Das Mukoviszidose-Logbuch für Erwachsene

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Das Mukoviszidose-Logbuch für Erwachsene
Das
Mukoviszidose-Logbuch
für Erwachsene
IMPRESSUM
Herausgeber:
Chiesi GmbH, Hamburg
Projektagentur:
CARE-LINE GmbH, Neuried
Projektleitung:
Sven Timm (Chiesi GmbH)
Ute Behr (CARE-LINE GmbH)
Autoren:
Dipl.-Soz.-päd. Gabriele Becker
RA Anja Bollmann
Sibylle Felt
Dr. Holger Köster
Dipl.-Psych. Christine Lehmann
Thomas Malenke
Dr. Carsten Schwarz
Layout/Satz:
Carsten Klein
Bildnachweis:
Medizinische Themen:
Grafik modifiziert nach Kuebi (Wikipedia: Autosomal-rezessiver Erbgang),
zuletzt aufgerufen am 01.06.2012, S. 1
Grafik modifiziert nach Seward Hung, S. 3 (http://carolguze.com)
fundacionio.org, S. 9 und S. 10
Pari GmbH, S. 11
Rob Byron (fotolia.de), S. 15
Psychosoziale Themen:
ccvision.de, S. 8, 12 und 16
A.R. (fotolia.de), S. 14
Gina Sanders (fotolia.de), S. 14, 16 und 18
Heike Janz, S. 15
ccvision.de, S. 16
Jeanette Dietl (fotolia.de), S. 22
Martina Milthaler, S. 24, 25
Illustrationen:
Maren Amini
Druck:
Simson Graphix GmbH, Hamburg
1. Auflage 2012, © Chiesi GmbH, Hamburg und CARE-LINE GmbH, Neuried
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der
Chiesi GmbH und der CARE-LINE GmbH
INHALT
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Leitfaden
Ansprechpartner, Jahresplaner
Medizinisches Wörterbuch
Diagnosen und Befunde, Impfkalender
Tagebuch, Medikationsplan, Trainingsplan
Selbsthilfegruppen, Weblinks
CF-Einrichtungen Deutschland
CF-Einrichtungen Europa
Reha-Zentren
Physiotherapie
Informationen und Publikationsliste des Mukoviszidose e.V.
Platz für weitere persönliche Informationen
Quelle: Internet
einleitung
einleitung
Dieses Buch richtet sich sowohl an Erwachsene mit Mukoviszidose, bei denen die Diagnose gerade erst
neu gestellt wurde, als auch an die, die bereits seit vielen Jahren mit der Diagnose leben und seit frühester
Kindheit eine Dauertherapie durchführen.
In letzterem Fall, der viel wahrscheinlicher ist, wurde bereits in einem Alter, als Sie selbst noch Kind waren und
die Zusammenhänge nicht ausreichend verstehen konnten, die Krankheit »Mukoviszidose« oder »Zystische
Fibrose« (CF) bei Ihnen diagnostiziert und damals mit Ihren Eltern ausführlich besprochen. Sie haben sich
darum gekümmert, dass Sie sich regelmäßig in der CF-Ambulanz vorstellen oder im Krankenhaus stationär
behandelt werden, dass Sie Ihre notwendigen Medikamente verordnet bekommen und die Dauertherapie
gewissenhaft durchführen. In den letzten Jahren haben Sie diese Aufgaben zunehmend selbst in die Hand
genommen, auch wenn Sie die Unterstützung Ihrer Eltern trotzdem noch gerne in Anspruch nehmen.
Wahrscheinlich haben Ihre Eltern in der Vergangenheit auch wiederholt Anläufe unternommen, Ihnen das
Krankheitsbild und die Notwendigkeit der Behandlungsmaßnahmen zu erklären. Eventuell haben Sie sich
auch Informationen über CF aus Zeitschriften, Informationsbroschüren, Büchern oder aus dem Internet
besorgt und sich mit anderen Betroffenen über das Krankheitsbild ausgetauscht.
Vielleicht gab es aber auch Phasen in Ihrem Leben, in denen Sie gar nichts von Ihrer Krankheit wissen
wollten und CF-Belange ganz weit von sich weg geschoben haben. Das waren Momente, in denen Ihnen
auch Ihre Eltern als Ratgeber nicht willkommen waren und Sie Ihr Wissen um die Krankheit und die Therapie
vernachlässigt haben.
Möglicherweise haben Sie aber zwischenzeitlich festgestellt, dass Sie gerne mehr zur Mukoviszidose wissen
möchten und dass Sie insbesondere gern weiterführende Informationen zur Krankheit im Erwachsenenalter
bekommen würden. Oder es haben sich mit dem Erwachsenwerden neue Fragen ergeben, die Sie so noch
nicht gestellt haben oder die vorher für Sie noch gar nicht aktuell waren.
Wir wollen versuchen, mit diesem Buch Informationslücken zu schließen und Ihnen die Besonderheiten
der Mukoviszidose im Erwachsenenalter und die sich daraus für Sie ergebenen Konsequenzen näher zu
bringen.
Ihre
Chiesi GmbH
Inhalt
Inhalt
Medizinische Themen
1 Mukoviszidose – Ein Überblick
1.1
Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2
Pathophysiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Ursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.3
Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Früherkennung, Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1.4
Diagnosestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Nierensteine – Behandlung, Prophylaxe. . . . . . . . . . . . 27
1.5
Verlaufsdiagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Herz
1.6
CF-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
3.6
3.7
Niere
Verlauf und Folgen einer Nierenerkrankung. . . . . . . . . 26
Diagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
CF-spezifische Folgeerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2 Mikrobiologie und Hygiene
Altersbedingte Erkrankungen des Herzens. . . . . . . . . . 29
2.1
Erreger im Erwachsenenalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Skelett
2.2
Hygiene-Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3 CF im Erwachsenenalter
3.1
Vorsorgeuntersuchungen bei Mukoviszidose. . . . . . . . 13
3.2
Bauchspeicheldrüse
Pankreasinsuffizienz und Pankreatitis. . . . . . . . . . . . . . 14
CF-Diabetes (CFRDM). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Magen-Darm-Trakt
3.3
Stomatitis und Pilzinfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Gastroösophagealer Reflux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Verstopfung und DIOS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Kolitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Sonstige Darmerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Lunge
3.4
Fortgeschrittene Lungenerkrankung ������������������������������18
ABPA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Respiratorische Insuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Lungentransplantation (in Arbeit). . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.5
Leber/Galle
Schädigung der Galle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Schädigung der Leber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Folgeerscheinungen für andere Organe. . . . . . . . . . . . . 25
Vorsorgeuntersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Vorbeugende Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Behandlungsoptionen
bei Leber-/Galleproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Lebertransplantation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.8
Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel . . . . . . . . . . . . . . 30
CF-Arthropathie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Medikamenten-assoziierte Gelenkprobleme. . . . . . . . . 30
Osteoporose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Nasennebenhöhlen
3.9
Aufbau und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. . . . . . . . . . . . . . 32
Therapieoptionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.10 Augen
Trockenes Auge, Konjunktivitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Glaukom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.11 Medikamenten-assoziierte Probleme
Unbedenkliche Stoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Nebenwirkungsreiche Stoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Antibiotika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Kortison. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Immunsuppressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.12 Reproduktion und Sexualität
Medizinische Vorbedingungen beim Mann. . . . . . . . . . 38
Methoden zur Samengewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Künstliche Befruchtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Klärung der Genträgerschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Medizinische Vorbedingungen bei der Frau. . . . . . . . . 39
Zusätzliche CF-Vorsorge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Fortführung der Basistherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Fazit und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Inhalt
Psychosoziale Themen
1 Junge Erwachsene
6 Berufswahl, Arbeitsleben, Pflege und Rente
Der Weg in die Selbständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
6.1
Förder- und Qualifizierungsmaßnahmen. . . . . . . . . . . . 13
Zwischen Außenseiterrolle und Integration. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
6.2
Gleichstellung, Schwerbehinderung. . . . . . . . . . . . . . . . 13
Lebensplanung contra Leben auf der Überholspur. . . . . . . . . . . 2
6.3
Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung. . . . . . . . . . . . . . . . 14
Der Umgang mit Behörden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
6.4
(Teil-) Erwerbsminderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
6.5
Grundsicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Exkurs: Späte CF-Diagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
6.6
Leistungen aus der Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . 16
6.7
Widerspruch und Klage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2 Die Erkrankung kommunizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
7 Gesundheitliche Entwicklung
3 Bedeutung des sozialen Netzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
4 Gesundheit erhalten
4.1
Work-Life-Balance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
4.2Aufbau und Pflege eines
Gesundheitsnetzwerks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
4.3
Reha für Erwachsene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
4.4
Langfristige Lebensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
5 Familienplanung
5.1
Kinderwunsch und Therapiemotivation . . . . . . . . . . . . 11
5.2Gesundheitliche Risiken/
mit Energien haushalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
7.1Verschlechterung des Allgemeinzustands . . . . . . . . . . 19
7.2
Notwendige Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
7.3
Versorgungssituation Alleinstehender . . . . . . . . . . . . . . 20
7.4
Thema Lungentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
7.5
Umgang mit Sterben und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
7.6
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. . . . . . . . . . 22
8 Reisen mit CF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Medizinische Themen
Mukoviszidose – Ein Überblick
1Mukoviszidose – Ein Überblick
1.1 Genetik
Mukoviszidose ist genetisch bedingt. Da der Gendefekt in
allen Zellen des Körpers verankert ist, ist die Krankheit
derzeit nicht heilbar.
Mukoviszidose wird unabhängig vom Geschlecht vererbt
und tritt daher bei Männern und Frauen gleich oft in Erscheinung. Mit einer Häufigkeit von 1:2.500, d. h. einem
an CF erkrankten Kind auf ca. 2.500 Neugeborene, ist
die Krankheit zwar insgesamt selten, aber doch eine der
häufigsten schweren Erbkrankheiten.
Jedes Lebewesen hat einen doppelten Satz an Erbinformationen (Genen), einen vom Vater, den anderen von der
Mutter.
Autosomal-rezessiver Erbgang
Vater
Mutter
Mutationsträger
Mutationsträgerin
gesundes Kind
1:4
Mutationsträger
Mutationsträger
Wahrscheinlichkeit
2:4
krankes Kind
1:4
Beide Elternteile von Mukoviszidose-Betroffenen sind – in
den meisten Fällen unwissentlich – Träger einer fehlerhaften Erbanlage (Mutation), des sog. CFTR-Gens, die jeweils
durch ein gesundes Gen ausgeglichen wird, sodass die Eltern gesund sind, während sich beim kranken Kind die beiden krank machenden Mutationen der Eltern kombiniert
haben. Diesen Erbgang bezeichnet man als autosomal-rezessiv. Die Art der Mutationen an den beiden CFTR-Genen
entscheidet darüber, ob die Krankheit einen »klassischen«
oder einen »atypischen« bzw. milden Verlauf nimmt. Die
häufigste in der europäischen Bevölkerung vorkommenden Mutation, die sog. Delta-F-508-Mutation, ist, wenn
beide zusammenpassenden Gene (Allele) betroffen sind,
mit einem typischen Verlauf der Mukoviszidose verbunden. Trotzdem kann die Krankheitsschwere sehr variieren.
Das hängt u. a. von individuellen Erbanlagen ab, aber auch
von anderen Gegebenheiten, wie der Ansteckung mit​
bestimmten Krankheitserregern, der Entwicklung eines
zusätzlichen Diabetes, der Gewichtssituation und natürlich auch der Qualität der Dauertherapie.
Welchen Einfluss eine gute und regelmäßig durchgeführte Behandlung hat, kann man daran ermessen, dass die
Lebensqualität und die Lebenserwartung der CF-Betroffenen mit den Fortschritten der Medizin in den letzten
Jahrzehnten immens angestiegen sind.
1.2 Pathophysiologie
Die Folge des Gendefektes ist, dass ein wichtiger Körperbaustein, das CFTR-Protein, nicht oder nur fehlerhaft gebildet werden kann.
Seine Hauptfunktion besteht darin, den Salzgehalt von
verschiedenen Körperflüssigkeiten, wie Schweiß und Drüsensäften, zu regulieren. Ist das CFTR-Protein defekt, ist
z. B. der Schweiß zu salzhaltig. Die Folge ist ein erhöhter
Salzverlust über die Haut, der insbesondere bei starkem
Schwitzen ausgeglichen werden muss. Man nutzt dieses
Phänomen bei der Diagnosestellung, indem man beim
sog. Schweißtest den Salzgehalt des Schweißes misst. Ist
dieser zu hoch, ist eine Mukoviszidose sehr wahrscheinlich.
Bei anderen Körperdrüsen ist das Drüsensekret dagegen
zu salzarm, enthält dadurch (»Salz bindet Feuchtigkeit«)
auch zu wenig Wasser und wird zu zäh. Mukoviszidose
heißt übersetzt »Krankheit mit zu zähem Schleim«. Je
nachdem, welche Funktion das Drüsensekret hat, ergeben
sich daraus unterschiedliche Probleme.
Die wichtigsten sind:
Der Saft der Bauchspeicheldrüse ist in seiner Zusammensetzung gestört. Die Folge ist eine schwere Verdauungsstörung und die Zerstörung der Bauchspeicheldrüse
(Pankreas) selbst. Die festgestellten feingeweblichen Veränderungen im Pankreas in Form einer »zystischen Fibrose« gaben der Krankheit ihren zweiten Namen, CF, der
in anderen Ländern wesentlich gebräuchlicher ist. Die Betroffenen müssen zeitlebens die fehlenden Verdauungsenzyme durch die Einnahme von Enzymkapseln ersetzen.
→ Kap. Bauchspeicheldrüse
1
Medizinische Themen
Mukoviszidose – Ein Überblick
Die Gallenflüssigkeit hat eine veränderte Zusammensetzung. Besonders die Fettverdauung ist dadurch​
beeinträchtigt, vor allem, wenn auch die fehlende Lipase
der Bauch​speicheldrüse nicht ausreichend ersetzt wird. Es
können sich Gallensteine bilden. Längerfristig kann sich eine
chronische Leberschädigung (Leberzirrhose) entwickeln.
→ Kap. Leber/Galle
In der Lunge hat der Schleim die wichtige Funktion, die
Atemwege von eingeatmeten Keimen oder Schmutz­
partikeln zu reinigen. Ist der Schleim zu zäh, bleibt er in den
Atemwegen kleben, und die Reinigungsfunktion ist gestört.
Bakterien und andere Krankheitserreger können sich in den
Bronchien und der Lunge ausbreiten, was zu Bronchitis
oder Lungenentzündung führen kann. Langfristig kommt
es dadurch zur Aussackung der Bronchien (Bronchiektasen) und fortscheitenden Lungenschädigung mit Beeinträchtigung der Atemfunktion.
→ Kap. Lunge
meist erst im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter bemerkbar. Aufgrund des Enzymmangels kommt es häufig
zu Blähungen mit Bauchschmerzen und schmerzhaften
Entleerungen voluminöser, übelriechender Stühle.
→ Kap. Magen-Darm-Trakt
Es können auch Mangelerscheinungen auftreten, z. B. an
Eisen mit nachfolgender Blutarmut, an Vitamin D und Kalzium mit Knochenerweichung (Rachitis) oder Knochenschwund (Osteoporose), an Vitamin A mit Sehstörungen
sowie an Vitamin K mit Blutungsneigung. Nicht selten
können sich Gallensteine ausbilden, die sich durch kolikartige Schmerzen bemerkbar machen. → Kap. Skelett → Augen → Leber/Galle
Eine Besonderheit bei Mukoviszidose ist der gesteigerte
Stoffwechsel, der nicht nur eine erhöhte Kalorienzufuhr
notwendig macht, sondern auch eine höhere Dosierung
von Medikamenten, z. B. von Antibiotika, erfordert.
In den inneren Geschlechtsorganen ist ein normaler
Schleim für die Wanderung von Eizelle und der Spermien
wichtig. Weibliche CF-Patienten können prinzipiell schwanger werden, allerdings mit einer erhöhten Komplikationsrate, während männliche CF-Patienten in der Regel nicht
auf natürlichem Wege Kinder zeugen können.
→ Kap. Reproduktion und Sexualiät
1.3 Symptome
Mukoviszidose ist eine lebenslange Erkrankung mit fortschreitender Krankheitsschwere.
Bereits bei Geburt kann es durch zu zähen Darminhalt
zum Darmverschluss, dem sog. Mekoniumileus, kommen.
Auch später sind CF-Betroffene gefährdet, ein vergleichbares Krankheitsbild zu entwickeln, das sog. distale intestinale Obstruktionssyndrom (DIOS), das mit krampfartigen Bauchschmerzen und ausbleibender Stuhlentleerung
verbunden ist. Behandelt wird diese CF-typische Notfallsituation mit oraler Flüssigkeitszufuhr in großen Mengen,
stuhlaufweichenden Medikamenten und Einläufen.
→ Kap. Magen-Darm-Trakt
Die Verdauungsstörung ist unbehandelt mit fehlendem
Gedeihen im Kindesalter und drohendem Gewichtsverlust sowie Mangelerscheinungen in jedem Alter verbunden. Häufig bleiben CF-Patienten kleiner als der
Altersdurchschnitt. Der Body-Mass-Index (BMI) liegt im
Vergleich niedriger als bei der Normalbevölkerung. Dies
macht sich aufgrund des fortschreitenden Verlaufs der CF
2
Bei etwa einem Drittel der Erwachsenen mit CF entwickelt sich eine besondere Form der Zuckerkrankheit, der
CF-Diabetes (CFRDM). Dieser wird mit zuckersenkenden
Tabletten oder mit Insulin behandelt.
→ Kap. Bauchspeicheldrüse
Typische Symptome der Lungenerkrankung sind ein zäher, festsitzender Husten, eine wiederkehrende oder dauerhaft bestehende Verengung der Atemwege mit Atemnot
und eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit sowie eine
Neigung zu schweren Infektionen bis hin zur Lungenentzündung. Üblicherweise kann wiederholt viel zäher, eitriger
Schleim abgehustet werden, vor allem in den Morgenstunden oder nach Bewegung.
→ Kap. Lunge
Als Komplikation der Verstopfung der Atemwege mit zähem Schleim kann ein schlecht belüfteter Abschnitt der
1.4 Diagnosestellung
Lunge auch in sich zusammenfallen (Atelektase) oder
Lungenbläschen können platzen (Pneumothorax). Bei etwa der Hälfte der erwachsenen CF-Patienten kommt es
zu Bluthusten durch Zerreißen kleiner Blutgefäße in den
Atemwegen. Ein Blutsturz (Abhusten größerer Mengen
von Blut) ist selten. Insgesamt treten die genannten Notfälle der Atemorgane bei CF relativ selten auf, erfordern
aber rasches ärztliches Handeln.
Da es in Deutschland bisher kein flächendeckend eingesetztes Früherkennungssystem (Neugeborenen-Screening) gibt, wurde in der Vergangenheit die Diagnose oft
erst im Verlauf der Kindheit, z. T. sogar erst im Erwachsenenalter gestellt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Krankheitsdiagnose bei Verdacht zu sichern. Die wichtigsten Verfahren sind:
der Schweißtest, die Genuntersuchung und Elektrophysiologische Verfahren.
→ Kap. Lunge
Neben den unteren Atemwegen sind meist auch Nase und
Nebenhöhlen mit betroffen. Neben einem eitrigen Dauerschnupfen kann sich auch eine chronische Nebenhöhlenentzündung mit in den Nasengang wuchernden Polypen
ausbilden. Diese machen sich durch eine dauerhaft verlegte Nasenatmung, Stirnkopfschmerzen und Einschränkungen des Geruchssinns bemerkbar.
Jede Methodik hat ihre Stärken und Schwächen.
a) Schweißtest
Die preiswerteste, am einfachsten durchzuführende und
daher als »Goldstandard« geltende Diagnosemethode ist
nach wie vor der Schweißtest. Dabei wird der Salzgehalt
des Schweißes ermittelt, der bei Mukoviszidose typischerweise erhöht ist. Der Test ist allerdings störanfällig. Daher
sind zur sicheren Diagnosestellung manchmal mehrere
Messungen notwendig. Erwachsene weisen grundsätzlich
höhere Salzkonzentrationen im Schweiß auf. Bei typischen Symptomen der Krankheit und eindeutig erhöhten
Salz- bzw. Chlorid-Werten kann die Diagnose aber als gesichert gelten.
→ Kap. Nasennebenhöhlen
Spätfolgen der chronischen Lungeninfektion und der
hochdosierten Medikamentenbehandlungen, zu denen es
bei Mukoviszidose leider keine Alternative gibt, kann eine
chronische Nierenschädigung in Form einer Amyloidose
oder eines zunehmenden Nierenversagens sein. Diese
Komplikationen sieht man meist erst im fortgeschrittenen
Krankheitsstadium im Erwachsenenalter.
→ Kap. Niere
CFTR-Defekt
normal
I
II
III
IV
V
CFTR-Protein
Folge des
Gendefektes
Häufigste
Mutationen
Verminderte
Regulations- Leitfähigkeits- Synthese oder
ReifungsSynthesedefekte des störungen des störungen des störungen des verstärkter
CFTR-Proteins CFTR-Proteins CFTR-Proteins CFTR-Proteins Abbau des
CFTR-Proteins
G542X,
R553X
F508
G551D
R117H,
R347P
A445E
Siehe Seite 4 – b) Genuntersuchung
3
Medizinische Themen
Mukoviszidose – Ein Überblick
b) Genuntersuchung
Bei der molekulargenetischen Untersuchung wird geprüft,
ob sich Mutationen am CFTR-Gen finden lassen. Beim
Nachweis zweier Mutationen oder zweimal derselben Mutation, z. B. der Delta-F-508-Mutation, gilt die Krankheit als
bewiesen. Da aber nicht alle krankmachenden Mutationen
bekannt sind – zurzeit sind ca. 90 Prozent identifiziert –
andererseits mit gängigen Labortests nur die 25 bis 35
häufigsten (von mehr als 1.900 bekannten) Mutationen
untersucht werden können, lässt sich die Krankheit, v. a.
bei einem relativ milden Verlauf, mit dem Gentest nicht
mit Sicherheit diagnostizieren.
Eine genetische Untersuchung wird aber in der Regel
durchgeführt, einerseits da sie eine Abschätzung der zu
erwartenden Krankheitsschwere erlaubt, andererseits weil
sie neuerdings auch für die Behandlung mit neuen Medikamenten von Bedeutung geworden ist, die speziell auf
bestimmte Mutationen (z. B. G551D) zugeschnitten sind.
• D
ie Krankheitsschwere und der allgemeine Verlauf
lassen sich mit den Angaben der Patienten zum zwischenzeitlichen Verlauf (Anamnese), mit einer körperlichen Untersuchung sowie Messungen von Größe und
Gewicht erfassen. Daraus lässt sich der Body-MassIndex errechnen, mit dem der Ernährungszustand beurteilt werden kann.
• Z
ur Beurteilung der Lungensituation werden regelmäßig Lungenfunktionsmessungen und eine Pulsoxymetrie (Bestimmung der Sauerstoffsättigung im Blut)
durchgeführt, seltener oder wenn erforderlich, auch
Röntgenuntersuchungen der Lunge sowie Blutgasanalysen. Im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium ist eine
Mituntersuchung des Herzens mittels EKG (Echokardiographie) und Ultraschall notwendig. Die Leistungsfähigkeit der Betroffenen kann mit einem Gehtest oder
einer Ergospirometrie abgeschätzt werden.
→ Kap. Lunge → Herz
c) Elektrophysiologische Verfahren
Zu den elektrophysiologischen Messmethoden zählen die
nasale Potentialdifferenzmessung (nPD) und die intestinale Kurzschlussstrommessung (ICM). Bei ersterer werden
am Patienten selbst über einen in die Nase eingeführten
kleinen Schlauch die elektrischen Ströme an der Nasenschleimhaut gemessen. Dies ermöglicht eine Aussage
über die Funktion des CFTR. Ähnliches gilt für die intestinale Kurzschlussstrommessung, bei der ein kleines Stück
Schleimhaut aus dem Enddarm entnommen wird, das
dann in einer speziellen Messkammer untersucht wird.
Diese schmerzfreien Methoden erlauben relativ sicher
Diagnosestellung oder Ausschluss einer Mukoviszidose,
sind allerdings aufwendig und daher nur wenigen Zentren
vorbehalten.
1.5 Verlaufsdiagnostik
Steht die Diagnose fest, werden im Verlauf der Erkrankung in regelmäßigen Abständen verschiedene Routineuntersuchungen durchgeführt. Diese sind notwendig, um
einerseits festzustellen, wie weit der Krankheitsverlauf
fortgeschritten ist und welche Organe besonders betroffen sind und andererseits, um Komplikationen rechtzeitig
erkennen und die Therapie optimal steuern zu können.
Idealerweise erfolgen die Untersuchungen, ohne die eine
optimale Behandlung nicht denkbar wäre, in vierteljähr­
lichen Abständen.
4
• A
ls Entscheidungshilfe für die Behandlung mit Antibiotika sind regelmäßige mikrobiologische Untersuchungen erforderlich: Idealerweise werden dazu Sputum,
d. h. abgehusteter Schleim, alternativ ein tiefer Rachenabstrich oder bronchoskopisch gewonnene Spülflüssigkeit (Lavage) auf Bakterien, Pilze und andere Krankheitserreger untersucht. Nicht nur die Behandlung,
sondern auch das Ausmaß und die Art hygienischer
Vorkehrungen hängen davon ab.
→ Kap. Lunge
• U
m frühzeitig eine Zuckerkrankheit (CFRDM) zu entdecken, die unbehandelt einen ungünstigen Verlauf
der Mukoviszidose zur Folge hat, sollte auch regelmäßig, z. B. jährlich, ein Zuckerbelastungstest (oGTT =
oraler Glucosetoleranztest) durchgeführt werden.
→ Kap. Bauchspeicheldrüse
• E
ine Ultraschalluntersuchung des Bauches ermöglicht Aussagen über die Leber (vergrößert, Fettleber, Leberzirrhose), die Gallenwege (Gallenstau, Gallensteine), über die Bauchspeicheldrüse (degenerative
Veränderungen bei chronischer Pankreasinsuffizienz,
akute Entzündungszeichen bei noch funktionsfähigem
Pankreas) und des Darms (Darmwandentzündung,
drohender Darmverschluss, DIOS).
→ Kap. Leber/Galle → Bauchspeicheldrüse
→ Magen-Darm-Trakt
• In Blutkontrollen wird nach Entzündungszeichen
(Ausmaß der Lungeninfektion), nach Allergien (z. B.
Schimmelallergie), nach einer Leberbeteiligung sowie
nach der Funktion von Niere und Bauchspeicheldrüse geschaut. Die Bestimmung verschiedener Vitamine
und Spurenelemente bzw. damit verbundener Stoffwechselwerte erlaubt es, Mangelzustände zu erfassen. Mit der Messung von Wirkstoffspiegeln im Blut
(z. B. Tobramycinspiegel bei der i.v.-Therapie) kann die
Dosierung der Medikamente gesteuert werden.
→ Kap. Lunge → Leber/Galle → Niere → Bauchspeicheldrüse
• W
iederholte Knochendichtemessungen ab dem Jugendlichenalter mittels Röntgenverfahren (DXA, Q-CT)
sind wünschenswert, um Knochenschwund (Osteoporose) frühzeitig erkennen und behandeln zu können,
sind aber nicht überall in gleichem Umfang verfügbar.
1.6 CF-Therapie
Grundsätzlich haben alle Behandlungsmaßnahmen bei
Mukoviszidose folgende Ziele:
a) den aktuellen Gesundheitszustand zu erhalten
(vorbeugende Dauertherapie)
b) eingetretene gesundheitliche Verschlechterungen,
z. B. sog. infektbedingte Exazerbationen, wieder
zu verbessern bzw. rückgängig zu machen
(interventionelle Therapie)
c) mit der Krankheit verbundene und den
Krankheitsverlauf erschwerende Sonderprobleme,
z. B. einen CF-Diabetes, zu kontrollieren
d) akute, möglicherweise lebensbedrohliche
Komplikationen, z. B. einen Darmverschluss,
notfallmäßig zu behandeln
Dabei ist unverzichtbar, dass Mukoviszidose-Betroffene in
einem Behandlungsnetzwerk betreut werden.
Dazu gehören neben dem wohnortnahen Haus- oder
Lungenfacharzt vor allem eine regionale CF-Ambulanz,
je nach Bedarf auch andere Fachärzte (z. B. Gynäkologe,
HNO-Arzt, Chirurg), die Physiotherapiepraxis, eine Ernährungsberatung, eine kooperative Apotheke und bedarfsabhängig andere medizinische Versorger, z. B. Sauerstoffversorger oder ein PEG-Sondenservice (PEG = percutane
endoskopische Gastrostomie). Nicht zuletzt spielen die
Kostenträger, d. h. Krankenkassen, Rentenversicherungsanstalten, Versorgungsämter etc. eine erhebliche Rolle für
die Versorgungsqualität.
→ Kap. Skelett
Während einige Untersuchungen wie Größe, Gewicht,
Lungenfunktion, Sputum und Sauerstoffsättigung unabhängig vom Verlauf routinemäßig, idealerweise bei jeder
Vorstellung in der CF-Behandlungseinrichtung oder auch
öfter, durchgeführt werden, erfolgen andere in größeren
Abständen, z. B. jährlich, oder in Abhängigkeit vom Bedarf
und von den Vorergebnissen.
5
Medizinische Themen
Mukoviszidose – Ein Überblick
Die Mitbehandlung in einer speziellen Einrichtung für Mukoviszidose hat sich in der Vergangenheit als günstig und
wichtig für den Krankheitsverlauf, die Langzeitprognose
und die Lebensqualität der Patienten erwiesen. Im CFZentrum haben die Behandler durch den täglichen Umgang mit der Erkrankung die notwendige Expertise bei der
Therapie dieser komplexen Multiorganerkrankung. Das ist
auch deshalb möglich, weil hier meist mehrere ärztliche
Fachgruppen und Behandler unterschiedlicher Berufsgruppen in einem »CF-Team« zusammenarbeiten. Dazu
gehören neben den Ärzten das Pflegepersonal, mancherorts sogar eine spezialisierte »CF-Schwester«, die Physiotherapeuten, eine Ernährungsberatung, der psychosoziale
Dienst und andere Facheinrichtungen.
insbesondere die Fettverdauung gestört ist, ist gleichzeitig auf eine ausreichende Enzymdosierung zu achten, die
dem Fettgehalt der Nahrung angepasst ist und nach Lipase-Einheiten pro Gramm Nahrungsfett berechnet wird.
Die richtige Einnahme der Enzyme ist für ihre optimale
Wirkung unverzichtbar.
→ Kap. Bauchspeicheldrüse
Die Dauertherapie bei Mukoviszidose wird direkt nach Diagnosestellung begonnen und ist lebenslang notwendig.
Sie hat, wie bereits erwähnt, vor allem das Ziel, den Gesundheitszustand der Betroffenen im Allgemeinen sowie
die Gewichtssituation und Lungenfunktion im Speziellen
möglichst lange zu erhalten und damit die Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen zu verbessern.
Dazu muss die Behandlung konsequent und regelmäßig
durchgeführt werden.
Diese Basistherapie beinhaltet ein Paket verschiedener
Maßnahmen:
a)Optimierung von Ernährungsstatus und Gewichtssituation
b)Verbesserung der Bronchialreinigung und der Lungenfunktion
c)Vorbeugung und Bekämpfung bakterieller Infektionen
a)Ernährungsstatus und Gewichtssituation
Die Gewichtssituation hängt mit der Lungenfunktion eng
zusammen und steht in Wechselbeziehung zu ihr.
Bei Untergewicht verschlechtert sich häufig die Lungenfunktion, umgekehrt kommt es oft bei Einschränkungen
der Lungenfunktion zu Untergewicht, sodass ein Teufelskreis entstehen kann. Ein normales Gewicht ist daher
wichtig. Regelmäßige Gewichtskontrollen und Ernährungsberatungen gehören bei CF dazu.
→ Kap. Lunge
CF-Betroffene sollten sich auch bei normalem Gewicht
hochkalorisch ernähren. Da Fett der beste Kalorienträger
ist, wird vor allem eine fettreiche Nahrung empfohlen. Da
andererseits aufgrund der fehlenden Pankreasenzyme
6
Oft wird bei CF-Patienten zu viel Säure im Magen gebildet,
was zu Refluxbeschwerden, z. B. Sodbrennen, führen kann
sowie die Enzymwirkung im Darm beeinträchtigt. Daher ist
oft die Einnahme eines Säureblockers in der Dauertherapie
notwendig und hilfreich. Auch die Gallenflüssigkeit ist an
der Fettverdauung beteiligt. Sie ist bei CF häufig krankhaft
verändert und kann zu Leberproblemen führen. Es kann
daher auch die Einnahme von Bärengallensäure (Ursodeoxycholsäure, UDCA) erforderlich sein, um Leberfunktion
und Fettverdauung zu optimieren.
→ Kap. Magen-Darm-Trakt → Leber, Galle
Auch bei optimaler Ernährung droht bei CF ein Mangel
an fettlöslichen Vitaminen (Vitamine A, D, E, K), an Spurenelementen (Eisen, Zink, Selen) und an Calcium mit
entsprechenden Folgeerscheinungen. Es gibt hierzu keine einheitlichen Empfehlungen, die meisten Behandler
raten jedoch zu regelmäßiger Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. In diesem Bereich können allerdings
Probleme bei der Kostenerstattung durch die gesetzlichen
Krankenkassen auftreten.
Reicht eine »normale« Ernährung nicht aus, um das Gewicht stabil zu halten, empfiehlt sich das tägliche Trinken
hochkalorischer Zusatz-Flüssignahrungen. Bei deutlichem
Untergewicht kann es notwendig werden, nachts über eine
sog. perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) direkt
durch die Bauchwand in den Magen gelegte Magensonde
Flüssignahrung mit einer Pumpe in den Magen einlaufen
zu lassen.
Eine gute Gewichtssituation ist bei schwer erkrankten CFBetroffenen auch im Hinblick auf eine spätere Lungentransplantation wichtig.
b) Bronchialreinigung und Lungenfunktion
Wichtiger Teil der Lungentherapie ist die Unterstützung
des Herausbringens und Abhustens von Schleim aus den
Atemwegen (Expektoration).
Hierzu kann man durch regelmäßige Feuchtinhalationen mit Schleim verflüssigenden Medikamenten wie hypertoner (konzentrierter) Kochsalzlösung, Acetylcystein
oder eines gentechnisch hergestellten Enzympräparates
(RhDNAse) versuchen, den Schleim fließfähiger zu machen. Auch die Inhalation von bronchialerweiternden
Medikamenten, entweder als Feuchtinhalation, alternativ
auch als Spray oder Pulver, gehört zur Standardtherapie.
Mittels Atemgymnastik und speziellen Drainagetechniken,
wie der autogenen Drainage, kann die Sekret-Expektoration zusätzlich verbessert werden. Dabei kommen, je nach
individueller Wirksamkeit und Neigung der Betroffenen,
auch Physiotherapie-Hilfsmittel wie das PEP®-System, der
VRP1®-Flutter oder das RC-Cornet® zum Einsatz.
Alles, was der Brustkorbbeweglichkeit dient, wie auch therapeutische Lagerungen, Thoraxmobilisation, Muskel- und
Konditionstraining sowie sportliche Aktivitäten jeglicher
Art, v. a. Ausdauersportarten, steigert die Belastbarkeit
und Funktion der Atemwege und der Lunge und trägt zur
Verbesserung des Gesamtbefindens und der Langzeitprognose bei.
Dieser Teil der Dauertherapie – Inhalationen und Atemgymnastik – sind in ihrer Wichtigkeit nicht zu unterschätzen, obwohl sie wegen des damit verbundenen Zeitaufwands oft nicht beliebt sind und dementsprechend
vernachlässigt werden.
c) Infektionsverhütung und -bekämpfung
Da die Lunge langfristig durch im zähen Schleim angesiedelte Krankheitserreger zerstört wird, kommt der Infektionsverhütung und -bekämpfung eine wichtige Aufgabe
zu.
Hygienemaßnahmen dienen dazu, dass die Atemwege
möglichst gar nicht erst in Kontakt mit den bei CF gefährlichen Krankheitserregern kommen. Auf entsprechende
Vorkehrungen oder Schutzmaßnahmen wird im Kapitel
»Mikrobiologie und Hygiene« noch konkreter eingegangen.
Trotzdem lässt sich nicht verhindern, dass die Atemwege
immer wieder mit Krankheitserregern in Kontakt kommen. Man sollte daher die Möglichkeit nutzen, sich durch
Impfungen zu schützen. Dies gilt für verschiedene Bakterien, wie Hämophilus influenzae, Keuchhusten (Pertussis)
oder Streptokokkus pneumoniae (Pneumokokken), aber
auch für Viren, wie die der klassischen Grippe (Influenza).
Während andere Impfungen nach einem bestimmten Zeitplan verabreicht bzw. wieder aufgefrischt werden, ist die
Grippeschutzimpfung jährlich im Herbst (vor der nächsten
Grippesaison) notwendig.
Gegen die meisten bakteriellen Keime, die bei CF Probleme bereiten, gibt es aber leider keine Schutzimpfungen.
Hier hat sich in unzähligen Studien und Einzelfällen eine
hochdosierte Behandlung mit Antibiotika bewährt. Heutzutage steht eine Vielzahl an antibakteriellen Präparaten in
unterschiedlichen Darreichungsformen (oral, intravenös,
inhalativ) zur Verfügung. Welche Medikamente in welcher Form, wie lange, wie hoch dosiert und in welcher
Kombination eingesetzt werden, hängt von der Krankheitsschwere, den aktuellen Krankheitssymptomen sowie
den nachgewiesenen oder vermuteten Erregern und der
7
Medizinische Themen
Mukoviszidose – Ein Überblick
Resistenzlage der Keime ab. So lassen sich z. B. Staphylokokken und Haemophiluserreger gut auf oralem Wege,
Pseudomonaskeime dagegen besser durch eine intravenöse Antibiotikumtherapie (i.v.-Therapie) oder durch Antibiotikainhalationen behandeln.
oder im Genitalbereich) oder Allergien sein.
→ Kap. Medikamenten-assoziierte Probleme
Darüber hinaus gibt es Unterschiede der konkreten Behandlungsempfehlungen zwischen verschiedenen CF-Zentren. Manche empfehlen routinemäßig eine orale und/oder
inhalative Dauertherapie mit Antibiotika und bei akuter
Verschlechterung auch eine zeitlich begrenzte i.v.-Therapie. Andere favorisieren regelmäßige i.v.-Therapien, unabhängig vom Erkrankungszustand. Beide Seiten haben gute
Argumente für ihr Vorgehen.
Schwierig wird das Vorgehen bei multiresistenten Problemkeimen, die auf die meisten Antibiotika nicht mehr
ansprechen, Pilzinfektionen oder tuberkuloseartigen
Krankheitserregern. Dann ist oft ein Ausweichen auf
nebenwirkungsreichere Reservemedikamente, spezielle
Pilzmittel oder Tuberkulose-Medikamente notwendig.
Prinzipiell lässt sich sagen, dass Antibiotika bei CF
relativ großzügig eingesetzt werden. Auch primär
virusbedingte Atemwegsinfektionen, wie Erkältung oder
Grippe, werden, da sie die Infektion mit Eiterbakterien
begünstigen können, immer mit Antibiotika für mehrere
Wochen behandelt, insbesondere, wenn sie mit hohem
Fieber, produktivem Husten oder Schleimauswurf, Entzündungszeichen im Blut und Auffälligkeiten im LungenRöntgenbild verbunden sind.
Aufgrund der Stoffwechselbesonderheiten bei CF sind für
viele Antibiotika höhere Dosierungen als bei nicht von CFBetroffenen erforderlich, um einen ausreichenden Wirkspiegel im Blut und Bronchialschleim zu erreichen. In der
Regel wird auch eine längere Behandlungsdauer als üblich
empfohlen (mindestens 2 Wochen). Wundern Sie sich also nicht, wenn sowohl Dosierung als auch Behandlungsdauer vom Beipackzettel abweichen. Manchmal entsteht
diesbezüglich auch bei Apotheken Klärungsbedarf.
Oft trifft man gegenüber der antibiotischen Behandlung
als »schwere Geschütze« der Schulmedizin auf Vorbehalte. Antibiotika sind tatsächlich sehr wirkungsvolle
Mittel zur Bekämpfung von Bakterien, schaden aber dem
menschlichen Organismus nur wenig. Verglichen mit dem
Behandlungswert handelt es sich dabei um eine relativ nebenwirkungsarme Medikamentengruppe. Gängig, aber beherrschbar können Magen-Darmprobleme (Bauchschmerzen, Durchfall), Pilzprobleme (an den Mundschleimhäuten
8
Die Wirkung auf einen bestimmten Erreger kann zwar
nachlassen, man spricht dann von der sog. Resistenz des
Erregers gegenüber dem Antibiotikum. Durch regelmäßige
Sputum-Untersuchungen lassen sich Resistenzentwicklungen jedoch erkennen. Man kann dann ein Präparat
durch ein anderes, noch gut wirksames ersetzen. Um der
Entwicklung von resistenten Keimen vorzubeugen, werden
häufig, z. B. bei der i.v.-Therapie, zwei Antibiotika miteinander kombiniert. Selten sprechen die Erreger überhaupt
nicht auf das Antibiotikum an, sodass auch bei nachgewiesener Resistenz die Behandlung mit diesem Medikament –
vor allem in Kombination – weiterhin sinnvoll sein kann.
Antibiotika sind eine wichtige Lebensversicherung für Betroffene mit CF. Im Hinblick auf banale Infekte, bei denen
man sonst mit Antibiotika zurückhaltend ist, gelten für
CF-Kranke andere Maßstäbe als bei Lungengesunden.
Medizinische Themen
Mikrobiologie und Hygiene
2Mikrobiologie und Hygiene
2.1 Erreger im Erwachsenenalter
Hauptproblem der Mukoviszidose ist die fortschreitende
Schädigung der Lunge durch Krankheitserreger.
Normal sensible Staphylokokken (Staphylococcus
aureus, SA) treten überall auf und sind häufig auch bei
Gesunden wenig schädliche Begleiter der normalen Bakterienflora in den Atemwegen.
Bei der chronischen Infektion spielen folgende Erreger
ein Hauptrolle:
• Staphylococcus aureus:
in allen Altersgruppen, Eitererreger
• Pseudomonas aeruginosa:
im Erwachsenenalter bei über 80 Prozent der
Patienten, chronischer Eitererreger
• Aspergillus fumigatus:
ab Schulalter gehäuft auftretender Pilz
• Burkholderia cepacia:
bisher glücklicherweise in Deutschland relativ
seltener Problemkeim
• MRSA (multiresistenter Staphylococcus aureus) und
MRPA (multiresistente Pseudomonas aeruginosa):
zunehmende Häufigkeit im Erwachsenenalter,
multiresistente Problemkeime
Ihr Vorkommen lässt sich durch Hygienemaßnahmen
nicht wesentlich beeinflussen. Man konzentriert sich
stattdessen auf eine antibiotische Behandlung bei Erregernachweis oder einer Exazerbation. Der Nachweis von
»normalen« Staphylokokken erfordert keine besonderen
Hygienemaßnahmen.
Bei der Bekämpfung der chronischen Lungeninfektion
gibt es mehrere Interventionsebenen:
Ganz anders stellt sich die Situation beim oxacillinresistenten Staphylococcus aureus (ORSA) bzw. methicillinresistenten oder multiresistenten SA (MRSA) dar.
a)Vorbeugung der Infektion: Vermeidung des Kontaktes mit den Erregern durch Hygienemaßnahmen
b) F
rühtherapie bei erstem Nachweis: Verhinderung
des Übergangs in eine chronische Infektion durch Versuch einer Ausmerzung der Bakterien (Eradikationstherapie)
c) D
auertherapie: Unterdrückung der bereits erfolgten
chronischen Infektion mit Krankheitserregern durch
regelmäßige Behandlung (z. B. oral, inhalativ oder mit
regelmäßigen i.v.-Zyklen)
d)Akutbehandlung: Zeitlich begrenzte Intensivierung
der keimreduzierenden Therapie bei infektbedingter
Krankheitsverschlechterung (Exazerbation)
In diesem Abschnitt soll es vor allem um die Vorbeugung
gehen. Dies bedeutet, dass man schon den Kontakt zu
den Keimen zu vermeiden oder wenigstens auf ein Mindestmaß zu reduzieren versucht. Dazu ist es hilfreich, die
Eigenschaften der Keime zu kennen.
Diese gelten als Problemkeime, da sie einerseits mit
schlechteren Krankheitsverläufen der CF assoziiert sind,
andererseits durch das fehlende Ansprechen auf Antibiotika schwerer zu behandeln sind. Man möchte daher eine
Übertragung unbedingt verhindern, sodass bei Nachweis
dieser Problemkeime strenge Hygienevorkehrungen notwendig werden:
1) Behandlung in von anderen Patienten getrennten Räumen und evtl. auch mit gesonderten Geräten
2) bei Betroffenen: besondere Behandlungszeiten und
Hygienemaßnahmen wie Mundschutz
3) beim Personal: Mundschutz, Handschuhe und Schutzkittel
Wurde einmal der Erreger nachgewiesen, gilt der Betroffene für ein Jahr nach dem letzten Keimnachweis als »positiv«, d. h. mit dem Erreger besiedelt, und kann danach
erst bei wiederholt »negativen« Befunden als MRSA-frei
deklariert werden.
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Medizinische Themen
Mikrobiologie und Hygiene
Pseudomonas aeruginosa ist ein Feuchtkeim, der üblicherweise aus Umweltquellen erworben wird.
2.2 Hygiene-Implikationen
Um das Infektionsrisiko zu minimieren, werden folgende
Vorkehrungen zur Prävention empfohlen:
Badezimmer und Toilette
In Abflussrohren halten sich nachgewiesenermaßen oft
Pseudomonaden auf. Trifft beim Waschen, Duschen oder
beim Toilettenspülen der Wasserstrahl direkt in die Abflussöffnung, können keimhaltige Nebel (Aerosole) aufsteigen.
Daher ist ein Waschbecken mit verlängertem Wasserhahn
(Strahl trifft nicht direkt in den Abfluss) und ohne Überlauföffnung sinnvoll.
Ein Sieb über der Abflussöffnung hilft, aufgewirbelte Wassertröpfchen aus dem Siphon zurückzuhalten.
Fachleute raten auch, vor dem Zähneputzen, Waschen
oder Duschen für mehrere Minuten heißes Wasser laufen
zu lassen, um so die Bakterienzahl im Siphon zu reduzieren.
Da eine chronische Infektion mit diesem Erreger als ungünstig für den CF-Verlauf gilt, die meisten Patienten jedoch irgendwann chronisch mit diesem Keim infiziert sind,
ist das Hauptziel der Behandlungsmaßnahmen, eine Dauerinfektion möglichst lange hinauszuzögern. Alle Situationen, in denen bakterienhaltige Nebel (Aerosole) entstehen, die potentiell über Einatmen die Atemwege infizieren
können, sollten gemieden werden. Dies gilt insbesondere
für den Sanitärbereich und für medizinische Behandlungen. Da die Keime unterschiedlich aggressiv sein können,
empfiehlt sich eine Fortsetzung der Schutzmaßnahmen
auch dann, wenn man schon mit Pseudomonas aeruginosa besiedelt bzw. chronisch infiziert ist. Die Übertragungsmöglichkeit von Patient zu Patient ist gering, allerdings
gibt es Berichte zu Keimübertragungen in medizinischen
Behandlungseinrichtungen und bei langem Kontakt von
Betroffenen untereinander, z. B. in Feriencamps.
Burkholderia cepacia. Unter diesem Begriff wird eine
ganze Keimgruppe zusammengefasst, die als besonders
gefährlich bei Mukoviszidose gilt.
Die Keime sind deutlich leichter von Patient zu Patient übertragbar als andere und können mit akuten und
schweren Krankheitsverläufen (Cepacia-Syndrom) verbunden sein. Darüber hinaus sind sie typischerweise gegen die meisten gängigen Antibiotika resistent und daher
schwerer zu behandeln.
10
Eine chemische Desinfektion des Abflusses wird aus Umweltgesichtspunkten abgelehnt. Es werden jedoch spezielle Heizapparaturen zur Abtötung der Keime im Abflussrohr
angeboten. Toilettenspülungen sollten bei geschlossenem
Deckel vorgenommen werden.
Luftbefeuchter
Von Luftbefeuchtern ist prinzipiell abzuraten, da sie ein
hohes Risiko der bakteriellen Kontamination bergen. Klimageräte, auch im Auto, entziehen der Luft die Feuchtigkeit und sind daher als eher unproblematisch anzusehen.
Allerdings müssen die antibakteriellen Filter regelmäßig
erneuert werden.
Schwimmbad
Auch in der Nähe von Whirlpools, in Dampfbädern oder
bepflanzten Badelandschaften entstehen bakterienhaltige
Nebel, die von CF-Betroffenen gemieden werden sollten.
Dagegen wird das Baden in gechlorten oder meerwasserhaltigen Schwimmbädern, im Freibad, in offenen (auch
stehenden!) Gewässern oder am Meer als unbedenklich
angesehen. Unter sporttherapeutischen Gesichtspunkten
ist Schwimmen sogar generell zu empfehlen. Das Verschlucken möglicherweise bakterienhaltigen Wassers ist
unproblematisch, da verschluckte Keime sofort im Magen
unschädlich gemacht werden.
Feuchtinhalation
Ein schlecht gereinigter Vernebler von Feuchtinhalatoren
birgt ein hohes Risiko für eine Infektion mit potentiell gefährlichen Erregern. Die sorgfältige Reinigung des Inhalationsgerätes ist daher ein absolutes Muss! Vor der Zubereitung der Inhalation sind die Hände gründlich zu waschen.
Nur frisch geöffnete und sterile Inhalationslösungen sind
zu verwenden. Nach dem Inhalieren muss die Verneblereinheit vollständig zerlegt, die Teile gut durchgespült und
ausreichend (mindestens 4 Stunden) getrocknet werden.
Anschließend sollten die Teile trocken gelagert (z. B. im
Geschirrhandtuch) und erst unmittelbar vor dem nächsten Inhalieren zusammengesetzt werden.
Zahnbürsten empfohlen, damit jeweils ausreichend Zeit
zum Trocknen bleibt. Vom Gebrauch von Mundduschen
wird abgeraten.
Soziale Kontakte zwischen Betroffenen
Problematisch ist vor allem die mögliche Keimübertragung durch andere CF-Betroffene – natürlich abhängig
von deren Erregern. Hauptübertragungsweg ist das Händeschütteln. Daher ist dies grundsätzlich zu meiden und
auf eine regelmäßige Händedesinfektion zu achten. Da
nicht überall Desinfektionsmittel-Spender vorhanden sind,
empfiehlt sich das Mitführen eines kleinen Fläschchens
mit Desinfektionsmittel. Über den korrekten Gebrauch der
Händedesinfektion sollte man sich informieren.
Von engen sozialen Kontakten mit Benutzung gemeinsamer Sanitäranlagen, wie in Feriencamps oder bei gemeinsamen Freizeiten mit anderen Betroffenen, ist abzuraten.
Zumindest sollte man sich ein mögliches Übertragungs­
risiko bewusst machen und entsprechende Vorkehrungen
treffen.
Patientenkontakte, z. B. im Rahmen von Selbsthilfetreffen oder Patientenfortbildungen, bieten kein solch großes
Kreuzinfektionsrisiko. Auch hier sollte man allerdings evtl.
notwendige Handlungskonsequenzen (Händeschütteln
vermeiden, Händedesinfektion, ggf. Mundschutz) bedenken und umsetzen.
Es wird empfohlen, mindestens 1 bis 2 Mal in der Woche
die Teile durch Auskochen (5 Minuten) oder Dampfbehandlung im Vaporisator oder Eierkocher (15 Minuten)
zu desinfizieren. Dabei ist es nicht unbedingt notwendig,
die Verneblerteile, wie vielerorts praktiziert, jedesmal nach
Gebrauch zu desinfizieren. Dies ist zeitaufwendig und
führt auch zum rascheren Verschleiß der Teile. Chemische Desinfektionsmittel werden heutzutage nicht mehr
empfohlen. Vom Gebrauch des Verneblers durch andere
Personen ist in jedem Fall abzuraten.
Zahnarztbesuch und Zahnpflege
Zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen bergen die Gefahr, dass durch eine bakterielle Besiedlung des Schlauchsystems der Behandlungseinheit eine
Bakterienübertragung stattfindet. Natürlich sind regelmäßige zahnärztliche Behandlungen notwendig. Es empfiehlt sich daher, diese Hygieneaspekte beim Zahnarzt zu
thematisieren. Bei gängigen Hygienevorkehrungen sollte
die zahnärztlichen Versorgung kein Risiko darstellen. Zu
Hause wird für das Zähneputzen die Benutzung mehrerer
Medizinische Behandlungseinrichtungen
In den meisten CF-Ambulanzen, Physiotherapiepraxen
oder Mukoviszidose-versierten, stationären Behandlungseinrichtungen (Akutkrankenhäuser, Rehakliniken) wird
darauf geachtet, eine Kreuzinfektion von einem auf den
anderen Patienten zu vermeiden.
Drei Vorbeugemaßnahmen spielen hier die
entscheidende Rolle:
1) Regelmäßige Untersuchung des Patienten auf
seinen Keimstatus mittel Rachenabstrich, besser
Sputum oder, selten notwendig, bronchialer
Spülflüssigkeit
2) Trennung der Patientengruppen in Abhängigkeit
von ihrem Erregerbefund, meist in drei Gruppen:
Pseudomonas-negativ, Pseudomonas-positiv und
Problemkeime
3) Hygienevorkehrungen abhängig von den örtlichen
Gegebenheiten und den lokalen Hygiene-Richtlinien
11
Medizinische Themen
Mikrobiologie und Hygiene
Der Patient sollte über seine aktuell nachgewiesenen
Erreger informiert sein, da diese möglicherweise bereits
bei der Anmeldung für einen nächsten Termin erfragt
werden. Als »pseudomonas-frei« gelten die Patienten,
bei denen noch nie oder (bei vorherigem Nachweis) seit
mindestens einem Jahr und in drei oder mehr mikrobiologischen Proben kein Pseudomonas aeruginosa nachgewiesen wurde. Eine Zwischengruppe stellen die Patienten
dar, bei denen intermittierend, d. h. nicht regelmäßig, aber
innerhalb des letzten Jahres Pseudomonaden nachweisbar waren. Wenn Sie sich nicht sicher sind, sprechen
Sie Ihren Ambulanzarzt auf dieses Thema an. Auch Ihre
Physiotherapiepraxis sollte über Ihre aktuellen Erreger informiert sein, um entsprechende Vorkehrungen treffen zu
können.
Beim Betreten und Verlassen der Ambulanz oder Praxis
sollten die Hände desinfiziert werden. Auch hier ist Händeschütteln zu vermeiden. Versuchen Sie bei Hustenreiz
in ein Einmaltaschentuch zu husten und dieses anschließend zu entsorgen. Fragen Sie bei Verschmutzung der
Hand mit abgehustetem Schleim nach einem Waschbecken zum Händewaschen. Enger Kontakt zu anderen Betroffenen in der Wartezone ist zu vermeiden.
NO
HAND
SHAKE
Abhängig vom Keimstatus der Betroffenen und vom
Hygienemanagement der Klinik wird in einigen Ambulanzen vom Patienten erwartet, dass er in den Sozialbereichen oder bei Ortswechsel immer einen Mundschutz
trägt. Bitte haben Sie Verständnis für diese Maßnahme,
die zunächst andere, vor allem aber auch Sie selbst schützen soll.
Träger von Problemkeimen, zu denen MRSA, Burkholderia
cepacia und multiresistente Pseudomonas aeruginosa gehören, haben besondere Hygienevorkehrungen zu beachten, d. h. sie müssen in jedem Fall einen Mundschutz tragen
12
(außer im Behandlungszimmer), werden strikt isoliert und
meistens auch gesondert (an letzter Stelle oder an ExtraUntersuchungsgeräten) untersucht. Leider sind Träger dieser schwer behandelbaren und z. T. besonders aggressiven
Keime auch von Rehabilitationsbehandlungen weitgehend
ausgeschlossen. Diese verschärften Hygienevorkehrungen
dienen der Patientensicherheit und sind meist Teil des Hygieneplans der Behandlungseinrichtungen. Sie sollten nicht,
auch wenn dies bisweilen so empfunden wird, als Schikane gegenüber dem Patienten oder Eigenmächtigkeit der
Behandler verstanden werden. Allen Beteiligten muss das
Thema Hygiene ein Herzensanliegen sein!
Früh- oder Eradikationstherapie
Eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa oder Problemkeimen ist häufig – trotz intensiver Vorbeugemaßnahmen – nicht vollständig zu verhindern. Die Früherkennung durch regelmäßig durchgeführte mikrobiologische
Untersuchungen ist dementsprechend wichtig. Bei früher
Entdeckung der Keime kann so zeitnah eine Behandlung
eingeleitet und der Übergang vom Keimnachweis über eine chronischer Besiedlung bis hin zur chronischen Infektion (= Besiedlung + Krankheitssymptome) unterbrochen
werden.
Eine solche Frühtherapie ist als Teil des vorbeugenden
Hygienemanagements und der vorsorgenden Langzeitbehandlung zu sehen. Sie richtet sich daher weniger nach
dem Befinden des Betroffenen, sondern vielmehr nach
den mikrobiologischen Befunden.
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3CF im Erwachsenenalter
3.1 V
orsorgeuntersuchungen
bei Mukoviszidose
Im Erwachsenenalter spielen neben der Mukoviszidose
auch Erkrankungen, die nicht direkt mit der Grunderkrankung zusammenhängen, eine zunehmend wichtige
Rolle. Gerade durch das erfreulicherweise immer höhere Alter der Patienten mit Mukoviszidose sind medizinische Vorsorgeuntersuchungen ein wichtiger Bestandteil der vorbeugenden Maßnahmen. Diese werden
von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen
und sind daher kostenlos. Vorsorgeuntersuchungen
unterscheiden sich von den jährlichen CF-Check-up’s
(z. B. Computertomographie des Thoraxes oder RöntgenThorax).
Folgende Vorsorgeuntersuchungen werden empfohlen
und stehen dem Versicherten zu:
a. Früherkennung von Krebs
Gynäkologie
Jährliche Genitaluntersuchung auf Gebärmutterhalskrebs bei Frauen ab dem Alter von 20 Jahren. Jährliche Brustuntersuchung bei Frauen ab dem Alter von
30 Jahren. Alle zwei Jahre Mammographie-Screening
bei Frauen ab 50 Jahren.
Urologie
b. Gesundheits-Check-up
Der Gesundheits-Check-up beinhaltet eine Ganzkörper­
untersuchung mit Blutdruckmessung, Blutproben zur
Ermittlung der Blutzucker- und Cholesterinwerte, Urin­
untersuchung und ein ausführliches Gespräch mit dem
Arzt. Er wird immer im Rahmen des jährlichen CF-Checkup’s durchgeführt und muss nicht gesondert erfolgen.
c. Zahnvorsorgeuntersuchung
Eine Zahnvorsorgeuntersuchung wird mindestens einmal
pro Kalenderjahr empfohlen. Auch bei zwei zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen werden die Kosten von der
Krankenkasse übernommen.
d. Schutzimpfungen
Im Erwachsenenalter sind vor allem Auffrischimpfungen
notwendig. Dabei handelt es sich um Diphtherie und Tetanus, die alle 10 Jahre wiederholt werden sollten.
Die so genannten Indikationsimpfungen werden nur bei
bestimmten Risiken oder vor Lungen-, Leber- oder Nierentransplantation empfohlen. Die einzige Ausnahme
stellt die jährliche Influenza als Grippeschutzimpfung dar.
Zu den Indikationsimpfungen gehören:
Influenza, Pneumokokken-Infektion, Frühsommermeningo-Enzephalitis (FSME), Haemophilus influenza Typ B
(Hib)-Infektion, Infektion-Hepatitis A und B, Tollwut,
Meningokokken-Infektion, Poliomyelitis (Kinderlähmung),
Varizellen, Röteln, Pertussis (Keuchhusten).
Jährliche Prostatauntersuchung, Genitaluntersuchung
und Tastuntersuchungen der Lymphknoten bei Männern ab dem Alter von 45 Jahren.
e.Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft
Dermatologie
Die Vorsorgeuntersuchungen sind für Patienten mit Mukoviszidose eine Orientierung und können bei begründetem Verdacht auch in einem früheren Alter durchgeführt
werden. Ob bestimmte Krebsarten bei Patienten mit Mukoviszidose häufiger auftreten als bei anderen Menschen,
ist aktuell noch ungeklärt.
Ganzkörperuntersuchung der gesamten Haut bei
Frauen und Männern ab 35 Jahren. Alle zwei Jahre
Hautkrebs-Screening ab dem Alter von 35 Jahren für
Frauen und Männer.
Proktologie
Der Bereich Schwangerschaft stellt ein eigenes Thema
dar, welches gesonderte Aufmerksamkeit verdient.
Jährliche Dickdarm- und Rektumuntersuchung bei
Frauen und Männern. Jährlicher Test auf verborgenes
Blut im Stuhl bei Frauen und Männern. Ab dem Alter
von 55 Jahren zwei Darmspiegelungen im Abstand von
10 Jahren oder Test auf verborgenes Blut im Stuhl alle
zwei Jahre bei Frauen und Männern.
13
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.2 Bauchspeicheldrüse
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist neben der Lunge
das am häufigsten und schwersten betroffene Organ bei
CF. Sie besteht aus zwei Anteilen:
1)dem exokrinen Drüsengewebe, aus dem normalerweise
der Bauchspeichel mit den Verdauungsenzymen in
den Darm abgegeben wird
2)dem endokrinen Gewebe, in dem das wichtige Stoff­
wechselhormon Insulin gebildet wird
Pankreasinsuffizienz und Pankreatitis
Die Mukoviszidose verursachenden CFTR-Mutationen entscheiden mit darüber, wie schwer die Bauchspeicheldrüse
von der Krankheit betroffen ist.
Bei typischer Ausprägung der Krankheit liegt bereits ab
Geburt eine exokrine Pankreasinsuffizienz vor, d. h. es
werden keine Bauchspeicheldrüsenenzyme gebildet,
wodurch die Verdauung nachhaltig gestört ist. Das Fehlen
der Verdauungsenzyme lässt sich durch die regelmäßige
Einnahme von Pankreas-Enzymkapseln ausgleichen.
Bei einer atypischen oder milden Verlaufsform, die 10
bis 15 Prozent aller Mukoviszidose-Kranken betrifft,
arbeitet die Bauchspeicheldrüse noch ausreichend. Die
Einnahme von Enzymkapseln ist nicht notwendig. Es besteht aber die Neigung zu einer immer wiederkehrenden,
möglicherweise mit starken Oberbauchschmerzen verbundenen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis).
Bei sich häufig wiederholenden Pankreatitiden kann sich
auch im Verlauf noch eine exokrine Pankreasinsuffizienz
entwickeln.
CF-Diabetes (CFRDM)
Der Insulin bildende Teil der Bauchspeicheldrüse ist bei
Geburt und im ersten Lebensjahrzehnt in der Regel unbeeinträchtigt. Nach dem zehnten Lebensjahr und mit
endokrines Gewebe
(Langerhans-Inseln)
⟶ Insulin
⟶ Verdauungsenzyme
exokrines Gewebe
14
fortschreitendem Krankheitsverlauf steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei jugendlichen oder erwachsenen Betroffenen ein sog. CF-Diabetes (CFRDM), eine Sonderform
der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), entwickelt. Dabei
ist einerseits die Bildung und Freisetzung des lebenswichtigen Hormons Insulin in die Blutbahn gestört, andererseits ist auch dessen Wirkung beeinträchtigt.
Ein Drittel der Erwachsenen mit Mukoviszidose entwickeln
einen CF-Diabetes.
Symptome und Diagnostik
Die Störung des Zuckerstoffwechsels bei Mukoviszidose hat unbehandelt zur Folge, dass lange vor typischen
Diabetes-Symptomen, wie starkem Durst und häufigem
Wasserlassen, die Betroffenen an Gewicht verlieren, und
sich bei ihnen die Lungenfunktion, auch ohne sonst erkennbare Gründe, verschlechtert. Man weiß, dass ein nicht
rechtzeitig erkannter oder unbehandelter CF-Diabetes die
Prognose, d. h. den Verlauf der Erkrankung und die Lebenserwartung, deutlich verschlechtert.
Daher führt man zur Früherkennung ab dem 10. Lebensjahr jährlich – auch im Erwachsenenalter – einen oralen
Glucosetoleranztest (oGTT) durch, bei dem eine Zuckertestlösung getrunken und vorher sowie zwei Stunden
danach die Blutzuckerwerte (Glucosewerte) gemessen
werden. Ausdruck eines gestörten Zuckerstoffwechsels
oder einer bereits manifesten Zuckerkrankheit können
ein erhöhter sog. Nüchternwert (Glucosewert vor Trinken
der Zuckerlösung) oder ein zu hoher 2-Stunden-Wert sein.
Da der Test störanfällig ist, ist die korrekte Durchführung
(morgendliche Messung, vorher ausreichend lange Nahrungspause, keine körperliche Aktivitäten während der
Messzeit, Infektfreiheit) wichtig. Bei Auffälligkeit wird der
Test meist mindestens einmal wiederholt.
Behandlung und Therapie
Ein diagnostizierter CF-Diabetes ist in der Regel gut therapierbar, auch wenn der Behandlungsaufwand dadurch
deutlich ansteigt.
Zur Behandlung gehören:
a)diätetische Maßnahmen, z. B. das Vermeiden stark zuckerhaltiger Nahrungsmittel
b)eine Diabetesberatung durch eine geschulte Fachkraft, in der allgemeine Verhaltensregeln, die Selbstkontrolle der Blutglucosewerte in Form regelmäßiger
Messungen mit Teststreifen und Messgerät sowie die
korrekte Anwendung der Medikamente, einschließlich
des Spritzens von Insulin geschult werden und
c)die Einnahme oder das Spritzen von Diabetesmedikamenten
Für die Behandlung sind prinzipiell zwei Wege möglich:
a)die Einnahme von Insulin verstärkenden Tabletten,
wodurch zunächst auf die Gabe von Insulin verzichtet
werden kann, aber nur in einem Teil der Fälle eine vollständige Kontrolle des CF-Diabetes erreicht wird
b)das Spritzen von kurz- oder langwirksamen Insulinpräparaten unter die Haut (subkutan) mittels Einzelinjektionen oder einer Insulin-Pumpe. Beide Therapieformen
haben Vorteil und Nachteile. Oft ist am Anfang eine
Tablettenbehandlung möglich, später aber ein Übergang auf Insulininjektionen notwendig
Die Dosierung wird individuell nach einem vom Diabetologen oder CF-Arzt vorgegebenen Schema ermittelt und
errechnet sich aus den gemessenen Blutzucker­­werten,
der Schätzmenge an Nahrung mit Kohlenhydraten in
sog. Kohlenhydrateinheiten (früher auch Broteinheiten
= BE genannt) und äußeren Einflussfaktoren.
Bei letzteren sind Infekte zu nennen, die die Blutzuckerwerte vorübergehend ansteigen lassen, oder Medikamente
wie Kortison, die ebenfalls einen Blutzuckeranstieg bewirken, aber auch starke körperliche Aktivitäten, mit denen
ein Abfall der Blutzuckerwerte einhergeht.
Gefährlich werden kann eine zu starke Erniedrigung des
Blutzuckers (Hypoglykämie), die sich mit Stresszeichen
wie Schwitzen, Unruhe, Zittrigkeit andeutet und von Unwohlsein bis zu lebensbedrohlicher Bewusstlosigkeit reichen kann. In der Diabetesschulung lernt man, wie man
frühzeitig auf solche »Hypos« reagieren kann und muss.
15
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.3
Magen-Darm-Trakt
Unabhängig von der Bauchspeicheldrüse sind bei Mukoviszidose auch andere Teil des Magen-Darm-Trakts
betroffen, der vom Mund über Speiseröhre, Magen und
Dünndarm bis zum Dickdarm mit Enddarm und Anus
reicht, und Leber sowie Gallenwege funktionell mit einbezieht.
Stomatitis und Pilzinfektionen
In der Mundhöhle und in der Speiseröhre sind primär keine Mukoviszidose-Veränderungen anzutreffen. Probleme
können sich aber hier aus der Therapie ergeben. So kann
eine antibiotische Behandlung, z. B. eine i.v.-Therapie, die
Mund- und Rachenflora stören, was mit Schleimhautveränderungen, wie vermehrter Empfindlichkeit auf Säuren,
pelzigem Gefühl oder Rötung im Sinne einer Entzündung
(Stomatitis) einhergehen kann. Insbesondere bei einer
gleichzeitigen Behandlung mit inhalativem oder oralem
Kortison wird auch das Wachstum von Pilzen, wie dem
Hefepilz Candida albicans (Soor), begünstigt.
Es ist fast die Regel, dass Candida in Kulturen aus Rachenabstrich und Sputum nachweisbar sind, ohne dass
dies Anlass zur Sorge geben muss. Auch eine mit weiß­
lichen Belägen auf der Zunge oder in den Wangentaschen
einhergehende Soorstomatitis führt in der Regel zu einer
nur geringgradigen Beeinträchtigung.
Stomatitis
Gastroösophagealer Reflux
DIOS
Kolitis
16
Man muss aber an die gleichzeitige Möglichkeit eines
Speiseröhren-Soors denken. Unangenehmer bei Frauen
ist eher eine nach i.v.-Therapie auftretende Pilzinfektion
im Scheidenbereich. In der Regel lässt sich ein Candidabefall der Schleimhäute gut mit Pilzmitteln behandeln.
Gastroösophagealer Reflux
Ein sehr häufiges Problem ist der gastroösophageale Reflux, d. h. der Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre. Er entsteht durch einen unvollständigen Verschluss
zwischen Magen und Speiseröhre. Ursachen bei CF sind
das häufige Husten mit Steigerung des Drucks im Bauchraum, aber auch Medikamente, die den Schließmuskel
erschlaffen lassen. Der Reflux äußert sich neben den
typischen Zeichen, wie Sodbrennen und Schmerzen
hinter dem Brustbein, durch Hustenreiz und verstärkte
Verschleimung, insbesondere nach den Mahlzeiten und
nachts. Behandeln kann man den Reflux mit Magensäure
hemmenden Medikamenten, die ein Teil der Mukoviszidose-Betroffenen dauerhaft einnehmen muss.
Verstopfung und DIOS
Auch der Darm selbst ist bei CF betroffen. Durch ein zu
zähes Sekret der Schleimhautdrüsen neigen Mukovis­
zidose-Kranke zur Andickung des Darminhalts, was zur
Aufstauung von Stuhl im unteren Dünndarm oder zur Verstopfung im Enddarm führen kann. Während eine akute
Verstopfung mit hartem oder ausbleibendem Stuhl zwar
schmerzhaft, aber in seltenen Fällen bedrohlich ist, kann
sich die Verstopfung im Dünndarmbereich zur Notfall­si­
tuation entwickeln.
Diese als distales intestinales Obstruktionssyndrom (DIOS)
bezeichnete Sonderproblem kann jederzeit, besonders bei
mangelnder Flüssigkeitsaufnahme oder nachlässiger Enzymeinnahme auftreten und zum kompletten Darmverschluss führen. Erstes Zeichen dieser Komplikation, die
als sog. Mekoniumileus schon bei Säuglingen mit CF beobachtet werden kann, ist ein dumpfer Schmerz im rechten Unterbauch, der sich bei Drücken auf die Bauchwand
verstärkt. Der Arzt kann dann oft eine druckempfindliche,
walzenartige Struktur im Bauch tasten, die man im Ultra­
schall als mit zähem Darminhalt gefüllte Darmschlinge
identifizieren kann.
Darmspiegelungen eingesetzt werden, wieder freispülen.
Hilfreich ist auch die orale Einnahme von Macrogol-Präparaten, des Schleimlösers Acetylcystein sowie von Röntgenkontrastmitteln. Unterstützend werden Einläufe zur
Darmräumung von Dickdarmseite eingesetzt. Bisweilen
kommt es trotzdem, insbesondere bei fehlender Kenntnis dieses CF-Notfalls, zur Operation unter dem Verdacht
einer Blinddarmentzündung, die sich sehr ähnlich äußern
kann. Konsultieren Sie bei zunehmenden Schmerzen im
rechten Unterbauch Ihre CF-Ambulanz zur weiteren Abklärung!
Kolitis
Auch die sog. pseudomembranöse Kolitis, eine durch
das anaerobe Bakterium Clostridium difficile ausgelöste,
schwere bakterielle Entzündung des Dickdarms, stellt eine
Notfallsituation dar. Sie ist zwar bei CF sehr selten, kann
aber in ihrer vollen Ausprägung lebensbedrohlich werden. Ursache ist meist eine vorangegangene Behandlung
mit Breitspektrum-Antibiotika, wie sie bei Mukoviszidose
häufig zur Anwendung kommen. Dadurch wird auch die
natür­liche Darmflora geschädigt und der Ausbreitung von
Clostri­dien Vorschub geleistet. Das Krankheitsbild äußert
sich in einem aufgeweiteten berührungsempfindlichen
Bauch, massiven wässrigen Durchfällen und ansteigendem Fieber (trotz Antibiotika). Bei diesen Symptomen ist
eine rasche ärztliche Vorstellung zur weiteren Abklärung
notwendig.
Sonstige Darmerkrankungen
Weitere Darmerkrankungen, die mit Mukoviszidose zwar
nicht direkt zu tun haben, aber im Vergleich zur Normalbevölkerung gehäuft auftreten können, sind:
• eine chronische entzündliche Darmerkrankung, z. B. Morbus Crohn
• eine Unverträglichkeit gegen den Getreidebestandteil
Gluten, die sog. Zöliakie
• eine chronische Infektion mit Durchfallerregern, sog.
Lamblien
• Unverträglichkeiten gegenüber Frucht- oder Milchzucker,
eine sog. Fruktosemalabsorption, respektive Laktose­
intoleranz
In der Regel lässt sich der Darmverschluss mit großen
Mengen Flüssigkeit, die den Stuhlweichmacher Macrogol
enthalten und auch sonst zur Dickdarmreinigung bei
17
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.4
Lunge
Das Organ Lunge ist bei CF am häufigsten betroffen und
steht damit bei Therapie und Prophylaxe im Vordergrund.
Fortgeschrittene Lungenerkrankung
Durch die Mukoviszidose tritt auch in der Lunge bzw. in
den Atemwegen ein Ungleichgewicht im Salzhaushalt auf.
Konkret gesagt ist zu wenig Wasser und Salz außerhalb
der Zellen vorhanden. Dies führt zu einer Verdickung
der Bronchialschleimhaut und einer Eindickung des
Bronchialsekrets.
Die Bronchialschleimhaut ist mit mikroskopisch kleinen
Härchen, den sog. Flimmerhärchen, ausgekleidet, die sich
hin und her bewegen und dafür sorgen, dass der Schleim
aus den Bronchien abtransportiert wird. Da dieser aber zäh
und fest ist, kann er nur schwer mobilisiert werden. Die
Folge ist eine Verschlechterung des Abtransports auch von
Bakterien, die sich im Schleim befinden. Zusätzlich sind
durch die Verdickung der Bronchialschleimhäute die Bronchien (Atemwege) eingeengt. Hierdurch erschwert sich das
Abhusten des zähen Schleims, in dem sich Bakterien vermehren können, was zu Entzündungen und Infektionen
der Atemwege führt. Diese schädigen das Lungengewebe
und die Atemwege so stark, dass die Bronchien ihre normale Struktur verlieren und Aussackungen der Bronchien, sog.
Bronchiektasen entstehen. In ihnen bleibt der Schleim
hartnäckig liegen, das Lungengewebe hingegen versteift
sich. Medizinisch wird dies als Lungenfibrose bezeichnet.
Therapieoptionen
Die verfügbaren Therapieoptionen zielen auf die Verflüssigung und Mobilisation des zähen Schleims ab. Dies dient
vor allem der Prophylaxe von Atemwegsinfekten. Zusätzlich sind immer wieder Therapien von akuten und chronischen Infektionen und Entzündungen der Lunge
notwendig. Akute Infektionen, auch Exazerbationen genannt, werden mit Antibiotika behandelt. Je nachdem, wie
schwerwiegend diese sind, werden oral oder intravenös
(i.v.) verabreichte Antibiotika verordnet.
Der Arzt bespricht mit Ihnen, welche Bakterien bei Ihnen vorliegen und welche Therapien sinnvoll als Tablette
oder als Infusion gegeben werden können. Die meisten
CF-Zentren führen i.v.-Therapien stationär durch. Es gibt
aber auch die Möglichkeit, einen Teil der Therapie zuhause zu absolvieren. Dies ist von Zentrum zu Zentrum unterschiedlich.
18
Neben akuten Exazerbationen bestehen aufgrund der
häufigen Dauerbesiedlung der Atemwege mit Bakterien
chronische Infektionen und Entzündungen. Hierfür wird eine Basistherapie empfohlen. Liegt z. B. eine Dauerbesiedlung mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa vor, so
werden langfristige Antibiotikainhalationen und regelmäßige intravenöse Antibiotikatherapien empfohlen. Ergänzt
werden diese durch antientzündliche, antiob​struktive und
sekretolytische Maßnahmen.
Neben den genannten medizinischen Maßnahmen sind
für den Erhalt oder die Verbesserung der Lungenfunktion
das Training von Ausdauer- und Kraftsport sowie die
Durchführung von physiotherapeutischen Maßnahmen mit am wichtigsten. Um das Sekret besser abhusten
zu können, wird jedem Patienten mit Mukoviszidose das
Durchführen von Atemtherapie empfohlen, insbesondere
das Erlernen von autogenen Drainagetechniken durch
geschulte CF-Physiotherapeuten.
Steigende Therapieintensität
Trotz intensiver Therapien schreitet die Lungenerkrankung bei Patienten mit CF häufig fort. Deshalb wird der
Aufwand, um den aktuellen gesundheitlichen Zustand zu
erhalten, nicht selten immer höher. Oft gelingt es sogar
nur, eine Verschlechterung aufzuhalten. Dies führt dementsprechend zu einem höheren Zeitaufwand für die Therapie und kann dann Schwierigkeiten bei der Ausübung
eines Berufes oder einer Ausbildung mit sich bringen. Die
steigende Therapieintensität bei sich verschlechterndem
Gesundheitszustand kann sogar zu einer Frühberentung
führen. Da dies ein wichtiges Thema ist, wird darauf im
psychosozialen Teil dieses Leitfadens gesondert eingegangen.
Komplikationen
Hämoptysen
Eine der häufigsten Komplikationen der Atemwege bzw.
der Lunge bei Patienten mit Mukoviszidose ist das Bluthusten (Hämoptyse). Die dauerhafte Besiedlung mit
Bakterien und die chronische Entzündung führen, wie bereits oben beschrieben, zu Schäden am Lungengewebe
und an den Atemwegen. Bronchialschleimhaut und Lungengewebe sind dann verletzbarer und es kann zu Blutungen kommen. In Abhängigkeit von der Schwere dieses
Ereignisses kann eine Inhalationstherapie ausreichen, es
kann aber auch ein Verschluss des Blutgefäßes durch
einen Katheter (Embolisation) notwendig werden. Das
Vorgehen bei auftretendem Bluthusten sollten Sie mit Ihrem zuständigen CF-Arzt besprechen. Gerade wenn dies
häufiger vorkommen sollte, kann es unter Umständen
sinnvoll sein, bestimmte Medikamente gegen Bluthusten
zuhause zu haben, um diese beim Beginn von Hämoptysen selbst einnehmen zu können.
Pneumothorax
Die Schädigung der Lunge aufgrund chronischer Infektionen und Entzündungen macht das Lungengewebe anfälliger für einen Defekt, z. B. durch starkes Husten. Der
erhöhte Druck beim Husten kann zu einem Riss in der
Lunge und zum Zusammenfall der Lunge führen. Dies
nennt man Pneumothorax. Um die Lunge wieder zum
Ausdehnen zu bringen, wird dann ein Drainageschlauch
zwischen Lunge und Brustwand im Rippenfellraum (Pleura) eingelegt. Hat sich die Lunge wieder vollständig ausgedehnt, wird die Drainage entfernt. In ganz seltenen Fällen
kann es notwendig sein, eine Verklebung der Lunge mit
der Brustwand (Pleurodese) durchzuführen.
Pulmonaler Hypertonus (PHT) und Cor pulmonale
Der Lungendruck (Pulmonalisdruck), d. h. der Blutdruck
in der Pulmonalarterie (Lungenarterie), kann mit dem
gesunde
Bronchialschleimhaut
gesunder Bronchus
im Querschnitt
Bronchus bei CF:
vermehrter Schleim,
Schwellung der
Schleimhaut,
Einengung der
Atemwege (bronchiale
Obstruktion)
Bronchialschleimhaut bei CF:
Bronchialsekret
verdickt, Funktion
der Flimmerhärchen
gestört
19
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
Ultraschall (Herzecho) oder mit dem Herzkatheter und
auch neuerdings mit dem MRT (Magnetresonanztomogramm) gemessen werden. Lungenhochdruck (pulmonaler Hypertonus) entsteht durch die Schädigung des
Lungengewebes und der Atemwege und ist Ausdruck
einer fortgeschrittenen Lungenerkrankung. Neben dem
Lungenhochdruck kann zusätzlich ein Cor pulmonale
entstehen. Übersetzt heißt das soviel wie »Lungenherz«.
Die fortgeschrittene Lungenerkrankung führt dazu, dass
sich die rechte Herzhälfte aufgrund eines erhöhten Widerstands in den Blutgefäßen der Lunge vergrößert.
Meist ist es zu diesem Zeitpunkt der Erkrankung notwendig, Sauerstoff über eine Nasenbrille einzuatmen.
ABPA
Definition
Die Abkürzung ABPA steht für allergische bronchopulmonale Aspergillose. Übersetzt bedeutet dies eine allergische
Reaktion der Atemwege (Bronchien) und der Lunge (Pulmo) auf Schimmelpilze. Schimmelpilze sind Fadenpilze, die
in der Umwelt und in Innenräumen vorkommen können.
Für ihr Wachstum benötigen die Pilze Wasser, weshalb
vor allem bei vermehrter Feuchtigkeit, z. B. in Hauswänden, Schimmelpilze entstehen. Ein Teil der Schimmelpilze,
die sog. Sporen, können bei erhöhter Konzentration in die
Luft gelangen. Dann besteht die Gefahr einer Aufnahme
über die Atmung beim Aufhalten in der Nähe dieser Sporenbelastung. Nur bei Patienten mit Mukoviszidose und
bei Patienten mit Asthma bronchiale tritt die ABPA auf.
Bis zu zehn Prozent der Patienten mit Mukoviszidose sind
von der ABPA betroffen. Häufiger sind dies junge Erwachsene, Männer und Jugendliche.
Unterschieden werden muss jedoch zwischen einer Besiedlung mit Aspergillen, die meistens keiner Therapie
bedarf und der allergischen Reaktion auf Aspergillen, der
ABPA.
Symptome und Diagnostik
Die Symptome sind denen der Mukoviszidose sehr ähnlich. Aus diesem Grund bemerkt man die ABPA oftmals
nicht sofort. Im Vordergrund stehen dabei:
• Husten
• Giemen
• Vermehrtes und evtl. dunkleres Sputum
• Verminderte Belastbarkeit
• Lungenfunktionsverschlechterung
Wie bereits erwähnt, ist die Symptomatik sehr unspezifisch und schwierig von den normalen Beschwerden einer
Mukoviszidose oder von einer bakteriellen Exazerbation
zu unterscheiden. Aus diesem Grund werden mehrere
Parameter zur Diagnosestellung hinzugezogen:
• Gesamt-IgE >500 kU/l
• spezifisches IgE oder IgG auf Aspergillen erhöht oder
angestiegen
• positiver Hauttest auf Aspergillen
• rekombinante Aspergillus-Antigen (rAsp f4 und f6) erhöht oder angestiegen
• Eosinophilie im Blutbild
20
• neue Infiltrate im Röntgen- oder CT-Thorax
• Symptome, die nicht auf andere Ursachen zurückgeführt werden können
Therapie
Die Therapie der ABPA ist einerseits gegen die allergische
Reaktion gerichtet, andererseits gegen den Schimmelpilz
an sich. Kortisonpräparate als Tabletten wirken gegen die
Entzündung und die Schwellung der Atemwege, antimykotische Medikamente bekämpfen den Aspergillus direkt.
Diese Kombinationstherapie aus Kortison und Antimykotikum ist über mehrere Monate notwendig. Die Dosis und
Dauer der Therapie ist aber sehr stark von dem individuellen Ansprechen des einzelnen Patienten abhängig.
Hierfür werden regelmäßig Lungenfunktions-, Blutwertund auch Röntgen-Thoraxkontrollen durchgeführt.
schafft es nicht mehr ausreichend, das Kohlendioxid abzuatmen. In diesem Fall gibt es heutzutage die Möglichkeit, die Atemmuskulatur mit einer sog. Maskenbeatmung
zu unterstützen.
Symptome und Diagnostik
Erste Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz können
eine Leistungsminderung beim Sport oder beim Treppensteigen sein. Häufig färben sich die Lippen blau. Zusätzlich ist auch schnelles Atmen (Tachypnoe) bei geringer
Anstrengung ein Indikator für Sauerstoffarmut im Blut.
Mit einem Sensor am Finger kann ein Sauerstoffmessgerät (Oxymeter) die Sauerstoffsättigung im Blut messen.
Respiratorische Insuffizienz
Definition
Unter respiratorischer Insuffizienz versteht man eine Störung der Atmung, die eine Minderbelüftung der Lungenbläschen (Alveolen) und damit einen Mangel an Sauerstoff
im Blut zur Folge hat. Fehlt dem Körper nur Sauerstoff,
lautet der medizinische Fachbegriff dafür respiratorische Partialinsuffizienz. Ist zusätzlich der Kohlendioxidgehalt erhöht, spricht der Mediziner von respiratorischer
Globalinsuffizienz.
Die respiratorische Insuffizienz kann im fortgeschrittenen
Stadium der Mukoviszidose auftreten, wenn aufgrund der
Lungenschädigung beim Einatmen über die Lunge nicht
mehr genug Sauerstoff aufgenommen werden kann.
Dieser Sachverhalt tritt zu Anfang in zwei Situationen auf:
nachts und bei Belastung. Nachts ist dies durch eine
insgesamt flachere Atmung begründet, da wir beim Schlafen unbewusst und weniger tief atmen. Dadurch kann
automatisch weniger Sauerstoff aufgenommen werden.
In Belastungssituationen benötigt der Körper mehr Sauerstoff, um die Muskeln damit zu versorgen. Bei fortgeschrittener Lungenschädigung kann daher eine Sauerstoffgabe
notwendig werden.
Im Falle einer respiratorische Globalinsuffizienz ist neben
der Sauerstoffarmut auch eine Erhöhung des Kohlendioxidgehalts im Blut vorhanden. Hier reicht es dann
meist nicht mehr aus, nur Sauerstoff zu nehmen. Die
Erhöhung des Kohlendioxidgehaltes im Blut ist vielmehr
Ausdruck einer Atemmuskulaturschwäche. Der Körper
Über eine kleine Blutabnahme, z. B. am Ohr, können mit
Hilfe der Blutgasanalyse (BGA) der Sauerstoffpartialdruck und der Kohlendioxidpartialdruck sowie zusätzliche Parameter gemessen werden. Um den Sauerstoffgehalt im Blut bei Belastung festzustellen, gibt es die
Möglichkeit, einen 6-Minuten-Gehtest oder eine Fahrradbelastungsuntersuchung (Spiroergometrie) durchzuführen.
Therapieoptionen
Bei einer Sauerstoffarmut muss dem Patienten Sauerstoff
über Geräte, z. B. eine Nasenbrille, zugeführt werden.
Für die Versorgung steht flüssiger, normaler und gasförmiger Sauerstoff zur Verfügung. Dieser kann zuhause über
ein Standgerät oder unterwegs über ein mobiles, tragbares Gerät eingeatmet werden.
21
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
Wie bereits beschrieben, kommen unterschiedliche Situationen vor, bei denen ein Patient Sauerstoff benötigt, speziell nachts oder bei Anstrengung. Im fortgeschrittenen
Stadium kann es auch notwendig sein, über einen längeren Zeitraum eine Sauerstofftherapie durchführen zu
müssen. Wann und wie lange dies notwendig ist, bespricht
der Arzt anhand der Testergebnisse mit dem Patienten.
Im Rahmen einer fortgeschrittenen Lungenbeteiligung bei
Mukoviszidose kann es zu einer ausgeprägten Schwäche
der Atemmuskulatur kommen. Um in dieser Situation die
Aufnahme von Sauerstoff und die Abatmung von Kohlendioxid zu unterstützen, gibt es noch die Möglichkeit einer
Maskenbeatmung.
Hierbei atmet der Patient normal weiter, wird aber zusätzlich durch ein Beatmungsgerät mit Druck unterstützt
(druckunterstütze Beatmung). Im Gegensatz zu der invasiven Beatmung auf einer Intensivstation, ist dies eine
nicht-invasive Beatmung und wird auf der Normalstation oder zuhause durchgeführt.
Lungentransplantation
Dank modernster Therapien und optimaler Medikation
hat sich die Lebensqualität und Lebenserwartung von Patienten mit CF deutlich verbessert. Dennoch stellt sich bei
vielen langfristig eine Verschlechterung der Lungenfunktion und Belastbarkeit ein, die die Betroffenen so sehr einschränkt, dass eine Lungentransplantation als Möglichkeit
zur Verbesserung der Lebensqualität in Erwägung gezogen wird.
Indikation
Neben dem subjektiven Empfinden geringer Belastbarkeit
oder Schwäche gibt es objektive Parameter, die über die
Indikation des Eingriffs entscheiden. Hierbei spielen vor
allem der FEV1-Wert der Lungenfunktion und die CO2Werte eine wichtige Rolle. FEV1 = das absolute forcierte
exspirierte Volumen der ersten Sekunde (engl.: Forced
Expiratory Volume in 1 second) bzw. das in einer Sekunde ausgeatmete Volumen (Einsekundenkapazität). Auch
andere Faktoren, z. B. die Zunahme an Exacerbationen,
werden herangezogen.
Entscheidungsfindung, Kontakt zum
Transplantationszentrum
Wichtig in dieser Situation ist das Gespräch mit dem behandelnden Arzt und ggf. dem zuständigen Psychologen.
Erfahrungsgemäß braucht die Entscheidungsfindung ihre
Zeit und es gehen Gespräche voraus, die die Betroffenen
möglichst frühzeitig anbahnen sollten. Ist der Entschluss
für eine Lungentransplantation gefasst, so muss sich der
Patient im Transplantationszentrum vorstellen. Dort erfolgt nochmals eine ausführliche Aufklärung des Betroffenen bzw. seiner Angehörigen. Die Einverständniserklärung
ist dann vom Patienten persönlich zu unterschreiben.
LAS-Organvergabesystem, Listung
Im nächsten Schritt wird anhand verschiedener klinischer
Daten des Patienten der so genannte Lung Allocation
Score (LAS) erhoben, der seit Ende 2011 das Organverteilungssystem mit den Dringlichkeitsstufen high urgent
(HU) und urgent (U) abgelöst hat. Mithilfe des LAS-Systems wird eine Punktzahl zwischen Null und 100 ermittelt, die zusammen mit den Patientendaten zentral bei
Eurotransplant, der Vermittlungsstelle von Organspenden
in Leiden (Niederlande) gespeichert wird. Eurotransplant
organisiert europaweit die Vergabe von Organen, z. B. für
die Länder Deutschland, Österreich, Belgien, Kroatien,
Holland, Luxemburg und Slowenien. Kinder unter zwölf
22
Jahren bekommen automatisch 100 Punkte zugeteilt. Bei
erwachsenen Patienten richtet sich die Höhe der Punktzahl nach der Schwere der Erkrankung. So erhält ein CFBetroffener z. B. umso mehr Punkte, je höher sein Sauerstoffbedarf bzw. die ermittelten CO2-Werte sind oder je
kürzer die Gehstrecke ist, die er noch absolvieren kann.
Bei Verschlechterung des Gesundheitszustands kann jederzeit vom Transplantationszentrum eine erneute Dateneingabe erfolgen.
Vorbereitende Maßnahmen
Nach der Listung zur Lungentransplantation ist es aus
medizinischer Sicht wichtig, sich trotz des angegriffenen
Allgemeinzustandes möglichst fit zu halten. Je besser der
körperliche Zustand vor der Transplantation ist, desto
leichter fällt der Muskelaufbau danach. Da in Deutschland in der Regel mehr Anfragen vorliegen, als Organe
vorhanden sind, können Wartezeiten von einigen Monaten
entstehen. Wenn es der Gesundheitszustand zulässt, können Betroffene nach dem neuen LAS-System diese Zeit
auch zuhause verbringen, müssen aber stets telefonisch
erreichbar sein.
Sobald ein passendes Spenderorgan vorliegt, wird der
Patient schnellstmöglich zum Transplantationszentrum
gebracht.
Durchführung der OP
Im Falle von CF wird die Technik der Doppel-LungenTransplantation angewandt. Dabei werden beide Lungenflügel entnommen und durch Spenderlungenflügel
ersetzt. Die Nahtstellen der „neuen“ Lunge befinden
sich am linken und rechten Hauptbronchus. Die Lungenflügel werden nacheinander eingesetzt. Hierfür werden
im Unterschied zu einem großen Schnitt, wie es früher
üblich war, zwei kleinere links und rechts durchgeführt. Mit
dieser Technik bleibt der Brustkorb stabiler.
Nachsorge
Wieder zuhause müssen täglich Selbstmessungen erfolgen und diese regelmäßig mit dem Transplantationszentrum besprochen werden. Zusätzlich ist lebenslang eine
medikamentöse Immunsuppression notwendig, um eine
Abstoßung des Spenderorgans zu verhindern. In den ersten Monaten nach dem Eingriff finden kurzfristig Kontrollen im Transplantationszentrum statt, die im weiteren
Verlauf in größeren Abständen erfolgen. Da aufgrund der
Immunsuppression Infektionen entstehen können, die ohne wesentliche Symptome einhergehen, besteht oftmals
die Indikation einer Bronchoskopie. Das dabei gewonnene
Material kann speziell auf Bakterien und Pilze untersucht
werden, was eine gezieltere Behandlung der Infekte möglich macht.
Insgesamt ist es das Ziel, lungentransplantierte Patienten
wieder so normal wie möglich am Leben teilnehmen zu
lassen. Die meisten von ihnen genießen es, sich nach dem
Eingriff ausgiebiger bewegen und ohne Sauerstoff laufen
zu können. Ein Teil der Patienten kann sogar wieder einer
Berufstätigkeit nachgehen.
Nach der Operation wird versucht, den Patienten so früh
wie möglich wieder selbstständig atmen zu lassen. Nicht
immer gelingt dies, sodass eine Beatmung für einige Tage
notwendig ist. Kann der Patient innerhalb dieser Zeit nicht
von der Beatmung entwöhnt werden, erfolgt ein Luftröhrenschnitt, der das eigenständige Atmen erleichtert. Der
Patient kann dann mobilisiert werden und Essen zu sich
nehmen. Sobald der Zustand es zulässt, erfolgt die Verlegung in eine Rehabilitationseinrichtung.
23
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.5
Leber/Galle
Die Gallenwege und die Leber gehören ebenfalls zu den
von der Mukoviszidose betroffenen Organen.
Das CFTR-Protein hat in den Gallenwegen die Funktion,
die Zusammensetzung der Galle zu regulieren. Bei Mukoviszidose ist dementsprechend die Gallenflüssigkeit, ein
Drüsensaft der Leber, krankhaft verändert, wodurch in der
Folge auch die Leber fortschreitend geschädigt wird.
Schädigung der Galle
Diese Veränderungen führen bei manchen Betroffenen
zunächst zu einer Schrumpfung der Gallenblase. Zurück
bleibt eine sogenannte Mikrogallenblase. Bereits früh
kann sich ein chronischer Gallestau oder eine Entzündung
der Gallenwege entwickeln. Gallensteine können sich bilden, die, wenn sie in der Gallenblase liegen, unbemerkt
Leberzirrhose:
Bei CF-Patienten kann sich aufgrund einer
chronischen Verschließung (Obstruktion) der
Gallengänge eine Leberzirrhose entwickeln.
Durch die Störung des Gallenflusses können
sich diese entzündlich verändern.
Es kommt zu einem Rückstau der in den
Leberzellen gebildeten Galle, der zu einer
Veränderung des Lebergewebes führt.
Die Leber vernarbt, schrumpft und ihre
Oberfläche wird knotig.
Gallenblase mit Gallensteinen:
Patienten, bei denen Gallensteine
in der Gallenblase nachgewiesen werden,
bleiben häufig beschwerdefrei.
Gallenstau:
Gallensteine entstehen in der Regel in
der Gallenblase und können dann auf
Wanderschaft gehen. Setzen sich
diese in einem Gallengang fest,
kommt es zu einem Gallenstau
und u. U. zu kollikartigen
Schmerzen.
24
bleiben. Durch eine Verlagerung in die Gallengänge kann
es jedoch zu einem Gallestau kommen und in dessen Folge zu Beschwerden bis hin zu krampfartigen Schmerzen
im Oberbauch und Gelbsucht.
Schädigung der Leber
Schwerwiegender ist eine fortschreitende Schädigung der
Leber durch den chronischen Rückstau der Gallenflüssigkeit. Eine sonographisch nachweisbare Fetteinlagerung in
der Leber kommt bei einem Drittel der CF-Betroffenen
vor. Die vermehrte Einlagerung von Bindegewebe in die
Leber (Leberfibrose) ist eine mögliche Vorstufe zum fortschreitenden Umbau der Leber, bei dem sich neben Narbengewebe knotige Veränderungen ausbilden. Die Endstufe, von der etwa 5 Prozent der CF-Patienten betroffen
sind, ist die sogenannte grobknotige Leberzirrhose. Die
Folge ist eine Beeinträchtigung der Leberfunktion: eine
eingeschränkte Bildung von lebenswichtigen Körperbausteinen und eine gestörte Entgiftung des Körpers.
Behandlungsoptionen bei Leber-, Galleproblemen
Folgeerscheinungen für andere Organe
Bei Auffälligkeiten von Leber oder Gallenwegen ist eine
medikamentöse Behandlung mit Bärengallensäure (Ursodesoxycholsäure, kurz UDC) sinnvoll, die mitunter über
einen langen Zeitraum oder sogar lebenslang eingenommen werden muss. Circa ein Drittel der CF-Betroffenen
werden mit diesem Medikament behandelt.
Durch die Narbenbildung in der Leber kann sich auch das
Blut, das durch die Pfortader aus dem Darm und der Milz
der Leber zufließt, stauen. Es entwickelt sich ein Pfortaderhochdruck, der zur Ausbildung von Krampfadern in
der Magen- und Speiseröhrenwand führt. Diese sogenannten Ösophagusvarizen sind ernst zu nehmen, da es
zu einer Blutung kommen kann, die eine sofortige medizinische Behandlung erfordert. Bluterbrechen und schwarzer Stuhl sind Warnzeichen für den drohenden Blutverlust.
Der Pfortaderhochdruck führt im Spätstadium auch zur
Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum, einem sogenannten Aszites. Eine starke Milzvergrößerung schließlich
kann das Risiko eines Milzrisses vergrößern und zum beschleunigten Abbau von Blutzellen führen.
Vorsorgeuntersuchungen
Um solche Gefahren frühzeitig erkennen und behandeln
zu können, werden bereits ab Diagnosestellung regelmäßige Untersuchungen durchgeführt:
a)Die Leberenzyme, deren Anstieg Ausdruck einer Leberschädigung sein kann, und Stoffe, die Aufschluss
über die Syntheseleistung der Leber geben, z. B. Gerinnungsfaktoren, werden regelmäßig durch Blutkontrollen überprüft.
b)Strukturelle Veränderungen der Leber und der Gallenwege oder Gallensteine können in einer Ultraschalluntersuchung erfasst werden.
c)Bei Verdacht auf oder bei nachgewiesenen Ösophagusvarizen werden regelmäßige Spiegelungen der
Speiseröhre und des Magens (Ösophago-Gastroskopien) durchgeführt.
Als schwieriger erweist sich die Behandlung bei fortgeschrittener Leberzirrhose:
Mit einer eiweißreichen, salzarmen Ernährung und der
Einnahme von ausscheidungsfördernden Medikamenten
(Diuretika) versucht man den Aszites unter Kontrolle zu
halten. Je nach Ausmaß und Gefährlichkeit von Ösophagusvarizen in Hinsicht auf das Blutungsrisiko müssen
diese wiederholt verödet werden. Eine Ösophagusvarizenblutung stellt eine akute Notfallsituation dar. Die Blutung
muss umgehend mittels einer Ösophago-Gastroskopie
zum Stillstand gebracht werden. In seltenen Fällen ist es
nötig, den Pfortaderhochdruck durch eine Umleitungsoperation zu entlasten.
Lebertransplantation
Letzte Maßnahme bei drohendem Leberversagen oder
zunehmenden Problemen mit der Leberzirrhose ist die
Lebertransplantation. Diese ist im Vergleich zur Lungentransplantation auch hinsichtlich der Verfügbarkeit des
Organs weniger komplikationsbeladen und bietet Betroffenen die Chance, langfristig wieder ein Leben mit deutlich besserer Lebensqualität führen zu können. Aber wie
auch bei der Lungentransplantation sind mit der Organersatztherapie Konsequenzen verbunden, insbesondere die
danach notwendige regelmäßige Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten, um eine Organabstoßung zu
verhindern.
Vorbeugende Maßnahmen
Die Behandlung einer Gallenwegs- und Leberbeteiligung
hat zunächst vor allem vorbeugenden Charakter. Wichtig
ist eine Ernährung, die mit vielfach ungesättigten Fettsäuren angereichert ist, eine großzügige Zufuhr der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K und eine optimale Pankreasenzymsubstitution. Leberschädigende Medikamente
sind zu vermeiden. Bei unverzichtbaren, bekanntermaßen
leberschädlichen Substanzen sind regelmäßige Kontrollen
durchzuführen.
25
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.6
Niere
Erkrankungen der Niere sind bei Patienten mit CF eher
selten und treten häufig im Zusammenhang mit Bluthochdruck oder Diabetes mellitus in Erscheinung.
Die Niere ist ein paarig angelegtes Organ, dessen wichtigste Aufgabe in der Entfernung von Flüssigkeit und Giftstoffen aus dem Körper besteht, die mit dem Urin aus dem
Körper ausgeschieden werden. Bezogen auf den Blutfluss
gehören die Nieren zu den am besten durchbluteten
Organen.
Verlauf und Folgen
einer Nierenerkrankung
Während das Fortschreiten einer Nierenerkrankung oftmals mit Leistungsminderung und Müdigkeit beim Erkrankten einhergeht, verlaufen die frühen Phasen fast
Das Blut wird im Nierenkörperchen filtriert.
immer symptomlos. Aus diesem Grund ist die Kontrolle
der Niere im Erwachsenenalter sehr wichtig, auch wenn
noch keine Anzeichen für eine Erkrankung vorliegen. Bei
stark eingeschränkter Nierenfunktion lässt die Fähigkeit
zur Flüssigkeitsausscheidung nach, was zu Wasseransammlungen im Körper führen kann. Zusätzlich zum Bluthochdruck können Nierenschädigungen zu Blutarmut und
einer Störung des Mineralstoffhaushalts führen. Ist die
Niere so stark geschädigt, dass ihre Funktion nicht mehr
ausreicht, besteht die Möglichkeit eines Nierenersatzverfahrens (Dialyse).
Ursachen
Neben Diabetes mellitus und Bluthochdruck können auch
andere seltene Erkrankungen wie z. B. die IgA-Nephritis
(= entzündliche Erkrankung der Nierenkörperchen mit
Diabetes mellitus:
Als Folge eines langjährig schlecht eingestellten Diabetes Mellitus können sich
Verdickungen im Bereich der Nierenkörperchen ergeben, so dass sie ihrer Filterfunktion nicht mehr nachkommen können.
Nebenniere
Niere
Nierenbecken mit
gesammeltem Urin
Harnleiter
Harnblase
Harnröhre
26
Ablagerung von Immunglobulin A in den Nieren) oder eine
Amyloidose (= Ablagerung von veränderten Proteinen im
Gewebe zwischen den Zellen) Ursachen für Einschränkungen der Nierenfunktion sein. Hinzu kommt die Medikamenteneinnahme von potentiell nierenschädigenden Präparaten. Die im Zusammenhang mit der CF regelmäßig
notwendigen Antibiotikatherapien bei pulmonalen Exacerbationen spielen dabei eine nicht unerhebliche Rolle.
Früherkennung, Diagnostik
Für alle Patienten mit Nierensteinen gilt jedoch, Nahrungsmittel, die Oxalate enthalten (z. B. Spinat, Mangold,
Rhabarber, aber auch Nüsse, Kakao und schwarzer Tee),
möglichst zu meiden. Eine weitere wichtige Maßnahme ist
die ausreichende Flüssigkeitszufuhr, um das Harnvolumen
zu erhöhen und so der Bildung von Harnsteinen entgegenzuwirken. Um ein gewünschtes Harnvolumen von ca.
2,5 Litern in 24 Stunden zu erreichen, müssen 2,5 bis 3
Liter an Flüssigkeit pro Tag zugeführt werden.
Da Nierenveränderungen in den frühen, symptomlosen
Stadien bereits negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und weiteren Krankheitsverlauf des Patienten haben können, sind regelmäßige Abklärungsuntersuchungen umso wichtiger. Zur Früherkennung empfehlen
sich Blut- und Urinuntersuchungen, in denen die so genannten Nierenretentionswerte (auch: harnpflichtigen
Substanzen Kreatinin und Harnstoff) bestimmt werden. Der Urin wird mittels eines Streifen-Tests oder per
Mikroskop untersucht. In weiteren Verfahren wird auch
die Urineiweißkonzentration bestimmt. Eine wichtige
Methode ist der 24 Stunden Sammelurin, der genaue
Auskunft über die Filterfunktion der Niere gibt und mit
dem sich die Kreatinin-Clearance bestimmen lässt.
Zusätzlich können die Nieren durch bildgebende Verfahren
dargestellt werden. Im Vordergrund steht dabei die Sonographie, mit der sich die Größe, äußere Form und Binnenstruktur der Nieren darstellen lassen. Mit dieser Untersuchungsmethode kann auch eine Beurteilung von An- und
Abfluss des Blutes erfolgen. In seltenen Fällen, wenn die
Ursache der Nierenschädigung unklar bleibt, muss eine
Gewebeprobe (Nierenbiopsie) entnommen werden.
Nierensteine –
Behandlung, Prophylaxe
Neben den o. g. Problemen treten bei Patienten mit CF
gehäuft auch Nierensteine auf. Bei der Zusammensetzung
dieser Steine findet man meist Calciumoxalatsteine. Sie
können von allein „abgehen“ und werden dann auf natürlichem Wege mit dem Urin ausgeschieden. In seltenen Fällen geht dies mit starken Schmerzen einher, die mit einer
adäquaten Schmerztherapie behandelt werden müssen.
Kommt es gleichzeitig zu einer Nierenbeckenentzündung,
muss zusätzlich eine Antibiotikatherapie erfolgen. Bei gehäuftem Auftreten ist eventuell die Indikation zu einer
Lithotripsie (= Steinzertrümmerung durch Stoßwellen)
gegeben.
27
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.7 Herz
Zusätzlich ist das Herz aber häufig in Folge des Fortschreitens der Lungenerkrankung mitbetroffen, da Herz
und Lunge fast als ein gemeinsames Organ betrachtet
werden können.
Um Herzerkrankungen bei Patienten mit CF erkennen bzw.
ausschließen zu können, gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen. Am gängigsten sind das Abhören (Auskultation) und das Abtasten (Palpation). Des Weiteren kann die
Funktion des Herzens mittels EKG (Elektrokardiogramm),
Blutdruckkontrolle und Sonographie geprüft werden.
Diese Untersuchungen sollten routinemäßig durchgeführt
werden. Eine Herzkatheteruntersuchung (Angiographie)
ist nur bei speziellen Indikationen vorgesehen, z. B. vor
einer Lungentransplantation oder bei Verdacht auf eine
Herzkranzgefäßerkrankung.
Das Blut fließt direkt vom Herzen in die Lunge und von
dort aus direkt zurück zum Herzen. Aus diesem Grund ist
bei Patienten mit Mukoviszidose ein erhöhter Blutdruck
im Lungenkreislauf zu finden, der direkt die Funktion des
Herzens beeinflusst und verschlechtern kann.
Anhand der Spiroergometrie kann neben der Lungenleistung unter Belastung auch die Herzleistung sehr gut
untersucht werden. Es ist daher sinnvoll, dies in regelmäßigen Abständen, z. B. im Rahmen des jährlichen Gesundheits-Check-up durchzuführen.
Erkrankungen des Herzens bei CF-Patienten sind eher selten. Sie können in Zusammenhang mit der Mukoviszidose
stehen, aber auch unabhängig davon auftreten, weil Patienten mit CF glücklicherweise immer älter werden und
wie andere Menschen auch altersbedingte Herzprobleme
bekommen können.
Aorta:
Es gibt in Ihrem Körper 2 Blutkreisläufe. Der Lungenkreislauf führt das Blut zur Lunge und wieder
zurück zum Herzen. Über die Aorta wird das nun mit
Sauerstoff angereicherte Blut dem Körperkreislauf
zugeführt, der die Organe des Körpers versorgt.
Herzklappen:
Die vier Herzklappen wirken im Herz als
Ventile und verhindern einen Rückstrom
des Blutes in die falsche Richtung.
28
Diagnostik
CF-spezifische Folgeerkrankungen
Das Fortschreiten der Lungenerkrankung, eine eingeschränkte Nierenfunktion, Gefäßveränderungen sowie
notwendige Medikamentengaben bedingen Folgeerkrankungen des Herzens. Eine der häufigsten ist dabei der
Bluthochdruck, der im Erwachsenenalter regelmäßig kontrolliert werden sollte.
Bluthochdruck
Der Blutdruck eines gesunden Herzens liegt bei 120/80
mmHg. Der erste Wert beschreibt das Geschehen vom
Herzen zu den Schlagadern, der zweite nimmt Bezug auf
die Blutfüllung des Herzens bis zur Erschlaffungsphase.
Ab Werten um 140/90 mmHg spricht man von Bluthochdruck. Wichtig hierbei ist jedoch, dass ein einziger zu hoch
gemessener Wert nicht allein dazu berechtigt, von einem
Bluthochdruck zu sprechen. Es ist vielmehr sinnvoll, wiederholte Messungen vorzunehmen und bei erhöhten Werten eine 24-Stunden-Langzeitmessung durchzuführen.
Dabei lassen sich die Blutdruckwerte in Ruhe bzw. unter
Belastung prüfen und beurteilen. Zusätzlich ist eine Aussage über die sog. Tag-Nacht-Rhythmik möglich. Dabei wird
kontrolliert, ob der Blutdruck nachts im Schlaf sinkt. Falls
das nicht der Fall ist, ist dies als krankhaft einzustufen.
Tachykardie
Zusätzlich tritt bei CF-Patienten, die unter Sauerstoffarmut leiden, das Phänomen eines sehr schnellen Pulses
auf (Tachykardie). Das Herz versucht den Mangel auszugleichen, indem es schneller schlägt. Man spricht deshalb
auch von „Bedarfstachykardie“.
Um abzuklären, ob darüber hinaus eine Herzrhythmusstörung vorliegt, erfolgt in solchen Fällen ein Elektrokardiogramm (EKG) oder sogar ein 24-Stunden-EKG. Eventuell
ist dann eine medikamentöse Therapie notwendig.
Altersbedingte Erkrankungen
des Herzens
Zu den altersbedingten Erkrankungen zählen der Herzinfarkt und die koronare Herzerkrankung, bei der sich die
Herzkranzgefäße aufgrund der Ablagerung von Blutfetten
und weißen Blutkörperchen verengen. Dies kann langfristig eine Verstopfung der Blutgefäße verursachen und zu
einem Infarkt führen.
Aus den oben genannten Gründen ist daher anzuraten,
neben der Diagnostik der Lunge auch regelmäßig die
Funktion des Herzens überprüfen zu lassen.
Lungenhochdruck
Neben einem Bluthochdruck kann bei Patienten mit CF
aufgrund des Fortschreitens der Krankheit auch ein sog.
Lungenhochdruck (Pulmonaler Hochdruck) entstehen.
Er stellt keine direkte Schwäche des Herzens dar, sondern ist Ausdruck einer fortgeschrittenen, schweren Lungenschädigung. Der Körper kann über die Lunge nicht
mehr ausreichend Sauerstoff aufnehmen. Während einer pulmonal-arteriellen Hypertonie verengen sich die
Lungengefäße. Die Gefäßmuskulatur verdickt, was dann
zu einem weiteren Anstieg des Lungenhochdrucks führt.
Die wichtigste Therapie in diesem Zusammenhang ist die
Sauerstofflangzeittherapie.
Rechtsherzinsuffizienz
Bei längerem Fortbestehen eines Lungenhochdrucks kann
sich eine Rechtsherzinsuffizienz entwickeln, die eventuell
mit einer Vergrößerung der rechten Herzkammer einhergeht. Ein Zeichen dafür können geschwollene Unterschenkel sein, in denen sich Wasseransammlungen (Ödeme)
bilden.
29
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.8
Skelett
Obwohl der Bewegungsapparat bei Mukoviszidose primär
nicht betroffen ist, können sich sekundär mit fortschreitendem Krankheitsverlauf Veränderungen an Skelett und
Weichteilgeweben entwickeln.
Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel
Ausdruck der chronischen Erkrankung der Lunge kann
die Entwicklung von Trommelschlegelfingern und/oder
Uhrglasnägeln sein. Nicht jeder CF-Patient ist davon in
gleicher Weise betroffen. Auch ist nicht immer ein chronischer Sauerstoffmangel erkennbar, der als Ursache verantwortlich gemacht wird. Aus diesem Phänomen, das mit
der Krankheitsschwere korreliert, ergibt sich meist keine
zusätzliche gesundheitliche Beeinträchtigung. Bisweilen
können aber begleitend Gelenkschmerzen oder schmerzhafte Auswüchse an den langen Röhrenknochen auftreten.
Quelle: Internet
Anders als beim Rheuma hinterlassen die schmerzhaften
Gelenkentzündungen keine bleibenden Gelenkschäden.
Die Gelenkbeteiligung lässt sich gut mit entzündungshemmenden Medikamenten, wie den sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), z. B. Ibuprofen und
Diclofenac, oder vorübergehend auch mit der Einnahme
von Kortisontabletten behandeln.
Medikamenten-assoziierte
Gelenkprobleme
Auch Medikamente können Gelenkprobleme hervorrufen. So kann die Antibiotikumgruppe der Chinolone, zu
der z. B. die Substanzen Ciprofloxacin, Levofloxacin oder
Moxifloxacin gehören, und die wegen ihrer PseudomonasWirksamkeit gerne bei CF eingesetzt werden, Gelenk- und
Muskelbeschwerden hervorrufen. Auch allergische Reaktionen auf Antibiotika, die im Rahmen einer intravenösen
pseudomonas-wirksamen Kombinationstherapie, der sogenannten i.v.-Therapie, eingesetzt werden, können mit
Gelenkschmerzen vergesellschaftet sein.
Osteoporose
Bisweilen schwerwiegende Langzeitfolge der Stoffwechselstörung bei Mukoviszidose kann ein Knochenschwund,
die sogenannte Osteoporose, sein. Darunter versteht man
eine Verringerung der Knochenmasse und eine dadurch
verstärkte Knochenbrüchigkeit.
Ursachen, Symptome, Folge
Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel
CF-Arthropathie
Ab dem Jugendalter treten bei ca. jedem zehnten CFPatienten wechselnde Gelenkschmerzen oder -schwellungen mit Bewegungseinschränkungen auf. Betroffen sind
bei dieser sogenannten CF-Arthropathie vor allem größere Gelenke, z. B. Schulter, Ellenbogen und Kniege. Aber
auch kleinere, z. B. am Finger, können schmerzhaft entzündet sein. Diese Beschwerden nehmen mit dem Alter
zu, treten schubweise auf und klingen meist nach einer
gewissen Zeit spontan wieder ab. Sie werden auf zirkulierende Immunkomplexe im Blut zurückgeführt, die aus
Bakterienbruchstücken und körpereigenen Abwehrstoffen
bestehen, und sich in den Gelenken absetzen können.
30
Ursachen sind ein gestörter Knochenaufbau in der Pubertät und später ein verstärkter Knochenabbau durch
eine Unterversorgung mit den fettlöslichen Vitaminen D
und K sowie eine gestörte Aufnahme von Calcium aus der
Nahrung. Auch mangelnde Bewegung, Appetitmangel und
Gewichtsabnahme, eine verspätete oder ausbleibende
Pubertätsentwicklung, ein CF-Diabetes sowie bestimmte
Medikamente, z. B. Kortison, können die Entwicklung einer
Osteoporose fördern. Dementsprechend ist diese Störung
bei CF, v. a. bei Erwachsenen mit fortgeschrittener Lungenerkrankung, häufig anzutreffen.
Zunächst verursacht die Osteoporose keine Symptome.
Oft ist ein Knochenbruch durch ein minimales Trauma,
manchmal auch ohne erkennbare Ursache, das erste Zeichen. Betroffen sind vor allem Wirbelkörper und Rippen.
Folgen sind schmerzhafte Bewegungseinschränkungen
der Wirbelsäule oder atemabhängige Schmerzen mit
Atemnot. Da diese Komplikationen sehr unangenehm sind
CF-Arthropathie (episodische Arthritis):
Man vermutet, dass die Gelenkschmerzen durch Immunreaktionen ausgelöst
werden, die auf der Grundlage der
chronischen Entzündung der Lunge
entstehen.
und sich ungünstig auf den Krankheitsverlauf auswirken,
z. B. dadurch, dass über Wochen auch Physiotherapie nur
eingeschränkt möglich ist, kommt der Vorbeugung große
Bedeutung zu.
Prophylaxe
Jeder CF-Betroffene sollte von früh an eine ausreichende
Grundversorgung mit Calcium und Vitamin D erhalten, die
über die Einnahme von Medikamenten, auch als Kombinationspräparate, gewährleistet werden kann. Leider werden derzeit ohne Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren die
Kosten dafür bei Erwachsenen von den Krankenkassen
nicht übernommen. Eine gute Ernährungssituation, eine
optimierte Diabetestherapie und regelmäßiger Sport wirken ebenfalls vorbeugend. Kortison, v. a. in Tablettenform,
sollte möglichst sparsam eingesetzt werden.
Osteoporose:
Bei der Mukoviszidose kann der
Vitamin- und Mineralstoffmangel zu
einem Substanz- und Strukturverlust
des Knochengewebes führen.
Knochendichte und -festigkeit gehen
zurück, wodurch das Risiko für
Knochenbrüche steigt.
die entweder als Screening mittels Sonographie oder diagnostisch aussagekräftiger als Röntgenuntersuchung,
(Dual-Röntgen-Absorptiometrie = DXA) oder Computertomographie (Quantitative CT = QCT) durchgeführt werden.
Leider werden auch dafür die Kosten von den gesetzlichen
Krankenkassen erst nach Auftreten einer ersten Fraktur
übernommen. Ein Hinweis auf einen gestörten Knochenstoffwechsel kann auch eine Erhöhung des Knochenenzyms Alkalische Phosphatase im Blut sein.
Liegt eine manifeste Osteoporose vor, werden neben einer intensivierten Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr auch
Knochenaufbaupräparate, sogenannte Bisphosphonate,
verordnet. Frakturbedingte Schmerzen werden symptomatisch mit Schmerzmitteln behandelt.
Um eine Osteoporosegefährdung im Vorfeld zu erkennen,
empfehlen sich regelmäßige Knochendichtemessungen,
31
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.9
Nasennebenhöhlen
Nase und Nasennebenhöhlen sind Bestandteile der
Atemwege und bedingt durch die CF ebenso von zähem
Schleim betroffen wie die Bronchien und die Lunge.
Aufbau und Funktion
Die durch Mund oder Nase eingeatmete Luft strömt über
den Rachen und Kehlkopf mit den Stimmbändern in die
Luftröhre und weiter zu den Bronchien. Von dort gelangt
die Atemluft in die kleinen Bronchien (Bronchiolen) und
schließlich in die Lungenbläschen (Alveolen).
Dort wird Sauerstoff (O2) ins Blut aufgenommen und
Kohlendioxid (CO2) über die Alveolen wieder abgegeben,
sprich: ausgeatmet.
Die gesamten Atemwege – also auch Nase und Nasennebenhöhlen – sind mit derselben Schleimhaut ausgekleidet.
Auf ihr befinden sich die kleinen Flimmerhärchen (Zilien),
die für den Abtransport des Schleims und der darin enthaltenen Bakterien, Viren und Staubpartikel zuständig
sind. Ihre Funktion ist bei Patienten mit CF eingeschränkt,
da durch den Basisdefekt der Chlorid-Kanal nicht richtig funktioniert und dadurch Entzündungen und zäher
Schleim entstehen (vgl. 1.2 Pathophysiologie).
Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
Eine Folge davon ist die chronische Besiedlung der
Schleimhaut mit Bakterien und wiederkehrende aufflammende Infektionen der Atemwege mit starken Entzündungsreaktionen, die auch in den Nasennebenhöhlen
auftreten können.
Entzündungen, Sinusitiden
Dies kann zu Schleimhautschwellungen der Nase und
Nasennebenhöhlen führen, wodurch die Zugänge der
Nasennebenhöhlen:
Bei der Mukoviszidose sind die
Nasennebenhöhlen sehr häufig mit
Sekret angefüllt, was zu Infektionen
und Entzündungen führen kann.
32
Nebenhöhlen eingeengt oder sogar komplett verschlossen werden können. Schmerzhafte Entzündungen (Sinusitiden) sind die Folge, die häufig auch den Geruchssinn
beeinträchtigen.
von Nase und Nebenhöhlen ermöglichen. Aufgrund einer
potentiellen Schädigung der Schleimhaut sollten diese allerdings nicht länger als 7 Tage eingesetzt werden.
Nasenpolypen
Um den zähen Schleim zu mobilisieren, kann der Einsatz
einer Nasendusche hilfreich sein. Die Nasennebenhöhlen
werden mit Flüssigkeit frei gespült und vom Schleim befreit.
Daneben treten bei Patienten mit CF auch Nasenpolypen auf. Dies sind lokale Ausstülpungen, die aufgrund der
Schwellung der Schleimhaut entstehen und sich bis in die
Nase vorwölben können und dabei Nasenatmung und Geruchssinn einschränken. Nasenpolypen sind durch eine Inspektion der Nasenöffnung mittels Spaltlampe einfach zu
diagnostizieren. Die Durchgängigkeit der Nase lässt sich
durch Messung des Luftwiderstands (Rhinomanometrie)
ermitteln. Meist geben die betroffenen Patienten aber
auch schon klinisch eine eingeschränkte Nasenatmung
an. Veränderungen der Nasennebenhöhlen hingegen können nur radiologisch dargestellt werden (Computer-, Magnetresonanztomografie oder Sonografie).
Sinnvoll ist in jedem Fall, das Sekret aus den Nasennebenhöhlen mikrobiologisch im Labor zu untersuchen, da
hier Bakterien, Pilze oder sonstige Erreger oft schon auftauchen, bevor sie im Bronchialsystem nachweisbar sind.
Therapieoptionen
Die Atemwegsproblematik in den Bronchien steht in der
CF-Therapie absolut im Vordergrund, da sie für die Prognose der Patienten am wichtigsten ist. Veränderungen
in den Nasennebenhöhlen werden leider oftmals vernachlässigt. Nicht selten beginnen Infektionen der Atemwege
aber in den oberen Atemwegen und „wandern“ erst im
weiteren Krankheitsverlauf in die Bronchien.
Um dort wiederkehrende Infektionen zu verhindern und
dem Fortschreiten von Infektionen von den oberen in die
unteren Atemwege vorzubeugen, sollte frühzeitig gezielt
behandelt und vorbeugend therapiert werden.
Folgende Therapien können dabei zum Einsatz kommen:
Nasensprays
Nasendusche
Nasale Inhalation
Mit dem Inhalationsgerät Pari Sinus®, das eine Vibration in
Form von Druckwellen erzeugt, können unterschiedliche
Medikamente nasal inhaliert werden. Dies sind z. B. Kortisonpräparate, Antibiotika, physiologische und hochprozentige Kochsalzlösungen etc., die zur Vorbeugung und
Therapie von Nasennebenhöhlenproblemen zum Einsatz
kommen und helfen, Symptome zu lindern.
Operation
Wenn die vorhandenen Therapien nicht (mehr) greifen,
kann es notwendig sein, operativ vorzugehen. Dabei ist
meist nicht ausreichend, vorhandene Polypen zu entfernen, da diese sehr rasch wieder neu entstehen können.
Um langfristig gute Ergebnisse zu erzielen, wird bei einer
Operation versucht, die Nasennebenhöhlen frei zu räumen
und den Eingang zu vergrößern, um eine bessere Belüftung zu gewährleisten. Danach ist eine nasale Inhalationstherapie, vor allem mit Kortisonpräparaten mit abschwellender Wirkung auf die Schleimhaut, sinnvoll. Der eigentliche Eingriff wird durch den HNO-Arzt vorgenommen. Die
enge Zusammenarbeit mit den CF-Ärzten ist allerdings
sehr zu empfehlen, da die Operation in Begleitung einer
intravenösen Antibiotikatherapie durchgeführt werden
sollte, um zu verhindern, dass Bakterien aus den Nasennebenhöhlen im Zuge der Operation zu einer Infektion
führen.
Ob und welche Diagnostik sowie Therapie bei Ihnen persönlich in Frage kommt, sollten Sie in Ruhe mit Ihrem
CF-Arzt besprechen.
Nasensprays, speziell mit dem Wirkstoff Kortison, bewirken langfristig eine Abschwellung der Schleimhäute. Die
Wirkung tritt nicht sofort ein, sondern kann bisweilen zwei
bis drei Wochen in Anspruch nehmen, weshalb die Therapie jedoch nicht vorzeitig abgebrochen werden sollte.
Zusätzlich werden kurzfristig bei akuter Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis) auch abschwellende Nasentropfen oder -sprays eingesetzt, die die (Wieder-)Belüftung
33
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.10 Augen
(Konjunktiven) oder die Augen fühlen sich trocken an.
Das Sehen gehört neben dem Schmecken, Riechen, Hören und Tasten zu den fünf Sinnen, die wir als Menschen
nutzen können. Das Auge und damit das Sehvermögen
sollten bei CF-Patienten ebenso wie bei allen anderen
Menschen regelmäßig überprüft werden.
Darüber hinaus können aufgrund von Vitaminmangel
Probleme mit dem Sehvermögen auftreten, weil die fettlöslichen Vitamine E, D, K und A nur bedingt resorbiert
werden. Für das Sehvermögen besonders wichtig ist in
diesem Zusammenhang das Vitamin A.
Trockenes Auge, Konjunktivitis
Aufgrund des Basisdefekts bei Mukoviszidose (vgl. 1.2
Pathophysiologie) ist bei Patienten mit CF häufig zu wenig Tränenflüssigkeit vorhanden, da die Sekrete im Auge, ähnlich wie in den Bronchien, eingedickt sind. Häufig
entstehen dadurch Entzündungen an den Bindehäuten
Bei einem starkem Vitaminmangel kann es sogar zu einer
Konjunktivitis xerosis (xerosis = trocken) oder Nachtblindheit kommen. Dieser Fall ist allerdings eher selten, da der
Status der Vitamine bei Patienten mit CF routinemäßig
kontrolliert wird. Ein möglicher Mangel fällt daher frühzeitig auf, sodass die Vitamine im Bedarfsfall substituiert
werden können.
Tränendrüse:
Verminderte Tränenmenge und veränderte
Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit,
dadurch häufiger das Erkrankungsbild des
„trockenen Auges“.
Ziliarkörper
vordere
Augenkammer
hintere
Augenkammer
34
Ziliarkörper
Tränennasengang:
Der Tränennasengang leitet
über die Tränenwege die
Tränenflüssigkeit in die Nase ab.
Glaukom
Andere Erkrankungen des Auges hängen damit zusammen, dass Patienten mit Mukoviszidose immer älter werden und über lange Zeiträume auf Medikamente angewiesen sind, die u. a. den Augeninnendruck verändern können.
Dies kann zu einem „grauen Star“ (Glaukom) führen. Es
ist daher anzuraten, den Augendruck regelmäßig untersuchen zu lassen, vor allem aber auch kurzfristig dann,
wenn Medikamente wie z. B. Kortisonpräparate über eine
längere Zeit eingenommen werden müssen.
Leider gibt es beim Glaukom keine Frühsymptome wie bei
anderen Augenerkrankungen, bei denen die Augen gerötet sind oder stark jucken. Die Erkrankung läuft vielmehr
zu Beginn für die Patienten unbemerkt und schmerzfrei
ab. Aus diesem Grund sollte auch ohne Symptomatik der
Augeninnendruck regelmäßig kontrolliert werden.
Welche Medikamente im Einzelnen das Auge und seine
Funktionen beeinträchtigen können, sollten Sie im Bedarfsfall mit Ihrem CF-Arzt besprechen.
35
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.11Medikamenten-assoziierte
Probleme
Die Behandlung der Mukoviszidose verfolgt zwei Ziele:
Zum einen sollen das Fortschreiten der Erkrankung und
dadurch bedingte gesundheitliche Verschlechterungen aufgehalten werden. Zum anderen geht es darum,
infektbedingte Einbrüche, Sonderprobleme oder Komplikationen zu behandeln. CF-Betroffene müssen daher ab​
Diagnosestellung ihr Leben lang regelmäßig Medikamente
einnehmen. Diese können auch unerwünschte Auswirkungen haben, die im Verlauf der Behandlung oder als bleibende Spätfolgen in Erscheinung treten.
Unbedenkliche Stoffe
Weitgehend unbedenklich sind die Stoffe, die dem Körper
durch die Krankheit fehlen und ersetzt werden müssen,
wie Pankreasenzyme, Vitamine, Spurenelemente oder
sonstige Nahrungszusätze. Auch die Inhalationsbehandlungen mit schleimlösenden oder bronchialerweiternden
Medikamenten und mit inhalativen Antibiotika sind bei
hygienisch korrekter Durchführung meist gut verträglich
und nebenwirkungsarm, wenn man von einer möglichen
Reizung der Atemwege absieht.
Nebenwirkungsreiche Stoffe
Bei CF häufig eingesetzte Medikamente, die mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen einhergehen können, sind
Antibiotika, Antimykotika (Pilzmittel) und Kortison. Nach
einer Lungentransplantation ist i. d. R. eine Behandlung
mit Medikamenten wie Immunsuppressiva (abwehrhemmende Substanzen) und Virustatika (virusabtötende Mittel) erforderlich, die mit einem höheren Nebenwirkungsrisiko verbunden sind.
Antibiotika
Die bei der CF-Therapie im Vordergrund stehende Medikamentengruppe sind die Antibiotika. Sie wirken keimabtötend und verhindern ein Fortschreiten der Lungenschädigung. Sie werden daher großzügig eingesetzt und sind
eine wichtige Lebensversicherung für die CF-Betroffenen.
In der Regel sind sie auch gut verträglich, können aber
trotzdem in individuell unterschiedlicher Ausprägung Nebenwirkungen verursachen.
Wirkungen auf den Magen-Darm-Trakt
Die häufigsten unverwünschten Wirkungen von Antibiotika
sind Magen-Darm-Probleme wie Durchfall, Bauchschmerzen und Erhöhung des Enzymbedarfs. Dies kann auf einer Eigenwirkung der eingesetzten Substanzen, aber auch
auf einer Störung der physiologischen Darmflora beruhen.
Meist sind die Nebenwirkungen tolerabel und treten vor
allem am Anfang der Behandlung auf. Als Komplikation
kann aber auch eine schwere Störung der Darmflora mit
starker Vermehrung des Bakteriums Clostridium difficile
entstehen. Die Antibiotika-assoziierte Dickdarmentzündung oder pseudomembranöse Kolitis äußert sich in Symptomen wie Fieber, starken Bauchschmerzen und zunehmenden wässrigen Stuhlentleerungen, bei deren Auftreten
im Rahmen einer Antibiotikumbehandlung umgehend der
Arzt oder die CF-Ambulanz kontaktiert werden muss.
Allergische Reaktionen, allergischer Schock (Anaphylaxie)
Eine weitere mögliche Begleiterscheinung von Antibiotika
sind Allergien. Eine allergische Sofortreaktion des gesamten Körpers, die direkt nach Einnahme des Antibiotikums
auftritt, wird zum Glück sehr selten beobachtet, ist aber
dann ein medizinischer Notfall und sofort behandlungsbedürftig. Natürlich ist die Medikamentengabe, z. B. bei
einer intravenösen Antibiotikumtherapie, in einem solchen Falle sofort zu unterbrechen. Viel häufiger kommt
es dagegen, z. B. im Rahmen der i.v.-Therapie, zu einer
verzögerten allergischen Reaktion, die meist erst nach
mehrtägiger Behandlung auftritt und sich mit zunehmendem Hautauschlag, Gelenkschmerzen oder Fieber äußern
kann. Meist reicht es, in diesem Fall das Antibiotikum zu
wechseln oder die Behandlung zu beenden. Selten ist eine
medikamentöse Behandlung erforderlich.
Substanzspezifische Besonderheiten
Antibiotika weisen bisweilen auch substanzspezifische Besonderheiten auf. So können das häufig bei i.v.-Therapien
eingesetzte Antibiotikum Tobramycin, wie auch andere
36
Stoffe aus der Gruppe der Aminoglykoside, Schäden an
den Nieren oder am Innenohr zur Folge haben. Zur besseren Wirksamkeit bei gleichzeitig geringerer Toxizität wird
Tobramycin mittlerweile meist nur noch einmal am Tag
intravenös verabreicht. Mit Blutspiegelkontrollen kann
man zusätzlich eine Überdosierung erkennen. Bei wiederholter Anwendung empfehlen sich regelmäßige Kontrollen
der Nierenwerte aus dem Blut sowie die HNO-ärztliche
Überprüfung des Gehörs. Die ebenfalls häufig eingesetzten Chinolone, z. B. Ciprofloxacin, können schmerzhafte
Entzündungen an Sehnen und Sehnenansätzen verursachen. Schließlich können einige Antibiotika wie Tetrazykline, z. B. Doxyzyklin, und die bereits angesprochenen
Chinolone auch eine vermehrte Empfindlichkeit gegenüber UV-Strahlen verursachen. Ein guter Sonnenschutz ist
dann wichtig.
Die Aerosoltherapie mit Antibiotika ist eine attraktive Option für die Behandlung von Infektionen.
Kortison
Systemisches Kortison, d. h. Kortison zur Einnahme in Tablettenform oder zur i.v.-Gabe über die Vene, ist zur Behandlung von Entzündungen oder Allergien im Körper erforderlich. Die allergische, bronchopulmonale Aspergillose,
eine häufige Begleiterkrankung bei CF, wird z. B. in erster
Linie mit Kortisontabletten behandelt, ggf. unterstützt mit
einem Pilzmittel.
Nebenwirkungen, Folgeschäden
Bei längerer Behandlungsdauer kann Kortison abhängig
von der Dosis deutliche Nebenwirkungen und Folgeschäden hinterlassen. Sichtbarstes Zeichen ist eine Gewichtszunahme vor allem im Gesichts- und Stammbereich, ein
sogenanntes Cushingsyndrom, mit der Ausbildung eines
„Vollmondgesichtes“. Im Verlauf kann auch eine Zuckerkrankheit, ein CF-Diabetes, ausgelöst oder verstärkt werden. Im Kindes- und Jugendlichenalter kann Kortison zur
Wachstumsverzögerung oder zum Minderwuchs führen.
Bei Erwachsenen besteht die Gefahr einer vermehrten
Knochenbrüchigkeit (Osteoporose). Auch die Haut kann
pergamentartig dünn werden.
Immunsuppressiva
Inhalative Antibiotika liefern hohe Dosen direkt an den
Ort der Infektion, nämlich die Atemwege, während nur ein
geringer Anteil des Medikaments ins Blut aufgenommen
wird. Körperliche Nebenwirkungen können dadurch reduziert werden.
Schwere Nebenwirkungen können vor allem die Medikamente haben, die nach einer Lungentransplantation zur
Immunsuppression verabreicht werden. Das Auftreten
eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus ist die Regel.
Auch Nierenschäden und Bluthochdruck sind häufig. Die
Folge der Unterdrückung der körpereigenen Abwehr, die
notwendig ist, um die drohende Transplantatabstoßung
zu verhindern, ist eine erhöhte Infektanfälligkeit, die eine komplette Umstellung des täglichen Lebens nach sich
zieht. Dazu gehören notwendiger Weise das Meiden sozialer Kontakte, das Tragen eines Mundschutzes in der
Öffentlichkeit, verschärfte Hygienevorkehrungen und eine
eingeschränkte Reisetätigkeit. Zusätzlich müssen Medikamente zur Infektverhütung, wie z. B. Antibiotika, Antimykotika und Virustatika eingenommen werden.
Neben der Niere ist auch die Leber an der Ausscheidung bzw. dem Abbau von Medikamenten beteiligt. Bei
bestimmten Substanzen, wie z. B. Antimykotika, ist auch
eine Leberschädigung möglich, sodass hier regelmäßige
Kontrollen der Leberwerte notwendig werden (vgl. dazu
auch 3.5).
37
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
3.12 Reproduktion und Sexualität
D ie Tatsache, dass mittlerweile mehr als 50 Prozent der
Patienten mit CF das Erwachsenenalter erreicht haben,
führt natürlicherweise vermehrt zum Gedanken nach einem Kinderwunsch. Schließlich sind Familiengründung
und Kinder für viele Menschen wichtiger Bestandteil des
Lebens. Es gilt jedoch beim Thema „Kinderwunsch mit
CF“ einige grundlegende Punkte zu berücksichtigen.
Medizinische Vorbedingungen
beim Mann
98 Prozent der männlichen Patienten sind unfruchtbar,
was aber nicht heißt, dass diese Männer keine Kinder zeugen können. Vielmehr bedeutet dies, dass es ihnen nicht
möglich ist, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen.
Die Ursachen hierfür liegen darin, dass entweder der/
die Samenleiter von Geburt an fehlen, verklebt bzw. nicht
durchgängig oder aber unterbrochen sind (Ductus deferens-Aplasie), wobei letzteres am häufigsten vorkommt.
Dies führt dazu, dass im Sperma keine Samenzellen vorhanden sind, worüber das sog. Spermiogramm Auskunft
gibt, das vom Urologen oder an einem Kinderwunschzentrum erstellt werden kann. Unbeeinflusst davon bleibt jedoch die Spermienproduktion. Die Samenzellen können
nur nicht transportiert werden. Dennoch produzieren Männer mit CF einen Samenerguss (Ejakulat) beim Orgasmus,
da neben der Spermienflüssigkeit auch Flüssigkeit aus
den Samenbläschen dafür verantwortlich sind. Insgesamt
ist die Menge des Ejakulats und der darin enthaltenen
Spermien geringer als bei gesunden Männern.
Samenstau:
Bei vielen männlichen CF-Patienten
ist der Samenleiter verschlossen
oder fehlt vollständig. Dies führt
dazu, dass im Ejakulat keine
Samenzellen zu finden sind, obwohl
die Spermienproduktion in den
Hoden völlig normal abläuft.
Prostata
Samenleiter
Nebenhoden
Hoden
38
Methoden zur Samengewinnung
Lässt sich unter dieser Voraussetzung ein Kinderwunsch
nicht realisieren, besteht die Möglichkeit, aus dem
Hoden (Testis) oder Nebenhoden (Epididymis) Spermien
zu gewinnen. Prinzipiell ist auch ein operatives Vorgehen
möglich, um den/die Samenleiter wieder herzustellen. Der
einfachere Weg ist die Entnahme, die dementsprechend
auch von den meisten CF-Ärzten vorgeschlagen wird.
MESA
Die Methode zur Gewinnung der Spermien aus den
Nebenhoden heißt MESA (engl.: Microsurgical Epididymal
Sperm Aspiration = mikrochirurgische Spermienaspiration
aus dem Nebenhoden). Bei diesem Verfahren wird, meist
in lokaler Anästhesie oder seltener auch in Vollnarkose,
der/die Samenleiter aufgesucht und freigelegt. Hieraus
erfolgt dann mit einer Mikrokanüle die Entnahme von
Spermien durch Ansaugen (Aspiration). In der Regel geschieht dies ambulant, sodass kein Aufenthalt über Nacht
im Krankenhaus notwendig ist.
für Mukoviszidose zu testen. Sollte der Merkmalsträgertest
positiv sein, besteht beim Kind eine 50 %-ige Wahrscheinlichkeit, auch an CF zu erkranken. Welche Konsequenzen
daraus gezogen werden können oder müssen, sollte im
Gespräch mit dem CF-Arzt erörtert werden.
Neben allen medizinischen Aspekten ist aber ganz wichtig zu betonen, dass Sexualität und Lustempfinden bei
Patienten nicht durch die Mukoviszidose eingeschränkt
werden, sondern ebenso gelebt werden können, wie von
gesunden Menschen auch.
TESE
Die zweite Möglichkeit Samen zu gewinnen, ist die
Methode TESE (Testikuläre Spermien-Extraktion). Die
Spermien werden durch eine Gewebeprobe (Biopsie)
des Hodens gewonnen. Bei diesem Verfahren erfolgt der
Zugang über einen Hodensackschnitt, in seltenen Ausnahmefällen auch über einen Schnitt in der Leiste. Wenn
Biopsien von beiden Hoden entnommen werden sollen, ist
auch dafür nur ein Schnitt erforderlich, und zwar entlang
der Mittellinie des Hodensacks (Raphe), von wo aus beide
Hoden erreichbar sind. Die gewonnenen Spermien werden
anschließend tiefgefroren (kryokonserviert).
Künstliche Befruchtung
Um bei einer künstlichen Befruchtung möglichst gute
Chancen auf Erfolg zu haben, wird die sog. intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) durchgeführt. Dabei
wird die Eizelle mit einer Kanüle fixiert und mit einer dünnen Nadel das Spermium in die Eizelle eingebracht. Das
gleiche Prinzip wird bei der In Vitro Fertilisation (IVF) angewandt, bei der zuvor der Frau eine Eizelle entnommen
wird, die dann direkt mit einem Spermium beimpft wird.
Klärung der Genträgerschaft
Bevor diese Maßnahmen eingeleitet werden, ist es für Paare mit Kinderwunsch allerdings empfehlenswert, den jeweils CF-Betroffenen auf eine eventuelle Genträgerschaft
Medizinische Vorbedingungen
bei der Frau
Bei der Frau sind es weniger die fehlenden anatomischen
Voraussetzungen für eine Schwangerschaft als die Tatsache an sich, die ausführlicher Beratung bedarf. Zum einen
geht es um den körperlichen Zustand der Patientin, zum
anderen ist die Einnahme bestimmter Medikamente zu
besprechen.
39
Medizinische Themen
CF im Erwachsenenalter
Eine gute gesundheitliche Konstitution ist schon allein
deshalb wichtig, weil im Verlauf einer Schwangerschaft die
Lungenfunktion schlechter werden und dies die Prognose
der Patientin langfristig verschlechtern kann. Die Lungenfunktion sollte größer als 50 Prozent sein, wenn eine
Schwangerschaft geplant wird. Denn allein das Wachstum
des Embryos bedingt, dass die Lunge nach oben gedrückt
wird und dadurch weniger Lungenvolumen vorhanden ist.
Zusätzliche CF-Vorsorge
Während der Schwangerschaft sind regelmäßige Untersuchungen in kürzeren Abständen sinnvoll, um z. B. einen
Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck auszuschließen. Dies tritt häufiger als sonst auf, weshalb der
CF-Arzt am besten alle 4 Wochen Kontrollen durchführen
sollte.
Fortführung der Basistherapie
Hinsichtlich der notwendigen Medikamente sollte in jedem
Fall die Basistherapie fortgeführt werden, wobei möglichst
mit Medikamenten pausiert werden sollte, die das Ungeborene schädigen könnten. Besonders wichtig bleibt aber
auch in der Schwangerschaft, pulmonale Exacerbationen
frühzeitig zu behandeln, um einen insgesamt stabilen Allgemeinzustand erhalten zu können.
40
Fazit und Ausblick
Im Zusammenhang mit Familienplanung und Kinderwunsch gibt es für männliche und weibliche Patienten mit
CF viele Themen mit dem CF-Arzt zu besprechen. Aus
medizinischer Sicht sollten die notwendigen Therapien
während und nach der Geburt eines Kindes weiterhin konsequent durchgeführt werden. Daneben muss die Versorgung des Kindes während eines Krankenhausaufenthaltes
eines CF-betroffenen Elternteils gewährleistet sein. Zudem ist auch zu beachten, dass Kinder im Kleinkindalter
häufig Infekte haben, die meist viraler Herkunft sind und
an denen sich Eltern schnell anstecken können. Für den
Elternteil mit CF besteht dadurch eine erhöhte Gefahr für
eine bronchopulmonale Exacerbation. Schon aus diesen
Gründen ist Paaren bei der Familienplanung sehr zu empfehlen, einen möglichst breiten Unterstützungsapparat
aufzubauen, um das gemeinsame Glück in Ruhe genießen
zu können.
Über die vielfältigen Veränderungen im Alltag, die notwendigen Vorbereitungen sowie die positiven und beglückenden Aspekte, die mit der Geburt eines Kindes einhergehen, gibt Kapitel 5 „Familienplanung“ im Psychosozialen
Teil dieses Logbuchs detailliert Auskunft (s. S. 11 ff.).
Psychosoziale Themen
Junge Erwachsene
1Junge Erwachsene
Mukoviszidose ist eine Erkrankung, die in vielfältiger Weise
den Alltag und die Lebensumstände der Betroffenen bestimmt. Sie sollte allerdings nicht der alleinige Inhalt des
Lebens sein, auch wenn jeder Mukoviszidose-Patient seit
der Diagnosestellung den hohen Zeitaufwand und die erforderliche Disziplin für die Therapie kennt. Dies ist selbstverständlich notwendig, um nach Möglichkeit keine Verschlechterung des Krankheitsverlaufs zu erhalten. Daneben bleiben aber der Wunsch nach Liebe, Geborgenheit
und Partnerschaft sowie nach gesellschaftlicher Teilhabe
im beruflichen und sozialen Bereich.
So ergibt sich neben der Erkrankung viel Raum für ein
selbstverantwortliches, selbstständiges und selbstbewusstes Leben, das mit und nicht für die Mukoviszidose geführt werden sollte.
Mit dem Erwachsenwerden gehen viele existenzielle Entscheidungen einher. Ganz wesentlich ist die Wahl einer
geeigneten Ausbildung und die damit angestrebte berufliche Tätigkeit. Dies ist oft schon für Gesunde eine große
Herausforderung, gilt es doch, einen Kompromiss zwischen persönlichen Interessen und Wünschen und den
verfügbaren Angeboten zu finden. CF-Betroffene müssen
darüber hinaus auch die Erfordernisse ihrer Krankheit berücksichtigen und in ihre Entscheidung einfließen lassen.
Ein weiterer bedeutender Schritt ist die Loslösung vom
Elternhaus. Sie bedeutet einen Zuwachs an Freiheit und
Selbstständigkeit, z. B. in Bezug auf die erste eigene Wohnung und den Haushalt, aber auch ein Mehr an Verantwortung für das eigene Leben, respektive den Umgang
mit der Mukoviszidose. Für junge Erwachsene mit CF ist
dies ein großer Schritt, haben doch bisher in der Regel die
Eltern mit für die Einhaltung der erforderlichen Therapien
gesorgt – eine Aufgabe, die sie nun selbst übernehmen
müssen.
Es gibt viele Faktoren, die in dieser Entwicklungsphase zu
berücksichtigen sind. Vor allem aber hängt die persönliche Lebensführung von der Krankheitssituation ab, in der
sich der Mukoviszidose-Betroffene gerade befindet. Jeder
CF-Patient hat einen individuellen Krankheitsverlauf, die
Erkrankung ist unterschiedlich weit fortgeschritten und
erfordert entsprechend abgestimmte Therapieansätze
und auch -umfänge, die nicht nur täglichen Aufwand bedeuten, sondern ggf. zusätzlich ganze Wochen, z. B. für Rehabilitationsaufenthalte, in Anspruch nehmen. Wie ist dies
mit den Wünschen und Träumen Betroffener für sich
selbst und ihr Leben in Einklang zu bringen? Wo sind die
durch die Mukoviszidose aufgezeigten Grenzen und wo die
individuellen Spielräume?
CF-Betroffene werden sehr früh mit der Tatsache konfrontiert, dass die Mukoviszidose möglicherweise auch der insgesamt verfügbaren Lebenszeit eine Grenze setzen kann.
Daher fließt in viele Entscheidungen auch das Bewusstsein
über die eigene Endlichkeit oder ein frühes Sterben mit ein
und nimmt Einfluss auf die Lebensführung, die entsprechend darauf abhebt, lebenswert, erfüllt und selbstbestimmt zu sein. Dieser Prozess wird schon in der Jugend
angelegt und in den Gesprächen mit Eltern, Therapeuten,
Ärzten und Freunden richtungsweisend bearbeitet.
Der Weg in die Selbstständigkeit
Jeder Mensch setzt sich in der Pubertät mit sich selbst
und den durch die Eltern und die Gesellschaft gesetzten
Grenzen auseinander. Im Gegensatz zu Gesunden jedoch
werden Mukoviszidose-Betroffenen viele zusätzliche Grenzen aufgezeigt, die den Prozess des Erwachsenwerdens
erschweren.
Von daher ist es verständlich, dass manche junge Erwachsene früher oder später eine Phase des Ausprobierens oder der Rebellion in Bezug auf die Therapie
durchleben. Dieses »Ausprobieren und Zu-sich-finden«
ist zwar im Hinblick auf die Therapie aus ärztlicher
Sicht nicht empfehlenswert. Für junge CF-Betroffene
kann dies aber eine wichtige Erfahrung sein, um die
durch die Mukoviszidose bedingten Grenzen zu erkennen
und sich darauf einzustellen.
1
Psychosoziale Themen
Junge Erwachsene
Die in der Pubertät erlebten Grenzerfahrungen, ob nun
gesellschaftlich oder gesundheitlich, legen die Weichen
für den weiteren Lebensverlauf und vermitteln auch, ab
welchem Punkt Hilfen in Anspruch genommen werden
müssen. Glücklich ist, wer in dieser Entwicklungsphase
umfängliche Unterstützung aus dem Elternhaus erfährt.
Darüber hinaus ist die Erkenntnis wichtig, dass das »Sicheinstellen« auf die Krankheit ein Prozess ist, der nie abgeschlossen ist, sondern sich kontinuierlich durchs Leben
zieht.
Lebensplanung contra
Leben auf der Überholspur
Partnerschaft, Haushaltsführung, Arbeitsleben, Sozialkontakte und Therapie in Einklang zu bringen, ist ein großes
Ziel. Trotz der Mehrfachbelastung zeigt sich ganz eindeutig, dass viele Erwachsene mit Mukoviszidose ihren Lebensmut nicht verlieren und ihr Leben sinnvoll und erfüllt
gestalten möchten.
Hieraus leitet sich die Erkenntnis ab, wie die Balance zwischen Therapieanforderung und täglichem Leben aussehen kann, in welchen Bereichen Unterstützung Dritter
benötigt wird, und wie die Signale des Körpers zu interpretieren sind, um sich nicht selbst zu überschätzen. Dies
führt aufgrund der sich immer ändernden Krankheitssituation zu einem stets neu einzustellenden Prozess der Anpassung, der auch die nähere Umgebung im privaten und
beruflichen Umfeld tangiert und eine außergewöhnliche
Belastung darstellen kann.
Zwischen Außenseiterrolle
und Integration
So müssen CF-Kranke auch mit Widerständen rechnen,
die aus der Außenseiterrolle resultieren, die ihnen seitens
der Gesellschaft oder aus dem beruflichen Umfeld zugewiesen wird. Ständige Rücksichtnahme oder Ausgrenzen
aus körperlichen Tätigkeiten führt zu einer Sonderstellung,
in der sich viele Mukoviszidose-Betroffene unwohl fühlen
und lernen müssen, damit zurecht zu kommen.
Dies gipfelt in Diskussionen über die Kosten erforderlicher
Behandlungen oder über den Wert des Lebens, da über
vorgeburtliche Untersuchungsmöglichkeiten Erberkrankungen selektiert werden könnten . . .
Über persönliche Netzwerke, Vereine, Eltern, Ärzte und öffentliche Institute finden Menschen mit CF die notwendigen Informationen über medizinische und wirtschaftliche
Hilfsangebote, um ein möglichst selbstständiges Leben
innerhalb der gesetzten Grenzen zu führen. Hierzu gehört
auch eine ausgefüllte Sexualität, die zumeist in einer Partnerschaft gesucht wird. Viele der Betroffenen finden einen
gesunden Partner.
Es gibt mittlerweile aber vereinzelt auch Paare mit der
gleichen Erkrankung, die in dieser Partnerschaft per se
Verständnis und Rücksicht auf die Krankheit erfahren.
2
Hierher gehört die bewusste, oft frühe Entscheidung für
Kinder, auch wenn der Wunsch als eine Folge der Mukoviszidose vielleicht nicht in Erfüllung geht.
CF-Betroffene erkennen die Kostbarkeit des Lebens
ausgeprägter als gesunde Menschen, da sie in der Regel früher mit dem Thema Tod und Sterben konfrontiert
werden. Dies alles führt zu einer bewussten, intensivierten
und kontrollierten Lebensplanung, die von Außenstehenden oft fälschlicherweise als Leben auf der Überholspur
gedeutet wird.
Der Umgang mit Behörden
Zur Selbstständigkeit im Erwachsenenalter gehört auch
die Selbstsicherheit im Umgang mit Behörden, Krankenhäusern und Ärzten.
Nicht selten zählen in unserer Gesellschaft wirtschaftliche
Kriterien mehr als soziale Aspekte. Daher werden Sonderurlaube oder die Einrichtung flexibler Arbeitszeiten, Kuren
oder Rentenanträge oftmals zunächst abgewiesen. Ähnliches gilt für Medikamente und notwendige Hilfsmittel,
wie z. B. Inhalatoren. Hier gilt es konsequent die geltenden
Ansprüche anzumelden und einzufordern.
Das Verhältnis zwischen
Arzt und Patient
Die Wahl des behandelnden Arztes, der Ambulanz oder
der Klinik ist eine Herausforderung, der sich der Betroffene stellen muss.
Dazu sollte man sich entsprechend informieren und als
mündiger Patient auftreten, der sich traut, Fragen zu
stellen, Therapien und Medikamente mit den Ärzten zu
diskutieren oder im Zweifelsfall eine zweite Fachmeinung
einzuholen.
Wichtig ist, dass krankheitsbezogene Informationen an
die individuelle CF-Symptomatik angepasst werden, die
oft keinen »typischen« Verlauf hat. Für spätdiagnostizierte
Erwachsene ist meist kein spezielles Aufklärungsmaterial
vorhanden. Aus den Broschüren für Kinder mit CF oder
der Internetrecherche trifft nicht alles auf die eigene Situation zu. Daher ist das ausführliche Gespräch mit dem
CF-Behandler die beste Grundlage, um Wissen über den
Umgang mit der Erkrankung zu erwerben.
Das ist legitim und sollte schon aus reinem Eigeninteresse geschehen, da für Mukoviszidose-Betroffene jede
Verschlechterung des aktuellen Gesundheitszustandes
als Minimierung der verbleibenden Gesamtzeit gesehen
werden kann. Gleiches gilt selbstverständlich auch für
vorhersehbare Folgeschäden der Erkrankung und daraus
resultierende Fragen, wie z. B. die Option einer Lungentransplantation.
Exkurs: Späte CF-Diagnose
Die Diagnosestellung im Erwachsenenalter kann verschiedene Ursachen haben. Möglicherweise bestehen nur
leichte bzw. periodisch auftretende Symptome oder aber
lange bestehende Symptome wurden als »untypische«
Lungenerkrankung oder Verdauungsprobleme behandelt,
ohne dass die Verdachtsdiagnose Mukoviszidose gestellt
worden ist.
Die Diagnoseeröffnung kann starke Gefühle wie Schock,
Angst und Depression, aber auch Ärger oder Nichtwahrhaben-Wollen nach sich ziehen. Viele Patienten sind auf den
zweiten Blick erleichtert, dass ihre vielfältigen Beschwerden einen krankheitsbezogenen Zusammenhang haben
und CF-assoziiert sind. Oft hat damit eine Behandlungsodyssee ein Ende, und man fühlt sich im CF-Zentrum gut
behandelt und verstanden. Viele Patienten sind auch froh,
dass die eigene Kindheit nicht von dem Wissen um die
chronische Erkrankung überschattet war.
Die Diagnose stellt ein einschneidendes Lebensereignis
dar, das mit bedeutsamen Veränderungen für viele Dimensionen des Lebens einhergeht: das Selbstverständnis,
partnerschaftliche, berufliche und Zukunftsperspektiven
sowie Lebensstil und Alltagsführung sind betroffen. Dieser Prozess der Umwälzung des Lebenskonzepts und der
Anpassung an die neue Identität als chronisch kranker
Mensch mit CF braucht seine Zeit.
3
Psychosoziale Themen
Die Erkrankung kommunizieren
2Die Erkrankung
kommunizieren
Wenn Sie im Privat- oder Berufsleben in Situationen kommen, in denen es darum geht, über Ihre Erkrankung zu
sprechen, ist es hilfreich, sich darüber bewusst zu sein,
dass Sie selbst es sind, der entscheidet, in welcher Weise
dies geschehen soll. Sie legen Zeitpunkt, Ort und Umfang
des Gespräches fest. Auch die Art und Weise, wie Sie mit
Ihrem Gegenüber reden – sachlich, vertrauensvoll oder
eher beiläufig – will wohl überlegt sein.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, welches Ziel man mit
seiner Information erreichen will. Die Mitteilung einer
schweren Erkrankung kann, unüberlegt vermittelt, Sorgen
und Ängste beim Gesprächspartner auslösen, die das weitere Miteinander erheblich beeinträchtigen können.
Hilfreich ist auch, darüber nachzudenken, wie Sie Ihr Gegenüber einschätzen. Haben Sie es mit einem verständnisvollen, hilfsbereiten oder eher einem neugierigen oder
geschäftsmäßig nüchternen Menschen zu tun?
Wer kommuniziert, möchte verstanden werden und
wünscht sich möglichst »normale« Reaktionen seiner Mitmenschen. Die Erfahrungen beim Thema Mukoviszidose
können diesbezüglich recht unterschiedlich sein:
Die Mitmenschen reagieren
• entsetzt, wenden sich ab und meiden zukünftig den
Kontakt
• betroffen und haben Mitleid
• normal und bieten Unterstützung an
• desinteressiert und wechseln schnell das Thema
• interessiert bis neugierig, fragen nach und erzählen
das Erfahrene möglicherweise weiter
Daneben sind natürlich viele andere Reaktionen denkbar.
Auch Ihr persönlicher Gesundheitszustand hat Einfluss auf
die Art und Weise der Kommunikation über Ihre Erkrankung. Manchen Betroffenen fällt es leichter, angemessen
zu informieren, andere tun sich schwer damit und müssen
dies vielleicht sogar vorher »üben«. Ein Rollenspiel vor einem wichtigen Bewerbungsgespräch kann hier z. B. sehr
nützlich sein.
Informationen können schriftlich (z. B. per Faltblatt,
Zeitungsartikel, Sachbuch) oder mündlich gegeben werden.
Sie können inhaltlich allgemein gehalten sein oder ganz
4
konkret die eigene Krankheitssituation, grundsätzlich oder
aktuell, beschreiben. Im Privat- wie im Berufsleben gilt: Sie
sollten Ihr Gegenüber mit der Information, die Sie geben,
nicht überfordern. Je näher Sie Ihrem Gesprächspartner
stehen und je besser Sie ihn kennen, desto mehr Verständnis können Sie erwarten.
Weniger ist oft mehr – dies gilt vor allem im Berufsleben,
wenn es z. B. um eine Bewerbung geht. Hier gilt es sachlich nur darüber zu berichten, was für die Ausbildung oder
die angestrebte Arbeitsstelle hinsichtlich der Mukoviszidose relevant ist.
Es gibt viele Möglichkeiten, über CF zu sprechen. Wir wünschen Ihnen, in allen Lebenslagen den »richtigen«, zu Ihnen passenden Weg zu finden.
Psychosoziale Themen
Bedeutung des sozialen Netzes
3Bedeutung des sozialen Netzes
Neben einem gut funktionierenden medizinischen Netzwerk ist für Menschen mit Mukoviszidose vor allem auch
ein tragfähiges soziales Netz wichtig, das aus ganz unterschiedlichen Personen besteht. Dazu gehören Eltern,
Geschwister, der Ehepartner, Freunde und Bekannte, aber
auch andere Betroffene, die man in Klinik, Reha oder auf
CF-Veranstaltungen kennengelernt hat. Sie alle helfen dabei, den Alltag mit der Mukoviszidose besser zu meistern.
2)Manche Betroffene haben auch Angst vor Verunsicherung, wenn sie möglicherweise mit schweren
Krankheitsverläufen anderer konfrontiert werden.
Erfahrungsgemäß ist gerade das Gegenteil der Fall. Es
kann sehr ermutigend sein zu sehen, wie positiv auch
schwerst betroffene Patienten ihr Leben gestalten.
3)Im Extremfall meiden Patienten mit CF jeglichen Kontakt zu anderen Betroffenen und versuchen alles auszublenden, was mit der Erkrankung zu tun hat. Das
kann soweit gehen, dass man sich lieber beim Hausarzt »um die Ecke« als in der CF-Ambulanz betreuen
lässt. Auf lange Sicht birgt dies, auch bei momentan
stabilem Gesundheitszustand, erhebliche Risiken.
Denn gerade die Kompetenz der CF-Zentren in der
Behandlung der Mukoviszidose verbessert langfristig
die Lebensqualität und -prognose.
Alternativ zu persönlichen Kontakten bietet auch das
Internet viele Möglichkeiten des Informationsaustausches,
z. B.:
• Diskussionsforen
• Expertenrat zu medizinischen Fragen
• Mailinglisten
• Internetseiten von Betroffenen
• Facebook, StudiVZ und ähnliche Internet-Portale
• Chatrooms (mit oder ohne Webcam)
• Online-Ausgaben von Erfahrungsberichten, z. B. aus
Zeitungen, Illustrierten u. v. m.
Die Erfahrung zeigt, dass sich mit der Erkrankung leichter
leben lässt, wenn man den Austausch mit anderen sucht,
die ebenfalls Mukoviszidose haben. Neben einem grundlegenden Verständnis füreinander kann jeder daraus viel
für sich und seinen Lebensalltag mitnehmen und von anderen lernen.
Die zwischenmenschliche Begegnung mit anderen Betroffenen ist dadurch allerdings nicht zu ersetzen.
Allerdings gibt es hier oft Vorbehalte, die solchen Begegnungen entgegenstehen:
1)Da ist einmal die Angst vor Ansteckung. Diese Sorge
ist grundsätzlich unbegründet, da in CF-Zentren (stationär wie ambulant), in Reha-Kliniken und bei CF-Veranstaltungen wirksame Vorsorgemaßnahmen ergriffen
werden. Wer den Kontakt zu anderen CF-Kranken meidet, nimmt sich selbst die Möglichkeit, von deren Erfahrung zu profitieren, wenn es z. B. um Partnersuche,
Berufswahl oder Rechtsansprüche geht.
5
Psychosoziale Themen
Gesundheit erhalten
4Gesundheit erhalten
Der Begriff »Work-Life-Balance« beherrscht schon seit
einiger Zeit die Medien. Er wird als erstrebenswertes Ziel
dargestellt, um besser durch den Alltag zu kommen.
4.1 Work-Life-Balance
Gemeint ist damit, dass die verschiedenen Säulen des
Lebens in einem ausgewogenen Verhältnis stehen sollten.
Max ist 20 Jahre alt, hat Mukoviszidose und vor zwei
Jahren sein Abitur gemacht. Nun macht er eine Ausbildung als Informatiker und ist begeistert von diesem
Beruf. Denn EDV hat ihn schon von Kindesbeinen an
fasziniert. Und jetzt kann er damit sogar sein Geld
verdienen. Natürlich hat er gesundheitliche Einschränkungen und muss circa viermal am Tag inhalieren. Die
gesamte Therapie dauert drei Stunden pro Tag.
Das sind z. B.:
• Beruf
• Partnerschaft
• Hobbys
• Freundschaften
• Bekanntschaften
• Familie (außerhalb der Partnerschaft)
• Entspannungsphasen
• Bewegung (»Sport«)
Es wird davon ausgegangen, dass es nicht gut ist, wenn
eine Säule ein zu starkes Übergewicht bekommt und zu
viel Zeit in Anspruch nimmt. So kann beispielsweise für
Singles die Gefahr bestehen, dass diese sich zu stark in
den Beruf stürzen und dadurch Sozialkontakte, sprich
Freundschaften und Familie, vernachlässigen.
Im Grunde gilt dies für Erwachsene mit Mukoviszidose
genauso wie für alle anderen. Wenn hier nun von Gesundheits-Life-Balance gesprochen wird, soll damit die Bedeutung einer stabilen Gesundheit für CF-Betroffene betont
werden. Die Gesundheit kommt somit als weitere Säule
hinzu.
Ein Beispiel soll veranschaulichen, wie wichtig eine Gesundheits-Life-Balance ist (siehe Kasten, rechts):
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie
»riskant« der Lebensstil von Max ist, auch wenn man ihn
gut nachvollziehen kann. Wie lange wird er dieses 14Stunden-Tagesprogramm durchhalten? Schon in jungen
Jahren gleicht Max’ Alltag dem eines Managers.
In der Kindheit haben sich die Eltern darum gekümmert
und – idealerweise – darauf geachtet, dass Gesundheitsmaßnahmen, Schule, Hobbys und Freundschaften in einem guten Gleichgewicht standen. Zum Erwachsenwerden gehört, diese Aufgabe nun selbst zu übernehmen.
6
So bleibt kaum Zeit für Freundschaften und andere
Hobbys. Natürlich ist Max Single. Wie soll er auch eine Frau kennenlernen? Sein Leben besteht aus Essen,
Schlafen, Ausbildung und Therapie. Bei Schulfreunden
kann er sich kaum noch melden. Selbst seine Eltern
sind beunruhigt. Max möchte aber diese Ausbildung
machen, und zwar genauso wie Gesunde. Ganz normal
eben . . .
Erschwert wird dies dadurch, dass übliche Lebensaufgaben, wie die Abnabelung von zuhause, die Berufsfindung
und Berufsausübung, Studienwahl und -beginn sowie der
Auszug aus dem Elternhaus ebenfalls in dieser Lebensphase anstehen und bewältigt werden wollen.
Für alle CF-Betroffenen gilt: Es muss viel Zeit für die
Gesundheit (-serhaltung) aufgewendet werden, zum Teil
sogar so viel, das für die anderen Säulen deutlich weniger
Zeit zur Verfügung steht.
Bei CF-Betroffenen ist die Säule »Gesundheit« eindeutig
am wichtigsten, da sie bei Vernachlässigung massiven
Einfluss auf alle anderen Lebensbereiche hat, und dort zu
erneuten »Kürzungen« bzw. Erschütterungen der Balance
führt.
Eine gesundheitliche Veränderung hat zugleich zur Folge,
dass noch mehr Zeit als sonst in die Therapie investiert
werden muss, um wieder fit zu werden, z. B. wenn eine
i.v.-Therapie nötig wird.
Genauso aber wie eine Gefahr darin bestehen kann, zu
wenig Zeit für die Therapie einzuräumen, besteht eine
andere möglicherweise darin, zu viel Zeit darauf zu verwenden und schließlich das Gefühl zu haben, man lebe
nur noch für die CF. Natürlich wird eine Gesundheits-LifeBalance für jeden Erwachsenen mit CF anders aussehen.
Was ist also konkret zu tun?
leben möchte. Eine Stundenreduzierung wird oft als »Niederlage« empfunden, so als habe die CF gewonnen. Dass
aber die gesundheitliche Belastbarkeit im Laufe des Lebens sinkt, geht Gesunden genauso. Auch die Angst vor
geringer Rente kann z. B. dazu führen, dem Beruf eine zu
starke Rolle einzuräumen. Aber ist nicht ein funktionierendes, soziales Netz aus Partnerschaft und Freundschaften
im Alter wichtiger?
Ein CF-Betroffener drückt es so aus:
»Im Bild gesprochen ist mein Lebens-Auto ein Trabbi
oder VW und eben kein Ferrari. Mit dem Trabbi oder
VW kann ich wunderbar vorankommen, wenn ich ihn
nicht überlaste und mich an seinen Möglichkeiten
orientiere: Ich kann eben nur 100 km/h fahren und
nicht 250. Es geht alles gemütlicher. Aber die Chance
liegt ja auch darin, mehr zu erleben und wahrzunehmen, als nur atemlos (!) durchs Leben zu hetzen.«
4.2 A
ufbau und Pflege eines
Gesundheitsnetzwerks
Wer Mukoviszidose hat, wird im Laufe seines Lebens mit
vielfältigen gesundheitlichen Problemen konfrontiert. Nahezu alle Organe können betroffen sein. Zudem hat die
Erkrankung durch den immensen Zeitaufwand für die
Therapien massiv Einfluss auf den Alltag und die konkrete
Lebensgestaltung.
Ein soziales Netz, idealerweise aus Partner/in, Eltern, Familie, Freunden und Bekannten ist wichtig, um die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.
Generell gilt es, sich bewusst zu machen, welche Säulen
aktuell zu viel »gelebt« werden, und welche deshalb vernachlässigt werden. Daraus folgt, Überlegungen anzustellen, wie die Balance wiederhergestellt werden kann, z. B.
wie Freundschaften, die eingeschlafen sind, neu belebt
werden können.
Das gilt für Gesunde und Mukoviszidose-Kranke gleichermaßen. Für Letztere spielt allerdings auch ein gut funktionierendes »Gesundheitsnetzwerk« eine wichtige Rolle.
Dieses umfasst alle zur Bewältigung der Krankheit notwendigen Einrichtungen und Fachleute, von denen der
Betroffene kontinuierlich Unterstützung erfährt.
Zugleich geht es um eine Prioritätensetzung: Was ist mir,
neben der Therapie, noch wichtig? Vielleicht sollte ich umdenken, nicht alle meine Kräfte auf den Beruf konzentrieren und mich mehr um meine Gesundheit kümmern? Es
gibt z. B. die Option, die Stundenzahl im Beruf zu reduzieren. Denn auch die Zeit für Therapie ist genau genommen Arbeitszeit.
Das ist vor allem die Mukoviszidose-Ambulanz, die fachkundig und in erreichbarer Nähe sein sollte. Es ist erfreulich, dass immer mehr kleinere und mittlere Ambulanzen
mit sehr großen eng kooperieren. So kann für die Grundversorgung die kleinere Ambulanz in der Nähe genutzt werden, die vielleicht auch noch den Vorteil der persönlicheren
Betreuung bietet.
Eine solche Entscheidung kann schwer werden, da jeder
Mukoviszidose-Betroffene ja gern so normal wie möglich
Für Sonderprobleme steht dann der große Kooperationspartner zur Verfügung, der bei eher seltenen Auffälligkeiten
7
Psychosoziale Themen
Gesundheit erhalten
mehr Erfahrung hat. Vor dem Hintergrund der manchenorts schwierigen Situation einer separaten Erwachsenenversorgung scheint es wichtiger zu sein, dass es überhaupt
eine gute Versorgung gibt, egal, wo sie nun stattfindet, ob
in Kinderklinik oder Erwachsenenklinik. Bewährt hat es sich
auch, einen Hausarzt vor Ort zu haben.
Ereignisse können die mühsam gefundene Lebensbalance nachhaltig aus dem Gleichgewicht bringen und auch zu
gesundheitlichen Einbrüchen führen. Der Erfahrungsaustausch mit Partner/in, Geschwistern oder Freunden kann
stabilisierend wirken, reicht aber vielleicht nicht aus, um
die Krise zu überstehen.
Hier kann psychologische Begleitung hilfreich sein. Kontaktadressen erhält man über die CF-Ambulanz oder auch
über Beratungsstellen wie Diakonie, Caritas oder Pro Familia.
Ob dieser neben schulmedizinischer auch naturheilkundliche Erfahrung hat, ist »Geschmackssache«, ebenso, ob er
als Internist auch Lungenfacharzt ist. Es ist nur zu beachten, dass es nützlich ist, wenn die Aufgabengebiete der
Ärzte vor Ort und in der Ambulanz gut abgesteckt sind
und das Miteinander reibungslos klappt.
Zum Gesundheitsnetzwerk gehört auch die »Apotheke Ihres Vertrauens«. Es empfiehlt sich hier, mit einer festen
Apotheke zusammenzuarbeiten, damit auch kurzfristige
Medikamentenbestellungen problemlos bewerkstelligt werden können.
Neben der Ambulanz ist meist auch eine Praxis für Physiotherapie vonnöten, die speziell in CF-Atemtherapie
geschult und möglichst in der Nähe sein sollte. Weite
Wegstrecken lassen sich mit der Berufstätigkeit oft nur
schwer vereinbaren.
Wichtig ist auch, dass die erhöhten Abrechnungssätze
für Mukoviszidose durch die Praxis abgerechnet werden
können. In diesem Logbuch und auf der Homepage des
Mukoviszidose e. V. findet sich eine Liste CF-erfahrener
Physiotherapeuten.
Selbstständig mit Mukoviszidose zu leben ist eine große
Herausforderung. Es kann daher hilfreich sein, in Krisensituationen des Lebens eine psychologische Beratung in
Anspruch zu nehmen. Dies kann z. B. die Vorbereitung des
Auszugs von zuhause sein, dramatische Veränderungen
des Gesundheitszustands, ein Berufswechsel, das Ende
einer Partnerschaft oder auch der Tod der Eltern. Solche
8
Wie wichtig der Aufbau des Gesundheitsnetzwerkes ist,
wird besonders dann deutlich, wenn ein Mensch mit CF
den Ort wechselt. Dies betrifft vor allem junge Leute, die
von zuhause ausziehen, um zu studieren, einen Arbeitsplatz in einer anderen Stadt anzutreten oder mit einem
Freund/einer Freundin zusammenzuziehen. Dann ist ein
völliger Neuaufbau des Gesundheitsnetzwerkes nötig, der
viel Zeit beansprucht und neben all den anderen Herausforderungen des Lebens bewerkstelligt werden muss.
4.3 Reha für Erwachsene
Mukoviszidose-Betroffene haben die Möglichkeit, alle vier
Jahre, in Ausnahmefällen auch öfter, eine Rehabilitationsmaßnahme zu beantragen. Die Reha gilt heute als fest
etablierte Therapiesäule. Ziel ist die gesundheitliche Stabilisierung.
Die Reha umfasst sowohl medizinische Aspekte, z. B.
die Intensivierung der Therapie, insbesondere der Physiotherapie und des Sports, als auch psychosoziale Aspekte, z. B. die Teilnahme an Gesprächsrunden anderer
Patienten mit CF. Sie bietet Gelegenheit, neue Therapie​optionen auszuprobieren, die eigene Therapie zu optimieren und noch effektiver in den Alltag zu integrieren.
Gerade beim Übergang von der Schule in den Beruf oder
in ein Studium kann das nützlich sein, da dies oft mit
grundlegenden Veränderungen im Wohnumfeld (durch
Umzug), aber auch im Hinblick auf den gesamten Tagesrhythmus einhergeht.
Die Wahl der Reha-Einrichtung ist von verschiedenen Fragestellungen abhängig:
Welches Klima vertrage ich am besten? Nordsee, Ostsee
oder eher Mittel-/Hochgebirge?
Wer z. B. an der See aufgewachsen ist oder dort schon
öfter Urlaub gemacht hast, weiß, dass ihm dieses Klima
gut bekommt.
Welche Jahreszeit bietet sich an? Ob Frühjahr, Sommer
oder Herbst hängt auch davon ab, wo die Reha stattfindet.
An der Nordsee z. B. ist das Klima im Herbst meist anders
als im Frühjahr oder Sommer.
von Reha-Einrichtungen für Mukoviszidose. Nur wenige in
Deutschland sind überhaupt auf CF spezialisiert.
Soll die Reha eher wohnortnah sein oder bewusst räumlichen Abstand bieten?
Viele können besser abschalten, wenn sie fern vom häuslichen Umfeld ihre Reha machen.
Wie ist die Reha-Einrichtung gelegen – abseits oder stadtnah?
Zu bedenken ist, dass am Wochenende das Therapieangebot der Reha-Einrichtungen eingeschränkt sein kann.
Eine nahe gelegene Stadt bietet Möglichkeiten für Ausflüge oder auch kulturelle Angebote, die man nutzen kann.
Möchte ich in eine altersübergreifende Einrichtung oder
eine, die ausschließlich erwachsene Patienten betreut?
Für beides gibt es gute Gründe. In der letzteren sind oftmals mehr Patienten untergebracht. Und auch die Atmosphäre ist anders als in einer Einrichtung mit Kindern.
Welche Termine bietet die Einrichtung an?
Welche sind noch frei? Wichtig zu beachten: Es gibt getrennte Reha-Maßnahmen für Pseudomonas-positive und
Pseudomonas-negative Patienten.
Besteht Interesse daran, auch andere CF-Betroffene kennenzulernen oder möchte ich in der Reha eher mit Menschen zusammenzutreffen, die andere gesundheitliche
Probleme haben?
Auch dies gilt es abzuwägen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sehr hilfreich sein kann, von den Erfahrungen
anderer CF-Patienten zu profitieren.
Welche persönlichen Ziele setze ich mir?
Möchte ich meine Physiotherapie intensivieren oder lieber
eine Sozialberatung bezüglich Rente oder Schwerbehindertenausweis nutzen? Manche Einrichtungen haben ein
besonderes Profil und besondere Schwerpunkte, die Ihren
speziellen Interessen möglicherweise entgegenkommt.
In jedem Fall ist es wichtig, während der Reha Eigeninitiative zu entwickeln. Oft gibt es einen festen Therapieplan
für Mukoviszidose. Wenn dieser individuell angepasst und
auf Ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sein soll,
ist es ratsam, frühzeitig das Gespräch mit dem zuständigen Arzt zu suchen.
Auf der Homepage www.muko.info des Mukoviszidose e.V. und in diesem Logbuch finden sich Adresslisten
Es ist zu empfehlen, die Wahl der Einrichtung mit der
behandelnden CF-Ambulanz zu besprechen. Hilfreich ist
auch, im Vorfeld einer Reha bereits Kontakt aufzunehmen.
In einem persönlichen Telefonat mit dem zuständigen CFArzt lässt sich leicht klären, ob die eigenen Erwartungen
und die Möglichkeiten der Einrichtung zusammenpassen.
4.4 Langfristige Lebensplanung
Noch vor wenigen Jahrzehnten wäre es undenkbar gewesen, dass sich CF-Betroffene bzw. ihre Eltern Gedanken um die Rente machen. Die damals sehr begrenzte
Lebenserwartung ließ schon eine Berufsausbildung unerreichbar erscheinen. Zu gravierend waren die gesundheitlichen Einschränkungen.
Vor allem durch Fortschritte in der Medizin und Therapie,
aber auch durch die Therapiedisziplin der Patienten hat
sich dies heute entscheidend geändert. Damit stellt sich
auch die Frage nach einer langfristigeren Lebensplanung,
die über Ausbildung, Studium und Beruf hinausgeht.
9
Psychosoziale Themen
Gesundheit erhalten
Für viele CF-Betroffene ist es eine große Herausforderung, mit den Überlegungen zur Beruf- und Studienplanung auch schon die Rentenplanung zu verknüpfen. Und
doch ist dies wichtig. Denn es ist trotz aller positiven Entwicklungen eher unwahrscheinlich, dass CF-Betroffene bis
zum regulären Rentenbeginn mit 67 Jahren arbeiten. Mukoviszidose bleibt eine Erkrankung, die auf lange Sicht mit
gesundheitlichen Veränderungen verbunden ist.
So sollte die Berufs- und Studienplanung nicht nur dadurch geprägt sein, was Spaß macht und den eigenen
Neigungen entspricht, sondern auch ins Kalkül ziehen,
was eine zufriedenstellende Berufsperspektive und damit
eine möglichst gute Rente verspricht.
Solche Überlegungen fallen schwer, tun sich doch CF-Betroffene leichter im »Jetzt« zu leben, anstatt an eine allzu
ferne Zukunft zu denken. Ist denn überhaupt absehbar,
wie sich die persönliche Gesundheitssituation entwickelt?
Und soll man zusätzlich zu den CF-bedingten Einschränkungen noch auf berufliche Träume verzichten – zugunsten einer mehr oder weniger sicheren Rente? Wie so oft
kommt es auch hier darauf an, für sich persönlich einen
guten Mittelweg zu finden.
Denn es hat sich gezeigt, dass staatliche Leistungen, wie
die Grundsicherung, Hartz IV oder eine kleine Rente, gerade für CF-Betroffene nicht ausreichen. Manche müssen
daher sogar an gesundheitlich Erforderlichem sparen und
kommen, wenn sie nicht mehr berufstätig sind, finanziell
nur aus, wenn Eltern oder Partner sie unterstützen. Davon
abhängig zu sein, kann emotional sehr belasten. Die Tatsache, dass in manchen Fällen CF-Betroffene heute auch
ihre Eltern überleben, ist ein Triumph der Medizin und ein
persönlicher Erfolg der Betroffenen, wirft aber zugleich
die Frage nach einer ausreichenden Alterssicherung auf,
die ohne »Eltern-Sponsoring« auskommt.
Bei sich abzeichnender, eingeschränkter Berufsfähigkeit
kann es sinnvoll sein, nicht sofort eine Vollrente, sondern
zunächst eine EU-Rente zu beantragen.
Diese eröffnet Hinzuverdienstmöglichkeiten und kann
möglicherweise höher sein als eine Vollrente nach nur wenigen Jahren Vollbeschäftigung. Es empfiehlt sich jedoch
immer, darüber mit den Rentenberatern der Deutschen
Rentenversicherung zu sprechen.
Zum anderen kann eine EU-Rente gut sein, weil sie eine
weitere Berufstätigkeit für einige Stunden ermöglicht. Berufstätig zu sein stärkt den Selbstwert. Es gibt das Gefühl,
10
dazuzugehören und nicht schon in jungen Jahren »zum
alten Eisen« zu zählen. Zu arbeiten kann im wörtlichen
Sinne sinnvoll sein.
Zugleich strukturiert eine Tätigkeit auch den Tag, gibt ihm
einen Rhythmus und bietet im positiven Sinne Abwechslung von der manchmal eintönigen Therapie. Weiterhin
schafft sie soziale Kontakte. Durch die Arbeit lernt man
andere Menschen kennen. Alle diese Aspekte wirken sich
in der Regel auch auf die Gesundheit positiv aus.
Wenn irgendwann der Zeitpunkt kommt, zu dem es angezeigt ist, eine Vollrente zu beantragen, so bietet dies die
Chance, den Tagesablauf individueller zu gestalten und der
jeweiligen Tagesform anzupassen. Viele Betroffene nutzen
die neuen Freiräume, um sich flexibel, z. B. ehrenamtlich, zu
engagieren. Wer dies tun möchte, dem stehen viele Möglichkeiten zur Verfügung (z. B. in Büchereien, bei Oxfam, in
politischen Parteien oder beim Mukoviszidose e.V.).
So bleibt abschließend der Hinweis, dass es trotz aller
Freude heute zu leben, wichtig ist, sich mit der Frage der
persönlichen finanziellen Zukunft zu beschäftigen. Es ist
zu empfehlen, sich darüber mit Eltern, Freunden, Bekannten sowie den Fachleuten in der CF-Ambulanz und bei der
Deutschen Rentenversicherung auszutauschen. Eine besonders wertvolle Hilfe sind die Seminare des Selbsthilfevereins Mukoviszidose e.V. Hier lassen sich auch Kontakte
zu anderen Betroffenen knüpfen, von deren Erfahrungen
man profitieren kann.
Die Lebenserwartung bei CF ist in den letzten Jahren
kontinuierlich gestiegen und damit auch die Anzahl der
erwachsenen Betroffenen. Viele von ihnen leben allein, in
Partnerschaften oder haben eine Familie gegründet. Eine Situation, die vor 30 Jahren bei diesem Krankheitsbild
kaum vorstellbar war.
Psychosoziale Themen
Familienplanung
5 Familienplanung
Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, ist auch ohne
Mukoviszidose keine einfache Angelegenheit. Neben dem
Kinderwunsch sind die Stabilität der Beziehung und eine
finanziell abgesicherte Lage zentrale Entscheidungsfaktoren. Betroffene mit CF – Frauen wie Männer – müssen
weitere Dinge berücksichtigen, wie z. B. die eingeschränkte Fruchtbarkeit, welche die Empfängnis oder Zeugung erschweren, sowie genetische Aspekte der Vererbung, wenn
der gesunde Partner/die gesunde Partnerin selbst Träger
des CF-Gens ist.
wie die Stabilisierung des Krankheitsverlaufs, des Gewichts
und der Lungenfunktion während der Schwangerschaft
oder das Umgehen mit einem vorhandenen Diabetes, eine
ganz wesentliche Rolle.
Aber auch psychosoziale Themen sollten im Gespräch mit
dem Arzt und fachspezifischen Mitarbeiter vorkommen.
5.1 Kinderwunsch und Therapiemotivation
»Ich mache alles, damit meine Gesundheit stabil genug
ist für eine Schwangerschaft«, ist eine Aussage, die sich
nicht immer einlöst. Es kann z. B. vorkommen, dass es
die zukünftige Mutter in der Zeit vor der Schwangerschaft
nicht geschafft hat, ihre Therapie regelmäßig durchzuführen oder, wenn nötig, zu intensivieren. Dann ist die Sorge der Behandler berechtigt, ob in der Schwangerschaft
und nach der Geburt das nötige Therapieniveau gehalten werden kann, um die Gesundheit der Mutter stabil zu
erhalten. Aus Sicht des CF-Teams steht die mütterliche
Gesundheit oben an.
Nutzen Sie also die Zeit vor einer geplanten Schwangerschaft, um sich klar darüber zu werden, welche Therapieelemente Sie optimieren können, und welche eingeschliffenen, ungünstigen Verhaltensmuster Sie im Bezug auf
Ihre Gesundheit zum Besseren verändern können. Fangen
Sie so früh wie möglich damit an, nicht erst wenn Sie
schwanger sind!
Hier ist es notwendig, kompetente Gesprächspartner
zu finden, z. B. Urologen oder genetische Berater, die
das CF-Behandlungszentrum vermitteln kann. Über den
Mukoviszidose Bundesverband stehen außerdem
Ansprechpartner zur Verfügung, die als CF-Betroffene
selbst Eltern geworden sind.
Wichtigstes Entscheidungskriterium für die Schwangerschaft bei der Frau mit CF ist die Gesundheit. Es ist anzuraten, das Thema frühzeitig und offen mit dem vertrauten
Behandlungsteam zu besprechen und zu klären, ob und
unter welchen Bedingungen eine Schwangerschaft empfohlen werden kann. Dabei spielen körperliche Aspekte,
Die Schwangerschaft kann einen starken Motivationsschub mit sich bringen, wenn sich bei den zukünftigen
Eltern eine hohe Verantwortung für das ungeborene Kind
entwickelt. Viele Väter und Mütter mit CF berichten, dass
ihre Elternschaft sie auch auf Dauer in ihrer Therapiebereitschaft gestärkt hat, denn »seit ich Mutter/Vater bin,
weiß ich, wofür ich Therapie mache«. Einem Kind das Leben zu schenken und für es zu sorgen, bestärkt auch die
Selbstfürsorge und die Zukunftsorientierung der Eltern.
5.2 Gesundheitliche Risiken/Mit Energien
haushalten
»Was wäre, wenn ...?« Sind Sie als Paar sich bewusst, welche gesundheitlichen Risiken für eine Mutter mit CF bestehen und dass schlimmstenfalls ein Schwangerschaftsabbruch zum Schutz des mütterlichen Lebens oder ein
dauerhafter gesundheitlicher Einbruch bei der Mutter drohen? Auch negative Ausgänge sollten einmal gedanklich
durchgespielt werden, damit Sie wissen, was im Risikofall
auf Sie zukommen kann.
11
Psychosoziale Themen
Familienplanung
»Wer kann unterstützen und helfen?« Wie anstrengend
das Leben, insbesondere das erste Lebensjahr mit dem
Neugeborenen sein wird, ist im Vorhinein kaum vorstellbar. Der Alltag wird sich um die Bedürfnisse des Kindes
drehen, der elterliche Rhythmus wird sich anpassen müssen. Auch wenn man am liebsten allein »klarkommen«
möchte oder Hilfe schnell als Einmischung erlebt, ist es
sinnvoll, bereits im Vorfeld konkret über Unterstützungsmöglichkeiten durch den Partner, die Familie, Freunde
oder externe Organisationen nachzudenken und entsprechend zu planen.
Ziel sollte sein, Zeichen von Überlastung und Erschöpfung
frühzeitig zu erkennen, ernst zu nehmen und Lösungen zu
finden, damit dem von CF betroffenen Elternteil genügend
Zeit und Raum für Ruhe, Therapie und Selbstfürsorge zur
Verfügung bleibt.
12
Psychosoziale Themen
Berufswahl, Arbeitsleben, Pflege und Rente
6B
erufswahl, Arbeitsleben,
Pflege und Rente
Um ein selbstständiges und finanziell von den Eltern unabhängiges Leben führen zu können, wird es immer wichtiger, eine berufliche Qualifikation zu haben, die den Lebensunterhalt sichert.
Ein qualifizierter Schulabschluss bietet den größtmöglichen Spielraum bei der Berufswahl. Bei einem stabilen
Allgemeinzustand können CF-Betroffene eine Vielzahl von
Berufsabschlüssen absolvieren, auch wenn heute die Arbeitsagenturen immer noch fast ausschließlich zu Ausbildungen im Bürobereich raten.
Ausbildung oder Studium? Diese Frage stellt sich für Abi­
turienten mit CF immer wieder. Wie bei Gesunden sollte
das Interesse an einem bestimmten Berufszweig ausschlaggebend sein. Wer leidenschaftlich gern Naturwissenschaften studieren möchte, wäre vermutlich mit einer
Ausbildung im kaufmännischen Bereich eher unzufrieden.
Tipps für ein Studium finden Sie unter:
www.studentenwerke.de/behinderung
Wichtig ist es, aktiv zu werden – Eigeninitiative ist gefragt!
Weder ein Studienplatz noch ein Ausbildungsplatz werden auf dem Silbertablett serviert. Bewerbungen für einen
Ausbildungs- oder Studienplatz sollten daher möglichst
vor Ende der Schulzeit erfolgen. Man tut gut daran, nicht
nur den persönlichen »Traumjob«, sondern auch alternative Berufe ins Auge fassen.
Bei der Entscheidung Studium oder Beruf ist aber zu berücksichtigen, dass bei einer Berufsausbildung schon Rentenbeiträge in die Rentenkasse abgeführt werden. Man
erwirbt dadurch Versicherungszeiten für eine erforderliche Erwerbsminderungsrente. Bei einem Studium ist dies
nicht der Fall.
6.1 Förder- und
Qualifizierungs­maßnahmen
Viele wissen oft gar nicht, für welchen Berufsweg sie sich
entscheiden sollen bzw. wo ihre persönlichen Stärken liegen. Wichtig ist dann die Beratung bei den Fachdiensten
für Behinderte in den Arbeitsagenturen.
Dort gibt es Informationen zu speziellen Qualifizierungsmaßnahmen, zu Ausbildungsmöglichkeiten und zu Berufsbildungswerken (BBW). In diesen BBWs kann z. B.
ein fehlender Schulabschluss nachgeholt werden, eine
Berufsorientierung erfolgen oder eine Berufsausbildung
absolviert werden. Zuständig für Beratung und Kostenklärung sind die Arbeitsagenturen.
6.2 Gleichstellung, Schwerbehinderung
Behinderte und chronisch Kranke mit Schwerbehindertenausweis haben Anspruch auf »Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben«, z. B. an Fördermaßnahmen für Betroffene
und potentielle Arbeitgeber.
Auch CF-Betroffene, die in ihrem Ausweis eine Einstufung
des Grades der Behinderung (GdB) unter 50, aber von
mindestens 30 haben, können bei der Agentur für Arbeit
einen Gleichstellungsantrag stellen, der ihnen diesen Anspruch sichert. Dies ist zu empfehlen, wenn sich aufgrund
der Erkrankung kein geeigneter Arbeitsplatz finden lässt
oder dieser durch die gesundheitlichen Einschränkungen
in Gefahr ist. Sie erhalten dann in gewissem Umfang Leistungen zur Teilhabe, aber nicht voll umfänglich, wie im
Fall einer Schwerbehinderung.
Muss man über eine bestehende Schwerbehinderung den
Arbeitgeber informieren? Diese Frage wird immer wieder
gestellt. Bei einer Einstufung mit einem GdB unter 50 besteht keine Informationspflicht, da dies offiziell noch keine
Schwerbehinderung darstellt. Erst mit einer Einstufung von
GdB 50 und mehr gilt man als schwerbehindert und kann
durch den Ausweis Vergünstigungen in Anspruch nehmen,
z. B. mehr Urlaub, verbesserter Kündigungsschutz etc.
Im Bewerbungsschreiben muss der Besitz eines Schwerbehindertenausweises nicht erwähnt werden. Sinnvoll ist
es eventuell dann, wenn bei der Einstellung Schwerbehinderte bevorzugt werden, z. B. in Behörden. Auch im Bewerbungsgespräch muss der Besitz nur angegeben werden, wenn mündlich oder schriftlich nach einem Ausweis
oder einer chronischen Erkrankung gefragt wird, und sich
diese auf das Arbeitsleben auswirkt, z. B. bei regelmäßigen
13
Psychosoziale Themen
Berufswahl, Arbeitsleben, Pflege und Rente
stationären Aufenthalten. Wird der Arbeitgeber allerdings
nicht über den Schwerbehindertenausweis informiert,
können auch die Vergünstigungen nicht genutzt werden.
6.3 Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung
Eine Vollzeitstelle mit Therapie, medizinischen Kontrolluntersuchungen, ggf. stationären Aufenthalten und den persönlichen Freizeitwünschen unter einen Hut zu bringen,
stellt erhebliche Anforderungen an die organisatorische
Geschicklichkeit eines jeden Mukoviszidose-Betroffenen.
Ein Patentrezept dafür gibt es nicht, da jede Person andere Prioritäten setzt und eine unterschiedliche Belastungsfähigkeit hat. Bei zu hoher Auslastung besteht allerdings
die Gefahr, Gesundheit und Therapie zu vernachlässigen.
Spätestens, wenn man sich völlig überfordert fühlt, und
sich der Gesundheitszustand verschlechtert, sollte überprüft werden, ob die Alltagsstruktur nicht verändert werden kann.
6.4 (Teil-) Erwerbsminderung
Ist die Leistungsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt, sollte
über eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
nachgedacht werden (§ 33 Abs. 3 SGB VI). Hier wird zwischen teilweiser Erwerbsminderung und voller Erwerbsminderung unterschieden.
Wenn man sich aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme mit einer Vollzeittätigkeit überfordert fühlt, aber weiterhin seinem Beruf nachgehen möchte, kann eine Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung beantragt werden.
gewisse Anzahl von Beiträgen in die Rentenkasse einbezahlt wurde. Außerdem muss die Leistungsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit
eingeschränkt sein, sodass mehr als drei Stunden und
weniger als sechs Stunden täglich gearbeitet werden kann
(§ 43 Absatz 1 Sozialgesetzbuch VI). Dabei sind auch
berufsfremde Tätigkeiten zumutbar.
Wie geht man vor, um eine Teilerwerbsminderungsrente
zu erhalten?
Ganz wichtig ist, im Vorfeld eine persönliche Rentenberatung beim zuständigen Rentenversicherungsträger in
Anspruch zu nehmen. Dabei kann geklärt werden, ob alle versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind,
und wie hoch der Rentenanspruch der Teilerwerbsminderungsrente wäre. Bei Bedarf erhält man Hilfe beim Ausfüllen der entsprechenden Antragsformulare.
Weiterhin erforderlich ist, mit dem Arbeitgeber zu klären,
ob in dem Arbeitsfeld, in dem der Arbeitnehmer bislang
tätig war, eine Stundenreduzierung möglich ist. Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben gemäß § 81 Absatz 5 Sozialgesetzbuch IX einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung,
wenn die Gewährung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Über
konkrete Bedingungen im jeweiligen Betrieb können auch
Personalrat, Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung Auskunft geben.
Der behandelnde Arzt muss eine Bescheinigung ausstellen, aus der hervor geht, dass eine Vollzeittätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen, z. B. durch
verstärkte Therapiemaßnahmen, eine Überforderung darstellen würde, und daher eine Reduzierung der Arbeitszeit
zwingend erforderlich ist.
Eventuell erfolgt noch eine Untersuchung bei einem unabhängigen medizinischen Gutachter und/oder die Auflage,
eine Reha-Maßnahme durchzuführen (nach dem Grundsatz »Reha vor Rente«).
Vorteil der Teilerwerbsminderungsrente ist, dass man
weiterhin in sein berufliches Umfeld integriert bleibt, aber
deutlich mehr Zeit für Therapie und persönliche Erholung
hat, und zwar ohne wesentliche finanzielle Einbuße.
Ein Anspruch darauf besteht, wenn bestimmte versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sind und eine
14
Wenn die gesundheitlichen Einschränkungen zu groß sind,
um weiterhin berufstätig zu sein, muss über eine volle
Erwerbsminderungsrente nachgedacht werden. Die Entscheidung dazu fällt gerade den Betroffenen sehr schwer,
die gerne gearbeitet haben.
Zum einen ist dies der »offensichtliche Beweis«, dass die
Erkrankung schon erheblich fortgeschritten ist, eine Situation, die man sich oft nur schwer eingestehen kann. Zum
anderen fällt mit einer vollen Erwerbsminderungsrente
eine Vielzahl an sozialen Kontakten und die geregelte Tagesstruktur weg, die durch die Berufstätigkeit gegeben
war. Schon vor oder bei einer Antragstellung kann es hilfreich sein, einen neuen »Tagesplan« für die freie Zeit zu
erstellen.
Eine volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn man wegen
Erkrankung oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit
außerstande ist, weniger als drei Stunden am Tag erwerbstätig zu sein. Um einen Anspruch zu haben, müssen wiederum versicherungsrechtliche Voraussetzungen
erfüllt sein.
Auch hier ist dringend anzuraten, eine persönliche Rentenberatung zu nutzen, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine volle Erwerbsminderungsrente erfüllt sind,
und wie hoch der mögliche Rentenanspruch wäre.
Ein entsprechender Antrag kann beim zuständigen Rentenversicherungsträger gestellt werden. Wiederum sind
medizinische Atteste erforderlich und es kann vor Bewilligung eine Untersuchung bei einem Gutachter und/oder
eine Reha-Maßnahme gefordert werden.
Oder: Ihr Rentenanspruch ist zu gering, um sich finanzieren zu können. Wenn sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht
für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, gibt es für
sie die Grundsicherung.
Bei einer dauerhaften Krankmeldung über einen längeren
Zeitraum (78 Wochen innerhalb von drei Jahren) kann auf
Initiative der Krankenversicherung eine quasi »Zwangsverrentung« erfolgen, wenn von keiner Verbesserung des Gesundheitszustandes ausgegangen wird bzw. wenn durch
eine geforderte Reha-Maßnahme keine Verbesserung erzielt werden konnte. Da das Krankengeld oft höher ist als
die zu erwartende Rente, kann dies zu erheblichen finanziellen Einbußen führen.
6.5 Grundsicherung
Erwerbsminderungsrenten werden gemäß § 102 Abs. 2
SGB VI für jeweils längstens drei Jahre befristet geleistet.
Durch eine medizinische Untersuchung wird geprüft, ob
weiterhin ein Anspruch besteht.
Zu dieser Form der Rente können monatlich 400 Euro
(Stand 2011) hinzuverdient werden. Eine Überschreitung
dieser Hinzuverdienstgrenze führt zu einer Kürzung der
Rente.
Bei Mukoviszidose gibt es aber heute leider immer noch
junge Betroffene, die nicht die erforderlichen Rentenbeiträge leisten konnten, um den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu erfüllen.
Seit dem 01.01.2003 gibt es eine eigenständige Sozialleistung: die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung (seit 01.01.2005 § 41 ff SGB
XII). Sie soll den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt für Menschen sicherstellen, die aufgrund von
Alter oder Erwerbsminderung ihren Lebensunterhalt nicht
ausreichend bestreiten können. Im Gegensatz zur Sozialhilfe wird auf das Einkommen der Eltern oder Kinder nicht
zurückgegriffen, sofern es nicht 100.000 Euro pro Jahr
übersteigt.
Grundsicherungsleistungen erhalten nur Bedürftige!
Anspruchsberechtigt sind:
• Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland haben
• Altersrentner (> 65 Jahre) mit niedriger Rente oder
• Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben,
dauerhaft voll erwerbsgemindert sind und ihren
Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können.
15
Psychosoziale Themen
Berufswahl, Arbeitsleben, Pflege und Rente
Die Grundsicherung wird nur auf Antrag gewährt und
kann bei der zuständigen Kommune (meist Sozialamt)
gestellt werden. Dort erhält man auch Informationen über
Einkommens- und Vermögensgrenzen.
(SGB XI), wer bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens dauernd Hilfe in erheblichem oder höherem Maß braucht.
Ob und in welchem Umfang Hilfe erforderlich ist, stellt der
Medizinische Dienst der Krankenversicherung im Rahmen
eines Hausbesuches fest. Die Prüfung der Pflegebedürftigkeit erfolgt nach einem für alle Krankheitsbilder und
Altersgruppen gleichen Schema. Es ist wichtig, sich damit
vertraut zu machen, denn es kommt nur auf den Hilfebedarf bei ganz bestimmten, im Gesetz abschließend aufgeführten Verrichtungen an.
Das sind:
Eltern sind gegenüber ihren Kindern bis zum 25. Lebensjahr unterhaltspflichtig, wenn sie sich noch in Schulausbildung befinden oder eine Erstausbildung noch nicht beendet ist. Bei dieser Altersgruppe ist daher immer zu prüfen,
inwieweit die Eltern unterhaltspflichtig sind, und ob dadurch der Anspruch auf Grundsicherung eingeschränkt
oder ausgeschlossen ist. Wird diese bewilligt, umfassen
die Leistungen den ortsüblichen Sozialhilfesatz, eine angemessene Aufwendung für Unterkunft, Übernahme der
Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und eventuell
Mehrbedarfszuschläge. Es erfolgt eine jährliche Überprüfung, ob die Bedürftigkeit noch besteht.
6.6 Leistungen aus der Pflegeversicherung
Die Leistungen aus der Pflegeversicherung sind bei der
Pflegekasse zu beantragen. Sie stehen gesetzlich und privat kranken- und pflegeversicherten Menschen zu. Leistungen erhält, wer pflegebedürftig ist. Dazu zählt nach
dem zurzeit noch gültigen Pflegeversicherungsgesetz
16
Waschen, Duschen, Baden,
Zahnpflege, Kämmen,
Rasieren, Darm- und
Blasenentleerung
Mundgerechte Zubereitung
der Nahrung und Aufnahme
der Nahrung
Selbstständiges Aufstehen
und Zu-Bett-gehen, An- und
Auskleiden, Gehen, Stehen,
Treppensteigen, Verlassen
und Wiederaufsuchen der
Wohnung
Einkaufen, Kochen, Reinigen
oder Beheizen der Wohnung;
Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung
Diese Verrichtungen
zählen zur
Körperpflege.
Diese Verrichtungen
zählen zur Ernährung.
Diese Verrichtungen
zählen zur Mobilität.
Diese Verrichtungen
zählen zur hauswirtschaftlichen Versorgung.
Die besonders zeitintensiven Maßnahmen zur Schleimelemination zählen nur dann zur Pflege, wenn sie in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit
einer der Verrichtungen aus dem Bereich der Körperpflege, Ernährung oder Mobilität (sog. Grundpflege) erfolgen.
Üblicherweise werden sie mit dem Aufstehen vorgenommen. Gleichwohl ist ihre Berücksichtigung in der täglichen
Pflegebegutachtungspraxis überaus unterschiedlich.
Die Hilfestellung kann in Form der Unterstützung, teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtung oder
Anleitung und Beaufsichtigung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme der Verrichtung erfolgen.
Es gibt drei Pflegestufen. Sie werden nach dem
anerkannten Pflegeaufwand bei der Grundpflege
unterschieden:
Pflegestufe I
setzt einen Pflegeaufwand von mindestens
90 Minuten voraus, wobei mehr als 45 Minuten auf
die Verrichtungen der Grundpflege, d. h. Körperpflege,
Ernährung und Mobilität entfallen müssen.
Wichtig ist, dass der Widerspruch an eine Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Bescheides gebunden
ist. Damit die Frist nicht versäumt wird, empfiehlt es sich,
zunächst nur Widerspruch einzulegen und eine Begründung zu einem späteren Zeitpunkt anzukündigen. So kann
bspw. formuliert werden:
»Gegen die Entscheidung vom . . . . . . . . . . . . . . . . . . lege ich
Widerspruch ein. Ich bin der Ansicht, dass mir
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . doch zusteht.
Pflegestufe II
erfordert einen mindestens 3-stündigen Aufwand,
wobei mindestens 2 Stunden auf die Grundpflege
entfallen müssen.
Die Begründung werde ich nachreichen. Ich bitte um
eine Eingangsbestätigung.«
Pflegestufe III
setzt 5 Stunden Pflegeaufwand voraus, von dem
mindestens 4 Stunden Grundpflege sind.
Damit wird erreicht, dass sich die Behörde noch einmal
mit dem Anliegen des Bürgers befasst.
Die Pflegeversicherung stellt verschiedene Leistungen zur
Verfügung. Meist wird das Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen gewählt.
Das beträgt seit dem 1. Januar 2012 monatlich:
• Pflegestufe I:
235,00 E
• Pflegestufe II:
440,00 E
• Pflegestufe III: 700,00 E
Pflegt eine Pflegeperson mindestens 14 Stunden wöchentlich, übt die Pflegetätigkeit nicht erwerbsmäßig aus
und geht selbst keiner Berufstätigkeit im Umfang von
mehr als 30 Stunden nach, werden für die Pflegetätigkeit
Rentenversicherungsbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt.
Die Pflegeperson ist bei Ausführung ihrer Tätigkeit gesetzlich unfallversichert.
6.7 Widerspruch und Klage
Egal, ob es um Leistungen der Kranken- oder Pflegeversicherung, Einstufungen zum Grad der Behinderung, Feststellung von Merkzeichen für Nachteilsausgleiche oder
ähnliche soziale Rechte geht, der Bürger hat meist die
Möglichkeit, sich mit Widerspruch und Klage gegen die
sozialrechtliche Entscheidung zur Wehr zu setzen.
Für die Begründung können weitere medizinische Befundberichte usw. vorgelegt werden, die den Anspruch untermauern. Um überzeugend begründen zu können, empfiehlt es sich, sachkundige Beratung, beispielsweise durch
einen Sozialverband, eine Selbsthilfegruppe oder einen
Anwalt in Anspruch zu nehmen.
Das Anliegen wird dann von der Behörde noch einmal
geprüft. Ist sie danach der Ansicht, dass der Anspruch
tatsächlich bestand, hilft sie dem Widerspruch ab. Das
bedeutet, dass sie die beantragte Leistung gewährt. Überzeugt die Behörde auch bei nochmaliger Prüfung und weiterer Begründung die Argumentation nicht, weist sie den
Widerspruch zurück. Das Widerspruchsverfahren ist durch
Erlass des Widerspruchsbescheides abgeschlossen.
Klageverfahren
Jetzt kann nur noch Klage erhoben werden. Wichtig ist,
dass die Klage innerhalb der Frist von einem Monat ab
Bekanntgabe des Bescheides beim Sozial­gericht eingegangen sein muss. Die Klage kann man selber – ohne
Rechtsanwalt – führen. Dazu reicht ein formloses Schreiben an das Gericht. Alle Sozialgerichte haben eine sog.
Rechtsantragsstelle. Sie gibt Hilfe bei der Formulierung
und Begründung der Klage. Am Ende des Widerspruchsbescheides steht, wo die Klage zu erheben ist, und welche
Adresse das Gericht hat.
Widerspruchsverfahren
Wer eine ablehnende oder negative Entscheidung des
Leistungsträgers, bspw. Kranken- oder Pflege­kasse, Berufsgenossenschaft, Versorgungsamt etc. erhält, kann dagegen Widerspruch einlegen.
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Psychosoziale Themen
Berufswahl, Arbeitsleben, Pflege und Rente
Das Schreiben kann sinngemäß lauten:
»Gegen den Bescheid der . . . . . . . . . . . . . . . . . vom . . . . . . . . . . . . . .
und den Widerspruchsbescheid vom . . . . . . . . . . . . . ., mit
dem mein Antrag abgelehnt wurde, erhebe ich Klage.
Ich meine, dass mir der Anspruch zusteht und bitte,
den/die . . . . . . . . . . . . . .entsprechend zu verurteilen. Eine weitere
Begründung werde ich nachreichen.«
Das Gericht bestätigt den Eingang der Klage und gibt der
Klageschrift ein Aktenzeichen, unter dem der Vorgang geführt wird. Nach dem Gesetz ist das Gericht verpflichtet
aufzuklären, worum es geht. Meist wird zu Anfang eines
Klageverfahrens ein Fragebogen verschickt, mit dem um
Angaben der behandelnden Ärzte etc. und die Entbindung
der Ärzte von der Schweigepflicht gebeten wird.
Alternativ oder nach Erfordernis auch zusätzlich, kann das
Gericht Gutachten durch einen dem Gericht bekannten
Sachverständigen einholen. Die Kosten übernimmt die
Staatskasse.
Hat das Gericht den streitigen Sachverhalt ausreichend
ermittelt, wird das Verfahren beendet. Dazu kann ein Gerichtsbescheid erlassen werden. Dieser Weg wird dann
gewählt, wenn kein Erörterungsbedarf besteht, der Sachverhalt geklärt ist und auch keine rechtlich problematischen Fragen anstehen.
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Endet das Verfahren nicht auf dem schriftlichen Weg
durch Gerichtsbescheid, werden alle Beteilig­ten zu einem
Verhandlungstermin vor Gericht geladen. In dem Termin
erhält jede Partei Gelegenheit zur Äußerung. Kommt keine Einigung zustande, zieht sich das Gericht zur Beratung
zurück. Nach der Beratung wird die Entscheidung, das
Urteil, verkündet. Es wird kurz mündlich begründet und
später schriftlich abgefasst.
Die verlierende Partei hat die Möglichkeit, binnen Monatsfrist nach Bekanntgabe des schriftlichen Urteils Berufung
beim Landessozialgericht einzulegen. Führt das Verfahren
nicht zu dem erstrebten Ergebnis und wird die Revision
zugelassen, entscheidet das Bundessozialgericht.
Wer als Versicherter, Leistungsempfänger oder behinderter Mensch am Verfahren beteiligt ist, muss vor dem Sozialgericht keine Gerichtskosten zahlen. Wer im Prozess
unterliegt, muss auch nur seine eigenen (Rechtsanwalts-)
Kosten zahlen. Wer nicht rechtsschutzversichert ist und
nicht über die finanziellen Mittel verfügt, einen Anwalt selber zu bezahlen, kann Prozesskostenhilfe beantragen.
Das Sozialgerichtsverfahren ist sehr bürgerfreundlich.
Die Aussichten, eine Entscheidung abzuändern, sind sehr
hoch. Es besteht kein Grund, diese Chance nicht zu nutzen.
Psychosoziale Themen
Gesundheitliche Entwicklung
7 Gesundheitliche Entwicklung
7.1 V
erschlechterung des
Allgemeinzustands
Da Mukoviszidose eine fortschreitende Stoffwechselerkrankung ist, sieht sich jeder Betroffene trotz verbesserter
Therapiemaßnahmen irgendwann mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes konfrontiert.
Medizinisch wird dies über die Jahre u. a. durch eine
sinkende Lungenfunktion, insbesondere den FEV1-Wert,
festgestellt. Liegt dieser dauerhaft unter 30 Prozent des
Normalen werden CF-Betroffene in der Regel durch ihre
behandelnden Ärzte auf eine Lungentransplantation angesprochen.
Ein Teil der Patienten ist von einer fortschreitenden Leberfibrose betroffen und muss eventuell lebertransplantiert
werden. Dadurch kann die Belastungsfähigkeit ebenfalls
deutlich eingeschränkt sein, obwohl die Lungenfunktion
noch nicht sehr stark beeinträchtigt ist.
Die medizinische Einschätzung einer Verschlechterung
muss nicht mit der persönlichen übereinstimmen. Es gibt
Betroffene, die mit sehr niedrigen Lungenfunktionswerten einer Vollzeittätigkeit nachgehen, während andere mit
sehr guten Lungenfunktionswerten sich in ihrer Leistungsund Belastungsfähigkeit deutlich eingeschränkt fühlen. Da
es oft schwer fällt, die eigene gesundheitliche Situation
realistisch einzuschätzen, kann ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt über den aktuellen Stand und die langfristige Perspektive hilfreich sein.
Sehr einschneidend ist in der Regel die Verordnung einer
Sauerstofflangzeittherapie. Nicht nur für die Öffentlichkeit
ist man dadurch als »Kranker« gekennzeichnet. Man kann
sich dann auch selbst nicht länger einreden, dass die Verschlechterung nur durch einen akuten Infekt verursacht
und damit vorübergehend ist – sicher ein Grund, warum
viele CF-Betroffene die Nutzung von Sauerstoff möglichst
lange hinauszögern.
Neben der Notwendigkeit von Sauerstoff geht eine Verschlechterung auch mit kontinuierlich nachlassender Leistungs- und Belastungsfähigkeit einher. Treppensteigen
und längere Gehstrecken fallen zunehmend schwer. Aktivitäten außerhalb des Hauses, Ausflüge, Urlaube etc. müssen sehr genau geplant werden, damit der notwendige
Sauerstoffvorrat auch ausreicht. Infekte häufen sich, die
Intervalle zwischen den stationären Aufenthalten werden
immer kürzer. Soziale Kontakte sind in dieser Situation viel
schwieriger aufrecht zu erhalten als für gesunde Gleichaltrige.
7.2 Notwendige Regelungen
Da nicht alle Personen in der gleichen Lebenssituation
sind (Alter, familiäres Umfeld, Arbeits- und Wohnsituation,
Sozialkontakte), kann der Hilfe- und Unterstützungsbedarf sehr unterschiedlich sein. Sinnvoll ist es daher, einen
individuellen Bedarfs- und Hilfeplan zu erstellen.
Folgende Punkte sollten dabei überprüft werden:
1.Arbeitssituation – Änderung erforderlich?
z. B. Reduzierung der Arbeitszeit, Rentenantrag, Abbruch der Ausbildung
2.Finanzielle Mittel – ausreichend?
Unterstützung durch Partner/Familie möglich? Außerfamiliäre Hilfen erforderlich?
3.Wohnsituation – Veränderung erforderlich?
z. B. Umzug in eine behindertengerechte Wohnung,
Umbaumaßnahmen
4.Soziale Kontakte – ausreichend vorhanden?
Außerfamiliäre Angebote erwünscht?
5.Häusliche Versorgungssituation – Hilfe erforderlich?
Putzen, Kochen, Einkaufen, Behördengänge
6.Steigender Hilfebedarf nicht nur bei Hauswirtschaft – Pflegestufe beantragt?
Pflegeperson vorhanden?
7.Patientenvollmacht erstellt?
Wer soll sich um persönliche und geschäftliche
Regelungen kümmern, wenn man dazu nicht in der
Lage ist?
8.Patienten-Testament vorhanden?
Welche Regelungen sind bezogen auf die medizinische Versorgung gewünscht?
Bei allen aufgeführten Punkten sollte jeder Betroffene Bilanz ziehen:
a) Gibt es einen Unterstützungsbedarf?
b)Kann ich mich selbst darum kümmern und/oder bekomme ich Unterstützung durch Familienangehörige?
c) Brauche ich außerfamiliäre Hilfe?
In großen CF-Zentren gibt es Mitarbeiter im psychosozialen Dienst, mit denen der Hilfebedarf ermittelt werden
kann. Sie sind auch Ansprechpartner für die Einleitung
19
Psychosoziale Themen
Gesundheitliche Entwicklung
und Vermittlung nötiger Hilfen. In anderen Kliniken gibt
es Sozialdienste, an die man sich ebenfalls wenden kann.
Die Mitarbeiter dort haben eventuell keine spezifischen
Kenntnisse über CF, können aber über Hilfsangebote informieren.
7.3 Versorgungssituation Alleinstehender
Dadurch dass die Lebenserwartung bei CF kontinuierlich
steigt, gibt es immer mehr CF-Betroffene, die alleinstehend sind, und deren Eltern selbst hilfebedürftig oder
verstorben sind. Wenn sich der gesundheitliche Zustand
dieser Personen verschlechtert, gibt es oft keine Familienangehörigen, die in die Versorgung und Betreuung mit
einbezogen werden könnten.
Ohne oder mit nur eingeschränkten sozialen Kontakten
sind diese Menschen dann auf die Unterstützung durch
soziale Dienste angewiesen.
Eines der Hauptprobleme stellt die Versorgungssituation im häuslichen Umfeld dar. Durch Mahlzeitendienste,
Haushaltshilfen (kostenpflichtig!) und ambulant betreutes
Wohnen kann versucht werden, das Leben in den eigenen
vier Wänden möglichst lange aufrecht zu erhalten. Durch
die eingeschränkte Mobilität kann es aber zunehmend zu
einer sozialen Isolierung kommen, die für die Betroffenen sehr belastend ist. Kontakte per Internet oder durch
ehrenamtliche Besuchsdienste sind nicht für jeden eine
zufriedenstellende Lösung. Möglicherweise muss dann
über den Umzug in eine andere Wohnform nachgedacht
werden. Je nach Alter und Einschränkung der Leistungsfähigkeit kommen Möglichkeiten wie Betreutes Wohnen,
Wohngruppen für Körperbehinderte, Senioren- und Pflegeheime in Betracht.
Unterstützung durch Partner oder Familienangehörige,
ist die Finanzdecke oft so dünn, dass sie kaum bis zum
Ende des Monats reicht. Für besondere Notlagen hat der
Mukovizidose e.V. zwar Unterstützungsfonds geschaffen,
über die bedürftige Betroffene einmalige Hilfen beantragen können. Kontinuierliche monatliche Zuschüsse sind
aber weder darüber noch durch andere Hilfsorganisationen möglich.
Daher sollte möglichst frühzeitig damit begonnen werden,
Rücklagen für die finanzielle Absicherung zu bilden.
7.4 Thema Lungentransplantation
Viele CF-Betroffene haben bereits stellvertretend bei Mitpatienten oder guten Freunden erlebt, wie die Entscheidungsfindung für oder gegen Lungentransplantation verlief. Meistens ist auch der Ausgang der Transplantation
bei anderen bekannt und prägt die eigene Einstellung ein
Stück mit.
Diese frühe Auseinandersetzung mit der Fragestellung, ob
Transplantation für die eigene Person in Frage kommt,
ist wichtig. Noch bevor der eigene Krankheitsverlauf zur
Entscheidungsfrage zwingt, kann eine grundsätzliche Meinungsbildung reifen. Dies ist ein sehr persönlicher Prozess, bei dem es um rationale Argumente, um Gefühle
und möglicherweise auch ethische Themen geht.
Idealerweise sollte jeder alleinstehende CF-Betroffene
sich frühzeitig Gedanken machen, wie er sich bei eingeschränkter Mobilität seine Wohn- und Lebenssituation
vorstellt. Selbst entsprechende Vorkehrungen nach den
eigenen Wünschen zu treffen ist viel angenehmer, als bei
einer akuten Verschlechterung, z. B. nach einem Krankenhausaufenthalt, nicht mehr allein in seiner Wohnung leben
zu können.
Ein zweites wesentliches Problem ist die finanzielle Situation von Singles. Der gut situierte alleinstehende CFPatient, der sich alle Wünsche erfüllen kann, ist eher die
Ausnahme. Häufig ist das Einkommen durch reduzierte
Arbeitszeiten, geringe Rentenansprüche oder Grundsicherung sehr eingeschränkt. Gibt es keine finanzielle
20
Wenn der Zeitpunkt kommt, dass die eigene Belastbarkeit
und Lebensqualität abnehmen und es zu Einschränkungen kommt, die man zunehmend als einengend erlebt,
macht sich die Sorge breit, wie lange sich das jetzige Niveau noch halten lässt.
Rehabilitationsmaßnahme und Wiedereingliederung zuhause.
Hinweise kommen aus der eigenen Körperwahrnehmung,
durch Rückmeldungen über objektive Werte, z. B. aus LUFU und BGA, durch Feedbacks aus dem Behandlerteam
oder auch aus dem Familien- oder Freundeskreis.
Gleichzeitig sind der Ausgang der Transplantation und der
Langzeitverlauf danach ungewiss. Vielleicht kommen Sie
auch zu dem Entschluss, dass Transplantation Sie überfordern und Ihre Grenzen überschreiten würde. Nehmen
Sie sich ernst und besprechen Sie Ihre Gedanken mit dem
Arzt oder dem psychosozialen Mitarbeiter in Ihrem CFZentrum.
Jetzt beginnt die persönliche Auseinandersetzung Pro
oder Contra Lungentransplantation noch einmal auf anderem Niveau. Diese Entscheidungsphase verläuft oft in
Wellen von Annäherung an das Thema, dann aber auch
wieder von Verdrängung und Selbstschutz. Hinzu kommt
die Schwierigkeit, dass viele Betroffene durch die Gewöhnung an ihre eingeschränkte Belastbarkeit phasenweise
weniger Leidensdruck zu haben scheinen, als sie nach
der Auffassung von Behandlern und Familie schon haben
müssten. Manchmal entsteht also erst durch den gut gemeinten Druck von außen die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema:
• Will ich Transplantation grundsätzlich für mich? Traue
ich mir das zu?
• Welche Informationen brauche ich noch, um mich entscheiden zu können?
• Wer kann mich unterstützen, damit ich gut durch die
Wartezeit komme?
• Mit wem kann ich meine Ängste und Ressentiments
besprechen?
• Was passiert, wenn ich mich gegen eine Transplantation
entscheide?
Spätestens jetzt ist es an der Zeit, gezielt Antworten auf
die eigenen Fragen zu suchen. Dies kann beinhalten:
• Transplantationsseminare zu besuchen
7.5 Umgang mit Sterben und Tod
CF-Betroffene und ihre Angehörigen sind schon vom
Kindesalter an mit dem Thema Sterblichkeit und Tod
konfrontiert. Die meisten Menschen verdrängen die Gedanken daran weitestgehend und würden, daraufhin angesprochen, möglichst schnell das Thema wechseln. Das
menschliche Unterbewusstsein jedoch setzt sich mit dieser Realität auseinander. Es ist daher wichtig, Betroffene
und ihre Angehörigen aufzufangen, wenn sie selbst bereit
sind, sich damit aktiv zu beschäftigen oder das Thema
direkt oder indirekt zum Problem wird.
Dabei gilt es zu akzeptieren, dass jeder Mensch seinen
eigenen Weg zur Bewältigung finden und gehen muss.
Es gibt hierfür nicht die »einzig wahre Lösung«. Ebenso
wichtig ist auch, Unterstützung anzubieten, die Menschen
dabei hilft, in dieser schwierigen Lebenssituation zurechtzukommen. Viele registrieren ihre Ängste und Gefühle
zwar, haben jedoch nicht gelernt, darüber zu kommunizieren. Ärzte und Behandler können diese Aufgabe nicht
wahrnehmen, sondern bestenfalls Unterstützungsangebote aufzeigen oder Anlaufstellen nennen, wo CF-Betroffene
und deren Familien Beistand und psychologische Hilfe
erhalten.
• das entscheidungsorientierte Gespräch mit dem Behandlerteam zu suchen
Diese Hilfe kann »Hilfe zur Selbsthilfe« sein, damit Betroffene und Angehörige lernen, ihre Gefühle zu sortieren und
offen darüber zu sprechen. Jeder wählt dabei den für sich
»richtigen« Gesprächskreis – sei es innerhalb der Familie, in einer Partnerschaft, im Freundeskreis oder in einer
Glaubensgemeinschaft.
Immer konkreter wird die Einschätzung, was man persönlich braucht, um sich auf dieses lebensrettende,
aber auch risikoreiche Unterfangen einzulassen. Es gilt,
einen Lebensabschnitt zu bewältigen, angefangen von
oft monatelanger stationärer Wartezeit, über die intensivmedizinische Behandlung im Transplantationszentrum mit einem unbekannten Behandlerteam bis hin zur
Spätestens dann, wenn die Lungenfunktion soweit eingeschränkt ist, dass eine Transplantation zur Diskussion
steht, ist der Zeitpunkt gekommen, wo man massiv mit
dem Thema Sterblichkeit konfrontiert wird und sich einer
Entscheidung »über Leben und/oder Tod« stellen muss.
Die Transplantation ist in der Regel der letzte Ausweg, um
aktiv weiter am Leben teilnehmen zu können, beinhaltet
• Erfahrungsberichte von Transplantierten in Büchern
oder Filmen zu verfolgen
• Kontakte zu Transplantierten zu knüpfen
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Psychosoziale Themen
Gesundheitliche Entwicklung
Quelle: geliefertes Bild
jedoch das Risiko, die Operation bzw. deren Folgen möglicherweise nicht zu überleben. Es gibt daher auch eine
Gruppe Betroffener, die bewusst eine Transplantation
ablehnen und den Weg des »bewussten und natürlichen«
Sterbens gehen.
Allen sollte je nach Bedarf die nötige Hilfe angeboten werden, um die von ihnen getroffene Entscheidung individuell
gestalten zu können. Entsprechende Instanzen, wie z. B.
Psychologen, Seelsorger, Sterbe- und Trauerbegleiter bzw.
familienorientierte Reha-Einrichtungen und Hospize sind
in der Gesundheitspolitik anerkannt und in unsere Gesellschaft integriert. Ergänzende Aufbauarbeit wäre hier allerdings wünschenswert.
7.6 Patientenverfügung und
Vorsorgevollmacht
Der wissenschaftliche und technische Fortschritt macht
es heute möglich, schwerstkranken Menschen in einem
Umfang zu helfen, der vor einigen Jahrzehnten noch nicht
denkbar war.
Patientenverfügung
Solange der kranke Mensch selbst entscheidungsfähig ist,
kann er die für jede ärztliche Behandlung erforderliche
Zustimmung noch selber erteilen. Was aber in Fällen der
eigenen Entscheidungsunfähigkeit, z. B. im Koma?
Seit dem 01.09.2009 ist die Patientenverfügung in
§ 1901 a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.
Sie kann von einem volljährigen Menschen abgeschlossen werden, muss aber nicht. Natürlich ist auch niemand
ein für allemal an seine Patientenverfügung gebunden. Sie
kann jederzeit formlos widerrufen werden. Genauso empfiehlt es sich, sie in regelmäßigen Abständen (z. B. jährlich)
daraufhin zu überprüfen, ob sie noch mit dem eigenen
Willen übereinstimmt.
Die Patientenverfügung regelt einen medizinischen Sachverhalt und richtet sich daher primär an den Arzt bzw.
das Behandlerteam. Dieser Personenkreis soll im Fall der
Entscheidungsunfähigkeit des Patienten eine Richtschnur
für die gewünschte oder nicht gewünschte Behandlungsmaßnahme etc. haben.
Die Patientenverfügung kann sich zusätzlich an einen Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter richten und
Vorgaben bzw. Bitten zur Auslegung und Durchsetzung
der Patientenverfügung enthalten. Die Verfügung ist nur
in Schriftform wirksam. Das bedeutet, dass der Aussteller die Verfügung eigenhändig durch Namensunterschrift
oder mittels eines notariell beglaubigten Handzeichens
unterzeichnet. Bei notarieller Beurkundung ist die Schriftform ebenfalls gewahrt.
Inhaltlich werden Vorgaben für Untersuchung, Heilbehandlungen bzw. ärztliche Eingriffe gegeben. Damit die
Patientenverfügung beachtet werden kann, müssen die
darin enthaltenen Erklärungen frei verantwortlich, insbesondere ohne äußeren Druck abgegeben worden sein.
Die Patientenverfügung ist für den behandelnden Arzt
verbindlich, wenn durch die Festlegung der Wille für eine
konkrete Lebens- und Behandlungssituation eindeutig und
sicher festgestellt werden kann. Missachtet der Arzt die
Bestimmungen der Patientenverfügung, kann das einen
strafrechtlich relevanten Tatbestand, wie z. B. eine Körperverletzung, darstellen.
Es empfiehlt sich, den Inhalt der Patientenverfügung, die
Vorgaben für Untersuchungen, Heilbehandlungen und
ärztliche Eingriffe im Vorfeld, bei Abfassung der Patientenverfügung mit einem/seinem Arzt zu besprechen. Dies
stellt sicher, dass die medizinische Konsequenz diverser
ärztlicher Maßnahmen etc. vollständig erfasst wurde.
Wer im Voraus, in guten Zeiten, die ärztlich Behandlung
regeln möchte, sollte eine Patientenverfügung abfassen.
22
Damit die Patientenverfügung im Ernstfall auch beachtet
werden kann, sollte sie gut auffindbar aufbewahrt und mit
einer Hinweiskarte, z. B. in der Geldbörse, auf ihre Existenz
aufmerksam gemacht werden.
Vorsorgevollmacht
Von der Patientenverfügung zu unterscheiden ist die Vorsorgevollmacht. Sie ist in § 1901 c BGB angesprochen.
Mit einer Vorsorgevollmacht kann »in gesunden Tagen«
die Vertrauensperson ausgewählt werden, die im Fall eigener Entscheidungsunfähigkeit als Stellvertreter handelt.
Um alle Angelegenheiten regeln zu können, empfiehlt
sich die Bevollmächtigung, in allen vermögensrechtlichen
und persönlichen Angelegenheiten tätig zu werden. Zu
den vermögensrechtlichen Angelegenheiten zählt z. B. die
Tätigkeit gegenüber Behörden oder vor Gerichten. Dazu
gehört auch, über Vermögensgegenstände (z. B. Grundstücke oder Bankkonten) zu verfügen und Verbindlichkeiten einzugehen. Zu den persönlichen Angelegenheiten
gehören Dinge wie Fragen der ärztlichen Behandlung oder
Regelungen über den Aufenthalt, etwa in einem Krankenhaus oder Pflegeheim.
Obwohl es keine Formvorschrift gibt, sollte die Vorsorgevollmacht aus Nachweisgründen und wegen der Klarheit
schriftlich verfasst werden. Sie kann jederzeit widerrufen
werden. Da die Erteilung einer Vollmacht stets Vertrauenssache ist, sollte ihre Erteilung gut überdacht werden.
Patientenverfügung
dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche
§ 1901 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt.
(1)
1. Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall
seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt,
2. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter
Anhaltspunkte zu ermitteln.
3. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere
ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung
mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder
noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen
religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche
seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen
oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt
(Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob
Wertvorstellungen des Betreuten.
(3)
diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und
Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und
Behandlungssituation zutreffen.
Stadium einer Erkrankung des Betreuten.
2. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des
Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
3. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos
widerrufen werden.
(2)
1. Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die
Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf
die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu,
(4)
1. Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung
verpflichtet werden.
2. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung
darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses
gemacht werden.
(5)
hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den
Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte
mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf
entsprechend.
23
Psychosoziale Themen
8Reisen mit CF
Es ist unbestritten: Eines der größten Hobbys Erwachsener mit CF ist das Reisen! Und genauso unbestritten ist,
dass es im Vorfeld einer Reise Einiges zu bedenken gibt,
damit sich die Auszeit auch wirklich unbeschwert gestaltet. Denn neben den positiven Aspekte, wie Klimaveränderung, Entspannung, Abenteuer oder einfach Zeit und
Muße für die CF-Therapie, birgt das Reisen auch Risiken.
Letztere sind abhängig von Reiseziel und -dauer, dem individuellen Reisestil, vor allem aber von der gesundheitlichen Verfassung des Reisenden. Die Veränderungen im
Tagesablauf und die fremde Umgebung bedingen oft,
dass die Therapie nicht wie gewohnt fortgesetzt werden
kann. Hinzu kommen Ernährungsumstellung, Klimawechsel, Zeitumstellung, fehlende Hygienemöglichkeiten u. ä.,
was gerade bei einer chronischen Erkrankung wie CF problematisch sein kann.
24
Reiseprobleme allgemein
Zu den gängigsten Reiseproblemen gehören Infektionskrankheiten der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts
sowie Sonnenschäden, Reiseübelkeit, Höhenkrankheit,
Verletzungen oder Unfälle. Bei Fernreisen muss mit
Durchfall oder Tropenkrankheiten gerechnet werden.
Diese können individuell zusammen mit den allgemein
gültigen Schutzvorkehrungen und für die Einreise erforderlichen Impfungen im Internet abgefragt werden, z. B.
auf der Website www.fit-for-travel.de. Für die gängigsten
Gesundheitsprobleme empfiehlt es sich, eine „Reiseapotheke“ mitzunehmen.
CF-spezifische Risiken
Zu den Reiserisiken, die CF-Betroffene angehen, gehören insbesondere infektbedingte Verschlechterungen
(Exazerbationen) und übermäßiger Salzverlust durch
starkes Schwitzen, aber auch Notfallsituationen wie akuter Darmverschluss (DIOS), Lungenriss (Pneumothorax),
Lungenblutung (Hämoptoe) oder Osteoporose-bedingte
Frakturen. Diese Ereignisse und eventuelle Vorsorgemaßnahmen sollten in der CF-Ambulanz im Vorfeld einer
Reise angesprochen und entsprechende Medikamente in
die Reiseapotheke mit aufgenommen werden. Es muss
sichergestellt sein, dass die CF-Dauertherapie mit den
unverzichtbaren Medikamenten auch unterwegs weitergeführt werden kann.
Inwieweit sich bei der Wahl des Urlaubslandes Einschränkungen ergeben, hängt vom jeweiligen Gesundheitszustand ab. Bei stark eingeschränkter Lungenfunktion oder
Sauerstoffpflichtigkeit sollte z. B. vor Reiseantritt mit der
Ambulanz geklärt werden, ob die Risiken einer Flugreise
vertretbar sind bzw. eine Sauerstoffversorgung während
des Fluges erforderlich ist und wie diese gewährleistet
werden kann. Gegebenenfalls sind gezielte Untersuchungen im Vorfeld erforderlich, um mögliche Risiken auszuschließen.
Medizinische Versorgung im Ausland
Auch wer wenig krankheitsbedingte Einschränkungen hat,
sollte sich überlegen, ob die medizinische Versorgung im
Reiseland für den Fall einer gesundheitlichen Verschlechterung oder für konkrete CF-Notfälle gegeben ist. Die Internetseite www.cfww.org bietet unter der Rubrik „Member
Associations“ eine Liste ausländischer CF-Organisationen.
In Kapitel 8 finden Sie die Kontaktadressen europäischer
CF-Einrichtungen. Es empfiehlt sich, diese auszudrucken
und mitzunehmen. Hilfreich ist auch, eine Beschreibung
der CF-Erkrankung in Englisch oder der Sprache des Reiselandes bei sich zu führen. Sie ist ebenfalls auf den Seiten der jeweiligen ausländischen Organisation im Internet
zu finden. Ins Portemonnaie oder die Reisetasche gehört
zudem ein Notfallausweis: Ein Muster ist z. B. auf der Internetseite www.mukoland.de verfügbar.
werden. Einfuhrregelungen, insbesondere hinsichtlich des
Zubehörs für die Sauerstoffversorgung, sind mit der jeweiligen Fluglinie rechtzeitig vor Reiseantritt zu klären.
Versicherung im Krankheitsfall
Auch sollte man sich informieren, welche Leistungen die
gesetzlichen Krankenkassen im Reiseland im Krankheitsfall übernehmen. Eine ergänzende private Auslandsreiseversicherung ist oft zweckmäßig. Dabei sollte geprüft werden, welche Versicherungsfälle diese genau abdeckt. Es
ist sinnvoll, nicht nur die Kosten kostspieliger Arztbesuche
oder Krankenhausaufenthalte, sondern auch den Reiserücktritt oder bei schwerer Erkrankung den Rücktransport
abzusichern. Im Zweifelsfalle sollte vorher mit der Versicherung geklärt werden, ob auch Erkrankungen, die Teil
oder Folge der Mukoviszidose sind, versichert sind. Bei
Rückfragen gibt es Unterstützung durch die Geschäftsstelle des Mukoviszidose e. V. oder die Verbraucherzentrale. Zum Thema Auslandsreisekrankenversicherungen hat
auch die Stiftung Finanztest informative Artikel veröffentlicht, die im Internet abrufbar sind. Die Versicherungsunterlagen, evtl. in Kopie, sollten mit auf die Reise genommen werden.
Wir wünschen einen erholsamen Urlaub!
CF-Medikamente, Sauerstoff
Bestimmte Formalitäten sind zwar lästig, aber notwendig. So ist bei Auslandsreisen empfehlenswert, dass CFBetroffene die benötigten Medikamente für den Zoll in
einer Liste zusammenstellen und diese von der Ambulanz
bestätigen lassen. Ob die Mitnahme von Notfallmedikamenten, z. B. bestimmter Antibiotika für den häufigen Fall
einer infektbedingten Verschlechterung, sinnvoll ist, sollte
vorher gemeinsam mit dem Ambulanzarzt entschieden
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