Das Ulcus cruris venosum und die Kompressions

Transcrição

Das Ulcus cruris venosum und die Kompressions
WundForum
Das Magazin für Wundheilung und Wundbehandlung
Heft 3 / 2012 – 19. Jahrgang
Das Ulcus cruris venosum
und die Kompressionstherapie venöser Beinleiden
tsa
k
fi
i
t
r
e
und Z
g
n
u
f
ü
r
unter
P
e
n
i
l
n
o
ausdruck ndforum.de
www.wu
www.wundforum.de
Fort- und Weiterbildung
Zertifizierte WundForum-Fortbildung
im HARTMANN WundForum und im
Internet unter www.wundforum.de
Die beruflichen Anforderungen im Bereich der
Pflege sind in den vergangenen Jahren deutlich
gestiegen. Neue Erkenntnisse und Erfahrungen
in Diagnostik und Therapie führen dazu, dass sich
auch die Aufgaben von Pflegekräften stets neu
definieren. Heute ist der erfolgreiche Abschluss
einer Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege oder in der Altenpflege allein nicht
mehr ausreichend, um mit den ständig neuen Herausforderungen in der Pflege und in der Medizin
Schritt zu halten.
Während in vielen europäischen Ländern eine
permanente Fort- und Weiterbildung für Pflegekräfte verpflichtet ist, sind entsprechende Nachweise zur ständigen beruflichen Qualifizierung in
Deutschland noch freiwillig.
Die Weiterbildungsserie im HARTMANN WundForum und parallel dazu im Internet ermöglicht
Ihnen eine interaktive Fort- und Weiterbildung
in den Bereichen der Wundheilung und Wund­
behandlung. Hierbei werden vorwiegend fachbezogene Themen behandelt.
Die Prüfungsfragen beziehen sich auf die
Inhalte des jeweiligen Fachartikels, sodass Sie
normalerweise keine zusätzlichen Informationsquellen benötigen. Der Fachartikel zur zertifizierten WundForum-Fortbildung erscheint im
2
HARTMANN WundForum 3 / 2012
­ ARTMANN WundForum als Sonderdruck-Beilage
H
sowie im Internet – einschließlich der kompletten
Literaturliste. Der Single-Choice-Test wird dagegen ausschließlich im Internet unter http:// www.
wundforum.de veröffentlicht und kann dort beantwortet werden. Für jede Frage des Single-ChoiceTests gibt es fünf Antwortmöglichkeiten – richtig
ist jedoch nur eine Antwort.
Bei richtiger Beantwortung von mindestens sieben Fragen erhalten Sie drei Fortbildungspunkte. Das Fortbildungszertifikat zur
Dokumentation der bestandenen Prüfung
können Sie dann sofort ausdrucken.
Eine nicht-bestandene Prüfung können Sie einmal wiederholen (jedoch mit neuen Fragen). Auch
hierbei sind mindestens sieben richtige Antworten erforderlich, um die Prüfung zu bestehen. Die
Nachprüfung ist nur einmal möglich.
Sollten Sie bei der „Registrierung beruflich Pflegender (RbP) GmbH“ mit Sitz in Berlin eingetragen
sein, reichen Sie dort das Zertifikat ein, um sich die
erworbenen Fortbildungspunkte gutschreiben zu
lassen.
An der zertifizierten WundForum-Fortbildung
können Sie in der Zeit vom 22. September 2012
bis zum 22. Dezember 2012 teilnehmen.
www.wundforum.de
Fort- und Weiterbildung
B. Nusser, PAUL HARTMANN AG, Heidenheim
Das Ulcus cruris venosum
und die Kompressionstherapie
venöser Beinleiden
Zusammenfassung
In Deutschland leiden entsprechend einer
aktuellen Untersuchung etwa die Hälfte aller
Ulcus- cruris-Patienten an einem venös bedingten Unterschenkelgeschwür, dem Ulcus cruris
venosum. Weitere bedeutsame Untergruppen des
Ulcus cruris sind das Ulcus cruris arteriosum sowie
das Ulcus cruris mixtum, bei dem eine chronische
venöse Insuffizienz gleichzeitig verbunden mit
einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
vorliegt.
Grundsätzlich stellt sich bei allen Formen von
Venenleiden das Problem, dass zwar die Folgen,
nicht aber die Ursachen der Erkrankung selbst
beeinflussbar sind. So kann beispielsweise bei primärer Varikosis durch Verödung oder Operation
eine Besserung herbeigeführt werden. Die auslösende Ursache, beispielsweise der anlagebedingte
Elastizitätsverlust der Venen, bleibt jedoch bestehen und bedarf ständiger ärztlicher Überwachung.
Komprimierende Maßnahmen als die ältesten
überlieferten Therapieformen und noch heute
die am häufigsten angewendeten Methoden bei
Venen- und Lympherkrankungen sind angezeigt
bei allen Krankheitsbildern mit Ödemneigung, bei
Thrombophlebitis, tiefer Thrombose, postthrombotischem Syndrom, primärer Varikose, Hypo­
dermitis und Ulcus cruris venosum.
Sowohl als Prävention als auch als Therapie
und Nachsorge zählt eine adäquate Kompression
zur bedeutendsten konservativen Maßnahme,
um das Grundleiden zu beeinflussen. So kann die
medizinische Kompressionstherapie alleín oder
gemeinsam mit anderen Behandlungsformen
angewendet werden. Unbedingt erforderlich ist
dabei jedoch, dass die betroffene Patientin / der
betroffene Patient zur Mobilisierung und Mitarbeit
motiviert wird.
www.wundforum.de
Einleitung
Man schätzt, dass in Deutschland etwa zwei bis
vier Millionen Menschen an chronischen Wunden
leiden. Hierbei werden die nachfolgend aufgeführten Krankheitserscheinungen besonders häufig
beobachtet:
77 Ulcus cruris (venosum, arteriosum, mixtum)
77 Dekubitalulkus
77 Diabetisches Fußsyndrom
Das Ulcus cruris stellt mit seinen verschiedenen
Formen die häufigsten chronischen Ulzera. Für die-
Die Begriffe „chronischvenöse Insuffizienz“
und „chronische venöse
Insuffizienz“ werden in
der Literatur gleichrangig
verwendet.
Schematische Darstellung des Beinvenensystems
1
2
3
4
5
6
7
8
Abb. 1
Nach anatomischen Kriterien wird das
Beinvenen­
system in die Bereiche des oberflächlichen oder suprafas­zialen und des tiefen
oder subfaszialen Venensystems unterteilt, die
durch die Verbindungsvenen eine funktionelle
Einheit bilden. Praktisch alle Venen verfügen
über Venenklappen, die als Volumenventile
fungieren. Sie sorgen dafür, dass das Blut nur
in eine Richtung, nämlich herzwärts bzw. von
der Oberfläche in die Tiefe, strömen kann.
1. subfasziale Oberschenkelvene
(Vena femoralis)
2. Dodd’sche Venen
3. suprafasziale Stammvene
(Vena saphena magna)
4. subfasziale Kniekehlenvene
(Vena poplitea)
5. hintere subfasziale Schienbeinvene
(Vena tibiales posterior)
6. Boyd’sche Vene
7. vordere subfasziale Schienbeinvene
(Vena tibialis anterior)
8. Cockett’sche Venen
9. Venenbogen des Fußrückens
9
HARTMANN WundForum 3 / 2012
3
Fort- und Weiterbildung
Erkrankungszahlen
Tab. 1
Krankheitsbild
Anzahl der Erkrankungen in Deutschland
Ulcus cruris
Bis zu 1,5 Millionen Menschen
Dekubitalulkus
Prävalenz im Patientengut von Krankenhäusern bei 3 bis
10%; in Pflegestationen bzw.-heimen bei bis zu 45%
Diabetisches Fußsyndrom
Etwa 15% aller Patienten mit Diabetes mellitus
ses Krankheitsgeschehen sind auch die Bezeichnungen „Beingeschwür“ und „Unterschenkelgeschwür“ gebräuchlich. Umgangssprachlich wird
diese Erkrankung als „offenes Bein“ bezeichnet.
* Vermeiden sollte man
bei diesem Krankheitsbild die verkürzende
Bezeichnung „Ulcus
mixtum“ ohne den auf
den Körperbereich hinweisenden Zusatz „cruris“. Die ausschließliche
Nennung der Indikation
„Ulcus mixtum“ steht
für eine gänzlich andere
Erkrankung, dem „Ulcus
molle“. Beim Ulcus mixtum liegt eine Infektion
des Erregers Hämophilus
ducreyi gemeinsam mit
Treponema pallidum vor,
also eine venerische und
keineswegs eine venös
bedingte Erkrankung.
Der Symptomenkomplex Ulcus cruris
Bei etwa 50 bis 60% aller Patientinnen / Patienten mit einem Ulcus cruris sind die Ursachen
des Unterschenkelgeschwürs venös bedingt. Dieses wird demzufolge als Ulcus cruris venosum
bezeichnet (Plural: Ulcera curis venosum).
Eine weitere Untergruppe des Ulcus cruris ist
das durch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK) verursachtes Ulcus cruris (Ulcus
cruris arteriosum). Hier schätzt man einen Anteil
von ca. 15 % an allen Unterschenkelgeschwüren.
Ebenso häufig (etwa 15 %) findet man eine
Kombination von venös sowie gleichzeitig arteriell bedingtem Unterschenkelgeschwür, das Ulcus
cruris mixtum*.
Eine in den vergangenen Jahren in Deutschland
bei 100 Experten durchgeführte Befragung über
Genese von Ulcera
4
Tab. 2
Genese
Anteil in %
Ulcus cruris venosum
47,6
Ulcus cruris mixtum
17,6
Ulcus cruris arteriosum
14,5
Vasculitis
5,0
Exogene Faktoren
3,8
Pyoderma gangraenosum
3,0
Infektionskrankheiten
1,4
Neoplasien /Metastasen
1,2
Medikamente
1,1
Kalziphylaxie
1,1
Andere Genese
1,3
Unklare Genese
2,5
HARTMANN WundForum 3 / 2012
die Genese von 31.619 Patienten mit chronischen
Ulcera cruris zeigt ein ähnliches Verteilungsmuster
(siehe Tab. 2)
Vorerkrankungen im venösen System / kausale Faktoren
Primäre Varikosis / Krampfaderleiden
Die schwerwiegendste Erkrankung des oberflächlichen Venensystems im Bereich der Beine ist
die primäre Varikosis, auch als Krampfaderleiden
bezeichnet. Krampfadern oder Varizen sind sackoder schlauchförmig überdehnte Venen. Unter
der Haut ist ihr typisch geschlängelter Verlauf gut
sichtbar.
Ursache für die Entstehung eines Krampfaderleidens sind:
77 Eine Venenklappen-Agenesie (angeborene fehlende Anlage oder fehlende Entwicklung der
Venenklappen / Valvulae venosae)
77 Häufiger führt jedoch ein ererbter oder altersbedingter Verlust der Elastizität der Venenwände
zu Gefäßdilatation und Klappeninsuffizienz
77 Begünstigt wird diese anlagebedingte Disposition u. a. durch hormonelle Einflüsse während
einer Schwangerschaft, Bewegungsmangel
oder entzündliche Prozesse.
Betreffen Lumenerweiterung und Klappeninsuffizienz das Gebiet der Stammvenen (Vena saphena
magna / große Rosenader und Vena saphena
parva / kleine Rosenader), wird die Erkrankung als
Stammvarikosis bezeichnet. Demgegenüber steht
die Astvarikosis. Sie liegt dann vor, wenn die Seitenäste der Stammvenen davon befallen sind. Von
einer retikulären Varikosis spricht man, wenn die
Venae communicantes varikös erweitert sind.
Physiologie und Pathophysiologie des
venösen Rückstroms
Damit das venöse Blut zurück zum rechten Herzen transportiert werden kann, sind verschiedene
Mechanismen notwendig. So wird unter anderem
das physikalische Prinzip der kommunizierenden
Röhren gemeinsam mit dem postkapillarem Restdruck umgesetzt. Auch die respiratorischen Druckschwankungen im Brust- und Bauchraum sowie
die elastische Ansaugung des Herzens sorgen
dafür, dass das Blut zum Herzen zurück transportiert wird.
www.wundforum.de
Fort- und Weiterbildung
Besonders effektiv arbeitet die Wadenmuskelpumpe. Jedoch haben auch die Oberschenkelmuskelpumpe und die Fußsohlenmuskelpumpe ihren
Anteil am Rücktransport des venösen Blutes zum
rechten Herzen.
Bei Bewegung der unteren Extremitäten werden die tiefen Venen mit jeder Muskelkontraktion komprimiert. Das Blut wird auf diese Weise
herzwärts gedrückt. Dabei verhindern intakte
Venenklappen ein Zurückfließen des Blutes.
Bei der Muskelrelaxation kommt es durch entsprechende Ausdehnung zu einem Unterdruck in
den tieferen Venen. Hierdurch werden aus den
weiter distal angeordneten Venenabschnitten
sowie aus den suprafaszialen Venengeflechten
über die Perforansvenen Blut angesaugt. Ergänzt
wird die wechselnde Druck- / Saugwirkung der
Muskelpumpe durch entsprechende Mechanismen
an den Gelenken und durch das Widerlager der
Faszie.
Die beiden Pumpensysteme „Wadenmuskelpumpe“ und „Sprunggelenkpumpe“ bilden
eine funktionierende Einheit und können nicht
isoliert betrachtet werden. Eine gut funktionierende Wadenmuskelpumpe ist an die Bewegung
im Sprunggelenk gekoppelt und setzt somit eine
Betätigung der Sprunggelenkpumpe voraus.
Ob die Gelenkpumpen oder die Muskelpumpen
den größeren Anteil an der Beschleunigung des
venösen Rückflusses haben, wird kontrovers
diskutiert.
Da nur etwa 10 % des venösen Blutes über
die oberflächlichen Venen zum Herzen zurücktransportiert werden, kann ein Funktionsausfall
einzelner Venenabschnitte durch Ausweichen auf
andere Venengeflechte oder durch Übernahme
der Transportaufgaben durch die intakten tiefen Leitvenen meist ohne Probleme kompensiert
werden.
Das klinische Bild verändert sich jedoch gravierend, wenn Lumenerweiterung und Klappeninsuffizienz auf die Perforansvenen und subfaszialen
Venen übergreifen. Es kommt zur Umkehr der
venösen Fließrichtung und damit zu Störungen
des physiologischen Rücktransportes. Der beim
Gehen durch die Wadenmuskelpumpe einsetzende Druckabfall ist vermindert oder fehlt völlig
(venöse Hypertonie), die Funktionsfähigkeit der
Venenklappen wird zunehmend eingeschränkt.
Die Auswirkungen manifestieren sich als chronische venöse Insuffizienz (CVI), gekennzeichnet
durch pathophysiologische Mikrozirkulationsstö-
Entwicklung und Stadieneinteilung der chronisch venösen Insuffizienz (CVI)
Ist der Rücktransport des Blutes zum Herzen aus verschiedenen
Ursachen gestört, kommt es zu einer Überlastung der Venen bis
in die Kapillaren der Endstrombahn. Die für einen geregelten
Stoffaustausch erforderlichen Niederdruckwerte können nicht
entstehen, die Folge sind Stoffwechselstörungen. Schweregrad,
Sitz und Bestandsdauer der Ablaufstörung bestimmen dabei die
verschiedenen klinischen Erscheinungsbilder, die sich allmählich und stetig verstärkend ausbilden. Sie werden unter dem
Symptomenkomplex der chronisch venösen Insuffizienz (CVI)
zusammengefasst und nach nationalen bzw. internationalen
Kriterien in Stadien eingeteilt.
CEAP-Stadieneinteilung
C0 Keine sichtbaren oder tastbaren venösen Veränderungen
C1 Teleangiektasien oder retikuläre Venen
(Durchmesser < 3 mm)
C2 Varizen (Durchmesser > 3 mm)
C3 Ödem bedingt durch venöse Insuffizienz
C4 Hautveränderungen (z. B. Pigmentierung, Ekzem, Atrophie
blanche, Dermatoliposklerose)
C5 abgeheiltes, venöses Unterschenkelgeschwür
C6 aktives, venöses Unterschenkelgeschwür
www.wundforum.de
Die Autorin:
Barbara Nusser
Leiterin Medical Training
PAUL HARTMANN AG
Paul-Hartmann-Str. 12
89522 Heidenheim
E-Mail: barbara.nusser@
hartmann.info
Abb. 2
Einteilung nach Widmer
Grad I
Um die Knöchel und oberhalb des Fußgewölbes angeordnete, besenreiserartige
Venen (Corona phlebectatica
paraplantaris) und Knöchelödem; ein Ödem ist die am
frühesten erkennbare Folge
der Entsorgungsstörung und
verstärkt durch neuerliche
Druckerhöhungen die CVI.
Grad II
Trophische Hautveränderungen mit Hyperpigmentierungen der Haut,
Unterschenkelödem und
Dermatoliposklerose; als
Extremvariante der Dermatoliposklerose gilt die Atrophie
blanche (auch als Capillaritis
alba bezeichnet), die fast
ausschließlich als Folge einer
CVI vorkommt.
Grad III
Abgeheiltes oder florides
Ulkus (Ulcus cruris venosum);
es hat als Prädilektionsstelle
die perimalleoläre Region
(Bisgaard‘sche Kulisse), kann
jedoch auch an anderen Stellen des Unterschenkels auftreten und mitunter zirkulär
den gesamten Unterschenkel
befallen (Gamaschenulkus).
HARTMANN WundForum 3 / 2012
5
Fort- und Weiterbildung
rungen in Cutis und Subcutis, die letztendlich in
der Ausbildung eines Ulcus cruris venosum gipfeln
können.
Bei noch ausreichend funktionierendem Klappenapparat bei primärer Varikosis sind aber auch
die Ulzera auf Verletzungen, stumpfe Traumen
oder Varizenrupturen zurückzuführen.
Eine weitere schwerwiegende Erkrankung des
venösen Systems ist die Thrombose mit ihren
zumeist erheblichen Folgeschäden. Entscheidend für ihre Entstehung ist die so genannte
Virchow’sche Trias aus Veränderungen der
Gefäßwand, der Blutzusammensetzung und der
Strömungsgeschwindigkeit.
Schädigungen oder Veränderungen der Gefäßwand entstehen beispielsweise durch Verletzungen sowie durch degenerative, allergische oder
entzündliche Vorgänge. Eine Veränderung der
Blutzusammensetzung mit der Tendenz zu erhöhter Blutgerinnung kann infolge von Operationen,
länger bestehenden Krankheiten oder auch durch
schwere Infekte auftreten, während die Verlangsamung der Blutströmungsgeschwindigkeit
zumeist auf eine Immobilisation des Patienten
durch Krankheit oder Alters­gebrechen, auf bestehende Varizen, Adipositas oder lokale Abflussbehinderungen zurückzuführen ist.
Mit der Entstehung eines Thrombus kommt
es zum Verschluss des Venenlumens (der Thrombose), wobei die Auswirkungen auf die BlutzirkuFolgeerscheinungen primärer und sekundärer Varikosis
B
lation abhängig sind vom Ausmaß und Sitz der
Thrombose.
Die Störungen sind relativ unerheblich, wenn
der thrombotische Prozess im oberflächlichen,
suprafaszialen Venennetz abläuft, was als Thrombophlebitis bezeichnet wird. Der Thrombus haftet
in diesem Bereich zumeist fest an der Veneninnenwand, sodass bei der geringen Strömung
keine Emboliegefahr besteht. Behinderungen
beim Rücktransport des Blutes können wiederum
durch Umgehungsbahnen im oberflächlichen System oder bei nicht verschlossenen Perforansvenen
durch die tiefen Venen kompensiert werden.
Im Gegensatz dazu ist die Phlebothrombose
(Thrombose der tiefen Venen) gekennzeichnet
durch die akute Emboliegefahr und durch oftmals dauerhafte, ausgeprägte Spätfolgen, die als
postthrombotisches Syndrom (PTS) beschrieben
werden.
Eine nicht sofort durch Thrombolyse oder
Thrombektomie behandelte Thrombose der tiefen Venen heilt meist mit Defekt ab. Der Thrombus wird bindegewebsartig umgewandelt, wobei
diese Umwandlung zur Narbenbildung führt. Bei
nicht vollständigem Verschluss des Venenlumens
kommt es später zwar zu einer Rekanalisation,
durch die Vernarbung verliert die Vene jedoch
an Elastizität, sodass sie sich den schwankenden
Blutmengen nicht mehr anpassen kann. Auch
die Venenklappen können nicht mehr funktionsAbb. 3
C
A
So kann es nicht zu einem
Ulkus kommen: Bei diesen
gesunden Venen funktioniert der Blutrückstrom, das
Blut fließt „ordnungsgemäß“
herzwärts.
6
Anders sieht es aus bei einer primären Varikosis: Die Erweiterung der oberflächlichen Venen (A) hat über die Verbindungsvenen (B) die tiefen Venen (C) erfasst. Die Venenklappen schließen nicht mehr, der Blutstrom kehrt sich um. Folge: Blutstau,
zunehmende „Versumpfung“, CVI-Gefahr mit Ulkusausbildung.
HARTMANN WundForum 3 / 2012
Bei einer sekundären Varikosis geht die Schädigung von den
tiefen Venen aus: Durch thrombotische Vernarbung und Elastizitätsverlust der tiefen Venen (postthrombotisches Syndrom)
kommt es zur Klappeninsuffizienz, das Blut strömt in das oberflächliche System zurück. Folge: Blutstau, CVI- und Ulkusgefahr.
www.wundforum.de
Fort- und Weiterbildung
gerecht schließen und stellen häufig zusätzliche
Strombahnhindernisse dar, die eine Wirbelbildung
des Blutes begünstigen.
Der fortdauernde Rückstau kann zu Stoffwechselstörungen in den peripheren Hautarealen führen, im schlimmsten Fall bis hin zur Ulzeration.
Das voll entwickelte klinische Bild stellt sich als
chronische venöse Insuffizienz (CVI) dar.
Darüber hinaus bewirkt die erhöhte Druckbelastung nicht selten eine Undichtigkeit der Ventilfunktion der Perforansvenen, sodass Blut aus dem
subfaszialen in das suprafasziale System zurückfließt. Die Folgen sind sekundäre Varizen sowie
ebenfalls eine ödematöse Infiltration von Cutis
und Subcutis mit den bekannten Folgezuständen
der CVI. Das postthrombotische Syndrom ist die
häufigste Ursache eines Ulcus cruris (Ulcus cruris
postthromboticum).
Symptome und Klassifikationen chronischer
Venenleiden
Die Symptome der chronischen Venenleiden
werden zusammengefasst und nach nationalen
bzw. internationalen Kriterien in Stadien eingeteilt. In Anlehnung an die Klassifikation von Widmer ist im deutschsprachigen Raum folgende klinische Einteilung der chronischen venösen Insuffizienz gebräuchlich. Sie umfasst Venen- und oder
Hautveränderungen der chronischen venösen
Insuffizienz, die meist im Knöchelbereich und distalen Unterschenkel lokalisiert ist (siehe Abb. 2).
Die Klassifikation nach Widmer berücksichtigt lediglich die klinischen Befunde an der Haut.
Dagegen schließt das Einteilungsschema nach
Porter, die sog. CEAP-Klassifikation, auch die
objektiven Befunde, die Ätiologie, die Lokalisation
sowie die Pathophysiologie mit ein.
CEAP-Klassifikation
Gegenüber der Widmer-Klassifikation wird die
venöse Insuffizienz anhand der CEAP-Klassifikation umfassender und genauer definiert, was auch
Quervergleiche zwischen verschiedenen Studien
ermöglicht. In vereinfachter Form ist diese Klassifikation für den täglichen Gebrauch anwendbar.
Hierbei wird dann lediglich die C1 – C6-Einteilung
verwendet.
Die CEAP-Klassifikation berücksichtigt u. a. verschiedene Aspekte der klinischen Symptome :
www.wundforum.de
Abb. 4
Schematische Darstellung
einer insuffizienten Vene
(links) und deren Einengung durch den Kompressionsverband (rechts)
77 C = clinical (klinische Zeichen – Grad 0-6)
77 a = asymptomatisch, s = symptomatisch
77 E = etiological (ätiologische Zuordnung in kongenital, primär, sekundär)
77 A = anatomical (anatomische / befallene Venensegemente, oberflächliche, tiefe Perforanzvenen).
77 P = pathophysiological (Pathophysiologie –
Reflux, Obstruktion, Reflux und Obstruktion)
CEAP-Stadieneinteilung
Abbildung 2 zeigt den Teil der Klassifikation,
die sich auf die klinischen Symptome bezieht.
Die Schweregradzuordnung (C0 bis C6) erfolgt
anhand der schwerwiegendsten Symptome.
Weiterhin werden innerhalb der CEAP-Klassifikation bei der ätiologischen Differenzierung
die folgenden Begriffe verwendet:
77 Ec congenital – Die Ursache der chronischen
venösen Insuffizienz besteht bereits seit Geburt
77 Ep primär – Chronische venöse Insuffizienz mit
unbestimmter Ursache
77 Es sekundär – Chronische venöse Insuffizienz mit assoziierter bekannter Ursache / postthrombotisch, post-traumatisch, weitere
77 En – keine venöse Ätiologie identifizierbar
Bezüglich der anatomischen Lokalisation findet
man die folgende Einteilung, wobei diese weiter nach Segmenten (AS1-18) definiert werden
können:
77 AS – superfisziale, epifasziale Venen
77 AP – perforierende Venen (Perforans-Venen)
77 AD – tiefe, subfasziale Venen
77 AN – keine venöse Lokalisation identifizierbar
Die pathophysiologische Klassifikation wird
anhand der nachfolgenden Begriffe durchgeführt:
HARTMANN WundForum 3 / 2012
7
Fort- und Weiterbildung
Tipps zur Anlegetechnik des Kompressionsverbandes
Abb. 5
richtig
5a
5b
falsch
5c
90˚
5d
90˚
[5a] Basis für die Wirksamkeit der Kompression ist der
rich-tige Druckverlauf. Der
Druck ist im Fesselbereich
am höchsten und nimmt
zum Knie hin kontinuierlich
ab.
[5b] Die Binde muss richtig
in die Hand genommen werden, [5c] denn nur so lässt
sie sich am Bein abrollen.
Wird die Bindenrolle von
5e
der Haut abgehoben, geht
die Führung verloren und
es entstehen zwangsläufig
Schnürfurchen, wie auch die
kontinuierliche Druckverteilung gefährdet ist.
[5d] Zum Anlegen des
Verbandes Sprunggelenk
rechtwinklig stellen, der
Unterschenkel wird ca. 90°
gebeugt.
5f
[5e] Der Kompressionsverband beginnt oberhalb
der Zehengrundgelenke,
die Ferse wird sorgfältig
miteingebunden.
[5f] Zur Verstärkung des
lokalen Andrucks sollten
Vertiefungen, wie z. B. die
Bisgaard‘sche Kulissen, und
Hohlkehlen mit festen Pelotten ausgepolstert werden.
77 PR – Reflux
77 PO – Obstruktion
77 PR, O – Reflux und Obstruktion
77 PN – keine venöse Pathophysiologie identifizierbar
Wirkungen einer Kompressionstherapie
Ziel jeder Venenbehandlung ist es, insbesondere bei inoperablen Erkrankungen der tiefen
Venen, die Auswirkungen der venösen Veränderungen wie Stauungen, Ödeme, Ulzera usw. zu
beseitigen. Dabei kann im Gesamtkomplex der
therapeutischen Möglichkeiten auf die sachgemäße Kompression des Beines nicht verzichtet
werden. Die Kompressionstherapie in Form von
Kompressionsverbänden (z. B. mit Kurzzugbinden
oder als Zinkleimverband), Kompressionstrümpfen
oder der intermittierenden apparativen Kompression sind Basis der Therapie bei den meisten Pati-
8
HARTMANN WundForum 3 / 2012
entinnen und Patienten. Die medizinische Kompressionstherapie kann allein oder in Kombination
mit anderen Therapien angewendet werden.
Sowohl bei präventiven als auch zu thera­
peutische Maßnahmen ist eine adäquate Kompression die bedeutendste konservative Maßnahme, um das Grundleiden zu beeinflussen.
Parallel hierzu ist die Mobilisierung des Patienten
erforderlich.
Verschiedenen Studien zeigen, dass eine konsequente Kompressionstherapie die Abheilung
von venösen Ulzera beschleunigt und die Rezidivrate verringert. Darüber weisen diese Studien
nach, dass mit zunehmendem Arbeitsdruck der
Kompressionsverbände und/oder der Kompressionsstrümpfe die Abheilungsrate zunimmt und die
Rezidivrate sinkt.
Etablierte Verfahren der Kompressionstherapie
sind:
77 Kompressionsverband mittels Kompressionsbinden (oder Zinkleimbinden)
77 Kompressionsstrumpf (ein- oder zweiteilig)
77 apparative intermittierende Kompression
Die Hauptwirkung der Kompressionstherapie
erfolgt durch die Unterstützung und Aktivierung
der Waden- und Gelenkmuskelpumpe, weshalb
die Patienten zu regelmäßigem Gehen angehalten
werden sollen. In verschiedenen Studien konnte
gezeigt werden, dass eine konsequent durchgeführte Kompressionstherapie die Abheilung von
venösen Beinulzera beschleunigt und die Rezidivrate deutlich verringert. Die Effektivität einer Kompressionstherapie kann verbessert werden, wenn
Druckposter bzw. Pelotten verwendet werden.
Komprimierende Maßnahmen an den unteren
Extremitäten bewirken:
77 eine effektive Verminderung des venösen Querschnitts sowohl in Ruhe als auch bei der Muskelkontraktion und dadurch Verbesserung des
venösen Rückstroms
77 die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit
von relativ insuffizienten Venenklappen bei
dilatierten Venen
77 die Reduzierung des venösen Ödems und Verbesserung von pathologischen Makro- und
Mikro-Zirkulationsveränderungen
77 eine Erhöhung der Rückresorption von Gewebsflüssigkeiten im venösen Schenkel infolge des
erhöhten Gewebedrucks
www.wundforum.de
Fort- und Weiterbildung
77 die Beschleunigung der Blutströmung in den
erweiterten Kapillarschlingen mit Einschränkung der kapillaren Filtration mit gesteigerter
Re-Absorption
Zudem wirkt die Beschleunigung der Blutströmungsgeschwindigkeit antithrombotisch und in
Verbindung mit der erzielten Entstauung antiphlogistisch.
Darüber hinaus ermöglichen insbesondere Verbände mit hohem Arbeitsdruck und niedrigem
Ruhedruck eine Lüftung der kleinen Gefäße bei
Muskelrelaxation, während sie bei der Muskelkontraktion durch den hohen Arbeitsdruck ausgepresst werden. Durch dieses Wechselspiel steigert
sich der Blutumlauf in den nutritiven Gefäßabschnitten der Endstrombahn und führt so zu einer
wesentlichen Verbesserung des Stoffwechsels.
Komprimierende Maßnahmen sind daher angezeigt bei allen Krankheitszuständen mit Ödemneigung, bei Thrombophlebitis, tiefer Thrombose,
postthrombotischem Syndrom, primärer Varikosis
ohne und mit Perforansinsuffizienz und bei Ulcus
cruris venosum jeder Genese.
Kompressionsverband
Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines
Kompressionsverbandes werden grundsätzlich
durch die physikalischen Eigenschaften des verwendeten Kompressionsmaterials hinsichtlich
seines Kraft- Dehnungsverhalten sowie durch die
spezifische Anlegetechnik geschaffen.
Damit der venöse Rückstrom optimal verbessert
werden kann, werden von Kompressionsbinden
zur Kompressionstherapie folgende Eigenschaften
gefordert:
1.hoher Arbeitsdruck (= Druck bei Muskelkontraktion
2.niedriger Ruhedruck (= Druck bei ruhendem
Bein)
Der Arbeitsdruck ergibt sich aus dem Widerstand,
den der Verband der Ausdehnung der Muskulatur
entgegensetzt. Er wird immer an der bewegten
Extremität gemessen und ist um so höher, je weniger sich das Bindenmaterial dehnen lässt.
Unter Ruhedruck versteht man den kontinuierlichen Druck, der ständig von außen auf die ruhenden, unbewegten Extremität ausgeübt wird. Er ist
um so niedriger, je weniger dehnbar das Bindenmaterial ist.
www.wundforum.de
Eine Kompression ist nur dann erfolgreich,
wenn der Druck richtig dosiert und von distal
nach proximal stetig abnimmt. Dies ist allgemein
bekannt und so wird oft versucht, den Druck im
Fesselbereich (distal) durch stärkeren Zug an der
Binde zu erhöhen und ihn proximal zum Knie hin
durch geringeren Zug abfallen zu lassen. Diese
Vorgehensweise ist nicht ungefährlich, weil allzu
leicht Abschnürungen entstehen, die die venöse
Stase eher verstärken als sie bekämpfen. Sicherer
ist, die Binde mit einem gleichmäßig starken bzw.
festen Zug anzulegen und dabei auf das LaplaceGesetz zu vertrauen.
Nach dem Laplace-Gesetz ist der Druck der
Binde auf die Oberfläche des Beines proportional
zur Zugkraft an der Binde und umgekehrt proportional zum Radius des umspannten Körpers. Daraus ergibt sich, dass eine gleichmäßige Druckverteilung nur auf einem gleichmäßig zylindrischen
Körper erfolgen kann. Ein Bein ist jedoch so gut
wie nie gleichmäßig zylindrisch, sondern weist
viele unterschiedliche Radien auf. Deshalb muss
nach der Erkenntnis des Laplace-Gesetzes eine
möglichst zylindrische Beinform angestrebt werden, um die Binde mit gleichbleibendem Zug am
Bein abrollen und einen abfallenden Druckverlauf
sichern zu können. Dies ist möglich durch Polsterungen: Plane oder eingezogene Flächen müssen
bis zur deutlichen Vorwölbung aufgepolstert werden, damit der Verband Druck ausüben kann.
Vorsprünge hingegen müssen in der Regel
vor zu starkem Druck geschützt werden, was
durch eine Abpolsterung neben den Vorsprüngen
erreicht werden kann. Auf die Anatomie des Beines umgesetzt bedeutet dies: Knochenvorsprünge
(Knöchel) oder Kanten über dem Schienbein und
der Achillessehne sollen seitlich gepolstert werden, um die hier stärkere Wölbung auszugleichen
und damit den lokalen Andruck herabzusetzen.
Umgekehrt lässt sich der örtliche Andruck verstärken, wenn die Krümmung durch ein festes Polster
vergrößert wird.
Hohlkehlen wie die Bisgaard’sche Kulisse sollen nicht nur locker ausgefüllt, sondern mit festen Pelotten so ausgepolstert werden, dass die
Binde darüber etwas vorgewölbt angelegt werden
kann. Auch über einem Ulkus sollte die Wirkung
des Kompressionsverbandes durch Pelotten, die
die Ulkusgrenzen deutlich überlappen, verstärkt
HARTMANN WundForum 3 / 2012
9
Fort- und Weiterbildung
Anlegetechniken für den modifizierten Pütterverband
Abb. 6
Verband aus Kurzzugbinden
Bei der hier dargestellten
Verbandtechnik handelt es
sich um einen modifizierten
Pütterverband mit zwei
gegenläufig angelegten
Kurzzugbinden. Diese
Technik sichert eine hohe
Festigkeit und eine bessere
Haltbarkeit des Verbandes.
[1] Die erste Bindentour beginnt an den Zehengrundgelenken von innen nach
außen. Der Fuß ist dabei
rechtwinklig gestellt.
[2] Nach 2-3 zirkulären
Touren um den Mittelfuß
umschließt die nächste Tour
die Ferse und führt über
den Innenknöchel zum Rist
zurück.
[3] Mit zwei weiteren
Touren werden die Ränder
der ersten Fersentour
zusätzlich fixiert. Dabei läuft
die Binde zuerst über den
oberen Rand um die Fessel
herum ...
[4] und dann über den
unteren Rand in die
Fußwölbung.
[5] Nach einer weiteren
Tour um den Mittelfuß führt
die Binde über die Sprunggelenksbeuge zur Fessel
zurück, ...
[6] um dann der Form des
Beines folgend in steilen Touren die Wade zu
umschließen.
[7] Von der Kniekehle läuft
die Binde über das Fibulaköpfchen zur Wade zurück,
führt dann, der Beinform
entsprechend, wieder nach
unten und schließt vorhandene Lücken im Verband.
[8] Die 2. Binde wird gegenläufig von außen nach innen
am Knöchel angesetzt und
führt mit der ersten Tour
über die Ferse zum Fußrücken zurück.
[9] Zwei weitere Touren
fixieren zuerst den oberen
und dann den unteren Rand
der Fersentour.
[10] Anschließend läuft
die Binde noch einmal um
den Mittelfuß und dann in
gleicher Weise wie die erste
steil nach oben und wieder
zurück.
[11] Der fertige Verband
wird mit Fixierpflaster
(Omniplast) fixiert.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
werden. Grundsätzlich gilt immer, dass sich der
Verband dem Bein anpassen muss, nicht das Bein
der Binde. Dies wird aber nur erreicht, wenn beide
Bindenkanten immer gleich stark angespannt werden und die Binde regelrecht an das Bein anmodelliert wird. Dazu ist die Binde am Unterschenkel
unmittelbar auf der Haut abzurollen und soll nur
in Ablaufrichtung angezogen werden. Die dabei
zunächst auftretenden Lücken sind später zu
schließen.
10 HARTMANN WundForum 3 / 2012
Je nach Umfang des Beines sind 8 cm oder 10
cm breite Binden am besten geeignet. Die Binde
wird so in die Hand genommen, dass der aufgerollte Teil der Binde oben liegt und nach außen
zeigt. Nur auf diese Weise lässt sie sich am Bein
abrollen. Wird die Bindenrolle hingegen von der
Haut abgehoben, geht die Führung verloren und
es können strangulierende Schnürfurchen entstehen. Die von distal nach proximal erforderliche
Druckverteilung ist gefährdet. Zum Anlegen des
www.wundforum.de
Fort- und Weiterbildung
Verbandes wird das Sprunggelenk rechtwinklig gestellt. Nur so kann der größere Umfang im
Bereich des Sprunggelenkes – etwa 1,5 cm –
berücksichtigt werden. Beim Anlegen in gestreckter Stellung wäre der angelegte Verband beim
Gehen zu eng. Das Anlegen des Kompressionsverbandes beginnt bei den Zehengrundgelenken,
die Ferse wird sorgfältig miteingebunden. Die
Haut der Zehen wird dabei leicht zyanotisch. Beim
Gehen wird sie aber bei jedem Schritt anämisiert,
um sich dann bei Entlastung wieder mit Blut zu
füllen. Die Pumpwirkung des Verbandes kann hier
somit unmittelbar beobachtet werden.
Der Verband endet etwa zwei Finger breit
unterhalb der Kniekehle. Generell halten Bindenverbände besser, wenn über die erste eine zweite
Binde in entgegengesetzter Ablaufrichtung angelegt wird, analog der Verbandtechnik nach Pütter.
Ein richtig angelegter Verband vermittelt dem
Patienten das Gefühl eines festen Haltes und wird
als angenehm empfunden. Vorhandene Schmerzen lassen nach. Verstärken sich Schmerzen oder
treten gar neue auf, die beim Umhergehen nicht
verschwinden, muss der Verband unbedingt abgenommen werden. Jede Verbandtechnik ist lehrund lernbar. Eigene Erfahrungen und Modifikationen werden nicht ausbleiben und in die individuelle Verbandtechnik eingehen.
Kompressionsverband mit Kurzzugbinden
So genannte Kurzzugbinden sind durch eine
relativ geringe Dehnbarkeit gekennzeichnet, die
im Verband eine straffe Kompression mit hohem
Arbeitsdruck und niedrigem Ruhedruck bewirkt.
Da diese Druckverhältnisse noch ausreichen, auch
die tiefen Bereiche zu beeinflussen, entspricht
die Wirkungsweise derartiger Verbände der von
Zinkleimbinden, wenngleich sie nicht deren hohe
Effizienz erbringen. Dagegen haben Verbände
aus Kurzzugbinden gegenüber Zinkleimverbänden den Vorteil, dass sie sich Veränderungen des
Beinumfanges bei Ödemabschwellungen besser
anpassen. Sie können deshalb bei guter Anlegetechnik, abgesehen vom akuten, hochödematösen
Stadium, etwa drei Tage angelegt bleiben.
Verbände mit Kurzzugbinden eignen sich für
alle Formen der chronischen Veneninsuffizienz
und sind das Mittel der Wahl zur Einleitung der
Behandlung oder deren Fortführung bis zur voll-
www.wundforum.de
ständigen Entstauung und Epithelisierung eines
Ulkus.
Kurzzugbinden stehen in unterschiedlicher textiltechnologischer Ausführung zur Verfügung. Ihre
Dehnbarkeit kann im Bereich von ca. 50 % bis
max. 90 % liegen, um den zu fordernden hohen
Arbeitsdruck und niedrigen Ruhedruck zu erzielen.
Die Art der verwendeten Garne und die ausgewählte Konstruktion bestimmen dabei die typischen Gebrauchseigenschaften.
Erhalten Binden ihre Elastizität durch überdrehte, d.h. stark gezwirnte Baumwollkettfäden,
werden sie als textilelastisch bezeichnet. Die Pütterbinde mit einer Dehnbarkeit von ca. 90 % ist
eine textilelastische Binde. Sie verfügt über ein
besonders kräftiges Gewebe, sodass die Kompressionswirkung lange anhält. Die Pütterbinde ist als
Pütter-Verband mit zwei 8 cm oder 10 cm breiten Binden für die klassische gegenläufige Verbandtechnik zur Behandlung venöser Beinleiden
erhältlich.
Wichtige Hinweise zur Anlegetechnik
Das sichere Anlegen eines Kompressionsverbandes muss praktisch geübt werden und kann
nicht allein aus Büchern erlernt werden. Theoretische Anleitungen und Tipps aber helfen dabei,
Fehler zu vermeiden. Denn man hat sich immer
bewusst zu sein, dass dem Patienten mit einem
schlecht angelegten Kompressionsverband erheblicher Schaden zugefügt werden kann.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Kompressionsverband eine
korrekte phlebologische Diagnose mit Erhebung
des arteriellen Status vorausgehen muss, was
heute dank der Ultraschall-Doppler-Sonographie
schmerzlos und sicher durchgeführt werden kann.
Insbesondere bei geriatrischen, multimorbiden
Patienten sind Beinulzera vielfach arteriell-venös
bedingt und die Indikation für einen Kompressionsverband zumindest eingeschränkt. Welche
Kontraindikationen zu beachten sind, wird in
einem separaten Abschnitt zusammengefasst.
Des Weiteren gilt: Unabhängig von der Indikation und vom verwendeten Material erreicht ein
Kompressionsverband seine volle Wirksamkeit erst
in Verbindung mit Bewegung. Die Behandlung soll
daher möglichst ambulant durchgeführt werden.
Ebenso ist Bettruhe des Patienten zu vermeiden.
HARTMANN WundForum 3 / 2012
11
Fort- und Weiterbildung
Langes Sitzen ist jedoch noch ungünstiger als Liegen. Probleme im Hinblick auf ausreichend Bewegung ergeben sich häufig wiederum beim geriatrischen Patienten. Aber selbst ein Herumgehen in
der Wohnung oder ein Auf- und Abgehen mit dem
Rollator auf Alten- und Pflegeheimfluren sollte
genutzt werden.
Kompressionstherapie mit
Kompressionsstrümpfen
Beim Ulcus cruris venosum hat sich der Kompressionsstrumpf zunehmend bewährt. Zur Verfügung stehen Strümpfe in Form eines einzelnen
Strumpfes oder in Form von zwei übereinander
gezogenen Strümpfen. Kompressionsstrümpfe
werden meist erst nach Abheilung eines Ulcus
cruris venosum verordnet und sind für die Vermeidung von Rezidiven bei Patienten mit CVI essentiell. Es werden jedoch auch Kompressionsstrümpfe
angeboten, bei denen gleichzeitig Wundverbände
verwendet werden können.
Es hat sich in der Praxis als vorteilhaft erwiesen,
erst nach Beseitigung des Ödems aufgrund der
vorangegangenen Anwendung eines Kompressionsverbandes bzw. nach Abheilung eines Ulcus
cruris auf einen Kompressionsstrumpf zur Langzeitbehandlung zu wechseln.
Intermittierende pneumatische
Kompression (IPK)
Bei der apparativen intermittierenden Kompression wird synonym auch der Begriff der „Apparativen intermittierenden Entstauungstherapie / AIK“
verwendet. Bei der apparativen Entstauungstherapie werden Einkammer- oder Mehrkammer-Manchetten an den unteren Extremitäten angelegt
und mit Hilfe eines Kompressors mit Luft gefüllt.
Hiermit erfolgt abwechselnd eine Kompression
sowie eine Druckentlastung. Somit kann beim liegenden Patienten die Funktion der Muskelpumpe
stimuliert und der venöse Abfluss verbessert werden. Mehrere Studien konnten zeigen, dass auch
mit dieser therapeutischen Maßnahme die Abheilung von Ulcera cruris venosum erreicht werden
konnte. Die apparative intermittierende Kompression findet ihren Einsatz im stationären-klinischen
Bereich, hat sich jedoch auch für die Anwendung
im häuslichen Bereich bewährt. Mehrkammer-
12 HARTMANN WundForum 3 / 2012
Geräten sollte der Vorzug gegenüber Einkammersystemen gegeben werden.
Kontraindikationen für die
Kompressionstherapie
Vorsicht ist vor allem bei älteren Venen- und
Ulkuspatienten mit Begleiterkrankungen wie HerzKreislaufkrankheiten oder Diabetes mellitus geboten. Der Grund hierfür: Die Kompressionstherapie
wirkt nicht nur auf die Venen, sondern auch auf
die Arterien und das umgebende Gewebe. Zudem
kann es durch die mitunter erhebliche Ödemausschwemmung zu Reaktionen im gesamten Kreislauf kommen, was zum einen die hohe Wirksamkeit der Kompressionstherapie belegt, zum anderen aber auch Komplikationen mit sich bringen
kann.
Für die Kompressionstherapie bestehen die folgenden Gegenanzeigen:
77 fortgeschrittene arterielle Verschlusskrankheit
oder ein Knöchelarteriendruck von unter 70
mmHg
77 dekompensierte Herzinsuffizienz
77 ABPI (Knöchel-Arm-Druckindex) über 1,3
77 Ulzera arteriellen Ursprungs
77 Materialunverträglichkeiten
77 ausgeprägte Sensibilitätsstörungen der unteren
Extremitäten.
Spezielle Vorsichtsmaßnahmen gelten bei Patienten mit Hauterkrankungen, Diabetes mellitus,
Mischulzera und einem ABPI unter 0,8
(Quelle: AWMF, Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie).
Diese Ausarbeitung zur zertifizierten WundForumFortbildung beruht auf einer früheren, im HARTMANN WundForum 1 / 2009 veröffentlichten
Arbeit.
HARTMANN WundForum ist eine Publikation der PAUL HARTMANN AG, Postfach 1420,
89504 Heidenheim, Telefon: 0 73 21 / 36 - 0, Fax:
0 73 21 / 36 - 3637, http://www.hartmann.de
www.wundforum.de
Fort- und Weiterbildung
Literatur
Dissemond, J,. Ulcus cruris – Genese, Diagnostik
und Therapie, UNI-MED Verlag AG, Bremen –
London – Boston, 3. Auflage, 2009
Herpertz, U., Ödeme und Lymphdrainage,
Schattauer, Stuttgart. New York, 3, Auflage,
2006
Informationsbroschüre Der Kompressionsverband in der Therapie venöser Beinleiden, PAUL
HARTMANN AG, Heidenheim, Juni 1989
Rabe, E., Gerlach, H.E., Praktische Phlebologie,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2, Auflage, Nov.
2005
Debus E.S. et al.: Medizinische und ökonomische
Aspekte der Zentrumsbildung in der Wundbehandlung. Gefäßchirurgie 2003, 8, S.259-268
Wuppermann, T., Varizen Ulcus cruris und
Thrombose, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg,
New York Tokyo, 5. Auflage, 1986
Rabe, E., Pannier-Fischer, F., Bromen, K., et al.,
Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft
für Phlebolgie, Phlebologie 1/2003, 32, 1 – 14
Rabe, E., Bauersachs, R.M., Rannier, F., List,
S.M., Venenerkrankung der Beine, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut des Bundes, Berlin 2009
Gallenkemper, G., Die besten Heilungsraten
beim Ulcus cruris venosum, vasomed, 21., Jahrg.
4/2009
www.wundforum.de
König, C., Multizentrische Beobachtungsstudie
zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung mit polarisiertem Licht, Dissertation, Medizinische Fakultät Charité – Universitätsmedizin
Berlin, 2009
Sohns, A., Einfluss unterschiedlicher Kompressionsstrümpfe auf die Hauttemperatur und die
Hautfeuchtigkeit während laufbandergometrischer Behandlung, Inaugural-Disseration, Medizinische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität,
Tübingen, 2005
Altintas, A.A., Die Wirkung der Kompressionstherapie auf die lokale Mikroszirkulation und
Histomorphologie beim Ulcus cruris venosum, in
Phlebologie 2011, 40, 9 -14, zitiert in vasomed
Kongressausgabe, 2011, Sept. 2011
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, Phlebologischer Kompressionsverband
(PVK), Erstellungsdatum 06/1996, Stand der
letzten Aktualisierung 06/2009, AWF online
18.10.2010
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris
venosum, Erstellungsdatum 02/1998, Stand der
letzten Aktualisierung 08/2008, AWF online,
09.10.2009
Informationsseite der eurocom e.V. Düren, Kompressionstherapie, 10.01.2012
Kluess, H.G., Npeney, T. Gerlach, H. et al., Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampfaderleidens, Phlebologie 6/2004,
Die Wundsprechstunde, Universitätsklinikum
Frankfurt: Wunden, Geschwüre, http://www.kgu.
de/.php?id=2331, 95.97.2011
Ott, S., Das kleine Einmaleins der Wundbehandlung, Der Deutsche Dermatologe, 10, 762 – 771,
2003
Dissemond, J., Lokale Behandlung chronischer
Wunden, MED.KOMM.VERLAG, 2009
Körber, A., Hirsch T., Wax C., Steinstraesser I,
Schadendorf D., Dissemond J., Arbeit eingereicht, Auswertung der Genese …, zitiert in Dissemond J., Ulcus cruris –Genese, Diagnostik und
Therapie, UNI-MED Verlag AG, Bremen – London
– Boston, 3. Auflage, S. 16, 2009
Widmer LK, Stähelin HB, Nissen C, Da Silva A:
Venen-, Arterienkrankheiten, koronare Herzkrankheit bei Berufstätigen, Prospektiv-epidemiologische Untersuchung. Basler Studie I-III.
1959-1978. Verlag Hans Huber, Bern – Stuttgart
– Wien, 1981
Dissemond, J., Mit Kompression & Co. gegen das
Ulcus cruris, CME 2011, 6 (10), 47 – 55., CME.
springer.de/CME
Kistner, RL, Eklof, B., Masuda, E.M. (1966), Diagnosis of chronic venous disease of the lower extremities: the „CEAP“ classification. Mayo Clinic
Proceedings 71: 338 - 345
N.N., CEAP-Klassifikation, http://flexikon.doccheck.com/CEAP-Klassifikation, 16.01.2012
HARTMANN WundForum 3 / 2012
13

Documentos relacionados