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Fortbildungszeitschrift und Informationsbulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Vol. 25 9 Nr. 1 II/2014 Funktionelle Bauchschmerzen 14 Antiepileptische Therapie im Kindesalter 23 Phthalate in der Neonatologie 28 Seltene Krankheit – Erwartungen von Eltern 32 Neue Medien – Herausforderung im Kinderschutz Babies – Schutz durch PertussisBoosterimpfungen des Umfelds 1,2,3 Boostrix® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz Boostrix® (dTpa): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit anderen Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile; akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie oder neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie und/oder Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung ohne sonst erkennbare Ursache, Kollaps oder schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder anhaltendes, untröstliches Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder Krampfanfälle mit oder ohne Fieber innerhalb der ersten 3 Tage nach der Impfung. Bei Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig mit anderen Impfstoffen oder Immunglobulinen – jeweils an einer anderen Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen (Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B) Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter [email protected] GlaxoSmithKline AG Talstrasse 3–5 CH-3053 Münchenbuchsee Telefon +41 (0)31 862 21 11 Telefax +41 (0)31 862 22 00 www.glaxosmithkline.ch 1006582 Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix® (www.swissmedicinfo.ch). Inhaltsverzeichnis Vol. 25 Nr. 1 2014 Redaktion Prof. R. Tabin, Sierre (Schriftleiter) Dr. M. Diezi, Lausanne PD Dr. T. Kühne, Basel Dr. U. Lips, Zürich Dr. M. Losa, St. Gallen Prof. M. Mazouni, Lausanne Dr. M.-A. Panchard, Vevey Dr. P. Scalfaro, Cully Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Prof. A. Superti-Furga, Lausanne Dr. R. von Vigier, Biel Redaktionsadresse c/o Prof. R. Tabin Av. du Général Guisan 30 Postfach 942 CH-3960 Sierre Tel. 027 455 05 05 Fax 027 455 59 55 [email protected] Copyright © Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie Verlag – Herausgeber Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) www.swiss-paediatrics.org Editorial 3· 2014! N. Pellaud Standespolitik 4· Titelbild der Paediatrica für das Jahr 2014 R. Schlaepfer 5· Echo aus dem Vorstand N. Pellaud 6· Stellungnahme zu Auswirkungen der hochspezialisierten Medizin (HSM) auf die Zukunft der Pädiatrie in der Schweiz – Vorschlag zur Netzwerkbildung C. Stüssi 8· Tarmed Info M. Belvedere Empfehlungen 9· Funktionelle Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen – Ein Update B. Müller, M. Sidler Fortbildung 14· Antiepileptische Therapie im Kindesalter A. N. Datta 23· Die Belastung durch Phthalate in der Neonatologie C. Fischer Fumeaux, M. Bickle Graz, V. Muelethaler, D. Palermo, C. Stadelmann, F. M’Madi, J.-F. Tolsa Sekretariat / Adressänderungen Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie Postfach 1380 1701 Fribourg Tel. 026 350 33 44 Fax 026 350 33 03 [email protected] Layout und Druck s+z:gutzumdruck. Nellenstadel 1 3902 Brig-Glis Tel. 027 924 30 03 Fax 027 924 30 06 [email protected] Inserate Editions Médecine et Hygiène Michaela Kirschner Chemin de la mousse 46 1225 Chêne-Bourg Tel. 022 702 93 41 [email protected] Paediatrica Erscheint 5 x jährlich für die Mitglieder der SGP. Nicht-Mitglieder können beim Sekretariat die Paediatrica zum Preis von Fr. 120.– jährlich abonnieren. Auflage 1950 Ex. / ISSN 1421-2277 Bestätigt durch WEMF Nächste Ausgabe Hinweise 26· SwissPedNet: Forschungszusammenarbeit im Dienste der Kinder D. Nadal 8· Situation, Erwartungen und Bedürfnisse von Eltern eines Kindes mit einer 2 seltenen angeborenen Krankheit C. de Kalbermatten 32· Neue Medien – Herausforderung im Kinderschutz J. Stalder Muff Aktuelles aus den pädiatrischen Schwerpunkt- und Fachgruppen 36· Kinderkardiologie C. Balmer, N. Sekarski 7· Entwicklungspädiatrie 3 38· Pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie J. Stalder Muff 39· Pädiatrische Gastroenterologie Vorstand 2013/2014 40· Pädiatrische Nephrologie G. Laube, P. Parvex 41· Pädiatrische Onkologie-Hämatologie F. Niggli 42· Pädiatrische Pneumologie F. Niggli 43· Swiss Group for Inborn Errors of Metabolism (SGIEM) M. Baumgartner, J. M. Nuoffer, M. Huemer, L. Bonafé, D. Ballhausen, I. Kern 44· FMH-Quiz Redaktionsschluss: 21.02.2014 Erscheinungsdatum: Nr. 2: 15.04.2014 Zeitschriftenreview Titelbild 46· Zeitschriftenreview Fotomontage: Eine Freske entsteht. 2013 Stories from home and here Chloé Felix 49· Kinderunfälle Für den Inhalt der Texte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung. M. Mazouni / R. Schlaepfer O. Reinberg Stellungnahme 52· Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie N. Pellaud, P. Jenny 1 Kassenzulässig Führend in medizinischer Hautpflege Ohne Limitatio Nr.1 * Kassenzulässig. Ohne Limitatio. Excipial® U Hydrolotio, Lipolotio Z: U Hydrolotio: Ureum 20 mg/ml, Lipidgehalt 11%; U Lipolotio mit/ohne Parfum: Ureum 40 mg/ml, Lipidgehalt 36%. I: Schutz und Pflege von empfindlicher oder leicht entzündeter Haut vom normalen bis leicht trockenen Hauttyp (U Hydrolotio) und trockenen bis sehr trockenen Hauttyp (U Lipolotio), Intervallbehandlung mit Kortikoidpräparaten. D: 2–3 × tgl. auftragen. KI: Nicht auf Wunden und offenen Hautpartien anwenden. P: Lotio, Flaschen à 200 ml (SL) und 500 ml (Grand-Frère Regelung). Liste D. Ohne Limitatio. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch. 0711/ 280513 1006899 * Nr. 1 unter den medizinischen Emollienzien / IMS Dataview Januar 2013 Vertrauen auch Sie der Nr. 1 für medizinische Hautpflege Schutz und Pflege für empfindliche und trockene Haut. Spirig Pharma AG, CH-4622 Egerkingen, www.galderma-spirig.ch Editorial Vol. 25 Nr. 1 2014 2014! Nicole Pellaud, Präsidentin der SGP Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Liebe Mitglieder 2014 beginnt mit grossen Herausforderungen: Die Anerkennung der Hausarzt- und Kinder- und Jugendmedizin durch den Masterplan sowie die Verordnung des Bundesrates über die Tarifanpassung zur Verbesserung der Stellung der Grundversorger; eine notwendige Massnahme, die jedoch eine Übergangslösung bis zur unerlässlichen TARMED-Revision sein sollte. Im Namen des Vorstandes und des Sekretariats hoffe ich, dass 2014 Ihre und die Hoffnungen unserer Gesellschaft erfüllen wird. Mit MFE müssen wir besonders darauf achten, dass unsere Mitbürger und unsere Politiker nicht vergessen, dass das Fachwissen, die Verantwortung und die Ausübung des Arztberufes im Verantwortungsbereich der Ärzte verbleiben muss: Wo sind die Grenzen der Kompetenzen unserer Partner, wieweit reicht ihre Autonomie, welche Handlungen werden delegiert … sollte es sich darum handeln, sich in ein Modell «Skill Mix» unter Gesundheitsfachleuten einzulassen, dann müssen unbedingt Partnerschaft und klare Abgrenzungen von Verantwortung und Aufgaben definiert werden. Andererseits teilen wir mit Kinderchirurgen und Kinder- und Jugendpsychiater der fPmh das Bedürfnis, für die Interessen der Kindermedizin einzutreten und wir unternehmen Schritte in diesem Sinne. Wir stehen in engem Kontakt auch zu Kinderärzte Schweiz verschiedene Punkte betreffend, die derzeit zur Diskussion stehen und Kinderärzte und die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen betreffen: Finanzielle Anerkennung des Stillens während der Arbeitszeit, Harmonisierung der Kinderschutzmassnahmen, eine nützliche Information zum Kaiserschnitt, und vor allem die Vergütung durch die Krankenkassen der pluridisziplinären Gruppen- und der multiprofessionellen Einzeltherapie für übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche, Vergütung die durch das Departement des Innern beschlossen wurde. Unser fPmh-Kongress 2014 «Überschreiten von Grenzen» fordert uns auf, diesen Herausforderungen und Gelegenheiten offen und kollegial entgegenzusehen. 3 Standespolitik Vol. 25 Nr. 1 2014 Titelbild der Paediatrica für das Jahr 2014 Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Chloé Felix. Fotomontage: Eine Freske entsteht. Stories from home and here Das Titelbild für Paediatrica Nr. 25, 2014 ist ein Gemeinschaftswerk. Aufgenommen wurde es durch die Fotografin Chloé Nicoletdit-Felix, gemalt wurde es durch die Insassen des Zentrums für Asylsuchende in Couvet im Kanton Neuenburg, unter Anleitung des Kunstmalers Albeiro Sarria. Alle Insassen des Zentrums, Jung und Alt, beteiligten sich einen ganzen Tag lang an der Freske. Chloé Felix erzählt: «Ein kleiner Knabe trug nur einige wenige schüchterne Striche bei, es war magisch, ein anderer verbrachte den ganzen Tag mit Malen.» Und sie hielt den Zauber der Situation in unzähligen Bildern fest, die für sich alleine eine Ausstellung verdienten. Das Projekt wurde durch einen Beitrag der Stiftung Mercator Schweiz ermöglicht. Chloé Nicolet-dit-Felix ist schweizerischaustralische Doppelbürgerin. Sie wohnt mit ihrer Familie in Neuenburg und ist hauptsächlich in der Schweiz, in Indien und Aus tralien tätig. Nebst kommerziellen Aufträgen sucht Chloé Felix Projekte zu Themen, die ihr besonders nahe gehen, zu realisieren, wie jenes im Zentrum von Couvet. Daneben bildet sie sich zur Ausstellungskommissarin aus. Chloé Felix ist Mitbegründerin der Vereinigung «Stories from home and here». Die Vereinigung «Stories from home and here» wurde 2013 gegründet und hat zum Ziel, Menschen einander durch die Kunst näher zu bringen und den Austausch von Ideen und Erfahrungen und aller Mittel zu fördern, die Kreativität und Expression begünstigen. Seit Beginn 2013 veranstaltet «Stories from home and here» Workshops im Zentrum von Couvet und lädt Kunstmaler, Musiker und andere Künstler ein, ihr Können und Wissen mit den Insassen zu teilen. Chloé Félix bereitet derzeit die Publikation von Fotos vor, die von den Insassen des Zentrums aufgenommen wurden. Die Vereinigung «Stories from home and here» erhielt 2013 den vom Kanton Neuenburg jährlich verliehenen Preis «Salut l’étranger!». 4 Albeiro Sarria wurde 1966 in Kolumbien geboren. Nach dem Studium am Instituto Departamental de Bellas Artes und am Instituto Popular de Cultura in Cali, ergänzt er seine Ausbildung durch Foto-Journalistik sowie Lehrmethodologie und Kunstlehre. Er lehrte in seinem Heimatland an der Akademie für Berufsdesign, leitete Workshops und stellte in verschiedenen Galerien und Museen aus, Höhepunkt war 1998 die Ausstellung im kolumbianischen Salon National. Albeiro Sarria kam im Alter von 35 Jahren in die Schweiz. Nebst seiner Tätigkeit als Kunstmaler leitet er Ateliers. Er illustriert und schreibt auch Kinderbücher in spanischer und französischer Sprache. Der von der SGP an Chloé Felix überwiesene Betrag diente einerseits dazu, mit den Insassen des Zentrums von Couvet das Papiliorama in Kerzers zu besuchen und andererseits die Bibliothek des Zentrums zu erweitern. Standespolitik Vol. 25 Nr. 1 2014 Echo aus dem Vorstand Nicole Pellaud, Präsidentin der SGP Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Der Nukleus hat seine Sitzung am 7. November und der Vorstand am 5. Dezember 2013 abgehalten. Informationen Fortbildungsorgans zu erteilen, was eine vermehrte Beteiligung unserer Mitglieder an Publikationen und die Veröffentlichung der offiziellen Berichte der SGP-Kongresse beinhaltet. News •Das Eidgenössische Departement des Innern hat die Vergütung der multiprofessio nellen Einzel- und die pluridisziplinäre Gruppentherapie für übergewichtige und adipöse Kinder beschlossen. Es stehen nun die Verhandlungen mit den Krankenkassen an. •Unsere Kollegen des Inselspitals Bern haben die Organisation des Kongresses 2016 angenommen. •Das SIWF hat den Schwerpunkt Kindernotfallmedizin anerkannt. Zusammenarbeit Wir arbeiten weiterhin eng in allen Bereichen, die die Pädiatrie angehen, mit FMH, fPmh, Kinderärzte Schweiz, MFE und KHM zusammen: Vertretung der Praxis- und Spitalpädiater in der FMH, Anerkennung der Hausarzt- und Kinder- und Jugendmedizin, Präventionsprojekte, Forschung, Ausbildung und Qualität. Wir koordinieren pädiatrische Stellungnahmen mit unseren Partnern. Beschlüsse •Die Arbeitsgruppe Tarmed ist für die SGP von grosser Bedeutung; Bestrebungen, ihr einen professionellen Rahmen zu geben, sind im Gange. •Es muss ein Referenzdokument zur Betreuung von Migrantenkindern geschaffen bzw. aktualisiert weden. Da Mario Gehri (Hôpital de l’Enfance, Lausanne) sich bereits mit dieser Frage beschäftigt hat, wurde er beauftragt, im Zusammenhang mit den schweizweit unternommenen Integrationsbestrebungen, ein entsprechendes SGPDokument zu erarbeiten. •Paediatrica ist das Bulletin unserer Fachgesellschaft. Um sie aufzuwerten, wurde beschlossen, ihr das Mandat eines offiziellen 5 Standespolitik Vol. 25 Nr. 1 2014 Stellungnahme zu Auswirkungen der hochspezialisierten Medizin (HSM) auf die Zukunft der Pädiatrie in der Schweiz – Vorschlag zur Netzwerkbildung Interessengruppe pädiatrischer Kliniken der Schweiz (IG) Grundlagen Die Kantone sind beauftragt, für den Bereich der hochspezialisierten Medizin (HSM) eine gesamtschweizerische Planung vorzunehmen (Artikel 39, KVG). Dafür haben die Kantone per 1.1.2009 die «Interkantonale Verein barung zur hochspezialisierten Medizin» (IVHSM) unterzeichnet. Sie umfasst diejenigen medizinischen Bereiche oder Leistungen, die sich sowohl durch Seltenheit als auch durch mindestens 2 der 3 folgenden Kriterien – hohes Innovationspotential, hoher personeller und technischer Aufwand, komplexes Behandlungsverfahren – auszeichnen. Die HSM betrifft gemäss KVG nur den stationären Bereich. Viele Kinder mit ernsthaften Krankheiten benötigen eine jahrelange Behandlung und Nachsorge, welche möglichst ambulant und wohnortnah erfolgen sollte. In der Pädiatrie gilt es zudem zu beachten, dass fast alle schweren Krankheiten wie z. B. bösartige Tumore, invasive Infektionen, inflammatorische Erkrankungen, Fehlbildungen, genetische Erkrankungen oder schwere Unfälle selten sind. Daher haben die Kinderspitäler in der Schweiz seit vielen Jahren auf freiwilliger Basis in vielen Bereichen – z. B. Neonatologie, Nephrologie, Onkologie, Stoffwechsel, Transplantation – gut funktionierende Kooperationen aufgebaut. Bisherige Entscheide 2011 In der Pädiatrie und Kinderchirurgie wurden einige Bereiche der HSM unterstellt und verbindlich einigen Kinderspitälern zugeteilt. Im September, resp. November 2011 wurden durch das IVHSM-Entscheidungsgremium 10 Entscheide gefällt. •Neugeborenen-Intensivpflege (Extrem Frühgeborene) •Schwere Verbrennungen •Organtransplantationen •Retinoblastome •Elektive komplexe Chirurgie der Leber und Gallenwege •Elektive komplexe Chirurgie der Trachea •Abklärung bei primärer/genetischer Immundefizienz •Spezielle angeborene Stoffwechsel störungen •Behandlung der schweren Schädelhirntraumata •Neurochirurgische Epilepsiebehandlung Mit Ausnahme der «Verbrennungen» und der «Neonatologie» wurde bei diesen Entscheiden die de facto bereits auf freiwilliger Basis bestehende Konzentration «behördlich» für verbindlich erklärt. Daher betrafen die Einsprache einiger Kinderspitäler beim Bundesverwaltungsgericht «nur» die Entscheide «Verbrennungen» und «Neonatologie». Aktueller Entscheid 2013 Im September 2013 wurde auch ein Entscheid zur pädiatrischen Onkologie gefällt. Dieser betraf einerseits die autologe/allogene Stammzelltransplantation, anderseits die bösartigen Tumore. Dabei wurde die Behandlung der Neuroblastome, Weichteil- und Knochentumore und der Tumoren des Zentralnervensystems auf nur 3 Universitätskliniken beschränkt. Dabei wurde festgelegt, dass diese 3 Zentren nicht nur die initiale stationäre/ chirurgische Therapie durchführen, sondern auch die Behandlung generell festlegen inkl. der nachfolgenden ambulanten Therapie. Auf den Vorschlag einiger Kinderspitäler, ein Netzwerk mit gleichberechtigten Partnern aufzubauen, wurde nicht eingegangen. Daher haben mehrere betroffene Kinderspitäler beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingereicht. Der Entscheid zur Onkologie wurde gefällt, obwohl alle betroffenen Fachgesellschaften – Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie 6 (SGP), Schweizerische Gesellschaft für Kinderchirurgie (SGKC), Schweizerische pädiatrische Onkologiegruppe (SPOG) – diesen Vorschlag vehement abgelehnt hatten. Eine Hauptsorge war, dass durch diesen Entscheid die peripheren Onkologien und Kinderchirurgien ihre Kompetenz und Motivation als reine Empfehlsempfänger nicht aufrecht halten könnten und über kurz oder lang verschwinden würden. Der Verlust der Onkologie bedeutet für alle grösseren Kinderkliniken automatisch, dass die anderen Schwerpunkte einen wichtigen Partner verlieren mit dem Risiko, dass die peripheren Kinderspitäler in die Zweitklassigkeit absteigen. Was gilt anfangs 2014? Das Bundesverwaltungsgericht hat am 26. November 2013 ein rechtskräftiges Urteil zum HSM-Bereich «Verbrennungen» gefällt. Es hat den Entscheid aus formellen Gründen aufgehoben und die Sache an die HSM-Instanzen zurückgewiesen. Insbesondere kritisierte das Gericht die Verletzung allgemeiner Grundsätze betreffend das Verfahren zur Planung der HSM. Das Gericht verlangt ein zweistufiges Vorgehen. Im ersten Schritt muss ein Zuordnungsentscheid gefällt werden, der festlegt, welche Bereiche zur HSM gehören. In einem zweiten Schritt muss ein Zuteilungsentscheid erfolgen, der festlegt, welche Spitäler den Zuschlag bekommen. Gegen beide Entscheide können die betroffenen Spitäler Beschwerde einreichen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts führt höchstwahrscheinlich dazu, dass auch der Entscheid zur pädiatrischen Onkologie neu gefällt werden muss. Was ist zu tun aus Sicht der SGP? Die Entscheide des HSM-Gremiums werden zweifellos grosse Auswirkungen auf die Versorgung der Kinder in den verschiedenen Regionen der Schweiz haben. Das rechtskräftige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ermöglicht einen (kurzen!) Marschhalt und gibt die Gelegenheit, das Thema «HSM» innerhalb der SGP nochmals zu diskutieren und allen Mitgliedern bekannt zu machen. Die IG hat anlässlich ihrer letzten Sitzung im Januar 2014 festgestellt, dass viele Pädiater wenig über den Inhalt und die Folgen der Standespolitik Vol. 25 Nr. 1 2014 verschiedenen HSM-Entscheide wissen. Die IG stellt daher den Antrag an den Vorstand der SGP, das Thema «HSM» an der GV 2014 der Jahresversammlung in Basel zu traktandieren und folgende Themen zu diskutieren: 1)Aktueller Stand der HSM 2)Darstellung der Auswirkungen, aber auch Bedrohungen: 1) für die Patienten, 2) für die Kinderspitäler 3)Gibt es nationale/internationale Qualitätskriterien und Daten in den pädiatrischen HSM-Bereichen, welche als Grundlage für die Entscheidungen dienen? 4)Ist es nicht sinnvoll, statt Zentralisierung eine Netzwerkbildung mit gleichberechtigten Partnern anzustreben, um so die regionale Versorgung zu gewährleisten? Im Namen der Interessengruppe pädiatrischer Kliniken der Schweiz Die Kopräsidenten der IG Christoph Stüssi, Münsterlingen Johannes Wildhaber, Freiburg Korrespondenzadresse [email protected] [email protected] 7 Standespolitik Vol. 25 Nr. 1 2014 Tarmed Info Marco Belvedere, Tarifdelegierter der SGP, Zürich Der erste Vorschlag zur Besserstellung der Haus- und Kinderärzte wurde von Bundesrat Berset am 16.12.13 veröffentlicht. Wichtigster Eckpfeiler ist eine Zuschlagsposition (Pos. 00.0015) zu den ersten 5 Minuten (Pos. 00.0010). Vorerst wurde sie auf 11 Taxpunkte Arztleistung (AL) kalkuliert und soll für die Grundversorger in der hausärztlichen Praxis abrechenbar sein. Gegenfinanziert werden die 200 Mio. durch eine Kürzung der technischen Leistung (TL) um 9% bei diversen Organkapiteln (Kap. 4, 5, 8, 15, 17, 19, 21, 24, 29, 31, 32, 35, 37 und 39). Dies ist betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar, erreicht aber das angepeilte Volumen. Der Vorschlag wurde in die Vernehmlassung geschickt und wir werden uns dazu differenziert äussern. Speziell auch dazu, dass die Kinder- und Jugendärzte nicht proportional zu den Hausärzten aufgewertet werden, da die Vorsorgeuntersuchungen nicht einbezogen sind. Der Tarifeingriff erfolgt allerdings auf Verordnungsebene, daher gibt es auch für uns kein Mitbestimmungsrecht. http://www.bag. admin.ch/themen/krankenversicherung064 92/06494/14585/index.html?lang=de&dow nload=nhzlpzeg7t,inp610ntu042in1acy4zn4z 2qzpno2yuq2z6pjcleof8fwym162epybg2c_ jjkbnoksn6a. Per 1.1.2014 trat eine Änderung der Analyseliste in Kraft. Die über E-Mail erreichbaren Mitglieder der SGP wurden bereits informiert. Der Übergangszuschlag Pos. 4708.00 wurde von Fr. 1.10 auf Fr. 1.90 erhöht, bis der neue Tarif für das Praxislabor in Kraft tritt. Dies dürfte im zweiten Halbjahr 2014 geschehen. Geplant ist eine beschränkte Zahl von Analysen, deren Resultate dem Praxisarzt unmittelbar zur Verfügung stehen sollen. Die Details dazu sind noch nicht festgelegt. Sie werden zu einem späteren Zeitpunkt noch darüber informiert werden. http://www.bag.admin. ch/themen/krankenversiche rung/00263/00264/04185/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,Inp6I0NTU04 2I2Z6In1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJC Len97fWym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A. Die Änderungen zur Liste Mittel und Gegenstände per 1.1.2014 finden sich unter http:// www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/00263/00264/04184/index.htm- l?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NT U042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCLen97gWym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A. Relevant für uns ist: Bei Personen unter 18 Jahren werden Brillengläser 1 x jährlich mit Fr. 180.– vergütet. Eine für uns wichtige Änderung der Krankenleistungsverordnung KLV betrifft die definitive Übernahme der Kostenpauschale für adipöse Kinder in Gruppenprogrammen ab 1.1.2014. http://www.bag.admin.ch/aktuell/00718/ 01220/index.html?lang=de&msg-id=51442 und http://www.bag.admin.ch/themen/ krankenversicherung/02874/04308/index. html?lang=de. Wie jedes Jahr hat das BAG mit zu kurzer Vorlaufszeit über die entschiedenen Änderungen informiert. Mittels eines Mitgliedermails habe ich versucht, Sie noch rechtzeitig zu erreichen. Leider war die allgemeine Information zuerst schwer verständlich, weshalb ich in einer zweiten Nachricht den relevanten Sachverhalt noch präzisiert habe. Die Aufwertung des Übergangszuschlages auf der Analyselistenposition 4708.00 sollten Sie in Ihrer Software zur Rechnungsstellung überprüfen. Der auf der Rechnung ausgewiesene Betrag sollte Fr. 1.90 sein. In der Summe wird dies etwas ausmachen, eine einzelne Rechnung deswegen nachträglich zu korrigieren, wird sich aber nicht lohnen. Wie immer an dieser Stelle muss ich wiederholen: Für die langfristige Tarifarbeit braucht es neue Leute. Die Nachfolge ist nicht ge sichert! Übersicht über die Verordnungen http://www.bag.admin.ch/themen/kranken versicherung/06492/06494/14585/index. html?lang=de Weitere Informationen finden sie auch in ausgesandten Unterlagen (z. B. SAEZ) und über folgende Adressen: www.tarmedsuisse.ch www.swiss-paediatrics.org www.hausaerzteschweiz.ch www.fmh.ch 8 Korrespondenzadresse [email protected] Empfehlungen Vol. 25 Nr. 1 2014 Funktionelle Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen – Ein Update Beatrice Müller und Marc Sidler für die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (SGPGHE) Einführung Chronisch rezidivierende Bauchschmerzen sind ein häufiges Problem, durchschnittlich 8 % der Kinder in westlichen Ländern sind davon betroffen1). Bei einer Befragung anlässlich der schulärztlichen Untersuchung in Basel (jeweils 1300 Kinder/Altersgruppe), waren Bauchschmerzen bei Kindergarten- und Primarschülern die meist genannte Schmerzsymptomatik (6 % aller Kinder im Kindergarten, 10 % der Primarschüler), gefolgt von Kopfschmerzen. Bei den Jugendlichen des 9. Schuljahres waren Bauchschmerzen die dritthäufigste Schmerzlokalisation (13 % aller Jugendlichen), hinter Kopfschmerzen und Schmerzen des Bewegungsapparates. Mädchen gaben häufiger Schmerzen an als Knaben und Migrantenkinder häufiger als Schweizer Kinder2). Den meisten dieser Bauchschmerzen liegt keine gefährliche Erkrankung zu Grunde, sie führen jedoch häufig zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität der betroffenen Kinder und ihrer Familien. Die Kinder und Familien, die wegen der Bauchschmerzen einen Arzt konsultieren, erwarten eine sorgfältige Abklärung, griffige Erklärungen für die Ursache der Beschwerden und eine angemessene Behandlung. Der behandelnde Arzt sieht sich dabei gelegentlich im Dilemma. Einerseits sollten keine potentiell gefährlichen Erkrankungen verpasst, andererseits aber auch keine unnötigen diagnosti- schen Massnahmen oder Therapien veranlasst werden. Die folgenden Ausführungen sollen helfen, Bauchschmerzen von Kindern und Jugendlichen mittels Algorithmen richtig einordnen zu können. Weiter werden Erklärungsmodelle für die Pathophysiologie der Beschwerden, sowie Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie erläutert. Die Empfehlungen basieren im Wesentlichen auf den 2011 publizierten deutschen Konsensus-Richtlinien für Definition, Pathophysiologie und Management des Reizdarmsyndroms3) , sowie auf den pädiatrischen Rom-III-Kriterien4) . Definitionen 1999 wurden erstmals durch eine internationale pädiatrische Arbeitsgruppe diagnostische Kriterien für funktionelle gastrointestinale Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter aufgelistet. 2006 wurden diese Kriterien modifiziert und schliesslich als pädiatrische Rom-III-Kriterien publiziert4). Neben den funktionellen Bauchschmerzen (Bauchschmerzenassoziierte funktionelle Darmerkrankungen) werden Störungen mit Erbrechen und Aerophagie sowie Obstipation und Stuhlinkontinenz gemäss den Rom-III-Kriterien als eigene Entität klassiert (Tabelle 1). Innerhalb der Gruppe mit funktionellen Bauchschmerzen werden nochmals vier Untergruppen definiert: H. Funktionelle Störungen: Kinder und Adoleszente H1. Erbrechen und Aerophagie H1a. Adoleszentes Ruminationssyndrom H1b. Syndrom des zyklischen Erbrechens H1c.Aerophagie H2. Bauchschmerzen-assoziierte funktionelle Darmerkrankungen H2a. Funktionelle Dyspepsie H2b.Reizdarmsyndrom H2c. Abdominelle Migräne H2d. Kindliche funktionelle Bauchschmerzen H2d1.Kindliches funktionelles Bauchschmerzsyndrom H3. Obstipation und Stuhlinkontinenz H3a. Funktionelle Obstipation H3b. Stuhlinkontinenz ohne Stuhlrückhaltemanöver Tabelle 1: Funktionelle gastrointestinale Erkrankungen/Störungen gemäss Rom-III-Kriterien4) 9 •funktionelle Dyspepsie (Oberbauchbeschwerden) •Reizdarmsyndrom (RDS) •abdominelle Migräne •kindliche funktionelle Bauchschmerzen bzw. kindliches funktionelles Bauchschmerzsyndrom (Tabelle 2) Die Rom-III-Kriterien ermöglichen erstmals eine positive Definition und Klassifikation. Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen liegt auf dem Reizdarmsyndrom und den funktionellen Bauchschmerzen im Kindesund Jugendalter. Pathogenese Im Vergleich zur Erwachsenenmedizin ist die Datenlage bezüglich Pathogenese bei funktionellen Bauchschmerzen und RDS bei Kindern und Jugendlichen noch relativ dünn. Es gibt jedoch einige Resultate, die auf eine multifaktorielle Pathogenese hinweisen5): •Infektionen/Entzündungen: Es konnte gezeigt werden, dass bei Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS minime entzündliche Darmveränderungen und eine gesteigerte gastrointestinale Permeabilität nachweisbar sind6) und die Beschwerden, insbesondere ein RDS, durch einen enteralen Infekt ausgelöst werden können7) . •Intestinale Hypersensitivität: Wie bei den Erwachsenen konnte auch bei Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS eine gesteigerte intestinale Hypersensitivität nachgewiesen werden. Auf Grund von Erwachsenendaten gibt es Hinweise auf folgende Pathomechanismen: Alterationen der serotonergen Mechanismen auf der Substrat- und Rezeptorebene, erhöhte Innervation der Darmschleimhaut, verändertes SchleimhautMediatorprofil, welches zu einer Aktivierung des enterischen Nervensystems und der nozizeptiven Nerven führt, Steigerung der spinalen Weiterleitung von intestinalen Reizen, Aktivierung anderer und grösserer Hirnareale bei Patienten mit RDS im Vergleich zu Kontrollen sowie Veränderung der Sympatikus-Parasympatikus-Aktivierung3). •Genetische Faktoren: Es gibt Hinweise auf eine mögliche genetische Prädisposition für RDS. Es konnte gezeigt werden, dass die Konkordanz für RDS bei monozygoten Zwillingen höher ist als bei dizygoten (17.2 % versus 8.4 %). Gleichzeitig wurde aber auch gefunden, dass das Risiko für einen dizygoten Zwilling an einem RDS zu erkranken Empfehlungen doppelt so gross war (15.2 %), wenn seine Mutter an einem RDS litt, als wenn der andere Zwilling betroffen war (6.7 %), was ein Hinweis darauf sein könnte, dass das soziale Lernen mit eine starke Rolle spielt8) . •Psychosoziale Faktoren: Nicht alle Kinder- und Jugendlichen mit Bauchschmerzen suchen einen Arzt auf. Es konnte gezeigt werden, dass die Entscheidung, ein Kind in eine Konsultation zu bringen, beeinflusst wird vom Ausmass der vom Kind erlebten Schmerzen, dem psychologischen Distress (Leid, Kummer und Sorge) der Mutter und der Neigung zu einem «katastrophisierenden» Denken5) . Weiter spielt das erlernte Krankheitsverhalten eine entscheidende Rolle. Kinder lernen am Modell der Eltern und wiederholen Ver- Vol. 25 Nr. 1 2014 haltensweisen, die belohnt werden. So konnte gezeigt werden, dass bei Kindern mit Schulabsentismus wegen Bauchschmerzen, die Eltern eher mit Sorge und Schonverhalten auf die Beschwerden reagieren. Diagnostik In erster Linie müssen entzündliche, anatomische und metabolische Störungen ausgeschlossen werden. Gemäss der Leitlinie Reizdarmsyndrom der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) haben gewisse Erkrankungen wie Kohlenhydratmalabsorption phänotypische Überschneidungen zum RDS. Am Anfang der Diagnostik steht eine sorgfältige und strukturierte Anamnese und klinische Untersuchung, wobei insbesondere Alarmsymptome («red flag signs») ausgeschlossen werden müssen (Tabelle 3). Obwohl Laboruntersuchungen bei fehlenden Warnzeichen nicht in jedem Fall obligat sind, wird ein Basislabor empfohlen3) (Tabelle 4). Bei Fehlen von Warnzeichen und Auffälligkeiten in den Basisuntersuchungen kann auf weitergehende Diagnostik wie Endoskopie, pH-Metrie und bildgebende Untersuchungen verzichtet werden. Es gibt keine Evidenz für einen prädiktiven Wert der Abdomen-Sonographie3) . Ein Helicobacter pylori – Screening (C13-Atemtest oder Stuhlantigentest) ist ohne diagnostischen Wert, da eine Assoziation zwischen chronischen Bauchschmerzen und Subgruppe Diagnosekriterien H2a. Funktionelle Dyspepsie Alle Kriterien müssen erfüllt sein: (Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung) 1. Persistierender oder wiederkehrender Schmerz und Unwohlsein im oberen Abdomen 2. Keine Besserung durch Defäkation, nicht mit Änderung der Stuhlfrequenz oder Konsistenz assoziiert (kein RDS) 3. Kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse H2b. Reizdarmsyndrom Alle Kriterien müssen erfüllt sein: (Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung) 1. Abdominelle Beschwerden (Unwohlsein nicht als Schmerz beschrieben) oder Schmerz, der mit zwei oder mehr Kriterien mind. 25 % der Zeit assoziiert ist a)Besserung nach Stuhlgang b)Beginn ist mit Wechsel der Stuhlfrequenz assoziiert c)Beginn ist mit Wechsel der Stuhlkonsistenz assoziiert 2. kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse H2c. Abdominelle Migräne Alle Kriterien müssen erfüllt sein: (Auftreten von mindestens zwei Episoden innerhalb von 12 Monaten vor Diagnosestellung) 1. Paroxysmale Episoden von starkem akutem periumbilikalem Schmerz, der mind. eine Stunde anhält 2. Zwischenzeitliche Phasen von gewohnter Gesundheit für Wochen bis Monate 3. Schmerz beeinträchtigt die normale Alltagsaktivität 4. Schmerz ist assoziiert mit 2 oder mehr der folgenden Kriterien: a)Anorexie b)Übelkeit c)Erbrechen d)Kopfschmerz e)Photophobie f)Blässe 5. Kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse H2d. Kindliche funktionelle Bauchschmerzen Alle Kriterien müssen erfüllt sein: (Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung) 1. Episodischer oder kontinuierlicher Bauchschmerz 2. Kriterien für andere funktionelle Darmerkrankungen nicht erfüllt 3. Kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse H2d1. Kindliches funktionelles Bauchschmerzsyndrom Alle Kriterien müssen erfüllt sein: (Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung) Die diagnostischen Kriterien für kindliche funktionelle Bauchschmerzen müssen mind. 25 % der Zeit auftreten und mind. einen der folgenden weiteren Punkte erfüllen: 1. Reduktion der Alltagsaktivität 2. Zusätzliche somatische Symptome wie Kopfschmerz, Gliederschmerzen oder Schlafstörung Einteilung und diagnostische Kriterien der funktionellen Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 4 bis 18 Jahren gemäss Rom-III-Kriterien4) Tabelle 2: 10 www.zellermedical.ch 1006946 1 Fazio S et al. (2009) Tolerance, safety and efficacy of Hedera helix extract in inflammatory bronchial diseases under clinical practice conditions: a prospective, open, multicentre postmarketing study in 9657 patients. Phytomedicine 16(1):17-24. 2 PROSPANEX® Hustensaft: www.swissmedicinfo.ch (Stand der Information: April 2008). 3 Bolbot Y et al. (2004) Comparing the efficacy and safety of high-concentrate (5 – 7,5:1) ivy leaves extract and Acetylcysteine for treatment of children with acute bronchitis. Drugs of Ukraine November 2004. 4 Maidannik et al. (2003) Efficacy of Prospan application in children’s diseases of 1013/620 respiratory tract. Pediatrics, Tocology and Gynecology 2003; 4:1-7. 5 Runkel F et al. (2005) In-vitro-Studien: Ein Beitrag zum Wirkmechanismus von Efeu. Pharmazeutische Zeitung 4/05: 19-25. PROSPANEX® – Zusammensetzung: 5 ml Hustensaft enthalten 35 mg Efeublättertrockenextrakt (DEV 5 – 7,5:1). Auszugsmittel: Ethanol 36,3 % (V/V). Dieses Präparat enthält Aromatica, Konservierungsstoffe: Kaliumsorbat (E 202) und Sorbit sowie weitere Hilfsstoffe. 5 ml Saft enthalten 1,926 g Zuckeraustauschstoff Sorbit = 0,16 Broteinheiten (BE) (1 BE = 12 g Kohlenhydrate). PROSPANEX® Hustensaft ist alkoholfrei, zuckerfrei (mit Sorbit) und ohne Farbstoffe. Indikation/Anwendungsmöglichkeiten: Übermässige Bildung von zähem Schleim, Erkältungshusten. Dosierung/Anwendung: Erwachsene: 3-mal täglich 7,5 ml; Schulkinder ab 6 Jahren und Jugendliche: 3-mal täglich 5 ml; Kleinkinder ab 2 Jahren: 3-mal täglich 2,5 ml. Kontraindikationen: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe. Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen: Bei Kindern unter 2 Jahren nur nach ärztlicher Verordnung anwenden. Interaktionen: Wechselwirkungen bei gleichzeitiger Einnahme von PROSPANEX® Hustensaft und anderen Arzneimitteln sind bisher nicht bekannt geworden. Das Präparat kann daher auch mit anderen Arzneimitteln kombiniert werden. Schwangerschaft/Stillzeit: Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist kein Risiko für das Kind bekannt. Systematische wissenschaftliche Untersuchungen wurden aber nie durchgeführt. Unerwünschte Wirkungen: Sehr selten können nach Einnahme von Efeuhaltigen Arzneimitteln allergische Reaktionen (Atemnot, Schwellungen, Hautrötungen, Juckreiz) auftreten. Bei empfindlichen Personen können sehr selten Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) auftreten. Bei Auftreten von allergischen Reaktionen ist die Anwendung zu unterlassen. Aufgrund des Sorbitolgehalts kann eine abführende Wirkung bei der Anwendung von PROSPANEX® Hustensaft auftreten. Packungsgrössen: 100 ml und 200 ml. Verkaufskategorie: D, kassenzulässig. Zulassungsinhaberin: Zeller Medical AG, 8590 Romanshorn, Tel.: 071 466 05 00. Herstellerin: Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG, D-61138 Niederdorfelden. Ausführliche Angaben entnehmen Sie bitte www.swissmedicinfo.ch (Stand der Information: April 2008). PROSPANEX Hustensaft – löst den Schleim! ® NEU Das pflanzliche Expektorans für die ganze Familie1,2 • vergleichbar stark wirksam 3 4 wie ACC und Ambroxol • wirkt expektorierend und 5 bronchospasmolytisch • pflanzlich und gut verträglich1,2,3 Kassenzulässig Empfehlungen Vol. 25 Nr. 1 2014 lage für die Therapie. Die Akzeptanz des Krankheitsmodells durch die Eltern verbessert den Outcome bei Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen12) . Wichtig ist auch die Beratung der Eltern im Hinblick auf den Umgang mit den Beschwerden des Kindes/Jugendlichen. Ein Verhalten der Eltern, welches auf Ablenkung von den Beschwerden hinzielt statt auf Überfürsorge und Schonung, hat einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Schmerzsymptomatik13) . Weitere erfolgreiche Ansätze bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen sind das kognitive Verhaltenstraining14), 15) und die Hypnose16), 17) . Symptomtagebücher und Entspannungsverfahren (z. B. Yoga, autogenes Training) können hilfreich sein als Ergänzung der verhaltenstherapeutischen Therapie3), 10) . einer Helicobacter pylori-Infektion in verschiedenen Studien nicht bestätigt werden konnte3) . Bei Verdacht auf eine Kohlenhydratmalabsorption oder -digestion kann eine probato rische Eliminationsdiät von Lactose oder Fructose in Erwägung gezogen werden. Entsprechende H2-Atemtest sind nicht immer notwendig3) . Therapie Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist eine vertrauensvolle ArztPatienten-Beziehung. Eine positive Arzt-Patienten-Interaktion führt zu einer geringeren Anzahl an Re-Konsultationen11) . Patienten mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS und ihre Familien wünschen sich eine Anerkennung ihres Leidens, emotionellen Support, Erklärungen bezüglich Ursache der Symptome sowie eine Bestätigung/Versicherung, dass sich keine potentiell gefährliche Krankheit hinter den Beschwerden versteckt. Ein sehr wichtiger Schritt in der Therapie ist die gemeinsame Erarbeitung eines plausiblen Krankheitsmodells (bio-psycho-soziales Modell), aus welchem ein individuelles Behandlungskonzept abgeleitet werden kann. Das bio-psycho-soziale Modell ermöglicht spezifische Auslöser für die Beschwerden zu eruieren, sowie die Zusammenhänge zwischen Stress, Emotionen und den somatischen Symptomen zu klären (Tabelle 5). Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS sollte, v. a. in therapierefraktären Fällen und bei starker Beeinträchtigung der altersentsprechenden Alltagsaktivitäten, unter Ein bezug von psychosozial geschulten und kindergastroenterologischen Fachpersonen erfolgen. Psycho-soziale Interventionen Die gemeinsame Erarbeitung eines biopsycho-sozialen Modells, nach entsprechender Vordiagnostik, bildet eine wichtige Grund- • • • • • • • • • • • • • • • Medikamente Auf einen regelmässigen Einsatz von Analgetika und chemisch definierten Spasmolytika sollte zugunsten anderer Therapieverfahren verzichtet werden. In Ausnahmefällen können sie zur punktuellen Schmerzbekämpfung eingesetzt werden. Verkapseltes Pfefferminzöl (Colpermin®) kann bei akuten Bauchschmerzen als Spasmolytikum bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden3) . Amitryptilin sollte eher nicht für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS eingesetzt werden3) . Sind die funktionellen Bauchschmerzen und RDS assoziiert mit einer Obstipation und/ oder Blähungen, wird eine laxative Therapie mit Macrogol empfohlen3), 10) . Schmerzen abseits des Nabels, insbesondere anhaltende Schmerzen im oberen und unteren rechten Quadranten Dysphagie rezidivierendes Erbrechen gastrointestinaler Blutverlust chronische und/oder nächtliche Diarrhoe nächtliche Schmerzen, die das Kind aufwecken unklares Fieber Arthritis ungewollter Gewichtsverlust Wachstumsstörung Leistungsknick verzögerte Pubertätsentwicklung Menstruationsstörung positive Familienanamnese (chronisch entzündliche Darmerkrankung, Zöliakie, peptischer Ulkuskrankheit) Auffälligkeiten in der körperlichen Untersuchung (pathologische Resistenz, Hepatomegalie, Splenomegalie, perianale Auffälligkeiten) Anamnestische und klinische Warnzeichen für eine organische Ursache bei Kindern und Adoleszenten mit chronischen Bauchschmerzen («red flag signs») 4), 9), 10) Tabelle 3: • • • • • • grosses Blutbild, Entzündungsparameter (CRP oder BSG), ALAT, Gamma-GT, Lipase Zöliakie-Serologie (Gesamt-IgA, Transglutaminase IgA-AK) TSH (bei Anamnese mit Obstipation) Urinstatus Stuhl auf Parasiten Bei Diarrhoe: fäkale Entzündungsmarker (fäkales Calprotectin) Tabelle 4: Laboruntersuchung bei chronischen Bauchschmerzen3), 10) Biologisch Psychologisch Sozial Prädisponierende Faktoren Obstipationsneigung Wenig Selbstvertrauen Familiäre Konflikte, Trennung der Eltern Auslösende Faktoren Schlag in den Bauch durch Schulkollegen Überforderungssituation in der Schule, drohende Nichtbeförderung Ausgrenzung durch Peers Erhaltende Faktoren Unregelmässige Stuhlentleerung Andauernder Stress in der Schule, Ungewissheit bezüglich der weiteren Schulkarriere Überbehütung durch allein erziehende Mutter, unverbindliche Kontakte zum Vater Tabelle 5: Bio-psycho-soziales Modell. Bsp. eines Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen und Schulabsentismus 12 Empfehlungen Vol. 25 Nr. 1 2014 Diäten und Probiotika Bei ausgewogen und altersgemäss ernährten Kindern und Jugendlichen, sollte die Ernährung nicht umgestellt werden. Eine Nahrungsumstellung ist jedoch indiziert bei Fehl- oder Mangelernährung oder gut dokumentierter Nahrungsmittelunverträglichkeit, wobei der Nachweis einer Nahrungsmittelunverträglichkeit die Diagnose von funktionellen Bauchschmerzen oder RDS als Ursache der Beschwerden ausschliessen würde. Der Einsatz von Probiotika wird empfohlen bei Kindern/Jugendlichen, bei welchen die Beschwerden postenteritisch aufgetreten sind und welche an einem RDS mit Diarrhö leiden3), 10) . Alternativmedizinische Interventionen Für die Anwendung von komplementär-medizinischen oder alternativen Therapien bei Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS gibt es keine Empfehlung3), 10) . Zusammenfassung/ Take home message Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind häufig, wobei in den allermeisten Fällen keine organische Ursache zu Grunde liegt. Die Diagnose von funktionell bedingten Bauchschmerzen sollte möglichst affirmativ und nicht als Ausschlussdiagnose erfolgen, dabei hilft ein bio-psycho-soziales Erklärungsmodell, welches gemeinsam mit Patient und Eltern erarbeitet wird. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen, Hypnose und Entspannungsverfahren bewirken am ehesten eine anhaltende Besserung der Beschwerden. Medikamente und Probiotika sind nur beschränkt wirksam, unnötige Ernährungsumstellungen sollten vermieden werden. Referenzen 1) Chitkara DK, Rawat DJ, Talley NJ. The epidemiology of childhood recurrent abdominal pain in western countries: A systematic review. Am J Gastroenterol 2005; 100: 1868–75. 2) Kinder- und Jugend-Gesundheitsbericht 2010. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Kanton Baselstadt. www.gesundheitsdienste.bs.ch 3) Layer P et al, S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM).Z Gastroenterol 2011; 49: 237–93. 4) Rasquin A, Di Lorenzo C, Forbes D et al. Childhood Functional Gastrointestinal Disorders: Child/Adolescent. Gastroenterology 2006: 130: 1527–37. 5) Levy RL, van Tilburg M. Functional abdominal pain in childhood: Background studies and recent research trends. Pain Res Manage 2012; 17 (6): 413–17. 6) Shulman RJ, Eakin MN, Czyzewski DI et al. Increased gastrointestinal permeability and gut inflammation in children with functional abdominal pain and irritable bowel syndrome. J Pediatr 2008; 153: 646–50. 7) Saps M, Pensabene L, Di Martino L et al. 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Pediatrics 2003; 112: 1368–72. 13)Walker LS, Williams SE, Smith CA et al. Parent attention versus distraction: impact on symptom complaints by children with and without chronic functional abdominal pain. Pain 2006; 122: 43–52. 14)Huertas-Ceballos A, Logan S, Bennett C et al. Psychosocial interventions for recurrent abdominal pain and irritable bowel syndrome in childhood. Cochrane Database Syst Rev 2008; 1: CD003014. 15.Levy RL, Langer SL, Walker LS et al. Cognitive-behavioral therapy for children with functional abdominal pain and their parents decreases pain and other symptoms. Am J Gastroenterol 2010; 105: 946–56. 16)Vlieger AM, Menko-Frankenhuis C, Wolfkamp SC et al. Hypnotherapy for children with functional abdominal pain or irritable bowel syndrome: a randomized controlled trial. Gastroenterology 2007; 133: 1430–36. 17)Vlieger AM, Rutten Jm, Govers AM et al. Long term follow-up of gut directed hypnotherapy vs standard care in children with functional abdominal pain or irritable bowel syndrome. Am J Gastroenterol 2012; 107 (4): 627–31. 13 Korrespondenzadresse Dr. med. Beatrice Müller-Schenker FMH Kinder- und Jugendmedizin Schwerpunkt Gastroenterologie und Ernährung Kaspar Pfeiffer-Strasse 4 4142 Münchenstein [email protected] Dr. med. Marc Sidler Pädiatrische Gastroenterologie Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) 4056 Basel [email protected] Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 Antiepileptische Therapie im Kindesalter Alexandre N. Datta, Spezialarzt, stellvertretender Abteilungsleiter Neuro- und Entwicklungspädiatrie, neurol. Leiter Schlaflabor, Spezialsprechstunde für Epilepsie Die Epilepsie gehört mit einer Prävalenz von ca. 0.5–1 % zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Ein epileptischer Anfall wird definiert als transientes Auftreten von Zeichen und/oder Symptomen, welche auf eine abnorme exzessive oder synchrone neuronale Aktivität des Gehirns zurückzuführen sind. Unter Epilepsie jedoch wird eine Störung des Gehirnes verstanden, die durch eine dauerhafte Prädisposition, epileptische Anfälle zu generieren, und die dazugehörigen neurobiologischen, kognitiven, psychologischen und sozialen Konsequenzen gekennzeichnet ist. Somit reicht unter gegebenen Umständen im Gegensatz zu früheren Definitionen ein Anfall, um die Diagnose Epilepsie zu stellen46) . Eine antiepileptische Therapie kommt eigentlich erst bei wiederholten Anfällen zum Einsatz. Dabei handelt es sich im Kindes- wie auch im Erwachsenalter meist um eine medikamentöse Therapie; zur antiepileptischen Therapie zählen aber auch Diäten (speziell die ketogene Diät), Neurostimulationsverfahren (z. B. Nervus vagus Stimulator) und die Epilepsiechirurgie. Pharmakodynamik – Pharma kokinetik (modifiziert nach1)) Um eine antiepileptische Therapie verstehen zu können und sie auch von einer Therapie beim Erwachsenen zu unterscheiden, bedarf es ein paar pharmakologischer Grundlagen. Als Pharmakodynamik bezeichnet man die Lehre der Wirksamkeit eines Medikamentes am Erfolgsorgan; die Pharmakokinetik beinhaltet die Absorption, Distribution und Elimination eines Medikaments; die Elimination wiederum fasst die Begriffe der Metabolisierung und der Exkretion zusammen. Die Absorption ist charakteristischerweise bei oraler Anwendung abhängig von der Lipidlöslichkeit der Substanz und der Kontaktzeit zur Darmwand; letztere ist abhängig vom Alter des Kindes. Die Absorption verändert sich aber auch bei gleichzeitiger Einnahme eines Medikaments mit der Nahrung (sie wird beschleunigt). Zur rascheren Absorption (vor allem bei anfallskoupierenden Medikamen- ten) wird zum schnelleren Wirkungseintritt auch die rektale, buccale oder nasale Verabreichung eingesetzt. Die Distribution zeigt eine Abhängigkeit von der Lipid-, resp. der Wasserlöslichkeit eines Medikaments, vom Fettgehalt des Köpers, aber auch von der Bindung an Plasmaproteine (vor allem Albumin). Die Metabolisierung (Biotransformation) eines Medikamentes findet in der Leber statt; anschliessend wird das Medikament über die Niere ausgeschieden. Zur Biotransformation gehören die bioaktivierende Phase-I-Reaktion durch das Cytochrom C Oxydase P 450 Enzymsystem und die detoxifizierende Phase-II Reaktion. Die meisten Medikamente erfahren in der Leber durch das Cytochrom P 450 Enzymsystem eine Oxidation zu aktiven Metaboliten. Dabei gibt es eine grosse Variabilität dieser Enzymsysteme, was dazu führt, dass Medikamente unterschiedlich intensiv und lange wirken können, wenn auch die gleiche Dosierung angewandt wird. Es gibt zudem Medikamente, die kaum in der Leber metabolisiert werden und fast unverändert in der Niere ausgeschieden werden (z. B. Vigabatrin) und solche, die wiederum vollständig in der Leber abgebaut werden (z. B. Benzodiazepine, Carbamazepin und Valproat). Von einem Steady State ist dann die Rede, wenn sich Absorption und Elimination das Gleichgewicht halten: Dann ist die Konzentration zwischen den Dosisintervallen konstant. Zu beachten ist, dass dieser Zustand aber erst nach Ablauf von fünf Halbwertszeiten erreicht wird. Auch wenn ein Medikament gestoppt wird, braucht es 5 Halbwertszeiten, bis es vom Körper komplett eliminiert worden ist. Die Eiweissbindung spielt in der Pharmakologie eine grosse Rolle: In Prozent zeigt sie den Anteil des Medikamentes, der an Bluteiweisse (vor allem Albumin) gebunden ist. Valproat, Benzodiazepine und Carbamazepin sind Antiepileptika mit grosser Eiweissbindung. Der freie (nicht eiweissgebundene) Teil ist aber der wirksame Teil und wird bei kompetitiver Eiweissbindung verändert. Nimmt der eiweissgebundene Teil prozentual jedoch ab, besteht das Risiko einer erhöhten Toxizität durch vermehrte Diffusion ins Gewebe. 14 Die Clearance quantifiziert das Plasmavolumen, welches über eine gewisse Zeit eliminiert wird. Die Plasmakonzentration eines Medikamentes widerspiegelt das Zusammenspiel all dieser pharmakokinetischen Variabeln. Der freie, nicht eiweissgebundene Anteil befindet sich dann im Gleichgewicht mit der Konzentration in der Extrazellulärflüssigkeit. Besonderheiten der Pharmakody namik und -kinetik im Kindesalter (modifiziert nach1)) Die Pharmakotherapie bei Kindern mit Epilepsie unterscheidet sich jedoch in vielen Teilaspekten von der Behandlung erwachsener Epileptiker. Die Pharmakodynamik zum Beispiel zeigt charakteristische altersabhängige Besonderheiten. In Abhängigkeit vom Alter gibt es qualitative und quantitative Unterschiede der Wirksamkeit gleicher Dosierungen eines Medikaments. Im Neugeborenenalter ist beispielsweise die Magenentleerung verlängert und die Peristaltik irregulär sowie die Clearance verlängert. Zudem ist der an Eiweiss gebundene Anteil kleiner und damit der ins Gewebe diffundierende freie Anteil höher. Bei älteren Kindern und Jugendlichen jedoch braucht es eher höhere Dosen: Die Metabolisierung ist beschleunigt und die Clearance erhöht. Die Absorption ist zudem erhöht, die intestinale Transportzeit ist verkürzt und die absorbierende Oberfläche kleiner. Dadurch kommt es jedoch auch zu stärkeren Konzentrationsschwankungen. Retardformen werden öfters nicht vollständig aufgenommen und die Absorption kann z. B. in Verbindung mit Milchprodukten beeinträchtigt sein. Mechanismen der antiepileptischen Therapie (modifiziert nach1)) Die Wirkmechanismen der antiepileptischen Medikamente basieren grob unterteilt auf folgenden Ebenen (Abbildung 1 und Tabelle 1): a. Sie greifen die Ionenkanäle an und beeinflussen so spannungsabhängige Natrium-Kanäle, Kalium-Kanäle oder inhibieren spannungssen sible Kalzium-Kanäle vom T- und vom L-Typ. b.Sie beeinflussen die Neurotransmitterrezeptoren, indem sie die GABA-vermittelte Inhibition verstärken oder die Glutamat vermittelte Exzitation über die NMDA-Rezeptoren reduzieren. Es gibt diesbezüglich aber auch AMPA- oder KA-Rezeptoren, die beeinflusst werden können. Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 c.Sie verändern den Neurotransmitterstoffwechsel, indem sie beispielsweise die Carboanhydraseaktivität hemmen. Allerdings wirkt ein Antiepileptikum oft auf mehreren der 3 genannten Ebenen oder beeinflusst mehrere Kanäle gleichzeitig (Abbildung 1). Ein Neurotransmittersystem wiederum kann über verschiedene Wege beeinflusst werden: Das inhibitorische GABA-System kann als Beispiel durch Erhöhung der Chloridkanalöffnung verstärkt werden (z. B. im Falle von Phenobarbital). Andererseits kann diese inhibitorische Wirkung auch über Erhöhung der Öffnungsfrequenz der Chloridkanäle (z. B. bei Benzodiazepinen), über eine Erhöhung der Konzentration von GABA durch Blockierung dessen Abbaus (z. B. bei Vigabatrin) oder durch Hemmung der Wiederaufnahme von GABA im präsynaptischen Spalt (z. B. bei Tagabin) erzielt werden. Ziel der antiepileptischen Therapie Primär ist das Ziel einer antiepileptischen Therapie natürlich immer der antikonvulsive Effekt. Ein weiteres Ziel der medikamentösen Therapie beim epileptischen Kind ist aber natürlich auch die Hemmung der Epileptogenese; durch längerfristige Veränderungen der Nervenzellen können sich epileptische Herde bilden, Anfälle generiert werden und durch neuronale synaptische Plastizität eine sich ausbreitenden «Epileptisierung» des Gehirns entstehen («kindling») 47). Durch die antiepileptische Therapie wird beabsichtigt, dass die Epilepsie möglichst nicht chronifiziert. Im Tiermodell haben sich Substanzen wie Valproat, Lamotrigin, Levetiracetam und Topiramat Open channel Neurotranmitters open channels in the target cell to let charged particles through mit hemmender Wirkung auf die Epileptogenese erwiesen2) , was aber bei Kindern nicht relevant nachgewiesen werden konnte. Das dritte Ziel einer antiepileptischen Behandlung ist die Vermeidung von iktogenen neurologischen Folgeschäden und damit das Erreichen einer Neuroprotektion. Dabei wird vor allem beabsichtigt, die Entstehung von Entwicklungsdefiziten und kognitiven Einbussen zu verhindern, welche durch häufige oder prolongierte Anfälle oder rege Entladungsaktivität vor allem im Schlaf mit eingeschränkter nächtlicher Regeneration entstehen können. Im Tiermodell konnte diese neuroprotektive Wirkung bei Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat und Zonisamid bestätigt werden3) . Dieser Nachweis beim Kind ist aber schwer zu erbringen. Wie sollte eine rationale Pharmakotherapie beim Kind denn aussehen? Idealerweise sollte ein grosses Verständnis für pathophysiologische Prozesse vorliegen, das Epilepsiesyndrom möglichst genau zugeordnet werden können und eine fundierte Kenntnis antiepileptischer Eigenschaften vorhanden sein. Dies würde es erlauben, bei einem Kind mit einem genau definierten Syndrom und/oder nachgewiesener genetischer Mutation das geeignete Medikament mit der gewünschten Wirkung auf den daran beteiligten physiopathologischen Mechanismus einzusetzen. Dies stellt sich jedoch im Alltag nicht ganz so ideal dar, so dass beim Einsatz von Antiepileptika viel mehr auf persönliche Erfahrungswerte und Studien zurückgegriffen werden muss. Aber auch dann ist es noch möglich, dass ein Kind auf ein spezifisches Medikament nicht anspricht oder ungewöhnlich hohe oder tiefe Dosen braucht. Charged particle Target cell Second impulse First nerve impulse Synaptic vesicle Closed channel Neurotransmitter Wirkmechanismen der Antiepileptika (Bild aus Encyclopedia of Science, The world of David Darling, 2013) Abbildung 1: 15 Therapieresistenz Knapp ein Drittel (63 %) aller Epilepsiepatienten sind mit Antiepileptika erfolgreich behandelbar. Aktuell sind etwas mehr als 40 anti epileptische Medikamente auf dem Markt. Der Anteil an therapierefraktären Epilepsien hat sich auch durch die neue Generation von Antiepileptika nicht wesentlich verändert. Allerdings haben die neueren Antiepileptika die Verträglichkeit verbessert und teils auch das Potenzial an Interaktion verringern können. 47 % aller Patienten werden unter dem ersten Antiepileptikum anfallsfrei.14 % wird unter dem 2. oder 3. antiepileptischen Medikament keine Anfälle mehr haben. 3 % werden schlussendlich unter einer Kombination an Medikamenten anfallsfrei4). Unbestritten bleibt, dass das erste Antiepileptikum schlussendlich immer das erfolgreichste ist in der Voraussetzung, dass es korrekt gewählt wird. Als the rapierefraktär gilt heutzutage, wer unter 2 verträglichen, gut gewählten Antiepileptika nicht anfallsfrei wird5), 6). Im Kindesalter wird angenommen, dass ca. 15 %–20 % aller Epilepsiepatienten wirklich pharmakoresistent sind7). Prinzipien der antiepileptischen Therapie Wenn angesichts einer Epilepsie der Entscheid gefällt worden ist, ein Kind mit einem antiepileptischen Medikament zu behandeln, bleibt wie beim Erwachsenen auch die Monotherapie das primäre Ziel. Nebst den antiepileptischen Medikamenten der ersten Generation wie Phenobarbital, Phenytoin, Valproat und Carbamazepin existiert heutzutage eine grosse Menge an neueren Anti epileptika, die möglicherweise eine bessere Verträglichkeit zeigen und weniger Interaktionen aufweisen, aber in ihrer Wirksamkeit den älteren Präparaten nicht signifikant überlegen sind. Es würde den Umfang und das Ziel dieses Artikels weit übersteigen, hier alle Antiepileptika in ihren Vor- und Nachteilen abzuhandeln. Prinzipiell lässt sich aber vereinfacht aufgrund kontrollierter Studien folgende Aussagen machen: Bei fokalen Epilepsien, bei denen eine strukturelle Ätiologie bekannt ist oder zumindest vermutet wird, war Carbamazepin lange das Mittel der ersten Wahl. In der SANADStudie, in der die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Auswirkungen auf die Lebensqualität von Carbamazepin, Gabapentin, Lamotrigin, Oxcarbazepin und Topiramat bei fokalen Epilepsien mit gesicherter oder vermuteter struktureller Ätiologie untersucht worden sind, Fortbildung zeigte sich Lamotrigin den anderen überlegen. Carbamazepin und Oxcarbazepin wurden als nur geringgradig schlechter eingestuft als Lamotrigin; Topiramat und Gabapentin fielen aber im Vergleich dazu ab9) . In der KOSMETStudie, in der die Effektivität von Levetirace- Vol. 25 Nr. 1 2014 tam, Carbamazepin und Valproat verglichen wurden, zeigte sich kein signifikanter Unterschied dieser drei Medikamente; allerdings war die Zeit bis zum ersten Anfall unter Medikation mit Carbamazepin und Valproat signifikant länger als unter Levetiracetam10) . Als Standard Medikamente nebst Carbamazepin, Oxcarbazepin und Lamotrigin gelten aber auch Levetiracetam, Zonisamide, Topiramat und Gabapentin als Mittel der ersten Wahl. Daten zu den neueren Medikamenten fehlen noch. Als Add-on-Therapie hat sich Ältere Antiepileptika Wahrscheinliche Hauptmechanismen Barbiturate Verstärkung der GABA-ergen Inhibition am Benzodiazepin-GABAa-Rezeptor-Komplex Hemmung des Glutamat Rezeptors (AMPA/Kainat) Benzodiazepine Verstärkung der GABA-ergen Transmission Carbamazepin Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Ethosuximid Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom T-Typ Methsuximid Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom T-Typ Phenytoin Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Sultiam Inhibition der Carboanhydrase Verstärkung des inhibitorischen GABA-Systems Verminderung des Kalzium Einstroms in die Zelle Valproat Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Verstärkung der GABAergen Transmission Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom T-Typ Neuere Antiepileptika Felbamat Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Hemmung der Glutamat-abhängigen Exzitation Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom L-Typ Gabapentin Verstärkung der GABAergen Transmission Hemmung der Glutamat-Synthese Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom L-Typ Lacosamid Hemmung spannungsabhänger Natrium-Kanäle Einfluss auf das Collapsin response mediator Protein-2 Lamotrigin Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom L-Typ Levetiracetam Bindung an das synaptische Vesikelprotein SV2A Blockade der N-Typ-Kalzium-Kanäle Oxcarbazepin Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Perampanel Selektiver, nicht kompetitiver AMPA-Rezeptor-Antagonist Rufinamid Modulation der Natrium-Kanäle, Verlängerung des inaktiven Zustands Stiripentol verstärkt als GABA-Rezeptoragonist die GABA-Transmission Tiagabin Blockade des GABA-Reuptakes in den Neuronen und Glia Topiramat Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Hemmung der Kalzium-Kanäle vom L-Typ Hemmung der Glutamat-abhängigen Exzitation Verstärkung der GABAergen Transmission Inhibition der Carboanhydrase Vigabatrin irreversible Hemmung der GABA-Transaminase Zonisamid Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle Hemmung der Kalzium-Kanäle vom T-Typ Verstärkung der GABAergen Inhibition Hemmung der Glutamat-abhängigen Exzitation schwache Inhibition der Carboanhydrase Tabelle 1: Hauptwirkmechanismen der Antiepileptika (modifiziert nach Siemes, 2009) 16 Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 bei Kindern mit fokaler Epilepsie Levetiracetam als wirksam und gut verträglich erwiesen8) . In 3–10 % kommt es beim Einsatz von Carbamazepin (CBZ) zu Hypersensitivitätsreaktio nen. Diese können sich klinisch innerhalb eines Spektrums von milden Hautausschlä gen bis zu lebensbedrohlichen Hypersens itivitätsreaktionen wie dem Steven Johnson Syndrom (SJS), dem Toxischen Epidermalen Nekrolysesyndrom (TEN) und dem Medikamenten-induzierten Hypersensitivitätssyndrom (HSS) präsentieren. HLA-A* 31:01 ist dabei signifikant mit einem CBZ induzierten Hypersensitivitätssyndrom und makulo-papulösen Exanthem und HLA-B* 15:02 mit einem CBZ assoziierten Steven Johnson Syndrom (SJS) assoziiert50) . Bei den primär generalisierten Epilepsien ist Valproat weiterhin das Mittel der ersten Wahl11) . Lamotrigin und Levetiracetam sind dabei sicher gute Alternativen. Lamotrigin nimmt bei Frauen im gebärfähigen Alter eine spezielle Stellung ein, kann allerdings zu einer Exacerbation von Myoklonien führen. In der SANAD-Studie hat bei generalisierten Epilepsien im Vergleich zwischen Valproat, Lamotrigin und Topiramat Valproat in seiner Wirksamkeit die Nase vorne9) . Natürlich sind auch die Medikamente mit eher engem Spektrum wie Vigabatrin für infantile Spasmen und Ethosuximid für die Absenzepilepsie nicht wegzudenken48) . Medikamente, die als Orphan drugs bei nur sehr eingeschränkter Indikation zugelassen sind, werden teils in den folgenden Abschnitten in der Auswahl von Epilepsiesyndromen erwähnt. Schwere neonatale Enzephalopathien kommen in Form der neonatalen myoklonischen Enzephalopathie oder als frühinfantile epileptische Enzephalopathie mit Suppression-Burst Muster (Ohtahara Syndrom) vor (Abbildung 2). EEG-Veränderungen und klinische Auffälligkeiten sind allerdings in diesem Alter nicht immer miteinander assoziiert (uncoupling, elektroklinische Dissoziation), was deren Erkennung erschwert. Studien sind im Früh- und Neugeborenenalter natürlich sehr limitiert. Im Neugeborenenalter gilt ganz besonders, negative Auswirkungen von Anfällen auf die Entwicklung und potentiell schädliche Antiepileptika gegeneinander abzuwägen. Traditionelle Antiepileptika nutzen primär den inhibitorischen Effekt von GABA, die Blockierung von Glutamat oder Veränderungen der Ionen-Kanäle; bei neugeborenen Ratten jedoch konnte nachweislich eine Blockade der Glutamatrezeptoren oder Aktivation der GABA-Rezeptoren eine neurodegenerative Zellapoptose auslösen12). GABA-Rezeptoren können zudem bei Ratten in diesem Alter exzitatorisch und nicht inhibitorisch wirken13) , was den Einsatz dieser Medikamente im Neugeborenenalter natürlich stark in Frage stellt. Zum möglichen Vorgehen bei Anfällen im Neugeborenenalter und zum Ausschluss behandelbarer Stoffwechseldefekte kann folgendes Vorgehen empfohlen werden (adaptiert nach14)): Antiepileptika im Neugeborenenalter Anfälle zeigen im Laufe des Lebens einen maximalen Häufigkeitsgipfel im Neugeborenenalter. Die Ätiologie der Anfälle in diesem Alter ist grösstenteils strukturell/metabolisch (in der alten Nomenklatur symptomatisch): So ist in 42 % aller Neugeborenenanfälle eine hypoxisch-ischaemische Enzephalopathie deren Ursache; aber auch Malformationen, Hirninfarkte, Blutungen, Elektrolytstörungen, Hypoglykämien, Infektionen, Stoffwechseldefekte und maternaler Drogenabusus können Anfälle auslösen. Die Epilepsiesyndrome des Neugeborenen sind im Vergleich dazu selten: Zu den meist benigneren Formen gehören die benignen neonatalen Anfälle (fith day fits) und die benignen neonatalen familiären Anfälle. Mögliches Vorgehen Ausschluss einer Elektrolytstörung (Hypo-/ Hypernatriämie, Hypokaliämie, Hypozalzämie, Hypomagnesiämie) oder Hypoglykämie. Medikamente (alle off-label im Neugeborenenalter) 1.Phenobarbital 20 mg/kg i. v., dann 5 mg/kg/T p. o. 2.Levetiracetam: 20–40 mg/kg i. v., dann p. o. 3.Phenytoin 20 mg/kg i. v., dann 5 mg/kg/T p. o. 4.Midazolam i. v. Bolus und Dauerinfusion 5.Andere Medikamente im Einsatz: Lidocain i. v./p. o. und Topiramat p. o. Ausschluss Vitamin-abhängiger Epilepsien im NG-Alter (modifiziet nach14): 1.Pyridoxin 100 mg i. v. (3 Tage), dann ev. p. o. 2.Pyridoxalphosphat 15–30 mg/kg p. o. 3.Folinsäure 2–5 mg/kg p. o. 4.L-Serin 400–500 mg/kg p. o. in 4–6 Einzeldosen 5.Biotin 10–50 mg/Tag p. o. Ausschluss Kreatin Stoffwechselstörung und GLUT-1- Defekt (da behandelbar, aber Manifestation in der Regel später). Mögliche Medikamente im FG- und NG-Alter •Phenobarbital (Painter, 1999) •Midazolam (Castro et al, 2005) •Levetiracetam (Ramantami et al, 2011) •Lidocain (Lunquist et al, 2013) •Phenytoin (Painter et al, 1999) •Topiramat (Filippi et al, 2009 •Bumetanide (Clark et al, 2006) EEG eines Neugeborenen mit Burst-Suppression bei früher myoklonischer Enzephalopathie Abbildung 2: 17 Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 Medikamentöse Behandlung im Rahmen spezifischer Epilepsie syndrome im Säuglings- bis Jugendalter – eine Auswahl Im folgenden Kapitel wird eine kleine Auswahl an eher schwer verlaufenden Epilepsiesyndromen auf eine mögliche antiepileptische Therapie besprochen. Bei den besprochenen Epilepsiesyndromen haben sich erfahrungsgemäss, und zu einem Teil auch in Studien bestätigt, Kombinationen von Medikamenten als am meisten erfolgsversprechend erwiesen. a. Die BNS-Epilepsie, West-Syndrom Die BNS-Epilepsie, deren Namen nach den anfallssemiologischen Aspekten aus Blitz-, Nick- und Salaam-Anfällen stammt, auch West-Syndrom genannt, wenn sie mit einer Entwicklungsverzögerung einhergeht, ist die häufigste epileptische Enzephalopathie des Kindesalters. Sie tritt zwischen dem 3. und 8. Lebensmonat auf und zeigt 3 charakteristische Elemente: Die BNS-Anfälle, die sich mit einer abrupt beginnenden phasischen Kontraktion von weniger als 2 Sekunden äussern, gefolgt von einer tonischen Kontraktion von 2–10 Sekunden, und klinisch als symmetrische Beugung des Kopfes und Streckung und Anhebung der Arme und Beine imponieren. Das EEG zeigt eine Hypsarrhythmie (Abb. 3 und 4), die im Schlaf am ausgeprägtesten nachweisbar ist. Oft kommt es mit Einsetzen der BNS-Anfälle zu einer Stagnation der Entwicklung. Ätiologisch ist die BNS-Epilepsie zum grössten Teil strukturell oder metabolisch bedingt und nur zu ca. 25 % unbekannter Ursache. Selten finden sich auch familiäre Formen. Strukturelle und metabolisch bedingte BNSEpilepsien zeigen ein schlechteres Outcome als diejenigen unbekannter Ätiologie. Abbildung 3 und 4: Abbildung 5: Darstellung eines Nervus vagus Stimulators (Bild von Cyberonics) Ab 1958 wurde die BNS-Epilepsie mit ACTH behandelt15) . Alternativen dazu stellen Vigabatrin, Prednisolon und Hydrocortison dar, des Weiteren können auch «klassischere» Medikamente wie Valproat, Sultiam, Pyridoxin, Levetiracetam, Topiramat, Lamotrigin und Zonisamid, aber auch die ketogene Diät wirksam sein. Die aktuelle Studienlage zeigt, dass unter hormoneller Therapie die Hypsarrhythmie schneller verschwindet als unter Vigabatrin, das Behandlungsoutcome aber das gleiche ist16), 17), 18) . Möglicherweise ist aber durch das schnellere Ansprechen und damit raschere Sanierung der Hypsarrhythmie das kognitive Outcome besser, da eine raschere Diagnose und Therapie auch zu einem besseren kognitiven Outcome führt19) . Zur Dauer der Therapie gibt es verschiedene Optionen, so dass diesbezüglich noch kein einheitliches Vorgehen vorliegt. Beginnen die einen Zentren klassisch mit Vigabatrin, wechseln dann auf orale Steroide und dann auf Hypsarrhythmie und iktales Bild bei BNS-Epilepsie 18 ACTH bei ungenügendem Ansprechen, beginnen andere direkt mit Steroiden. Aus diesem Grunde wird an dieser Stelle auch darauf verzichtet, Empfehlungen abzugeben. b. Dravet-Syndrom Das Dravet-Syndrom wurde von Charlotte Dravet initial als frühe myoklonische Enzephalopathie 1978 und detaillierter 1982 als ei genes Syndrom beschrieben20) . Kinder mit einem Dravet-Syndrom zeigen bereits im 1. Lebensjahr meist fiebergetriggerte Anfälle, die öfters auch als halbseitig klonisch und prolongiert in Erscheinung treten. Später folgen dann Anfälle ohne Fieber, fokal oder generalisiert, sowie atypische Absenzen und massive Myoklonien. Die Patienten zeigen eine Therapieresistenz und entwickeln ein ataktisches Gangbild, stagnieren in ihrer Sprachentwicklung und werden teils auch verhaltensauffällig. Bei den meisten findet sich eine Mutation im Bereiche des Natriumkanal-Gens SCN1A. Bei Mädchen, die oft IBLE FLEX SIEP EPILE APIE THER Minitabletten | Orale Lösung | 250 mg | 500 mg | 1000 mg 100 mg / ml Therapiequalität vom Epilepsie-Spezialisten Desitin® Epilepsie-Therapie in intelligenter Form. • Modern: Hohe Einnahmeflexibilität • Einfach: Leichtes Handling • Bewährt1: Starke Wirkung und gut verträglich1 Referenzen: 1. Privitera M., Efficacy of Levetiracetam: A Review of Three Pivotal Clinical Trials; Epilepsia, 42 (Suppl. 4):31-35; 2001 Wirkstoff: Levetiracetam. Darreichungsformen: Minipacks mit Minifilmtabletten zu 250 mg, 500 mg und 1000 mg; Lösung 100 mg/ml, 300 ml. Indikation: Levetiracetam Desitin® ist indiziert: - zur Monotherapie bei der Behandlung von partiellen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Patienten ab 16 Jahren mit Epilepsie; - zur Zusatzbehandlung von partiellen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Erwachsenen und Kindern ab 4 Jahren mit Epilepsie, von myoklonischen Anfällen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit juveniler myoklonischer Epilepsie sowie von primären generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Erwachsenen und Jugendlichen an 12 Jahren mit idiopathischer generalisierter Epilepsie. Dosierung: Monotherapie: Erwachsene (≥ 16 Jahre): Die Behandlung sollte mit 2x250 mg/ Tag gestartet werden. Je nach klinischem Ansprechen kann die Dosis alle 2 Wochen in Schritten von 2x250 mg/Tag auf maximal 2x1500 mg/Tag gesteigert werden. Zusatzbehandlung: - Erwachsene (≥ 18 Jahre) und Jugendliche (12–17 Jahre) ab 40 kg: 1000 mg/Tag mit Beginn am 1. Behandlungstag. Je nach klinischem Ansprechen kann die Dosis in Schritten von 100 mg alle 2–4 Wochen bis auf 3000 mg/Tag gesteigert werden. - Kinder von 4–11 Jahren und unter 40 kg: Die initiale therapeutische Dosierung beträgt 10 mg/kg Körpergewicht 2x täglich (morgens und abends). Dosiererhöhungen resp. -reduktionen können in Schritten von 10 mg/kg zweimal pro Tag alle 2–4 Wochen vorgenommen werden. Je nach Klinik und Verträglichkeit kann die Dosis bis auf 30 mg/kg zweimal pro Tag angehoben werden. Bei Kindern sollte die Behandlung mit Levetiracetam Desitin® Lösung begonnen werden. Kinder ≥ 40 kg werden mit derselben Dosis wie Erwachsene behandelt. Grundsätzlich muss sowohl bei der Mono- wie auch bei der Zusatzbehandlung bei älteren Patienten und solchen mit eingeschränkter Nierenfunktion die tägliche Dosis entsprechend der Kreatinin Clearance angepasst werden. Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber Levetiracetam bzw. verwandten Substanzen oder einem der Hilfsstoffe. Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen: Es liegen Berichte von Suiziden und suizidalen Gedanken bei mit Levetiracetam behandelten Patienten vor. Zur Anwendung von Levetiracetam Desitin® bei schwangeren Frauen liegen keine ausreichenden Daten vor. Unerwünschte Wirkungen: Asthenie, Somnolenz und Müdigkeit. Beim Führen von Fahrzeugen und Bedienen von Maschinen ist Vorsicht geboten. Interaktionen: Bis heute wurden keine klinisch relevanten Wechselwirkungen beobachtet. Abgabekategorie: B, kassenzulässig. Zulassungsinhaberin: Desitin Pharma GmbH, Hammerstr. 47, 4410 Liestal. Stand der Information: September 2013. 1006815 Gekürzte Fachinformation Levetiracetam Desitin ®: Bevor Sie Levetiracetam Desitin® verschreiben, konsultieren Sie bitte die komplette Fachinformation bei der Swissmedic (www.swissmedicinfo.ch). Fortbildung weniger stark betroffen sind, kann bei fehlender SCN1A-Mutation eine Mutation im PCDH19 ursächlich sein. Zudem sind seltene Fälle mit GABRG2- und SCN1B-Mutationen beschrieben21) . Die Therapie gestaltet sich in der Regel als schwierig, stellt sich klassischerweise aber aus einer Kombination von Valproat, Stiripentol und Clobazam zusammen und hat sich bei einer Anzahl Patienten als wirksam erwiesen22) . Stiripentol ist als Orphan drug für das Dravet-Syndrom zugelassen und agiert als GABA-Rezeptor-Modulator und zudem Cytochrom P450-Enzyminduktor22). Levetiracetam und Topiramat kommen auch oft zum Einsatz. Zudem wurde über viele Jahre Brom als Standardtherapie für Kinder mit Dravet-Syndrom verabreicht. Die ketogene Diät wird oft in Kombination mit den oben genannten Medikamenten mit recht gutem Erfolg eingesetzt. So zeigt auch der Einsatz eines Nervus-vagusStimulators (Abb. 5) eine mögliche Verbesserung der Anfallssituation und Wachheit. Kontraindiziert bei diesem Epilepsiesyndrom sind Lamotrigin, Carbamazepin, Vigabatrin und Phenytoin23) . c. Lennox-Gastaut-Syndrom Das Lennox-Gastaut-Syndrom wurde 1959 von Lennox und 1966 von Gastaut erstmals beschrieben. Es handelt sich dabei um eines der am schwersten verlaufenden Epilepsiesyndrome im Kindesalter. Es beginnt im Alter von 1 bis 8 Jahren und ist nicht selten auch Folge eines therapierefraktären, strukturellen West-Syndroms. In 2/3 bis 3/4 ist es ätiologisch als strukturell nach peri- oder postnataler Schädigung, bei cerebralen Malformationen, progressiven Enzephalopathien oder auch chromosomalen Störungen zuzuordnen. Die Anfallsarten sind charakteristischerweise eine Kombination aus tonischen Anfällen (speziell nachts), atypischen Absenzen, atonischen Anfällen und Myoklonien. Die Therapie stellt sich als äusserst schwierig dar, wobei Valproat in Kombination mit Benzodiazepinen, Ethosuximid, Felbamat, Topiramat, Levetiracetam Erfolge bringen können. Als Orphan drug wird auch Rufinamid teils erfolgsversprechend eingesetzt24). Die ketogene Diät und der VNS sind ebenfalls wichtige Therapiealternativen. Prognostisch bleibt das Lennox-Gastaut-Syndrom jedoch ungünstig: Nur 7–15 % aller Patienten mit LGS entwickeln sich normal oder sind mental leicht behindert, die anderen sind in der Regel schwer betroffen. Vol. 25 Nr. 1 2014 Die ketogene Diät lenhydratarme Diät bei normalem Proteinanteil. Wird zu Beginn des Fastens nur 2–3 % des Energiebedarf über Ketonkörper gedeckt, sind dies nach 3 Tagen bereits 30–40 %. Nach mehreren Tagen gewinnt das Gehirn 2/3 seines Stoffwechsels über die Oxydation von Ketonkörpern. Bei der ketogenen Diät findet eine Veränderung des Stoffwechsels durch Erreichen eines kompensiert azidotischen Zustandes statt. Ketonkörper haben eine neuroprotektive Wirkung und erhöhen die Krampfschwelle. Die Lipidzusammensetzung neuronaler Membranen verändert sich und die Neurotransmitter GABA und Glutamat werden moduliert. Das Insulin als potentiell exzitatorisch wirksames Hormon wird dadurch konstant tief gehalten. Es wird hypothetisiert, dass sich durch die ketogene Diät auch eine hemmende Wirkung auf die Epileptogenese erzielen lässt27), 49) . Therapie der Wahl ist die KD beim Glukose Transporter Defekt (GLUT1-Defekt), da der Glucosetransport durch die Blut-Hirnschranke und in die Zelle umgangen wird, bei gestörter Glykolyse (Phosphofruktokinase-Mangel) und beim Pyruvatdehydrogenase-Mangel und beim Komplex-I-Defekt. Ansonsten ist die KD bei einer Anzahl therapierefraktärer Epilepsien29) indiziert: So gibt es Studien zum Thema KD bei BNS-Epilepsie28), bei Lennox-GastautSyndrom30) , Dravet-Syndrom31) , Doose-Syndrom32) , hypoxisch-ischaemischer Enzephalopathie33) , bei corticalen Dysgenesien34) , tuberöser Hirnsklerose35) , Status epilepticus36) , FIRES37) und Autismus38) . (modifiziert nach25)) Das Prinzip der ketogenen Diät wird in der Epilepsie schon in der Bibel erwähnt, wo bei Markus (Kapitel 9, Vers 14–29) von einem Jungen die Rede ist, der von einem stummen Geist besessen gewesen sein soll, der ihn packt, niederwirft. Es wird beschrieben, wie der Knabe schäumt, mit den Zähnen knirscht und starr da liegt. Jesus empfahl den Eltern, zu beten und den Knaben fasten zu lassen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dann diese Fastentherapie wieder aufgenommen in der Behandlung von epileptischen Kindern 26). Es existiert nebst der klassischen ketogenen Diät (KD), die im Verhältnis Fett: Kohlenhydrate meist 3 : 1 und 4 : 1 angewendet wird, auch die Modified-Atkins-Diät. Letztere ist in ihrer Umsetzung weniger restriktiv und limitiert primär nur den Kohlenhydratanteil und ist somit auch einfacher umsetzbar. Es gibt zusätzlich auch noch eine Low glycemic index diet und eine Diät, die vor allem auf dem Einsatz von MCT-Ölen basiert, auf die in diesem Abschnitt nicht gesondert eingegangen wird. MCT-Öle werden aber oft auch in der klassischen KD eingesetzt. Das Prinzip der ketogenen Diät ist es, den Anteil an zugeführten Kohlenhydraten stark einzuschränken, um den Körper dazu zu bringen, Ketonkörper als Energieträger zu bilden. Um unter dieser Diät nicht durch Abbau an körpereigenen Fetten an Gewicht zu verlieren, werden die Fettsäuren der Nahrung beigefügt: Dadurch entsteht eine fettreiche, aber kohGLUT 1 MCT 1 Blut-Hirn-Schranke Glukose Cytosol 5 Pyruvat Mitochondrium 6 Acetyl-CoA Azeto-Acetyl-CoA 3 Oxalazetat Malat Fumarat 4 Azetoazetat 2 ß-CH-Butyrat 1 Zitrat ɑ-Ketoglutaral 2H Succinat Succinyl-CoA NADH I III CoQ Cyt c IV O2 II V 2H 2H ADP ATP Abbildung 6: Ketogene Diät: Therapie der Wahl bei GLUT-1-Defekt (GLUT 1), Glykolysedefekten (5), Pyruvatdehydrogenasemangel (6) und bei Komplex-I-Defekt (I) (aus Baumeister, 2004) 20 Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 Der Nervus-vagus-Stimulator (Abb. 5) Erstmals wurde der Nervus-vagus-Stimulator (VNS) 1988 von Perny eingesetzt. Heutzutage gehört der VNS zu den gut untersuchten Behandlungen nicht-medikamentöser Art beim epileptischen Erwachsenen und in etwas geringerem Ausmasse auch beim epileptischen Kind. Indikation ist primär die therapierefraktäre Epilepsie. Der antikonvulsive Effekt des VNS basiert auf der Initialidee der Desynchronisation von elektrozerebraler Aktivität. Spezifische Effekte des VNS ist der akut abortive Effekt auf einen ablaufenden Anfall, die akut prophylaktische Wirkung auf die Anfallsinduktion und eine chronische Prophylaxe auf die Anzahl Anfälle; im Mausmodell konnte diesbezüglich eine Verminderung der Epileptogenese nachgewiesen werden39) . Wenn der VNS wirksam ist, kann er zu einer Lebensqualitätsverbesserung, zu einer Verbesserung der Aufmerksamkeit, weder zu einer kognitiven Verbesserung, noch zu einer Verschlechterung40) , aber zu einer Verbesserung der Wachheit bei Kindern bis zu 70 % führen41) . Eine Anfallsreduktion von über 50 % konnte bei 44.7 % aller Kinder beobachtet werden, bei denen ein VNS implantiert worden ist42) , wobei diese Zahlen in der Literatur stark variieren (37–75 %). Eine spezielle Indikation stellt das LennoxGastaut-Syndrom dar43), 44) . Am wenigsten Wirksamkeit zeigt der VNS bei Epilepsien mit generalisiert tonisch-klonischen Anfällen, am besten eignet er sich für tonische oder atonische Anfälle44) . Die Epilepsiechirurgie Ungefähr 15–20 % aller kindlichen Epilepsien sind pharmakoresistent, wovon die Hälfte valable Kandidaten zur Epilepsiechirurgie darstellen. Die epilepsiechirurgische Behandlung (Resektion oder Diskonnektion des epileptogenen Areals) kommt dann zum Tragen, wenn entweder eine pharmakoresistente Situation vorliegt, nicht akzeptable Auswirkungen der Anfälle auf die Kognition, das Verhalten oder die Lebensqualität nachweisbar sind, eine örtlich umschriebene epileptogene Zone und ein niedriges Risiko der postoperativen Morbidität bestehen. Die genaue Lokalisation des epileptogenen Fokus bedarf einer genauen prächirurgischen Evaluation. Da die Epilepsiechirurgie potenti- ell eine kurative Intervention darstellt, sollte möglichst früh eine solche Evaluation diskutiert werden, wenn es sich um ein umschriebenes epileptogenes Areal handelt. Zudem sind auch palliative epilepsiechirurgische Massnahmen in speziellen Situationen zu diskutieren wie eine Hemisphärektomie oder eine Hemisphärotomie (z. B. bei Rasmussen Encephalitis, bei Hemimegalencephalie), eine Korpuskallosotomie (z. B. bei therapierefraktären Sturzanfällen) und eine multiple subpiale Transsektion (wenn die Exzision eines epileptogenen Herdes zu risikoreich ist) 45) . Neue, potentiell interessante Medikamente in der Kinder epileptologie Neuere Medikamente nebst den oben besprochenen (Rufinamid, Stiripentol und Felbamat) sind Brivaracetam und Lacosamid, bei Kindern noch nicht zugelassen. Zudem stellt Perampanel als AMPA-Rezeptorblocker ein interessantes Produkt dar, welches nur einmal täglich verabreicht werden muss. Retigabine kann eventuell bei Kaliumkanalerkrankungen von Interesse sein (autoimmune Enzephalitiden) und Bumetamide, ein Schleifendiuretikum mit antiepileptischer Wirkung auf exzitatorische GABA-Rezeptoren, eine Erweiterung der antiepileptischen Therapie im Neugeborenenalter. Zusammenfassung In der antiepileptischen Therapie im Kindesalter müssen pharmakodynamische und -kinetische Eigenheiten beachtet werden, die sich von der Behandlung Erwachsener unterscheiden. Negative Auswirkungen von Anfällen oder einer starken Entladungsaktivität auf die Entwicklung und die Kognition des Kindes müssen immer mit potentiell schädlichen Nebenwirkungen von Antiepileptika abgewogen werden. Prinzipiell sollte natürlich wie beim Erwachsenen auch beim Kind eine Monotherapie angestrebt werden; bei Epilepsiesyndromen haben sich aber oft Kombinationen an Medikamenten als erfolgreich erwiesen. Die ketogene Diät und der VNS stellen vielschichtig wirksame Alternativen zur medikamentösen Therapie dar. Es ist von grosser Bedeutung, epilepsiechirurgische Optionen bei therapierefraktärer Situation früh in Betracht zu ziehen. 21 Danksagung Ich möchte mich für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die wertvollen Änderungsvorschläge bei Dr. Christian Korff, Leiter der Abteilung Neuropädiatrie im Kinderspital Genf, bedanken. Referenzen 1) Siemes H, Überblick über Wirksamkeit, Interaktionen und Nebenwirkungen der Antiepileptika, aus Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen, Huber Verlag, 2009. 2) Temkin NR., Antiepileptogenesis and seizure prevention trials with antiepileptic drugs: meta- analysis of controlled trials. Epilepsia. 2001; 42 (4): 515–24. 3) Willmore LJ, Antiepileptic drugs and neuroprotection: current status and future roles. Epilepsy Behav. 2005; 7 Suppl 3: S25–8. 4) Kwan P, Brodie MJ. Early identification of refractory epilepsy, N Engl J Med. 2000; 342 (5): 314–9. 5) Camfield PR, Camfield CS, Gordon K, et al. 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Leiter Schlaflabor Spezialsprechstunde für Epilepsie Universitätskinderspital beider Basel (UKBB) Spitalstrasse 33 CH-4031 Basel [email protected] Der Autor hat keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. 22 Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 Die Belastung durch Phthalate in der Neonatologie Céline Fischer Fumeaux, Myriam Bickle Graz, Vincent Muehlethaler, David Palmero, Corinne Stadelmann, Farhat M’Madi, Jean-François Tolsa1) Übersetzung: Antje Horsch und Matthias Roth, Lausanne Zusammenfassung Obwohl Kunststoffe allgegenwärtig sind in unserem täglichen Leben, sind die Auswirkungen auf die Gesundheit bestimmter Weichmacher, wie Phthalate, Gegenstand wachsender Besorgnis. Die Patienten in den neonatologischen Abteilungen scheinen sowohl sehr exponiert als auch vulnerabel zu sein gegenüber Diethylhexyl-Phthalat (DEHP), das in verschiedensten medizinisch en Geräten und Hilfsmitteln vorkommt. Obwohl die Folgen einer solchen Exposition noch ungewiss sind, scheinen vorliegende Daten langfristige Nebenwirkungen, insbesondere auf die reproduktiven Funktionen zu suggerieren und erfordern deshalb ein kritisches Risikomanagement. parenteralem, transdermalem oder enteralem Weg (Abbildung 1). Die Migration wird durch hohe Temperaturen (beispielsweise in Inkubatoren), einen alkalischen pH-Wert oder lipophile Lösungen (Medikamente, NahrungsmitMedikamente, Spritzen, Infusionssysteme tel) begünstigt. DEHP findet sich in der Zusammensetzung von vielen plastifizierten Gegenständen (Tabelle 1) und kann bis zu 40–50 % des Gesamtgewichtes ausmachen1) . Die Exposition in neonatologischen Abteilungen ist oft mehrfach, wiederholt und langanhaltend und, obwohl schwer messbar, übersteigt jene in der allgemeinen Bevölkerung, und übertrifft vielleicht sogar die bei Tieren beschriebenen toxischen Dosen, vor allem bei bestimmten Verfahren wie kardiopulmonalen Bypässen oder parenteraler Ernährung mit Lipiden2) . Akustischer Schutz Venenkatheter Inkubator Handschuhte Magensonde, enterale Ernährung Occlusives Dressing Einführung Phthalate sind Derivate (Salze und Ester) der Phthalsäure. Die am weitesten verbreitete dieser Verbindungen ist Diethylhexyl-Phthalat (DEHP). Industriell hergestellt in grossen Mengen, wird es zugemischt zu diversesten Materialien wie Baustoffen, Textilien, aber auch Lebensmittelverpackungen, Kosmetika etc. Aufgrund seiner krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften wurde DEHP in Europa und den USA in Kinderspielzeugen und Produkten der Säuglingspflege verboten. Es ist jedoch immer noch zugelassen in der Herstellung von medizinischen Geräten und Hilfsmitteln, da es insbesondere deren Flexibilität und Festigkeit erhöht durch Bindung an Polyvinylchlorid (PVC). Hospitalisierte Neugeborene: Erhöhte Exposition DEHP kann leicht in die Umgebung diffundieren und so in Kontakt kommen mit dem Patienten über die Atemwege, sowie auch auf 1) Service de néonatologie, Département médicochirurgical de Pédiatrie, CHUV, Lausanne Zentralvenenkatheter, parenterale Ernährung Abbildung 1: Monitoring Tubus, Beatmungsschläuche Die mögliche Exposition gegenüber DEHP Quellen in der Neonatologie (nach15), 16)) Beatmung Endotracheal-Tuben Masken/Kanülen für CPAP oder Sauerstoffapplikation Schläuche für CPAP- und Beatmungsgeräte, Sauerstoffgabe, Befeuchtung Absaugsonden Masken und Reservoir des Beatmungsbeutels Intravenös Katheter für peripheren iv-Zugang, zentrale Venenkatheter und Nabelkatheter Perfusionsschläche Verpackungen für Blutderivate parenterale Ernährung Medikamente, Infusionen (insbesondere lipophile) Enteral Magensonden, Ernährungssonden Schläuche für enterale Ernährung Absaug-und Sammelsysteme von Muttermilch Urinkatheter Thoraxdrainage, andere Drainagen Andere Katheter Kontakt Plastiksäcke Okklusivverbände Handschuhe Kabel für Monitoring Patienten-Identifikationsarmbänder Tabelle 1: Medizinische Geräte für die Neonatologie, die DEHP enthalten können gemäss Ref.15), 16) 23 Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 Hospitalisierte Neugeborene: Erhöhte Anfälligkeit Zusammen mit den Schwangeren und den Föten sind Neugeborene und Säuglinge besonders gefährdet, vor allem aus den folgenden Gründen: •Die Strukturen für den Stoffwechsel und die Beseitigung von DEHP und dessen aktiven Metaboliten erreichen erst im Alter von 3 Monaten volle Reife. •Die exponierten Organe befinden sich in Wachstum und Reifung. •Das geringe Gewicht erhöht das Verhältnis der Dosis zum Körpergewicht. •Das junge Alter erhöht die Latenzzeit für die Entfaltung der Symptome und das Risiko von Wechselwirkungen mit anderen Substanzen. Hospitalisierte Neugeborene: Erhöhte Gefährdung? Während das Risiko einer akuten Toxizität gering erscheint, sind es die längerfristigen Gefahren, die zu befürchten sind. DEHP passiert die Plazentaschranke. Tierstudien haben gezeigt, dass eine in utero Exposition von DEHP in hohen Dosen mit einer erhöhten Sterblichkeit und einem erhöhten Risiko für Geburtsfehler und Schäden des reproduktiven Systems (Kryptorchismus, Hypospadie, Hodenkrebs, Dysgenesie) des Föten assoziiert ist3) . Beim Menschen wurde in einigen Fällen eine negative Verknüpfung zwischen der mütterlichen Exposition und der Dauer der Schwangerschaft oder des Geburtsgewichts beobachtet4). Nach hoher mütterlicher Exposition während der Schwangerschaft wurde eine Verringerung des anogenitalen Indexes bei neugeborenen Knaben festgestellt, was auf eine anti-androgene Wirkung hinweisen könnte5) . Zudem sind kürzlich Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit einer DEHP-Exposition beschrieben worden6) . Die Folgen einer postnatalen Exposition sind bisher noch wenig untersucht. Es besteht grosse Sorge hinsichtlich der langfristigen reproduktiven Funktionen, vor allem - aber nicht nur – bei Knaben7) . Ausserdem wurden neurologische Störungen beschrieben bei frühgeborenen Ratten, deren Diät mit Phthalaten angereichert wurde8) . Pro-inflammatorische Effekte, erhöhtes Risiko für bronchopulmonale Dysplasie oder nekrotisierende Enterokolitis, Hepatotoxizität, Cholestase, Hautläsionen oder die Entwicklung der Retinopathie wurden auch schon in Zusammenhang gebracht mit einer Phthalatexposition9)–12) . Es bleibt jedoch zu beachten, dass das Niveau der Evidenz, welches weitgehend auf tierexperimentellen Studien und epidemiologischen Assoziationen beruht, niedrig ist (Tabelle 2). Risikomanagement: Eine kritische Auseinandersetzung Obwohl es wünschenswert wäre, die Exposition gegenüber DEHP in der Neonatologie zu beschränken, sind die Möglichkeiten hierfür derzeit begrenzt. Die reglementarischen Rahmenbedingungen in der Schweiz und in Europa erfordern die Identifizierung von Geräten und Utensilien, die DEHP enthalten, durch ein spezifisches Symbol, während jedoch die Angabe der Abwesenheit von DEHP freiwillig ist (Abbildung 2). Im Bestreben, Geräte und medizinische Hilfsmittel, die DEHP enthalten, in der Neonatologie am CHUV zu identifizieren, fanden wir in 27 der 278 (10 %) untersuchten Gegenstände die Angabe der Anwesenheit von DEHP, markiert mittels solcher Symbole Foetus Daten aus Tierversuchen Daten aus Studien am Menschen Fortpflanzungssystem Hodendysgenesie, Hypospadie, Verminderung der Fertilität (bei beiden Geschlechtern) Abnahme des urogenitalen Indexes Schwangerschaft Fetaltod Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht (widersprüchliche Ergebnisse) Teratogenität Verschiedene angeborene Anomalien Karzinogenität Nieren-und Leberperoxisomenproliferation (Nagetiere) Verhaltensauffälligkeiten neurologische Entwicklung Neugeborenes Fortpflanzungssystem Männlich: vermindertes Hodengewicht, tubuläre Atrophie Weiblich: polyzystische Ovarien, anovulatorische Zyklen Karzinogenität Leberzellkarzinom, Nierentumore (je nach Tierart) neurologische Entwicklung Veränderungen der Gehirnentwicklung (Ratten) Entzündungsreaktion Inaktivierung des «peroxisome proliferator-activated receptor-γ» (PPAR-γ), proinflammatorische Effekte In vitro: Fehlregulierte Reaktionen auf verschiedene Stressoren (insbesondere oxidativ)) Diskutiert als ätiologischer Faktor der bronchopulmonalen Dysplasie und der nekrotisierenden Enterokolitis Andere Verminderte Leber-und Nierenfunktion Hämatologische Störungen (Thrombozytenfunktion, Hämolyse) Metabolische Störungen (Reduktion von Vitamin E, Zink, Glucosetoleranz) Pulmonale Effekte (bronchiale Hyperreaktivität, Lungenödem) Störung der Netzhautgefässe Leberfunktion (Cholestase, Hepatomegalie) Dermatitis Tabelle 2: unbewiesen Potenzielle Risiken, die in der Literatur mit Phthalaten in Verbindung gebracht wurden (siehe Ref15), 16)) 24 Fortbildung Vol. 25 Nr. 1 2014 Abbildung 2: Piktogramme, die die Anwesenheit (oben) oder Abwesenheit (unten) von DEHP auf der Verpackung von Medizinprodukten signalisieren (nach15), 16)) (Abbildung 2). Davon waren 25 Artikel (93 %) Bestandteile mechanischer Beatmungsgeräte. Im Gegensatz dazu wurden 25 der untersuchten 278 (9 %) Produkte gefunden, die als DHEP-frei deklariert waren, wovon 15 (60 %) zur enteralen Ernährung benutzt werden. 226 (81 %) Artikel wiesen keine Informationen über den Gehalt von DEHP auf. Zusätzliche Informationen zu diesen Produkten wurden von den betroffenen Herstellern angefordert. Obwohl die Verwendung von Geräten ohne DEHP wünschenswert wäre, ist dieses Bestreben limitiert durch fehlende Verfügbarkeit oder Fragen der Sicherheit, denn einige dieser Produkte mit DEHP sind erforderlich in lebenserhaltenen Prozeduren und ein bewiesenermassen gleichwertiger Ersatz ohne DEHP steht nicht in allen Fällen zur Verfügung13), 14) . Schlussfolgerung Trotz des limitierten Standes des aktuellen Wissens rufen die vorliegenden Assoziationen zwischen Phthalatbelastung und Gesundheitsrisiken, vor allem der Fruchtbarkeit, zur Vorsicht auf. Fortschritte sind notwendig, um die Sicherheit der zur Verfügung stehenden Materialien zu verbessern, um die Kenntnisse möglicher Auswirkungen auf die Gesundheit zu erhöhen, und um eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erreichen. Ein solcher Ansatz ist multidisziplinär und sollte eine hohe Priorität haben in der Neonatologie. Referenzen 1) Shea KM. Pediatric Exposure and Potential Toxicity of Phthalate Plasticizers. Pediatrics 2003; 111 (6): 1467–1474. 2) Green R, Hauser R, Calafat AM, Weuve J, Schettler T, Ringer S, et al. Use of di(2-ethylhexyl) phthalatecontaining medical products and urinary levels of mono(2-ethylhexyl) phthalate in neonatal intensive care unit infants. Environ Health Perspect 2005; 113 (9): 1222–5. 3) Martino-Andrade AJ, Chahoud I. Reproductive toxicity of phthalate esters. Molecular Nutrition & Food Research 2010; 54 (1): 148–157. 4) Philippat C, Mortamais M, Chevrier C, et al. 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Um die Forschung bei Kindern zu verbessern, haben sich die acht Schweizer A-Kinderspitäler zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Der erste Präsident des «SwissPedNet» ist David Nadal, Professor am Universitäts-Kinderspital, Zürich. Die klinische Forschung in der Pädiatrie wird gegenüber jener in der Erwachsenenmedizin generell finanziell vernachlässigt und ist aus verschiedenen Gründen im Nachteil: Die Anzahl Patienten ist kleiner, die Krankheiten manifestieren sich je nach Alter des Patienten unterschiedlich und es gibt zahlreiche sehr seltene angeborene Erkrankungen. Zusätzlich existieren besondere ethische, gesetzliche, psychologische, soziale und organisatorische Schwierigkeiten bei der Planung und Durchführung von Studien. Aus diesem Grund sind die Datengrundlagen insbesondere für die Pharmakotherapie im Kindesalter sehr mangelhaft; zahlreiche Medikamente werden in Praxis und Klinik routinemässig in bis zu 80 % «off label» oder «off licence» verwendet. Zur Verbesserung dieser Situation haben sich die fünf Universitäts-Kinderspitäler in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich sowie die drei anderen Klasse-A Kinderspitäler in Aarau, Luzern und St. Gallen zu einem Forschungsnetzwerk, dem SwissPedNet zusammen geschlossen. Das Netzwerk soll die im Vergleich zur Erwachsenenmedizin bisher ungenügend ausgebaute klinische Forschung in der Pädiatrie unterstützen. Zur Durchführung von multizentrischen Studien werden in den Kinderspitälern sogenannte Plattformen oder Clinical Pediatric Hubs aufgebaut. Diese sind an die bereits existierenden klinischen Studienzentren in den Universitätsspitälern und dem Kantonsspital St. Gallen angegliedert. Die klinischen Studienzentren sind eine Anlaufstelle für Forschende und helfen bei der Planung, Durchführung und Auswertung von Studien nach verbindlichen nationalen und internationalen Richtlinien. Die Pediatric Hubs werden darüber hinaus die Pädiatriespezifischen Aspekte der Studien abdecken. Die Clinical Pediatric Hubs in der Schweiz werden nach einem gemeinsamen Qualitätsmanagement-System arbeiten, die Pädiatriespezifischen Standard Operating Procedure (SOPs) richten sich nach den Standards von StaR Child Health, eine international tätige Organisation, die Standards und Richtlinien für die Forschung mit Kindern entwickelt. Mitglieder des SwissPedNet sind die acht AKinderspitäler, die jeweils mindestens eine Person als Vertretung delegieren. Der SwissPedNet-Vorstand setzt sich zusammen aus dem Präsidenten David Nadal vom Kinderspital Zürich, dem Vize-Präsidenten Urs Frey vom Kinderspital beider Basel, sowie den Beisitzern Christa Flück, Kinderspital Bern, Johannes Rischewski, Kinderspital Luzern und Andrea Superti-Furga, Kinderspital Lausanne. Namen und Adressen aller Kontaktpersonen sind auf der Website ersichtlich http://www. swisspednet.ch/about-us/. Die Finanzierung des SwissPedNet ist noch nicht vollständig gesichert. Im Hinblick auf die BFI-Botschaft1) 2017–2020 erneuert das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) die Schweizer Roadmap für Forschungsinfrastrukturen. Zusammen mit dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ist zurzeit eine Ausschreibung offen, um neue Forschungsinfrastrukturen von nationaler Bedeutung anmelden zu können. SwissPedNet folgt dieser Ausschreibung und meldet die acht Clinical Pediatric Hubs an. Bis im April 2015 wird bekannt sein, ob die klinische Pädiatrie ab 2017 Teil der vom Bund unterstützen Schweizer Forschungsinfrastrukturen sein wird. Bis dahin werden jedoch bereits klinische Studien durchgeführt und wo immer möglich auch multizentrische Zusammenarbeit vorangetrieben. Der SNF unterstützt das SwissPed1) Botschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2017–2020. 26 Net bereits mit der Finanzierung der Stelle einer nationalen Koordinatorin, welche bei der Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO) angesiedelt wurde; und die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften stellt einen namhaften finanziellen Beitrag fürs 2014 zur Verfügung. Die Koordinationsstelle bei der SCTO ist Anlaufstelle für alle interessierten Stakeholder, so auch für die pharmazeutische Industrie und ausländische Studiengruppen, die Studienzentren und Patienten suchen. Die Koordinatorin fungiert dann als Vermittlerin zwischen den interessierten Parteien und den einzelnen beteiligten Kinderspitälern. Anschluss an Europa erreicht SwissPedNet als Mitglied bei Enpr-EMA, dem Europäischen Netzwerk für pädiatrische Forschung bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA. EnprEMA wurde gegründet, um dem steigenden Bedarf an pädiatrischen Studien nach in Kraft treten der Europäischen Gesetzgebung für Forschung mit Kindern (European Paediatric Regulation) im 2007 gerecht zu werden. Die oben erwähnte Zusammenarbeit mit StaR Child Health garantiert SwissPedNet internationalen und interkontinentalen Anschluss. SwissPedNet ist immer noch im Aufbau, die Initiatoren vom SwissPedNet haben jedoch die Weichen für die Zukunft gestellt und die Basis-Strukturen für eine multizentrische Zusammenarbeit zur Beantwortung wichtiger klinischer Fragen geschaffen. Korrespondenzadressen Prof. David Nadal Tel. 044 266 72 50 [email protected] SwissPedNet c/o Swiss Clinical Trial Organisation Petersplatz 13 4051 Basel [email protected] www.swisspednet.ch Freie Auswahl: Orange oder Grapefruit, beide zuckerfrei. rt Ho ch d osie ute ✓ Seh r g Resorption ✓ G ut im c k Gesch ma ✓ 1006948 Gekürzte Fachinformation Magnesiocard® (Magnesiumpräparat). Indikationen: Magnesiummangel, Herzrhythmusstörungen, erhöhter Bedarf im Hochleistungssport und während Schwangerschaft, bei Eklampsie und Präeklampsie, tetanischem Syndrom und Wadenkrämpfen. Dosierung: 10-20 mmol täglich, entsprechend der Darreichungsform (Granulat, Brausetabletten, Tabletten) aufgeteilt in 1-3 orale Einzeldosen. Anwendungseinschränkungen: Eingeschränkte Nierenfunktion. Die gleichzeitige Verabreichung mit Tetrazyklinen ist zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen: Als Folge hochdosierter oraler Magnesiumtherapie können weiche Stühle auftreten. Packungen: Tabletten (2.5 mmol) 50, 100; Granulat (5 mmol) Citron und Granulat (5 mmol) Orange 20*, 50, 500; Brausetabletten (7.5 mmol) 20*, 60; Granulat (10 mmol) Grapefruit und Granulat (10 mmol) Orange 20*, 50*, Ampullen i.v. (10 ml) 10; Verkaufskategorie B. Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch oder www.compendium.ch. © 2013 Biomed AG. All rights reserved. 1 Classen, H.G. et al. Vergleichende tierexperimentelle Untersuchungen über die Resorption von Magnesium als Sulfat, Chlorid, Aspartat und Aspartat-Hydrochlorid aus dem Magen-Darm-Trakt. Arzneim.-Forsch., 23, 267-271, 1973. *kassenpflichtig ergoasw.ch 1 Hinweise Vol. 25 Nr. 1 2014 Situation, Erwartungen und Bedürfnisse von Eltern eines Kindes mit einer seltenen, angeborenen Krankheit Braucht es eine neue Art der Begleitung? Christine de Kalbermatten, Sitten Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Vorwort Die hier zusammengefasste Diplomarbeit (Be treuung von Personen mit einer angeborenen Krankheit und deren Familien, Ausbildung in Psychologie und Psychopathologie der Universität Pierre et Marie Curie, medizinische Fakultät Pitié-Salpêtrière, Paris, auf Anregung von Serge Lebovici) ist das Ergebnis einer 2013 durchgeführten Umfrage bei durch eine seltene Krankheit (SK) betroffenen Familien. Persönliche Situation Die Geburt 1999 eines Kindes mit einer sehr seltenen chromosomalen Fehlbildung, der Tetrasomie X (Syndrom 48, XXXX) konfrontierte uns während diesen 14 Jahren mit einer Reihe von Schwierigkeiten, die für SK charakteristisch sind1): •Diagnostische Irrwege •Unklare Informationen über die Diagnose •Schwierigkeiten, bei der Ärzteschaft Gehör zu finden •Allgemein ungenügende Information •Fehlende Forschung und Behandlungsmöglichkeiten •Administrative und juristische Unsicherheit •Psychosoziale Isolierung Erst mehrere Jahre nach Diagnosestellung erlaubten mir informelle Kontakte zu anderen betroffenen Eltern festzustellen, dass wir nicht die einzigen sind, die in der Schweiz oder im Ausland auf solche Schwierigkeiten stossen. Allgemeine Situation Verschiedene europäische Studien2)–5) haben die Situation von Personen mit einer SK untersucht. Die Ergebnisse weisen eindeutige Ähnlichkeiten auf, insbesondere in Bezug auf die von den Patienten erwähnten Bedürfnisse. Die Schweiz ihrerseits wartet immer noch auf den ersten nationalen Plan für seltene Krankheiten, der 2014 vorgelegt werden sollte. Es gibt kaum Daten zur medizinischen und psychosozialen Betreuung der Patienten mit einer SK. In der welschen Schweiz wurde in nicht spezifisch auf SK ausgerichteten Arbeiten untersucht, welche Hilfen für Familien verfügbar sind6) , und seit 2011 publizierte ProRaris eine Serie Artikel zu diesem Thema. Diplomarbeit Zweck meiner Diplomarbeit war es, die Situation von rund zehn Familien zu beschreiben, in denen ein Kind mit einer erwiesenen oder vermuteten angeborenen SK lebt. Spezifisches Ziel war es, eine Bestandsaufnahme im weitesten Sinn zu machen (medizinisch, pflege- risch, psychologisch, administrativ/juristisch, sozial), um dann die Bedürfnisse und Erwartungen der betroffenen Familien zu definieren. Ergebnisse Sie resultieren aus den Interviews mit 9 Müttern und 2 Vätern, deren Kinder (8 Knaben und 3 Mädchen) 3.5 bis 12 Jahre alt waren. Das Ergebnis zeigt flagrante Ähnlichkeiten mit einer Grosszahl der in den erwähnten Studien festgehaltenen Punkte. Positive Punkte Ärztliche Betreuung Die Eltern sind über die Koordination der ärztlichen Betreuung eher zufrieden, wenngleich sie das Fehlen einer Gesamtsicht bedauern. Die Mitteilung der Diagnose fand für 6/11 Familien unter guten Bedingungen statt. Der mitteilende Arzt nahm sich genügend Zeit; die Eltern heben die Zeit, die er ihnen widmete, die menschlichen Qualitäten und das verständige Mitgefühl hervor. Sie schätzen es, dass ihnen ein Hoffnungsschimmer gelassen und das Potential des Kindes hervorgehoben wurde. Es bedeutete für sie die Möglichkeit, das Leben neu zu erlernen und einen neuen Lebensplan zu erarbeiten. Trotzdem werden Worte wie «Ihr Kind wird niemals gehen lernen» immer noch ausge- Durch genetischen Test bestätigte Diagnose 8 Fälle Noonan Syndrom Deletion 9p (2 Fälle) Deletion 22q13 Cornelia de Lange Syndrom (SCDL) Osteogenesis imperfecta (Typ III) Trilaterales Retinoblastom Deletion 7 Duplikation 20 Auf Grund des klinischen Bildes vermutete Diagnose 2 Fälle Sotos Syndrom Doose Syndrom Unbekannte Diagnose 1 Fall In Erwartung der Befunde Diagnosen Motorische Symptome 11/11 Sprachstörungen 10/11 Entwicklungsverzögerung 9/11 Sehstörung 8/11 Verhaltensstörungen 8/11 Verschiedene funktionelle Störungen 8/11 Hörstörung 3/11 Wachstumsstörung 3/11 Probleme, die eine (para)medizinische Betreuung erforderlich machen oder machten 28 Hinweise Vol. 25 Nr. 1 2014 sprochen, obwohl jegliche Voraussage für die Zukunft des Kindes nachteilige Auswirkungen haben kann. Der Genetiker Arnold Munnich sagte richtigerweise: «Man wird uns allenfalls diagnostische Fehler vergeben, niemals jedoch falsche Prognosen.» (1999) Die Familien waren wohl zufrieden mit den bei Mitteilung der Diagnose erhaltenen medizinischen Informationen, doch dauerte für drei unter ihnen die diagnostische Irrfahrt bis zum Alter von 3–4 Jahren; diese Phase der Ungewissheit war für die Eltern aufreibend, hin und her geworfen zwischen Banalisierung der beschriebenen Symptome durch die Ärzte, langen Perioden diagnostischer Abklärungen, spät erfolgter genetischer Beratung und Warten auf die Resultate. Eine Familie hat immer noch keine Diagnose und die Mutter wurde verdächtigt, an psychischen Störungen zu leiden. Eine weitere Familie bekam eine falsche Diagnose. Die Pädagogie der Ungewissheit (Zugeben können, dass man nicht weiss) erleichtert eine frühzeitige Diagnose. Die Praktiker müssen den SK-Reflex entwickeln und Patienten früh an Spezialisten oder an den Genetiker weisen. Eine Mehrzahl Eltern scheinen die Mitteilung, dass ihr Kind an einem geistigen Entwicklungsrückstand leidet, mit mehr Fassung getragen zu haben als die Mitteilung der spezifischen Diagnose, da dies zu konkreten Massnahmen führte, zu medizinischer und pädagogischer Betreuung im Sinne eines therapeutischen Planes. «Angesichts fehlender Behandlungsmöglichkeiten übernimmt diese Betreuung sehr wohl die Rolle eines therapeutischen Plans.» (A. Munnich, 1999) Psychosozialer Bereich: Heilpädagogische Früherziehung Im Vorschulalter spielten heilpädagogische Früherzieherinnen die Beratungs- und Betreuungsrolle. Sie vermittelten Informationen, psychologische Unterstützung und Hilfe in administrativen Angelegenheiten; wenn nötig, wiesen sie die Familien an die entsprechenden Anlaufstellen weiter. Der Schuleintritt bedeutet das Ende ihres Einsatzes und eine grosse Leere für die Eltern, die eine gleichwertige Weiterbetreuung wünschten. Insieme Waadt hat Verhandlungen mit den betroffenen kantonalen Stellen eingeleitet, um diesem Bedürfnis entgegenzukommen und ein Pilotprojekt zu starten. Psychosozialer Bereich: Patientenorganisationen Patientenorganisationen spielen für SK eine ganz spezifische und wesentliche Rolle. Ihr Beitrag bringt Hilfe bei der Diagnosestellung, Informationen und erlaubt, Erfahrungen auszutauschen. Ihre Bedeutung zeigt sich in der Tatsache, dass 7 Familien einer oder mehreren Vereinigungen angehören. «Diese Zusammenkünfte, bei denen die Ausnahme zur Regel wird, sind genial.» (Herr A.) Negative Punkte Gesamtkoordination Die Gesamtkoordination ist eindeutig ungenügend, mussten doch 8/11 Familien die Betreuung ihres behinderten Kindes selbst organi- IV Invalidenversicherung Medizinische (Eingliederungs-) Massnahmen Hilflosenentschädigung für Minderjährige Intensivpflegezuschlag Assistenzbeitrag IV-Hilfsmittel AHV Alters- und Hinterlassenenversicherung Zusatzleistungen Krankenkassen Obligatorische Krankenversicherung Zusatzversicherungen Medizinische Massnahmen Insbesondere vorgeburtliche Versicherungen Pflegeheime Rotes Kreuz Kinder- und Jugendheime Beratung, Pflegehilfen verschiedener Art Orphanet Virtuelles Portal Information zu seltenen Krankheiten, Orphan Drugs und Experten Verschiedene Organisationen Insieme ProCap Cerebral Pro Infirmis (VS: Emera/BL: Mosaik) Integration Handicap Verschiedene Leistungen: Freizeit, Beratung, juristischer Beistand, Entlastungsdienst Jugend- und Familienberatung Familien-, Erziehungs-, Jugendberatungsstellen Spezialisierte Erziehungsberatung SBB Verschiedene öffentliche Transporte Ausweis für behinderte Reisende: Kostenloses Mitfahren für die Begleitperson Zahlreiche sozial ausgerichtete Stiftungen Sollten obige Angaben unzureichend sein … Wunderlampe, Sternschnuppe, usw. Stiftungen, die Träume von behinderten Kindern und Jugendlichen verwirklichen ProRaris Allianz Seltener Krankheiten Schweiz Sammelt und verbreitet Informationen Sprachrohr betroffener Eltern Erleichtert den Zugang zu Behandlung und Vergütung Zusammenfassung der verfügbaren Massnahmen, Hilfelesistungen und Strukturen (nicht erschöpfend und kantonal unterschiedlich) 29 Hinweise sieren, was zu fehlender Übersicht und ungenügender Kommunikation unter den betreuenden Fachleuten führt. Eine Erklärung findet sich in der Struktur der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV), die seltene Syndrome in ihre verschiedenen Symptome aufsplittert, was eine globale Betrachtung verhindert. Die der GgV beigefügte Liste der Geburtsgebrechen ist im Übrigen obsolet; die letzte wesentliche Revision stammt aus dem Jahr 1985 und die Eidgenössische Finanzkontrolle äusserte diese Meinung in einem 2013 publizierten Rapport. Das Konzept einer Positivliste an sich ist absurd, werden doch weltweit jede Woche fünf neue seltene Krankheiten entdeckt … Information Den Eltern wurden ausser den medizinischen Daten nur wenige Informationen mitgeteilt, insbesondere in psychologischen, administrativ/juristischen, praktischen und sozialen Belangen; diese haben jedoch für die tägliche Lebensqualität viel mehr Bedeutung als die medizinischen Informationen. Die Eltern verfügen damit über nur sehr unvollständige Kenntnisse der Leistungen, auf die sie Anrecht haben, über ihre Rechte und die Arbeitsweise der Verwaltungen (9/11). Leistungen Eltern kennen im Allgemeinen die IV-Leistungen wie die Hilflosenentschädigung (10/11) oder den Intensivpflegezuschlag (8/11). Die Kenntnis dieser Leistungen garantiert aber noch nicht, dass sie diese auch erhalten. Es fällt vielen Eltern schwer, ein Gesuch einzureichen, wegen der Vorstellung, die sie sich davon machen – sie haben das Gefühl zu betteln – oder die gewisse Ärzte sich davon machen, die soweit gehen, davon abzuraten. Das Erhalten insbesondere des Intensivpflegezuschlages ist heikel und scheint vom zuständigen IV-Beamten abzuhängen. Der kürzlich eingeführte Assistenzbeitrag der IV ist wenig bekannt, ebenso wie die Fahrvergünstigung für Reisende mit Handicap der SBB. Konkrete praktische Hilfe ist gefragt und erweist sich als notwendig; es wird selten danach gefragt und noch seltener wird sie organisiert, da die Eltern bei den betroffenen Ämtern oft auf Ablehnung stossen. Nicht selten warten Eltern bis sie erschöpft sind, um Hilfe zu erbitten; da die Bearbeitungszeit der Dossiers sehr lang und die benötigten Hilfspersonen nicht immer verfügbar sind, fallen selbst positive Entscheide oft zu spät. Vol. 25 Nr. 1 2014 Verwaltung Der Kontakt zu Verwaltungen, welche über die Zusprechung von Leistungen entscheiden, ist oft schwierig: Sie kennen die SK nicht und ihre Arbeitsweise entspricht den zeitlichen Bedürfnissen der Familien nicht. Die Eltern kennen ihre Rechte nicht. Zwei Drittel der Familien würden Hilfe in diesem Bereich benötigen, insbesondere bei Inanspruchnahme der IV, gegenüber der es immer schwieriger wird, seine Rechte durchzusetzen. Die IV würde immer restriktiver und verzögere die Bearbeitung der Anfragen. Die Familien zögern, ein Verfahren einzuleiten, und wenn sie es tun, wird dies oft zu einem Hindernislauf. Rekurse gegen IV-Entscheidungen sind inzwischen gebührenpflichtig und oft muss der Dienst eines Anwalts beansprucht werden; wirtschaftliche Aspekte und soziokulturelles Niveau der Eltern spielen dabei oft eine entscheidende Rolle. Sozioökonomische Auswirkungen Die Auswirkungen der SK auf die berufliche Tätigkeit der Eltern sind bedeutsam: 10 Mütter und 2 Väter mussten ihre Arbeitszeit verringern (4 Mütter mussten ihren Beruf gänzlich aufgeben); 2 Väter flüchteten in die Arbeit, um der Realität des Alltagslebens zu entkommen. 8/11 Familien müssen gewisse Leistungen selbst finanzieren. Gesamthaft erklären 9/11 Familien, dass sie mittelschwere bis schwere Rückwirkungen auf das Familienbudget verspüren. Zeitliche Auswirkungen Der tägliche Umgang mit der Krankheit ist zeitaufwändig. Alle Kinder benötigen multiple ärztliche Betreuung: Die Kinder sehen 2 bis 7 Spezialisten 8 bis 20-mal im Jahr, in ¾ der Fälle nicht am Wohnort, oft ausserhalb des Kantons. Die paramedizinischen Behandlungen (1 bis 7 wöchentliche 45-minütige Sitzungen) beanspruchen im Mittel 50 Minuten Reisezeit. Über die Hälfte der Familien widmet im Durchschnitt täglich 4 Stunden für Pflege, Therapie, Hygiene und andere Hilfeleistungen für ihr behindertes Kind. Psychologische Unterstützung Nur selten wurde den Familien eine psychologische Unterstützung angeboten. Die Eltern schlagen sich so gut wie möglich durch, unter Inanspruchnahme ihres eigenen sozialen Beziehungsnetzes. Alle wünschen diesbezüglich eine dauerhafte Unterstützung, und nicht nur in kritischen Situationen (wie z. B. beim Mitteilen der Diagnose oder bei Schuleintritt). 30 Alle Fachleute sollten sich daran beteiligen. Die Eltern wünschen die Möglichkeit, sich aussprechen und mit anderen Eltern Erfahrungen austauschen zu können, sowie über Strukturen zu verfügen, die ein Ausschnaufen erlauben. Solche Strukturen sind zurzeit ungenügend vorhanden und oft den spezifischen Bedürfnissen der SK nicht angepasst. Psychosoziale Aspekte: Sozialleben Die Auswirkungen auf das Sozialleben sind für über die Hälfte der Eltern besonders schlimm. Zu den beruflichen Implikationen kommen psychische und physische Erschöpfung. Die Eltern ziehen sich zurück und einige verzichten aufs Ausgehen, sei es alleine, als Paar oder mit der Familie. Diese Auswirkungen auf das Sozialleben machen sich auch für die Kinder bemerkbar; Einladungen zu Geburtstagsfeiern sind ein gutes Barometer. Zeichen von Diskriminierung oder Ablehnung (7/11) in der Schule, privat oder am Arbeitsplatz verstärkten zusätzlich das Gefühl sozialer Isolierung bei zwei Drittel der Familien. «Wir haben unternommen, was wir konnten, um uns das Leben zu vereinfachen, aber das Sozialleben ist zu kompliziert.» (Frau I.) Psychosoziale Aspekte: Schulleben Ohne Unterstützung durch die heilpädago gischen Früherzieherinnen müssen die Eltern bei der Einschulung die Koordination der Betreuung ihres Kindes selbst in die Hand nehmen. Mehr als die Hälfte der Familien erleben Konflikte mit dem Lehrkörper, bedingt durch Furcht, Unkenntnis der Problematik der SK, fehlende Kommunikation und fehlender Ausoder Fortbildung. In diesem Rahmen ist es umso wichtiger, dass die Eltern über eine Bezugsperson verfügen, die in der Lage ist, die Verbindung zu den Lehrern herzustellen, z. B. bei Stufen- oder Schulhauswechsel. Bedürfnisse und Erwartungen: Ein neuer Beruf ist gefragt Die Eltern von Kindern mit SK wünschen dringend eine Verbesserung der jetzigen Situation. Sie brauchen eine effiziente Koordination unter den verschiedenen Fachstellen. Sie verlangen nach Information betreffend verfügbaren Dienst- und Hilfeleistungen sowie über ihre Rechte. Sie wünschen psychologische Unterstützung und Beratung im administrativjuristischen Bereich. Diese Hilfe sollte bestehen aus Ansprechpartnern und der Schaffung von Strukturen, die ihnen Atempausen erlauben, sowie eines Koordinators, der die Familie begleitet. Hinweise Vol. 25 Nr. 1 2014 Alle Eltern sprechen sich zugunsten eines neuen Berufes aus, mit spezifischer Ausbildung in der Betreuung von Patienten mit einer SK, unabhängig von deren Alter. Ohne für die verschiedenen Fachleute eine Konkurrenz darzustellen, würde er die Zusammenarbeit des interdisziplinären Teams erleichtern und im Schulalter die heilpädagogischen Früherzieherinnen ablösen. Seine Aufgabe bestünde in Sensibilisierung, Information und Ausbildung der beteiligten Akteure. Die Frage ist, wie man diesen neuen Beruf nennen und wie sein Rahmen und Wirkungsbereich aussehen soll. Schlussfolgerung Die Unterbreitung des ersten nationalen Aktionsplanes für Menschen mit seltenen Krankheiten sollte 2014 in der Schweiz einen Meilenstein im Leben der Betroffenen darstellen. Diese nationale Strategie sollte den Anliegen der Eltern entgegenkommen. Es ist deshalb wesentlich, dass der Begriff der Koordination, wie er in einigen europäischen Nachbarländern bereits existiert oder geplant ist, berücksichtigt wird. Das Inkrafttreten dieses nationalen Aktionsplanes in der ganzen Schweiz wird einige Zeit brauchen. Prioritär ist für mich die Einleitung eines Pilotprojektes für Begleitmassnahmen, unter Einbringung meiner persönlichen Erfahrungen. Dieses Projekt wird vor allem das Peer-counseling bevorzugen, dank der Kompetenzen der Patienten und ihrer Familien, die auch gute Ausbildner werden könnten. Die Zusammenkünfte zwischen Eltern von Kindern mit einer SK, die Ende 2013 begonnen haben, sollen sich weiter entwickeln. Auf dem Programm stehen ebenfalls die Fortsetzung der Verhandlungen mit den verschiedenen Partnern sowie das Verteilen und Vorstellen dieser Diplomarbeit bei den betroffenen Institutionen. Zielvorstellung: Begleitmassnahmen für die Patienten mit seltenen Krankheiten und ihren Familien. Referenzen 1) Kole A, Faurisson F. The Voice of 12’000 Patients: Experiences and Expectations of Rare Disease Patients on Diagnosis and Care in Europe (2009). 2) Beuscart J-S. étude sur les besoins et les attentes en matière d’accompagnement des personnes atteintes de maladies rares, Contribution au débat public du 17 janvier 2006. Paris, AFM (2006). 3) AFM, Accompagnement des personnes atteintes de maladies rares, évolutives et physiquement invalidantes – Recommandations, Paris (2006). 4) Azéma B, Martinez N. Étude sur les maladies rares: attentes et besoins des malades et des familles. Réalisée par le CREAI à la demande de l’Alliance Maladies Rares (2009). 5.) Gouvernement du Grand-Duché de Luxembourg, Les maladies rares – Enquête sur la situation des personnes atteintes de maladies rares au GrandDuché de Luxembourg (2011). 6) Piérart G et al. Les ressources de soutien aux familles de personnes en situation de handicap dans le cadre du maintien à domicile. Recherche financée par le Réseau d’Etude aux Confins de la Santé et du Social de la HES-SO (Haute École Santé Social) et l’Office des personnes handicapées du Québec (OPHQ) (2012). Korrespondenzadresse Christine de Kalbermatten Pharmacienne, diplômée en accompagnement des personnes atteintes de maladie génétique et de leur famille Ave Ritz 33 1950 Sion [email protected] Die Autorin hat keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. Die vollständige Fassung der Diplomarbeit steht auf Anfrage zur Verfügung. 31 Hinweise Vol. 25 Nr. 1 2014 Neue Medien – Herausforderung im Kinderschutz Fachtagung der Fachgruppe Kinderschutz der schweizerischen Kinderkliniken in Bern Jeanette Stalder Muff, Luzern Die Fachtagung vom 19. November 2013 wurde durch die Kinderschutzgruppe des Kinderspitals Luzern organisiert. Die Thematik der Neuen Medien stiess auf reges Interesse. Der Vormittag war den Themen Internetkriminalität und Cybermobbing gewidmet. Die Schwerpunktthemen des Nachmittags waren der pathologische Mediengebrauch und die Mediensozialisation. Insgesamt besuchten 118 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Landesteilen der Schweiz die Fachtagung in Bern. Das erste Referat mit dem Titel «Internetkriminalität – der virtuelle Tatort mit realen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche» wurde durch Martin Boess, Direktor der Schweizerischen Kriminalprävention (SKP), einer Fachkommission der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), gehalten. Martin Boess beschäftigt sich seit 2005 mit den Gefahren, denen Kinder und Jugendliche im Internet ausgesetzt sind. Dabei hat er feststellen müssen, wie rasch sich das Internet und die Netzwerkangebote verändern. Kinder und Jugendliche nutzen die Angebote der sozialen Netzwerke virtuos, sie sind Mitglieder der sogenannten «Second-Screen-Generation», also «Digital Natives». Den Kindern und Jugendlichen fehlt es an Lebenserfahrung, um die Fallen im Internet, denen sie begegnen, erkennen zu können. Die Erwachsenen, normalerweise diejenige Generation, die ihre Lebenserfahrung an die Jungen weitergibt, haben oftmals (zu) wenig Kenntnis über die Möglichkeiten und Risiken im Internet. In seinem Referat erklärt Martin Boess die Funktionsweise des Webs 2.0, der neuen Generation des Internets, das ein Mitmachen der Nutzer ermöglicht. Es wird dargestellt, wieso gerade Kinder und Jugendliche vom Web 2.0 fasziniert sind und wieso sie bei den sozialen Medien überdurchschnittlich aktiv sind. Martin Boess informiert über die verschiedenen Deliktgruppen, die auch im Web 2.0 vorkom- men und wie sie sich von jenen in der realen Welt unterscheiden. Der Fokus liegt dabei auf den Deliktarten, denen Kinder und Jugendliche häufig zum Opfer fallen (z. B. sexuelle Handlungen mit Kindern) oder die von ihnen selbst begangen werden (z. B. Mobbing). Den Vortrag runden wichtige Informationen zur Strafbarkeit von illegalen Handlungen im Internet und zur Medienkompetenz ab. Arnold Poot, Police cantonale vaudoise/ Brigade Mineurs Moeurs, referierte anschlies send zum Thema «Pornographie enfantine et abus sexuels via Internet». Herr Poot ist in Sachen strafbare Handlungen in sozialen Netzwerken polizeilicher Ermittler erster Stunde. An das Referat von Herrn Boess anknüpfend hält A. Poot einleitend fest, dass es für Jugendliche ein Leichtes ist, auf illegale Seiten im Internet zu gelangen. Die Mehrheit der männlichen Jugendlichen sucht aktiv Zugang zu pornografischem Material im Internet. Die sozialen Netzwerke, in denen sich Kinder und Jugendliche wie selbstverständlich bewegen, sind eine Realität geworden. Ein sehr hoher Prozentsatz der Jugendlichen hat ein eigenes Profil in einem sozialen Netzwerk. Durch diese Netzwerke sind Jugendliche auf verschiedenen Ebenen gefährdet, Opfer von kriminellen Handlungen zu werden, da ihnen oftmals die psycho-soziale Kompetenz fehlt, um zu beurteilen, was sie tun und welche Konsequenzen ihr Handeln hat. Pädokriminalität: Nicht alle pädophilen Menschen suchen einen realen sexuellen Kontakt zu Kindern. Wenn sie aber einen solchen suchen, suchen sie diesen auch im Internet – oft gezielt in Netzwerken und Chatforen. Pädophile fälschen ihr Profil komplett (Fake-Profil), um im Chat gezielt das Interesse von Kindern und Jugendlichen auf sich zu lenken. Herr Poot berichtet über mehrere Fälle, bei denen es zu reellen Treffen zwischen Minderjährigen 32 und Pädophilen gekommen ist. Die Bereitschaft von Teenagern, sich zum Gegenstand sexueller Forderungen unbekannter Chatpartner zu machen, darf nicht unterschätzt werden. Leider ist die Fahndung von Sexualstraftätern in den sozialen Netzwerken sehr komplex und nur bei knapp 1/3 der Fälle können strafbare Handlungen strafrechtlich relevant nachgewiesen werden. Exhibitionismus: Chatforen wie zum Beispiel «Chatroulette» bieten Exhibitionisten eine ideale Plattform, wo sie ihre Neigungen in vermeintlich anonymer Umgebung ausleben können. Sexting: Sich gegenseitig Nacktfotos, Posenfotos oder Filme als Liebesbeweis zuzusenden, wird inzwischen von vielen Jugendlichen praktiziert. Dieses Bildmaterial kann unkon trolliert weitergeleitet und dadurch kaum je wieder gelöscht werden. Es kann auch nach einem Liebes-Aus als Mobbingwaffe verwendet werden. Arnold Poot berichtete anhand von Fallbeispielen auf eindrückliche Weise von seiner Arbeit als polizeilicher Ermittler. Françoise Alsaker, Professorin am Institut für Psychologie der Universität in Bern, referiert vor der Mittagspause zum Thema «Cybermobbing – Die Spitze des Eisbergs». Die Thematik des Cybermobbings hat wegen besonders dramatischen Vorfällen in jüngster Zeit grosse Aufmerksamkeit auf sich gezogen und wird mehrheitlich als ein eigenständiges Phänomen dargestellt. Wissenschaftliche Studien in der Schweiz und international zeigen allerdings, dass Cybermobbing eher als Verlängerung von traditionellen Mobbingattacken zu betrachten ist und nicht als eigenständiges Phänomen. Françoise Alsaker zeigt in ihrem Referat auf, dass im Grundsatz zwischen zwei Formen von Mobbing unterschieden wird: Die direkte Mobbingform zeigt sich darin, dass die Täterschaft bekannt ist und eine offensichtliche Konfrontation stattfindet. Erkennungszeichen dafür sind körperliche und verbale Handlungen, Drohungen und Erpressungen, Zerstörung von Eigentum und beleidigende Gesten gegenüber einem wehrlosen Opfer. Bei der indirekten Form findet keine klare Konfrontation statt und die Täterschaft agiert anonym. Merkmale hierfür sind nonverbale Handlungen, soziale Aggression und Ausgrenzung sowie Gerüchte und Ignorierung. Cybermobbing unterscheidet sich vom traditio- Hinweise Vol. 25 Nr. 1 2014 nellen Mobbing insofern, als dass keine Beschränkung von Zeit und Raum mehr stattfindet und dass die Inhalte der Attacken einem potentiell grenzenlosen Publikum zur Verfügung stehen. Durch die nicht reale Sichtbarkeit des Opfers ist die Hemmschwelle für die Mobbenden tiefer und es besteht eine geringere Angst vor Sanktionen. Bekannte Folgen für Mobbingopfer sind Angst vor der Schule, körperliche Beschwerden (Bauch-/ Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Müdigkeit), tiefer Selbstwert und Depressionen. Gemäss dem aktuellen Forschungsstand scheinen Opfer von Cybermobbing stärker von depressiven Symptomen und schlechtem Selbstwertgefühl betroffen zu sein als beim tra ditionellen Mobbing. Empirisch geschieht Cybermobbing deutlich seltener als traditionelles Mobbing. Jugendliche, die online Mobbingopfer sind oder selber Mobbing ausüben, tun dies meistens auch offline. Auf die Frage, ob Cybermobbing schlimmer als traditionelles Mobbing ist, hält Françoise Alsaker fest, dass das Medium (online oder offline) nicht primär relevant für die Einschätzung des Schweregrades ist, sondern dass Öffentlichkeit und Anonymität viel bedeutsamer für die Einschätzung des Schweregrades sind. Das Medium per se wird kaum als angsteinflössend wahrgenommen, sondern dessen Potential, anonyme Angriffe zu starten und weite Kreise zu erreichen. Abschliessend hält Françoise Alsaker fest, dass die Problematik des Cybermobbings ernst zu nehmen ist und dass Präventions- und Interventionsstrategien gegen Cybermobbing im Kontext des traditionellen Mobbings betrachtet und auch umgesetzt werden müssen. Oliver Bilke-Hentsch, ärztlicher Leiter der Modellstation SOMOSA in Winterthur, referiert am Nachmittag zum Thema «Pathologischer Mediengebrauch – Wissenswertes für die kinder- und jugendmedizinische Praxis». Oliver Bilke beschreibt den Mediengebrauch bei Kindern und Jugendlichen dann als problematisch, wenn er von wichtigen anderen Entwicklungsaufgaben dauerhaft ablenkt und die sozialen Aktivitäten durch die ständige Anwesenheit der Geräte gestört oder permanent ergänzt und damit letztlich auch entwertet werden. Internetsucht, schwerer pathologischer Mediengebrauch oder die in der neuen amerikanischen Psychiatrieklassifikation verankerte «Internetgaming Disorder» stellen die deutlichsten und schwersten Formen pathologi- schen Medienverhaltens dar. Internetsucht tritt selten allein auf, sondern ist kombiniert mit im Kindes- und Jugendalter ebenfalls gehäuft auftretenden Störungsbildern wie einem nicht behandelten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, einer mittelgradigen bis schweren Depression, Traumafolgestörungen bei verunfallten oder misshandelten Kindern und mit anderen schwereren psychiatrischen Störungen. Hier besteht Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen. 80 bis 90 % aller Kinder und Jugendlichen erleben die modernen Medien als fantastische Bereicherung ihrer vorhandenen Fähigkeiten, als interessante, intellektuell wie emotional anregende Ergänzung zum realen Leben und als wunderbare Möglichkeit, am Weltwissen und der weltweiten Vernetzung bereits früh teilnehmen zu können. Der Experte aus dem Bereich der klinischen Psychologie und der Entwicklungspsychiatrie ist dann gefragt, wenn die Medienkompetenz sich nicht entwickelt, wenn Abhängigkeitszeichen längerfristig bestehen bleiben, wenn die familiären Auseinandersetzungen immer weiter zunehmen und zu keinem positiven Ende führen und wenn eindeutige Suchtzeichen festzustellen sind. Dann gilt es, eine früher (gegebenenfalls) durchgeführte Diagnostik und Einordnung der kindlichen Probleme neu vorzunehmen, eine Zweitmeinung einzuholen, eine Therapie (wieder) aufzunehmen und insgesamt die Verhaltensweise mit dem Kind klar zu thematisieren. Letztlich dient eine kinder- und jugendpsychiatrische Untersuchung, eine Suchtberatung oder eine entwicklungspsychologische Untersuchung dazu, das Risikoprofil des Einzelnen genau zu erfassen, die möglichen Schutzfaktoren zu stärken und mögliche bestehende Erkrankungen wie etwa eine Depression oder eine Angsterkrankung zu erkennen und zu therapieren. Zum Abschluss der Fachtagung referiert Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Psychologie (ZHAW), zum Thema «MediensoPEGI (Pan European Game Information) zialisation – Auswirkungen von Computergames und Gewaltdarstellungen auf Kinder und Jugendliche». Daniel Süss erläutert, dass die meisten Kinder einen unauffälligen Medienumgangsstil entwickeln. Nicht alle Medienbenutzer sind also für negative Medieneffekte im gleichen Masse anfällig. Wenn Medien zu problematischen Verhalten beitragen, dann sind komplexe Erklärungsmodelle gefragt. Gewaltdarstellungen können zum Beispiel die Einstellung zu Gewalt beeinflussen, dies heisst aber nicht, dass eine Verrohung im Alltag entsteht. Dennoch kann bei Mediengewalt – unter bestimmten Bedingungen – ein Desensitivierungseffekt auftreten. Wenn Jugendliche in einem gewaltbereiten Kontext leben und im Alltag erfahren, dass Gewalt belohnt oder nicht sanktioniert wird, dann können gewaltverherrlichende Medienbotschaften die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Gewalttaten ausgeübt werden. Medien wirken dort stark, wo bereits andere Kräfte in dieselbe Richtung ziehen und dort, wo sie auf ein Vakuum treffen. Sie haben oft die Funktion einer Moderatorvariablen in einem komplexen Gefüge. Mediensozialisation bewegt sich zwischen Restriktion und Zulassung. Die verschiedenen Sozialisatoren sind gefordert, ihren jeweiligen Beitrag zu leisten, um Kindern und Jugendlichen einen förderlichen Medienumgang zu ermöglichen. Der Gesetzgeber muss dem Markt Grenzen setzen und Altersfreigaben regeln. Die Medienanbieter sollen jugendgeeignete Angebote bereitstellen. Die Eltern müssen sich dem Dialog mit ihren Kindern stellen, um Regeln zum Medienumgang festzulegen und auf Anzeichen von Medieneffekten zu reagieren. Die Lehrpersonen können Kulturtechniken vermitteln und Zugangsklüfte zu Medien und anspruchsvollen Inhalten ausgleichen. Die Selbstsozialisation unter den Gleichaltrigen bleibt ein wichtiges Feld für den Erwerb von Medienkompetenz. Der Dialog mit den Heranwachsenden ist anspruchsvoll, denn die Medieninnovationen verlaufen immer schneller und die medienpädagogische Das 2003 geschaffene System PEGI (Pan European Game Information) teilt Videospiele in Kategorien ein, nach Alter und Inhalt. Es wird durch das, von der Spielzeugindustrie absolut unabhängige, Netherlands Institute for the Classification of Audiovisual Media (NICAM) verwaltet. PEGI wird heute in 30 Ländern angewandt, in der Schweiz unter der Aufsicht der Swiss Interactive Entertainment Association (SIEA). Ende 2012 betrug die Anzahl der durch das System PEGI evaluierten Spiele über 20000, wovon 46 % für alle Altersklasse bestimmt, 6 % für über 18-jährige vorbehalten sind. 33 Hinweise Vol. 25 Nr. 1 2014 und entwicklungspsychologische Reflexion hinkt hinterher. Zum Stand der Forschungen zu Auswirkungen von Gewaltdarstellungen in Computergames fasst Daniel Süss die zentralen Wirkungsthesen wie folgt zusammen: Die Verstärkung von Gewaltbereitschaft kann bei sogenannten Risikogruppen belegt werden. Einflussreiche Variablen sind unter anderem Alter, Geschlecht, kognitive und soziale Kompetenzen, soziale Situation, Persönlichkeit. Die Reduktion von Aggressivität (Computergames als Ventilfunktion) kann nicht nachgewiesen werden. Bei zahlreichen Spielern treten geringe und nur kurzfristige Effekte auf, wenn sie über eine solide Medienkompetenz und eine intakte Life-Balance verfügen. Lediglich zwischen 5–10 % der Gewaltbereitschaft einer Person kann im Schnitt durch den Medienkonsum erklärt werden. Am Schluss der Veranstaltung wurde Ueli Lips als Gründer der Fachgruppe Kinderschutz für seine sehr wertvolle Pionierarbeit gewürdigt und sein enormes Engagement für den Kinderschutz verdankt. Die nächste Fachtagung der Fachgruppe Kinderschutz findet am 18.11.2014 wiederum im Auditorium Rossi der Universitäts-Kinderklinik in Bern statt. Die Fachtagung konnte dank freundlicher Unterstützung folgender Firmen durchgeführt werden: Ringier AG, Melebi SA, Janssen-Cilag AG, Pfizer AG, Gilead Sciences, Institut Biochimique SA Korrespondenzadresse Jeanette Stalder Muff Leiterin Kinderschutzgruppe Sozialarbeiterin FH/Systemtherapeutin ZSB Kinderspital Luzern 6000 Luzern 16 [email protected] 34 Kassenzulässig JAHRE www.zellermedical.ch 1006944 epogam – Die natürlich starke & systemische Basistherapie ® • normalisiert den FettsäureStoffwechsel durch Substitution 1,2 von γ-Linolensäure (GLA) • überzeugend wirksam – verringert die Intensität und 3,4 das Ausmass der AD – verbessert die Trockenheit 1,3 und den Juckreiz – reduziert die Entzündung1,3 • sicher und gut verträglich in 4,5 der Langzeittherapie epogam® vegicaps soft® – Zusammensetzung: 1 Kapsel enthält: 1000 mg Nachtkerzensamenöl (Ze 358), dies entspricht einem Gehalt von mindestens 80 mg γ-Linolensäure.Dieses Präparat enthält zusätzlich Hilfsstoffe. Das Präparat ist für DiabetikerInnen geeignet. Indikationen /Anwendungsmöglichkeiten: Unterstützende Behandlung und symptomatische Erleichterung von atopischen, ekzematösen Hauterkrankungen mit begleitendem Juckreiz. Dosierung /Anwendung: Erwachsene: 2 × täglich den Inhalt von 2 – 3 Kapseln. Kinder von 1 – 12 Jahren: 2 × täglich den Inhalt von 1 – 2 Kapseln. Anwendungsdauer: Mind. 8 – 12 Wochen. Kontraindikation: Bekannte Überempfindlichkeit gegen das Präparat oder einen seiner Bestandteile. Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen: Bei Patienten, die bestimmte Medikamente gegen psychiatrische Erkrankungen einnehmen (sog. Phenothiazine), kam es unter der Behandlung von epogam® vegicaps soft® in Einzelfällen zum Auftreten von epileptischen Anfällen. Deshalb ist bei Patienten, welche Phenothiazine einnehmen oder an Epilepsie leiden, Vorsicht geboten. epogam® vegicaps soft® kann wegen seinem Ölgehalt die Aufnahme und die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Schwangerschaft und Stillzeit: Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist bei bestimmungsgemässer Anwendung kein Risiko für das Kind bekannt. Systematische wissenschaftliche Untersuchungen wurden aber nie durchgeführt. Während der Stillzeit kann epogam® vegicaps soft® eingenommen werden, da γ-Linolensäure ein natürlicher Bestandteil der Muttermilch ist. Unerwünschte Wirkungen: Gelegentlich kann es zu Übelkeit, Verdauungsstörungen einschliesslich Durchfall und Kopfschmerzen kommen. In seltenen Fällen wurden allergische Erscheinungen beobachtet, die sich durch Hautausschläge, Bauchschmerzen sowie in Einzelfällen durch Temperaturerhöhung äussern. Bei Neurodermitis Patienten mit bekannter Nahrungsmittelallergie oder anderen Allergien ist eine sorgfältige ärztliche Überwachung nötig. Packungsgrössen: 120 und 240 Kapseln. Verkaufskategorie: D, kassenzulässig. Zulassungsinhaberin: Zeller Medical AG, 8590 Romanshorn, Tel.: 071 466 05 00. Ausführliche Angaben entnehmen Sie bitte www.swissmedicinfo.ch (Stand der Information: April 2009). 1 Morse N. et al. (2006) A meta-analysis of randomized, placebo-controlled clinical trials of Efamol evening primrose oil in atopic eczema. Where do we go from here in light of more recent discoveries? Curr Pharm Biotechnol. 7:503-524. 2 Tronnier H et al. (1993) Behandlungsstudie der Dermatitis atopica mit ungesättigten Fettsäuren. H+G Band 68, Heft 9:562-572. 3 Schalin M et al. (1987) Evening primrose oil in the treatment of atopic eczema: Effect on clinical status, plasma phospholipid fatty acids and circulating blood prostaglandins. Britisch Journal of Dermatology. 117:11-19. 4 Pirow N (2003) Nachtkerzensamenöl bei Atopischer Dermatitis. 0114 Aktuelle Medizin 2:25-28. 5 HMPC Assessment report on Oenothera biennis L., Oneothera lamarckiana L., oleum. 2009. AD = atopische Dermatitis Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Kinderkardiologie Christian Balmer, Zürich; Nicole Sekarski, Lausanne Berufsorganisation Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (SGPK) Vorstand Präsident Christian Balmer, Zürich Sekretärin Anna Cavigelli, Zürich Wissenschaftlicher Sekretär Stefano Di Bernardo, Lausanne hat sich auch zum Ziel gesetzt, die wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Kinderkardiologie zu stimulieren und multizentrische Studien zu unterstützen, wofür die Position eines wissenschaftlichen Sekretärs geschaffen wurde. Im Jahr 2013 standen die Vorarbeiten für das Kinderherzregister (Swiss paediatric heart cohort) im Vordergrund: In Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern wurde das Projekt formuliert und eine Registerbewilligung eingeholt. In diesem Register sollen in Zukunft alle Kinder mit Herzerkrankungen in der Schweiz erfasst werden. Präpräsidentin Cécile Tissot, Genf Pastpräsidentin Nicole Sekarski, Lausanne Mitgliederstatistik Die schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie hat 69 Mitglieder, wovon 9 Juniormitglieder in Ausbildung für pädiatrische Kardiologie, 9 Seniorenmitglieder nach Pensionierung, 7 Korrespondenzmitglieder im Ausland und 8 ausserordentliche Mitglider sind. Weitere Informationen finden Sie unter www.pediatriccardiology.ch Korrespondenzadresse Dr. A. Cavigelli, Sekretärin SGPK Universitätskinderspital Steinwiestrasse 75 8032 Zürich [email protected] Aktivitäten Die Gesellschaft trifft sich 2-mal im Jahr zu einer ordentlichen Sitzung. Die Frühlingssitzung ist eine administrative Sitzung, die im Rahmen des jährlichen schweizerischen Kardiologiekongresses stattfindet. Die Herbstsitzung ist ein wissenschaftliches Symposium, das abwechslungsweise in jedem schweizerischen Kinderkardiologiezentrum organisiert wird. Der Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der Grundlagen- und angewandten Forschung sowie die Weiter- und Fortbildung auf dem Gebiet der pädiatrischen Kardiologie. Die Gesellschaft wahrt die Interessen ihrer Mitglieder und bezweckt eine enge Zusammenarbeit und Meinungsaustausch auf dem Gebiet der pädiatrischen Kardiologie im Inund Ausland. Sie ist um eine fachspezifische Qualitätssicherung besorgt. Die Gesellschaft 36 Vol. 25 Nr. 1 2014 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Vol. 25 Nr. 1 2014 Entwicklungspädiatrie M. Ecoffey, Neuenburg Fachorganisation Schweizerische Gesellschaft für Entwicklungspädiatrie (SGEP) Präsident 2014 Marc Ecoffey, Neuenburg Kopräsidium Peter Hunkeler, Zürich/Luzern Homepage www.entwicklungspaediatrie.ch Anzahl Titelträger 60 Anzahl Mitglieder 156 Schwerpunktsprüfung Ende Mai/Anfang Juni 2014 im Kinderspital Zürich, Abteilung Entwicklungspädiatrie Anmeldung bis 31. März 2014 unter [email protected] Vorschau Hauptaktivitäten 2013 Nächste Jahresversammlung am 20. November 2014 in St. Gallen mit Fortbildungsveranstaltung in neuem Format. Weitere Einzelheiten werden auf der Homepage folgen. •Jahrestagung der Gesellschaft am 21. Nov ember in Bern. Vorträge: •Urs Maurer (Psychologisches Institut der Universität Zürich): Neuronale Mechanismen bei Lesenlernen und Dyslexie •Brigitte Bertoni (Logopädin): Lese-Schreib-Störung Durchführung der Schwerpunktsprüfung (mündlich-theoretisch und praktisch) am 7. Juni sowie 13. Dezember 2014 •Durchführung der Schwerpunktsprüfung nach den Übergangsbestimmungen (mündlich-theoretisch) am 13. Dezember 2013 1. Schweizer ADHS-Kurs für Kinderärzte 2014/2015 ADHS ist im Praxisalltag zu einem zentralen Thema geworden. Ziel des Kurses ist der Erfahrungsaustausch mit ausgewiesenen Experten aus dem deutschsprachigen Raum, um Sicherheit im Umgang mit ADHS zu erlangen. Aufgeteilt auf vier Themenblöcke, stellen die Bereiche «Abklärung» und «Therapie» die Kursschwerpunkte dar. Kursleitung: Dr. med. Urs Hunziker, Dr. med. Kurt von Siebenthal, Dr. med. René Kindli Der Kurs möchte neue Wege beschreiten: Patronat: Schweiz. Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) Die Organisatoren verfügen über einen breit abgestützten Hintergrund aus Klinik, Spezialsprechstunde und allgemein-pädiatrischer Praxis. Detailinformationen: 1.Block am 18./19. September 2014 Thema: ADHS – Die Diagnose 2.Block am 15./16. Januar 2015 im Kloster Disentis Thema: ADHS – Die Abklärung 3.Block am 23./24. April 2015 Thema: ADHS – Die Therapie 4.Block am 18./19. Juni 2015 Thema: ADHS – Der Pädiater als Begleiter: vom Kleinkind bis zum Erwachsenen Die Kursblöcke 1, 3 und 4 finden voraussichtlich in Luzern, Solothurn und Winterthur statt. Wissenschaftsjournalist und TV-Moderator Schweizerische Fachgesellschaft für ADHS h • Die Vermittlung erfolgt in Form von Fachreferaten, die anschliessend in Workshops in Kleingruppen vor dem Hintergrund der eigenen Praxis vertieft wird. • Die Themenblöcke werden durch einen anerkannten wissenschaftlichen Moderator geleitet. • Durch Austausch und Dialog soll eine fundierte Diskussionsbasis entstehen. • Abgerundet wird jeder Kursblock durch ein philosophisch-literarisches Input-Referat von bekannten Persönlichkeiten ausserhalb der Medizin. Moderation: Beat Glogger, Trägerschaft: Verein «Kinderärzte – Plattform ADHS» (in Gründung) Kredits: bei der SGP beantragt, ca. 50 Kurskosten: CHF 3’700.– inkl. Referate, professionelle Moderation, Handouts, Mittagessen und Zwischenverpflegung, jeweils eine Übernachtung pro Kursblock Anmeldeschluss: 15. März 2014 Die Kursleitung behält sich das Recht vor, das Zustandekommen der definitiven Kursdurchführung von einer Minimalanzahl von 50 Anmeldungen abhängig zu machen. Anmeldung und weitere Informationen: Kurssekretariat Gattenhof Arts Management AG Michael Gattenhof Matschilsstrasse 45 9495 Triesen T: +423 390 0 290 +423 777 7 077 @:[email protected] 37 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Pädiatrische Endokrinologie/ Diabetologie V. Schwitzgebel, Genf Fachorganisation Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie (SGPED/ SSEDP) Präsidentin 2014 Valérie Schwitzgebel, UniversitätsKinderspital HUG Genf Internet-Links www.ssedp-sgped.ch www.swiss-paediatrics.org www.sgedssed.ch Anzahl Titelträger 45, Facharztprüfung sanktionierend seit 1.1.2005 sein, die Epidemiologie dieser Varianten in der Schweiz zu erfassen. An der Jahresversammlung im Januar 2014 in Luzern waren neben Diabetes, Transition, Fertilitätsprotektion, die Transsexuellensprechstunde und die Adipositas ein Thema. Im Weiteren arbeiten wir laufend an unserer Webseite, Anregungen aus der Leserschaft der Paediatrica sind dabei willkommen. Im Vorstand gibt es keinen Wechsel, Präsidentin ist Valérie Schwitzgebel, weitere Vorstandsmitglieder sind Christa Flück, Daniel Konrad, Michael Hauschild sowie Marco Janner. Beitrittsbedingungen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie Schwerpunkttitel Pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie (oder einen äquivalenten Titel) sowie Wissenschaftler, die im Arbeitsgebiet der Pädiatrischen Endokrinologie/Diabetologie aktiv sind. Facharztprüfung 1 x jährlich in einer der Zentrumskliniken mit schriftlichem Anteil (90 MC-Fragen) sowie Fallbesprechung/Kolloquium anhand von Zuweisungsschreiben und Patientenbildern. Hauptaktivitäten 2013 Die Fachgesellschaft befasst sich mit sämtlichen Hormonkrankheiten inkl. Diabetes mellitus bei Kindern und Jugendlichen. Neben Dienstleistung, Lehre und Forschung im eigenen Gebiet gibt es zahlreiche Vernetzungen mit anderen Fachgesellschaften und Schwerpunkten. Kinder mit Wachstums- und Pubertätsstörungen sowie der Diabetes mellitus Typ 1 sind neben den angeborenen Endokrinopathien im Zentrum unserer Tätigkeit in Klinik und Forschung. Eine neue Arbeitsgruppe «Varianten der Geschlechtsentwicklung» ist gegründet worden. Das erste Ziel dieser Arbeitsgruppe wird es 38 Vol. 25 Nr. 1 2014 Vol. 25 Nr. 1 2014 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Pädiatrische Gastroenterologie tenback bezüglich eosinophile Oesophagitis; SPEED). A. Nydegger, Lausanne Fachorganisation Schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung Vorstand 2013/2014 Präsident Andreas Nydegger, Lausanne Sekretär Klaas Heyland, Winterthur Kassier Susanne Schibli, Bern Mitgliederstatistik Die Schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung zählt aktuell 23 ordentliche Mitglieder, 4 assoziierte Mitglieder, 3 Freimitglieder (davon 2 Ehrenmitglieder), sowie 7 Kollektivmitglieder. Tätigkeitsgebiet Die Gesellschaft trifft sich zweimal jährlich zu Plenarsitzungen mit jeweils einem adminis trativen/standespolitischen sowie einem wissenschaftlichen Teil. Ziel der Gesellschaft ist es, Kindern und Jugendlichen mit akuten und chronischen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber und Ernährungsfragen eine kindergerechte Abklärung und Behandlungsmöglichkeit anzubieten sowie das Fachgebiet in der Schweiz zu fördern und Forschung, Weiterund Fortbildung zu unterstützen. Weiterbildung Die Weiterbildung zum Schwerpunkttitel «Päd iatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung » dauert 3 Jahre, wovon 1 Jahr im Rahmen der Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin absolviert werden kann. Das Weiterbildungsprogamm aus dem Jahre 2004 wurde 2013 vollständig überarbeitet und wird anfangs 2014 in Kraft treten. Viele pädiatrische Gastroenterologen besitzen zudem eine Mitgliedschaft in der deutschen, der französischen, oder der europäischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie (GPGE, GFHGNP, ESPGHAN). Facharztprüfung Die nächste sanktionierende Facharztprüfung findet im Herbst 2014 statt. Datum und Ort werden rechtzeitig bekanntgegeben. Pediatric Gastro-Weekend Jedes Jahr findet unter der Leitung von P. Müller (St. Gallen) ein Wochenendkurs für Assistenz- und Oberärzte in Ausbildung statt (seit 2013 in Gunten). Diskutiert werden Themen mit Schwerpunkt pädiatrische Gastroenterologie. Dieser Kurs findet jeweils grossen Anklang und wird grösstenteils durch die Industrie und unsere Gesellschaft finanziert. Educational Grant (3-jähriges Pilotprojekt) Alle Ärzte in Ausbildung, sowie ausgebildete Kinderärzte, welche im Bereich der pädiatrischen Gastroenterologie tätig sind, können sich bewerben. Der Maximalbetrag beläuft sich auf CHF 2000.– pro 6 Monate und kann unter mehreren Bewerbern aufgeteilt werden. Finanzielle Beteiligung finden wissenschaftliche Kongresse im Bereich der Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, falls ein Poster vorgestellt oder eine Präsentation gehalten wird, der Besuch einer Summer-School (organisiert durch ESPGHAN) oder eines Endoskopiekurses, sowie Kurse zur Verbesserung von Forschungs-Skills. Die Einreichfristen (Motivationsschreiben, Lebenslauf sowie wissenschaftliche Arbeit) sind Ende März, beziehungsweise Ende September des jeweiligen Kalenderjahres. Die Bewerbung muss durch ein Mitglied der SGPGHE unterstützt werden und sollte an R. Furlano geschickt werden ([email protected]). Nationale und internationale Vernetzung Es besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Zentren sowohl klinisch, als auch wissenschaftlich (z. B. Beteiligung am nationalen Projekt der entzündlichen Darmerkrankungen; Swiss IBD cohort study: www.ibdcohort.ch; Pädiatrische Da- 39 Bezüglich Therapierichtlinien werden die Guidelines der europäischen Fachgesellschaft ESPGHAN (European Society of Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) angewandt. Diese werden regelmässig zusammengefasst und in der Paediatrica publiziert. Korrespondenzadresse PD Dr. A. Nydegger, Präsident SGPGHE Leiter der Abteilung für pädiatrische Gastroenterologie DMCP, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois CHUV 1011 Lausanne [email protected] Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Pädiatrische Nephrologie G. Laube, Zürich und P. Parvex, Genf Schweizerische Arbeitsgruppe für Pädiatrische Nephrologie (SAPN) Präsident Guido F. Laube; Abteilung Nephrologie, Universitäts-Kinderkliniken, Zürich Sekretär Paloma Parvex; Unité Universitaire Romande de Néphrologie Pédiatrique, Genève et Lausanne Anzahl Titelträger 16 Facharztprüfung Schwerpunkt (jährlich; sanktionierend) Allgemeines Die Mitgliedschaft in der SAPN steht allen Ärzten/-innen, welche an der pädiatrischen Nephrologie interessiert sind, offen. Jährlich finden zwei Plenarsitzungen statt, an welchen nebst Fallvorstellungen auch Guidelines ausgearbeitet und standespolitische Themen behandelt werden. Die Weiterbildung zum Schwerpunkttitel in pädiatrischer Nephrologie ist im entsprechenden Weiterbildungsprogramm festgelegt und wird mit einer sanktionierenden Prüfung abgeschlossen. Als Weiterbildungsstätten sind von der FMH bisher drei Kliniken in der Schweiz anerkannt: •Universitäts-Kinderkliniken Zürich •Centre universitaire romand de néphrologie pédiatrique: Genève, Lausanne •Universitäts-Kinderklinik, Inselspital, Bern Nur eine Minderheit aller kindernephrologisch betreuten Patienten bedarf jemals einer hoch spezialisierten Therapie wie Dialyse oder Transplantation. Diese epidemiologischen Gegebenheiten müssen bei der Organisation des Betreuungsangebotes berücksichtigt werden; trotzdem sollen jedoch die hoch spezialisierten Behandlungsmöglichkeiten in akzeptabler Distanz für die Patienten verfügbar sein. Unter diesen Gesichtspunkten werden Dialysen und Nierentransplantationen an den oben genannten drei Universitätskliniken durchgeführt. Zusätzlich zu obengenannten Weiterbildungsstät- ten werden fachärztliche Konsultationen durch Kindernephrologen/-innen in Basel, Luzern, St. Gallen, Bellinzona und Sitten angeboten. Dieses Netzwerk ist von zentraler Bedeutung, um allen Kindern mit akuter oder chronischer Nierenerkrankung eine qualitativ hochstehende fachärztliche Betreuung sicherzustellen. Weiterbildung Die Weiterbildung zum Erlangen des Schwerpunktes in pädiatrischer Nephrologie erfolgt an den obengenannten Kliniken der Kategorie A, welche die geforderten Kriterien der Zentrumsversorgung wie akute und chronische Dialyseverfahren sowie Nierentransplantation erfüllen. Fortbildung Wenngleich nur relativ wenige Patienten im pädiatrischen Alter eine terminale Niereninsuffizienz erleiden, gibt es dennoch eine große Anzahl von Erkrankungen, welche potentiell zur Niereninsuffizienz führen können. Gemäß schweizerischem, pädiatrischem Nierenregister gehören angeborene Missbildungen der ableitenden Harnwege, Refluxnephropathie und Nierendysplasie zu den häufigsten Ursachen einer terminalen Niereninsuffizienz. Es gehört somit zu den Hauptaufgaben insbesondere im Bereich der Behandlung von Patienten mit Harnwegsinfektionen, mit angeborenen Missbildungen der Harnwege und mit glomerulären Erkrankungen eine qualitativ hochstehende Fortbildung sicherzustellen. Hauptaktivitäten Der Prävention einer Niereninsuffizienz kommt ein zentraler Stellenwert in der Kindernephrologie zu. Dies bedingt eine Behandlung auch unter Berücksichtigung epidemiologischer Aspekte, die Weiterentwicklung pränataler Diagnostik und eine bestmögliche Charakterisierung der verschiedenen Nephropathien bis zum Übergang in das Erwachsenenalter. In diesem Zusammenhang immer wichtiger werden seltene, vererbte renale Krankheiten, was 2012 dazu geführt hat, eine neue Arbeitsgruppe zu gründen (Working Group on Inherited Kidney Diseases: WGIKD). Ziel dieser 40 Vol. 25 Nr. 1 2014 Arbeitsgruppe ist die Optimierung der Patientenbetreuung und die Verbesserung der genetischen Diagnostik. Entsprechend setzt sich die Gruppe aus Adultnephrologen, pädiatrischen Nephrologen und Genetikern zusammen. Jährlich finden zwei Sitzungen statt, an welchen nebst Fallvorstellungen auch standespolitische Themen diskutiert werden können. Ein weiteres wichtiges Element der Prävention stellt das schweizerische Kindernierenin suffizienzregister dar, welches ab 1972 durch Ernst Leumann aufgebaut wurde. Dieses umfasst die Daten sämtlicher Kinder mit terminaler Niereninsuffizienz (behandelt mit Dialyse oder Transplantation). Ein solches Register wurde mittlerweile auch durch die European Society of Pediatric Nephrology (ESPN) etabliert. Das schweizerische Register wurde während der letzten Jahre ESPN kompatibel gemacht, was ein regelmässiger Datenaustausch möglich macht und die Teilnahme an europäischen Projekten sicher stellt. Die Organisation erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern, dessen Mitarbeiter sich auch für das Einhalten der ethischen Aspekte und der Vorgehensweise betreffend Datenschutz verantwortlich zeichnen. Für dieses Projekt wurde von der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung eine entsprechende Sonderbewilligung erteilt. Die Existenz derartiger Register ermöglichte grosse Fortschritte in der Abklärung und Behandlung von erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit Niereninsuffizienz. Die Beteiligung am europäischen Register hat somit einen zentralen Stellenwert. Empfehlungen •Gemeinsam mit der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Pädiatrische Infektiologie wurden Empfehlungen zur Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind etabliert. Ebenso erarbeitet wurden Empfehlungen betreffend der Abklärung und Behandlung von Kindern mit Inkontinenz und Enuresis nocturna. •Die Abklärungs- und Behandlungsstrategie bei pädiatrischer Nierentransplantation wurde von den drei Zentren vereinheitlicht. •Empfehlungen zur Abklärung und Behandlung von Kindern mit angeborenen Fehlbildungen der Harnwege wurden gemeinsam mit Geburtshelfern, Kinderurologen und Kinderradiologen erarbeitet. Korrespondenzadresse [email protected] Vol. 25 Nr. 1 2014 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Pädiatrische Onkologie-Hämatologie F. Niggli, Zürich Medizinische Gesellschaft Schweizerische Pädiatrische Onkologie Gruppe (SPOG) Adresse Geschäftsleitung Isabelle Lamontagne-Müller SPOG Office Effingerstrasse 40 3008 Bern Tel. 031 389 93 48 Internetseite www.spog.ch Vorstand 2014 Präsident Felix Niggli, Zürich Vize-Präsident Heinz Hengartner, St. Gallen Beisitzerin Maja Beck Popovic, Lausanne Anzahl Titelträger 40 Facharztprüfung 1 x pro Jahr im Herbst (Datum 2014 noch offen). Durchführung der Schwerpunktprüfung «pädiatrische Hämatologie-Onkologie» zuletzt im November 2013, 4 KandidatInnen haben die Prüfung bestanden. Prioritäre Tätigkeiten 1. Klinische Forschung Die Hauptaktivität der Schweizerischen Päd iatrischen Onkologie-Gruppe bildet die aktive Teilnahme an klinischen Therapiestudien. Behandlungen in solchen Studien zeigen bekannterweise generell bessere Resultate, sind sicherer, beinhalten Qualitätskontrollen und generieren einen systematischen Erkenntnisgewinn. Infolge der Seltenheit kindlicher Krebserkrankungen ist es nur möglich, solche Studien multizentrisch, in einem internationalen Verbund durchzuführen. Die SPOG ist international ausgezeichnet vernetzt und dank langjähriger Zusammenarbeit mit kooperati- ven Gruppen in Europa und USA stehen entsprechend zahlreiche Therapiestudien zur Verfügung. Zurzeit sind 18 klinische Therapiestudien in der Schweiz aktiviert, in denen Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen eingeschlossen werden. Daneben gibt es noch 8 internationale Registrierungsstudien, die meist nach Abschluss einer Therapiestudie eröffnet werden, um bis zur Aktivierung einer Nachfolgestudie die Qualitätssicherungsmassnahmen aufrecht zu erhalten. SPOG übernimmt im Rahmen der Teilnahme an internationalen Studien jeweils die Rolle und damit die Pflichten des nationalen Sponsors gemäss GCP. Ein suffizientes zentrales Office der SPOG bewältigt Vorbereitungen und einen wesentlichen Teil des grossen administrativen Workloads, um internationale Therapiestudien für Krebserkrankungen bei Kindern in allen Landesteilen zugänglich zu machen und sie gemäss heute üblichem Vorgehen der Good Clinical Practice umsetzen zu können. Dabei sind Monitoring von Therapiestudien sowie Qualitätskontrollen der teilnehmenden Zentren ein wichtiger Bestandteil der gesetzlichen Vorgaben einer Studiendurchführung. Im Jahre 2013 konnten etwa 2/3 aller in der Schweiz erkrankten Kinder mit Krebs einer solchen Therapiestudie oder mindestens einem Therapieregister zugeführt werden. Auch wenn der damit verbundene administrative Aufwand sehr gross ist, ermöglichen wir damit nicht nur qualitätskontrollierte diagnostische Untersuchungen durchzuführen, sondern auch die neuesten Erkenntnisse und Therapiemöglichkeiten in die Behandlung einfliessen zu lassen. Im Weiteren ist die SPOG daran, eine Plattform für Phase I/II Studien bei kindlichen Krebserkrankungen in der Schweiz in Kooperation mit ausländischen Partnern aufzubauen. 2. Laborforschung Viele therapeutische Studien, an denen SPOGZentren beteiligt sind, beinhalten zusätzliche biologische Fragestellungen. Die SPOG unterhält eine zentrale Tumorbank zur Sammlung und Untersuchung von Tumorgewebe, die es ermöglicht, entsprechende Laborforschungs- 41 projekte anzugehen. Die 5 universitären Zentren (Zürich, Basel, Bern, Lausanne, Genf) führen je ein Forschungslabor mit unterschiedlichen Aktivitäten pädiatrischer Grundlagenforschung und translationeller Forschung. Einmal jährlich wird eine wissenschaftliche Tagung, traditioneller Weise jeweils im Tessin im Januar abgehalten, um den Forscherinnen und Forschern gegenseitig ihre Resultate vorzustellen und um den Austausch zwischen den Kinderonkologien und den wissenschaftlichen Kollegen zu pflegen. 3. Epidemiologische Forschung Ein wichtiger Partner und Mitglied der SPOG ist das Schweizerische Kinderkrebsregister SKKR (www.kinderkrebsregister.ch), welches am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern angesiedelt ist. Das SKKR ist nach wie vor das einzige Krebsregister, welches die Krebsinzidenz in einer Alterskategorie für die ganze Schweiz einheitlich erfasst. Die Zusammenarbeit mit dem nationalen Institut für Krebsepidemiologie und -registrierung (NICER) hat sich verstärkt. Dennoch ist die Finanzierung dieses Krebsregisters nach wie vor weitgehend von Drittmitteln abhängig. Ein grosser Schwerpunkt sind die Spätfolgenstudien bei ehemaligen Patientinnen und Patienten einer Kinderkrebserkrankung (Swiss Childhood Cancer Survivor Study). Aus diesen Untersuchungen sind schon einige wesentliche Publikationen hervorgegangen und weitere wichtige Ergebnisse werden folgen. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Felix Niggli Präsident der SPOG Universitäts-Kinderspital 8032 Zürich [email protected] Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Pädiatrische Pneumologie A. Möller, Zürich Vorstandsmitglieder Präsident Alexander Möller, Zürich Vizepräsidentin Daniela Stefanutti, La Chaux-de-Fonds Past-Präsident Peter Eng, Aarau Sekretär Jürg Barben, St. Gallen Kassier Gaudenz Hafen, Lausanne Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (SGPP) vereint Ärztinnen und Ärzte, welche sich mit Atemwegs- und Lungenkrankheiten bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen befassen. Der Verein fördert den weiteren Ausbau und den Fortschritt der pädiatrischen Pneumologie in der Schweiz sowie die Aus-, Weiter- und Fortbildung in Kinderpneumologie und ist verantwortlich für die Durchführung der Facharztprüfung. In enger Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Pädiatrie fördert die SGPP auch die Weiter- und Fortbildung von Pädiatern und Allgemeinpraktikern. Die Gesellschaft vertritt die fachlichen und standespolitischen Interessen der Kinderpneumologen in der Schweiz und arbeitet sehr eng mit der Gesellschaft für Pneumologie zusammen. So finden die Jahresversammlung der SGPP, wie auch die wissenschaftliche Tagung der Swiss Paediatric Respiratory Research Group (SPRRG) seit einigen Jahren zusammen mit derjenigen der Gesellschaft für Pneumologie statt. Die SGPP lebt eine sehr rege Zusammenarbeit mit internationalen Gesellschaften wie der Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (GPP), der European Respiratory Society (ERS) sowie der European Cystic Fibrosis Society (ECFS) und ist mit Mitgliedern aktiv in verschiedenen Arbeitsgruppen dieser Gesellschaften involviert. Die SGPP weist aktuell 69 Mitglieder auf, davon sind 31 Titelträger in Pädiatrischer Pneumologie und 5 Kollektivmitglieder. Im Jahr 2013 haben zwei Kandidaten erfolgreich die Prüfung für den Schwerpunktstitel in pädiatrischer Pneumologie bestanden: Andreas Jung und Dominik Müller. Zusätzlich hat Anne Mornand 2012 mit grossem Erfolg ihre Schwerpunktsprüfung absolviert. Nächste Schwerpunktprüfung 4.9.2014 in Bern Anmeldung bei Prof. J. Hammer Universitäts-Kinderspital beider Basel Spitalstrasse 33 4031 Basel [email protected] Korrespondenzadresse Sekretariat SGPP PD Dr. med. J. Barben Leitender Arzt Pneumologie/Allergologie Ostschweizer Kinderspital, 9006 St. Gallen Tel. 071 243 71 11, Fax 071 243 73 90 [email protected] www.sgpp-schweiz.ch www.kinderlunge.ch 42 Vol. 25 Nr. 1 2014 Vol. 25 Nr. 1 2014 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich Swiss Group for Inborn Errors of Metabolism (SGIEM) M. Baumgartner, Zürich Mitglieder M. Baumgartner, Universitäts-Kinderklinik Zürich; J. M. Nuoffer, Universitätskinderklinik und Institut für Klinische Chemie, Bern; M. Huemer, Universitätskinderklinik Basel; L. Bonafé; D. Ballhausen, Universitätskinderklinik Lausanne; I. Kern, Universitätskinderklinik Genf Informationen aus dem pädiatrischen Spezialgebiet Stoffwechselkrankheiten Fachorganisation Swiss Group for Inborn Errors of Metabolism (SGIEM) Präsident 2014 Brian Fowler, Basel und Zürich Sekretärin 2014 Diana Ballhausen, Lausanne Homepage keine Anzahl Titelträger kein eigenständiger Titel, keine eigenständige Facharztprüfung Anzahl Mitglieder 29; neu 4 Mitglieder aus Zürich (Neugeborenenscreening und Klinik) und aus Lausanne (klinische Betreuung Erwachsener) Spezialisierte Weiterbildung pädiatrische Stoffwechselmedizin (Programm am Kinderspital Zürich, akkreditiert durch die European Academy of Paediatrics). Seit April 2013 1 Assistenzarzt Hauptaktivitäten 2014 •Jahrestagung der SGIEM am 24.01.2014 in Lausanne. •Koordination des Neugeborenen-Screenings für angeborene Stoffwechselkrankheiten inkl. Entwicklung von Konzepten zur Erweiterung des Neugeborenenscreenings und deren Eingabe beim BAG: Bereits ein- gereicht, aktuell in Überarbeitung: Glutar azidurie Typ 1 sowie Ahornsirupkrankheit. Neu in Vorbereitung zur Einreichung als Pilotprojekt: Severe Combined Immune Deficiencies (SCID). •Koordination der klinischen Versorgung von Patienten mit angeborenen Stoffwechselkrankheiten in Zusammenarbeit mit den pädiatrischen A- und B-Kliniken: •Metabolisches Netzwerk Südwest (Koordinator Lausanne) •Metabolisches Netzwerk Mitte (Koordinator Bern) •Metabolisches Netzwerk Nordost (Koordinator Zürich). •Koordination des Angebots an Stoffwechsel-Spezialanalytik an den Universitätsspitälern sowie Beantragung von Stoffwechsel analysen zur Aufnahme in die Analysenliste. •Beantragung der Aufnahme von notifizierten diätetischen Lebensmitteln und von international anerkannten Medikamenten für die Behandlung von angeborenen Stoffwechselstörungen in die Spezialitätenliste (SL) bzw. die IV Geburtsgebrechenmedikamentenliste (GGML) und damit Gewährleistung der Kostenübernahme durch Krankenkasse und IV. •Themenorientierte Untergruppe: Schweizerische Arbeitsgruppe für Lysosomale Speicherkrankheiten (SALS http:// sals.ch/i6/sals/iSix_sals.cgi). •Leitung von bzw. Mitarbeit in internationalen Gruppen zur Entwicklung von krankheitsspezifischen Guidelines für Diagnostik und Therapie: Harnstoffzyklusstörungen: Leitung Prof. Dr. Johannes Häberle, Kinderspital Zürich Methylmalonazidurie/Propionazidurie: Leitung Prof. Matthias Baumgartner, Kinderspital Zürich Galaktosämie: Dr. Matthias Gautschi, Inselspital Bern als Vertreter der SGIEM Remethylierungsstörungen (Homocystinurien mit Hypomethioninämie): Leitung Prof. Dr. Matthias Baumgartner, Kinderspital Zürich 43 PKU (DACH-Leitliniengruppe): PD Dr. Diana Ballhausen (Pädiater), CHUV Lausanne, Dr. Michel Hochuli (Internist), Unispital Zürich und Sandra Bollhalder (Ernährungsberaterin), Unispital Zürich als Vertreter der SGIEM. FMH - Quiz Vol. 25 Nr. 1 2014 FMH-Quiz 56 Fallvorstellung Valentin, ein 14-jähriger Junge, ist mit seinen Eltern in den Ferien in den Walliser Alpen. Heute Morgen nach der Dusche verspürt er ein Schwindelgefühl (alles dreht um ihn herum) und er fällt bewusstlos auf den Boden des Badezimmers. Seine Eltern hören den Sturz, rennen zu ihm und hören ihn stöhnen. Sie finden ihn bewusstlos am Boden liegend. Sie stellen eine Hypertonie des Kiefergelenks und der Hände fest, sonst ist Valentin eher hypoton und zeigt einen vermehrten Speichelfluss. Er hat weder Urin verloren noch tonisch-klonische Bewegungen gezeigt. Nach etwa 20 Minuten wird Valentin wieder wach; er ist zuerst während ca. 5 Minuten noch verwirrt und erbricht dreimal. Als das Rettungsteam ankommt, ist er wieder perfekt orientiert und wach, beklagt sich aber über Kopfschmerzen. Er wird ins Spital geflogen. Vorher war er immer gesund, hatte in den letzten Tagen weder Fieber noch Zeichen einer viralen Infektion. Epilepsie ist bei ihm nicht bekannt; ein vorangegangenes Schädelhirntrauma wird von seinen Eltern verneint. Die Ferienwohnung hat ein kleines fensterloses Badezimmer und einen mit Gas betriebenen Heizer. Status: Gewicht 46 kg, T 36.6, BD119/58 mmHg, Puls 79/Min. Kardio-pulmonale Auskultation o.B. Normale, auf Licht gut reaktive Pupillen, normale Hirnnerven, normale Muskelkraft, symmetrische Sensibilität und Reflexe sowie normale zerebelläre Tests. Die übrige Untersuchung ist unauffällig. lationen (Wohnungsbrand) oder dem Betrieb von offenen Brennstoffheizern (Holz, Gas) in ungenügend belüfteten Räumen vor. Frage 4 Beschreiben Sie, wie die toxische Substanz in diesem Fall wirkt. Antwort 1 1) Nahrungsmittelintoxikation 2) epileptischer Anfall 3) CO-Intoxikation 4) Herzrhythmusstörung 5) Medikamenten- oder Drogenabusus 6) TIA Antwort 2 Wahrscheinlichste Diagnose: CO-Intoxikation Argumente: Bisher gesund, klinische Symptome sehr kompatibel, mit Gas betriebener Heizer. Bestätigung: Bestimmung von HbCO (> 5 %, bei Intoxikation). Antwort 3 Heizer sofort stoppen, den Jungen mit O2 behandeln, eventuell hyperbare O2-Therapie. Antwort 4 Höhere Bindungskapazität von CO gegenüber O2 auf Hämoglobin. Idem beim Myoglobin und multiplen intrazellulären Zytochromen, Zelldysfunktion und Zelltod. Kommentar Kohlenmonoxid-Intoxikation bei Kindern Frage 2 Welche ist für Sie die wahrscheinlichste Diagnose? Geben Sie einige Argumente dafür an und nennen Sie wie die Vermutungsdiagnose bestätigt werden kann. Epidemiologie Nach Angaben des Tox-Zentrums Schweiz wurden in den letzten 10 Jahren (2003–12) 105 Fälle von Rauchgas- oder KohlenmonoxidVergiftungen bei Kindern gemeldet. Darunter befanden sich 9 mittelschwere und 2 schwere Fälle sowie ein Todesfall. Eine hyperbare 02-Therapie wurde in 3 Fällen durchgeführt1). Die tatsächliche Anzahl dürfte jedoch höher sein, da nicht bei allen Fälle das Tox-Zentrum angefragt wird. Frage 3 Sie haben die richtige Diagnose gestellt. Was sind die Notfallmassnahmen? Pathophysiologie Eine Kohlenmonoxid (CO)-Intoxikation bei Kindern kommt vor allem bei Rauchgasinha- Frage 1 Nennen Sie 3 mögliche Ursachen für dieses Krankheitsbild. 44 Die toxische Wirkung beruht primär auf einer zellulären Hypoxie durch Verdrängung des Sauerstoffs (O2) vom Hämoglobin durch das CO. Kohlenmonoxid hat eine 240 x grössere Affinität zur Bindungsstelle als der Sauerstoff. Durch die Bindung des CO verringert sich die Kapazität des Hb den Sauerstoff freizugeben, die O2-Bindungskurve verschiebt sich nach links und verschlechtert die Gewebeoxygenation zusätzlich. Der Körper reagiert auf die Hypoxie mit Steigerung der Atemfrequenz und des Herzminutenvolumens, was die CO-Aufnahme und Toxizität noch weiter verstärkt. Andere weniger gut verstandene Mechanismen der CO-Toxizität beruhen auf der Bindung von CO an das Myoglobin der Skelett- und Herzmuskelzellen und an mitochondriale Enzyme sowie dem Auslösen einer inflammatorischen Kaskade mit direkter Schädigung von Nervenzellen. Klinik Die CO-Vergiftung ist nicht leicht zu erkennen, da das Gas geruchlos ist und die ersten Symptome (Kopfweh, Schwindel, Brechreiz) zu wenig spezifisch sind, um gute Indikatoren zu sein. Bedingt durch die höhere Atemfrequenz und den höheren metabolischen Grundumsatz treten Symptome bei Kindern meist schneller auf als bei Erwachsenen. Bei diesen Symptomen und Zeichen speziell in den kalten Wintermonaten an die Möglichkeit einer Kohlenmonoxid-Intoxikation zu denken; gezielt nach Risikofaktoren wie Gasdurchlauferhitzer zu fragen, ist entscheidend für die richtige Diagnose. Mit zunehmender Toxizität kommt es zu Verwirrtheit und Halluzinationen, später zu Bewusstlosigkeit, Krämpfen, Koma und Atemstillstand. Da CO-Hb dasselbe Absorptions spektrum wie O2-Hb besitzt, bleibt die Hautfarbe auch bei schwerer Asphyxie rosig, die Zyanose ist ein sehr spätes Zeichen2) . Diagnose Die normale Pulsoxymetrie kann Carboxyhämoglobin (CO-Hb) nicht von Oxyhämoglobin FMH - Quiz Vol. 25 Nr. 1 2014 (O2-Hb) unterscheiden und zeigt falsch hohe O2-Sättigungswerte an. Spezielle Pulsoxymeter (z.B. Masimo rainbow®) für die transkutane CO-Hb-Messung sind seit kurzem erhältlich und werden von den Rettungskräften z. T. bereits eingesetzt. Im klinischen Setting wird die Verdachtsdiagnose durch die Messung des CO-Hb-Anteils (von total CO- + O2-Hb) mittels einer Blutgasanalyse (kapillär oder venös) bestätigt. Gesunde können einen CO-Hb-Anteil bis 3 % aufweisen, bei Rauchern kann dieser Wert das Doppelte bis Dreifache betragen. Werte über 5 % CO-Hb (Raucher >10 %) gelten als pathologisch. Allerdings korreliert dieser Wert nur wenig mit der Klinik oder dem Outcome. Die Behandlung sollte sich deshalb am Zustand des Patienten orientieren und nicht am Labor. Therapie Die Dauer der Exposition ist der wichtigste Risikofaktor und korreliert besser mit dem Outcome als die CO-Hb-Konzentration im Blut. Die wichtigste therapeutische Handlung findet deshalb bereits im präklinischen Setting statt und ist die Beendigung der Kohlenmonoxid-Exposition des Patienten, sei es durch Bergung aus dem Gefahrenbereich oder Lüften des Raumes und Elimination der COQuelle. Die Retter müssen dabei an ihre eigene Sicherheit denken. Zu diesem Zweck sind die meisten Rettungskräfte mit Umgebungsluft-CO-Warndetektoren ausgerüstet. den. Mit dem Einatmen von 100 % O2 verkürzt sich die HWZ auf 40 bis 80 Minuten, zusätzlich führt dies zu einer Erhöhung des im Serum gelösten O2 und zu einer verbesserten Gewebeoxygenation. Hyperbarer Sauerstoff vermag die HWZ des CO noch weiter auf 15 bis 30 Minuten zu senken. Sollte sich der Bewusstseinszustand des Patienten unter dieser Intervention mit O2 nicht verbessern, muss an eine intrakranielle Komplikation wie eine Blutung oder ein Hirnödem gedacht werden und ein CT oder MRI des Kopfes durchgeführt werden. Die Sauerstofftherapie sollte bis zur Normalisierung des CO-Hb-Wertes fortgesetzt werden. Die Therapie mit hyperbarem Sauerstoff ist den schweren Fällen vorbehalten. Die Evidenzlage für die Kriterien bei Kindern ist ungenügend. Die Indikation sollte zusammen mit dem Tox-Zentrum gestellt werden. Bei Patienten mit Bewusstlosigkeit sollte ein 12-Ableitung-EKG mit Frage nach Ischämiezeichen durchgeführt werden. Bei vorhandenen Ischämiezeichen werden CK-MB und Troponin bestimmt3), 4) . Die Notfallbetreuung orientiert sich am systematischen ABCD-Schema. Bei tiefem GCS und ungewisser Sturzanamnese soll zuerst die HWS stabilisiert werden, bei Verbrennungsspuren im Gesicht (Russ, versengte Wimpern etc.) empfiehlt es sich, die rechtzeitige Sicherung der Atemwege durch eine Intubation zu evaluieren. Jedem Patient mit Verdacht auf CO-Intoxikation bzw. Exposition soll 100 % Sauerstoff verabreicht werden, die höchsten Konzentrationen (PaO2) werden beim spontan atmenden Patienten über eine Maske mit Rückatmungsbeutel und 10-15 l/Min. O2 erreicht. Reiner Sauerstoff verringert die CO-Toxizität durch eine kompetitive Verdrängung des CO am Hb. Das CO wird dann über die Lunge abgeatmet. Die Halbwertszeit von CarboxyHämoglobin, also der CO-Bindung am Hb, beträgt unter Raumluft vier bis sechs Stun- 45 Spätfolgen Trotz erfolgreicher Behandlung im akuten Stadium mit klinischer Erholung und Normalisierung des CO-Hb-Wertes können bei einem Teil der Patienten Tage bis Wochen später verzögert neurologische Symptome auftreten. Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisschwäche und Persönlichkeitsveränderungen beginnen meist schleichend. Die Prognose speziell bei Kindern ist unklar5) . Literatur 1) Degrandi, C., Kohlenmonoxid Intoxikation bei Kindern 2003–2012, ToxZentrum, 2013. 2) Chesney, M.L., Carbon monoxide poisoning in the pediatric population. Air Med J, 2002. 21 (6): p. 10–3. 3) Martin, J.D., K.C. Osterhoudt, and S.P. Thom, Recognition and management of carbon monoxide poisoning in children. Clinical Pediatric Emergency Medicine, 2000. 1 (3): p. 244–250. 4) Baum, C.R., What’s New in Pediatric Carbon Monoxide Poisoning? Clinical Pediatric Emergency Medicine, 2008. 9 (1): p. 43–46. 5) Meert, K.L., S.M. Heidemann, and A.P. Sarnaik, Outcome of children with carbon monoxide poisoning treated with normobaric oxygen. J Trauma, 1998. 44 (1): p. 149–54. Korrespondenzadresse Dr. med. Daniel Garcia Chefarzt Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche Inselspital 3010 Bern [email protected] Zeitschriftenreview Vol. 25 Nr. 1 2014 Zeitschriftenreview 2. Casasoprana A, Hachon Le Camus C, Claudet I, Grouteau E, Chaix Y, Cancesb C, Karsenty C, Cheuret E. Value of lumbar puncture after a first febrile seizure in children aged less than 18 months. A retrospective study of 157 cases. Archives de Pédiatrie 2013; 20: 594–600 Kommentare: Mustafa Mazouni, Lausanne Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds 1. Kuba VM, Leone C, Damiani D. Is waist-to-height ratio a useful indicator of cardio-metabolic risk in 6-10-year-old children? BMC Pediatrics 2013; 13: 91 Abstract Background Childhood obesity is a public health problem worldwide. Visceral obesity, particularly associated with cardio-metabolic risk, has been assessed by body mass index (BMI) and waist circumference, but both methods use sex-and age-specific percentile tables and are influenced by sexual maturity. Waist-to-height ratio (WHtR) is easier to obtain, does not involve tables and can be used to diagnose visceral obesity, even in normal-weight individuals. This study aims to compare the WHtR to the 2007 World Health Organization (WHO) reference for BMI in screening for the presence of cardio-metabolic and inflammatory risk factors in 6–10-year-old children. Methods A cross-sectional study was undertaken with 175 subjects selected from the Reference Center for the Treatment of Children and Adolescents in Campos, Rio de Janeiro, Brazil. The subjects were classified according to the 2007 WHO standard as normal-weight (BMI z score > −1 and < 1) or overweight/obese (BMI z score ≥ 1). Systolic blood pressure (SBP), diastolic blood pressure (DBP), fasting glycemia, low-density lipoprotein (LDL), high density lipoprotein (HDL), triglyceride (TG), Homeostatic Model Assessment – Insulin Resistance (HOMA-IR), leukocyte count and ultrasensitive C-reactive protein (CRP) were also analyzed. Results There were significant correlations between WHtR and BMI z score (r = 0.88, p < 0.0001), SBP (r = 0.51, p < 0.0001), DBP (r = 0.49, p < 0.0001), LDL (r = 0.25, p < 0.0008, HDL (r = −0.28, p < 0.0002), TG (r = 0.26, p < 0.0006), HOMA-IR (r = 0.83, p < 0.0001) and CRP (r = 0.51, p < 0.0001). WHtR and BMI areas under the curve were similar for all the cardio-metabolic parameters. A WHtR cut-off value of > 0.47 was sensitive for screening insulin resistance and any one of the cardio-metabolic parameters. Conclusions The WHtR was as sensitive as the 2007 WHO BMI in screening for metabolic risk factors in 6-10-year-old children. The public health message «keep your waist to less than half your height» can be effective in reducing cardiometabolic risk because most of these risk factors are already present at a cut point of WHtR ≥ 0.5. However, as this is the first study to correlate the WHtR with inflammatory markers, we recommend further exploration of the use of WHtR in this age group and other population-based samples. Kommentar Ein erhöhter Body Mass Index (BMI) im Alter von 10 Jahren gilt als bedeutender Risikofaktor, im Erwachsenenalter frühzeitig an einem Herzinfarkt zu sterben. Die Insulinresistenz scheint im Zusammenhang mit Adipositas in der Pathogenese von Arteriosklerose und metabolischem Syndrom eine bedeutende Rolle zu spielen. Bisher ist der BMI der gebräuchlichste anthropometrische Index zum Nachweis einer Adipositas im Kindesalter. In dieser Studie vergleichen die Autoren erstmals die Ratio Bauchumfang/Körperlänge (Waistto-Height Ratio, WtHR) mit dem BMI-Standard der WHO von 2007, die gegenwärtige Referenz zur Abschätzung der kardiovaskulären und metabolischen Risikofaktoren. Die Resultate sind in mehr als einer Hinsicht interessant: 1. Es besteht eine starke Korrelation zwischen WtHR und BMI-Standard der WHO; 2. Das Messverfahren ist einfach und wenig aufwändig, es kann auf alters- und geschlechtsabhängige Kurven verzichtet werden; 3. Ein Grenzwert von 0.5 der WtHR gilt als Indikator, beim Kind wie beim Erwachsenen, männlich oder weiblich, für das Vorhandensein von Bauchfett selbst bei normalem Gewicht. Der «Take Home Message» der Autoren «Haltet euren Bauchumfang unter der Hälfte eurer Körperlänge» richtet sich an alle, die kardiovaskulären und metabolischen Risiken vorbeugen wollen. 46 Summary Aim Because meningitis symptoms are not very specific under the age of 18 months, lumbar puncture (LP) was widely recommended in children presenting a febrile seizure (FS). Recent retrospective studies have challenged this age criterion. In 2011, the American Academy of Pediatrics updated its guidelines for the first episode of simple FS: LP is indicated if signs suggestive of meningitis are present and remains «an option» in case of prior antibiotic treatment or between the age of 6 and 12 months if the child is not properly vaccinated against Haemophilus and Streptococcus pneumoniae. Because the meningitis epidemiology and the vaccination coverage are different, the objective of this study was to evaluate whether these new guidelines were applicable in France. Patients and methods Between 2009 and 2010, we conducted a retrospective single-center study including 157 children aged less than 18 months admitted to the pediatric emergency department (Children’s Hospital, Toulouse, France) for their first febrile seizure. The data collected were: type of seizure, knowledge of prior antibiotic treatment, neurological status, signs of central nervous system infection, and biological results (LP, blood cultures). Results Lumbar puncture was performed in 40 % of cases (n = 63). The diagnosis of meningitis/ encephalitis was selected in eight cases: three cases of viral meningitis, three bacterial meningitis (Streptococcus pneumoniae), and two non-herpetic viral encephalitis. The incidence of bacterial meningitis in our study was 1.9 %. The risk of serious infection, bacterial meningitis or encephalitis, was increased when there was a complex FS (14 % versus 0 % with a simple FS, P = 0.06). The presence of other suggestive clinical symptoms was strongly associated with a risk of bacterial meningitis/encephalitis (36 % in case of clinical orientation versus 0 % in the absence of such signs, P < 0.001). Zeitschriftenreview Vol. 25 Nr. 1 2014 Discussion All severe clinical presentations were associated with complex FS (prolonged, focal, and/ or repeated seizures) and the presence of other suggestive clinical signs (impaired consciousness lasting longer than 1 h after the seizure, septic aspect, behavior disorders, hypotonia, bulging fontanel, neck stiffness, petechial purpura). The risk of bacterial meningitis or encephalitis associated with a simple FS and followed by a strictly normal clinical examination is extremely low. Conclusion After a simple febrile seizure without any other suggestive signs of meningitis, systematic lumbar puncture is not necessary even in children younger than 18 months. LP remains absolutely indicated if clinical symptoms concentrate on central nervous system infection and should be discussed in case of complex seizures, prior antibiotic treatment, or incomplete vaccination. Kommentar Es ist sinnvoll, gewisse Tatsachen in Erinnerung zu rufen, wenn es um die Entscheidung geht, bei einem ersten Fieberkrampf (FK) eine Lumbalpunktion (LP) durchzuführen: 1. Krämpfe treten in 30 % der Fälle von Meningitis und 50 % der Fälle von Meningo-Enzephalitis auf; 2. Bei Säuglingen sind Meningitissymptome oft diskret und unspezifisch (Verdauungs-, Verhaltensstörungen, Veränderungen von Tonus oder Hautfarbe, neurovegetative Zeich en); 3. Die heutigen Impfprogramme haben die Epidemiologie der bakteriellen Meningitis radikal verändert (H. influenzae, S. pneumoniae); 4. Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat 2011 neue Empfehlungen zur Betreuung eines erstmaligen einfachen FK veröffentlicht: «Eine LP muss durchgeführt werden, wenn zusätzliche meningitisverdächtige Symptome bestehen; sie wird in Betracht gezogen beim 6–12-monatigen Säugling falls ungenügend gegen H. influenzae und S. pneumoniae geimpft oder bei unbekanntem Impfstatus, ebenso bei vorangegangener Antibiotikatherapie. Bei komplizierten Fieberkrämpfen wird die LP weiterhin empfohlen.» Den Autoren der vorliegenden Studie ging es darum, zu untersuchen, ob diese nordamerikanischen Kriterien auch in Frankreich angewandt werden können. Sie stellen fest: 1. Eine Inzidenz bakterieller Meningitiden von 1.9 % (hoch im Vergleich zu anderen Studien mit Inzidenzen zwischen 1,2 % und 0.23 %); 2. Alle schweren Formen (bakterielle Meningitiden und Meningoenzephalitiden) waren mit komplizierten FK assoziiert; 3. Das Vorhandensein eines zusätzlichen meningitisverdächtigen Symptoms war signifikant mit der Diagnose Meningitis assoziiert, und dieser Zusammenhang war noch ausgeprägter, wenn nur die schweren Formen berücksichtigt wurden. Nach der Durchsicht zahlreicher Serien (mit mehr oder weniger widersprüchlichen Resultaten) einfacher FK im Kindesalter kommen die Autoren zu folgenden Schlussfolgerungen: Die Indikation zur LP infolge eines einfachen FK bei einem korrekt geimpften Kind, das keine Antibiotika eingenommen hat, soll nach einer Beobachtungszeit von 4–6 Stunden auf klinischen und anamnestischen und nicht Alterskriterien beruhen. Die LP ist hingegen immer indiziert bei einem komplizierten FK. Diese Schlussfolgerungen entsprechen denen der AAP. 3. Gwee A et al. To x-ray or not to x-ray? Screening asymptomatic children for pulmonary TB: a retrospective audit. Arch Dis Child 2013; 98: 401–4. Abstract Objective Recent studies found that a chest x-ray (CXR) has limited value in the assessment of asymptomatic adults with tuberculosis (TB) infection. We aimed to determine in asymptomatic children with a positive tuberculin skin test and/or interferon-γ release assay (TST/IGRA) whether a CXR identifies findings suggestive of pulmonary TB. Design, setting and patients All children with TB infection (defined as TST ≥ 10 mm and/or positive IGRA) presenting to The Royal Children’s Hospital Melbourne during a 54-month period were included. All CXRs were reviewed by a senior radiologist blinded to the clinical details. The medical records of those with radiological abnormalities suggestive of TB were examined to identify those who were asymptomatic when the CXR was done. Demographical data were also collected. Results CXRs were available for 268 of 330 TB infected children, of whom 60 had CXR findings suggestive of TB. Of the 57 for whom clinical details were available, 26 were asymptomatic. Of these asymptomatic children with radiological abnormalities suggestive of TB, 6 had CXR findings suggestive of active TB, 14 had CXR findings suggestive of prior TB and 6 had isolated non- 47 calcified hilar lymphadenopathy. The six with findings suggestive of active TB represented 2.6 % (95 % CI 0.9 to 5.5 %) of asymptomatic TST/IGRApositive children with evaluable CXRs. One child with isolated hilar lymphadenopathy had microbiologically confirmed TB. Conclusions In contrast to the results from studies in adults, a CXR identified a small but noteworthy number of children with findings suggestive of pulmonary TB in the absence of clinical symptoms. Kommentar Tuberkulin-Hauttest (THT) und/oder Interferon -Bestimmung (IFN) unterscheiden bei einem Risikokind nicht zwischen einer Tuberkuloseinfektion (TBI) und einer aktiven Tuberkulose (TBA). Obwohl die Lungentuberkulose im Allgemeinen symptomatisch ist, empfehlen pädiatrische Guidelines, beim asymptomatischen Kind mit positiven THT oder IFNzum Ausschluss einer TBA immer ein Thoraxröntgenbild (ap und seitlich) (TR) durchzuführen. Dieses Vorgehen ist wichtig, da eine TBA eine Behandlung mit mindestens drei Tuberkulostatika erfordert, während eine TBI mit Isoniazid alleine oder kombiniert mit Rifampicin behandelt wird. Zwei neuere Studien bei erwachsenen Patienten stellen dieses pädiatrische Vorgehen in Frage. Sie weisen nach, dass das systematische TR beim asymptomatischen Erwachsenen mit positivem THT unnötig ist. Die Autoren der vorliegenden Studie untersuchten deshalb den Nutzen des TR beim asymptomatischen Kind mit positiven THT/ IFN. Durch die 268 durchgeführten TR wurden 60 Kinder identifiziert mit Zeichen, die auf eine TBA hinwiesen; davon litten 2.6 % tatsächlich an einer TBA. Im Gegensatz zu den Ergebnissen beim Erwachsenen, wird durch das systematische Durchführen eines TR beim asymptomatischen Kind mit positiven THT/IFN eine kleine, jedoch signifikante Anzahl Kinder mit einer TBA identifiziert. 4. Parkes A, Sweeting H, Wight D, Henderson M. Do television and electronic games predict children’s psychosocial adjustment? Longitudinal research using the UK Millennium Cohort Study. Arch Dis Child 2013; 98: 341–8. Abstract Background Screen entertainment for young children has been associated with several aspects of psy- Zeitschriftenreview chosocial adjustment. Most research is from North America and focuses on television. Few longitudinal studies have compared the effects of TV and electronic games, or have investigated gender differences. Purpose To explore how time watching TV and playing electronic games at age 5 years each predicts change in psychosocial adjustment in a representative sample of 7 year-olds from the UK. Methods Typical daily hours viewing television and playing electronic games at age 5 years were reported by mothers of 11014 children from the UK Millennium Cohort Study. Conduct problems, emotional symptoms, peer relationship problems, hyperactivity/inattention and prosocial behaviour were reported by mothers using the Strengths and Difficulties Questionnaire. Change in adjustment from age 5 years to 7 years was regressed on screen exposures; adjusting for family characteristics and functioning, and child characteristics. Results Watching TV for 3 h or more at 5 years predicted a 0.13 point increase (95 % CI 0.03 to 0.24) in conduct problems by 7 years, compared with watching for under an hour, but playing electronic games was not associated with conduct problems. No associations were found between either type of screen time and emotional symptoms, hyperactivity/inattention, peer relationship problems or prosocial behaviour. There was no evidence of gender differences in the effect of screen time. Conclusions TV but not electronic games predicted a small increase in conduct problems. Screen time did not predict other aspects of psychosocial adjustment. Further work is required to establish causal mechanisms. Kommentar Mehrstündiges Fernsehen wurde bei Kindern mit Adipositas, Schlafstörungen, Verarmung kognitiver Leistungen und schwachen intellektuellen Kompetenzen assoziiert. Diese Gewohnheit kann auch zu Verhaltens- und emotionalen Störungen, wie Aggressionen, Angstgefühle und Depression führen. Die meisten Untersuchungen in diesem Bereich wurden in den USA durchgeführt und erga- Vol. 25 Nr. 1 2014 ben, dass länger vor einem Bildschirm (TV oder elektronische Spiele) verbrachte Zeit mit emotionalen und Verhaltensstörungen assoziiert ist, obwohl die Resultate nicht immer aussagekräftig sind. Im Übrigen untersuchten nur einige wenige Arbeiten getrennt den möglichen Einfluss von TV und Videospielen auf Kinder. In Grossbritannien pflegen 5–7-jährige Kinder TV, Videos und DVDs anzuschauen und mit elektronischen Spielen zu spielen. 2011 waren es 15 Std./Woche TV und 6½ Std./Woche elektronische Spiele. Anhand eines durch die Mütter ausgefüllten Fragebogens wurden in dieser englischen Studie (The Millenium Cohort Study) bei über 10000 7-jährigen Kindern die möglichen psychosozialen Veränderungen durch die Benutzung von TV und elektronischen Spielen im Alter von 5 Jahren getrennt untersucht. Die Resultate ergeben, dass 3 Stunden oder mehr TV-schauen im Tag im Alter von 5 Jahren mit 5–7 Jahren vermehrt zu Verhaltensstörungen führt. Es wurden keine weiteren Auswirkungen, wie Hyperaktivität/ Aufmerksamkeitsdefizit, emotionale Symptome oder asoziales Verhalten durch intensives Fernsehen festgestellt. Die Autoren haben keinerlei psychosoziale Probleme im Alter von 7 Jahren infolge häufigen Handhabens elektronischer Spiele im Alter von 5 Jahren festgestellt. Diese Studie ist insofern von Bedeutung, als sie erstmals longitudinal den Zusammenhang zwischen ausgiebigem Gebrauch von TV und elektronischen Spielen und Störungen der psychosozialen Adaptation untersucht. 5. Crook J, Taylor RM. The agreement of fingertip and sternum capillary refill time in children. Arch Dis Child 2013; 98: 265–8. Abstract Objectives To determine the agreement of fingertip and sternum capillary refill time (CRT) in children. Design Prospective, method-comparison study. Setting Single children’s emergency department, UK. Participants 92 children aged 0–12 years, with clinical observations within normal ranges for their age, no relevant medical history and presenting to hospital with a minor illness or injury. 48 Main outcome measures Agreement between fingertip and sternum CRT measurements. Results Fingertip CRT ranged from 0.05 to 2.78 s with a mean of 1.08±0.44 and sternum CRT ranged from 0.85 to 2.38 s with a mean of 1.5±0.33. There was a significant difference between fingertip and sternum CRT (t=−9.2, df=91, p=<0.001) and a weak association between the two measurements (r=0.18, p=0.9). A Bland Altman comparison showed the mean difference between fingertip and sternum CRT was −0.49±0.51 with an upper and lower limit of agreement ranging from −1.5 (95 % CI −1.69 to −1.32) to 0.53 (95% CI 0.34 to 0.71). Conclusions Measurements of CRT taken at the fingertip and sternum are not comparable. Fingertip CRT was faster than sternum CRT. Normal CRT is 2–3 s. The current study questions the usefulness of CRT in the assessment of circulation in children. Kommentar Die Rekapillarisierungszeit (RKZ) wird gewöhnlich zur klinischen Beurteilung eines Schockoder Dehydratationszustandes benutzt und deren Verlängerung legt eine verminderte periphere Perfusion nahe. Fingerspitze und Sternum werden klassischerweise zur Bestimmung der RKZ empfohlen: Die Fingerspitze widerspiegelt die periphere, das Sternum die zentrale Zirkulation. Diese Methode kann durch unabhängige Faktoren wie Extremitäten- oder Umgebungstemperatur oder die Beleuchtung beeinflusst werden. Zweck der Studie war es, bei leicht kranken Kindern in gutem Allgemeinzustand zu bestimmen, ob zwischen der RKZ an der Fingerspitze und am Sternum Übereinstimmung besteht. Es ergab sich, dass: 1. Sich die beiden Methoden signifikant unterscheiden; 2. Keine Kor relation zwischen den Messungen an den beiden Körperteilen besteht; 3. Die Bestimmungen an beiden Orten nicht austauschbar sind; 4. Eine Standardisierung der Methode notwendig ist, um Störfaktoren auszuschlies sen. Gemäss den Autoren beträgt die normale RKZ an der Fingerspitze 2–3 Sekunden. Die Untersuchung wird durch dunkle Hautfarbe und beim Säugling durch die kleinen Finger erschwert. Es wird empfohlen, insbesondere beim Neugeborenen für diese Untersuchung andere Körperstellen zu prüfen (Stirne/Thorax). Zeitschriftenreview Vol. 25 Nr. 1 2014 Kinderunfälle dem Alter von 3 Jahren durchführten. In Kanada war seitdem kein solcher Tosdesfall mehr zu beklagen. Olivier Reinberg, Lausanne Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds Halsketten gegen Babys Zahnweh Die Autoren kommen auf ein Thema zurück, das uns wichtig ist und von (Un)Nutzen und Gefahr der Halsketten gegen Zahnschmerzen bei Kleinkindern handelt. Sie verursachen Strangulationsunfälle und Inhalation von Perlen. Von März bis Juli 2013 wurde in der pädiatrischen Notfallstation der Unité de pédiatrie générale des CHU de Toulouse et de Montauban Eltern ein Informationsblatt mitgegeben, mit der Einladung zu einem Gespräch zum Thema Halsketten bei Kleinkindern im Alter von 14 ± 7 Monate. Aus den 25 aufgenommenen Interviews geht hervor, dass die Kinder ihre Halskette seit dem Alter von 4 ± 2 Monate (!!) tragen. 11 Familien haben die Teilnahme an der Studie abgelehnt. Kein Verkäufer hatte die Eltern auf die Strangulations- oder Inhalationsgefahr hingewiesen. Das Tragen der Kette wurde meist durch Freunde oder durch die Familie empfohlen, oft war die Kette wegen ihren angeblich schmerzlindernden Tugenden ein Geburtsgeschenk. Die Eltern anerkennen den gutartigen Charakter des Zahnens, fürchten aber dessen Symptome. Das Strangulationsrisiko ist der Hälfte der Eltern bekannt, übertrifft aber nicht die Furcht, ihr Kind leiden zu sehen. Ein Drittel der Familien griff ebenfalls auf andere holistische und esoterische Praktiken zurück (Magnetiseur, Homöopathie, Wallfahrt). Abbildung: «Die Vorstellungen der heutigen Eltern sind weniger reichhaltig als die antiken Vorstellungen, mischen aber Analogien, Paradoxa, Familientradition und Glauben. Der Glauben der Eltern an diesen Brauch ist im Rahmen eines kollektiven Bedürfnisses zu sehen, das Kleinkind mit schützendem Zubehör zu versehen und ihm so das Überstehen einer schwierigen Etappe zu erleichtern.» Der Ort des Kaufes bürgt für die angeblichen Qualitäten: Die Apotheke, Sinnbild authentischer Produkte, wird bevorzugt. Sie zeugt für Wohltat und Risikofreiheit. Wie wir dies 1992 (Paediatrica 1992, 4 (1): 24–27) und 2009 (Paediatrica, 2009; 20 (2): 76) schrieben, beklagen auch diese Autoren die Unverantwortlichkeit der Apotheker, die diese gefährlichen Artikel weiterhin verkaufen. Dem Beitrag fehlt es nicht an Humor. Er bietet einen interessanten historischen Rückblick über frühere Praktiken und verwendete Materialien. Heute wird Bernstein oder meist ein optisch täuschend ähnlicher Ersatz (Kopal, Plastik, Amalgam) benutzt. Die Autoren tun uns den Gefallen, die traurigen Statistiken von Strangulation durch Halsketten bei Kleinkindern zu zitieren, inbegriffen jene des pädiatrischen Notfalldienstes des Hôpital Necker, Paris, von 2003, mit 30 Todesfällen durch Halsketten. Sie erinnern auch daran, dass Kanada, die USA und Australien diese Halsketten zwar nicht verbieten können (es sind weder Spielzeuge noch Mittel, die zur Kinderpflege dienen), aber Abschreckungskampagnen gegen das Tragen solcher Halsketten vor Diese «Stellungsregler» sollen ein Rollen des Babys bzw. den «Flachkopf» verhindern. 49 Die Autoren unterstreichen in ihrer Schlussfolgerung nochmals die Gefährlichkeit dieser Halsketten gegen Zahnschmerzen bei Kleinkindern und fordern die Apotheker auf, «den gewinnbringenden Handel auf Kosten gutgläubiger Eltern, die für das Wohl ihrer Kinder zu allem bereit sind, aufzugeben.» Unsererseits ermuntern wir alle Kinderärzte wie auch alle anderen Fachleute, die mit Kleinkindern zu tun haben, vom Tragen dieser potentiell gefährlichen Halsketten abzuraten, sie entfernen zu lassen oder sie selbst zu entfernen, wie ich dies seit 25 Jahren tue. Referenz Port de colliers de dentition chez le nourrisson. Taillefer A, Casasoprana A, Cascarigny F, Claudet I. Arch Fr Pediatr 2012; 19: 1058–1064. Studienzentrum: Urgences pédiatriques et de l’unité de pédiatrie générale des CHU de Toulouse et de Montauban, France. Baby-Positioner: Achtung Gefahr! Wir geben eine Warnung der U.S. Centers for Disease Control and Prevention wieder, die auf die Gefahren von Einrichtungen (sog. Baby-Positioner) aufmerksam machen, die schlafende Babys in einer bestimmten Lage festhalten sollen. In den USA ereignen sich über 1000 Todesfälle durch unfallbedingtes Ersticken. Seit 1984 hat sich die Zahl im Zusammenhang mit der Verwendung von gefährlichen Einrichtungen im Bett von Kleinkindern vervierfacht. Diese Baby-Positioner werden zunehmend beliebt, sind aber für eine signifikante Zahl Erstickungsunfällen verantwortlich. Die Food and Zeitschriftenreview Drug Administration (FDA) empfiehlt sie zwar für bestimmte Indikationen (z. B. nachgewiesener gastroösophagealer Reflux), von einem allgemeinen Gebrauch wird jedoch abgeraten. Leider schreiben sich viele dieser Einrichtungen Qualitäten zu, die sie nicht besitzen, wie die Vorbeugung des SIDS oder eine Verbesserung des kindlichen Schlafes. Die U.S. Centers for Disease Control and Prevention haben die Umstände von 13 Todesfällen von Kindern untersucht, die im Zusammenhang mit einem Baby-Positioner erstickt sind. Die Säuglinge, 21 Tage bis 4 Monate alt, waren in Seitenlage schlafen gelegt worden und die meisten wurden in Bauchlage mit dem Kopf im Baby-Positioner vorgefunden. Die Autoren erinnern an die Empfehlungen der American Academy of Pediatrics (AAP), Kinder nicht in Seiten- sondern in Rückenlage schlafen zu legen, und in ihrem Bett keine Kissen oder andere weiche Einrichtungen zu verwenden (American Academy of Pediatrics, Pediatrics 2011; 128: 1030–39). Seit dem 29. September 2009 empfiehlt die Food and Drug Administration (FDA) den Eltern «dringendst», keine von der FDA nicht anerkannte Baby-Positioner zu benutzen und hat die Hersteller aufgerufen, ihre Produkte nicht ohne vorherige Prüfung und Genehmigung durch die FDA zu verkaufen. Sie wünscht vor allem zu überprüfen, dass die Produktangaben nicht nur dazu dienen, die Hersteller vor Strafverfolgung zu schützen und dass die günstige Wirkung auf den Schlaf und das Fehlen jeglicher Erstickungsgefahr nachgewiesen wurden. Zudem wurde eine Kampagne «Back-to-Sleep» (Schlaf auf dem Rücken) gestartet. Referenz Suffocation Deaths Associated with Use of Infant Sleep Positioners — United States, 1997–2011. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Morb Mortal Wkly Rep 2012; 61 (46): 933– 937. Vergiftungen im Kindesalter: Trend der verantwortlichen Produkte Einführend erinnern die Autoren daran, dass die Gesetze kindersichere Verschlüsse und Verpackungen betreffend, die Anzahl Vergif- Vol. 25 Nr. 1 2014 tungen drastisch gesenkt haben: So haben die «Palm-N-Turn»-Verschlüsse in der Provinz Ontario (Kanada) die Anzahl Vergiftungen um 75 % gesenkt. Es folgten Gesetze in den USA und in Kanada seit 1970 und in Europa zwischen 1970 und 1985 (aber immer noch nicht in der Schweiz! Anmerkung O. Reinberg). In Grossbritannien nahm die Anzahl Todesfälle durch Vergiftung bei Kindern unter 10 Jahren von 151 Fällen/100000 (1968) auf 23/ 100000 (2000) ab. In den USA wie in Grossbritannien stellt man jedoch eine beunruhigende Zunahme der Vergiftungsfälle durch Medikamente fest. Das National Poison Data System (NPDS), USA meldet für 2001–2008 eine Zunahme um 28 % der Arztbesuche wegen einer Vergiftung durch Medikamente bei Kindern unter 5 Jahren im Vergleich zum vorangehenden Jahrzehnt. Diese Studie wird durch weitere bestätigt und es ist heute so, dass Vergiftungen durch Medikamente häufiger sind als jene durch Haushaltprodukte. Meist handelt es sich um eine versehentliche Einnahme, Überdosierungen von Arzneimitteln sind jedoch sehr häufig. In Grossbritannien weisen der National Poisons Information Service (GB) und die Statistiken der web Toxbase (GB) dieselbe Tendenz nach, wobei das UK Office of National Statistics jedoch weniger Todesfälle registriert als die US-Statistiken. Die Resultate des Zentrums in Newcastle Upon Tyne von 2007 ergeben, dass 50 % der kindlichen Vergiftungen durch pharmazeutische Produkte bedingt sind. Die Autoren gehen den verschiedenen Möglichkeiten nach, Vergiftungen bei Kleinkindern vorzubeugen. Dazu gehört die Warnung an die Eltern, Medikamente ausser Reichweite für Kinder aufzubewahren, eine Massnahme die jedoch nur teilweise wirksam ist. Aus der Newcastle-Studie geht hervor, dass die versehentliche Einnahme eines Medikamentes oft nicht zuhause stattfindet. Die Autoren kommen auch auf die Verpackungen zu sprechen und weisen darauf hin, dass Blisters nicht als Sicherheitsverpackung zu betrachten sind. Nun werden aber über 50 % der Medikamente als Blister hergestellt und viele in dieser Verpackungsform verkaufte Medikamente für Erwachsene sind für ein 10 kg schweres Kind, das 1–2 Erwachsenendosen einnimmt, potentiell tödlich. Es gibt eine Vielzahl Verpackungen, die der europäischen Norm EN 14375 entsprechen, kostengünstig sind und deren Wirksamkeit bewiesen wurde. 50 Die Autoren können nicht verstehen, dass für Erwachsene bestimmte und für Kleinkinder potentiell gefährliche Medikamente nicht dieser Norm entsprechend verpackt werden und finden es «inconceivable», dass nur pädiatrische Medikamente so verpackt werden. Referenz Anderson M. Poisoning in young children. Arch Dis Child 2012; 97 (9): 831–832. Studienzentrum: National Poisons Information Service, Newcastle Upon Tyne Hospitals NHS Foundation Trust, Great North Children’s Hospital, Newcastle Upon Tyne, UK. Quecksilbervergiftung als hypertensive Krise erscheinend Dieser Artikel kann im Zusammenhang mit der schweren Quecksilberverschmutzung des Bodens zwischen Visp und Siders für die Walliser Kinderärzte von Nutzen sein. Die Autoren berichten über einen Fall von Quecksilbervergiftung bei einem 3-jährigen Mädchen, ohne Anhaltspunkt für eine Quecksilberexposition. Klinisch bestanden initial eine Hypertonie und Acrodynie. Die Quecksilberintoxikation wurde durch den erhöhten Quecksilberspiegel im 24-Urin bestätigt. Diese Vergiftung kann andere Krankheitsbilder mimen, wie ein Phäochromozytom oder eine Vaskulitis, umso mehr, als die Quecksilbervergiftung mit einem erhöhten Katecholaminspiegel einhergeht, was einen sekretierenden Tumor vermuten lässt. Die Behandlung bestand in der Verabreichung von Chelatbildnern, zusätzlich war eine antihypertensive Behandlung notwendig. Referenz Brannan EH, Su S, Alverson BK. Elemental mercury poisoning presenting as hypertension in a young child. Pediatr Emerg Care 2012; 28 (8): 812–814. Studienzentrum: Department of Pediatrics, Rhode Island Hospital; and Brown University, Providence, RI, USA. Verschluckte Knopfbatterien in den USA Nochmals ein Artikel zum Thema verschluckte Knopfbatterien; die U.S. Centers for Disease Control and Prevention erfassten alle in den USA von 1995 bis 2010 gemeldeten Fälle und führten eine prospektive Evaluation durch. Die Zeitschriftenreview Vol. 25 Nr. 1 2014 Studie greift den in Pediatrics publizierten (Pediatrics 2012; 129 (6): 1111–7) und in Paediatrica kommentierten (Paediatrica 2013; 24 (1)) Artikel wieder auf, beschränkt sich jedoch im Wesentlichen auf die Knopfbatterien. Durchgeführt wurde die Studie (einmal mehr!) durch die U.S. Consumer Product Safety Commission (CPSC). Sie basiert auf Daten des National Electronic Injury Surveillance System und umfasst 40400 Unfälle durch verschlucken von Batterien durch Kinder unter 13 Jahren. Über 20 mm messende Batterien sind problematisch, da sie im Oesophagus einklemmen und zu schwerwiegenden Komplikationen und sogar Todesfällen führen können. Drei Viertel der Fälle betrafen Kinder unter 4 Jahren, wovon 90 % ambulant behandelt werden konnten. Es kam jedoch zu 14 Todesfällen, 12 davon durch über 20 mm messende Knopfbatterien (3 Volt Lithiumbatterien CR 2032), die im Oesophagus von Kleinkindern (7 Monate bis 3 Jahre) stecken bleiben. Die CPSC ruft dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, damit die Elektronikindustrie und die Batterienhersteller ihre Produkte so ändern, dass sie für Kleinkinder weniger gefährlich sind. Die Spielzeugindustrie ist ebenfalls angesprochen: Der Sitz der Batterien sollte für Kinder nicht leicht erreichbar sein, der Deckel sollte z. B. nur mittels eines Schraubenziehers geöffnet werden können. Die Eltern müssen durch alle Fachleute entsprechend informiert und Batterien müssen für Kinder unerreichbar aufbewahrt werden. Eltern und Pflegepersonal müssen wissen, dass eine verschluckte Batterie ein Notfall darstellt, da sie im Oesophagus stecken geblieben sein könnte. Anmerkung O. Reinberg Es wurde mir vor kurzem ein 3-jähriges italienisches Mädchen überwiesen, mit einer zirkulären Oesophagusnekrose, als Folge einer verschluckten und im proximalen Oesophagus stecken gebliebenen Knopfbatterie von 22 mm Durchmesser. Zwischen dem Verschlucken und der Endoskopie waren 4–5 Stunden vergangen. Referenz Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Injuries from batteries among children aged <13 years – United States, 1995–2010. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2012; 61: 661–666. Leim in den Augen Die Autoren (Augenärzte) berichten über 3 Kinder (6 Jahre, 3 Jahre und 8 Monate alt), die versehentlich Leim (Super Glue) in die Augen bekamen. Leim führt zu einer partiellen Verklebung eines oder beider Augenlider. Das verklebte Augenlid wird vorsichtig abgehoben, mit den Fingern oder unter Zuhilfenahme einer feuchten Kompresse. In keinem Fall kam es zu einer Läsion der vorderen Augenkammer durch den Leim, in einem Fall jedoch wurden Hornhautverletzungen festgestellt, die auf die Reinigungsversuche der Familie zurückzuführen waren. Die Autoren schlagen vor, die Spezialisten machen zu lassen! Referenz Reddy SC. Superglue injuries of the eye. Inj J Ophtalmol 2012; 5 (5): 634–637. Studienzentrum: Department of Ophthalmology, School of Medical Sciences, University Sains Malaysia, Kubang Kerian, Kelantan, Malaysia. Bilanz nach Einführung der obligatorischen Kindersitze für 4–7-jährige Kinder in den USA Die Autoren vergleichen das Verletzungs- und Todesrisiko von 4–7-jährigen Kindern in den US-Staaten, welche zusätzlich zu den Sicherheitsgurten das Obligatorium für Kindersitze eingeführt haben, mit jenen, die in dieser Beziehung noch keine gesetzlichen Vorschriften kennen. Zwischen 2001 und 2009 haben 47 Staaten und der Distrikt Columbia entsprechende Gesetze erlassen. Die Autoren vergleichen nach Alterskohorten, da nicht alle Staaten dieselben Altersgrenzen eingeführt haben. Die Studie umfasst 3639 Unfälle. Der Unterschied ist für alle Altersklassen signifikant. So nahm z. B. das Todesrisiko für die 4–5-jährigen nach Einführen des Gesetzes von 5.7/100000 auf 0.4/100000 ab, während in den Staaten ohne gesetzliche Vorschrift das Todesrisiko für die gleiche Altersklasse unverändert blieb. Gemäss einem von den Autoren zitierten Rapport des Insurance Institute for Highway Safety (US) von 2010, benutzen 34 % der 4–7-jährigen Kinder den Sicherheitsgurt ohne Kindersitz und 11 % sind gar nicht angegurtet. 51 In den USA sind also noch Fortschritte zu machen. Die American Academy of Pediatrics (AAP) empfiehlt, Kindersitze zu benutzen bis der Sicherheitsgurt sich in natürlicher Stellung auf dem Schlüsselbein des Kindes platziert, d. h. für Kinder bis 12 Jahren je nach Grösse oder bis diese ca. 150 cm betragen. Kommentar Glücklicherweise wurde in der Schweiz ein entsprechendes Gesetz erlassen. Seit dem 1. April 2010 «muss für Kinder unter zwölf Jahren, die kleiner als 150 cm sind, eine geeignete Kinderrückhaltevorrichtung (z. B. Kindersitz) verwendet werden, gemäss Serie 03 oder 04 des ECE-Reglementes Nr. 44. Kinder über 12 Jahren oder unter 12 Jahren, die grös ser als 150 cm sind, müssen die vorhandenen Sicherheitsgurten während der Fahrt tragen.» (Verkehrsregelnverordnung (VRV) vom 13. November 1962 (SR 741.11), Änderung vom 14. Oktober 2009 (AS 2009 5701). Die Standardhöhe der Verankerungen von 3-Punkte-Sicherheitsgurten der hinteren Sitze entspricht in europäischen Fahrzeugen nur den Sicherheitskriterien für Mitfahrer mit einer Grösse von 150 cm oder darüber. Die 50. Perzentile für 12-jährige Schweizer Kinder liegt bei 150 cm. Deshalb wurde diese Norm im Gesetz verankert; Kinder mit einer höheren Perzentile, die also grösser sind, sind damit vom Kindersitz befreit. Der Kindersitz hat eine doppelte Funktion. Einerseits entsteht dadurch ein schräger Zug nach unten des horizontalen Teiles des Sicherheitsgurtes, der so auf Beckenhöhe zu liegen kommt und andererseits liegt der schräge Teil über dem Schlüsselbein. Das Risiko einer Bauchverletzung ist dreimal geringer, wenn der Gurt über dem Becken und nicht über dem Abdomen liegt. In der Kategorie der 4–8-Jährigen verhindert der Kindersitz Bauchverletzungen (Paediatrica 2010; 21 (4): 36–37). Referenz R. Mannix, E. Fleegler, WP. Meehan III, SA. Schutzman et al. Booster Seat Laws and Fatalities in Children 4 to 7 Years of Age. Pediatrics 2012; 130; 996–1002. Studienzentrum Divisions of Emergency Medicine, and Sports Medicine, Children’s Hospital Boston, Boston, Massachusetts; and The Micheli Center for Sports Injury Prevention, Boston MA, USA. Stellungnahme Vol. 25 Nr. 1 2014 Einschreiben Bundesamt für Gesundheit Abteilung Leistungen Schwarzenburgstrasse 165 3003 Bern 30. Januar 2014 Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Anhörung zur Verordnung über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung Sehr geehrte Damen und Herren Als eine der Trägerorganisationen des Berufsverbands der Haus- und Kinderärzte Schweiz war die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie von Anfang an in die Masterplanverhandlungen involviert. Sie hat sich stets für eine tarifpartnerschaftliche Lösung für ein gerechteres Einkommen der Kinderärzte eingesetzt. Da diese trotz intensiven Bemühungen nicht zustande gekommen ist, begrüssen wir die Initiative des Bundesrates, die gegenwärtige Blockade mit einem gezielten und befristeten Eingriff zur Besserstellung der Haus- und Kinderärzte im Tarmed zu überwinden. Im Anhörungsverfahren über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung schliessen wir uns daher der von den Haus- und Kinderärzten Schweiz am 14.01.2014 eingereichten Stellungnahme vollumfänglich an. Aus Sicht der Kinder- und Jugendärzte sind folgenden Punkte von besonderer Bedeutung und müssen unbedingt verbessert werden: Die neue Zuschlagsposition darf nicht nur mit der Position 00.0010 anwendbar sein, sondern muss unbedingt ebenfalls mit den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen verrechnet werden können, machen diese doch einen wichtigen Teil der Konsultationen in der Pädiatrie aus (die Vorsorgeuntersuchungen dürfen nach geltender Regelung nicht zusammen mit 00.0010 abgerechnet werden). Die Übergangslösung soll wie im Rahmen der Masterplanverhandlungen versprochen, schon am 1. Juli 2014 und nicht erst im Oktober in Kraft treten. Nur Fachärzte Kinder- und Jugendmedizin sowie Fachärzte Allgemeine und Innere Medizin sollen diese Position verwenden können. Hiermit soll eine qualitativ hochwertige Grundversorgung unserer Patienten gefördert werden. Konsequenterweise müssen die Leistungen von Praktischen Ärzten mit einer eingeschränkten Weiterbildung und Spezialistenleistungen vom Zuschlag ausgenommen werden. Doppeltitelträger sollen zur Abrechnung berechtigt sein, wenn sie hausärztliche Leistungen erbringen. Sie sollen aber am selben Tag beim selben Patienten nur entweder hausärztlich oder spezialärztlich tätig sein können. Der Zuschlag soll in Franken und nicht in Taxpunkten gewährt werden und damit für die ganze Schweiz gleich hoch sein. Dieses Anhörungsverfahren ist für uns von grosser Wichtigkeit, geht es doch nicht nur um die Besserstellung der Haus- und Kinderärzte, sondern um einen wegweisenden Entscheid für die Zukunft einer ganzen Berufsgruppe. In dem Sinn danken wir Ihnen für die Gelegenheit zur Stellungnahme und die Unterstützung unserer Anliegen. Mit freundlichen Grüssen Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie Dr. Nicole Pellaud Präsidentin Dr. Philipp Jenny Vorstandsmitglied SGP Delegierter MFE 52 Babies – Schutz durch PertussisBoosterimpfungen des Umfelds 1,2,3 Boostrix® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz Boostrix® (dTpa): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit anderen Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile; akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie oder neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie und/oder Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung ohne sonst erkennbare Ursache, Kollaps oder schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder anhaltendes, untröstliches Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder Krampfanfälle mit oder ohne Fieber innerhalb der ersten 3 Tage nach der Impfung. Bei Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig mit anderen Impfstoffen oder Immunglobulinen – jeweils an einer anderen Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen (Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B) Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter [email protected] GlaxoSmithKline AG Talstrasse 3–5 CH-3053 Münchenbuchsee Telefon +41 (0)31 862 21 11 Telefax +41 (0)31 862 22 00 www.glaxosmithkline.ch 1006582 Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix® (www.swissmedicinfo.ch). Befreit die Atemwege Ab 2 Ja hren Speziell für Kinder geeignet 1006902 • Pflanzliche Wirkstoffe • Guter Geschmack • Zahnschonend Biomed AG CH-8600 Dübendorf Tel +41 (0)44 802 16 16 Fax +41 (0)44 802 16 00 [email protected] www.biomed.ch htig pflic kassen Gekürzte Fachinformation Sinupret® Sirup (pflanzliches Arzneimittel). Z: Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten, Sauerampferkraut, Holunderblüten, Eisenkraut. I: Entzündungen von Nasennebenhöhlen und Atemwegen. D: >12 J.: 3 x tgl. 7.0 ml; >6 J.: 3 x tgl. 3.5 ml; >2 J.: 3 x tgl. 2.1 ml. Schwangerschaft: Über die Anwendung entscheidet der Arzt. KI: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe. UW: Gelegentlich Magen-Darm-Beschwerden, selten Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut, selten schwere allergische Reaktionen. P: Sinupret® Sirup 100 ml*. Warnhinweis: Enthält 8 Vol.-% Alkohol. Liste C. Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch oder www.compendium.ch. *kassenpflichtig