Wichtiges aus den Verbänden

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Wichtiges aus den Verbänden
Pillendreher
Meinungsbildungsorgan des Interessenverbandes Contergangeschädigter NRW e.V.
Ausgabe I / 2005
Wichtiges aus den Verbänden
Vorstand des Landesverbandes NRW tritt zurück!
Mitteilung des Landesvorstandes (Seiten 2 - 29) und Stellungnahme (Seiten 29 - 30)
Schwerpunktthema
Überblick über die Pflegeversicherung
Ein Artikel von Frau Rechtsanwältin Cornelia Ludwig (Seiten 31 - 51)
Bürgertelefone
Hilfsmittel
Neue Rufnummern (Seite 52)
Computer - Notebook für Kurzarmer
(Seiten 64 - 66)
Reisen
Gerichtsurteile
Fluggäste mit Behinderungen erhalten
Rechtsanspruch auf Betreuung (Seite 53)
Mindeststandards für die Kategorisierung
barrierefreier Beherbergungs- und
Gastronomiebetriebe in Deutschland
(Seiten 54 - 62)
Arbeitsrecht usw. (Seiten 67 - 71)
Krankenkasse / Pflegekasse (Seiten 71 - 73)
Vermischtes (Seiten 73 - 74)
Schnell noch hinzugefügt
Rehamesse und Auto (Seite 63)
Neue Internetplattform zu Qualität im
Gesundheitswesen (Seiten 75 - 76)
Euroschlüssel für Behindertentoilette hier
erhältlich !! (Seite 63)
Umfrage zur Barrierefreiheit - Ihre Meinung
zählt! (Seite 76)
Seite 1
Pillendreher
Ausgabe I / 2005
Editorial
Liebe und Leserinnen,
die Pillendreher-Ausgabe I / 2005 wurde und wird
tionen zu vermitteln. Die hohe Seitenzahl ergibt
leider von einigen tragischen Ereignissen
sich dadurch, dass wir wieder zwei Ausgaben zu-
überschattet.
sammen führen mußten und weil wir auf Wunsch
unserer Mitgliedsverbände - zugunsten der Seh-
Zum Einem wird der Landesvorstand NRW auf-
behinderten unter uns - gerne ab sofort Druckvor-
grund der auf den Seiten 2 - 29 genannten Er-
lagen möglichst in Arial mit Schriftgröße 12 und
eignisse auf seiner Mitgliederversammlung am 19.
1,5 Zeilenabstand herausgeben wollen.
März 2006 geschlossen zurücktreten, wodurch
unsicher ist, ob der Landesverband NRW und
Sehr glücklich sind wir über den von uns in Auf-
damit auch die Verbandszeitschrift „Pillendreher”
trag gegebenen Fachartikel „Überblick über die
fort bestehen wird, weil vermutlich kein anderer
Pflegeversicherung” von Frau Rechtsanwältin Cor-
Vorstand zur Verfügung stehen wird, der die gan-
nelia Ludwig, der nach unserer Meinung eine ge-
ze Arbeit übernehmen möchte.
lungene Mischung aus einer für den Laien verständlichen Einführung darstellt und zugleich die
Zum Anderen konnte die Pillendreher-Ausgabe I /
Fachleute unter uns befriedigt.
2005 nicht - wie ursprünglich vorgesehen - zwischen Weihnachten und Sylvester 2005 heraus
Die Artikelserie „Contergan - Die Hintergründe”
gebracht werden. Ein schwerer Wasserschaden in
wurde nicht fortgesetzt, weil nach Meinung einiger
den Wohnräumen von Andreas Meyer und die
Ortsverbände der „Pillendreher” „zukunftsorienterte-
anschließend über Wochen in Staubsaugermanier
re” Themen beleuchten soll (Seite 5).
dröhnenden Trocknungsgeräte sowie das illustre
Leben mit und aus Umzugskartons führten dazu,
Ich bedanke mich im Namen des gesamten
dass der Geschäftsbetrieb erheblich behindert
Vorstandes für das uns entgegen gebrachte
wurde.
Vertrauen und wünsche diesem Verband für die
Zukunft einen beherzten Vorstand.
Dennoch glauben wir, aus der Not eine Tugend
gemacht haben zu können und Euch mit einer
Mit den besten Wünschen
noch kurzfristig um 12 Seiten erweiterten Pillendreher-Ausgabe I / 2005 (ursprünglich 64 Seiten)
Andreas Meyer
einige wertvolle und zuletzt aktualisierte Informa-
1. Vorsitzender
Pillendreher
Seite 2
Ausgabe I / 2005
Wichtiges aus den Verbänden
Mitteilung des Landesvorstandes NRW
Liebe VorstandskollegInnen, liebe Mitbetroffene, liebe Eltern, liebe Leserinnen und Leser!
Der Vorstand des Landeverbandes NRW (Andre-
Was ist geschehen?
as Meyer, Sofia Plich, Wolfgang Schasse, Angelika Scherer und Michael Rosenberg) wird auf der
Auf unserer außerordentlichen Mitgliederver-
nächsten Jahreshauptversammlung im Jahr 2006
sammlung am 30.04.2005 hat der wiedergewählte
geschlossen von seinen Ämter zurück treten und
Vorstand (Andreas Meyer, Sofia Plich, Wolfgang
damit seine Arbeit beenden.
Schasse) nach zwei Entlastungsdurchgängen und
zwei Wahldurchgängen die Wahl nicht mehr an-
Michael Rosenberg (Beisitzer), Wolfgang Schasse
genommen.
(Vermögensverwalter) und Andreas Meyer (1.
Vorsitzender) werden an anderer Stelle - außer-
Schon vorher wurde festgestellt, dass nur der bis
halb der bestehenden Verbände - die bisherige
dorthin amtierende Vorstand in der bestehenden
Arbeit fortsetzen.
Ämterkonstellation kandidieren möchte. Keiner
der anwesenden Vertreter der Ortsverbände
Sofia Plich (stellvertretende Vorsitzende) wird
stellte sich als Kandidat für das Vorstandsamt und
dem Landesverband NRW (LV NRW) ebenfalls
als Beisitzer zur Verfügung.
nicht mehr zur Verfügung stehen. Angelika Scherer (Beisitzerin) ist noch unentschlossen, ob und
Es erging der Beschluss, die Geschäftsführung
wo sie sich weiterhin engagieren möchte.
dem zuständigen Vereinsregistergericht zu
übergeben. Der Vorstand wurde beauftragt, die
Warum?
Geschäfte des Vereins solange fortzuführen.
Der Landsverband NRW stand im Geschäftsjahr
Das zuständige Vereinsregistergericht entschied
2005 kurz vor seiner Auflösung.
jedoch, dass die Bestellung eines Notvorstandes
nicht erforderlich ist, weil nach § 7 Satz 4 der Sat-
Pillendreher
Seite 3
Ausgabe I / 2005
zung des LV NRW der vorher amtierende Vor-
derversammlung (30.04.2005) einberufen. Der
stand bis zur Neuwahl im Amt bleibt.
vermeintliche Fehlbetrag erwies sich aber als ein
Rechenfehler des Kassenprüfers. Bei der Berech-
Um den LV NRW nicht seinem Schicksal zu über-
nung der Gesamteinnahmen hielt der Kassenprü-
lassen, beschloß der amtierende Vorstand (An-
fer den Übertrag eines Monatssaldos / Kontostan-
dreas Meyer, Sofia Plich, Wolfgang Schasse, An-
des irrtümlich für eine Einnahmensumme. Bei der
gelika Scherer und Michael Rosenberg), vorerst
erneuten Prüfung (18.04.2005) wurde festgestellt,
nicht von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch zu ma-
dass die Kasse korrekt ist und mit den Konten
chen und die notwendigsten Vereinsgeschäfte bis
übereinstimmt.
zur nächsten Jahreshauptversammlung im Jahr
2006 weiter zu führen. Auch sollte so ein wichti-
Dennoch wurde der Vorstand auf der außeror-
ges Projekt wie der „Pillendreher” Euch allen bis
dentlichen Mitgliederversammlung (30.04.2005)
dorthin noch zur Verfügung stehen.
erst nach zwei Durchgängen bei einer Ja-Stimme
und 3 Enthaltungen entlastet. Die Entlastung im 2.
Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?
Durchgang kam zustande, nachdem der Vorstand
den anwesenden Vertretern der Mitgliedsverbän-
A u f d e r J a h r e s h a u p t v e r s a m m l u n g vo m
den mitteilte, dass ein nicht entlasteter Vorstand
19.03.2005 und der dann anschließend durch-
sich nicht wieder wählen lassen würde und die
geführten außerordentlichen Mitgliederversamm-
Mitgliedsverbände infolgedessen einen Vorstand
lung am 30.04.2005 sah sich der Vorstand des LV
aus ihren Reihen bilden müssten.
NRW von den Vertretern der Ortsverbände
Bielefeld-Ostwestfalen, Bonn, Düsseldorf und
Im Verlauf der Jahreshauptversammlung
Ruhrgebiet Nord-Ost (OV Ruhrgebiet NO) einer
(19.03.2005) und der außerordentlichen Mitglie-
erheblichen Kritik ausgesetzt, die aus der Sicht
derversammlung (30.04.2005) wurden dann auch
des LV-Vorstandes eine vertrauenswürdige Zu-
noch Kritikpunkte benannt, die im Wesentlichen
sammenarbeit in Zukunft unmöglich macht.
folgendermaßen skizziert werden können:
Was kritisierten die Ortsverbände?
Die Arbeit des Landesverbandsvorstandes (LVVorstandes) wäre nicht „zukunftsorientiert” und
Gegenstand dieser Kritik war zunächst ein angeb-
nicht auf die Belange der Einzelmitglieder ausge-
licher Fehlbetrag in Höhe von 227,61 i, den einer
richtet, wenn er immer wieder Auseinandersetzun-
der Kassenprüfer errechnet hatte. Aus diesem
gen mit dem Bundesverband (BV) suche1.
Grunde wurde ein weiterer Kassenprüfungstermin
1
(18.04.2005) und eine außerordentliche Mitglie-
O V D üs s el do r f , Su s an n e Uk s c h e ws k i , 1.
Vorsitzende; 30.04.2005.
Pillendreher
Seite 4
Ausgabe I / 2005
Gemeint war damit u.a. die Tatsache, dass der
15. Mai 2004 hätte verlegt werden müssen6. Auf
LV-Vorstand gegenüber dem Bundesvorstand
einige Teilnehmer wären dadurch unvorhergese-
kritisierte und sodann durch einen Antrag auf der
hene Kosten wie Ticketumbuchungen und ge-
Bundesjahreshauptversammlung vom 15.05.2004
platzte Hotelreservierungen zu gekommen7. Ins-
mit einem einstimmig ergangenen Beschluss ver-
gesamt wäre dieses Vorgehen nicht im Sinne der
hinderte, dass der in 2005 durchgeführte Bundes-
Mitglieder gewesen8. Vielmehr habe Andreas
rechtskongreß von der Firma Grünenthal GmbH
Meyer nur seine eigenen Interessen damit ver-
mitgesponsert wird2.
treten9. Selbst, wenn die anwaltliche Rüge sachlich gerechtfertigt war, hätte man sich durch ein
Die wertende Darstellung dieses Vorganges im
Unterlassen der Rüge gegenüber dem Bundes-
Tätigkeitsbericht 2004 sei diffamierend oder zu-
verband großzügig zeigen können und sollen, um
mindestens taktisch unklug, weil der LV-Vorstand
die gegenseitigen Gräben nicht weiter zu vertie-
schließlich alle seine Mitglieder verträte und nicht
fen10. Man würde sich von dieser Vorgehensweise
nur sich selbst 3.
ausdrücklich distanzieren11.
Insgesamt habe der amtierende LV-Vorstand ein
Weiter wurde die im Tätigkeitsbericht 2004 im
„verschobenes Feindbild”, wenn er immer wieder
übrigen als angeblich für zu polemisch verfasste
die Firma Grünenthal GmbH als „Feind” ansehe4.
Darstellung der Ereignisse um die Mitwirkung der
Man solle sich wie andere Organisationen im Aus-
Bundesverbandsvorsitzenden, Margit Hudelmaier,
land auch von Grünenthal finanziell unterstützen
am von der Firma Grünenthal gesponserten 6.
lassen5.
6
lichen Rüge des LV NRW der ursprünglichen Ter-
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; ähnlich OV
Bonn, Jörg Bruchmüller; 19.03.2005; OV Ruhrgebiet
NO, Felicitas Ingendahl, kein Widerspruch von Frank
Ingendahl,1. Vorsitzender; 30.04.2005.
min der Jahreshauptversammlung des Bundes-
7
Kritisiert wurde auch, dass aufgrund einer anwalt-
verbandes kurzfristig vom 27. März 2004 auf den
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; ähnlich OV
Bonn, Jörg Bruchmüller; 19.03.2005 und OV Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein Widerspruch von
Frank Ingendahl; 30.04.2005.
8
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; ähnlich OV
Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein Widerspruch
von Frank Ingendahl; 30.04.2005.
2
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; 19.03.2005.
9
3
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; 19.03.2005.
4
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; 19.03.2005.
OV Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein
Widerspruch von Frank Ingendahl; 30.04.2005.
10
OV Bonn, Jörg Bruchmüller und Kassenprüfer
Christoph Lechtenböhmer; 19.03.2005.
5
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; ähnlich OV
Bonn, Jörg Bruchmüller, 1. Vorsitzender; 19.03.2005.
11
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; 19.03.2005.
Pillendreher
Seite 5
Ausgabe I / 2005
Symposium „Die Contergankatastrophe - Eine
gekennzeichnet17.
Bilanz nach 40 Jahren“ des Deutschen Orthopädischen Geschichts- und Forschungsmuseums
Überhaupt könne der LV-Vorstand nicht für eine
e.V. der Orthopädischen Universitätsklinik Stiftung
Auseinandersetzung mit Grünenthal wegen einer
Friedrichsheim in Frankfurt am Main am 20. Sep-
gerechteren Entschädigung stehen und gleich-
tember 2003 kritisiert. Das Halten eines Vortrages
zeitig eine „zukunftsorientierte” Vereinsarbeit
auf einer von Grünenthal gesponserten Veranstal-
durchführen wollen. Diese Zielsetzungen schlös-
tung würde den Vortragenden nicht automatisch
sen sich gegenseitig aus, weil man beide Zielvor-
12
zum Aushängeschild des Veranstalters machen .
gaben nicht nebeneinander verwirklichen könne18.
Auch sei der „Pillendreher” nicht dafür da, das
Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob denn der
Thema Contergan aus historischer Sicht zu be-
derzeit amtierende Vorstand gegebenenfalls in
leuchten13. Man solle das Thema vorerst lieber
einer Ämterkonstellation kandidieren könne, bei
ganz heraus lassen14. Dort sollten „zukunftsbezoge-
der Andreas Meyer nicht 1. Vorsitzender ist19.
ne” und „praktische Beiträge” für die Mitglieder
bereitgestellt werden. Insgesamt wären die „Beiträ-
Was waren die Gegenargumente das Landes-
ge” im „Pillendreher“ (Ausgabe I / 2004) zu rück-
vorstandes?
wärtsgewandt gewesen15. Zudem ließe der Beitrag
von Andreas Meyer zur Historie der Contergansa-
Der LV-Vorstand hielt dem entgegen, dass er es
che eine journalistische Trennung von Fakten und
schon immer als seine verbandspolitische Zielset-
Meinung vermissen; so dass den Lesern eine
zung angesehen und dies schon mehrfach ge-
Wertung der Ereignisse aufgedrängt bzw. vorweg-
äußert hat, auf LV-Ebene die Beratungssituation
genommen werde16. Angeblich hätte Andreas
aller Betroffenen zu professionalisieren. Für ihn ist
Meyer den Artikel in seiner Eigenschaft als 1. Vor-
es kein Widerspruch, andere Contergangeschä-
sitzender des LV NRW verfasst und entsprechend
digte bei der Durchsetzung der von ihnen benötigten Sozialleistungen zu unterstützen, und - schon
OV Düsseldorf, Susanne Ukschewski; 19.03.2005.
auch wegen der Folgeschäden20 - gleichzeitig da-
OV Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein
Widerspruch von Frank Ingendahl; 30.04.2005.
für zu sorgen, dass Grünenthal zukünftig durch
12
13
14
OV Ruhrgebiet NO, Frank Ingendahl; 30.04.2005.
15
OV Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein Widerspruch von Frank Ingendahl; ähnlich OV Bielefeld-Ostwestfalen, Bärbel Drohmann, 1. Vorsitzende, durch
Delegation an Frank Ingendahl; 30.04.2005.
16
OV Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein
Widerspruch von Frank Ingendahl, ähnlich OV
Düsseldorf, Susanne Ukschewski; 30.04.2005.
eine gerechte Entschädigung diese Leistungen
17
OV Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein
Widerspruch von Frank Ingendahl; 30.04.2005.
18
OV Ruhrgebiet NO, Felicitas Ingendahl, kein
Widerspruch von Frank Ingendahl; 30.04.2005.
19
OV Ruhrgebiet NO, Frank Ingendahl; 30.04.2005.
20
Stellvertretende Vorsitzende Sofia Plich;30.04.2005.
Pillendreher
Seite 6
Ausgabe I / 2005
übernimmt21.
Internetseite die Projekte “Besuchsdienst” und
“Arbeitskreis ‘Optimierung der Beratungssituation’”
Trotz der historischen Tatsachen würde man sich
benannt. Mit dem Projekt “Besuchsdienst” wollte
als contergangeschädigte Bevölkerungsgruppe
der LV-Vorstand den Ortsverbänden Geldmittel
lediglich aufgrund der Ursache der Behinderung
zur Verfügung stellen, damit diese ihre Einzelmit-
aber nicht hinsichtlich des alltäglichen Problem-
glieder besuchen, um eine Bestandsaufnahme
feldes von anderen behinderten Menschen unter-
der Problemsituation vor Ort vornehmen zu kön-
scheiden. Auch hätten der Rücklauf der Postkar-
nen. Beim “Arbeitskreis ‘Optimierung der Beratungs-
tenumfrage und ebenso die zwecks der Adressen-
situation’” sollten dann an einem Seminars-
aktualisierung geführten Telefonate ein für ihn
wochenende die Ergebnisse dieser Bestandsauf-
erschreckendes Bild der persönlichen Lebens-
nahme zusammen getragen werden, um gemein-
situation vieler Betroffener ergeben. Schon allein
same Lösungen zu finden oder die Problemfelder
aus diesem Grunde hätte der Themenkomplex
zu bündeln, die nur auf Landesebene gelöst wer-
Professionalisierung der Beratungssituation ober-
den können. An einem Tag dieses Wochenendes
ste Priorität, weil man nur so auf die akuten Pro-
sollten die Teilnehmer durch einen Vortrag zu ei-
blemlagen der Betroffenen reagieren könne22.
nem wichtigen Fachthema weiter gebildet werden,
damit dieses Wissen für die Beratung der Einzel-
Das Ziel des LV-Vorstandes sei es, den Verband
mitglieder genutzt werden kann. Der Arbeitskreis
als Beratungsdienstleister auszubauen. Und man
und der Besuchsdienst sollten zu einer regelmäßi-
habe diese Zielsetzung auch kontinuierlich umge-
gen Einrichtung werden. An den Arbeitskreis hät-
setzt. Die Zeitung und die hierfür für das Jahr
ten auch interessierte Einzelmitglieder teilnehmen
2004 gestellten Selbsthilfeförderungsanträge wä-
können, weil er für 54 behinderte Teilnehmer plus
ren hierzu nur ein Anfang gewesen. Der LV-Vor-
Begleitpersonen vorgesehen war.
stand verwies auf die im Tätigkeitsberichts 2004
auf den Seiten 36 - 40 nachlesbaren und für das
Auf diese Weise wurden nach der Meinung des
Geschäftsjahr 2005 gestellten Projektförderung-
LV-Vorstand weitere Wege zum Ausbau des LV
anträge mit einem Antragsvolumen von 59.177,13
NRW als Beratungsdienstleister beschritten, die
Euro23.
ersichtlich auf die akute Problemlage der Einzelmitglieder eingingen24. Es käme lediglich darauf
Als Kernstücke sind dort neben dem Pillendreher
an, ob das beantragte Fördervolumen auch bewil-
und einer für die Verbände interaktiv nutzbaren
ligt wird und ob die Ortsverbandsvertreter den
vom LV-Vorstand aufgestellten Projektrahmen
21
1. Vorsitzender, Andreas Meyer; 30.04.2005.
22
1. Vorsitzender, Andreas Meyer; 30.04.2005.
23
A. Meyer; Beisitzer Michael Rosenberg; 30.04.2005.
24
Andreas Meyer; 30.04.2005.
Pillendreher
Seite 7
Ausgabe I / 2005
auch mit Leben füllen könnten25.
Eigenschaft als 1. Vorsitzender des LV NRW
sondern als Privatperson und Autor verfasst hat.
Der LV-Vorstand werde aber darüber hinaus gera-
Entsprechend hat er den Beitrag auch nur mit
de wegen der mißlichen Lage vieler Betroffener
seinem bloßen Namen gekennzeichnet30.
das für ihn ebenso zukunstsorientierte und praxisnahe Ziel einer gerechten Entschädigung parallel
Natürlich hätte der Artikel die Handschrift von An-
dazu nicht aus den Augen verlieren26.
dreas Meyer gehabt31. Es sei im übrigen generell
zulässig und üblich, dass ein Autor von ihm doku-
Auch habe die erste Ausgabe der Zeitschrift „Pillen-
mentierte Sachverhalte persönlich bewertet, so-
dreher” einen für jeden ersichtlichen Informations-
lange diese Sachverhalte durch die Bewertung
schwerpunkt zu „praxisnahen” und „zukunftsorien-
nicht verfälscht werden32.
tierten” Themen gehabt27. Man habe den Beitrag
zur Contergangeschichte angeboten, weil es eine
Entsprechend hätte Andreas Meyer auch seine
historische Aufarbeitung dieses Themas innerhalb
persönliche Bewertung in der Einleitung nieder-
der Verbände bisher nicht gegeben hat. Wer sich
geschrieben33. Darüber hinaus sei es eine histori-
von den Lesern dahingehend hätte informieren
sche Tatsache, dass die Korruption immer wieder
wollen, hätte das nun tun können. Und wer sich
ein wesentlicher Bestandteil der dargestellten Er-
nicht hätte informieren wollen, der hätte den ent-
eignisse bis in die Gegenwart war34. Wenn im wei-
sprechenden Artikel eben nicht lesen brauchen.
teren Verlauf der dokumentarischen Darstellung
Man solle doch den Lesern die Entscheidung da-
Wertungen enthalten seien, seien dies Wertungen
rüber selbst überlassen28. Auch könne man sich
der Staatsanwaltschaft Aachen, aus deren Ankla-
nicht vorstellen, dass die Einzelmitglieder nicht an
geschrift Andreas Meyer weitestgehend und für
einer historischen Behandlung des Themas inter-
den Leser kenntlich zitiert hat35. Im übrigen wür-
essiert sind29.
den die Wertungen der Staatsanwaltschaft Aachen auch seine Meinung zu den Tatsachen wie-
Im übrigen hätte jeder, der den besagten Artikel
derspiegeln36.
tatsächlich gelesen hat, feststellen können, dass
Andreas Meyer den Beitrag nicht in seiner
25
26
30
Siehe „Pillendreher” Ausgabe I / 2004; Seite 13.
Andreas Meyer; 30.04.2005.
31
Sofia Plich; 30.04.2005.
Andreas Meyer; Michael Rosenberg; 30.04.2005.
32
Andreas Meyer; 30.04.2005.
33
Siehe „Pillendreher” Ausgabe I / 2004; Seite 13 ff.
34
Andreas Meyer; 30.04.2005.
Siehe „Pillendreher” Ausgabe I / 2004; Seite 14 ff.
Andreas Meyer; 30.04.2005.
27
Michael Rosenberg; 30.04.2005; von insgesamt 24
Seiten der Ausgabe I / 2004 entfielen auf die
historische Abhandlung lediglich 4 Seiten.
28
Michael Rosenberg; 30.04.2005.
35
29
Sofia Plich; 30.04.2005.
36
Pillendreher
Seite 8
Ausgabe I / 2005
Auch ginge es dem LV-Vorstand nicht in erster
Die Ortsverbandsvertreter wurden vom LV-Vor-
Linie darum, an dem Bundesverband herum zu
stand darauf verwiesen, dass die Jahreshauptver-
kritisieren. Vor dem Hintergrund der bestehenden
sammlung des LV NRW am 20.03.2004 bezüglich
Beratungsaufgaben wären die Auseinanderset-
des Sponsoring des Kongresses durch die Firma
zungen mit dem Bundesverband eher lästig. Der
Grünenthal GmbH folgende Anträge einstimmig
Bundesverband sei unwichtig, es sei denn, er bie-
beschlossen hat41:
dere sich an Grünenthal an37.
„1. Der LV NRW beantragt auf der JahreshauptGemeint damit ist, dass der LV-Vorstand seit eini-
versammlung des BV, dass Grünenthal und sämt-
ger Zeit kritisch beobachtet, dass der Bundesvor-
liche Unternehmen der Mäurer & Wirtz-Gruppe
stand den kontinuierlichen Versuch unternimmt,
nicht als Mitsponsor bei dieser Veranstaltung42 in
eine scheinbar schon längst vollzogene Annähe-
Anspruch genommen werden.
rung zwischen dem Bundesvorstand und der Firma Grünenthal GmbH schrittweise unter den
2. Wird der Antrag in der Jahreshauptversamm-
Verbandsvertretern hoffähig zu machen38.
lung des BV abgelehnt, werden sämtliche Betroffene in den Mitgliedsverbänden LV NRW über
Im Tätigkeitsbericht 2004 hat der LV-Vorstand
diese Sachverhalt schriftlich informiert und dahin-
versucht darzulegen, dass es sich bei diesen Ver-
gehend befragt, ob eine Mitgliedschaft im BV
suchen nicht um Einzelfälle sondern um eine fort-
noch tragbar ist.”43
schreitende Entwicklung handelt39. Der offensichtlichste Höhepunkt dieser Entwicklung war - neben
Die Ortsverbandsvertreter wurden vom LV-Vor-
der Mitwirkung an dem grünenhalgesponserten
stand zudem mehrfach ausdrücklich daran erin-
Symposium durch die Bundesvorsitzende Margit
nert bzw. darüber aufgeklärt, dass es bereits unter
Hudelmaier im September 2003 - der Versuch des
der Ära Schleifenbaum unbestrittenerweise stets
Bundesvorstandes, von den Verbandsvertretern
ein enges Zusammenspiel zwischen Grünenthal
mit der Zustimmung zum Exposé des Bundes-
und dem Bundesverband gab und seitens des LV
rechtskongresses auch beiläufig eine Zustimmung
NRW schon deshalb eine deutliche Distanzierung
für ein Sponsoring des Kongresses durch die Fir-
des Bundesverbandes von der Firma Grünenthal
40
ma Grünenthal GmbH zu erhalten .
gefordert wird44. Sie wurden ferner ausdrücklich
41
Andreas Meyer; 19.03.2005; Protokoll der Jahreshauptversammlung des LV NRW vom 20.3.2004, siehe die Seiten 2 + 3.
37
Andreas Meyer; Michael Rosenberg; 30.04.2005.
38
Siehe Tätigkeitsbericht 2004, Seiten 42 - 45.
42
Bundesrechtskongreß des Bundesverbandes.
39
Siehe Tätigkeitsbericht 2004, Seiten 42 - 45.
43
Siehe Tätigkeitsbericht 2004, Seite 44.
40
Siehe Tätigkeitsbericht 2004, Seite 42.
44
A. Meyer; 19.03.2005; Tätigkeitsbericht 2004, S. 44.
Pillendreher
Seite 9
Ausgabe I / 2005
daran erinnert bzw. darüber aufgeklärt, dass die
Z u r B u n d esjahreshauptversam mlung a m
Geschichte des Bundesverbandes immer wieder
16.03.2002 stellte der LV NRW einen Antrag zur
von Finanzskandalen und Korruptionsvorfällen
Tagesordnung mit dem Wortlaut:
erschüttert wurde45.
„Wir beantragen, dass sich der Bundesverband
Zudem wurde darauf verwiesen, dass der LV
und der Bundesvorstand von den ehemaligen
NRW durch entsprechende Anträge dem Bundes-
Vorsitzenden bzw. Vorstandsmitgliedern des Bun-
vorstand die Chance gegeben hat, sich von der
desverbandes, Herrn Rechtsanwalt und Notar
Ära Schleifenbaum und damit der negativen Ver-
Karl-Hermann Schulte-Hillen und Herrn Hans-Hel-
gangenheit des Bundesverbandes zu distanzie-
mut Schleifenbaum (Kaufmann) sowie der ehema-
ren46. Die Ortsverbandsvertreter wußten spätes-
ligen Geschäftsführerin und Immobilienmalerin
tens seit dem Tätigkeitsbericht 2004 des LV
Frau Hilke Blum distanziert und diese nicht mehr
NRW, dass sich der Bundesvorstand bis heute
zu Ehrenfeiern und anderen feierlichen Anlässen
weigert, sich von Herrn Schleifenbaum und ande-
geladen und geehrt werden.”
ren zu distanzieren47.
Der LV NRW begründete diesen Antrag mit einer
Auf welche Vorkommnisse im Bundesverband
entsprechenden Darstellung der Ereignisse und
hat der Landesvorstand Bezug genommen?
mit dem persönlichen Statement:
Wegen der Tragweite der Ereignisse, auf denen
„Wir sind der Ansicht, dass, solange unserem An-
der LV-Vorstand Bezug nahm, und der Tatsache,
trag nicht entsprochen wird, das öffentliche Anse-
dass offensichtlich die meisten von Euch davon
hen des Bundesverbandes nachhaltig geschädigt
nicht unterrichtet wurden, sehen wir uns verpflich-
wird und jederzeit zu Recht in ein zwielichtiges
tet, sie Euch hier mitzuteilen:
Licht gerückt werden kann. Dies umso mehr, als
es zu diesen Sachverhalten entsprechende Ge-
Hervorzuheben ist dabei, dass die genannten Vor-
richtsurteile gibt. Auch bedeutet eine Ablehnung
gänge - soweit die namentlich gekennzeichneten
unseres Antrags, dass sich der Bundesverband
Passagen über die Personen und Akteure durch
und der Bundesvorstand mit den dargestellten
Fettdruck hervorgehoben wurden - gerichtsfest
Vorkommnissen und dem Wirken des genannten
behauptet werden können bzw. bisher nicht er-
Personenkreises identifiziert und es gutheißt. Dies
folgreich bestritten werden konnten.
würde unweigerlich die Frage aufwerfen, welche
45
A. Meyer; 19.03.2005; Tätigkeitsbericht 2004, S. 44.
Interessen der Bundesvorstand und der Bundes-
46
A. Meyer; 19.03.2005; Tätigkeitsbericht 2004, S. 44.
47
Siehe Tätigkeitsbericht 2004, Seite 43.
verband eigentlich noch vertritt.”
Pillendreher
Seite 10
Ausgabe I / 2005
In der Darstellung der Ereignisse wurde auf fol-
Verhandlung eine Laudatio hielt. Später wurde er
gende Personen und Sachverhalte eingegangen:
Duzfreund des Firmensyndikus48 von Grünenthal,
Herbert Wartensleben. Mit Herrn Rechtsanwalt
Rechtsanwalt und Notar Karl-Hermann
Herbert Wartensleben und Herrn Hans-Helmut
Schulte-Hillen:
Schleifenbaum korrumpierte er die Interessenvertretung der Conterganopfer zugunsten Grünent-
Herr Rechtsanwalt und Notar Karl-Herrmann
hals nachhaltig mit der Folge, daß diese ihre
Schulte-Hillen, Vater eines Contergan-Kindes,
Schadensersatzgelder in Höhe von 100 Millionen
Nebenklägervertreter im Alsdorfer Contergan-
DM in die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kin-
Strafprozeß, Mitbegründer und langjähriger Vorsit-
der” (heute bzw. seit Kurzem „Conterganstiftung
zender des Bundesverbandes, brachte sich in Mi-
für behinderte Menschen” genannt) einbringen
ßkredit, weil er den Eltern im Strafprozess ver-
mußten, die ihnen heute lediglich eine nach unten
sprochen hatte, die Kosten für seine Nebenklage-
gestaffelte Höchstrente von 545,00 i ausschüttet
vertretung würden nicht mehr als 20,- DM pro El-
und ihnen aufgrund einer Bestimmung in dem
ternpaar betragen, dann aber Zahlungen von
dafür damals erlassenen Stiftungsgesetzes ver-
300,- DM und 500,- DM für vergangene und zu-
bietet, Regreßansprüche wegen ihrer Folgeschä-
künftige Leistungen verlangte (Artikel im Spiegel
den gegenüber Grünenthal geltend zu machen
Nr. 17 / 1969). Während seiner Amtszeit im Bun-
(Einzelheiten unten).
desvorstand verschwand ein Spendenbetrag in
Höhe von knapp 100.000,- DM, über dessen Ver-
Kaufmann Hans-Helmut Schleifenbaum:
bleib er keine Rechenschaft ablegen konnte (Artikel im Spiegel Nr. 17 / 1969). Entlastung wurde
Herr Hans-Helmut Schleifenbaum, auch Vater
ihm nur erteilt, um ihm seine damals angestrebte
eines Contergankindes, wurde am 22.4.1972 zum
Lizenz als Notar nicht zu vereiteln. Aus demsel-
1. Vorsitzenden des Bundesverbandes gewählt.
ben Grunde wurde auch kein Strafverfahren eingeleitet. Er wurde danach nicht mehr wieder ge-
Im Jahre 1972 gab es Verhandlungen zwischen
wählt.
dem Bundesverband und der Bundesregierung
über das besagte Stiftungsgesetz, daß Leistungen
Schon als Nebenklägervertreter im Alsdorfer Straf-
in Form von einmaligen Kapitalabfindungen und
prozeß brachte er seine Sympathie für den Pro-
lebenslangen Renten an die Betroffenen erbrin-
zeßgegner, der Conterganherstellerfirma Chemie
gen sollte. Das Gesetz sollte in Kraft treten, wenn
Grünenthal GmbH, zum Ausdruck, indem er dem
die Eltern der Betroffenen der Einbringung der
Mitangeklagten Chauvistré, nachdem dieser im
48
Verlaufe des Prozesses verstarb, während der
Ein Firmensyndikus ist der (oft geschäftsführende)
Rechtsbeistand (Justiziar) eines Unternehmens.
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
durch einen Vergleich vom 10.4.1970 seitens der
In der Folgezeit gab es mehrere konspirative Tref-
Firma Grünenthal GmbH zu zahlenden 100 Millio-
fen zwischen Herrn Schleifenbaum, Herrn Schul-
nen DM Schadensersatzgelder in die Stiftung zu-
te-Hillen und dem Grünenthaltreuhänder Wartens-
stimmten. Die Firma Grünenthal hatte ein Inter-
leben. Während sein Intimus Schulte-Hillen im
esse an dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, weil
Hintergrund agierte, begann Herr Schleifenbaum,
nach seinem § 23 I (alte Fassung des Gesetzes)
die vom Bundesverband zu vertretenen Eltern
die Geltendmachung von allen weiteren Scha-
über den Stand der damals mit der Bundesregie-
densersatzansprüchen, insbesondere für die heu-
rung geführten Stiftungsverhandlungen falsch zu
te nicht mehr bestreitbaren und äußerst schmerz-
informieren, um sie zugunsten Grünenthals dazu
haften gesundheitlichen Folgeschäden, gesetzlich
zu bewegen, der Stiftungslösung zuzustimmen.
ausgeschlossen wurde.
Nachdem der Elterntreuhänder Schreiber die ElWährend der Verhandlungen über die Ausgestal-
tern der Betroffenen in einem Schreiben über die
tung des Stiftungsgesetzes wurde Herr Hans-Hel-
tatsächlichen Ereignisse unterrichtete, nahm Herr
mut Schleifenbaum zusammen mit seinem Inti-
Schleifenbaum in Rundschreiben offen Partei für
mus Herrn Rechtsanwalt und Notar Karl-Hermann
die Grünenthaltreuhänder Dörr und Wartensle-
Schulte-Hillen Duzfreund des damaligen Leiters
ben, um den Elterntreuhänder Schreiber in der
der Rechtsabteilung Grünenthals, Rechtsanwalt
Elternschaft zu diskreditieren. Neben vielen Ver-
Herbert Wartensleben.
leumdungen gegen den Elterntreuhänder Schreiber fand die Parteinahme Schleifenbaums zu-
Die Familie Wartensleben wohnt mit der Familie
gunsten Grünenthals noch einen Höhepunkt da-
Wirtz, den Eigentümern der Grünenthal GmbH, in
rin, daß er einem dieser Rundschreiben ein For-
unmittelbarer Nachbarschaft und ist auch sonst
mular beilegte, mit dem die Eltern dem Treuhän-
eng mit ihr verbunden. Rechtsanwalt Herbert War-
der Schreiber sein Treuhandmandat entziehen
tensleben war zu dem damaligen Zeitpunkt zu-
und den Grünenthaltreuhändern Dörr und War-
sammen mit dem Rechtsanwalt und Notar Dr.
tensleben die Gesamttreuhänderschaft über die
Günther Dörr Treuhänder der Firma Grünenthal in
Vergleichsmillionen übertragen sollten.
dem Treuhändergremium, daß die Vergleichsmillionen der Geschädigten zu verwalten hatte. Dr.
Wie eng das Verhältnis von Herrn Schleifenbaum
Dörr war Strafverteidiger des Angeklagten Dr. Dr.
zu dem Grünenthaltreuhänder Wartensleben war,
Hans Werner von Schrader-Beielstein im Conterg-
wird durch die Tatsache belegt, daß er es zuließ
anstrafprozeß. Der Treuhänder der Eltern war der
und auch später nicht ahndete, daß der damalige
Rechtsanwalt Dr. Dr. Rupert Schreiber.
Vermögensverwalter des Bundesverbandes Herr
Overlak ihn auf einer Jahreshauptverammlung
Pillendreher
Seite 12
Ausgabe I / 2005
des Landesverbandes Baden-Würtemberg vertrat
und die Redaktion des Stern zu senden.
und den Grünenthaltreuhänder Wartensleben als
seinen Rechtsberater mitbrachte, obwohl Herr
In diesem Schreiben ließ er Frau Blum u.a. mit-
Wartensleben als Vertreter Grünenthals nicht ge-
teilen, daß der Bundesvorstand sich mit der
laden werden durfte und dieser auch nicht gela-
geplanten Gedenkveranstaltung "in keinster Wei-
den worden war. Die Kumpanei Schleifenbaums
se identifizieren" könne. Verwiesen wurde auf ei-
mit Grünenthal ging sogar so weit, daß er sich in
nen Beschluß vom 1.7.1982, in dem er eine "der-
einem Privatklageverfahren, das der Elterntreu-
artige Maßnahme" als verbandsschädigendes
händer Schreiber gegen ihn angestrengt hatte,
Verhalten wertet und den Verbänden, die eine
von einem Strafverteidiger vertreten ließ, der zu-
solche Veranstaltung "dulden oder sogar unter-
sammen mit dem Rechtsanwalt Dr. Dörr den An-
stützen", androht, in Zukunft keine finanziellen Zu-
geklagten und damaligen Prokuristen Grünent-
schüsse mehr zu gewähren.
hals, Dr. Dr. Hans Werner von Schrader-Beielstein, im Conterganstrafprozess verteidigte.
Die Befremdung, die dieses Schreiben bei der
Presse auslöste, wurde durch den Umstand ver-
Das Ergebnis des Wirkens von Schleifenbaum
stärkt, daß als Adressat neben dem damaligen
war das Inkrafttreten des Stiftungsgesetzes am
Schirmherrn des Ortsverbandes Köln, Herr
31.10.1972. Nach dessen Inkrafttreten sorgte er
Oberbürgermeister Norbert Burger, und die
mit dafür, daß die Herren Wartensleben und
Landes- und Ortsverbände auch die Firma
Schulte-Hillen je einen Vorsitzposten in einer der
Grünenthal angegeben wurde.
Kommissionen der Stiftung erhielten.
Offensichtlich sah Herr Schleifenbaum sich geAber auch zu späteren Zeiten trat Herr Schleifen-
nötigt, Grünenthal mitzuteilen, daß man im
baum immer wieder für die Sache Grünenthals
Bundesverband, wie schon in dem Beschluß vom
ein. Nur beispielhaft sei folgender Vorfall erwähnt:
1.7.1982 festgelegt, nach wie vor dazu bereit ist,
entsprechende Aktivitäten der Betroffenen gegen
Am 28.9.1987 veranlasste er die damalige Ge-
Grünenthal mit allen Mitteln zu verhindern. Das
schäftsführerin des Bundesverbandes, Frau Hilke
Ergebnis dieser Einschüchterung war, daß nur
Blum, anläßlich einer vom Ortsverband Köln am 1.
etwa 30 Betroffene an der Veranstaltung
Oktober 1987 zum 30. Jahrestag der Einbringung
teilnahmen.
von Contergan in den Handel vor den Türen Grünenthals in Stolberg geplanten und dann auch
Als der Ortsverband Köln später dann auch noch
durchgeführten Demonstration und Mahnwache
das Geschäftsgebaren von Herrn Schleifenbaum
ein Schreiben an die Deutsche Presseagentur
und seiner Geschäftsführerin Frau Hilke Blum
Pillendreher
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öffentlich kritisierte, veranlasste Herr Schleifen-
Um die Vorfälle um das vom Kölner Ortsverband
baum gleich zweimal den Ausschluß dieses Ver-
kritisierte Geschäftsgebaren zu erläutern, muß
bandes aus dem Bundesverband. Nachdem die
auch das vereinsschädigende Verhalten der ehe-
Kölner in zwei Gerichtsverfahren gegen die Aus-
maligen Geschäftsführerin des Bundesverbandes,
schlüsse obsiegten und auch Frau Blum ihre Kla-
die kölner Immobilienmaklerin Hilke Blum, be-
ge gegen einen Journalisten, der über die Hinter-
nannt werden:
gründe dieses neuerlichen Skandals berichtete,
verlor, trat Herr Schleifenbaum am 30.6.1991 von
Auf einer Bundesvorstandsratssitzung vom
seinem Amt als 1. Vorsitzender des Bundesver-
18.2.1989 bot Frau Blum als geschäftsführende
bandes zurück. Trotz dieser Vorkommnisse ließ er
Gesellschafterin der Immobilienmaklerfirma „Blum
sich zum Abschied vom Bundesverband eine Fei-
& Partner Immobilien GmbH“ dem Bundes-
er ausrichten, zu der auch Herr Schulte-Hillen und
verband das Kaufobjekt „Anwesen Paffrather Str.
Herr Wartensleben geladen wurden.
132 - 134, 5000 Köln 80 (Dellbrück)“ an.
Am Rande dieser Feier, die er fälschlich als Feier
Der Beschluß, das heutige Haus des Bundesver-
zum 30-jährigen Bestehen des Bundesverbandes
bandes damals zu kaufen, ist auf ein Täuschungs-
deklarierte, verteilten Vertreter der Föderation
manöver von Frau Hilke Blum und Herrn Schlei-
Conterganbehinderter und deren Freunde e.V. ein
fenbaum zurückzuführen, die beide die Unwissen-
Flugblatt, das die obigen und noch weiter zu be-
heit der Mitglieder des Bundesvorstandsrats und
nennenden Mißstände skizzierte. Als der Kölner
des Restvorstands in Immobilienfragen ausnutz-
Stadtanzeiger über die Flugblattaktion berichtete
ten, um sie dazu zu bewegen, den Kauf des von
und den Inhalt des Flugblattes mit den Worten
Frau Blum angebotene Objekt trotz dessen Nach-
„Meyer hofft jedoch, daß mit dem Ausscheiden
teilen zu bewerkstelligen. Wegen eines Testa-
Schleifenbaums eine `Ära der beständigen Kor-
ments bestand seitens des Bundesverbandes die
ruption zu Ende' ist.“ zusammenfasste, verklagte
Verpflichtung, den Nachlaß zum Erwerb eines
Herr Schleifenbaum Andreas Meyer auf Widerruf.
behindertengerechten Kommunikations- und Be-
Nachdem die obigen und auch die folgenden Vor-
gegnungszentrums zu verwenden. Diese Auflage
kommnisse in dem Prozeß zur Sprache kamen,
war sowohl Herrn Schleifenbaum, den Mitgliedern
wies das Landgericht Köln die Widerrufsklage von
des Bundesvorstandsrates als auch Frau Blum als
Herrn Schleifenbaum am 8.5.1992 ab. Nach Auf-
Geschäftsführerin des Bundesverbandes bekannt.
fassung des Gerichts war die inkriminierte Äußerung ein zulässiges Werturteil der im Rückblick
Das zum Kauf angebotene Objekt erfüllte diese
gewürdigten Ereignisse (Aktz. 30 0 222/91).
Bedingung jedoch nicht, da es schon wegen der
beiden hohen Eingangstreppen und der schlech-
Pillendreher
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ten Parkbedingungen nicht behindertengerecht
mals dadurch hervorheben, indem sie ausführte,
war.
daß es sich bei dem Objekt um einen Notverkauf
handele, da das Haus von einem Dachdecker-
Frau Blum machte das Kaufobjekt trotz seiner
unternehmen erstellt worden sei, das jetzt in Kon-
objektiven Ungeeignetheit für den Bundesverband
kurs gegangen sei.
den Anwesenden dadurch schmackhaft, indem
sie den Wert des Kaufobjektes mit 2,5 Millionen
Aber auch diese Angaben waren falsch, da der
DM angab, während der Kaufpreis jedoch nur
Ehemann der Verkäuferin Mitgliedern des Orts-
1,55 Millionen DM betragen würde. Der tatsäch-
verbandes Köln mitteilte, daß seine Frau sich
liche Wert des Hauses lag jedoch weit unter dem
nicht in einer wirtschaftlichen Zwangslage befun-
von Frau Blum angegeben Schätzpreis, da selbst
den habe. Zudem war das Dachdeckerunterneh-
die Verkäuferin nicht mehr als 1,9 Millionen DM
men schon einige Jahre vor dem Kauf in Konkurs
als Kaufpreis veranschlagt hatte und dann sogar
gegangen, sodaß kein direkter Zusammenhang
auf Drängen von Frau Blum auf den von ihr ange-
zwischen dem Konkurs und dem Verkaufsinter-
gebenen Kaufpreis heruntergegangen ist. Dieser
esse der Verkäuferin bestehen konnte.
Sachverhalt wurde aber den Anwesenden von
Frau Blum verschwiegen.
Festzuhalten ist jedenfalls, daß sich Frau Blum
sowohl von der Verkäuferin als auch vom Bundes-
Frau Blum beabsichtigte dem Bundesverband für
verband eine Maklercourtage in der entsprechen-
die Vermittlung des Kaufprojekts eine Maklercour-
den Höhe auszahlen ließ.
tage in Höhe von 3 % des Kaufpreises zu berechnen. Diese ist umso höher, je höher der Kaufpreis
Wegen der zusätzlichen Umbau-, Renovierungs-
ist. Bei einem Kaufpreis von 1.550.000,- DM be-
und Einrichtungskosten für das Haus in Höhe von
trug die Courtage 46.500,- DM.
272.680,97 DM schrumpfte der per 31.12.1989
verabschiedete Finanzstatus des Bundesverban-
Trotz dieser offensichtlichen Interessenkollision,
des von 420.353,80 DM zum 31.12.1990 auf
die sich daraus ergab, daß sie einerseits Ge-
276.091,25 DM. Zu den Umbau-, Renovierungs-
schäftsführerin des Bundesverbandes gewesen
und Einrichtungskosten zählten unter anderem
ist, andererseits aber als Maklerin an einem mög-
Kosten für das von der Firma Franz gelieferte Mo-
lichst lukrativen Vermittlungsergebnis interessiert
biliar, das zum größten Teil aus Mahagoni be-
war, konnte sie ungehindert von dem damaligen
steht, in Höhe von fast 154.242,87 DM. Die
1. Vorsitzenden Hans-Helmut Schleifenbaum ge-
Gartenarbeiten schlugen mit 64.495,11 DM zu
genüber den in Immobilienangelegenheiten gänz-
Buche. Der Behinderten-Außenlift kostete
lich ahnungslosen Anwesenden ihr Angebot noch-
40.197,54 DM.
Pillendreher
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Mit dieser Kostenexplosion haben Herr Schleifen-
notwendige Sparmaßnahme im Geschäftsjahr
baum und Frau Blum gegen drei Beschlüsse des
1990 auf 30.084,33 DM herunterschrauben muß-
Bundesvorstandsrates jeweils vom 1.3.1975, vom
te. Die Rücklage von 400.000,- DM wurde an-
3.6.1984 und vom 29.10.1989 verstoßen. Diesen
gegriffen, da durch die bereits in Zusammenhang
Beschlüssen ist zum Einen zu entnehmen, daß
mit den Umbau-, Renovierungs- und Einrichtungs-
der Bundesvorstand zur Gewährleistung, daß sei-
maßnahmen für das Haus eingegangenen
ne Geschäftsstelle immer funktionsfähig bleibt,
Verbindlichkeiten das Barvermögen des Bundes-
eine latente Rücklage von 400.000,- DM wahren
verbandes vom 31.12.1989 von 420.353,80 DM
muß und diese Rücklage nur in Notfällen angrei-
zum 31.12.1990 auf 276.091,25 DM schrumpfte.
fen darf. Zum Anderen wurden Herrn Schleifen-
In den genehmigten 300.000,- DM waren auch
baum und Frau Blum vom Bundesvorstandsrat für
nicht alle Zuschußbeträge von Kostenträgern
die behindertengerechten Baumaßnahmen und
enthalten. Bis auf einen Zuschuß der Stiftung
Einrichtungsgegenstände auf der Bundesvor-
"Hilfswerk für behinderte Kinder" in Höhe von
standsratssitzung vom 29.10.1989 durch Be-
79.500,- DM, einen Zuschuß der Stiftung "Del-
schluß nur Ausgaben bis zu 300.000,- DM geneh-
phin" in Höhe von 20.000,- DM, einen Förderzu-
migt.
schuß der BAGH in Höhe von 1700,- DM sowie
die 100 % Förderung einer Clos-o-mat-Anlage
Diese Genehmigung beruhte auf der Zusicherung
wiesen die Geschäftsbericht 1989 und 1990 sowie
Herrn Schleifenbaums, hierdurch die laufenden
die Einnahmen- und Ausgabenrechnung 1990
Geschäfte des Bundesverbandes nicht zu beein-
nichts Konkretes aus. Der LV NRW hatte Herrn
trächtigen, die Rücklage von 400.000,- DM nicht
Schleifenbaum auf der Bundesvorstandsratssit-
anzugreifen, und daß in den 300.000,- DM alle
zung vom 29.10.1989 auf verschiedene mögliche
möglichen Zuschußbeträge von Kostenträgern wie
Kostenträger hingewiesen. Außerdem hatte er ihm
z.B. der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder",
seine Hilfe bei der Suche weiterer Kostenträger
Arbeitsamt, Landschaftsverband usw. enthalten
angeboten.
sind. Herr Schleifenbaum und Frau Blum haben
diese Zusicherungen nicht eingehalten.
Herr Schleifenbaum ist demnach seine Verbindlichkeiten für die Umbau-, Renovierungs- und Ein-
Die laufenden Geschäfte wurden bereits dadurch
richtungsmaßnahmen des Hauses eingegangen,
beeinträchtigt, daß Herr Schleifenbaum die Zu-
ohne entsprechende Zuschußanträge bei den
schüsse an die Landesverbände, die ohnehin für
dafür zuständigen Stellen zu stellen, geschweige
die Betreuung von ca. 2800 Contergangeschädig-
denn diese ausfindig zu machen, und ohne ver-
ten nur einen durchschnittlichen Jahresbetrag von
bindliche Zusagen von diesen Stellen abzuwarten.
insgesamt etwa 50.000,- DM erhielten, als erste
Durch die Differenz des Sockelbetrages vom
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
31.12.1989 zu dem vom 31.12.1990 ist dem Bun-
ckelbetrag wieder auf seine Mindestsumme von
desverband ein erheblicher finanzieller Schaden
400.000,- DM anzuheben.
entstanden. Die ehemalige Geschäftsführerin
Frau Hilke Blum ist hierfür mitverantwortlich, weil
Frau Sybille Müller (heutige Sybille Richter)
es ihrem Aufgabenkreis bis zu ihrer Kündigung
schrieb am 11.2.1990 zurück, daß ihrem in dem
zum 31.12.1989 oblag, entsprechende Kosten-
Schreiben vom 2.11.1989 enthaltenen Antrag,
träger ausfindig zu machen und die notwendigen
dem Bundesvorstandsrat die mögliche Unter-
Anträge zu stellen.
schreitung des Sockelbetrages bekanntzumachen
und zur Genehmigung vorzulegen, nicht entspro-
Doch die gesamte Situation war für Herrn Schlei-
chen worden ist. Nach Vorlage der Prüfung der
fenbaum und Frau Blum nicht nur absehbar, sie
Einnahmen- und Ausgabenrechnung 1989 der
wurden sogar auch noch von seiner ehemaligen
KPMG-Treuhand-Gesellschaft und des Haushalts-
Vermögensverwalterin Frau Sybille Müller (heutige
planes 1990 hätten sich ihre Befürchtungen nicht
Sybille Richter) durch Schreiben vom 2.11.1989
nur als richtig herausgestellt, sondern wären diese
gewarnt:
noch wesentlich übertroffen worden. Diese
Finanzentwicklung könne sie nicht mehr mittra-
Hinsichtlich der damals schon sehr wahrscheinli-
gen, weswegen sie mit sofortiger Wirkung ihren
chen Unterschreitung des Sockelbetrages in Höhe
Rücktritt erkläre. Von den Folgen des Hauskaufes
von 400.000,- DM stellte sie den Antrag an Herrn
hat sich der Bundesverband über Jahre hinweg
Schleifenbaum, diese mögliche Unterschreitung
nur schwer erholen können.
dem Bundesvorstandsrat zur Genehmigung vorzulegen.
Neben den Vorkommnissen um den Hauskauf
kritisierte der Kölner Ortsverband, daß in den Jah-
Sie erhielt daraufhin ein Schreiben von Frau Blum
ren 1986 - 1988 im Durchschnitt jährlich ca.
vom 9.11.1989 mit der lapidaren Antwort, „daß
150.000,- DM an Verwaltungskosten und Gehälter
der seinerzeitige, gefaßte Beschluß ... nach wie
für die ehemalige Geschäftsführerin Frau Hilke
vor mit der gefassten Haus-Investitionsmaßnahme
Blum und eine halbtags beschäftigte Bürohilfe
konform geht“ und „daß gemäß Schreiben von
ausgegeben wurden, ohne daß in den jeweiligen
7.11.1989 an die Stiftung `Hilfswerk für behinderte
Geschäftsberichten hierfür eine Tätigkeit verzeich-
Kinder' der Sockelbetrag in Kürze wieder aufge-
net wurde. Sie kritisierten ferner, daß der Ge-
stockt werden kann“. Dies war jedoch gelogen, da
schäftsführerin Frau Hilke Blum ein Großteil der
der Zuschuß der Stiftung "Hilfswerk für behinderte
Personalkosten in Höhe von jährlich ca. 70.000,-
Kinder" lediglich einen Betrag von 79.500,- DM
DM in Form eines Angestelltenmonatsgehalts von
ausmachte, der nicht dazu ausreichte, den So-
3000,- DM brutto mit sämtlichen Sozialabgaben
Pillendreher
Seite 17
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gezahlt wurde, obwohl diese gleichzeitig hauptbe-
Bundesverbandes, Frau Hilke Blum, und ihrem
ruflich Geschäftsführerin einer Immobilienfirma,
Ehemann, dem damaligen Richter am Amtsge-
Vermögensverwalterin und zweifache Hoteldirek-
richt, Herrn Wolfgang Blum, Eigentümer des Ho-
torin war. Frau Blum und Herr Schleifenbaum ha-
tels "Uhu" in der Dellbrücker Hauptstrasse in Köln
ben sich bis zum Ende ihrer Amtszeit geweigert,
ist, dessen Direktorin ebenfalls den Namen Hilke
den Mitgliedsverbänden Blums Arbeitsvertrag und
Blum trägt. Der Wirtschaftsprüfer wurde nach Be-
die von Frau Blum quartalsweise abzufassenden
kanntwerden dieser Tatsachen nicht mehr beauf-
Arbeitsberichte der letzten Jahre ihrer Beschäfti-
tragt.
gung vorzulegen.
Um ihre Kritiker im Kölner Ortsverband mundtot
Gerade wegen der somit nicht erkennbaren Tätig-
zu machen, zettelten Frau Blum und Herr Schlei-
keiten Frau Blums fiel besonders ins Auge, daß
fenbaum gleich zwei Ausschlußverfahren gegen
ein großer Posten der jährlich angefallenen
diesen Verband an. Um den jeweiligen Ausschluß
Verwaltungsausgaben in Höhe von ca. 70.000,-
zu rechtfertigen, warfen sie ihnen vereinsschädi-
DM ihrem Immobilienmaklerbüro erstattet wurden.
gendes Verhalten vor. Vereinsschädigend sollte
Bis zum Einzug in das von Frau Blum vermakelte
u.a. sein, daß die hier geschilderten Vorwürfe in
Haus war das Immobilienmaklerbüro der Blum &
den Medien veröffentlicht wurden. Hiergegen
Partner Immobilien GmbH seit etlichen Zeiten die
konnten sich der Kölner Ortsverband in zwei ge-
Geschäftsstelle des Bundesverbandes.
gen die Ausschlüsse angestrengten Gerichtsverfahren - bei einem bis hin zum Oberlandesgericht
Augenfällig war auch noch, daß Herr Schleifen-
Köln - erfolgreich wehren (Aktz.: 2 0 394/89; 2 0
baum durch seinen Stellvertreter, Herrn Christian
174/90; 12 U 49/91.).
Ruhe, am 2. April 1989 in einem Schreiben an die
Mitglieder des Ortsverbandes Köln erklären ließ,
Als der WDR und mehrere Zeitungen über Frau
„daß der Bundesverband jährlich von einer un-
Blums Wirken in Zusammenhang mit diesen Er-
abhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf
eignissen berichteten, verklagte sie einen der
seine ordnungsgemäße Buchführung hin unter-
Journalisten, den sie als Urheber einiger dieser
sucht wird“.
Berichte vermutete, im Wege einer einstweiligen
Verfügung und setzte den Streitwert auf 500.000,-
Später stellte sich heraus, daß dieser angeblich
DM fest. Das Landgericht Köln wies die von Frau
"unabhängige" und langjährige Wirtschaftsprüfer,
Blum als Privatperson und mit ihrer Firma Blum &
der Diplom-Kaufmann und Steuerberater Kurt
Partner Immobilien GmbH eingereichte Klage am
Stahlhacke, und seine Ehefrau Marianne zusam-
21.6.1989 u.a. mit der Begründung ab, die in den
men mit der ehemaligen Geschäftsführerin des
Medien beanstandeten Äußerungen (sowohl sei-
Pillendreher
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tens der Kölner als auch von den jeweiligen Jour-
send. Die Landgerichtskammer hatte Frau Blum
nalisten) seien aufgrund der vorgelegten Tatsa-
noch während der Verhandlung empfohlen, ihre
chen zulässige Wertungen, teilweise hielt es sie
Anträge nicht zu stellen, da keine Aussicht auf
sogar für zutreffend oder für „eine zulässige Mei-
Erfolg bestand. Das Urteil sollte zunächst am
nungsäußerung unterhalb der Grenze zur
1.3.1990 verkündet werden. Trotzdem wurde dem
Schmähkritik“.
Bundesvorstandsrat der Antrag auf Übernahme
der Prozeßkosten von Frau Blum und Herrn
Gemeint bei dem letzten Punkt ist der von dem
Schleifenbaum bereits am 4.6.1989 zur Entschei-
Kölner Ortsverband mehrfach erhobene Vorwurf,
dung vorgelegt. Auf die Frage eines Anwesenden,
Frau Blum verdiene am eigenen Verband, wenn
wie denn die Erfolgsaussichten des Verfahrens
diese dem Bundesverband für die Vermittlung des
sind, hat Frau Blum geantwortet, das wisse man
gekauften Hauses eine Maklercourtage in Höhe
nie so genau im Voraus. Gerichtsverfahren könn-
von 46.500,- DM in Rechnung stellt. Auch war es
ten so oder so ausgehen. Beide haben zu keiner
zulässig, von einer Interessenvermischung zu
Zeit die Beteiligten über die Aussichtslosigkeit des
sprechen, wenn Frau Blum gleichzeitig Immobi-
Verfahrens aufgeklärt. Die Beteiligten hätten mit
lienmaklerin, zweifache Hoteldirektorin und Ge-
Sicherheit anders abgestimmt, wenn sie von der
schäftsführerin ist. Ebenso konnte als zulässige
Aussichtslosigkeit des Verfahrens gewußt hätten.
Wertung von "Vetternwirtschaft" gesprochen werden, wenn Frau Blum in ihrer Eigenschaft als ehe-
Die Prozeßkosten in Höhe von 25.519,97 DM wur-
malige Geschäftsführerin des Bundesverbandes
den Frau Blum gezahlt und wie ihre Courtage in
ihrer eigenen Verwandtschaft Aufträge des Bun-
Höhe von 46.500,- DM vom Bundesverband bis
desverbandes verschaffte (Aktz. 28 0 219/89).
heute nicht zurückverlangt.
Doch das war für Frau Blum noch nicht genug.
Wegen der finanziellen Folgewirkungen dieses
Durch ein geschickt inszeniertes Täuschungsma-
Korruptionsskandals konnte der Bundesverband
növer konnte Frau Blum mit Hilfe von Herrn
mehrere Jahre lang keine Zuschüsse an seine
Schleifenbaum den Bundesverband zu einem
Mitgliedsverbände auszahlen.
Beschluss veranlassen, ihr und ihrer Firma Blum
& Partner Immobilien GmbH, Prozeßkosten in
Die amtierende 1. Vorsitzende des Bundesver-
Höhe von 25.519,97 DM aus dem verlorenen Ver-
bandes, Margit Hudelmaier, und ihr Stellvertreter,
fahren zu erstatten:
Michael Ashcroft, haben teilweise von den Ereignissen um den Finanzskandal Blum und Schlei-
Frau Blum und Herr Schleifenbaum waren bei der
fenbaum gewußt, sie geduldet, sie bewusst ge-
mündlichen Verhandlung am 21.5.1989 anwe-
förderten oder geflissentlich die Augen davor ver-
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schlossen und warnende Stimmen ignoriert.
hierzu schriftlich Stellung zu nehmen, damit diese
Stellungnahmen den anderen Verbänden zum
Bis heute weigert sich der Bundesvorstand, sich
endgültigen Entscheid vorgelegt werden können.
von Schleifenbaum, Blum und Schulte-Hillen zu
Vielmehr wurde dieser Antrag auf der Bundes-
distanzieren, obwohl ihnen die obigen Tatsachen
jahreshauptversammlung am 15.03.2003 ohne
immer wieder hinlänglich bekannt gemacht wur-
nennenswerte Aussprache mehrheitlich abge-
den. Der Bundesvorstand hat Herrn Schleifen-
lehnt. Im Protokoll heißt es hierzu:
baum, Frau Blum und Herrn Schulte-Hillen zu den
Feierlichkeiten zum 40-jährigen Jubiläum des
„Es ist dem BV nicht untersagt worden, frühere
Bundesverbandes eingeladen und lud sie auch zu
verdiente Mitglieder zu ehren, auch eine Distan-
anderen offiziellen Feierlichkeiten des Verbandes
zierung von ehemaligen Vorstandsmitgliedern
als Ehrengäste ein.
kann nicht verlangt werden.“
Die Bundesvorsitzende, Margit Hudelmaier, und
Damit haben der Bundesvorstand und seine
Herr Schleifenbaum stehen auch nach wie vor als
amtierenden 1. Vorsitzende, Margit Hudelmaier,
Vorstandsmitglieder der Stiftung „Delphin” mitein-
die ihnen gegebenen Chancen, die düsteren
ander in engen Kontakt49.
Kapitel der Vergangenheit des Bundesverbandes
zu schließen, nicht genutzt.
Auf der Bundesjahreshauptversammlung vom
16.03.2002 wurde beschlossen, den eingangs
Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden
erwähnten Antrag des LV NRW bezüglich der
Ereignisse lediglich eine traurige Fortsetzung:
vom Bundesvorstand geforderten Distanzierung
von Schleifenbaum, Blum und Schulte-Hillen zur
Am 20. September 2003 fand in der Orthopädi-
Stellungnahme und dann endgültigen Beschluss
schen Universitätsklinik Stiftung Friedrichsheim in
auf der Bundesjahreshauptversammlung 2003
Frankfurt am Main das 6. Symposium „Die Con-
den Mitgliedsverbänden vorzulegen. Die Durch-
tergankatastrophe - Eine Bilanz nach 40 Jahren“
führung wurde jedoch vom Bundesvorstand über
des Deutschen Orthopädischen Geschichts- und
das ganze Geschäftsjahr 2002 verschleppt. Auch
Forschungsmuseums e. V. statt. Und, obwohl die-
im Frühjahr 2003 gab es keinen vom Bundesvor-
se Veranstaltung von der Firma Grünenthal GmbH
stand hierzu eingeleiteten Meinungsbildungspro-
maßgeblich mitgesponsert wurde, entschloss sich
zess innerhalb der Mitgliedsverbände, bei dem
die Bundesverbandsvorsitzende, Margit Hudel-
diese dazu ausdrücklich aufgefordert wurden,
maier, um diesen Umstand wissend, im Rahmen
des Programms dieser Veranstaltung als offizielle
49
Siehe die Internetseite der Stiftung „Delphin”:
www.delphin-online.org/home.htm
Vertreterin des Bundesverbandes Contergange-
Pillendreher
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chädigter e.V. - und nicht als kritische Zuschaue-
wohl das Veranstaltungsprogramm schwerpunkt-
rin - mitzuwirken. Augenfällig war auch, dass auf
mäßig lediglich die orthopädische und protheti-
dem Programmumschlag eine Anzeige aus der
sche Versorgung der Betroffenen aus historischer
Zeitschrift „Die Waage“, Bd. 1, Heft 1 - 8, Stolberg
Perspektive vorsieht.
1959/60 abgedruckt war. Dies ist die Firmenzeitschrift der Firma Grünenthal GmbH.
Wir sind der Auffassung, dass Ihre Mitwirkung an
einer solchen Veranstaltung auch dann nicht an-
In einem offenen Brief an die Bundesvorsitzende
gebracht wäre, wenn die aktuelle Folgeschäden-
vom 18. September 2003 schrieb der LV NRW:
problematik, die derzeitige Lebenssituation (Hilfsmittelversorgung, Pflege usw.) sowie die Alters-
„Sehr geehrte Frau Hudelmaier,
versorgung dort thematisiert würde, weil perfiderweise gerade die Firma Grünenthal GmbH durch
wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie am
ihr unheilvolles Vorgehen in der Vergangenheit
20. September 2003 an dem 6. Symposium „Die
die mit diesen Themen verknüpften, heutigen Pro-
Contergankatastrophe - Eine Bilanz nach 40 Jah-
bleme der von uns allen vertretenen Betroffenen
ren“ des Deutschen Orthopädischen Geschichts-
erst bewirkt hat. So schliesst § 23 des Stiftungs-
und Forschungsmuseums e. V. in der Orthopä-
gesetzes jegliche Geltendmachung von weiteren
dischen Universitätsklinik Stiftung Friedrichsheim
Schadensersatzansprüchen - auch die der Nach-
in Frankfurt am Main als offizielle Vertreterin des
folgeschäden - durch uns Geschädigte gegen die
Bundesverbandes Contergangeschädigter e.V.
Firma Grünenthal GmbH für immer aus. Diese
mitwirken wollen.
Bestimmung wurde bei der Entstehung des Stiftungsgesetzes durchgesetzt von dem Sozius der
Wir haben ebenfalls zur Kenntnis genommen,
Rechtsanwaltskanzlei des damaligen Justizminis-
dass Sie Ihre Mitwirkung an der oben genannten
ters des Landes NRW Neuberger, die einen der
Veranstaltung auch dann nicht absagen wollten,
Grünenthalverantwortlichen im Conterganstraf-
nach dem Ihnen bekannt wurde, dass diese Ver-
prozeß vertrat. Gäbe es diese Bestimmung nicht,
anstaltung u.a. von der Firma Grünenthal GmbH
müsste die Firma Grünenthal GmbH heute und in
gesponsert wird.
Zukunft für sämtliche Folgeschäden, die Hilfsmittel, die Pflege und auch für die Altersversorgung
Wir halten fest, dass Sie trotz diesem Umstand
eines jeden Betroffenen aufkommen.
Ihre fortgesetzte Mitwirkung damit begründen,
dass auf dieser Veranstaltung Sachthemen wie
Gerade vor dem Hintergrund der Neuzulassung
„Folgeschäden, derzeitige Lebenssituation sowie
von Thalidomid auf dem europäischen Markt ist
die Altersversorgung“ abgehandelt würden, ob-
diese Veranstaltung höchst bedeutsam. Bislang
Pillendreher
Seite 21
Ausgabe I / 2005
hatte die Firma Grünenthal GmbH in sämtlichen
Veranstaltung von der Firma Grünenthal GmbH
Medienberichten hierzu bestritten, daran beteiligt
als Sponsor gewusst haben konnten. Sie werden
zu sein. Wenn sie nunmehr eine Veranstaltung
zudem die Frage beantworten müssen, warum
sponsert, die mit einem Vortrag „Thalidomid - eine
Sie, nachdem Sie nun endlich davon erfuhren,
Option für die Zukunft?“ endet, zeigt dies, dass sie
Ihre Mitwirkung nicht einfach absagten. Rücksicht-
entgegen allen anders lautenden Behauptungen
nahme gegenüber den Veranstaltern dürfte hier
ihrerseits an der Neuzulassung ein eindeutiges
mehr als fehl am Platze sein. Die Veranstalter, die
Interesse hat. Und dieser Tatbestand ist neu. Ziel
erklärtermaßen als Medizinhistoriker gesehen
eines solchen Interesses kann nur sein, auf der
werden möchten, haben schon durch die Wahl
Welle der Medienberichterstattung über die an-
der Firma Grünenthal GmbH als Mitsponsor aber
geblich positiven Wirkungen ihres früheren Markt-
auch der anderen Pharmafirmen bei der Themati-
renners mitzuschwimmen und sich hinsichtlich
sierung des größten deutschen Pharmazieskan-
ihrer Machenschaften in der Vergangenheit, ins-
dals historischen Dilettantismus und im höchsten
besondere der von ihr korrumpierten Entschädi-
Maße Unsensibilität gegenüber dem Schicksal der
gungsabwicklung für die heute noch lebenden
Conterganopfer bewiesen. Vor diesem Hinter-
Betroffenen, reinzuwaschen. Ein weiteres Ziel ist
grund ist es auch denkbar, dass die Veranstalter
es, an den neuerlichen, angeblichen Erfolgen von
selbst im Dienste der pharmazeutischen Industrie
Thalidomid wirtschaftlich zu partizipieren.
oder gar der Firma Grünenthal GmbH stehen. Als
Bundesvorsitzende unseres Verbandes sind Sie
Durch Ihre Mitwirkung an diesem Symposium wird
allein nur den von Ihnen vertretenen Betroffenen
unweigerlich in der Öffentlichkeit der Eindruck
gegenüber verpflichtet. Und diese Verpflichtung
entstehen, dass es in irgendeiner Weise zu einer
beinhaltet es, jeglichen Eindruck der Nähe zur
Annäherung zwischen den Conterganopfern und
Firma Grünenthal GmbH - auch räumliche Nähe -
der Firma Grünenthal GmbH gekommen ist. Es
zu vermeiden.
wird zudem der Eindruck entstehen, dass eine
Neuzulassung von Thalidomid von der Mehrheit
Da es für uns unerträglich und entwürdigend ist,
der Contergangeschädigten auch nur annähernd
unsere bundesweite Interessenvertretung in ir-
gebilligt wird. Dieser Eindruck wird auch dann haf-
gendeiner Weise als Aushängeschild der Firma
ten bleiben, wenn Sie durch eine entsprechende
Grünenthal GmbH instrumentalisiert zu sehen,
Stellungnahme auf der Veranstaltung selbst eine
möchten wir uns an dieser Stelle von Ihrem Mit-
andere Motivation Ihrer Mitwirkung oder kritische
wirkungsansinnen ausdrücklich distanzieren.
Aspekte der Neuzulassung von Thalidomid kundtun. Denn Sie werden sich die Frage gefallen las-
Dasselbe gilt für Ihre Vorstandskollegen, die Ihr
sen müssen, ob Sie nicht schon im Vorfeld der
Mitwirkungsvorhaben offensichtlich unterstützen.
Pillendreher
Seite 22
Ausgabe I / 2005
Mit freundlichen Grüßen”
„Offensichtlich ist der Bundesvorstand die Nähe
Grünenthals schon so gewohnt, dass er den tat-
Mit gleichem Datum schrieb der LV NRW die Ver-
sächlichen und formellen Unterschied zwischen
anstalter an und forderten sie auf, dem LV mit-
einer Zuschauerteilnahme und einer Mitwirkung
zuteilen, in welchem Verhältnis sie zu der Firma
im Rahmen eines Veranstaltungsprogramms nicht
Grünenthal GmbH stehen. Dieser Brief ist bis heu-
mehr zu erkennen vermag.”
te unbeantwortet geblieben. Ebenso ging seitens
des LV NRW eine Presseerklärung an die bun-
Das offene Zusammenspiel zwischen dem
desdeutschen Medien heraus. Um ein entspre-
Bundesverband und der Firma Grünenthal GmbH
chendes Gegengewicht zu der erwarteten und
nahm auch damit kein Ende:
dann doch tatsächlich in den historischen Teilen
zum Conterganskandal einseitig, grünenthal-
Durch einstimmigen Beschluss der Jahreshaupt-
freundlich geprägten Veranstaltung zu geben,
versammlung des Bundesverbandes vom
entschlossen sich Vorstandsmitglieder des LV
15.05.2004 konnte verhindert werden, dass der
NRW als Zuschauer an der Veranstaltung mit kriti-
Bundesvorstand für seinen im Geschäftsjahr 2005
schen Beiträgen teilzunehmen. Sie verteilten ein
geplanten und dann im Herbst auch tatsächlich
Flugblatt und mußten in den Diskussionen viele
durchgeführten Bundesrechtskongreß die Firma
Darstellungen, die gerade das Vorgehen Grünent-
Grünenthal GmbH, deren Tochter- und Mutterfir-
hals in der Vergangenheit verharmlosten, richtig-
men sowie die Grünenthaleigentümer-Familie
stellen.
Wirtz als Mitsponsoren in Anspruch nimmt.
Auf der Bundesvorstandsratssitzung vom
Damit wurde dem Versuch des Bundesvorstan-
18.10.2003 versuchte sich der Bundesvorstand
des, eine öffentlich zur Schau getragene Annä-
damit heraus zu reden, dass man generell die
herung mit Grünenthal unter den Betroffenen hof-
moralische Pflicht habe, an Veranstaltungen teil-
fähig zu machen, durch das höchste Entschei-
zunehmen und diese durch aktive Mitarbeit sogar
dungsorgan des Bundesverbandes eine klare Ab-
zu beeinflussen, wenn auf ihnen das Thema Con-
sage erteilt.
tergan behandelt würde. Im übrigen habe der LV
NRW ja auch an der Veranstaltung in Frankfurt
Bereits auf der Bundesvorstandsratssitzung vom
teilgenommen und sich damit in die Nähe Grü-
28. Februar 2004 beantragte der LV NRW, dass
nenthals begeben.
Grünenthal nicht als Mitsponsor bei dieser Veranstaltung in Anspruch genommen werden solle.
Hierzu resümierte der LV NRW u.a. in seinem
Denn in dem von dem stellvertretenden Bundes-
Tätigkeitsbericht 2003:
vorsitzenden Michael Ashcroft verfassten Exposé
Pillendreher
Seite 23
Ausgabe I / 2005
zur Ausgestaltung und Finanzierung des besagten
6 Nein-Stimmen abgelehnt wurde.
Bundesrechtskongresses wurde die Firma Grünenthal GmbH als Mitsponsor aufgeführt. Damals
Zudem wurde auf der Bundesvorstandsratssitzung
wurde dieser Antrag noch bei 3 Enthaltungen und
vom 28. Februar 2004 durch Zufall bekannt, dass
6 Nein-Stimmen abgelehnt.
die Mitglieder der Medizinischen Kommission der
Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder” über
Vor der Abstimmung wurden Michael Ashcroft und
Jahre hinweg Auslagen, Hotelübernachtungen,
die 1. Vorsitzende Margit Hudelmaier vom LV
Verköstigungen von der Firma Grünenthal GmbH
NRW zu dem Vorgang befragt: Michael Ashcroft
erhalten haben. Der ehemalige Firmensyndikus
behauptete, die Passage mit der Mitsponsoren-
Grünenthals, Herbert Wartensleben, habe in sei-
eigenschaft Grünenthals sei ihm beim mitternächt-
ner Eigenschaft als Vorsitzender einer der beiden
lichen Schreiben des Exposés versehentlich da
Stiftungskommissionen diese Zahlungen vermit-
herein geraten. Margit Hudelmaier sagte hierzu,
telt. Aufgabe der Medizinischen Kommission ist zu
Geld stinke nicht und es gäbe Contergangeschä-
begutachten, ob jemand überhaupt contergange-
digte, die sich mit Grünenthal versöhnen wollten.
schädigt ist, der Rente beantragt hat. Auch be-
Zudem wäre es schwierig, andere Geldquellen
stimmt sie den Grad einer Conterganschädigung
aufzutun. Auch solle man Grünenthal als Verursa-
und legt dann die Höhe der Rente fest. Sie wird
cher ruhig für solche Veranstaltungen in Anspruch
also auch bei Höherstufungsanträgen tätig. Daher
nehmen.
stellt sich im Nachhinein die Frage, welche Auswirkung diese Verflechtung auf die langjährige
Auf der Bundesjahreshauptversammlung vom
Gutachtertätigkeit hatte.
15.05.2004 behauptete Margit Hudelmaier wiederum, dass sie es niemals zulassen würde, dass der
Dieser Umstand ist besonders bedeutsam, weil
Bundesverband Grünenthal für solche Veranstal-
der OV Köln in der Vergangenheit den Bundesvor-
tungen in Anspruch nähme. Es stellt sich die Fra-
stand mehrfach aufgefordert hat, die Stiftung dazu
ge, warum sie es dann zuließ, dass ihr Stellver-
zu bewegen, den Mitgliedsverbänden des BV Be-
treter Michael Ashcroft in ihrem Beisein dem Bun-
richte über die Verwendung der Stiftungsgelder
desvorstandsrat am 28. Februar 2004 in seinem
vorzulegen. Dies wurde aber von den Stiftungs-
Exposé zum Bundesrechtskongreß Grünenthal als
vertretern des BV stets abgelehnt.
Mitsponsor vorschlagen durfte. Es stellt sich fernerhin die Frage, warum dann der sofort gestellte
Nicht nur eingedenk dieser Geschehnisse sahen
Antrag des LV NRW, dass Grünenthal nicht als
wir es als unser Recht und unsere Pflicht an, den
Mitsponsor bei dieser Veranstaltung in Anspruch
Bundesvorstand wegen zwei schwerwiegender
genommen werden solle, mit 3 Enthaltungen und
Satzungsverstöße in Zusammenhang mit der Ein-
Pillendreher
Seite 24
Ausgabe I / 2005
ladung zur Bundesjahreshauptversammlung 2004
16.03.2002 stellte der LV NRW einen weiteren
durch ein Anwaltschreiben vom 24. März 2004 zu
Antrag zur Tagesordnung mit dem Wortlaut:
rügen.
„Wir beantragen, dass der Bundesvorstand nach
Der eine Satzungsverstoß betraf die vierwöchige
Beendigung der Jahreshauptversammlung am
Einladungsfrist, die nicht eingehalten wurde. Die
16.03.2002 unter den Mitgliedsverbänden (Orts-
Bundesjahreshauptversammlung 2004 sollte zu-
und Landesverbände) einen Meinungsbildungs-
nächst am 27. März 2004 stattfinden. Eingeladen
prozess einleitet, der mindestens bis zur ordentli-
wurde mit Schreiben vom 5. März 2004. Der an-
chen Jahreshauptversammlung 2003 andauert.
dere Satzungsverstoß betraf die Tatsache, dass
Inhalt des Meinungsbildungsprozesses soll die
der Bundesvorstand sowohl die Jahresabrech-
Vergabe von Satzungsänderungsvorschlägen
nung als auch den Bericht über die Vermögens-
durch die Mitgliedsverbände hinsichtlich deren
lage des Bundesverbandes nicht zum 1. März
Stimmrechte bei Wahlen und Abstimmungen da-
2004 vorgelegt hatte.
hingehend sein, dass das Stimmrecht eines jeden
Mitgliedsverbandes die Anzahl der durch ihn ver-
Auf Empfehlung des stellvertretenden Bundes-
tretenen contergangeschädigten Betroffenen und
vorsitzenden Michael Ashcroft (e-mail vom 26.
deren Eltern im Verhältnis zu Mitgliedsverbänden
März 2004) wurde der Termin der Bundesjahres-
mit gleichviel, mehr oder weniger vertretenen con-
hauptversammlung 2004 vom 27. März 2004 auf
tergangeschädigten Betroffenen und deren Eltern
den 15. Mai 2004 verschoben.
repräsentiert.”
Hervor zu heben ist noch, dass es der Bundes-
Das bis heute geltende Stimmrecht des Bundes-
verband auch bei Wahlen und Abstimmungen mit
verbandes mit seinem „Ein-Verband-eine-Stimme-
der Umsetzung demokratischer Prinzipien nicht so
Prinzip“ berücksichtigt bei Wahlen und Abstim-
genau nimmt. Man könnte nämlich das Wahl- und
mungen nicht die Anzahl der von einem Mitglieds-
Abstimmungsprinzip des Bundesverbandes mit
verband vertretenen Einzelmitglieder (contergan-
der Faustformel umschreiben:
geschädigte Betroffene und deren Eltern). Es läßt
beispielsweise zu, dass ein Mitgliedsverband mit
„Demokratisch ist das, was die Mehrheit der dem
950 vertretenen Betroffenen von zwei Mitglieds-
Bundesvorstand zugeneigten Mitgliedsverbände
verbänden mit nur je 15 vertretenen Betroffenen
entscheidet; egal, ob sie zuweilen nur die Min-
überstimmt wird. Dies verstößt nach der Auffas-
derheit der Einzelmitglieder vertreten.”
sung des LV NRW gegen das im Grundgesetz
verfasste Demokratieprinzip, weil hierdurch wie in
Zur Bundesjahreshauptversamm lu n g am
dem obigen Beispiel die Meinung von 950 Betrof-
Pillendreher
Seite 25
Ausgabe I / 2005
fenen durch eine Minderheit von 30 Betroffenen
Vielmehr wurde eine Änderung des Abstimmungs-
zurückgedrängt werden kann. Auch konnten mit
und Wahlprinzips auf der Bundesjahreshauptver-
dem bisherigen „Ein-Verband-eine-Stimme-Prin-
sammlung am 15.03.2003 ohne nennenswerte
zip“ Mehrheitsverhältnisse missbräuchlich da-
Aussprache nach bloß namentlicher Abstimmung
durch verändert werden, dass sich größere Ver-
„mehrheitlich” abgelehnt.
bände in kleinere Verbände spalten oder einfach
mehrere kleinere Verbände gegründet werden.
Welche Gegenargumente führte der Landes-
Der Bundesverband hat mehrfach öffentlich und in
vorstand noch an?
den Medien geäußert, seine Wahlen und Abstimmungen würden nach streng parlamentarischen
Bezüglich der von den Ortsverbänden kritisierten,
Grundsätzen geführt und er vertrete die Meinung
angeblich wertenden Textpassagen im Tätigkeits-
der Mehrheit der contergangeschädigten Betroffe-
bericht 2004 entgegnete der LV-Vorstand, dass
nen und Eltern. In Wirklichkeit vertritt er aber nur
bei derart wichtigen Vorgängen der LV-Vorstand
die Mehrheit der von ihm vertretenen Mitglieds-
im Interesse seiner Mitglieder durchaus seine An-
verbände. Die Mitgliedsverbandsmehrheit reprä-
sichten im Tätigkeitsbericht wertend äußern könne
sentiert aber nicht stets die Einzelmitgliedermehr-
und sogar müsse. Auch könne die Darstellung der
heit. Lediglich bei einstimmigen Stimmergebnis-
Ereignisse um den Bundesrechtskongreß nicht
sen kann man von einer Übereinstimmung der
diffamierend sein, weil die Dinge so geschehen
Mitgliedsverbandsmehrheit mit der Einzelmitglie-
wären wie im Tätigkeitsbericht 2004 be-
dermehrheit sprechen.
schrieben50.
Dieser Antrag wurde vom Bundesverband ange-
Zum Sponsoring durch die Firma Grünenthal
nommen. Die Durchführung wurde aber vom Bun-
GmbH vertrat der LV-Vorstand den Standpunkt,
desvorstand über das ganze Geschäftsjahr 2002
dass es einen Unterschied zwischen Sponsoring
verschleppt. Auch im Frühjahr 2003 gab es keinen
und Entsch ädigu n gs za h lu n g gi b t . Bei m
vom Bundesvorstand hierzu eingeleiteten Mei-
Sponsoring profitiert der Sponsor auch von der
nungsbildungsprozess innerhalb der Mitglieds-
öffentlichen Wirkung seiner Sponsoreigenschaft,
verbände, bei dem diese dazu ausdrücklich auf-
weil er sich als Wohltäter darstellt, hingegen man
gefordert wurden, hierzu schriftlich Stellung zu
bezüglich einer Entschädigung bei einem
nehmen bzw. Satzungsänderungsvorschläge zu
verursachten Schaden eine Verpflichtung hat.
machen, damit derartige Unterlagen den anderen
Angesichts der Tatsache, dass Grünenthal stets
Verbänden zum endgültigen Entscheid vorgelegt
eine gerechte Entschädigung vereitelt und sich
werden.
50
Andreas Meyer; 19.03.2005.
Pillendreher
Seite 26
Ausgabe I / 2005
noch nicht einmal bei uns allen entschuldigt hat,
Dass sich die genannten Verbände von der An-
ist es entwürdigend, von Grünenthal Almosen in
waltsrüge distanzierten, nehme der LV-Vorstand
Form von Spenden usw. anzunehmen und ihr
zur Kenntnis. Man habe aber angesichts der vor-
somit obendrein auch noch die Rolle des
getragenen Kritik seitens der Vertreterin des OV
Wohltäters zu ermöglichen. Der LV-Vorstand hält
Düsseldorf, Susanne Ukschewski, und dem Ver-
den Vorschlag oder die Duldung eines Sponso-
treter des OV Bonn, Jörg Bruchmüller, in der Ver-
rings durch Grünenthal für verantwortungslos, weil
gangenheit eine ebenso konsequente Haltung bei
hinsichtlich der späteren Außenwirkung derartig
weitaus schwereren Verfehlungen des Bundesvor-
gesetzte Tatsachen nicht nur von Grünenthal
standes während der Ära Schleifenbaum53 ver-
missbraucht werden können. Man würde um den
misst. So hätten sich die gesamten Mitgliedsver-
Preis eines momentan opportunen Verhaltens
bände des LV NRW seinerzeit bei der Ab-
Rechtsstandpunkte und historische Tatsachen
stimmung über den Ausschluß des OV Köln aus
aufgeben51.
dem Bundesverband enthalten, obwohl die Kölner
erhebliche Mißstände bezüglich des Finanzgeba-
Zur Kritik der anwaltlichen Rüge wies der LV-Vor-
rens des damaligen Bundesvorstandes aufge-
stand daraufhin, dass der BV-Vorstand den Ter-
deckt hatten. Der damalige LV-Vorstand mit samt
min der Bundesjahreshauptversammlung wegen
seinen Mitgliedsverbänden sei erst eingeschwenkt
der zwei schwerwiegenden und rechtlich korrekt
und man habe erst gerichtliche Schritte gegen
festgestellten Satzungsverstöße selbst vertagt
den Bundesvorstand eingeleitet, nachdem abzu-
hat, damit die ursprünglich terminierte Bundes-
sehen war, dass die Kölner auch in dem Gerichts-
jahreshauptversammlung im Nachhinein nicht
verfahren bezüglich des zweiten Ausschlusses
hätte gekippt werden können. Nicht der LV NRW
obsiegen würden54.
sondern der BV-Vorstand selber hatte somit die
Vertagung verursacht und durchgeführt. Auch
Was die Verursachung von menschlichen Gräben
wäre dies keine Privataktion des 1. Vorsitzenden
anbelangt, wurde beiläufig daran erinnert, dass
Andreas Meyer sondern ein Vorgehen des ge-
gerade der BV-Vorstand höchst schikanöse und
samten LV-Vorstandes gewesen. Zudem wurde
entwürdigende Umgangsformen an den Tag ge-
daran erinnert, dass der OV Köln die gleiche Rüge
legt hat: So ist dem 1. Vorsitzenden, Andreas
mit einem Anwaltschreiben verschickt hatte, und
Meyer, auf einer der früheren Bundesjahres-
infolgedessen der BV-Vorstand auch ohne das
hauptversammlungen vom BV-Vorstand die Ess-
Anwaltschreiben des LV NRW den Termin ver-
ensausgabe verweigert worden, nur, weil er ver-
52
schoben hätte .
53
51
entsprechend Michael Rosenberg; 19.03.2005.
52
Andreas Meyer; 19.03.2005 und 30.04.2005.
Siehe oben die Darstellung der Ereignisse um den
Finanzskandal Schleifenbaum und Blum.
54
Andreas Meyer; 19.03.2005.
Pillendreher
Seite 27
Ausgabe I / 2005
gessen hatte, die Teilnahme des LV NRW anzu-
as Meyer als 1. Vorsitzender wurde den Ortsver-
melden. Obwohl genügend zu essen vorhanden
bandsvertretern mitgeteilt, dass eine derartige
war, hat er erst etwas zu essen bekommen, nach-
Konstellation in diesem Vorstand nicht das jeweils
dem der 1. Vorsitzende des OV Köln, Udo Herte-
geleistete und einsetzbare Arbeitspensum der
rich, ihm seine Essensmarke gegeben hatte. Wer
einzelnen Vorstandsmitglieder wieder spiegele.
unter fadenscheiniger Berufung auf belanglose
Andreas Meyer habe sämtliche Förderanträge,
Formalien selbst das Augenmerk auf die kleinliche
den Großteil der Zeitung „Pillendreher” sowie den
Beachtung von Formalien setzt, muß sich nicht
gesamten allgemeinen Schriftwechsel erstellt.
wundern, wenn er an anderer Stelle mit den recht-
Dann habe er die gesamte bisher durch Telefon-
lichen Konsequenzen schwerwiegender Satzungs-
anrufe angelaufene Einzelberatung geschultert.
verstöße konfrontiert wird55.
Hinzu kämen die allgemeinen Koordinationsaufgaben eines 1. Vorsitzenden, der Besuch von Ver-
Zur Kritik an der Textpassage bezüglich der Er-
anstaltungen anderer Verbände und die Reprä-
eignisse um die Mitwirkung der Bundesverbands-
sentation des Verbandes bei entsprechenden
vorsitzenden, Margit Hudelmaier, an dem von der
Landesorganisationen. Jedes Mitglied des amtie-
Firma Grünenthal gesponserten 6. Symposium
renden Vorstandes würde ihn dabei nach Kräften
„Die Contergankatastrophe - Eine Bilanz nach 40
unterstützen. Aber keiner könne dieses Zeitpen-
Jahren“ wurde der Hinweis gegeben, dass diese
sum aufbringen. Es ginge nicht an, dass man ei-
Textpassage bereits im Tätigkeitsbericht 2003
nen 1. Vorsitzenden wählen würde, während ein
enthalten gewesen ist und eine entsprechende
anderes Vorstandsmitglied im Hintergrund die
Kritik auf der Jahreshauptversammlung 2004 hät-
Arbeit des 1. Vorsitzenden machen würde. Daher
te vorgebracht werden müssen. Diese und andere
habe der Vorstand sich auch entschlossen, nur in
Textpassagen seien nur erneut übernommen wor-
dieser Konstellation wieder zu kandidieren58.
den, um hervorzuheben, dass es sich bei den
Vorfällen der offensichtlichen Annäherung zu Grü-
Konnte man sich einigen?
56
nenthal um keine Einzelfälle handelt . Im übrigen
wurde ausdrücklich auf die oben dargestellten
Nach heftigen Auseinandersetzungen zu den
Vorkommnisse in der Ära Schleifenbaum verwie-
obigen Themenpunkten einigte man sich auf der
sen57.
außerordentlichen Mitgliederversammlung
(30.04.2005) auf folgende Programmatik:
Hinsichtlich einer Ämterkonstellation ohne AndreDie Hauptaufgabe des Vereins ist nach wie vor
55
Michael Rosenberg; 19.03.2005.
56
Hervorgehoben im Tätigkeitsbericht 2004, Seite 42.
57
Andreas Meyer; 19.03.2005.
58
Michael Rosenberg; 30.04.2005.
Pillendreher
Seite 28
Ausgabe I / 2005
die Verbesserung und Professionalisierung der
sich noch soeben nach einer langen Diskussion
Beratungssituation.
über eine gemeinsame Programmatik geeinigt
hat. Wenn die Mitglieder diesen Vorstand nicht
Neben dieser Zielsetzung verfolge man die
wollten, sollten sie einen Vorstand aus ihren Rei-
Option, eine Entschädigung von Grünenthal zu
hen wählen. Wenn man die Arbeit nicht selber
erlangen.
machen wolle, solle man andere nicht daran hindern, das Notwendige zu tun59. Auch ließe man
Bei der Ausarbeitung von Forderungen gegenüber
sich nicht als Lückenbüßer mit einem Mindestvo-
der Firma Grünenthal GmbH sind positive Formu-
tum wieder wählen, weil kein anderer das arbeits-
lierungen bzw. positiv besetzte Begriffe zu ver-
reiche Amt übernehmen wolle60. Infolgedessen
wenden.
würde der Vorstand im Falle eines weiteren Wahlganges die Wahl gemeinschaftlich nicht anneh-
Zur Wahl stand der amtierende Vorstand in der
men, wenn der kandidierende Vorstand bloß mit
ursprünglichen Ämterkonstellation mit Andreas
einer einzigen Ja-Stimme wieder gewählt würde61.
Meyer als 1. Vorsitzenden, Sofia Plich als stellvertretende Vorsitzende, Wolfgang Schasse als Ver-
In diesem Fall müßten die Vertreter der Ortsver-
mögensverwalter.
bände einen Vorstand aus den Reihen der Anwesenden stellen. Eine andere Möglichkeit sei, dass
Die Wahl der Beisitzer sollte danach stattfinden.
der amtierende Vorstand die Geschäfte kommisarisch weiterführt, sofern klar ist, dass zeitnah auf
Es wurde ausdrücklich festgestellt, dass keiner
einer weiteren außerordentlichen Mitgliederver-
der anwesenden Vertreter der Ortsverbände sich
sammlung ein neuer Vorstand gewählt werden
als Kandidaten für die Vorstandsämter und als
könnte. Dies setze aber voraus, dass die Mit-
Beisitzer zur Verfügung stellen wollten.
gliedsverbände möglichst bald Kandidaten für
eine Neuwahl aufstellten. Wenn diese Möglichkeit
Bei der anschließenden, zuvor einstimmig be-
nicht gewünscht werde, müsse das Geschick des
schlossenen, offenen „en bloc”-Wahl wurde je-
LV dem Amtsgericht Ratingen übergeben werden,
doch der LV-Vorstand bei einer Ja-Stimme, einer
damit das dortige Vereinsregistergericht einen
Nein-Stimme und zwei Enthaltungen nicht ge-
Interimsvorstand bestellen könne62.
wählt, da eine Stimmengleichheit in diesem Falle
eine Ablehnung bedeutet.
59
Michael Rosenberg; 30.04.2005.
60
Den LV-Vorstand äußerte sich hierzu, dass das
Wahlergebnis für ihn unverständlich sei, weil man
entsprechend Vermögensverwalter Wolfgang
Schasse; telefonisch zugeschaltet; 30.04.2005.
61
Andreas Meyer; 30.04.2005.
62
Andreas Meyer; 30.04.2005.
Pillendreher
Seite 29
Ausgabe I / 2005
Die Anwesenden waren sich einig, die Wahl in
Es wurde nochmals ausdrücklich festgestellt, dass
einem erneuten Wahlgang unter den gleichen
sich aus den Reihen der Anwesenden niemand
Bedingungen („en bloc” und in offener Ab-
anderes für eines der Vorstandsämter zur Wahl
stimmung) wie zuvor zu wiederholen.
gestellt hat. Ebenso stand niemand als Notvorstand zur Verfügung.
Da der LV-Vorstand in diesem Wahlgang lediglich
mit einer Ja-Stimme und drei Enthaltungen ge-
Sodann wurde der erwähnte Beschluss gefasst,
wählt wurde, hat er die Wahl - wie zuvor ange-
die Geschäftsführung dem zuständigen Vereins-
kündigt - nicht angenommen.
registergericht zu übergeben.
Stellungnahme
von Sofia Plich (stellvertretende Vorsitzende), Angelika Scherer (Beisitzerin),
Michael Rosenberg (Beisitzer), Andreas Meyer (1. Vorsitzender)
W olfgang Schasse (Verm ögensverwalter) m öchte keine Stellungnahm e m ehr zu den obigen Ereignissen abgeben.
Wenn der Dachverband einer Geschädigtenorga-
wenn aufgrund dieses Klimas einem Landesvor-
nisation vom Schädiger über Jahrzehnte hinweg
stand von Verbandsvertretern nahegelegt wird, es
unterminiert werden konnte, um eine gerechte
sei im Sinne der Mitglieder die Wahrheit im ein-
Entschädigung zu verhindern;
zigen Meinungsbildungsorgan nicht zu benennen;
wenn die Geschichte der Schadensverursachung
wenn Verbandsvertreter, die jahrelang nicht auf
und Entschädigung von Vertretern dieses Dach-
Versammlungen erschienen sind, erst aktiv wer-
verbandes systematisch verfälscht wurde;
den, um einen sich gerade etablierenden Landesvorstand im Wege zu stehen, der diese eklatanten
wenn die Kritiker dieser Zustände diffamiert,
Mißstände aufzeigt und sich für deren Beseitigung
schikaniert und zu Delinquenten gemacht werden,
einsetzt;
weil man anders das Bekanntwerden der
Wahrheit nicht verhindern kann;
wenn dies wider besseren Wissens, entgegen den
für jedermann im Tätigkeitsbericht des Landesvor-
wenn infolgedessen ein allgemeines Klima
standes nachlesbaren Projektplanungen zur Ver-
geschaffen wurde, das jeden zum Außenseiter
besserung der Beratungssituation mit der Be-
stempelt, der sich mit der Wahrheit befassen
hauptung getan wird, der Landesvorstand ver-
möchte;
nachlässige aus rein persönlichen und vereins-
Seite 30
Pillendreher
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zweckwidrigen Motiven den Beratungsbedarf der
Verbandsvertreter schon die kritische Grundhal-
Mitglieder;
tung eines Landesvorstandes gegenüber dem
Schädiger trotz schwerster Folgeschäden und den
wenn andererseits gerade diese Verbandsver-
vielen traurigen Suizidfällen unter den Opfern als
treter noch nicht einmal der Aufforderung des
„verschobenes Feindbild” psychologisieren;
Landesvorstandes63 nach zu kommen vermochten, eine Selbstdarstellung ihres Vereines für die
dann kann ein Landesvorstand nur zurücktreten;
Verbandszeitung zu erstellen und auf eine Mitgliederversammlung mitzubringen;
und zwar gerade nicht, weil ihm nicht das genügende Vertrauen ausgesprochen wurde;
wenn der Landesvorstand eines Geschädigtenverbandes sich dazu bewegen lassen muß, um
sondern, weil er selber kein Vertrauen in das den
den Verbandsfrieden und das Wohlwollen der
Landesverband ausmachende Umfeld haben
Verbandsvertreter zu erhalten, bei der eventuellen
kann;
Ausarbeitung von Forderungen gegenüber den
Schädiger positive Formulierungen bzw. positiv
ein Umfeld voller Agonie, der Angst vor der eige-
besetzte Begriffe zu verwenden;
nen Courage, mit einem bis zur Leugnung von
Tatsachen reichenden Harmoniebedürfnis;
wenn Verbandsvertreter ihren Landesverband
eher den Liquidatoren des Vereinsregistergerichts
ein Umfeld, das ganz offensichtlich aus diesen
übergeben wollen, als einem Landesvorstand
Gründen ein „verschobenes Freundbild” hat.
deutlich das Vertrauen auszusprechen, der sich
soeben noch bereit erklärt hat, eine nach zähem
- - -
Ringen mit ihnen gemeinsam ausgearbeitete
Programmatik aktiv umzusetzen;
Thalidomid wartet auf seine Wiederzulassung.
wenn diese Verbandsvertretern aus ihren Reihen
Der Conterganverband hat es sich längst selbst
keinen Vorstand zu bilden vermochten, weil sie
verabreicht.
scheinbar das mit diesem Amt verbundene
Engagement selber nicht aufbringen möchten;
wenn es sogar soweit gekommen ist, dass
Wir bitten diejenigen um Entschuldigung, deren
Anliegen aufgrund der dargestellten Umstände
63
Einladung zur außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 20. April 2005.
nicht mehr bearbeitet werden konnten.
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
Schwerpunktthema
Überblick über die Pflegeversicherung
von Cornelia Ludwig
Rechtsanwältin
Vorwort
Der Hilfebedarf bei im Gesetz nicht aufgeführten
Verrichtungen wird vom Versicherungsschutz
Die Pflegeversicherung ist im Elften Buch des
nicht umfasst. Erreicht der Hilfebedarf bei den
Sozialgesetzbuches (SGB XI) geregelt.
maßgebenden Verrichtungen nicht das im Gesetz
vorgesehene Ausmaß, so kommen Leistungen
Versicherungspflichtig sind alle Mitglieder der ge-
der Pflegeversicherung nicht in Betracht.
setzlichen und freiwilligen Krankenversicherung (§
20 SGB XI). Personen, die wegen Erwerbsunfä-
Die Pflegeversicherung hat daher in weit stärke-
higkeit Grundsicherung erhalten, sind nicht pflege-
rem Maße als die anderen Zweige der Sozialversi-
versicherungspflichtig. Sind sie nicht über die Fa-
cherung innerhalb des von ihr abzudeckenden
milie oder privat pflegeversichert, sind Ansprüche
Risikobereichs lediglich eine ergänzende Funkti-
auf Leistungen zur Pflege aus dem Sozialgesetz-
on. Sie ist keine Voll- sondern lediglich „Teilkasko-
buch XII (Sozialhilfe) gegeben.
versicherung“.
Der Eintritt des Versicherungsfalls und die Höhe
der Leistungen hängen davon ab, dass bei dem
I.
Leistungsvoraussetzungen
Versicherten bei bestimmten Verrichtungen im
Ablauf des täglichen Lebens (Körperpflege, Er-
Das Gesetz selbst enthält umfangreiche Begriffs-
nährung, Mobilität, Hauswirtschaft) ein Hilfebedarf
definitionen der Leistungsvoraussetzungen. Der
(im folgenden auch Pflegebedarf) in einem vom
Gesetzgeber hat darüber hinaus die Spitzenver-
Gesetzgeber festgesetzten Ausmaß besteht. Au-
bände der Pflegekassen ermächtigt, im Interesse
ßerdem muss der Betreffende die versicherungs-
einer einheitlichen Rechtsanwendung Richtlinien
rechtlichen Voraussetzungen erfüllen (Vorversi-
zur näheren Abgrenzung der Pflegebedürftigkeit,
cherungszeit von fünf Jahren in den letzten zehn
zu den Pflegestufen und zum Verfahren der Fest-
Jahren vor Antragstellung § 33 Abs. 2 Nr. 5 SGB
stellung der Pflegebedürftigkeit zu erlassen.
XI).
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Die von Spitzenverbänden daraufhin erlassenen
1.
Die gesetzlichen Merkmale im Einzelnen
Pflegebedürftigkeits- und Begutachtungs-Richtlinien (beide zuletzt geändert am 22.08.2001) bin-
a) Dauer
den den Medizinischen Dienst der Krankenkassen
(im folgenden MDK), der die Pflegebedürftigkeit
Der Einschub „voraussichtlich für mindestens
durch ein Gutachten zu prüfen hat wie auch die
sechs Monate“ präzisiert den Begriff „auf Dauer“
Pflegekassen selbst.
in zweifacher Hinsicht.
Die Pflegebedürftigkeits-Richtlinie erläutert die
Zum einen wird festgelegt, dass nur Zeiträume
gesetzlichen Merkmale der Pflegebedürftigkeit
von mehr als sechs Monaten die Voraussetzung
und der Pflegestufen. Die Begutachtungsrichtlinie
„auf Dauer“ erfüllen. Zum anderen wird verdeut-
ergänzt und vertieft die PfRi und bildet die Basis
licht, dass bereits vor Ablauf von sechs Monaten
für eine einheitliche Gutachtenpraxis (beide Richt-
eine Entscheidung über das Vorliegen von Pflege-
linien im internet abrufbar unter :
bedürftigkeit getroffen werden kann, wenn voraussehbar ist, dass der Zustand der Hilfebedürftigkeit
www.mds-ev.org, button SINDBAD).
länger als sechs Monate andauern wird (beispielsweise bei vorgeburtlicher Schädigung).
Die Härtefall-Richtlinie (HRi, zuletzt geändert am
03.07.1996) bestimmt die Kriterien für die
Pflegebedürftigkeit auf Dauer ist jedoch auch
Anerkennung eines Härtefalles (Pflegestufe „3+“).
dann gegeben, wenn die verbleibende Lebensspanne weniger als sechs Monate beträgt.
1.
Begriff der Pflegebedürftigkeit (§ 14
Abs. 1 SGB XI)
b)
Krankheit oder Behinderung
Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversiche-
Die Pflegebedürftigkeit muss als Folge einer kör-
rung ist gegeben, wenn ein erheblicher oder hö-
perlichen oder geistigen bzw. seelischen Krank-
herer Hilfebedarf für die gewöhnlichen und regel-
heit bzw. Behinderung entstehen.
mäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens aufgrund von Krankheit oder Behin-
Organische Erkrankungen einerseits und psychi-
derung auf Dauer, voraussichtlich für mindestens
sche Erkrankungen andererseits werden gleich-
sechs Monate, besteht.
berechtigt nebeneinander gestellt.
Die Pflegebedürftigkeit muss weiter darauf beru-
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
hen, dass die Fähigkeit, bestimmte Verrichtungen
(1) Unterstützung bedeutet noch vorhandene Fä-
des täglichen Lebens auszuüben, wegen der
higkeiten zu erhalten und zu fördern, sowie dem
Krankheit oder Behinderung eingeschränkt oder
Pflegebedürftigen zu helfen, verloren gegangene
nicht vorhanden ist.
Fähigkeiten wieder zu erlernen und nicht vorhandene zu entwickeln (aktivierende Pflege). Zur Un-
Maßstab der Pflegebedürftigkeit sind ausschließ-
terstützung gehört auch, den Pflegebedürftigen
lich die Fähigkeitsbeeinträchtigung oder der –ver-
zur Nutzung der ihm überlassenen Hilfsmittel (z.B.
lust, nicht Art oder Schwere vorliegender Erkran-
Prothesen) anzuleiten.
kungen oder die Feststellung einer Behinderung
oder die Gewährung einer Rente.
(2) Teilweise oder vollständige Übernahme der
Gleichgestellt sind Personen, die die Verrichtun-
Verrichtungen bedeutet, dass die Pflegeperson
gen zwar motorisch ausüben, jedoch deren Not-
den Teil der Verrichtungen übernimmt, den der
wendigkeit nicht erkennen oder nicht in sinnvolles
Pflegebedürftige nicht ausführen kann.
zweckgerichtetes Handeln umsetzen können (z.B.
bei Antriebs- und Gedächtnisstörungen).
(3) Beaufsichtigung und Anleitung zielen darauf
ab, dass die täglichen Verrichtungen in sinnvoller
c)
Hilfe (§ 14 Abs. 3 SGB XI)
Weise vom Pflegebedürftigen selbst durchgeführt
werden. Der Pflegebedürftige soll (wieder) lernen,
Hilfeleistung im Sinne der Pflegeversicherung
die Verrichtungen des täglichen Lebens selbst
besteht in mehrfacher Hinsicht :
sinnvoll durchzuführen. Dies kommt insbesondere
bei geistig oder seelisch Behinderten, psychisch
(1) der Unterstützung,
Kranken sowie geronto-psychiatrisch veränderten
Menschen in Betracht.
(2) in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen
Lebens
Anleitung bedeutet dabei, dass die Pflegeperson
bei einer konkreten Verrichtung den Ablauf der
oder
einzelnen Handlungsschritte oder den ganzen
Handlungsablauf anregen, lenken oder demon-
(3) in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem
Ziel der eigenständigen Übernahme der Verrichtungen.
strieren muss.
Pillendreher
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Bei der Beaufsichtigung steht zum einen die Si-
(so Bundessozialgericht (BSG) vom 06.08.1998,
cherheit beim konkreten Handlungsablauf im Vor-
Az.: B 3 P 17/97 R). Begleitung auf dem Weg zur
dergrund, zum anderen die Kontrolle darüber, ob
Arbeitsstelle oder das An- und Ausziehen der Ar-
die betreffenden Verrichtungen in der erforderli-
beitskleidung können daher nicht in die Ermittlung
chen Art und Weise durchgeführt werden.
des Pflegebedarfs einbezogen werden.
Beaufsichtigung und Anleitung richten sich auch
darauf, die Orientierung zur eigenen Person und
d)
Verrichtungen
in der Umgebung zu fördern, Selbst – oder
Fremdgefährdung zu vermeiden sowie Ängste,
§ 14 Abs. 4 SGB XI konkretisiert die Verrichtun-
Reizbarkeit oder Aggressionen abzubauen.
gen des täglichen Lebens, die bei der Begutachtung und Einstufung der Pflegebedürftigkeit allein
Diese Hilfestellungen müssen aber konkret auf die
zu berücksichtigen sind. Die Verrichtungen sind in
gesetzlich vorgegebenen Verrichtungen bezogen
vier Bereiche unterteilt. Die ersten drei Bereiche
sein. Ein allgemeiner Aufsichts- und Betreuungs-
werden als die so genannte Grundpflege bezeich-
bedarf wegen Fremd- oder Selbstgefährdung ist
net. Es muss ein Hilfebedarf bei Grundpflege und
nicht berücksichtigungsfähig.
hauswirtschaftlicher Versorgung gegeben sein,
damit die Pflegekasse eine Pflegebedürftigkeit
Nicht zu berücksichtigen beim Hilfebedarf sind
anerkennt.
ferner Maßnahmen der Krankenbehandlung, der
medizinischen Rehabilitation oder der Behandlungspflege.
aa)
Auch Maßnahmen zur Durchführung der berufli-
das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege,
chen und sozialen (gesellschaftlichen) Einglie-
das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasen-
derung sowie zur Förderung der Kommunikation
entleerung.
Der Bereich Körperpflege umfasst
gehören nicht zum berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf, das sie im Gesetz keine Stütze finden
bzw. insoweit die Leistungspflicht eines anderen
ab)
Der Bereich Ernährung umfasst
Sozialleistungsträgers gegeben ist.
das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme
So haben z.B. Hilfeleistungen unberücksichtigt zu
bleiben, die durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit des Pflegebedürftigen veranlasst werden
der Nahrung.
Pillendreher
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ac)
Der Bereich Mobilität umfasst
schwerden und das Einfüllen von Getränken in
Trinkgefäße.
das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, Anund Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen
Die Bemessung und Zuteilung von Diätnahrung
oder das Verlassen oder Wiederaufsuchen der
(z.B. bei Diabetikern) zählt hingegen zur hauswirt-
Wohnung.
schaftlichen Versorgung und nicht zu den Verrichtungen der Grundpflege.
ad)
Der Bereich hauswirtschaftliche Versor-
Bei der Begutachtung der Mobilität sind insbeson-
gung umfasst
dere solche Hilfeleistungen zu prüfen, die zur Aktivierung des Pflegebedürftigen beitragen. Das Le-
das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung,
ben des Pflegedürftigen soll nicht auf die Woh-
Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und
nung beschränkt bleiben.
Kleidung oder das Beheizen.
Allerdings sind nur solche Verrichtungen außerhalb der Wohnung einzubeziehen, die für die AufWie wichtig die Zuordnung einzelner Verrichtun-
rechterhaltung der Lebensführung zuhause un-
gen werden kann, soll an einigen Beispielen näher
umgänglich sind und das persönliche Erscheinen
erläutert werden. Die Zuordnung kann Bedeutung
des Pflegebedürftigen erfordern. Ein täglicher
in zweifacher Hinsicht erlangen:
Spaziergang oder der wöchentliche Kirchgang
sind daher nicht zu berücksichtigen (BSG Akten-
(1) ob bzw. wie die betreffende Verrichtung beim
zeichen (Az.) B 3 P 15/99 R), ebenso die Beglei-
Pflegebedarf zu berücksichtigen ist
tung eines behinderten Menschen auf dem Weg
zwischen Wohnung und Werkstatt für behinderte
und
Menschen (BSG Az. B 3 P 1/99 R).
(2) ob der erforderliche Zeitaufwand erfüllt ist.
Hingegen ist die Begleitung zu regelmäßigen, das
heißt mindestens einmal wöchentlich anfallenden
Zur mundgerechten Zubereitung und Aufnahme
Arztbesuchen einschließlich anfallender Wartezeit
der Nahrung gehören nach der Pflegebedürftig-
berücksichtigungsfähig, soweit die Arztbesuche
keitsrichtlinie alle Tätigkeiten, die die Aufnahme
zur Behandlung einer Krankheit erforderlich sind
von fester oder flüssiger Nahrung ermöglichen wie
(BSG Az. B 3 P 17/97 R).
z.B. das Zerkleinern der Nahrungsmittel, das Einweichen harter Nahrung bei Kau- und Schluckbe-
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Andererseits ist ein erforderlicher Transport des
Zusätzlich wird in allen Pflegestufen Hilfebedarf
Versicherten zu seiner Pflegeperson, die ihn nur
für die hauswirtschaftliche Versorgung vorausge-
in ihrer eigenen häuslichen Umgebung pflegen
setzt.
will, nicht als Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anrechenbar, weil ein solcher Bedarf nur durch die Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder –bereitschaft der Pflegeper-
b)
Zuordnungskriterien für die einzelnen
Pflegestufen
son begründet wird (BSG Az. B 3 P 12/01).
Pflegebedürftige der Pflegestufe 1 (erheblich
Das Einkaufen als Verrichtung im Rahmen der
Pflegebedürftige) haben mindestens einmal täg-
hauswirtschaftlichen Versorgung umfasst z.B.
lich Hilfebedarf bei wenigsten zwei der oben ge-
auch den Überblick, welche Lebensmittel wo ein-
nannten Verrichtungen aus den Bereichen Kör-
gekauft werden müssen, die Kenntnis des Wertes
perpflege, Ernährung oder Mobilität und bedürfen
von Geldmünzen und Banknoten sowie die Kennt-
zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der
nis der Genieß- und Haltbarkeit von Lebensmit-
hauswirtschaftlichen Versorgung.
teln.
Zum Personenkreis der Pflegestufe 1 gehört auch
Zum Kochen gehört schließlich auch das Vor- und
der Personenkreis, der zweimal täglich – z.B. am
Zubereiten der Bestandteile der Mahlzeit.
Morgen und am Abend - Hilfebedarf hat.
Auf das Vorliegen jeder dieser Voraussetzungen
2.
Stufen der Pflegebedürftigkeit (§ 15 SGB
kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
XI)
auch dann nicht verzichtet werden, wenn im übrigen die zeitlichen Voraussetzungen – z.B. allein
a) Allgemeines
durch den Hilfebedarf bei einer der Verrichtung
der Grundpflege – erfüllt sind (BSG, Az. B 3 P
Weitere Voraussetzung für die Leistungsgewäh-
10/98 R) oder der Versicherte aufgrund häufig –
rung ist die Möglichkeit der Zuordnung in eine der
aber eben nicht täglich – auftretender Krankheits-
gesetzlich definierten Pflegestufen.
schübe an mehreren Tagen der Woche fremder
Hilfe bedarf (BSG, Az. B 3 P 5/00 SGb 2001,
Kriterien für die Zuordnung sind dabei die Art, die
177), auch wenn darüber hinaus der Pflegebedarf
Häufigkeit und der Zeitaufwand für die benötigten
die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe 1
Hilfen bei der Körperpflege, der Ernährung oder
erfüllt (BSG, Az. 3 P 12/00 R abgedr. in der Zeit-
der Mobilität.
schrift „Die Sozialgerichtsbarkeit“ (SGb) 2001,
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
Seite 549).
gabe wurde höchstrichterlich bestätigt.
Neben den drei Hilfen am Tage muss daher regelPflegebedürftige der Pflegestufe 2 (schwer Pfle-
mäßig eine weitere Hilfe zwischen 22.00 Uhr und
gebedürftige) sind Personen, die bei den oben
6.00 Uhr geleistet werden müssen. Dies ist aber
genannten Verrichtungen der Körperpflege, der
auch dann noch der Fall, wenn in den letzten vier
Ernährung oder Mobilität mindestens 3 x täglich
Wochen vor der Begutachtung einmal oder höch-
zu verschiedenen Zeiten der Hilfe bedürfen und
stens zweimal in der Woche nächtliche Hilfelei-
zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der
stungen nicht anfielen und Hilfebedarf mindestens
hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
in diesem Umfang voraussichtlich auf Dauer bestehen wird.
Pflegebedürftige der Pflegestufe 3 (Schwerst-
Die Überprüfung der Nachteinsätze erfolgt auf der
pflegebedürftige) sind solche, die bei der Körper-
Basis der Pflegedokumentation bei Unterbringung
pflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich
in einer stationären Einrichtung oder anderer län-
rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen
gerfristiger Aufzeichnungen über den Pflegever-
und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei
lauf bei häuslicher Unterbringung.
der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
Schwerstpflegebedürftigkeit liegt daher vor, wenn
Bei einem außergewöhnlich hohen oder intensi-
der Hilfebedarf so groß ist, dass jederzeit eine
ven Pflegeaufwand (§§ 36 Abs.3, 43 Abs. 4) kann
Pflegeperson unmittelbar erreichbar sein muss,
ein Pflegebedürftiger der Pflegestufe 3 als Härte-
weil der konkrete Hilfebedarf jederzeit gegeben ist
fall (Pflegestufe „3+“; Einfügung durch Redaktion
und Tag und Nacht anfällt (Rund-um-die-Uhr-Be-
„Pillendreher”) anerkannt werden.
treuung).
Entscheidend ist, dass nachts tatsächlich regelmäßig Hilfe geleistet werden muss. Eine bloße
Dies ist der Fall, wenn die Grundpflege für den
Pflegebedürftigen auch des nachts nur
ständige Bereitschaft reicht daher nicht aus (BSG,
Az. B 3 P 7/97 R, NZS 1998,479).
-
erbracht werden kann
Die Nacht ist in den insoweit maßgeblichen
Begutachtungs-Richtlinien mit der starren Zeitangabe 22.00 Uhr – 6.00 Uhr definiert. Diese Vor-
von mehreren Pflegekräften gemeinsam
oder
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Pillendreher
Ausgabe I / 2005
-
Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung
II.
oder der Mobilität mindestens 7 Stunden
V e r fa h re n
zur
Feststellung
de r
Pflegebedürftigkeit
täglich, davon wenigstens 2 Stunden in der
Nacht, erforderlich ist.
1.
Antragstellung und Ablauf
Es ist ein (formloser) Antrag auf Leistungen an die
c) Zeitaufwand für die Pflege
zuständige Pflegekasse (an die jeweilige Krankenkasse angegliedert) zu richten (§ 33 Abs.1 Satz 1
Die Pflegeversicherung geht vom Modell der Lai-
SGB XI). Das weitere Verfahren wird durch das
enpflege aus. Entscheidend im Sinne des Geset-
Gesetz (§ 18 SGB XI) und die schon erwähnten
zes ist also der Zeitaufwand, den eine nichtprofes-
Richtlinien geregelt.
sionelle Pflegekraft für die Hilfeleistungen benötigt.
Die Pflegekassen haben durch einen Gutachter
des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen
(MDK) prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen
Dieser Zeitaufwand muss wöchentlich im Tages-
der Pflegebedürftigkeit gegeben sind und welche
durchschnitt
Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Mit dem
Gutachtenauftrag übergibt die Pflegekasse dem
MDK den Antrag und weitere für die Begutachtung
-
in der Pflegestufe I mindestens 90 Minu-
ihr vorliegende erforderlichen Unterlagen über
ten betragen; hierbei müssen auf die
Vorerkrankungen, Klinikaufenthalte, zur Hilfsmit-
Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen,
telversorgung, zum behandelnden Arzt und zur
häuslichen Krankenpflege.
-
in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden; hierbei müssen auf die Grundpflege
Die Prüfung hat durch eine Befragung des Versi-
mindestens zwei Stunden entfallen;
cherten und seiner pflegenden Angehörigen und
einer sich anschließenden Untersuchung des Ver-
-
in der Pflegestufe III fünf Stunden betra-
sicherten zu erfolgen.
gen; hierbei müssen auf die Grundpflege
mindestens vier Stunden entfallen.
Grundsätzlich hat der MDK den Versicherten in
seinem Wohnbereich bzw. in der Pflegeeinrichtung zu untersuchen. Erteilt der Versicherte dazu
nicht sein Einverständnis, kann die Pflegekasse
die Leistungen verweigern. Die Untersuchung im
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Wohnbereich kann ausnahmsweise unterbleiben,
Zur Zuordnung in eine Pflegestufe ist der individu-
wenn das Ergebnis nach Aktenlage bereits ein-
elle Pflegebedarf nach Art und Häufigkeit sowie
deutig festzustellen ist.
nach dem zeitlichen Umfang für jede einzelne der
21 gesetzlichen
Pflegeverrichtungen aus den
Befindet sich der Antragsteller im Krankenhaus
Bereichen Körperpflege, Ernährung, Mobilität und
oder in einer stationären Rehabilitationseinrich-
hauswirtschaftliche Versorgung zu ermitteln. Dazu
tung, ist eine kurzfristige Begutachtung bereits
werden die Pflegeperson(en) und/oder der Pflege-
dort durchzuführen, wenn dies zur Sicherstellung
bedürftige befragt und deren Aufzeichnungen
einer ambulanten oder stationären Weiterversor-
über die Pflege (zum Beispiel durch ein „Pflegeta-
gung und Betreuung erforderlich ist.
gebuch“ dazu unten II.2. mehr) mit den im Anhang
zur Begutachtungsrichtlinie abgedruckten Orien-
Soweit erforderlich und der Versicherte hierin ein-
tierungsrahmen für den pflegerischen Zeitaufwand
willigt, soll der MDK die behandelnden Ärzte des
für die Grundpflege (so genannte Zeitkorridore)
Versicherten, insbesondere die Hausärzte in die
verglichen.
Begutachtung einbeziehen – und soweit nicht bereits durch die Pflegekasse vorgelegt – ärztliche
Diese basieren auf Werten, die für die vollständi-
Auskünfte und Unterlagen über die für die Begut-
ge Übernahme der Verrichtung durch eine Laien-
achtung wichtigen Vorerkrankungen sowie zu Art
pflegekraft ermittelt wurden.
und Dauer der Pflege (z.B. bei psychisch Kranken
sowie geistig und seelisch Behinderten evtl. vor-
Vor- und Nachbereitungen zu den Verrichtungen
handene längerfristige Aufzeichnungen über den
sind in den Zeitkorridoren berücksichtigt.
Pflegeverlauf) einholen.
Die Zeitkorridore entbinden jedoch den Gutachter
Pflegeeinrichtungen haben ihre Unterlagen, ins-
nicht, in jedem Einzelfall den Zeitaufwand für den
besondere die Pflegedokumentationen vorzulegen
Hilfebedarf bei der Grundpflege entsprechend der
und Auskünfte zu erteilen.
individuellen Situation des Einzelfalls festzustellen. Dies gilt insbesondere auch für die Hilfelei-
Die Begutachtung ist in der Regel durch geschulte
stungen Beaufsichtigung und Anleitung, für die die
und qualifizierte Ärzte des MDK durchzuführen. In
Begutachtungsrichtlinie keine Orientierungswerte
die Begutachtung können jedoch auch Pflege-
vorsieht.
fachkräfte und andere Fachkräfte sowie externe
Gutachter unter Verantwortung durch den MDK
Besonderheiten, die sich aus dem speziellen
eingebunden werden.
Krankheitsbild ergeben, sind innerhalb des Zeitkorridors als Erschwernis- bzw. Erleichterungs-
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faktor zu berücksichtigen.
schnittswert zu berücksichtigen.
Erschwerende oder erleichternde Faktoren kön-
Der Zeitbedarf für die anteilig auf den Pflegebe-
nen die körperlichen Gegebenheiten des Pflege-
dürftigen entfallenden hauswirtschaftliche Versor-
bedürftigen (z.B. Körpergewicht über 80 kg oder
gung ist insgesamt anzugeben. Insoweit sieht die
unter 40 kg) oder seine Mithilfefähigkeit (z.B.
Begutachtungsrichtlinie keine Orientierungswerte
hochgradige Spastik, Einsteifung großer Gelenke)
vor. Soweit jedoch ausreichender Hilfebedarf im
sein.
Bereich der Grundpflege festgestellt wird, ist auch
die Begründung des sich darüber hinaus ergeben-
Ebenso können die räumlichen und baulichen
den Aufwandes für die hauswirtschaftliche Versor-
Gegebenheiten der Wohnung bei der Zeitbemes-
gung in aller Regel unproblematisch und nicht
sung als erschwerende oder auch erleichternde
entscheidungserheblich.
Faktoren zu berücksichtigen sein.
Das Ergebnis der Prüfung teilt der MDK der PfleWird der Betroffene nicht (mehr) in der eigenen
gekasse in einem Gutachten mit. Dabei ist ein
Wohnung sondern z.B. in einer stationären Pfle-
Formulargutachten zu verwenden, auf dessen
geeinrichtung gepflegt, ist für die Bemessung des
Inhalt und Form sich die Spitzenverbände der
zeitlichen Aufwandes nicht vom tatsächlichen
Krankenkassen geeinigt haben.
Wohnumfeld sondern von einer durchschnittlichen
häuslichen Wohnsituation auszugehen (Zwei-
In dem Gutachten ist differenziert zu folgenden
Personen-Haushalt, vier Zimmer, keine behinder-
Sachverhalten Stellung zu nehmen:
tengerechte Ausstattung, 1. Etage, kein Aufzug,
nicht ebenerdig erreichbar).
Vorliegen der Voraussetzungen für Pflegebedürftigkeit und Beginn der Pflegebedürftigkeit, zuge-
Der zeitliche Hilfebedarf ist durch den Gutachter
ordnete Pflegestufe, Prüfung, ob und inwieweit ein
für jede Verrichtung der Grundpflege in vollen Mi-
außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand nach der
nutenwerten anzugeben.
Härtefall-Richtlinie vorliegt, sowie Umfang der
nicht professionellen Pflegetätigkeit im Hinblick
Fallen einzelne, in der Regel tägliche Verrichtun-
auf deren Rentenversicherung (dazu unten unter
gen (z.B. Baden, Verlassen und Wiederaufsuchen
III.6. a) mehr).
der Wohnung oder auch Blasen- und Darmentleerung in Form der Katheterisierung) nicht jeden
Das Gutachten des MDK muss darüber hinaus
Tag an, so ist der wöchentliche Gesamtaufwand
einen individuellen Pflegeplan erstellen. Dieser
auf Minuten pro Tag umzurechnen und der Durch-
enthält Empfehlungen zu über die aktuelle Versor-
Pillendreher
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gungssituation hinausgehende notwendige pflege-
sollten vor der Begutachtung mindestens über
rische Leistungen sowie zu notwendigen Pflege-
eine Woche, besser aber über 14 Tage ein so
hilfsmitteln. Zum Pflegeplan gehört auch der Vor-
genanntes Pflegetagebuch führen.
schlag über notwendige Maßnahmen zur Rehabilitation. Dabei kann der MDK auch Rehabilitations-
Hier sollten der tägliche Zeitaufwand und die Art
maßnahmen vorschlagen, die nicht zu Lasten der
der Hilfen detailliert mit den tatsächlichen Zeiten
Pflegekassen, sondern zu Lasten anderer Sozial-
erfasst werden. Damit die Gutachter nicht zu ge-
leistungsträger (zum Beispiel Sozialhilfeträger)
ring einstufen, sollte tatsächlich jede zur Versor-
gehen.
gung des Pflegebedürftigen nötige pflegerische
oder hauswirtschaftliche Versorgung festgehalten
Die Bestätigung der Notwendigkeit von Rehabilita-
werden. Spielt der Pflegebedürftige in dem Gut-
tionsmaßnahmen durch den MDK kann daher der
achtergespräch aus Scham oder Stolz vorhande-
Durchsetzung von Rechtsansprüchen sowohl ge-
ne Probleme herunter, sollten die Angehörigen
genüber der Pflegekasse als auch beispielsweise
dem Gutachter die tatsächliche Situation in einem
gegenüber dem Sozialhilfeträger erleichtern.
zusätzlichen Gespräch nahe bringen.
Die Pflegekasse erlässt auf der Grundlage des
Muster bzw. Vordrucke für Pflegetagebücher fin-
Gutachtens einen Bescheid. Wird eine Pflegebe-
den sich im Internet (zum Beispiel unter www.pa-
dürftigkeit anerkannt und Leistungen bewilligt, so
tientenstelle.info/download/pfl_buch.pdf) oder sind
geschieht dies rückwirkend bis zum Datum der
bei den Krankenkassen erhältlich.
Antragstellung. Entstandene Kosten für professionelle Pflege werden erstattet. Zu den Möglichkei-
Einschlägige medizinische Gutachten oder
ten im Fall des negativen Ausgangs wird unter III.
(sozial-)medizinische Stellungnahmen sollten zur
eingegangen.
Weitergabe an den Medizinischen Dienst besorgt
werden, sofern der Pflegebedürftige nicht in die
Beiziehung dieser Unterlagen durch den MDK
2.
Rolle und Mitwirkungsmöglichkeiten
eingewilligt hat oder er die Unterlagen des MDK
von Eltern, Angehörigen oder Lebens-
ggf. ergänzen will.
gefährten bei der Begutachtung
Wenn der Gutachter des MDK kommt, ist zur BeEs ist ratsam, sich sorgfältig auf den Besuch des
gutachtung eine Vertrauensperson als Zeuge he-
Medizinischen Dienstes vorzubereiten.
ranzuziehen; im Idealfall verfügt diese über juristische Kenntnisse im Bereich der Pflegeversiche-
Der Pflegebedürftige oder die Pflegeperson(en)
rung.
Pillendreher
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Über das Begutachtungsgespräch sollte man sich
i und bei Pflegestufe III 665,00 i .
während oder direkt danach Notizen zum Verlauf
machen.
Ist der Pflegebedürftige ein Härtefall (Pflegestufe
„3+“; Einfügung durch Redaktion „Pillendreher”) ,
Es empfiehlt sich, sich darüber zu informieren,
welches Informationsmaterial über den Pflegebedürftigen bereits beim Medizinischen Dienst vor-
kann er kein Pflegegeld, sondern nur Pflegesachleistungen in Höhe bis zu 1.918 i in Anspruch
nehmen.
liegt. Der Pflegebedürftige oder sein Vertreter haben das Recht auf Einsicht in vorhandene Gutachten (§ 25 SGB X). Gegen Bezahlung können
Kopien des Gutachtens angefordert werden (§ 25
Abs. 5 SGB X). Dies kann beispielsweise im Rahmen eines Antrages auf Höherstufung sinnvoll
sein, wenn die Pflegekasse darüber zu entscheiden hat, ob, über eine zuvor erfolgte automatische
Einstufung in Stufe II mit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes am 1.1.1995 hinaus, aufgrund vorhandener Gutachten auf Leistungen
wegen Schwerpflegebedürftigkeit eine Einstufung
in Stufe III in Frage kommt.
Nimmt der Pflegebedürftige die Geldleistung für
selbst beschaffte Pflegekräfte in Anspruch, so ist
er verpflichtet, bei Pflegestufe I und II halbjährlich
und bei Pflegestufe III vierteljährlich einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung (Pflegedienst) abzurufen. Der Beratungsbesuch dient der
Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege. Dabei werden die Pflegenden umfassend beraten.
Häufig werden auch Fragen zur Höherstufung,
Hilfsmittelbeschaffung, zu Hebetechniken und zur
Schmerzmitteltherapie besprochen. Die Vergütung für den Einsatz ist gesetzlich geregelt und
wird von der Pflegekasse getragen. Wird der Beratungseinsatz nicht abgerufen, „hat die Pflege-
III.
Leistungsarten
kasse das Pflegegeld angemessen zu kürzen und
im Wiederholungsfall zu entziehen“. Für an-
In Hinblick auf den Leserkreis hat die Verfasserin
die Darstellung der Leistungsarten auf die häusli-
gemessen halten die Pflegekassen eine Kürzung
von 50 %.
che Pflege beschränkt.
Personen, die am 31.3.1995 Pflegegeld nach § 69
Bundessozialhilfegesetz in der bis zum 31.3.1995
1.
Pflegegeld (§ 37 SGB XI)
geltenden Fassung erhalten haben („Altfälle“),
erhalten dieses und zusätzlich das bis zum
Das Pflegegeld wird bei häuslicher Pflege an die
Pflegeperson gezahlt. Das Pflegegeld beträgt bei
Pflegestufe I 205,00 i, bei Pflegestufe II 410,00
31.3.1995 gezahlte Pflegegeld nach den krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften (§ 57 SGB
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V) auch weiterhin (Art. 51 PflegeVG). Bei der
vom Sozialhilfeträger dafür voll zu bezahlen (§ 66
Festsetzung und damit der Höhe der Leistung
Abs. 4 Satz 2 SGB XII). Übersteigen diese Kosten
sind aber wie auch sonst im Sozialhilferecht, be-
eine stationäre Pflege, ist zu prüfen, ob ein Um-
stimmte Einkommensgrenzen zu beachten (§ 85
zug zumutbar ist. Ist ein Umzug unzumutbar, weil
SGB XII).
damit zum Beispiel eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden ist,
wird dieser Kostenvergleich nicht durchgeführt (§
2.
Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI)
13 Abs. 1 Satz 7 SGB XII).
Bei Bezug von Pflegesachleistungen (häusliche
Erhält der Betreffende neben dieser Sozialhilfelei-
Pflegehilfe) rechnet der ambulante Pflegedienst
stung ein Pflegegeld aus der Pflegeversicherung,
direkt mit der Pflegekasse ab. Dafür stellt die Pfle-
ist dieses vorrangig auf die Kosten für die beson-
gekasse dem Pflegebedürftigen bei Pflegestufe I
dere Pflege anzurechnen (§ 66 Abs. 4 Satz 3
384,00 i, bei Pflegestufe II 921,00 i, bei Pfle-
SGB XII). Erhält der Betreffende als „Altfall“ (siehe
gestufe III 1.432,00 i und bei Anerkennung als
oben Pflegegeld) ein Pflegegeld nach § 69 Bun-
Härtefall 1.918,00 i zur Verfügung.
dessozialhilfegesetz und daneben ein Pflegegeld
nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschrif-
Die Begrenzung der Sachleistung für eine bezahl-
ten (§ 57 SGB V), so mindert sich dieses um die
te Fremdpflege (bezahlte Pflegekraft) aus der
Kostenübernahme für eine besondere Pflegekraft.
Pflegeversicherung gilt nicht in der Sozialhilfe,
also bei den Pflegebedürftigen, die Leistungen
nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches
3.
Kombinationsleistungen (§ 38 SGB XI)
(SGB XII) erhalten.
Bei der Kombinationsleistung erhält der PflegebeBei notweniger Rund-um-die-Uhr-Pflege besteht
dürftige anteilig sowohl Pflegesachleistungen
hier ein Aufstockungsanspruch (§ 66 Abs. 4 Satz
durch Inanspruchnahme professioneller Pflege-
2 SGB XII).
kräfte als auch anteilig das Pflegegeld der jeweiligen Pflegestufe. Beide Leistungen zusammen
Wegen des Nachrangs der Sozialhilfe müssen
erreichen 100 % der Pflegesachleistung.
aber zunächst Leistungen aus der Pflegeversicherung beantragt werden. Stellt der Pflegebedürftige
An die Entscheidung, in welchem Verhältnis er
eine besondere Pflegekraft ein (§ 65 Abs. 1 SGB
Sach- und Geldleistung in Anspruch nehmen will,
XII), die von der Pflegeversicherung nicht als
ist der Pflegebedürftige für die Dauer von sechs
Sachleistung übernommen wird, sind die Kosten
Monaten gebunden.(§ 38 Satz 3 SGB XI).
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
4.
Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI)
ge Lebensführung ermöglichen (§ 40 SGB XI).
Dies ist die vorübergehende Vertretung der ehren-
Beispiele dafür sind: Pflegebetten, Hilfen zum Ba-
amtlichen Pflegeperson durch einen Pflegedienst,
den und Duschen, An- uns Ausziehhilfen, Sitz-
wenn eine Pflegeperson wegen Krankheit, Erho-
und Liegerollen zur Linderung von Druckbe-
lungsurlaub oder aus anderen Gründen an der
schwerden und zum Verbrauch bestimmte Hilfs-
Pflege gehindert ist. Voraussetzung ist, dass die
mittel wie Windelhosen oder Einmal-Bettschutz-
Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erst-
einlagen.
maligen Verhinderung mindestens 12 Monate –
insgesamt, ggf. auch mit Unterbrechungen so das
Letztere übernehmen die Pflegekassen jedoch nur
BSG vom 06.06.2002, B 3 P 11/01 R, abgedruckt
bis zu einem Betrag von maximal 31,00 i monat-
in „Neue Zeitschrift für Sozialrecht“ (NZS) 2003,
lich (§ 40 Abs. 2 SGB XI).
Seite 212 - in häuslicher Umgebung gepflegt hat.
Die Pflegekasse zahlt maximal 1.432,00 i für
Die Pflegekasse gewährt diese Hilfen jedoch nur
längstens vier Wochen im Kalenderjahr. Die
nachrangig (§ 40 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbs.
Ersatz- und Verhinderungspflege kann auch in
SGB XI). Das bedeutet, sie zahlt nur, wenn nicht
Form einer Betreuung des Pflegebedürftigen wäh-
die Krankenversicherung oder ein anderer Lei-
rend einer Ferienreise erfolgen, die von einer Ein-
stungsträger (Unfallversicherung und
richtung für behinderte Menschen durchgeführt
Versorgungsverwaltung) die Pflegehilfsmittel zu
wird. Der Anspruch ist nicht ausgeschlossen,
leisten haben. Die Frage, welche Hilfsmittel in die
wenn Pflegeperson und Pflegebedürftiger gleich-
Zuständigkeit der Krankenkassen und welche in
zeitig Urlaub machen (so das BSG in der oben
die der Pflegekassen fallen, ist nicht ganz einfach
zitierten Entscheidung).
zu beantworten.
Als Orientierungshilfe zur Abgrenzung der
5.
Pflegehilfsmittel, Technische Hilfen (§
Leistungspflicht dienen das Hilfsmittelverzeichnis
40 SGB XI)
nach § 128 SGB V (SGB V = Sozialgesetzbuch –
Fünftes Buch Krankenversicherung) und das Pfle-
a) Pflegehilfsmittel
gehilfsmittelverzeichnis nach § 78 Abs. 2 SGB XI.
Pflegebedürftige haben Anspruch auf Versorgung
Das aktuelle Hilfsmittelverzeichnis kann im inter-
mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der
net (allerdings nur unter ACCESS 2.0) unter
Pflege, zur Linderung der Beschwerden des Pfle-
www.vdak.de/hilfsmittelverzeichnis.htm abgerufen
gebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständi-
werden. Ansonsten sollte sich der Pflegebedürfti-
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
ge an den MDK oder seine Krankenkasse wenden.
·
Ein- und Umbau von Mobiliar, das entsprechend den Erfordernissen der Pflegesituation
individuell hergestellt oder umgestaltet wird
Bestimmte, im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128
(zum Beispiel motorisch betriebene Absen-
SGB V aufgeführte Hilfsmittel, die eine Behinde-
kung von Küchenhängschränken, Austausch
rung ausgleichen oder den Erfolg der Krankenbe-
der Badewanne durch eine Dusche).
handlung sichern, können zugleich pflegerischen
Zielsetzungen dienen. Dies ändert nichts an der
Eine Maßnahme zur Verbesserung des individuel-
Leistungspflicht der Krankenversicherung. Nur wo
len Wohnumfeldes liegt auch dann vor, wenn den
die pflegerische Zielsetzung im Vordergrund steht,
Besonderheiten des Einzelfalles durch einen Um-
endet die Leistungspflicht der Krankenkasse (bei-
zug in eine den Anforderungen des Pflegebedürf-
spielsweise Pflegebetten, Aufrichthilfen).
tigen entsprechende Wohnung (zum Beispiel Umzug aus einer Obergeschoss- in eine Parterrewoh-
Hilfsmittel, die individuell an die Behinderungen
nung) Rechnung getragen werden kann.
des Versicherten angepasst und grundsätzlich nur
durch den jeweiligen Versicherten genutzt werden
In diesem Fall kann die Pflegekasse die Umzugs-
können, fallen in jedem Fall in den Leistungsbe-
kosten bezuschussen.
reich der Krankenkassen.
Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen
Wohnumfeldes kommen in der Wohnung des
b) Maßnahmen zur Verbesserung des
Pflegebedürftigen oder in dem Haushalt, in den er
individuellen Wohnumfeldes (§ 40 Abs. 4
aufgenommen wurde, in Betracht. Entscheidend
SGB XI)
ist, dass es sich um den auf Dauer angelegten
Lebensmittelpunkt des Pflegebedürftigen handelt.
Bis zu einem Betrag von 2.557,00 i je Maßnah-
In Pflegeheimen sowie Wohneinrichtungen, die
me zur Verbesserung des individuellen Wohnum-
vom Vermieter gewerbsmäßig an Pflegebedürftige
feldes können die Pflegekassen im Rahmen ihres
vermietet werden, liegt diese Voraussetzung nicht
Ermessens Zuschüsse gewähren. Hierbei handelt
vor.
es sich um
Maßnahmen im Sinne von § 40 Abs. 4 SGB XI
·
Maßnahmen, die mit wesentlichen Eingriffen in
kommen grundsätzlich nur in vorhandenem
die Bausubstanz verbunden sind (z.B. Türver-
Wohnraum in Betracht. Im Einzelfall können auch
breiterungen, fest installierte Rampen und
Maßnahmen in Zusammenhang mit der Herstel-
Treppenlifter, Umgestaltung von Bädern usw.),
lung neuen Wohnraums gefördert werden,
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
wenn
angemessenen Eigenanteil zu leisten. Er beträgt
in der Regel 10 % der Kosten der Maßnahme,
·
im Zeitpunkt der Herstellung neuen Wohn-
jedoch höchstens 50 % seiner monatlichen Brutto-
raums feststeht, dass der Pflegebedürftige
einnahmen zum Lebensunterhalt. Hat er keine
diesen Wohnraum nutzen wird und der Wohn-
eigenen Einnahmen zum Lebensunterhalt, entfällt
raum auf seine Bedürfnisse abgestimmt ist,
für ihn ein Eigenanteil. Außerdem gelten die Härtefallregelungen des Krankenversicherungsrechts
·
·
der Pflegebedürftige in seinem bisherigen
(§§ 61, 62 SGB V) für die (teilweise) Zuzahlungs-
Wohnraum nicht verbleiben kann oder
befreiung.
ein den Anforderungen gerechter Umbau des
Die Festsetzung des Eigenanteils ist ein eigen-
vorhandenen Wohnraums technisch nicht
ständiger Bescheid, der im negativen Fall mit Wi-
möglich oder im Vergleich zur Schaffung ge-
derspruch und Klage angegriffen werden kann.
eigneten neuen Wohnraums unwirtschaftlich
ist.
Auch für die Leistungen zur Verbesserung des
individuellen Wohnumfeldes ist die Zuständigkeit
der Pflegekassen nur nachrangig (siehe oben
Hinsichtlich der Bezuschussung sind die durch die
techn. Pflegehilfsmittel).
Maßnahme entstandenen Mehrkosten (Materialaber auch sonstige Kosten) zu berücksichtigen.
Im Rahmen der Wiedereingliederungshilfe für Be-
Die sich ergebenden mietrechtlichen Fragen hat
hinderte (§§ 53 ff. SGB XII, hier § 53 Abs. 1 Satz
der Pflegebedürftige in eigener Verantwortung zu
1 SGB XII iVm § 33 Abs. 8 Nr. 6 SGB IX) gehen
klären. Als Maßnahme ist die Gesamtheit der be-
die Leistungen der Pflegeversicherung denen
hindertengerechten Umbauten nach einem objek-
nach dem SGB XII zunächst vor. Der Anspruch
tiv vorhandenen Bedarf zu einem bestimmten
auf Leistungen nach dem SGB XII bleibt von den
Zeitpunkt zu sehen.
Leistungen der Pflegekasse jedoch unberührt,
soweit die Leistungen der Pflegeversicherung den
Ändert sich der krankheits- bzw. behinderungs-
individuellen Bedarf des Behinderten im Einzelfall
bedingte Bedarf, kann erneut ein Zuschuss bis zu
nicht abdecken (§ 13 Abs. 3 Satz 2 SGB XI). Die
2.557,00 i gewährt werden.
Pflegekasse hat auf ggf. bestehenden weitergehenden Ansprüche nach dem SGB XII hinzuwei-
Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach den
sen und entsprechende Anträge durch Weiterlei-
Kosten der Maßnahme und der Einkommenssi-
tung der vorhandenen Unterlagen (beispielsweise
tuation des Pflegebedürftigen. Dieser hat einen
Stellungnahme des MDK, Kostenvoranschläge,
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
Bescheinigung über den Zuschuss der Pflegekas-
gen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, § 19 Satz 1 SGB
se) an den zuständigen Leistungsträger zu unter-
IV). Allerdings können auch bei nachträglicher
stützen. Diese Leistungen der Eingliederungshilfe
Beantragung die Zuschüsse nicht versagt werden,
sind wie andere Sozialhilfeleistungen von
soweit die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen
bestimmten Einkommensgrenzen und dem Ver-
vorliegen (BSG vom 14.12.2000, Az. B 3 P 1/00
mögen des Leistungsberechtigten abhängig.
R).
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Integra-
Die Pflegekassen sind zur Beratung hinsichtlich
tionsämter und die örtlichen Fürsorgestellen im
der Bezuschussung verpflichtet (§ 7 Abs. 2 SGB
Rahmen ihrer Zuständigkeit für die begleitende
XI). Vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeits-
Hilfe im Arbeits- und Berufsleben Geldleistungen
gebotes (§ 29 SGB XI) und der begrenzten Zu-
zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer
schussmöglichkeit ist aber - auch im Interesse des
Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen des
Pflegebedürftigen - zu prüfen, ob anstelle von
Schwerbehinderten entspricht, gewähren können.
Baumaßnahmen nicht einfachere Lösungen in
Betracht kommen.
Darüber hinaus können sie im Rahmen der nachgehenden Hilfe im Arbeitsleben Leistungen zur
Der MDK hat – wie bereits oben angesprochen -
Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer
in dem Gutachten über die Feststellung der Pfle-
behindertengerechten Wohnung gewähren (vgl. §
gebedürftigkeit Empfehlungen über notwendige
17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. D iVm § 22 der
Maßnahmen auszusprechen.
Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung).
6.
Diese Leistungen gehen den Leistungen der Pfle-
Soziale Sicherung der Pflegeperson (§
44 SGB XI)
geversicherung vor, so das grds. bei berufstätigen
Pflegebedürftigen, die schwer behindert (Grad der
a)
Rentenversicherung
Behinderung von mindestens 50 %) sind, Zuschüsse zu Wohnumfeldverbesserungsmaßnah-
Die Pflegeversicherung übernimmt für die Alters-
men durch die Pflegekassen nicht in Betracht
sicherung der Pflegeperson Leistungen, in dem
kommen.
sie abgestuft nach der jeweiligen Pflegestufe Rentenversicherungsbeiträge zahlt (105, 205 und 307
Die Maßnahmen im Sinne von § 40 Abs. 4 SGB
XI sind vor Beginn der Maßnahme mit einem Kostenvoranschlag bei der Pflegekasse zu beantra-
i).
Pillendreher
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Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson keine
gezahlt worden sein müssen. Sie ist wegen ihrer
oder eine nur halbtätige Erwerbstätigkeit ausübt,
Pflegetätigkeit befreit von dieser Voraussetzung (§
insgesamt aber nicht mehr als 30 Stunden. Der
78 Satz 3 SGB III) befreit. Beamte haben die
Pflegebedürftige muss mindestens 14 Stunden
Möglichkeit, sich wegen Pflegebedürftigkeit eines
wöchentlich zuhause gepflegt werden. Die Fest-
Angehörigen auf drei Jahre ohne Dienstbezüge
stellungen trifft der MDK im Rahmen der Begut-
beurlauben zu lassen oder Teilzeit zu arbeiten (§
achtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit/
48 a BRRG), auch in Tarifverträgen oder Betriebs-
Pflegestufe. Die Pflegeperson hat bei ihrem zu-
vereinbarungen kann ähnliches vereinbart sein
ständigen Rentenversicherungsträger einen An-
oder werden.
trag zu stellen (§ 126 SGB VI = Sechstes Buch
des Sozialgesetzbuches - Rentenversicherung).
Auch in berufsständische Versorgungseinrichtun-
IV. Rechtsmittel gegen fehlerhafte Einstufung
gen kann eingezahlt werden (§ 44 Abs. SGB XI).
Ist das Gutachten erstellt und für den Pflegebedürftigen negativ ausgegangen, erlässt die Pflegeb)
Unfallversicherung
kasse einen entsprechenden Bescheid.
Die Pflegepersonen sind während ihrer pflegeri-
Dieser enthält in der Regel eine Rechtsmittelbe-
schen Tätigkeit in die gesetzliche Unfallversiche-
lehrung über die Einlegung eines Widerspruchs.
rung einbezogen, wenn sie den Pflegebedürftigen
Fehlt diese, ist der Bescheid statt in der Monats-
mindestens 14 Stunden pro Woche pflegen.
frist (ab Zugang des Bescheides) innerhalb eines
Jahres angreifbar. Entscheidend für die Fristwahrung ist der Eingang des Widerspruchs bei der
c)
Leistungen der Arbeitsförderung (SGB III)
Pflegekasse.
Will die Pflegeperson nach Beendigung der häus-
Zur Begründung des W iderspruchs ist es
lichen Pflege in das Erwerbsleben zurückkehren
erforderlich, sich Akteneinsicht, insbesondere
(so genannte Berufsrückkehrer, § 20 SGB III), und
auch in das Gutachten des MDK zu verschaffen
benötigt sie dazu eine Umschulung, so erhält sie
und sich Ablichtungen anfertigen zu lassen.
von der Bundesagentur für Arbeit ein Unterhaltsgeld nach den §§ 153 ff. SGB III. Sie muss dann
Nur wenn anhand der Akteneinsicht das
nicht die in § 78 SGB III vorgeschriebene Frist
Gutachten des MDK geprüft worden ist, kann ein
einhalten, wonach drei Jahre vor Beginn der Maß-
Widerspruch gegen die fehlerhafte Einstufung
nahme Beiträge für die Arbeitslosenversicherung
oder die Ablehnung von Leistungen der
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Pflegeversicherung mangels ausreichenden
Die Pflegekasse hat im Rahmen des
Pflegebedarfs begründet werden.
Widerspruchverfahrens das Recht zu entscheiden, ob sie eine erneute Begutachtung für erfor-
Die Argumente des MDK müssen im einzelnen
derlich hält.
widerlegt werden. Es reicht nicht aus, den Widerspruch ausschließlich damit zu begründen, dass
Erst- und Zweitgutachter müssen verschieden
man selbst der Auffassung ist, der Pflegebedarf
sein, wenn der Erstgutachter seine Aussagen
sei höher als vom MDK angegeben. Fehler in der
nicht selbst abändert. Wenn also lediglich der
Begutachtung können am besten dadurch aufge-
Erstgutachter im Widerspruchsverfahren die
deckt werden, dass das Pflegetagebuch Punkt für
Gründe für die Ablehnung wiederholt, liegt ein
Punkt mit den entsprechenden Angaben im Gut-
Formfehler vor, der später bei der Klagebegrün-
achten des MDK verglichen wird.
dung vorgetragen werden kann.
Überall dort, wo man selbst bzw. die Pflegeper-
Notwendig ist außerdem eine zweite Begutach-
son(en) zu einem höheren Pflegebedarf gekom-
tung im häuslichen Bereich, wenn erneute Ge-
men ist, müssen die Aussagen über die Hilfelei-
spräche über das Vorliegen des Pflegebedarfs
stungen neben den entsprechenden Aussagen im
notwendig sind, was der Regelfall sein dürfte.
Pflegetagebuch noch einmal verstärkt werden, am
besten unter Angabe zusätzlicher Beweismittel
Auch eine Begutachtung nach Aktenlage ohne
(zum Beispiel durch Angaben oder ein ärztliches
vorherigen Hausbesuch kann daher ein Formfeh-
Attest des Hausarztes zum Pflegebedarf oder an-
ler sein, der einer Klage zum Erfolg verhelfen
derer geeigneter (sozial-)medizinischer Unterla-
kann.
gen wie Stellungnahmen aus einer Werkstatt für
behinderte Menschen oä.).
Aufgrund des Widerspruchsverfahrens muss die
Pflegekasse einen Bescheid erlassen. Wird dem
Des Weiteren ist zu prüfen, ob das Gutachten des
Widerspruch nicht stattgegeben, muss innerhalb
MDK in sich widerspruchsfrei ist.
eines Monats ab Zugang des Widerspruchbescheids Klage beim zuständigen Sozialgericht
Widersprüchliche Aussagen liegen zum Beispiel
eingereicht werden. Fehlt in dem Bescheid die
vor, wenn abschließend unter „sonstiger Anmer-
Rechtsmittelbelehrung, kann die Klage innerhalb
kung“ unter dem Gutachten steht, dass Beauf-
von Jahresfrist erfolgen.
sichtigung und Anleitung notwendig sind, im übrigen aber ein Hilfebedarf zuvor für die Verrichtung
Im sozialgerichtlichen Verfahren kann sich der
des täglichen Lebens verneint worden ist.
Kläger – bis auf die Revisionsinstanz, dem Bun-
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Seite 50
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dessozialgericht - selbst vor dem Gericht vertreten
chender Anträge keine weiteren Ermittlungen vor,
und muss keinen Rechtsanwalt beauftragen.
weil es den Sachverhalt für ausermittelt hält, kann
der Kläger gemäß § 109 SGG beantragen, dass
Es ist möglich, die Klage in der Rechtsantragstelle
ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört wird. Die
beim Sozialgericht aufnehmen zu lassen. Die Kla-
Einholung des Gutachtens wird von der Zahlung
ge kann zunächst ohne Begründung eingereicht
eines Kostenvorschusses abhängig gemacht. So-
werden. Es muss aber die Person des Klägers
weit nicht eine Rechtsschutzversicherung die Kos-
und des Beklagten (Pflegekasse) genannt sein
ten des Gutachtens trägt, muss der Kläger den
sowie ein konkreter Antrag formuliert werden (Auf-
Vorschuss selbst zahlen. Gewinnt er den Prozess,
hebung des Bescheids der Pflegekasse sowie
so hat die Pflegekasse (auch) die Gutachtenkos-
Beantragung einer bestimmten Pflegestufe).
ten zu erstatten.
Der Klage sollten in jedem Fall sowohl der
ursprüngliche als auch der Widerspruchsbescheid
Zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage
beigefügt werden; die Klage muss in zweifacher
können folgende Hinweise gegeben werden:
Abschrift (alle drei Exemplare sind zu unterschreiben) beim Sozialgericht eingehen. Die Adresse
des zuständigen Sozialgerichts findet sich in der
1. Liegen formale Fehler im Widerspruchsverfah-
Regel in der Rechtsmittelbelehrung des Wider-
ren vor ? (Der erstbegutachtende Arzt führt auch
spruchbescheides.
die Zweitbegutachtung durch, kein zweiter Hausbesuch.)
Entscheidet sich der Kläger, einen Rechtsanwalt
einzuschalten, so sollte dies ein Fachanwalt für
Es kommt jedoch nicht zur Aufhebung des Be-
Sozialrecht sein. Bei Minderbemittelten gewährt
scheides im Gerichtsverfahren, wenn feststeht,
der Staat Prozesskostenhilfe (PKH). Das Verfah-
dass der formale Fehler die Entscheidung nicht
ren ist für den Pflegebedürftigen gerichtskosten-
beeinflusst hat.
frei.
Auf das oben genannte Beispiel angewandt, beEs gilt wie im Verwaltungsgerichtsverfahren der
deutet dies : Hätte auch ein Zweitgutachter die
Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 103, 106 SGG =
materiell zutreffende Entscheidung des Erstgut-
Sozialgerichtsgesetz). Das bedeutet, das Gericht
achters bestätigt, wird die Klage aufgrund dieses
selbst hat den entscheidungsrelevanten Sach-
Formfehlers keinen Erfolg haben.
verhalt aufzuklären. Der Kläger kann gleichwohl
Anträge stellen. Nimmt das Gericht trotz entspre-
Pillendreher
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2. Die Fehler der Begutachtung (in sich wider-
4. Es liegt bereits sozialgerichtliche Rechtspre-
sprüchliche Begutachtung) sind im Widerspruchs-
chung vor, die in vergleichbaren Fällen zu einer
verfahren nicht beseitigt worden.
höheren Einstufung des Pflegebedarfs kommt.
Entscheidungen von Sozialgerichten sind im Internet beispielsweise unter folgenden Adressen zu
3. Der Pflegebedarf ist nicht ausreichend bewer-
finden: www.bundessozialgericht.de, www.sozial-
tet, die bereits im Widerspruchsverfahren vorge-
gerichtsbarkeit.de, www.justiz.nrw.de (nicht nur
tragenen Argumente sind nicht entkräftet worden.
sozialgerichtliche Entscheidungen).
Dies kann und sollte durch Beweismittel belegt
werden.
Einige Texthervorhebungen und Unterstreichungen wurden aus optischen
Gründen von der Pillendreher -Redaktion vorgenommen. Entsprechend
wurden absoluten Zahlenwerten Nullkommastellen hinzugefügt. Der
Textinhalt wurde hierdurch nicht verändert.
Wichtige Meldung zum Pflegegeld !!!
Das sogenannte „Besitzstandsleistungs”-Pflegegeld vom Sozialamt durfte und darf in
vielen Fällen nicht gekürzt oder gestrichen werden!
Mit dem Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht wurde Art. 51 des
Pflegeversicherungsgesetzes geändert und ist am 30. März 2005 in Kraft getreten. Demnach
gelten wieder die alten Einkommensgrenzen nach §§79, 81 BSHG in der zum Stichtag 31. März
1995 geltenden Fassung.
Information von Sofia Plich.
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Pillendreher
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Bürgertelefone
Seit der letzten Ausgabe des Pillendrehers haben sich die Telefonnummern des Bürgertelefons
geändert, und leider sind die Anrufe auch nicht mehr kostenlos (0,12 i / Minute aus dem deutschen
Festnetz). Hinzugefügt haben wir noch die Bürgertelefon-Nummern des Bundesministerium für Arbeit
und Soziales.
Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
(0,12 i / Minute aus dem deutschen Festnetz)
Zeit: Montags – Donnerstags 08 – 20 Uhr
1. Fragen zur Krankenversicherung:
01805 996-602
2. Fragen zur Pflegeversicherung:
01805 996-603
3. Fragen zur gesundheitlichen Prävention:
01805 996-609
4. Gehörlosentelefon (Schreibtelefon):
01805 996-607
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
(0,12 i / Minute aus dem deutschen Festnetz)
Zeit: Montags – Donnerstags 08 – 20 Uhr
1. Fragen zur Rente:
01805 676-710
2. Fragen zur Unfallversicherung:
01805 676-711
3. Fragen zur Arbeitsmarktpolitik /-förderung:
01805 676-712
4. Fragen zum Arbeitsrecht:
01805 676-713
5. Fragen zu Teilzeit / Altersteilzeit / Minijobs:
01805 676-714
6. Infos für behinderte Menschen:
01805 676-715
7. Gehörlosentelefon (Schreibtelefon):
01805 676-716
8. Telefax:
01805 676-717
Information von unserer stellvertretenen Vorsitzenden Sofia Plich.
Pillendreher
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Tipps und Ratschläge
Reisen
Fluggäste mit Behinderungen erhalten Rechtsanspruch auf Betreuung
Passagiere mit Behinderungen haben bei Flugrei-
wenn dies 48 Stunden zuvor angemeldet wurde.
sen in der Europäischen Union künftig einen
Rechtsanspruch auf unentgeltliche Betreuung.
Das entschied das Europaparlament in Straßburg
und stimmte damit einem Kompromiss mit den
Mitgliedsländern zu. Die Verordnung soll 2008 in
Diese Regelung sei vor allem für Billiganbieter
Kraft treten. Sie gilt für Flughäfen mit mehr als
wichtig, sagte der Europaabgeordnete Michael
150.000 Passagieren pro Jahr. Damit seien so gut
Cramer (Grüne): "Bislang lebten Billigflieger nicht
wie alle Verkehrsflughäfen in Deutschland erfasst,
nur auf Kosten der Steuerzahler und der Umwelt,
sagte der CDU-Europaabgeordnete Georg Jar-
sondern auch auf Kosten Behinderter. Sie lehnten
zembowski.
den Transport ab. Das geht jetzt nicht mehr."
Der Gesetzestext sieht vor, dass Fluggesellschaf-
Der Berichterstatter des Europäischen Parla-
ten die Beförderung von körperlich und geistig
ments, der britische Sozialist Robert Evans sagte,
Behinderten, Älteren, Blinden oder Tauben nicht
dass jährlich bis zu 10 Millionen Passagiere Hilfe-
wegen deren eingeschränkter Mobilität verweigern
leistungen an europäischen Flughäfen erhalten.
dürfen. Zugleich muss ihnen etwa beim Transport
Allerdings beschwerten sich zu viele Menschen,
vom Abfertigungsschalter zum Flugzeug, bei der
dass sie vernachlässigt oder sogar schlecht be-
Erledigung der Abfertigung oder beim Verlassen
handelt würden. "Wir müssen deshalb die Rechte
des Flugzeugs mit Hilfe von Lifts oder Rollstühlen,
der Passagiere ohne Wenn und Aber garantie-
beim Gang zu Toiletten oder dem Transport zu
ren." [12/2005] (Quelle: dpa)
Anschlussflügen unentgeltlich geholfen werden -
Pillendreher
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Reisen
Mindeststandards
für die Kategorisierung barrierefreier Beherbergungs- und
Gastronomiebetriebe in Deutschland
Zusammenstellung von Andreas Meyer
Am 12. März 2005 unterzeichneten der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA
Bundesverband) und der Hotelverband Deutschland (IHA) mit dem Sozialverband VdK Deutschland,
der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, dem Deutschen Gehörlosen-Bund, dem
Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben
die erste bundesweite Zielvereinbarung zur Barrierefreiheit.
In dieser Zielvereinbarung wurden u.a. Mindeststandards für die Kategorisierung barrierefreier
Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe in Deutschland festgelegt, welche die verschiedenen
Behinderungsarten berücksichtigen. Auf diese Weise werden die Informationen behinderter Gäste über
barrierefreie gastgewerbliche Angebote in Deutschland verlässlicher gestaltet. Hoteliers und
Gastronomen können anhand von Checklisten, die Standards im eigenen Betrieb überprüfen.
Im Deutsche Hotelführer 2006 (www.hotelguide.de) und im IHA-Hotelführer Hotels Deutschland 2006
(www.hotellerie.de) sollen die barrierefreien Angebote nach dem neuen Standard erstmals
gekennzeichnet werden. Schon Sommer 2005 wurden die neuen Kriterien der Barrierefreiheit auch in
die fortgeschriebene Deutsche Hotelklassifizierung übernommen.
Die folgenden Kategorien und Piktogramme gelten für Menschen mit Behinderung als eine Orientierungshilfe bei der Buchung von Hotels und beim Besuch von Gastronomiebetrieben:
Kategorien: A, B, C, D und E
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
A.
Gäste mit einer Gehbehinderung, die
sein sollen, und alle Türen zum für gehbehinderte
zeitweise auch auf einen nichtmotori-
Gäste zugänglichen Speisebereich weisen eine
sierten Rollstuhl oder eine Gehhilfe an-
lichte Durchgangsbreite von mindestens 80 cm
gewiesen sein können
auf.
(4) Flure, die zu Aufzügen, Zimmern und
s o n stigen Einrichtungen f ühren, d i e f ü r
gehbehinderte Gäste nutzbar sein sollen, weisen
eine lichte Mindestbreite von 120 cm auf.
(5) Ein Aufzug, der für gehbehinderte Gäste
nutzbar sein soll, ist stufenlos oder über maximal
(1) Der Zugang zum Beherbergungsbetrieb, zu
1 Stufe erreichbar (alternativ: über eine Rampe
allen Zimmern, die für gehbehinderte Gäste
mit einer Neigung # 6 %). Er verfügt über eine
nutzbar sein sollen, und zu mindestens einem
Eingangstür mit einer lichten Breite von
Speisebereich (soweit vorhanden) ist stufenlos
mindestens 90 cm, über eine Kabinentiefe von
oder über maximal 1 Stufe erreichbar (alternativ:
mindestens 140 cm und über eine Kabinenbreite
über eine Rampe mit einer Neigung # 6 % oder
von mindestens 110 cm. Seine Bedienelemente
über einen Aufzug nach Punkt 5). Als einziger
sind horizontal angeordnet, wobei die Mittellinie
Zugang zum Beherbergungsbetrieb ist eine
(Achsmaß) des untersten Bedienelements /
Karussell- bzw. Rotationstür unzulässig1 .
Befehlsgebers eine Mindesthöhe vom Fußboden
von 85 cm aufweist. Anstelle der horizontalen ist
(2) Der Rezeptionscounter oder –tisch soll auf
auch eine vertikale Anordnung der Bedien-
einer Höhe von 85 cm teilweise abgesenkt sein.
elemente/Befehlsgeber zulässig, sofern diese in
Mindestens aber ist alternativ eine gleichwertige
einer Höhe von mindestens 85 cm bis maximal
andere Möglichkeit der Kommunikation im Sitzen
140 cm angeordnet sind. Die Bewegungsfläche
vorhanden.
vor dem Aufzug beträgt mindestens 120 cm x 120
cm.
(3) Die Eingangstür, alle Türen zu und in den
Zimmern, die für gehbehinderte Gäste nutzbar
(6) Zimmer, die für gehbehinderte Gäste nutzbar
sein sollen, weisen vor dem Sanitärraum und vor
1
Erfolgt der Hauptzugang durch eine Karussell- bzw.
R o ta ti o n s t ü r , m u s s e i n e z u s ä tz lic h e b a r r i e - r e f r e i e
E in g a n gs tü r w ä h re n d d e r Ö ffn u n g s ze ite n oh n e
Schwierigkeiten nutzbar sein.
dem Durchgang zu einer Längsseite des Bettes
eine Bewegungsfläche von mindestens 120 cm x
120 cm auf. Die Bewegungsfläche an dieser
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
Längsseite des Bettes weist eine Mindestbreite
der Seite des W C-Beckens, die eine
von 120 cm auf. Bewegungsflächen neben Be-
Mindestbreite von 95 cm und eine Mindesttiefe
dienvorrichtungen und Einrichtungsgegenständen
vo n 7 0 c m a u f we ist , ist d e r H a l t e g r i f f
(Lichtschalter, Schrank, etc.) sind mindestens 90
hochklappbar und arretierbar. Die Sitzhöhe des
cm breit. Bewegungsflächen dürfen sich überla-
WC-Beckens (Oberkante WC-Brille) beträgt 48
gern; sie dürfen in ihrer Funktionsfähigkeit jedoch
cm. Die Dusche ist stufenlos mit dem Rollstuhl
nicht eingeschränkt sein (z. B. durch Mobiliar oder
befahrbar. Die Bewegungsfläche der Dusche
Türen). Jeder Durchgang innerhalb eines Zim-
beträgt mindestens 120 cm x 120 cm. Die Dusche
mers ist mindestens 80 cm breit.
ist mit Haltegriffen, beginnend in einer Höhe von
85 cm über dem Fußboden, versehen. Ein
(7) Die Sanitärräume der Zimmer, die für
Duschsitz oder Duschstuhl ist vorhanden.
gehbehinderte Gäste nutzbar sein sollen, sind
Bewegungsflächen in Sanitärräumen dürfen sich
stufenlos erreichbar. Die Tür weist eine lichte
überlagern; sie dürfen in ihrer Funktionsfähigkeit
Breite von mindestens 80 cm auf. Sie darf nur
jedoch nicht eingeschränkt sein.
dann in den Sanitärraum aufschlagen, wenn sie
die Bewegungsfläche nicht beeinträchtigt. Die
(8) Pkw-Stellplätze mit einer Mindestbreite von
Bewegungsfläche vor dem Waschtisch beträgt
350 cm sind in der Nähe des Eingangs vorhanden
mindestens 120 cm x 120 cm. Unterhalb des
und als so genannte Behindertenparkplätze
Waschtisches ist Beinfreiheit vorhanden2 . Über
ausgewiesen.
dem Waschbecken ist ein im Sitzen und Stehen
einsehbarer Spiegel vorhanden. Die
(9) Mindestens ein Zweibett- oder
Bewegungsfläche vor dem WC-Becken beträgt
Doppelzimmer entspricht den vorstehenden
mindestens 120 cm x 120 cm. Rechts oder links
Kriterien.
neben dem WC ist eine Bewegungsfläche mit
einer Breite von mindestens 95 cm und einer
(10) Gastronomie In Gastronomiebetrieben
Tiefe von mindestens 70 cm vorhanden. Rechts
gelten für Zugang, Türen, Flure und Aufzüge die
und links neben dem WC sind auf einer Höhe von
Anforderungen der Punkte (1), (2), (4) und (5)
85 cm (Oberkante) über dem Fußboden
entsprechend.
Haltegriffe montiert, die 15 cm über die WCBecken-Vorderkante hinausragen und einen
E s i s t m i n d e st e n s e in Tisc h m i t e i ne r
Abstand voneinander von 70 cm aufweisen. Auf
Maximalhöhe von 85 cm und mit einer passenden
2
Sitzgelegenheit vorhanden.
Beinfreiheit im Sinne der Kategorie A ist vorhanden, wenn
die Nutzbarkeit des W aschtisches im Sitzen nicht durch
Verkleidungen, Schränke o. Ä. eingeschränkt ist.
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Soweit der Gastronomiebetrieb Gästetoiletten
einziger Zugang zum Beherbergungsbetrieb ist
vorhält, steht mindestens ein WC, das die
eine Karussell- bzw. Rotationstür unzulässig4 .
Anforderungen nach Punkt (7) erfüllt, im Gebäude
zur Verfügung.
(2) Der Rezeptionscounter oder –tisch sollte teilweise auf einer Höhe von 85 cm abgesenkt sein.
Soweit der Gastronomiebetrieb Gästeparkplätze
Mindestens aber ist alternativ eine gleichwertige
vorhält, steht mindestens ein PKW-Stellplatz, der
andere Möglichkeit der Kommunikation im Sitzen
die Anforderungen nach Punkt (8) erfüllt, zur
vorhanden.
Verfügung.
(3) Die Eingangstür, alle Türen zu und in den
Zimmern, die für Rollstuhlfahrer nutzbar sein
sollen, und alle Türen zum für Rollstuhlfahrer
B.
Rollstuhlnutzer, die gehunfähig und
zugänglichen Speisebereich weisen eine lichte
ständig auf einen Rollstuhl angewiesen
Durchgangsbreite vom mindestens 90 cm auf.
sind3
(4) Flure die zu Aufzügen, Zimmern und
sonstigen Einri ch tu n gen führen, die für
Rollstuhlfahrer nutzbar sein sollen, weisen eine
lichte Mindestbreite von 150 cm auf.
(5) Ein Aufzug, der für Rollstuhlfahrer nutzbar
sein soll, ist stufenlos erreichbar (alternativ: über
eine Rampe mit einer Neigung # 6 %). Er verfügt
über eine Eingangstür mit einer lichten Breite von
mindestens 90 cm, über eine Kabinentiefe von
(1) Der Zugang zum Beherbergungsbetrieb, zu
mindestens 140 cm und über eine Kabinenbreite
allen Zimmern, die für Rollstuhlfahrer nutzbar sein
von mindestens 110 cm. Seine Bedienelemente
sollen, und zu mindestens einem Speisebereich
sind horizontal angeordnet, wobei die Mittellinie
(soweit vorhanden) ist stufenlos erreichbar
(Achsmaß) des untersten Bedienelements /
(alternativ: über eine Rampe mit einer Neigung #
Befehlsgebers eine Mindesthöhe vom Fußboden
6 % oder über einen Aufzug nach Punkt 5). Als
4
3
Die Mindeststandards der Kategorie B schließen diejenigen
der Kategorie A vollinhaltlich ein. Die gleichzeitige Nutzung
beider Piktogram m e ist daher nicht m öglich.
Erfolgt der Hauptzugang durch eine Karussell- oder
Rotationstür, muss eine zusätzliche barrierefreie Eingangstür
während der Öffnungszeiten ohne Schwierigkeiten nutzbar
sein.
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von 85 cm und die Mittellinie des obersten
cm unterfahrbar. Die Oberkante (Armauflageflä-
Bedienelements / Befehlsgebers eine
che) des Waschtisches liegt maximal 80 cm über
Maximalhöhe vom Fußboden von 110 cm
dem Fußboden. Über dem Waschbecken ist ein
aufweist. Die Bewegungsfläche vor dem Aufzug
im Sitzen und Stehen einsehbarer Spiegel vorhan-
beträgt mindestens 150 cm x 150 cm.
den. Die Bewegungsfläche vor dem WC-Becken
beträgt mindestens 150 cm x 150 cm. Rechts und
(6) Zimmer, die für Rollstuhlfahrer nutzbar sein
links neben dem WC ist eine Bewegungsfläche
sollen, weisen vor dem Sanitärraum und vor dem
mit einer Breite von mindestens 95 cm und einer
Durchgang zu einer Längsseite des Bettes eine
Tiefe von mindestens 70 cm vorhanden. Falls
Bewegungsfläche von mindestens 150 cm x 150
mehrere rollstuhlgerechte Zimmer vorhanden
cm auf. Die Bewegungsfläche an dieser Längs-
sind, können diese Zimmer alternierend Bewe-
seite des Bettes weist eine Mindestbreite von 150
gungsflächen rechts oder links neben dem WC
cm auf. Bewegungsflächen neben Bedienvorrich-
aufweisen. Rechts und links neben dem WC sind
tungen und Einrichtungsgegenständen, die durch
auf einer Höhe von 85 cm (Oberkante) über dem
den Rollstuhlnutzer angefahren werden müssen
Fußboden Haltegriffe montiert, die hochklappbar
(Lichtschalter, Schrank, etc.), sind mindestens
und arretierbar sind, 15 cm über die WC-Becken-
120 cm breit. Bewegungsflächen dürfen sich über-
Vorderkante hinausragen und einen Abstand von-
lagern; sie dürfen in ihrer Funktionsfähigkeit je-
einander von 70 cm aufweisen. Die Sitzhöhe des
doch nicht eingeschränkt sein (z. B. durch Mobiliar
WC-Beckens (Oberkante WC-Brille) beträgt 48
oder Türen). Jeder Durchgang innerhalb eines
cm. Die Dusche ist stufenlos mit dem Rollstuhl
Zimmers ist mindestens 90 cm breit. Es ist minde-
befahrbar. Die Bewegungsfläche der Dusche be-
stens ein unterfahrbares5 Bett vorhanden.
trägt mindestens 150 cm x 150 cm. Die Dusche ist
mit Haltegriffen in einer Höhe von 85 cm über
(7) Die Sanitärräume der Zimmer, die für Roll-
dem Fußboden versehen. Die Dusche ist mit ei-
stuhlfahrer nutzbar sein sollen, sind stufenlos er-
nem festinstallierten, klappbaren oder einhäng-
reichbar. Die Tür weist eine lichte Breite von min-
baren Duschsitz ausgestattet. Bewegungsflächen
destens 90 cm auf und schlägt nicht in den Sani-
in Sanitärräumen dürfen sich überlagern; sie dür-
tärraum hinein auf. Die Bewegungsfläche vor dem
fen in ihrer Funktionsfähigkeit jedoch nicht einge-
Waschtisch beträgt mindestens 150 cm x 150 cm.
schränkt sein.
Der Waschtisch ist mindestens in einer Höhe bis
zu 67 cm und mindestens in einer Tiefe von 30
(8) Pkw-Stellplätze mit einer Mindestbreite von
350 cm sind in der Nähe des Eingangs vorhanden
5
Das Bett m uss auf der Längsseite in seiner gesam ten Tiefe
und in einer Höhe von 15 cm unterfahrbar sein.
und als so genannte Behindertenparkplätze
ausgewiesen.
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(9) Mindestens ein Zweibett- oder
(1) Als einziger Zugang zum Beherbergungsbe-
Doppelzimmer entspricht den vorstehenden
trieb ist eine Karussell- bzw. Rotationstür unzuläs-
Kriterien.
sig7.
(10) Gastronomie In Gastronomiebetrieben
(2) Der Eingangsbereich sowie alle Flure,
gelten für Zugang, Türen, Flure und Aufzüge die
Treppen, Aufzüge, Zimmer usw., die für
Anforderungen der Punkte (1), (2), (4) und (5)
sehbehinderte Menschen nutzbar sein sollen, sind
entsprechend.
hell und blendfrei ausgeleuchtet.
Es ist mindestens ein unterfahrbarer6 Tisch mit
(3) Eingänge, Durchgänge und Türen bzw.
einer Maximalhöhe von 85 cm vorhanden.
Türrahmen in Bereichen, die für sehbehinderte
Gäste nutzbar sein sollen, sind farblich
Soweit der Gastronomiebetrieb Gästetoiletten
kontrastierend 8 zur Umgebung abgesetzt;
vorhält, steht mindestens ein WC, das die
Ganzglastüren sind mit Kontraststreifen versehen.
Anforderungen nach Punkt (7) erfüllt, im Gebäude
zur Verfügung.
(4) Alle Schilder, Tafeln, etc., die der Information
der Gäste dienen, weisen einen guten Hell-
Soweit der Gastronomiebetrieb Gästeparkplätze
Dunkel-Kontrast zwischen Hintergrund und Schrift
vorhält, steht mindestens ein PKW-Stellplatz, der
a u f . Zim m e r n u m m e r n a n Z i m m e r n u n d
die Anforderungen nach Punkt (8) erfüllt, zur
Informationen an Funktionsräumen (z. B. WC,
Verfügung.
Restaurant, Bar), sind taktil erfassbar 9 .
Wesentliche Hinweise, deren Informationsgehalt
über die Angabe einzelner Zahlen, Buchstaben
C.
Sehbehinderte und blinde Gäste
oder Piktogramme hinausgeht, sind zusätzlich
auch in Braille-Schrift ausgebildet.
7
Erfolgt der Hauptzugang durch eine Karussell- oder
Rotationstür, muss eine zusätzliche barrierefreie Eingangstür
während der Öffnungszeiten ohne Schwierigkeiten nutzbar
sein.
8
Farbbeispiele: weiß, Purpur, cyan, grün oder gelb auf
schwarz; schwarz, Purpur, blau oder rot auf weiß; schwarz,
Purpur oder blau auf gelb
6
Es m uss Beinfreiheit in 30 cm Tiefe und m indestens 67 cm
Höhe gegeben sein.
9
durch sog. Prism en- oder Pyram idenschrift oder tastbare
Piktogram m e
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(5) Bedienelemente / Befehlsgeber (z. B.
Treppen, die zu Zimmern und Bereichen führen,
Türgriffe, Aufzugtaster, Lichtschalter, Steckdosen,
die für blinde und sehbehinderte Personen nutz-
Notruftaster), die für sehbehinderte und blinde
bar sein sollen, durchgehende Handläufe - min-
Gäste nutzbar sein sollen, sind kontrastreich
destens auf einer Seite - auf. Anfang und Ende
gestaltet und taktil erfassbar10. Sensortasten sind
der Handläufe/des Handlaufs werden mindestens
unzulässig.
30 cm über die erste/letzte Stufe weitergeführt.
Bei Treppenhäusern, die über mehr als ein Ge-
(6) Aufzüge, die für sehbehinderte und blinde
schoss gehen, sind am Anfang und Ende der
Gäste nutzbar sein sollen, sind mit einer
Handläufe taktil erfassbare Informationen zum
Sprachausgabe ausgestattet. Mindestens jedoch
Stockwerk angebracht.
ist alternativ in der Türlaibung oder im Türrahmen
der Aufzugstür jeder Etage die Etagennummer in
(9) Ausstattungs- und Möblierungselemente dür-
Kopfhöhe taktil erfassbar9 angebracht.
fen nicht ohne kontrastreiche Markierung und
sichere taktile Erfassbarkeit in Bewegungsräu-
(7) Treppen, die zu Zimmern und anderen Berei-
me hineinragen, die für sehbehinderte und blinde
chen führen, die für sehbehinderte Gäste nutzbar
Gäste nutzbar sein sollen.
sein sollen, weisen auf jeder Stufe eine Kantenmarkierung auf. Dabei kontrastiert die Kante jeder
(10) Der Fußbodenbelag / die Fußbodenstruktur
Stufe mit der waagerechten und senkrechten Flä-
auf den wesentlichen Wegebeziehungen ist
che der Stufe. Der Fußbodenbelag / die Fußbo-
gegenüber dem angrenzenden Bodenbelag/der
denstruktur vor Treppenauf- und -abgängen ist
angrenzenden Bodenstruktur optisch und taktil
gegenüber dem angrenzenden Bodenbelag/der
kontrastierend, sofern nicht die Wand selbst als
angrenzenden Bodenstruktur optisch und taktil
Orientierungsleitlinie12 genutzt werden kann.
kontrastierend11.
(11) Mindestens ein Zw eibett- oder
(8) Sofern kein Aufzug vorhanden ist oder dieser
Doppelzimmer entspricht den vorstehenden
die Kriterien nach Ziffer C (6) nicht erfüllt, weisen
Kriterien.
10
Dies wird ebenso für Einschubschlitze für Zim m erkarten
und für die Zim m erkarten selbst em pfohlen. Zim m erkarten
(12) Gastronomie In Gastronomiebetrieben gel-
sollten m it einem taktilen Hinweis, auf welcher Seite die
ten für Schilder, Bedienelemente, Aufzüge,
Chipkarte in den Schlitz gesteckt wird, gekennzeichnet
Treppen, Handläufe, Beleuchtung und
werden.
11
G ut wahrgenom m en werden Härteunterschiede, z.B.
zwischen Teppich und Keramikplatten, Elastikbelag, PVC
oder Holz.
12
Dies ist z.B. der Fall, wenn der W eg entlang der W and
nicht durch Gegenstände (Pflanzen, M obiliar) oder tiefe
Nischen (z.B. m it Sitzgruppen) unterbrochen ist.
Pillendreher
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Ausgabe I / 2005
kontrastreiche Gestaltung die Anforderungen der
ge für schwerhörige Menschen ausgestattet16.
Punkte (1), (2), (3), (4), (5), (6), (7) und (8)
entsprechend13.
(2) Die wesentlichen Informationen für Gäste
sind optisch wahrnehmbar.
Die Speise- und Getränkekarte ist in gut
kontrastierender, schnörkelloser Schrift14 sowie in
(3) Wird das Absenden eines Notrufs durch
Braille vorhanden. Alternativ kann die Karte auch
Betätigung des Notruftasters im Aufzug von
auf einer barrierefreien Homepage15 zugänglich
einem Empfänger akustisch bestätigt (z.B. mittels
sein.
einer Gegensprechanlage), muss auch eine
optische Bestätigung erfolgen.
( 4) I n Zi m m e rn , d ie f ü r ge h ö rl o se u n d
D.
Gehörlose und schwerhörige Gäste
schwerhörige Gäste nutzbar sein sollen, sind das
Telefonklingeln und Türklopfen bzw. -klingeln
durch Blinksignale deutlich und eindeutig
wahrnehmbar.
(5) Soweit der Beherbergungsbetrieb über einen
akustisch wahrnehmbaren Alarm verfügt, wird der
Alarm in diesen Zimmern ebenfalls optisch
signalisiert. Das entsprechende Blinksignal für
(1) Die Rezeption ist mit einer induktiven Höranla-
den Alarm ist dann zusätzlich auch im Bad des
Gastes wahrnehmbar.
13
W ünschenswert ist m indestens ein Tisch m it heller und
blendfreier Beleuchtung in geräuscharm er Um gebung. Es
k ö n n e n H ilf s m ittel (z.B. T is c h a u fs te lle r, Pie p ser) zur
(6) Zimmer, die für gehörlose und schwerhörige
Verfügung gestellt werden, um dem Gast das Herbeirufen
Gäste nutzbar sein sollen, verfügen über ein Fax-
der Bedienung zu erleichtern.
14
gerät, wodurch auch eine zeitnahe Kommunikati-
Die Schriftgröße sollte m indestens 12 Punkt betragen.
Beispiel für eine schnörkellose (serifenlose) Schrift ist die
on mit der Rezeption ermöglicht wird.
Schriftart Arial. Es kom m t wesentlich aber auf den Kontrast
zwischen Druckqualität und Hintergrundfarbe des Papiers
an.
15
Eine Internetseite ist für blinde Com puternutzer dann gut
zugänglich, wenn alle grafischen Sym bole auch m it Text
hinterlegt sind, und alle Bedienelem ente m it der Tastatur
(ohne Maus) ausgewählt werden können. Zum kom plexen
Them a „barrierefreies Internet“ vgl. www.bikonline.info.
16
Ist einer der G äste eines Doppelzim m ers gehörlos oder
s c h w e rh ö rig , s o llte g ru n d s ä tzlich ein zw e ite r
Zim m erschlüssel/eine zweite Zim m erkarte ausgehändigt
werden. Dies gilt auf W unsch auch für Einzelzim m er (dam it
Gehörlose und Schwerhörige diese/n zur Sicherheit einer
Person ihres Vertrauens überlassen können.
Pillendreher
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(7) In Zimmern, die für gehörlose und schwerhöri-
behindert. In diesem Bereich müssen Geräusch-
ge Gäste nutzbar sein sollen, ist mindestens eine
einwirkungen von außen, aus dem übrigen Res-
freie Steckdose vorhanden17.
taurantbereich und aus der Küche möglichst gering sein. Es erfolgt hier keine direkte elektroakus-
(8) Zimmer, die für gehörlose und schwerhörige
tische Beschallung, oder die Lautsprecher in un-
Gäste nutzbar sein sollen, verfügen über ein
mittelbarer Nähe sind separat regel- bzw. ab-
Fernsehgerät mit einem Videotext-Decoder18.
schaltbar19.
(9) Mindestens ein Zweibett- oder Doppelzimmer entspricht den vorstehenden Kriterien.
E.
Alle Kategorien zusammen
(10) Gastronomie In Gastronomiebetrieben gelten für die optische Wahrnehmbarkeit wesentlicher Informationen und für Aufzüge die Anforderungen der Punkte (2) und (3) entsprechend.
Mindestens ein Tisch mit mindestens vier Plätzen
verfügt über eine helle und blendfreie Beleuchtung, die den gegenseitigen Blickkontakt nicht
17
Soweit nicht ohnehin m ehrere freie Steckdosen – davon
m in d e s te ns eine in der N ä he e in e s je d e n B e tte s –
vorhanden sind, soll gehörlosen und schwerhörigen Gästen
a u f W unsch eine M ehrfachsteck d o s e n le is te u nd eine
Dieses Piktogramm bedeutet, dass bei einem Anbieter sämtliche der oben aufgeführten Kriterien
gemeinsam vorliegen.
Verlängerungsschnur zur Verfügung gestellt werden.
18
D a rü b e r h in a u s k a n n s c h w e r h ö r ig e n G ä s te n zu r
19
Gehörlose und schwerhörige Gäste, die die entsprechend
T o n ü b e r tra g u n g b e im F e r n s e h e n e in e d r a h tlo s e
eingerichtete G astronom ie nutzen m öchten, sollen die
Ü b e rtra g u n g s a n la g e m it r e g e lb a r e m K o p fh ö re r u n d
Möglichkeit haben, ihren Tisch auch anders als telefonisch
A n s c h lu s s m ö g lic h k e it fü r in d iv id u e lle s Z u b e h ö r zu r
(z.B. per Fax oder E-Mail) zu reservieren.
Verfügung gestellt werden.
Pillendreher
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Reisen und Autoecke
Rehamesse und Auto
Herausragende Neuigkeiten auf dem Umbaumarkt für PKW, habe ich auf der letzten RehaMesse nicht entdecken können. Vieles ist für das
Reisen getan worden. Umbauten für Wohnanhänger oder Reisemobile werden für Rollifahrer oder
Ohnarmer angeboten. Sollte Interesse bestehen,
E-Mail-Adresse nutzen und nachfragen!
E-Mail: [email protected]
A b s o f o r t !! Euroschlüssel für Behindertentoilette hier erhältlich !!
Mit diesem Schlüssel können sämtliche Behinder-
E-Mail: [email protected]
tentoiletten betreten und genutzt werden.
Preis 15,00 Euro.
Es muss ein Grad von 70% Behinderung ( oder
mehr ) vorliegen bzw. die Merkzeichen aG, B, H,
BL im Schwerbehindertenausweis vermerkt sein.
Um Missbrauch vorzubeugen, bitten wir die Bestellung schriftlich ( Anschrift letzte Seite ) oder
per Mail vorzunehmen. Wir benötigen eine Kopie
oder gescannte Seite, Vor- und Rückseite des
Schwerbehindertenausweises.
Beide Beiträge von Wolfgang Schasse
Pillendreher
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Hilfsmittel
Computer
Notebook für Kurzarmer
Notebook Samsung X1-1200 Bliss
Ein zwischenzeitlich von der Firma Sony mit der
Typenbezeichnung Vaio PCG-X505/P oder
Kurzarmer haben in der Regel dies Schwierigkeit,
PCG-X505/SP auf den Markt gebrachtes Sub-No-
dass sie die handelsüblichen Notebooks mit einer
tebook schien Abhilfe zur versprechen, weil es
Handgelenkauflagefläche (meistens der Bereich
auch keine Handgelenkauflagefläche hat.
mit integriertem Mouse-Touchpad) nicht bedienen
können, weil die hinter der Handgelenkauflagefläche liegende Tastatur für sie nur sehr schwer erreichbar ist (siehe auch
die für die hiesige Problematik recht anschauliche
Darstellung 1 der Firma
Samsung zur sogenannten SuperRelax Tastatur™ des Notebooks auf
der nächsten Seite).
Versuche ein solches
Notebook ohne Handgelenkauflagefläche für
Kurzarmer im Handel zu
finden, waren für viele von
uns lange Zeit erfolglos.
Notebook Samsung X1-1200 Bliss; Bildquelle: Webseite der Firma Samsung
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Pillendreher
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Es handelt sich dabei um
ein superleichtes HighEnd-Gerät, das allerdings
in der Grundversion zwischen 2.350,- und 2.750,i kosten soll. Wie bei
Sub-Notebooks dieser Art
üblich, enthält es aus
Platzgründen weder ein
Disketten- noch ein
Darstellungen 1 zur SuperRelax Tastatur™; Bildquelle: Webseite der Firma Samsung
DVD/CD-ROM-Laufwerk.
Beide hätten als extern anschliessbare Geräte
liche Tasten der Tastatur erreichen. Die Firma
hinzugekauft werden müssen.
Samsung meint sogar, dass eine solche Tastatur
auch für Nichtbehinderte das Arbeiten am PC er-
Es wurde uns aber vor kurzem mitgeteilt, dass die
leichtern soll; weswegen sie die Tastatur auch „Su-
Firma Samsung derzeit ebenfalls ein Notebook
perRelax Tastatur™” nennt (siehe Darstellung 2
ohne Handgelenkauflagefläche vertreibt. Das No-
zur SuperRelax Tastatur unten).
tebook der Firma Samsung, Typ X1-1200 Bliss
kostet im Internethandel inkl. DVD / CD-ROM-
Eine besonders positive Besonderheit dieses No-
Laufwerk lediglich 1.869,00 i und ermöglicht
tebooks ist zudem noch, dass die Funktionstasten
Kurzarmern den gleichen günstigen Tastaturzu-
(F1 - F12) nicht - wie bei allen anderen Tastaturen
griff wie das Sony-Notebook. Indem die Tastatur
üblich - über den Schreib- bzw. Zahlentasten an-
wegen der fehlenden Handgelenkauflagefläche
geordnet sind sondern links neben den TAB-,
weiter vorne liegt, können auch Kurzarmer sämt-
Caps-Lock- und Shift-Tasten.
Entsprechendes gilt für
die Tasten „Home”, ”End”
, ”Ins” und „Del”. Sie sind
im Cursorbock unten
bzw. rechts oben neben
der Backspace-Taste
platziert (siehe alles im
Bild am Artikelanfang).
Darstellungen 2 zur SuperRelax Tastatur™; Bildquelle: Webseite der Firma Samsung
Seite 66
Pillendreher
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Alle diese Tasten sind für Kurzarmer viel leichter Wichtigste Produktmerkmale
zu erreichen. Wo vorher die Zunge oder Hilfsmittel
(Stift, Stab etc.) verwendet werden mussten, können diese Tasten nun mit den Fingern gedrückt
Prozessor
werden.
Auch die Tatsache, dass das DVD / CD-ROM-
Professional
Speicher
Laufwerk hinter der Tastatur nach oben
Intel® Pentium® M
Prozessor 753, 1,2 GHz
ULV, 2 MB Cache 400
MHz FSB
512 MB PC2-3200
(2 x 256)
aufzuklappen ist und nicht - wie so häufig - unter
Festplatte
60 GB 1,8"
der Tastatur nach vorne ausfährt, ist für viele Be-
14" WXGA Glare TFT
troffene eine erhebliche Erleichterung. Denn ein
Display
1.280 x 768
unter der Tastatur nach vorne ausfahrendes DVD
Grafik
m ax. 12 8 MB I n t e l
Graphic Media
Accelerator 900
/ CD-ROM-Laufwerk stößt bei Kurzarmern an den
Oberkörper an, weil sie wegen der kurzen Arme
mit dem Oberkörper näher am Notebook sitzen
Optisches Laufwerk
DVD-Super-Multi
Double-Layer
müssen.
Kommunikation
Wi-Fi 802.11a/b/g
10/100 Ethernet
56K V.92 Modem
Besonderheiten
gratis Hochleistungsakku
Bluetooth
Magnesium-Legierung,
Fernbedienung
SuperRelax Tastatur™
FirstWare Recovery Pro
vorläufigen Norton Anti-Virus-Version ausgeliefert.
Akku-Laufzeit*
bis 13,5 Stunden
Ein Office-Programmpaket oder eine Firewall-
Service & Support 24 Monate
Da diese Besonderheiten beim Sony-Notebook
nicht vorhanden sind, ist das kostengünstigere
Samsung-Notebook auch aus rein praktischen
Gründen vorzuziehen.
Das Notebook wird mit dem Betriebssystem
Microsoft Windows XP Professional und einer
Software enthält es nicht.
Vor-Ort-Abholservice europaweit
Link:
www.samsung.de
Gewicht
Beitrag von Andreas Meyer
ca. 1.700 g
Pillendreher
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Gerichtsurteile
Arbeitsrecht usw.
Annahmeverzug und Schadensersatz bei
Schwerbehinderung
Der Arbeitgeber hat Annahmeverzugslohn zu zahlen, wenn er die vom Arbeitnehmer geschuldete
Derartige Pflichten des Arbeitgebers ergeben sich
Arbeitsleistung nicht annimmt (§§ 615, 293 ff.
aus dem Schwerbehindertenrecht. Der Arbeitge-
BGB).
ber ist nach § 81 Abs. 4 Ziff. 1, 4 und 5 SGB IX
zur behinderungsgerechten Ausgestaltung eines
Das gilt auch dann, wenn den Arbeitgeber an der
Arbeitsplatzes verpflichtet. Er macht sich scha-
Nichtbeschäftigung kein Verschulden trifft. Kein
densersatzpflichtig, wenn er diese Pflichten
Annahmeverzug wird begründet, wenn der Arbeit-
schuldhaft verletzt.
nehmer außerstande ist, die an dem zugewiesenen Arbeitsplatz anfallenden Tätigkeiten auszu-
Er schuldet dann die entgangene Vergütung als
führen (§ 297 BGB).
Schadensersatz nach § 280 BGB iVm. § 81 Abs.
4 SGB IX, es sei denn, die behinderungsgerechte
Kann der Arbeitnehmer davon nur einen Teil ver-
Einrichtung des Arbeitsplatzes wäre ihm unzumut-
richten, gerät der Arbeitgeber nicht in Annahme-
bar oder sie wäre mit unverhältnismäßigen Auf-
verzug, es sei denn, dem Arbeitnehmer kann ein
wendungen verbunden (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB
anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden, den
IX).
dieser ausfüllen kann (§ 106 GewO). Der Arbeitgeber ist regelmäßig nicht gehalten, dazu seine
Der Sachverhalt:
Arbeitsorganisation zu ändern oder den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers mit technischen Arbeits-
Der mit einem Grad von 50 behinderte Kläger ist
hilfen auszustatten.
seit 1997 bei der beklagten Stadt als Arbeiter angestellt. Auf Grund einer im Jahr 2000 eingesetz-
Pillendreher
Seite 68
Ausgabe I / 2005
ten Kniegelenksprothese war sein rechtes Bein
nicht voll belastbar. Insbesondere durfte er nicht
mehr als 15 kg heben und tragen.
Auf den Arbeitsplätzen, auf denen er zuletzt ein-
Arbeitsplätze müssen behindertengerecht ge-
gesetzt war (Wertstoffhof; Containerstellplatzreini-
staltet sein
gung) waren zum Teil erheblich schwerere Gegenstände zu heben und zu tragen. Die Stadt
Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, Ar-
lehnte seine Beschäftigung Mitte August 2001 auf
beitsplätze behindertengerecht zu gestalten. Das
Dauer ab, weil der Kläger wegen der Behinderung
entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rhein-
seine Arbeitspflicht nicht erfüllen könne. Der Klä-
land-Pfalz in Mainz in einem am 11. Juli veröffent-
ger hat seine Vergütungsansprüche für die Zeit
lichten Urteil.
von Mitte August 2001 bis einschließlich April
2002 geltend gemacht.
Damit ist nach dem Richterspruch die Kündigung
eines behinderten Mitarbeiters unwirksam, wenn
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
der Arbeitgeber nicht zuvor versucht hat, für ihn
Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten
angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen
Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Zu Recht
(Az.: 2 Sa 928/04). [07/2005] (Quelle: dpa)
haben die Vorinstanzen Ansprüche aus Annahmeverzug verneint. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Ansprüche auf Schadensersatz wegen entgangener Vergütung - jedenfalls für einen Teil des Anspruchszeitraums -
Arbeitszeit muss "behindertengerecht" gestal-
bestehen. Deshalb hat der Senat die Entschei-
tet sein
dung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und
den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurüc-
Arbeitgeber sind verpflichtet, für schwer behinder-
kverwiesen.
te Mitarbeiter eine "behindertengerechte Gestaltung der Arbeitszeit" vorzunehmen. Das entschied
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. Oktober 2005,
das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz
9 AZR 632/04; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht
in Mainz in einem Urteil. Nach Auffassung der
Hamm, Urteil vom 9. August 2004, 8 (17) Sa
Richter kann der Arbeitgeber daher verpflichtet
1416/02 (pm BAG) [10/2005] (Quelle: Webseite
sein, einen Schwerbehinderten nicht zur Nacht-
des VDK)
schicht einzuteilen (Az.: 4 Sa 900/04).
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Das Gericht gab mit seinem Urteil der Klage eines
lens".
Schwerbehinderten gegen seinen Arbeitgeber
statt. Der Kläger hatte sich in seinem Arbeitsver-
Das gilt nach Ansicht des Arbeitsgerichts Frank-
trag bereit erklärt, auch Nachtarbeit zu leisten. Der
furt auch dann, wenn sich das Arbeitsverhältnis
Arbeitgeber hatte auf dieser Klausel bestanden,
noch innerhalb der Probezeit befindet. Mit ihrem
weil andernfalls eine Beschäftigung des Klägers
Urteil gaben die Richter der Klage einer Bürohilfe
aus betrieblichen Gründen nicht möglich gewesen
gegen einen Innenausbau-Betrieb statt und er-
wäre. Als der Kläger später ein ärztliches Attest
klärten die fristlose Kündigung für unwirksam (Az:
vorlegte, wonach er gesundheitsbedingt keine
22 Ca 3594/05).
Nachtarbeit leisten könne, verwies der Arbeitgeber auf den Arbeitsvertrag und zweifelte den In-
Laut Urteil ist sowohl bei einem unentschuldigten
halt des Attests an.
Fehlen, wie auch bei einem verspäteten Einreichen des Attests eine vorherige Abmahnung not-
In beiden Punkten fand er vor dem LAG jedoch
wendig, um dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten
kein Gehör. Denn zum einen betonten die Richter,
aufzuzeigen. [01/2006] (Quelle: dpa)
die gesetzlichen Regelungen zum Schutz schwer
behinderter Menschen gingen arbeitsvertraglichen
Regelungen vor. Zum anderen verwiesen sie darauf, ein Arbeitgeber sei nicht berechtigt, die Richtigkeit eines ärztlichen Attests einfach anzuzwei-
Krankheit: Schwerbehinderter kann gekündigt
feln. Er müsse dann schon detailliert darlegen,
werden
worauf sich seine Zweifel gründeten. Das habe
der Arbeitgeber hier nicht getan. [04/2005] (Quel-
Auch schwerbehinderten Arbeitnehmern kann
le: dpa)
grundsätzlich wegen Krankheit gekündigt werden,
so das Arbeitsgericht Frankfurt. Die Richter wiesen in ihrem Urteil die Klage einer Versandmitarbeiterin gegen ein Warenhaus zurück (Az. 7 Ca
2396/03).
Keine fristlose Kündigung bei verspätet eingereichtem Attest
Die schwerbehinderte Arbeitnehmerin hatte wegen verschiedener Krankheiten bis zu 48 Fehltage
Das verspätete Einreichen eines Krankheitsattests
jährlich aufzuweisen. Insgesamt fehlte sie seit
rechtfertigt noch keine fristlose Kündigung eines
ihrem Arbeitsbeginn 1990 an 488 Arbeitstagen,
Arbeitnehmers wegen "unentschuldigten Feh-
wodurch das Unternehmen Krankenlohn in Höhe
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von rund 36 000 Euro zu zahlen hatte. Das Unter-
kenversicherte Mini-Jobber müsse indes kein
nehmen sprach schließlich eine krankheitsbeding-
Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung gezahlt
te Kündigung aus.
werden, da diese Gruppe auch keine Leistungen
aus der gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch
Laut Urteil handelt es sich auf Grund der hohen
nehme.
Fehlquoten der Arbeitnehmerin bei dem Arbeitsverhältnis um ein "sinnentleertes Austauschver-
Geklagt hatte ein Bestattungsunternehmen, das
hältnis". Der Arbeitgeber habe aber einen An-
eine Hilfskraft als geringfügig Beschäftigten einge-
spruch darauf, für regelmäßige Lohnzahlungen
stellt hatte. Die Firma muss nach dem Urteil für
auch regelmäßige Arbeit des Arbeitnehmers zu
den Mann den Pauschalbeitrag zur Krankenversi-
erhalten. Werde dieses Gleichgewicht so nachhal-
cherung entrichten, obwohl dieser bereits in sei-
tig gestört, dürfe auch einem schwerbehinderten
nem Hauptberuf mit seinem Gehalt oberhalb der
Arbeitnehmer gekündigt werden, so der Richter.
Pflichtversicherungsgrenze liegt.
(Quelle: Webseite des VDK)
Der pauschale Sozialversicherungsbeitrag war
1999 eingeführt worden. Er sollte eine Erosion der
Sozialsysteme und die zunehmende Umwandlung
sozialversicherungspflichtiger Stellen in beitragsSozialversicherungsbeitrag bei Mini-Jobs ver-
freie Mini-Jobs stoppen. [01/2006] (Quelle: dpa)
fassungsgemäß
Die für Mini-Jobber erhobenen Sozialversicherungsbeiträge sind nach einem Urteil des Bundessozialgerichts verfassungsgemäß.
Arbeitsamt muss unaufgefordert beraten
Der vom Arbeitgeber bei einer geringfügigen Be-
Das Arbeitsamt muss einen Arbeitssuchenden
schäftigung zu zahlende Pauschalbeitrag sei nicht
auch unaufgefordert auf nahe liegende günstige
zu beanstanden, urteilte das Bundesgericht in
Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen. Dies ent-
Kassel (AZ.: B 12 KR 27/04).
schied das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz. So hat die Behörde zum Bei-
Der Gesetzgeber brauche dabei nicht zwischen
spiel einen Arbeitslosen darauf aufmerksam zu
Arbeitnehmern zu differenzieren, die keine ande-
machen, dass eine spätere Meldung bei der Be-
ren Einkünfte haben und solchen, die bereits in
hörde für ihn finanziell günstiger sein kann, mein-
einem Hauptberuf versichert sind. Für privat kran-
ten die Richter (Az.: L 1 AL 74/01).
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Das Gericht gab mit seinem Urteil der Zahlungs-
de hätte ihn unaufgefordert darauf hinweisen
klage eines arbeitslosen Bankkaufmanns statt.
müssen und verlangte die Weiterzahlung des Ar-
Der Kläger hatte mit seiner Bank einen Auf-
beitslosengeldes.
hebungsvertrag abgeschlossen und sich kurz vor
Vollendung seines 57. Geburtstages beim Arbeits-
Das LSG schloss sich der Auffassung des Klägers
amt arbeitslos gemeldet. Daraufhin bewilligte ihm
an. Da dieser bei seiner Meldung sein Geburts-
die Behörde Arbeitslosengeld für 585 Tage. Hätte
datum angegeben habe, hätte es sich dem Ar-
sich der Kläger erst nach Vollendung des 57. Ge-
beitsamt geradezu aufdrängen müssen, so die
burtstages gemeldet, hätte ein Anspruch auf Ar-
Richter, ihn besser zu beraten. (Quelle: Webseite
beitslosengeld für 720 Tage bestanden. Als der
des VDK)
Kläger später davon erfuhr, meinte er, die Behör-
Krankenkasse / Pflegekasse
Unfallkasse muss Strom für Elektrorollstuhl zahlen
heblich sei die Höhe der Stromkosten, die im verhandelten Fall bei lediglich knapp drei Euro monatlich lagen. Bei einem Hilfsmittel müsse die Unfallkasse grundsätzlich die bei der Nutzung anfallenden Energiekosten tragen, befanden die
Ein Behinderter kann von der Unfallkasse die
Kasseler Richter. (AZ.: B 2 U 11/03 R) (Quelle:
Übernahme der Kosten für den Ladestrom seines
Webseite des VDK)
Elektrorollstuhls verlangen. Wie das Bundessozialgericht (BSG) entschied, umfasse die Versorgung mit einem Rollstuhl auch den notwendigen
Strom, damit der Rollstuhl fahren könne. Uner-
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Festbeträge für Hörgeräte sind nicht immer
Dabei handelt es sich um den Einsatz von Medi-
bindend
kamenten bei Krankheiten, für die sie offiziell nicht
zugelassen wurden. Die Kläger leiden unter dem
Die Krankenversicherung muss nach einem Urteil
so genannten Restless-Legs-Syndrom (RLS) und
des Sozialgerichts Dresden notfalls auch Hörgerä-
hatten von ihren Ärzten Medikamente verschrie-
te bezahlen, die teurer sind als die so genannten
ben bekommen, die für die Behandlung von Par-
Festbeträge. Hörgeschädigte hätten Anspruch auf
kinson zugelassen sind. Die Deutsche Angestell-
einen vollständigen Ausgleich ihrer Behinderung
ten Kasse (DAK) wollte die Arzneien nicht bezah-
nach dem Stand der Medizintechnik, teilte das
len.
Gericht am Freitag mit. Das Urteil vom 2. Juni ist
noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen: S 18 KR
Nach Ansicht der DAK ist die Wirksamkeit der
210/02)
Medikamente Parkotil und Cabaseril bei RLS nicht
ausreichend nachgewiesen. Dagegen sah der 5.
Das Gericht gab der Klage eines 24-Jährigen
Senat des Landessozialgerichts die Wirksamkeit
statt, dessen Schwerhörigkeit an Taubheit grenzt,
beider Medikamente auf Grund von Vergleichs-
hieß es. Laut einem Sachverständigen könnte er
studien als hinreichend belegt an. Das Gericht
mit einem neuen digitalen teuren Hörgerät, das
verurteilte die DAK in dem Urteil, einer Patientin
rund 4000 Euro kostet, sehr viel besser hören als
aus Gütersloh und einem Kläger aus Leverkusen
mit seinem alten von 1999. Dieses analoge Gerät
die Medikamente zu bezahlen. (Az.: L5 KR 171/04
hatte seinerzeit rund 2700 Mark gekostet. Die
und L5 KR 144/03) [12/2005] (Quelle: dpa)
AOK wollte nach den Angaben dem Kläger nur
den gültigen Festbetrag von 1094,16 Euro erstatten. Der arbeitslose Mann kann den Restbetrag
nicht aufbringen. [06/2005] (Quelle: dpa)
Patienten können Betreuung rund um die Uhr
auch daheim beanspruchen
Zu Hause gepflegte Patienten können eine Be"off-label"-Gebrauch von Medikamenten zuläs-
treuung rund um die Uhr auch dann beanspru-
sig
chen, wenn ihre Gesundheit nicht akut in Gefahr
ist. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel
Das Landessozialgericht NRW hat den so ge-
urteilte, müsse die Krankenkasse bei der häusli-
nannten "off-label"-Gebrauch von Medikamenten
chen Krankenpflege für eine Krankenbeobachtung
in zwei konkreten Fällen für zulässig erklärt.
auch dann zahlen, wenn eine Gesundheitsver-
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schlechterung nicht konkret absehbar ist. Die Kas-
Deshalb seien die Gerichte nicht an die Richtlinie
se habe nicht das Recht, die häusliche Kranken-
gebunden. Der Bundesausschuss legt fest, wel-
pflege aufzuteilen in Pflegemaßnahmen, für die
che medizinischen Leistungen zum Leistungskata-
sie zahlen wolle und Beobachtungszeiten, für die
log der gesetzlichen Krankenversicherung gehö-
sie eine Leistungspflicht ablehne.
ren.
Mit seinem Urteil erklärte das Gericht eine Richt-
Im verhandelten Fall ging es um einen Schwerbe-
linie des Gemeinsamen Bundesausschusses der
hinderten, bei dem jederzeit mit einer Verschlech-
Ärzte und Krankenkassen für unwirksam. Diese
terung der Atmungsfunktion und Krampfanfällen
hatte die Leistungspflicht der Kassen für eine
gerechnet werden muss. Das Gericht wies die
Krankenbeobachtung auf lebensbedrohliche Fälle
Kasse an, für den Behinderten nicht nur die tägli-
eingeschränkt, in denen die Vitalfunktionen des
che Pflege, sondern auch die Beobachtungszeiten
Patienten oder Beatmungsgeräte kontrolliert wer-
zu bezahlen. (AZ.: B 3 KR 38/04 R) [11/2005]
den müssen. Mit seiner Richtlinie habe der Bun-
(Quelle: dpa)
desausschuss die Leistungspflicht der Kassen
ohne gesetzliche Ermächtigung eingeschränkt.
Vermischtes
Erwachsenen-Adoption wegen Pflegebedürftigkeit gerechtfertigt
Bei einer kinderlos gebliebenen Ehe ist die Adop-
fassung der Richter ist ein solches Motiv "sittlich
tion einer Erwachsenen wegen der Pflegebedürf-
gerechtfertigt" (Az.: 3 W 121/05).
tigkeit eines Ehepartners zulässig. Das geht aus
einem Beschluss des Pfälzischen Oberlandes-
Das Gericht hob mit seinem Spruch eine Ent-
gerichts (OLG) Zweibrücken hervor. Nach Auf-
scheidung des Landgerichts Bad Kreuznach auf
und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück.
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Das Amtsgericht Simmern und das Landgericht
sie für das Kind ganz erhebliche Vorteile haben.
hatten übereinstimmend den Antrag einer an Mul-
Geklagt hatte ein Mann, dessen leiblicher Sohn
tipler Sklerose erkrankten Frau abgelehnt, die
vom neuen Ehemann der Mutter adoptiert worden
eine 1977 geborene Rumänin adoptieren wollte.
war. Die Karlsruher Richter hoben die Adoption
Die Richter bezweifelten, dass zwischen der mög-
auf. (Az: 1 BvR 1444/01 -Beschluss vom 29. No-
lichen Adoptivtochter und der Frau eine Mut-
vember 2005)
ter-Kind-Beziehung möglich sei. Dies sei auch bei
einer Erwachsenen-Adoption erforderlich.
Unter bestimmten Voraussetzungen können die
Gerichte eine Adoption auch gegen den Willen
Das OLG wertete diesen Maßstab der Vorinstan-
des Vaters oder der Mutter gestatten. Dabei sind
zen als zu streng. Bei der Adoption eines Erwach-
die gesetzlichen Anforderungen nach einer vor
senen seien an die Beziehung geringere Anforde-
einigen Jahren geänderten Vorschrift weniger
rungen zu stellen, als bei Minderjährigen. Denn
streng, wenn nicht eheliche Väter nie das Sorge-
auch bei leiblichen Verwandten lockerten sich
recht für ihr leibliches Kind hatten. Ganz außer
Familienbeziehungen im Laufe der Jahre. Insbe-
acht lassen dürfen die Gerichte die Interessen
sondere hätten Amts- und Landgericht nicht genü-
dieser Väter jedoch nicht, betonte jetzt das Bun-
gend berücksichtigt, dass die kinderlose Antrag-
desverfassungsgericht.
stellerin jemanden suche, der sich im Fall der
Pflegebedürftigkeit um sie kümmere. Diesen Ge-
Vielmehr müssten stets die Interessen des Kindes
sichtspunkt müsse das Landgericht bei seiner
und des Vaters miteinander abgewogen werden.
neuen Entscheidung bedenken. [01/2006] (Quelle:
Dazu gehört nach den Worten der Richter auch
dpa)
die Prüfung, ob ein intaktes Verhältnis zwischen
Vater und Kind besteht. Außerdem müssten die
Gerichte feststellen, ob der Vater für mögliche
Störungen in der Beziehung zu seinem Kind
selbst verantwortlich ist.
Rechte nicht ehelicher Väter gegen Adoptionen gestärkt
Wenn die Mutter einseitig den Kontakt abbreche,
könne das nicht in jedem Fall zu Lasten des Va-
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte
ters gewertet werden, entschieden die Richter.
nicht ehelicher Väter gegen Adoptionen durch
Damit übernahm das höchste deutsche Gericht
Stiefväter gestärkt. Nach einem am Dienstag ver-
Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in Karls-
öffentlichten Beschluss sind Adoptionen gegen
ruhe im März 2005 in einem Beschluss festgelegt
den Willen der leiblichen Väter nur zulässig, wenn
hatte. [12/2005] (Quelle: dpa)
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Schnell noch hinzugefügt
Neue Internetplattform zu Qualität im Gesundheitswesen
Bürger können sich jetzt unter www.gesundheitsinformation.de mit Informationen über die Behandlung
und Vorbeugung verschiedenster Krankheiten versorgen - von A wie Allergie über K wie Kopfschmerz
bis Z wie Zähne.
www.gesundheitsinformation.de
Zunächst sieht die Seite aus wie ein weiteres von
und das in verständlicher Sprache.
zahllosen Gesundheits-Infoangeboten im Internet.
Doch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD)
"Die Informationen sind wissenschaftlich geprüft",
und das für die Inhalte verantwortliche Institut für
lobt Rainer Hess, der Vorsitzende des Gemein-
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits-
samen Bundesausschuss (G-BA) von Kranken-
wesen (IQWIG) verbinden größte Hoffnungen
kassen und Kassenärzten. Noch finden sich auf
damit. Was soll die neue Homepage bringen, was
der Seite nur einzelne Beiträge zu vielen Krank-
bisher gefehlt hat?
heiten und Körperregionen. Auch zur Alternativmedizin gibt es noch wenig Hinweise, da die Aus-
„Wir vertreten keine Interessengruppe und haben
wertung der wissenschaftlichen Studien dazu um-
nichts zu verkaufen”, sagt Institutsleiter Peter T.
fangreich sei, wie Sawicki sagt. Das mit der jüngs-
Sawicki. Viele Informationen über Arzneimittel und
ten Gesundheitsreform gegründete IQWIG will die
Therapien für Ärzte und Patienten kommen heute
Seite Schritt für Schritt vervollständigen.
von Pharmafirmen und Fachgesellschaften. Oft
verbindet sich massives Knowhow mit harten Ge-
Beispielsweise ist zu erfahren, dass Frauen mit
schäftsinteressen. Die IQWIG-Mitarbeiter nun
Brustkrebs- Metastasen im Skelett mit der Ein-
bereiten nach Sawickis Angaben die wissen-
nahme so genannter Bisphosphonaten gegen
schaftlichen Belege internationaler Studien auf,
Knochenbrüchen vorbeugen können. Aber man
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erfährt auch, dass die Behandlung von Kopf-
Dann machen Sie bei der Online-Umfrage des
schmerzen ohne Medikamente wissenschaftlich
Aktionsbündnisses für barrierefreie Informations-
bislang kaum erprobt ist - sei es durch Massage,
technik (AbI) mit! Auch der Sozialverband VdK
Bewegungstraining, Wärme- und Kältetherapie
Deutschland ist Mitglied des Aktionsbündnisses.
oder durch Akupunktur.
Durch Ihre Teilnahme helfen Sie dabei, Barrieren
Gesundheitsministerin Schmidt sagte dazu: "In
im Web des Bundes aufzuzeigen.
Deutschland sind die Patienten überwiegend uninformiert. Beim Autohändler und beim Kauf von
Hintergrund der Aktion: Bis zum 31. Dezember
Waschmaschinen lässt man sich über alles bera-
2005 muss der Bund sämtliche Internetpräsenzen
ten. Aber die meisten gehen ins nächstgelegene
gem ä ß der Barrier ef r eien In f orm a ti ons -
Krankenhaus, ohne zu fragen: Ist es da gut?" Vor
technik-Verordnung (BITV) gestaltet haben. So
allem Männer nähmen in diesem im äußersten
steht es im Behinderten-gleichstellungsgesetz
Fall lebensentscheidenden Bereich die Dinge sel-
(BGG). Demnach müssen alle Internet-Seiten des
ten selbst in die Hand.
Bundes ohne Probleme von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsformen besucht und
Doch nimmt der Anteil älterer und somit krank-
uneingeschränkt genutzt werden können.
heitsanfälliger Menschen zu - ebenso steigt der
medizinische Fortschritt und somit die Auswahl-
Durch Ihre Mitwirkung an der Aktion können Sie
möglichkeit. "Der informierte Patient wird zum
individuell aufzeigen, wo Barrieren und virtuelle
wichtigen Steuerungsinstrument im Gesundheits-
"Stolpersteine" vorhanden sind und wo Ihnen
wesen", sagt Schmidt. Dahinter steckt die Über-
wichtige Informationen vorenthalten werden.
zeugung, dass gerade informierte Patienten nicht
immer nach den neusten Pillen und den teuersten
Den Fragebogen zu der Umfrage finden Sie unter
Verfahren rufen - sondern nach dem tatsächlichen
Nutzen. Insofern geht es der Regierung bei Pa-
www.abi-projekt.de/bitvumfrage/
tientenformationen auch um mögliche Einsparungen. [02/2006] (Quelle: dpa)
Der Online-Fragebogen kann ganz einfach am
Umfrage zur Barrierefreiheit - Ihre Meinung
Computer ausgefüllt werden, die Umfrage nimmt
zählt!
nur wenige Minuten Zeit in Anspruch. [02/2006]
(Quelle: Webseite des VDK)
Sie sind aufgrund einer Behinderung selbst angewiesen auf "Barrierefreiheit im Internet"?
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Wichtige Verbandsadressen
wie sie uns bis jetzt bekannt gemacht wurden
Bundesverband Contergangeschädigter e.V.
Hilfswerk vorgeburtlich Geschädigter
Frau Margit Hudelmaier
Schwimmbadweg 33
89604 Allmendingen
Tel: 07391 - 47 19
Fax: 07391 - 758504
E - Ma il : c o nt e r g a n - b un d es ve r b [email protected]
Webseite: www.contergan.de
Interessenverband Contergangeschädigter
Bielefeld-Ostwestfalen e.V.
Frau Bärbel Drohmann
Grabbestrasse 25
59368 Werne
Tel: 02389 / 536203
Email: [email protected]
Interessenverband Contergangeschädigter
Ortsverband Bochum e.V.
Herr Achim Rüsing
Zollstrasse 162
44869 Bochum
Tel: 02327 / 70607
Verein für Körperbehinderte in den Kreisen
Euskirchen-Erftkreis e.V.
Herr Josef Flohr
Villestr. 57
50321 Brühl-Heide
Tel: 02232-28998
Elternverband körpergeschädigter Kinder e.V.
Ortsverband Essen
Frau Bettina Dietrich
Kappertsiepen 24
45309 Essen
Tel: 0201 / 557031
Interessenverband der Eltern körpergeschädigter
Kinder und junger Erwachsener
Bezirk Hellweg e.V.
Frau Petra Böckmann
Lange Strasse 23a
34439 Willebadessen
Tel: 05646 / 943777
Interessenverband Conterganbehinderter
Ruhrgebiet Nord-Ost e.V.
Herr Frank Ingendahl
Boomkamp 2
46325 Borken
Tel: 02862 / 418036
Email: [email protected]
Hilfswerk Contergangeschädigter und ihrer Eltern
der Kreise Märkischer Kreis, Hochsauerlandkreis,
Kreis Unna und Kreis Soest e.V.
Herr Michael Hinse
Anton-Strube-Strasse 19
59757 Arnsberg-Herdingen
Tel: 02932 / 38404
Interessenverband der Contergangeschädigten
und deren Angehörige e.V.
Contergangeschädigtenhilfswerk Bezirk Köln
Herr Udo Herterich
Auf der Ruhr 7
50667 Köln
Tel: 02205 / 83520
Interessenverband Contergangeschädigter
Bezirk Bonn e.V.
Herr Jörg Bruchmüller
Kepler Straße 3
53757 St. Augustin
Tel: 02241 / 204900
Interessengemeinschaft Körpergeschädigter
Ortsverband Solingen e.V.
Contergangeschädigten-Hilfswerk
Herr Clemens Friedrichs
Theodor-Mommsen Str. 8
42651 Solingen
Tel: 0212 / 208791
Ortsverband Contergan-/Thalidomidgeschädigter
Düsseldorf e.V.
Contergangeschädigten-Hilfswerk
Frau Susanne Ukschewski
Mirgelweg 7
53913 Swistal
Tel: 02254 / 846600
Pillendreher
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Wir bedanken uns
Im Rahmen der Selbsthilfeförderung gemäß § 20 Abs. 4 SGB V für Landesverbände der Gesundheitsselbsthilfe in NRW unterstützten uns
die nachstehenden Kassenorganisationen. Ohne ihre Zuschüsse wäre diese Auflage des Pillendrehers nicht möglich gewesen. Wir
möchten uns an dieser Stelle für die Unterstützung unserer Arbeit recht herzlich bedanken.
AOK Rheinland
Kasernenstr. 61
40213 Düsseldorf
DAK Ehrenfeld
Venloer Str. 379-381
50825 Köln
Selbsthilfe Förderung
AOK Westfalen-Lippe, Dortmund
Paritätischer Wohlfahrtsverband
Landesverband NRW, Wuppertal
Nortkirchenstr. 103-105
44263 Dortmund
DAK-Landesgeschäftsstelle Nordrhein-Westfalen
Graf-Adolf-Str. 89
40210 Düsseldorf
Barmer Ersatzkasse Landesgeschäftsstelle Nordrhein
Mecumstr. 10
40223 Düsseldorf
IKK Nordrhein
Kölner Str. 3
51429 Bergisch Gladbach
Vereinigte IKK
Albrecht-Thaer-Str. 36-38
48147 Münster
Landwirtschaftliche Krankenkasse Nordrhein-Westfalen
Hoher Heckenweg 76-80
48147 Münster
Selbsthilfe – Fördergemeinschaft
c/o VdAK / AEV-Landesvertretung NRW
Graf-Adolf-Str. 67-69
40210 Düsseldorf
BKK Landesverband NRW
Kronprinzenstr. 6
45128 Essen
Techniker Krankenkasse Landvertretung NRW
Bismarckstr. 101
40210 Düsseldorf
Bundesknappschaft Dezernat I.5.2
Königsallee 175
44799 Bochum
Interessenverband Contergangeschädigter
Nordrhein-Westfalen e. V.
Mitglied in der LAG SB NRW
Pillendreher-Redaktion
Anschrift der Geschäftsstelle
z.H. Herrn Andreas Meyer
Dohmengasse 7,
50829 Köln
Telefon: 0221 - 9 50 51 00
Fax:
0221 - 9 50 51 01
email:
[email protected]
Vermögensverwalter
Wolfgang Schasse
Franz-Jostes-Weg 25
59494 Soest
Telefon: 02921 - 87 37
(allgem eine R echerche, Them enrecherche)
(G esam tlayout, T extzusam m enstellung, Internetrecherche, Them enrecherche,
Beirat
Angelika Scherer
Bernkasteler Str. 7a
50969 Köln
Telefon: 0221 - 36 05 210
E in l e i t u n g s t e x te u . T h e m e n ü b e r le i t u n g e n , s o w e it n ic h t n a m e n t lic h
(um fangreiche Zeitschriftensichtung und Textrecherche)
1. Vorsitzender
Andreas Meyer
Anschrift usw. siehe oben.
gek ennzeichnet)
Stellvertretende Vorsitzende
Sofia Plich, Tricht 7
53937 Gemünd
Telefon: 02444 - 9 14 8 12
Michael Rosenberg
Kölner Str. 28
50859 Köln
Telefon: 02234 - 94 38 91
(Logistische u. technische U nterstützung, Abschriften usw.)
(T extrecherche, allgem eine R echerche)
Druck: LaserPrint A Udo Herterich A Bensberger Str. 139 A 51503 Rösrath A Telefon 02205 - 83 541 A Telefax 02205 - 83 586 A Auflage 1.300.
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