Komfort als Philosophiefrage
Transcrição
Komfort als Philosophiefrage
VERTRIEB-AKTUELL Komfort als Philosophiefrage Renault hat Lösung für Memminger Niederlassung Kaum im Amt, steht der neue Leiter von Renault Agriculture Deutschland, Georg Stecher, vor großen Herausforderungen. Für das drängendste Problem, die konzerneigene Niederlassung in Memmingen, die aufgekündigt worden ist, zeichnet sich die vielleicht denkbar beste Nachfolge ab. D er Vorgänger in der Position des Geschäftsführers, Johannes Engelbrecht, verabschiedete sich nach Erreichen der Altersgrenze zum Ende des vergangenen Jahres in den Ruhestand. Mit Georg Stecher hat sich Engelbrecht seinen Nachfolger für eine längere Übergangsphase bereits im Jahr 2000 als Vertriebsleiter ins Unternehmen geholt. Obwohl erst Mitte 40, kann Stecher solide Kenntnisse in der Landtechnikbranche vorweisen. Unter anderem war er Gebietsleiter für Traktoren bei Deutz-Fahr und Verkaufsleiter bei Vicon in Gottmadingen. Die Vier-ZylinderAres-Baureihe soll demnächst mit einem leistungsstärkeren Modell nach oben abgerundet werden. 14 AGRARTECHNIK: Die Nachricht über die Schließung der Niederlassung in Memmingen hat im Januar wie eine Bombe eingeschlagen. Warum hat man dem stärksten Baustein im deutschen Vertrieb mit über 60 Einheiten jährlich so plötzlich das Ende bereitet? Georg Stecher: Es hat sich eigentlich schon seit längerem abgezeichnet, obwohl ich ausdrücklich betonen möchte, dass es eine Konzernentscheidung war und nicht meine erste Amtshandlung. Schließlich war Memmingen eine konzerneigene Niederlassung nach dem Muster der CRA in Frankreich. Aus verschiedenen Gründen war sie trotz guter Marktanteile in der Region – mit teilweise über fünf Prozent in einem 1000er-Markt – nicht wirtschaftlich zu führen. Dies fängt schon bei der Kostenstruktur an und hört bei der AGRARTECHNIK APRIL 2002 AGRARTECHNIK APRIL 2002 und Vertriebsabwicklung von diesem Schrumpfungsprozess nahezu unberührt geblieben sind. Um es hier einmal klar zu stellen, was das RenaultVertriebsgebiet anbelangt, werden die bisherigen Grenzen beibehalten. Das Gebiet reicht also vom Bodensee bis AGRARTECHNIK: Die nächsten Bauchschmerzen dürfte Ihnen der Konkurs von Witte verursacht haben. Ist dort auch schon eine Lösung in Sicht? Georg Stecher: Ein Unglück kommt selten allein. Aber auch für diese Fotos: Werkbilder Anzahl damals von Pius Degenhardt übernommenen Mitarbeiter auf. AGRARTECHNIK: Jetzt wird im Allgäu erzählt, dass die Gruber-Gruppe den Standort übernimmt und außerdem eine Filiale für Linde-Gabelstapler installiert. Ist dies tatsächlich schon in trockenen Tüchern? Georg Stecher: Natürlich war es im Interesse aller Kunden und selbstverständlich auch von uns und den Mitarbeitern, dass es zu einer schnellen Lösung kommt. Nach dem Unterzeichnen des Letter-of-Intend mit Gruber, brodelte sofort die Gerüchteküche. Die Klärung der Mietverhältnisse und einiger anderer Regularien beanspruchte jedoch etwas Zeit. Ende März sind die Verträge aber nun endgültig manifestiert worden. AGRARTECHNIK: Wie sieht es denn mit den bisherigen Lieferanten aus? Claas hat ja mittlerweile an der Grenze zu Bayern in Baden-Württemberg zwei eigene Niederlassungen aufgebaut und auch eine ganze Reihe der DegenhardtMitarbeiter rübergezogen. Georg Stecher: Selbst wenn Claas mittlerweile andere Tatsachen geschaffen hat, bleibt Pius Degenhardt derzeit noch Claas-Partner. Gleiches gilt für die weiteren Hauptlieferanten Renault, Westfalia und Vicon. Gruber will außerdem noch die zwei Marken JCB und Linde hinzufügen. Der Mitarbeiterstamm ist aus den angesprochenen Gründen von annähernd 40 auf rund 25 gesunken. Wobei Werkstatt, Ersatzteillager Georg Stecher (li.) übernahm zu Jahresbeginn von Johannes Engelbrecht, der sich in den Ruhestand verabschiedete, das Zepter über die Renault Agriculture GmbH in Rosbach. Der Mittvierziger Stecher verfügt über langjährige Vertriebserfahrung bei Landtechnikherstellern. hoch in die Landkreise Augsburg und Aichach mit ihren 30er- beziehungsweise 100er-Märkten, also ganz BayerischSchwaben. missliche Situation konnten wir Gottsei-Dank schnell eine Lösung finden. Das Gebiet wird künftig von der Firma Jasper über einen eigenen Standort 15 VERTRIEB-AKTUELL bearbeitet. Sie ist ja in der Region eine feste Größe. Mit den beiden Marken Deutz-Fahr und Same setzt Jasper jährlich rund 100 Traktoren über mehrere Filialen um. AGRARTECHNIK: Last-but-not-least, die Lösung mit dem Außendienstmitarbeiter in Österreich hat nicht lange gehalten. Wie sieht es dort aus? Georg Stecher: Die etwa 60 Einheiten, die wir in Österreich vermarkten, bedeuten ein Prozent Marktanteil. Wobei für die meisten davon unser Händler im Burgenland verantwortlich zeichnet. Da wir selbstverständlich auch dort unser Händlernetz verstärken wollen und die Entwicklung neuer Partner ein besonderes Engagement erfordert, sind wir wieder auf der Suche nach einem neuen Gebietsverantwortlichen. Derzeit läuft eine Verkaufsaktion, in deren Rahmen eine ganze Reihe Vorführ- und Leasingtraktoren über sechs Monate ratenfrei und mit TopFinanzierungskonditionen abgegeben werden. AGRARTECHNIK: Seit mehreren Monaten steht mit Guy Povie ein neuer Mann an der Spitze von Renault Agriculture. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Nachfolger von Bruno Morange? Georg Stecher: Sie hat sich eigentlich ganz gut angelassen. Povie hat ein besonderes Gespür für Logistik, Produktion und Finanzen. Obwohl ich selbst ja noch nicht so lange bei Renault bin, habe ich das Gefühl, dass er die Zügel generell ein bisschen straffer führt. Außerdem ist er ein absoluter Verfechter der Renault-Philosophie „den besten Komfort für unsere Kunden“. AGRARTECHNIK: Können die Vertriebspartner in Kürze mit neuen Produkten rechnen? Massey Ferguson, die ihre Getriebe ebenfalls aus dem gemeinsamen Werk mit Renault GIMA bezieht, hat ja schon in Kombination mit dem elektronischen Motormanagement Automatikfunktionen bei der Getriebesteuerung präsentiert. Außerdem wurden nicht nur in Frankreich schon neue Ares 16 Renault hat eines der umfangreichsten Traktoren-Programme aus eigener Produktion. Angefangen bei den Spezialtraktoren für Weinbau über Kommunaltraktoren bis hin zu den Großtraktoren mit bis zu 260 PS. mit veränderter Kabine sowie mit einem stärkeren Vierzylinder-Motor gesichtet. Georg Stecher: Ich komme gerade von einem Produktmeeting aus Frankreich. Trotz des bereits bisherigen umfassenden Programms mit 52 Modellen mit insgesamt 270 verschiedenen Spezifikationen können sich unsere Händler in den nächsten Monaten auf eine Fülle neuer Typen oder Produktverbesserungen freuen. Ohne dass ich hier zu viel verrate, stehen wir unmittelbar vor der Einführung der Ares-IIBaureihe. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich noch keine Details verlautbaren kann. AGRARTECHNIK: … und wann sind 50 km/h oder aber ein stufenloses Getriebe verfügbar? Georg Stecher: An beidem wird derzeit ganz intensiv gearbeitet. Da im kommenden Frühjahr die nächste Sima in Paris ansteht, kann sich jeder selbst ausrechnen, dass Renault mit seiner Stärke im Heimmarkt diese Gelegenheit für die Präsentation von Neuigkeiten bestimmt nutzen wird. AGRARTECHNIK: Sie haben bereits das große Programm von Renault angesprochen, das eigentlich keinen Vergleich selbst mit den ganz großen Wettbewerbern scheuen muss. Alleine aus diesem Grund kann doch der Marktanteil von zwei Prozent nicht befriedigen? Georg Stecher: Das sehe ich auch so, bei einem solchen Produktprogramm muss unter dem Strich einfach mehr rauskommen. Wie bei den meisten Wettbewerbern auch, machen ein Viertel unserer Händler rund 80 Prozent des Umsatzes. Bei unseren knappen Resourcen müssen wir uns deshalb künftig auf die Profis unter unseren 80 Händlern konzentrieren. Nur diese sind auch in der Lage, die immer aufwändigeren und damit komplizierteren Produkte in unserem Sinne zu handeln. Man muss sich ja nur einmal den deutschen Marktführer 2001 anschauen, In der mittleren Leistungsklasse stellt Renault den Vertriebspartnern mit den sich mehrfach überlappenden Baureihen Ceres, Telmis und Ares für jeden Kundenanspruch einen passenden Traktor zur Verfügung. AGRARTECHNIK APRIL 2002 dem es gelungen ist, kleinere Händler zu Vertriebsgemeinschaften zusammenzuführen oder sie größeren unterzugliedern. Jedes Produkt ist nun einmal nur so gut, wie es die Vertriebspartner vor Ort repräsentieren. Wobei wir ganz klar auf mittelständische Familienbetriebe setzen, weil wir uns davon das entsprechende Engagement erwarten. Dass dies richtig ist, zeigt die jüngste Umfrage bei Landwirten des dlz agrarmagazins. Unsere Markenhändler haben dabei am besten abgeschnitten. Eine Basis, auf der man gut aufbauen kann. AGRARTECHNIK: Obwohl Claas und Renault in Frankreich starke Partner sind, entscheidet sich Claas hier für seine Niederlassungen immer für Valtra. Befürchtet Henning Paulsen vielleicht, dass seine Verkäufer bei einem so großen Traktorenprogramm sonst zu stark abgelenkt werden? Georg Stecher: Dies wäre vielleicht eine Erklärung für diese Entscheidungen. AGRARTECHNIK: Eine letzte Frage: Wie sind Sie mit der laufenden Frühjahrsaktion zufrieden? Georg Stecher: Innerhalb der ersten vier Wochen haben wir » „Wir müssen die Profis unte r unseren Vertriebspartn ern stärker unterstützen.“ Georg Stecher « mehr als 40 Einheiten verkauft. Noch nie war unser Lagerbestand auf einem so niedrigen Niveau wie jetzt. Vielleicht verlängern wir die Aktion über den Termin 30. April hinaus bis Ende Mai. Schließlich stehen noch eine Reihe Großtraktoren der Baureihe Atles zur Verfügung, für die wir so sicherlich einfacher Käufer gewinnen können. (dd)