TULLN – Stadtpfarrkirche St. Stephan und Dreikönigskapelle
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TULLN – Stadtpfarrkirche St. Stephan und Dreikönigskapelle
TULLN – Stadtpfarrkirche St. Stephan und Dreikönigskapelle (sogenannter Karner) Die Stadt Tulln war ursprünglich eine römische Siedlung am „Limes“ und daher dank der Lage am Donau-Fluss auch von entsprechender Bedeutung. Schon allein der spätantik-römischen Gründung wegen ist davon auszugehen, dass spätestens vor dem Zerfall des römischen Imperiums auch christliche Kultstätten zu vermuten sind, obwohl hierfür keine verlässlichen Belege vorzufinden sind. <--break->Der Standort der heutigen Stadtpfarrkirche ist – wie schon allein das Patrozinium auf den Erzmärtyrer Stephanus erkennen lässt – eine passauische Gründung: Der Passauer Bischof Peregrinus erhielt von Kaiser Heinrich II. 1014 den Grund für die Errichtung dieser Pfarrkirche. Der Westbau des heute existierenden Bauwerkes, der später durch die Doppeltürme erhöht worden ist, resultiert aus dieser Periode und beherbergt auch die (spätestens im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts eingefügten) reliefierten Gewändepfosten mit den ornamentalen Flechtband-Rahmungen und den männlichen Halbfiguren-Büsten (ohne Nimben!) teilweise mit erhaltenen Vortrags-Kreuzen: Trotz Restaurierungen (zuletzt 1907) ist das Portal in seiner Öffnung gewiss ursprünglich, das Tympanon stammt jedoch von 1907, dessen Konsolen sind jedoch alt und stammen spätestens aus der Zeit des Neubaus des Langhauses im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts. Die Gewändepfosten zeigen sowohl in den Ornamenten, als auch in den halbfigurigen Darstellungen in Bogenstellungen auffallende Übereinstimmungen mit karolingischen Buchmalereien in Kremsmünster und in Salzburg, so dass ihre ursprüngliche Bestimmung gewiss einem Vorgängerbau des 9. Jahrhunderts zuzuerkennen ist und ihre Montage in der Portalnische frühestens im 12. Jahrhundert, möglicherweise auch im Zusammenhang mit dem „Neulengbacher Erdbeben“ 1590 und spätestens mit Maßnahmen aus dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts postuliert werden kann (in situ sind authentische Abgüsse, die Original befinden sich im Stadtmuseum in Tulln). Das heutige Langhaus besteht in seinen Seitenschiff-Außenmauern von einem Umbau aus dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts und weist an den Außenmauern eine höchst bemerkenswerte Gliederung durch Lisenen mit schlanken Diensten und steilen Würfelkapitälen auf, die in rhythmischer Abfolge friesartige Doppelbögen aufweisen, wobei deren mittlere Konsole jeweils über dem Scheitelstein des jeweiligen romanischen Fensters angeordnet sind. Diese höchst originelle Lösung vielleicht ein Hinweis auf das Aussehen des romanischen Langhauses des Passauer Domes oder zumindest desjenigen von 1137 bis 1147 errichteten in St. Stephan in Wien? - schließlich residierten die Passauer Weihbischöfe stets in Wien und unterstand ihnen bis 1784 auch die Pfarre von Tulln! -) erfuhr in der von instrumentierten breiten Lisenen begleiteten Portal-Artikulierungen an der Südseite eine maßgebliche Vorbildwirkung für das Langhaus des Domes in Wiener Neustadt, dem sogenannten „Brauttor“ von um 1220. Ursprünglich dürfte wohl auch die Nordseite so gestaltet gewesen sein– das heute dort befindliche wohl romanische Portal ist nach dem Erdbeben von 1590 zweitverwendend eingesetzt worden. Im östlichen Bereich des südseitigen Seitenschiffes das Langhauses ist der romanische Fronbogen zur einstigen Seiten-Apsis erhalten, dessen Polychromierung deutliche Anregungen der oberitalienischen (veronesischen) Romanik aufweist und die wahrscheinlich über Salzburg vermittelt worden war. Eine maßgebliche Erweiterung und baukünstlerisch neuerliche Aufwertung erhielt die Kirche in frühhabsburgischer Zeit mit der Errichtung des Kapellen-artigen, außergewöhnlich harmonisch proportionierten Langchores im späten 13. Jahrhundert, wobei für die Struktur des Außenbaues die Bernhardi-Kapelle im Zisterzienserstift Heiligenkreuz (1295 geweiht, aber gewiss baulich vorher längst vollendet), für die Begleit-Dienste im oberen Bereich der Wandvorlagen im Innenraum das wenig früher vollendete Gewölbe des Langhaus-Mittelschiffes der Pfarrkirche von Pyhra anregend gewirkt hat. Bald nach 1300 wurde die nordseitige Marienkapelle an Stelle der ursprünglichen nördlichen Seitenapsis errichtet. Die Langhaus-Einwölbung erfolgte 1496 bis 1513. Zur Inneneinrichtung ist anzuführen, dass der heutige Hochaltar 1717 von Maria Antonia Fürstin Montecuccoli für die Karmelitinnenkirche (der sogenannten Prandtauer-Kirche, die de facto von Matthias Steinl entworfen worden war) in St. Pölten gestiftet worden war und 1786 nach Tulln übertragen wurde, während das Chorgestühl aus dem Rokoko 1792 aus der Kartäuserkirche in Gaming transferiert worden war. Die aufwendige gestaltete Rokoko-Kanzel aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhunderts wird M. Kölbl zugeschrieben, während das Seitenaltarbild „Ungläubiger Thomas“ F. A. Maulbertsch zuerkannt wird. Der Karner erfüllt in seiner Ost-Ansicht im Akkord mit dem edel proportionierten Chor der Pfarrkirche einen entsprechend malerischen Veduten-Wert. Nachdem die Kirche bis 1785 von einem Friedhof umgeben war, bestand in der Nachfolge von genuin frühchristlichen Bräuchen (wonach in den Kirchen zunächst weder getauft, noch bestattet werden durfte) der Bedarf nach einem tiefliegenden Beinhaus („carnarium“) und einer Taufkapelle („Baptisterium“), woraus sich in der hochmittelalterlichen Zeit derjenige traditionelle Typus entwickelte, der in Tulln sowohl im Tiefgeschoss (Beinhaus), als auch im Obergeschoss (Dreikönigskapelle) an der Wende vom ausklingenden 12. zum frühen 13. Jahrhundert errichteten „Tullner Karner“ vorzufinden ist. In der Struktur der „muratur“ (also des aufgehenden Mauerwerkes) durchaus dem Typus des Mauerbaues (=die Mauer ist tektonischer Faktor und zugleich Gestaltungsträger der Raumgrenze) der Spätromanik verpflichtet, gehört die gestalterische Instrumentierung bereits der beginnenden Frühgotik an (die definitive „gotische“ Struktur des Gliederbaues, wonach die Tektonik ausschließlich der gliedernden Struktur unterworfen ist und die Raumgrenze vom Illusionsfaktor der Glasmalerei gebildet wird, offenbart sich hier lediglich, dafür nachhaltig der gliedernden Instrumentierung, also den Folgen von Dreipassbögen in Form eines Blend-Triforiums, der aufstrebenden Ordnung der Dienstbündel und der spitzbogigen Lünetten). Das hoch liegende Stufenportal vertritt – im Vergleich zum Riesentor des Wiener Stephansdomes – eine deutlichere Artikulierung als Stufenportal unter dominierend wucherndem formalen Eigenleben der Kapitäle und der Gewändepfosten und eben auch der Archivolten und ist daher entwicklungsgeschichtlich dem Riesentor knapp vorher einzuordnen. Im klaren Innenraum, der von einer halbkugeligen Wölbung abgeschlossen, jedoch von einem vierteiligen Kreuzrippengewölbe über artikulierten Diensten gegliedert wird, separiert sich die spezifisch spätromanische Apsis (analog am Außenbau zylindrisch formuliert). Die ursprüngliche spätromanisch-frühgotische Ausmalung litt unter der Restaurierung von Franz Storno (aus Ödenburg) von 1873. Dr. Arthur Saliger