenario für oder gegen den Helden und die Heldin eingesetzt sind. Unter
diesen Personen zählen außer Adam(dem Prozessführer, dem Verführer Eves und dem
Dorfrichter) und Eve Rull ( der Töchter der Klägerin, Marthe Rull und der Verlobten
Ruprechts), Ruprecht( der Beklagter und Verlobter Eves); Walter( der Gerichtsrat und
der Revisor); Licht(der Dorfschreiber, der Bediente, der Büttel und der Protokollant);
Veit Tümpel(Vater Ruprechts); Frau Brigitte(Augenzeugin) und Frau Marthe Rull(die
Klägerin und Besitzerin des zerbrochenen Krugs). Anders als bei der Tragödie, deren
Bemühung die Katharsis ist, also die Bekehrung der Zuschauer mittels Mitleiden mit den
Schauspielern, beschäftigt sich die Komödie mit der Aufgabe, anhand menschlicher
Schwächen und veräußerlichtes Lebens, in Trubel, Jubel und Heiterkeit um das
Publikum unterhalten zu können. Zu diesem Thema erklärte Kleist am 9.11.1800 in den
Propyläen (David 1977:62) die Grundideen einer Komödie wie folgt:
Jene geistreiche Heiterkeit und Freiheit des Gemüts, welche in uns
hervorzubringen das schöne Ziel der Komödie ist, lässt sich nur durch
eine absolute moralische Gleichgültigkeit erreichen; es sei nun, dass der
Gegenstand selbst schon diese Eigenschaft habe, oder dass, der Dichter
die Kunst besitze, die moralische Tendenz seines Stoffes durch die
Handlung zu überwinden.
Ziel dieser These ist es, Heinrich von Kleists Komödie : Der Zerbrochene Krug zu
analysieren um den Mittelpunkt der zwischenmenschlichen Beziehungskrisen
darzustellen und zu deuten. Auf die Bühne treten gewisse Menschentypen auf, die
verschiedenen Varianten von Menschentypus verkörpern. Solche Personen wie das
frivole Dienstmädchen, die untreue Ehegattin, der trieborientierte Lustmolch, der geizige
Ehemann, der Faulenzer und der Vögel-Lustige sind dem Publikum schon bekannt.
Durch Typen-, Situations- und Sprachkomik werden wir diese Typen literarisch
nuancieren. Darüber hinaus hat sich Heinrich von Kleist mit der Anspielung biblischer
Sagen
in seinem Werk profiliert. Besonders angewandt sind die Sagen des
Altentestamentes. Die Verfasser dieser Sagen haben öfter versucht, Ursachen für
weltanschauliche und kulturelle Hinterlassenschaften zu interpretieren. Im Mittelpunkt
dieser hermeneutischen Interpretation steht der Wirkungszusammenhang. Also alles,
was passiert muss einen Grund haben. Weiterhin soll jede menschliche Schwäche bzw.
Sünde bestraft werden, eine Art vergeltendes Justizsystem.
2.Der Autor und Der zeithistorischer Hintergrund des zerbrochenen
Krugs.
Am 18. Oktober 1777 wurde Heinrich von Kleist in Frankfurt (Oder) geboren. Die
Familie der Kleists, in der Bernd Heinrich Wilheim als erstes Kind mit fünf Geschwister
aus dem Vaters zweiten Ehe mit Ehefrau Juliane Ulrike geb. von Pannwitz geboren war,
war eine echte preußische Familie mit hoher Tradition, Ruhm und Ansehen. Sein Vater
Joachim Friedrich von Kleist war selbst ein preußischer Offizier als Nachfolger zwanzig
Generale und Marschälle sowie zwei Dichter. Mit elf Jahre alt verlor Bernd Heinrich
Wilheim sein Vater und wurde nach Berlin zur Erziehung geschickt. Als er fünfzehn
Jahre alt war, wurde er als Gefreiten- Korporal in das Potsdamer Garderegiment
aufgenommen. Von 1792 bis 1799 war er ins Zentrum der preußischen Armee und nahm
teil am Rheinfeldzug gegen die französischen Revolutionsheere(1793-1795). Damals
während der so genannten großen europäischen Kriege musste Europa sich gegen
Frankreich militärisch alliieren. Denn das Basler Friedensabkommen wurde nur ein
Friede auf Zeit. Heinrich von Kleist, der mit zwanzig Jahre alt zum Leutnant befördert
war, erlebte alle Konsequenzen dieser Kriege, d.h. Napoleons Invasion Europas in 1796
bis er in 1815 von der Koalition der russischen, preußischen und Österreichern Armee
endgültig besiegt war. Scholz (2008:10) schildert die Preußens Katastrophe und ihren
Einfluss auf Kleist und sein literarisches Schaffen wie folgt:
Nach dem Sieg über Preußen bei Jena und Auerstedt war Napoleon am
27.10.1806 als Triumphator in Berlin eingezogen. Die nationale Not
seines Vaterlandes – die harten Bedingungen des Tilsiter Friedens, die
einen Tiefpunkt in der Geschichte Preußens bedeuteten, dazu der
politische Druck unter der französischen Besatzung – erschütterte Kleist
tief. Dazu kamen existenzielle und innen politische Probleme, an denen
der Dichter Anteil nahm. Kleists ideologische Position, seine sich stetig
steigernden
Schwierigkeiten mit der Gesellschaft und seiner
dichterische Thematik stehen in engem Zusammenhang mit dem
Niedergang Preußens. Die ökonomischen, sozialen, politischen und
geistigen Faktoren , die Preußens Katastrophe von 1806 und nahezu
gleichzeitig die Steinche Reformbewegung begleiten, weisen durchweg
auf die epochale Krise der Zeit im Übergang vom Feudalismus zum
Kapitalismus hin. Diese gesellschaftliche Umwälzungsprozess, der in
den französischen Revolution seinen europäischen Höhepunkt erreichte,
diente zweifellos auch dazu, Leben und Werk dieses Autors, seine
künstlerische, wissenschaftliche und existentielle Entwicklung zu
beeinflussen.
Heinrich von Kleist, der vorher (1793) seine Mutter verloren hatte wurde gründlich von
den Kriegen und den erweiterten Umwälzungen und Revolution tiefst geprägt. Im
diesem Höhepunkt der europäischen Krisen und Katastrophen fängt auch die
Lebenskrise Kleists an. Auf eigenen Wunsch bat er im April 1799 König Friedrich
Wilhelm um Entlassung von der Armee. Er wollte nämlich Mathematik,
Kulturgeschichte, Latein und Physik an der Universität in Frankfurt studieren. Rahner
(2001:18) weist Kleists aufkeimende persönliche Sackgasse wie folgt hin:
Mehrere vollkommen unterschiedliche Versuche, im Leben etwas zu
erreichen, kennzeichnen den Lebensweg Kleists. Zunächst schlägt er,
der Familientradition folgend, die Offizierslaufbahn ein, quittiert jedoch
nach sieben Jahren, den Dienst, um zu studieren – vor allem
Naturwissenschaften. Sehr schnell erkennt er aber, dass auch dieser Weg
nicht seiner Wesensart entspricht, und so entscheidet er sich für die
literarische Arbeit. Als auch diese nur Misserfolge bringt und seine
finanzielle Situation immer unerträglicher wird, wählt er im Alter von
34 Jahren den Freitod.
Heinrich von Kleist versucht auch die Verlobung bzw. die Beziehung. Er verlobte sich
1800 mit der 18 jährigen Wilhelmine von Zenge, Tochter des als Regimentskommandeur
in Frankfurt stationiertem General Hartmann. Da seine innere Unruhe und Krise
tiefgreifend war, neigte er dazu auch diesen innerlich aktiven Vulkan zu exportieren.
Daher meiner Auffassung nach, hatte er selbst zwischenmenschliche Beziehungskrise
und Instabilität gehabt. Dieses Faktum wird von Pelster (2001:65) im Folgenden
untermauert:
Weder das Studium noch die Verlobung bereiten ungetrübtes Glück.
Kleist stellte hohe Anspruche an sich , seine Freunde, die Schwester und
vor allem an seine Braut. So kommt es zum tief greifenden Zerwürfnis;
die Verlobung wird 1802 gelöst.
Weiterhin wollte er eben mit Goethe duellieren, nachdem das Stück: Der Zerbrochene
Krug am 2.3.1808 unter Regie Goethes in Weimar mit Misserfolg uraufgeführt wurde.
Laut Rahner(2010:33) war das Scheitern so schlimm, dass die Zuschauer ihre
Missbilligung durch Zwischenrufe und Klopfen zeigten. Grunde dafür führte er wie
folgt fort :
Das Lustspiel wird erst nach einer einaktigen Oper aufgeführt: Das
Programm war also für einen Abend zu lang und wohl sehr ermüdend.
Goethe macht aus dem Einakter drei Akte mit Pausen; die Handlung
wird damit auf dreieinhalb Stunden(!) ausgedehnt und in ihrer
Dynamik unterbrochen( die Unvergessliche Verfilmung mit Emil
Jannings aus dem Jahre 1937 dauerte nur knapp über eine Stunde). Der
12 Auftritt war ursprünglich über 500 Verse lang, in denen Eve in aller
Breite Walter und Ruprecht erzählt, wie es genau zu dem Vorfall
gekommen ist. Kleist hat später auf Grund der Kritik den 12 Auftritt auf
58 Verse gekürzt.
In Anbetracht des Vorangehenden soll Heinrich von Kleists Reaktion Goethe gegenüber
kaum berechtigt eingeschätzt werden. Als das Stück 1807 durch die Vermittlungsrolle
Adam Müllers Goethe erreichte, bewertete Letzterer es sehr positiv und in folgedessen
billigte es zur Aufführung in Weimar. Das Stück wie schon erwähnt wurde endgültig in
1808 mit Misserfolg ausgeführt. Die ganze Schuld des Scheiterns hatte er aufs Konto
Goethes gebucht. Daraufhin sollte Heinrich von Kleist voller Zorn ihm Sabotage an
seinem Stück vorgeworfen haben. Rahner(2010:33) :
Die Reaktion Kleists auf den misslungenen Theaterabend ließ nicht
lange auf sich warten: Er warf Goethe Sabotage an seinem Werk vor,
indem er es absichtlich derart in die Länge gezogen habe, dass es beim
Publikum durchfallen musste. In seinem Zorn wollte er sich sogar mit
Goethe duellieren, obwohl es nicht dazu kam, war das Verhältnis
zwischen beiden ab diesem Zeitpunkt empfindlich gestört.
Sowohl im Land als wir bisher erörtert haben, als auch im Ausland hatte Heinrich von
Kleist Probleme und Auseinandersetzungen mit Behörden und Individuen. Tief geprägt
von seinen einflussreichen Lektüre, versuchte Kleist diese im Leben und im Werke
einzusetzen, stieß aber an die Sackgasse und in tiefe Krise an. Zwei Philosophen:
Immanuel Kant (1724-1804) und Jean Jacques Rousseau zählen unter den Autoren,
deren Ideen, etwa Kants einwandfreie und sichere Erkenntnis für alle Menschen und
Rousseaus absolute Harmonie zwischen dem Menschen und der Natur sowie innerhalb
der Menschheit, Kleist beeinflusst hatten. Pelster (2004:65) teilt diese Auffassung im
Folgenden:
Zwei Autoren bestimmen in dieser Zeit den Lektüreplan Kleists:
Immanuel Kant(1724-1804) und Jean Jacques Rousseau(1712-1778).
Dem Programm der Aufklärung, wie es Kant formuliert hatte, nämlich
sich seines eigenes Verstandes zu bedienen und sich von Vormündern
unterschiedlicher Art zu befreien, war Kleist schon lange gefolgt. Als er
nun die kritischen Untersuchungen der Philosophen genauer studierte
und die Erörterungen über die Bedingungen und Möglichkeiten
menschlicher Erkenntnis las, stürzte er in eine tiefe Krise, da er aus
Kants Überlegungen den Schluss zog, dass dem Menschen den Weg zu
einer absolut sicheren und wahren Erkenntnis versperrt sei. Bei
Rousseau machen ihm die Aussagen über die ursprüngliche Natur und
anfängliche gegenseitige Zuwendung der Menschen großen Eindruck.
Er erscheint wie viele andere den paradiesischen Zustand der Harmonie
von Mensch und Natur und von Mensch zu Mensch. Das unmittelbare,
unverstellte Gefühl, so glaubt er, kann ihn an dieses Ziel bringen.
Kleist war zu scharf diese vornehmende Ideale zu verfolgen. Sein Feuereifer und seine
Strebsamkeit stieß brutal an die zerstörerische Kraft der staatlichen und menschlichen
Macht-, Profit- und Geldgier an. Gerhard.P.Knapp in Grundlagen und Gedanken zum
Verständnis des Dramas (1986:9) spendet noch andere plausible Klärung im Falle Heinrich
von Kleist wie folgt:
Die heutige Welt ist eine Welt der Pannen. Zufälle über Leben und Tod,
Glück oder Verderben des Einzelnen oder vieler. Nicht Schicksal als
Unergründliches geschieht, sondern Missgeschick(wie eben eine Panne)
löst Folgen von Existenzentscheidender Tragweite aus. Die einstigen
Wertvorstellungen sind an den Rand der Wirklichkeit gedrängt.
Auf jedem Fall spielt auch dabei Egoismus eine Rolle. Idealen und philosophische
Werten, auch bei den Verfassern müssen immer warten jedes Mal, wenn die Interesse des
Individuums oder des Staates infrage kommt. Kleists Enttäuschungen liegen meiner
Ansicht nach zum größten Teil diesem Faktum zugrunde. Scholz(2008:11) geht in
diesem Sinne davon aus, dass Kleists Bemühungen mittels einer Zeitschrift, Kantianer
und Rousseaus Ideale preis zu geben großen Widrigkeiten zum Trotz stießen:
In seiner Gründung der Berliner Abendblätter, einer Zeitschrift, die
angelegt war, im Hinblick auf die Forderung nach Gedankenfreiheit
Einfluss auf die innenpolitische Entwicklung zu gewinnen, sah er sich in
seinen Plänen durch Zensuren-Konflikte gehindert. Die Absicht, der
Staatsraison eine öffentliche Meinung entgegenzuhalten, mit der sie sich
hätte auseinander setzen sollen, konnte der Preußischen Obrigkeit nicht
genehm sein. Die Zeitung wurde von der Zensur ausgeschaltet. Zwar
erschien sie bis 1811, doch schon Mitte Januar war – durch Eingriffe der
Preußischen Zensur – ihr Untergang besiegelt.
Zwar hatte Heinrich von Kleist sein Beste getan, um seine Beiträge leisten zu können,
seine Zeit und Gesellschaft zu verbessern. Seine Gesellschaft und seine Zeit aber fanden
seine Anstrengungen mangelhaft und unangemessen. Er hatte sich fast bei und für allen
Berufen eingesetzt, um seine Lebensziele und Orientierungen zu erreichen, hatte
stattdessen an Widrigkeiten und Sackgassen gestoßen. Statt zwischenmenschliche
Harmonie hat er Enttäuschungen, Ärger und Verhaftung (seine Spionageverdacht im
Alter von 30 Jahre und französische Gefangenschaft in 1807) erlebt. Dann sucht er nach
der Harmonie zwischen der Natur und dem Menschen, in dem er als klein Bauer ein
idyllisches Landleben in die Schweiz 1802 führ und Auslandsreise nach Paris unternahm.
Dieses Experiment brachte ihm körperlichen und seelischen Zusammenbruch. Die Fazit,
seiner Ansicht nach wurde, Typen wie er sind seiner Gesellschaft und Epoche
unpassend. Diese Bilanz, Sembdner (1982:61,95) drückte Heinrich von Kleist pointiert
aus: Die Wahrheit ist mir auf Erden nicht zu helfen war. Rahner (2010:18) hat aber was
detailliertes in diesem Sinne zu klären. Das Zitat von Sembdner ,,Schon bei der ersten
Vorstellung wurde dem Stück der Stab gebrochen, und es fiel unverdienterweise total durch",
Kleists Zeitgenossen beziehen sich nicht nur auf den zerbrochenen Krug; sie lassen sich
hieraus das Schicksal Kleists ableiten:
Diese Feststellung eines Zeitgenossen Kleists zur Uraufführung des >>
Zerbrochenen Krugs<<(vgl.S.33) könnte man nicht nur auf das
Lustspiel, sondern auch auf Kleist selbst beziehen, denn sein Leben und
literarisches Wirken war begleitet von Enttäuschungen, Armut,
Depressionen und Selbstmordgedanken. Der äußerst sensible Kleist litt
sehr darunter, dass ihm die literarische Anerkennung – vor allem auch
durch Goethe – verweigert wurde. Dies war schließlich einer der
Hauptgründe dafür, dass er sich 1811, gemeinsam mit seiner Freundin
Henriette Vogel, das Leben nahm.
Kleists ganzes Leben war eine Tragödie. Der Versuch eine Tragödie aus der Komödie
heraus zu erzielen als bei Sembdner(1982:61&95) wird von Knapp(1986:10) im
Folgenden untermauert:
Doch ist das Tragische immer noch möglich, auch wenn die reine
Tragödie nicht mehr möglich ist. Wir können das Tragische aus der
Komödie heraus erzielen , hervor bringen als einen schrecklichen
Moment, als einen sich öffnenden Abgrund, so sind ja schon viele
Tragödien Shakespeares Komödien, aus denen heraus das Tragische
aufsteigt.(Theater-Schriften und Reden, S.122f)
Kleists Ärger gegen Goethe, die Machtstruktur seiner Ära und allen Faktoren sind
berechtigt , die seine Lebenspläne und Zielsetzungen torpedierten. Goethe als Regisseur
sollte sich über den mediale Ort gut auskennen. (siehe Link: Rezeptionsforschung 1980:92)
Egal. Alles, was ihm passierte gehört zu dem Tragische. Die Tragödie auf der einen Seite
,laut Knapp(1986:8) ,,setzt Schuld, Not, Maß, Übersicht, Verantwortung voraus"; auf der
anderen Seite,,[…] gibt es keine Schuldigen und auch keine Verantwortlichen mehr. Alle
können nichts dafür und haben es nicht gewollt. Es geht wirklich ohne jeden. Alle wird
mitgerissen und bleibt in irgendeinem Rechen hängen. Wir sind zu kollektiv schuldig, zu
kollektiv gebettet in den Sünden unserer Väter und Vorväter. Wir sind nur noch
Kindeskinder. Das ist unser Pech, nicht unsere Schuld. Schuld gibt es nur noch als
persönliche leisten, als religiöse Tat, uns kommt nur noch die Komödie bei.(TheaterSchriften und Reden,S.122)''
3.Die zwischenmenschliche Beziehungskrise in Kleists Der
Zerbrochene Krug.
In diesem Abschnitt versuche ich zu erforschen, ob Heinrich von Kleist bewusst oder
unbewusst seine Lebenserfahrungen in seiner Fiktion bzw. in seinem Theater tradiert hat.
Sein Lustspiel thematisiert menschliche Schwierigkeiten und Quäle, die in den
zwischenmenschlichen Beziehungsauseinandersetzungen zum Ausdruck kommen. Der
Dichter laut den Antiken, und pointiert bei den Griechen (Wellek-Waren 1955:66),, sah
man es(das Wesen des literarischen Genies) als dem Wahnsinn verwandelt an( was sich
modern als die Spanne zwischen Neurose und Psychose auslegen lässt). Der Dichter ist
der 'Besessene', er ist anders als die anderen Menschen, er ist zu gleicher Zeit mehr und
weniger als diese; und das Unbewusste, aus dem heraus er spricht, wird zugleich als
unter oder überrational empfunden. Daher konstatiere ich das Faktum, dass Heinrich
von Kleist zumindest ein Bisschen seiner seelischen und psychischen Krisen seinen
Haupthandlungsträgern vererbt hat. So versucht er angeblich seine verlorene
Lebenserwartungen und Ambitionen im Gedicht zu transferieren bzw. wider zu spiegeln
Diese Auffassung stimmt mit Freuds Vorstellungen(ibid.67) überein:
,, Der Künstler, so sagt Freud, ,, ist ursprünglich ein Mensch, welcher
sich von der Realität abwendet, weil er sich mit dem von ihr zunächst
geforderten Verzicht auf Triebbefriedigung nicht befreunden kann, und
seine erotischen und ehrgeizigen Leben im Phantasieleben gewähren
lässt. er findet aber den Rückweg aus dieser Fantasie zur Realität, indem
er Dank besonderer Begabungen seinen Phantasien zu einer neuen Art
von Wirklichkeiten gestaltet, die von den Menschen als wertvolle
Abbilder der Realität zur Geltung zugelassen werden. Es wird so auf
eine gewisse Weise der Held, König, Schöpfer, Liebling, der er werden
wollte, ohne den gewaltigen Umweg über die wirkliche Veränderung der
Außenwelt einzuschlagen". Danach ist der Dichter ein Tagträumer, der
sozial gerechtfertigt ist. Anstatt seinen Charakter zu ändern, hält er seine
Phantasien fest und veröffentlicht sie.
Der Zerbrochene Krug wird den Zuschauern als eine auf die Bühne dargestellte Komik
menschlicher Sünden und Schwächen etwa Misstrauen, Intrigen, Egoismus,
Unterdrückung, Gewalt, Betrugsversuche, Sexuelle Begehen, Eifersucht, Machtgier,
Profitgier, Beleidigungen und Kränkungen vorgestellt. Hier versuche ich erstmals die
Charakterisierung gewisser dramatischen Personen darzustellen, danach werden die
Verhältnisse zwischen den Charakteren untersucht, indem ich die entsprechenden
dramatis personae zu zweit analysiere. Abschließend werde ich das Fazit über die
Charakteriken und Personenkonstellation ziehen.
4.Adam- Der Haupthandlungsträger versus den Rest der Dramatis
Personäe.
Adam, der Haupthandlungsträger wird Ende des 17. Jahrhunderts als Dorfrichter eines
holländischen Dorfs namens Huisum beschäftigt. Als Zentralfigur des Stückes taucht
seine Persönlichkeit bedrohlich durch den ganzen Prozess auf. Kleist pointiert nimmt
Bezug auf die 5.Jahrhundert vor Christus griechische Tragödie Sophokles König Ödipus.
Bei Ödipus hat das Orakel von Delphi vor seiner Geburt vorhergesagt, er werde seinen
Vater ermorden und seine Mutter daraufhin heiraten. Dementsprechend mussten seine
Eltern, nach der Entbindung, ihn einem Hirten übergeben, mit der striktesten Anweisung
das Kind, gefesselt, zu ruinieren. Dies aber täte der hirte aus Mitleid nicht. Nach einer
langen Geschichte wurde Ödipus König von Theben, nachdem er unschuldig und
ignorant Vatermord begangen hat und seine Mutter geheiratet hat. Mit dieser Ehe hat er
vier Kinder(zwei Söhne und zwei Töchter)gehabt. Kleist weist auf dies bei seine Vorrede
zum Lustspiel wie folgt hin:
[…](denn wer weiß, bei welcher Gelegenheit, das Delikt um geschehen
war) spielte sich, in der Mitte zwischen Mutter und Bräutigam, an der
Schürze, wer ein falsches Zeugnis abgelegt hätt[...] wie Kreon bei einer
ähnlichen Gelegenheit, den Ödip.
Bei seinem Werk schafft Kleist einen komischen Gegenüber Ödipus, der auch genau wie
Ödipus die Wahrheit über eine zurücklegende Verfehlung während eines juristischen
Verfahrens entlarven lässt. Während aber Ödipus in seinem Fall fast unschuldig ist und
scharf nach die Wahrheit anstrebt, verbergt Adam Dank Lügerei alle Mitteln zur
Wahrheit. Rahner (2010:34) belegt diese Behauptung wie folgt:
Ödipus führt als Richter und König von Theben die Untersuchung der
Frage, wer seinen Vorgänger Laios, dessen Witwe er geheiratet hat,
erschlagen hat. Im Verlauf der Tragödie muss er erfahren, dass er selbst
– ohne es zu wissen – der Täter und der Erschlagene sein Vater war.
Iokaste, seine Ehefrau, ist also gleichzeitig seine Mutter.
Im Gegenteil zu Ödipus weißt Adam Bescheid alle Details seiner Schuld, versucht aber
mit aller Kraft und mit Verdunklungsmanöver sogar vor den Augen des Gerichtsrat und
Revisor - Walter seine Entlarvung zu verhindern. Adams Schuld ist das Folgendes: Er
hat die Jungfer Eve besucht und unter dem Vorwand und Betrugsversuch ihr ein Attest
im Namen ihrer Verlobten zu erstellen, um ihn vor dem in Ostindien drohenden
Militärdienst zu bewahren, versucht er sie in ihrem Privatzimmer als Gegenleistung zu
verführen. Ruprecht unerwartet kommt und vertreibt Adam ohne ihn genau erkannt zu
haben. Während des Spektakels fällt den Krug und zerbricht. Daraufhin beschließt
Ruprecht die Verlobung aufzukündigen während Frau Marthe ihren Krugers atz vor dem
Gericht sucht. Bisher wird sowohl der Verführer als auch der Krug-Zertrümmerer allen
außer Adam und Eve unbekannt.
4.1.Adam gegen Eve.
Eve ist bereit alles, aufzuopfern um ihre Liebe zu schützen. Das mit ihrer Genehmigung
Eintreffen Adams in ihrem Schlafzimmer, einem Intimbereich, wo ihr Verlobter –
Rubrecht, bisher noch nicht gewesen ist, war schon ein Schritt noch zu viel in den Augen
der strengen Moralerwartungen ihres Dorfes. Ruprecht, der die sexuellen Vorfälle
akribisch beobachtet, musste ab sofort eingreifen, bevor sich die Situation verschlimmert.
Ruprechts Interventionspflicht verhindert, dass die Situation sich eskaliert. Aber Eves
beharrliche Hilfe, ihrem Liebhaber den Fluchtweg zu finden, liegt der Zertrümmerung
ihres Mutters wertvollen Krug zugrunde. Laut Rahner(2010:43) ,, lässt sie sich mit
Adam auf ein Spiel ein, dessen Regeln sie nicht beherrscht, deshalb wird sie während des
Prozesses immer mehr gezwungen, sich selbst zu belasten."Adam hat einfach Eves
Naivität, romantische Einstellung und Aufopferungsgeist ausgenützt.
4.2.Adam gegen all die Dramatis Personae.
Darüber hinaus kommt Adams Amtsanmaßung, Überheblichkeit und Standesdünkel zur
Frage. Adam verkörpert die preußische feudalistische Arroganz, Vetternwirtschaft und
Korruption, die, das Verwaltungssystem und die Justiz kennzeichneten. Adam lügt über
die Verlust der Perücke; mal die Katze habe drin gejungt(242-244), mal sie sei beim Lesen einer
Akte im Flammen aufgegangen(1489-1498). Adam droht um Eve zur Lügerei zu
zwingen:[…]Ach, was! Du bist vernünftig. Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter, und einer
braucht ihn heut, und einer morgen.[…] Sieh, Kind, nimm dich in Acht, ich sage nichts
weiter(1103-1112). Adam ist daran gewohnt, die kleinen Leuten einzuschüchtern, in dem
er Kommunikationsprozess durch Ins-Wort-Fallen Taktik unterbricht: He! Der Büttel –
Schmeißt sie heraus dort, die verwünschte Vettel!(1200..) […]steht nicht der Esel, wie ein Ochse,
da?(v866).Adam wirkt höchst autoritär und mittels militärische Sprache: Adam- so? Einer
noch? Und wer, Er Klugschwätzer?; Ruprecht-Wer? Ja, mein Seel, da fragt Ihr mich; Adam- Nun
also! Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen; Walter- Fort! Weiter in der Rede! Lasst ihn
doch! Was unterbrecht ihr ihn, Herr Dorfrichter?(917-921) und idiomatische Ausdrücke taucht er
bedrohlich von Anfang bis Ende des Stückes auf: Adam- ich müsst ein Lügner sein[…](33),AdamJa, ja. Jedwedes Übel ist ein Zwilling.(1484) Adam- So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen
Lauf!(573).
5. Schluss
Offensichtlich hat er durch diese unangenehme Einstellung Eve zum Gehorsamkeit,
Unwahrheiten und Scheinloyalität eingeschüchtert . Wenn wir es schaffen können, dass
Adam Zwangsmittel, juristische Willkür, Nötigung und Erpressung auf Eve ausgeübt
hat, würde die Letztere zweifellos von der Untreu-Beschuldigung entlassen. Abgesehen
von der Rolle Walters sind all die Dramatis Personae sich
in irgendwelche
Beziehungskrise verwickelt: Ruprecht gegen Eve, dem er Untreu vorwirft. Licht gegen
Adam, deren Amtsstelle er übernehmen zielt, Veit gegen Ruprecht/ Marthe gegen Eve,
wegen eines hochgespannten Klimas der Misstrauen bei der familiär Eltern-Kinder
Beziehung. Die Zwischenmenschlichen Beziehungen sind durchaus von der Einstellung
und Vertonung Adams gefärbt. Also eine aufgeladene Atmosphäre der gegenseitigen
Verdächtigungen, Misstrauens und Schuldzuweisungen ist zu Tagesordnung geworden.
Heinrich von Kleist hat es hervorragend geschafft, seine Zeit und seine Ära auf die
Bühne darzustellen bzw. widerzuspiegeln.
6.Literaturverzeichnis.
1. von Kleist, Heinrich: Der Zerbrochene Krug. Stuttgart:Reclam,2001.
2. Link, Hannelore: Rezeptionsforschung.Stutgart:Urbantaschenbücher,1976.
3. Hauff, Jürgen et al : Methodendiskussion Arbeitsbuch zur Literaturwissenschaft. Frankfurt
am Main: Fischer Athenäum,1972.
4. Neis, Edgar: Interpretationen1, Interpretationen zeitgenössischer deutscher Kurzgeschichten.
Hollfeld/Obfr.: C. Bange Verlag.
5. Knapp, Gerhard, P: Dürrenmatt, Friedrich: Die Physiker: Grundlagen Und Gedanken zum
Verständnis des Dramas. Frankfurt am Main: Verlag Moritz Diesterweg, 1986.
6. Wellek/Waren: Theorie Der Literatur. West Berlin: Ullstein Bücher, 1969.
7.Stanzel,Frank,K: Typische Formen des Romans. Göttingen, Vandenhoeck, 1976.
8.Rahner, Thomas: Heinrich von Kleist Der Zerbrochene Krug.München:2010, Mentor
Verlag,2010.
9.Scholz, Ingeborg: Heinrich von Kleist Der Zerbrochene Krug. Hollfeld: Bange Verlag 2003.
Pelster, Theodor: Heinrich von Kleist Der Zerbrochene Krug. Stuttgart: Philipp Reclam.
Jr.2004.
10. Freud, sigmund: Über Träume und Traumdeutungen. Frankfurt am Main: Bücher des
Wissens.1976.
11. Diemer/Frenzel.(Hrsg.): Philosophie. Frankfurt am Main: Fischer, 1969.
12. Brenner, Charles: Grundzüge der Psychoanalyse. Frankfurt am Main:Fischer,1972.
13. Sculze, Winfred: Einführung in die Neuere Geschichte. Stuttgart: Verlag Eugen
Ulmer,1991
14.Freud, Sigmund: Darstellungen der Psychoanalyse. Frankfurt Main: Fischer, 1969.
15.Crone, Patricia: Die Vorindustrielle Gesellschaft; Eine Strukturanalyse. München:
Deutsche Taschenbuch Verlag,1992.
16.Jaeggi, Urs: Literatur und Politik, Ein Essay. Frankfurt Main: Suhrkamp,1972.
17. Markus, Georg: Freund Sigmund und das Geheimnis der Seele, Die Biographie. Berlin:
Ullstein, 1991.