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Fortbildungszeitschrift und Informationsbulletin der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
Vol. 25
9
Nr. 1
II/2014
Funktionelle Bauchschmerzen
14
Antiepileptische Therapie im Kindesalter
23
Phthalate in der Neonatologie
28
Seltene Krankheit – Erwartungen von Eltern
32
Neue Medien – Herausforderung im Kinderschutz
Babies – Schutz durch PertussisBoosterimpfungen des Umfelds 1,2,3
Boostrix® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz
Boostrix® (dTpa): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung
auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die
Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit anderen Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile; akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem
Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie oder neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie
und/oder Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung ohne sonst erkennbare
Ursache, Kollaps oder schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder anhaltendes, untröstliches Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder Krampfanfälle mit oder ohne Fieber innerhalb der ersten 3 Tage nach
der Impfung. Bei Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig mit anderen Impfstoffen oder Immunglobulinen – jeweils an einer anderen Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen (Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit,
Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B)
Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter [email protected]
GlaxoSmithKline AG
Talstrasse 3–5
CH-3053 Münchenbuchsee
Telefon +41 (0)31 862 21 11
Telefax +41 (0)31 862 22 00
www.glaxosmithkline.ch
1006582
Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix® (www.swissmedicinfo.ch).
Inhaltsverzeichnis
Vol. 25 Nr. 1 2014
Redaktion
Prof. R. Tabin, Sierre (Schriftleiter)
Dr. M. Diezi, Lausanne
PD Dr. T. Kühne, Basel
Dr. U. Lips, Zürich
Dr. M. Losa, St. Gallen
Prof. M. Mazouni, Lausanne
Dr. M.-A. Panchard, Vevey
Dr. P. Scalfaro, Cully
Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Prof. A. Superti-Furga, Lausanne
Dr. R. von Vigier, Biel
Redaktionsadresse
c/o Prof. R. Tabin
Av. du Général Guisan 30
Postfach 942
CH-3960 Sierre
Tel. 027 455 05 05
Fax 027 455 59 55
[email protected]
Copyright
© Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Verlag – Herausgeber
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP)
www.swiss-paediatrics.org
Editorial
3· 2014!
N. Pellaud
Standespolitik
4· Titelbild der Paediatrica für das Jahr 2014
R. Schlaepfer
5· Echo aus dem Vorstand
N. Pellaud
6· Stellungnahme zu Auswirkungen der hochspezialisierten Medizin (HSM) auf die Zukunft der Pädiatrie in der Schweiz – Vorschlag zur Netzwerkbildung
C. Stüssi
8· Tarmed Info
M. Belvedere
Empfehlungen
9· Funktionelle Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen – Ein Update
B. Müller, M. Sidler
Fortbildung
14· Antiepileptische Therapie im Kindesalter
A. N. Datta
23· Die Belastung durch Phthalate in der Neonatologie
C. Fischer Fumeaux, M. Bickle Graz, V. Muelethaler, D. Palermo, C. Stadelmann, F. M’Madi, J.-F. Tolsa
Sekretariat / Adressänderungen
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Postfach 1380
1701 Fribourg
Tel. 026 350 33 44
Fax 026 350 33 03
[email protected]
Layout und Druck
s+z:gutzumdruck.
Nellenstadel 1
3902 Brig-Glis
Tel. 027 924 30 03
Fax 027 924 30 06
[email protected]
Inserate
Editions Médecine et Hygiène
Michaela Kirschner
Chemin de la mousse 46
1225 Chêne-Bourg
Tel. 022 702 93 41
[email protected]
Paediatrica
Erscheint 5 x jährlich für die Mitglieder der SGP.
Nicht-Mitglieder können beim Sekretariat
die Paediatrica zum Preis von Fr. 120.–
jährlich abonnieren.
Auflage
1950 Ex. / ISSN 1421-2277
Bestätigt durch WEMF
Nächste Ausgabe
Hinweise
26· SwissPedNet: Forschungszusammenarbeit im Dienste der Kinder
D. Nadal
8· Situation, Erwartungen und Bedürfnisse von Eltern eines Kindes mit einer
2
seltenen angeborenen Krankheit
C. de Kalbermatten
32· Neue Medien – Herausforderung im Kinderschutz
J. Stalder Muff
Aktuelles aus den pädiatrischen Schwerpunkt- und Fachgruppen
36· Kinderkardiologie
C. Balmer, N. Sekarski
7· Entwicklungspädiatrie
3
38· Pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie
J. Stalder Muff
39· Pädiatrische Gastroenterologie
Vorstand 2013/2014
40· Pädiatrische Nephrologie
G. Laube, P. Parvex
41· Pädiatrische Onkologie-Hämatologie
F. Niggli
42· Pädiatrische Pneumologie
F. Niggli
43· Swiss Group for Inborn Errors of Metabolism (SGIEM)
M. Baumgartner, J. M. Nuoffer, M. Huemer, L. Bonafé, D. Ballhausen, I. Kern
44· FMH-Quiz
Redaktionsschluss: 21.02.2014
Erscheinungsdatum: Nr. 2: 15.04.2014
Zeitschriftenreview
Titelbild
46· Zeitschriftenreview
Fotomontage: Eine Freske entsteht.
2013
Stories from home and here
Chloé Felix
49· Kinderunfälle
Für den Inhalt der Texte übernimmt die Redaktion
keine Verantwortung.
M. Mazouni / R. Schlaepfer
O. Reinberg
Stellungnahme
52· Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
N. Pellaud, P. Jenny
1
Kassenzulässig
Führend in medizinischer Hautpflege
Ohne
Limitatio
Nr.1
*
Kassenzulässig. Ohne Limitatio.
Excipial® U Hydrolotio, Lipolotio Z: U Hydrolotio: Ureum 20
mg/ml, Lipidgehalt 11%; U Lipolotio mit/ohne Parfum:
Ureum 40 mg/ml, Lipidgehalt 36%. I: Schutz und Pflege von
empfindlicher oder leicht entzündeter Haut vom normalen
bis leicht trockenen Hauttyp (U Hydrolotio) und trockenen
bis sehr trockenen Hauttyp (U Lipolotio), Intervallbehandlung mit Kortikoidpräparaten. D: 2–3 × tgl. auftragen. KI:
Nicht auf Wunden und offenen Hautpartien anwenden.
P: Lotio, Flaschen à 200 ml (SL) und 500 ml (Grand-Frère
Regelung). Liste D. Ohne Limitatio. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch. 0711/
280513
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Januar 2013
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Schutz und Pflege für empfindliche und trockene Haut.
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Editorial
Vol. 25 Nr. 1 2014
2014!
Nicole Pellaud, Präsidentin der SGP
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Liebe Mitglieder
2014 beginnt mit grossen Herausforderungen: Die Anerkennung der Hausarzt- und
Kinder- und Jugendmedizin durch den Masterplan sowie die Verordnung des Bundesrates
über die Tarifanpassung zur Verbesserung der
Stellung der Grundversorger; eine notwendige
Massnahme, die jedoch eine Übergangslösung bis zur unerlässlichen TARMED-Revision
sein sollte.
Im Namen des Vorstandes und des Sekretariats hoffe ich, dass 2014 Ihre und die Hoffnungen unserer Gesellschaft erfüllen wird.
Mit MFE müssen wir besonders darauf achten,
dass unsere Mitbürger und unsere Politiker
nicht vergessen, dass das Fachwissen, die
Verantwortung und die Ausübung des Arztberufes im Verantwortungsbereich der Ärzte
verbleiben muss: Wo sind die Grenzen der
Kompetenzen unserer Partner, wieweit reicht
ihre Autonomie, welche Handlungen werden
delegiert … sollte es sich darum handeln, sich
in ein Modell «Skill Mix» unter Gesundheitsfachleuten einzulassen, dann müssen unbedingt
Partnerschaft und klare Abgrenzungen von
Verantwortung und Aufgaben definiert werden.
Andererseits teilen wir mit Kinderchirurgen
und Kinder- und Jugendpsychiater der fPmh
das Bedürfnis, für die Interessen der Kindermedizin einzutreten und wir unternehmen
Schritte in diesem Sinne. Wir stehen in engem
Kontakt auch zu Kinderärzte Schweiz verschiedene Punkte betreffend, die derzeit zur
Diskussion stehen und Kinderärzte und die
Gesundheit der Kinder und Jugendlichen betreffen: Finanzielle Anerkennung des Stillens
während der Arbeitszeit, Harmonisierung der
Kinderschutzmassnahmen, eine nützliche Information zum Kaiserschnitt, und vor allem
die Vergütung durch die Krankenkassen der
pluridisziplinären Gruppen- und der multiprofessionellen Einzeltherapie für übergewichtige
und adipöse Kinder und Jugendliche, Vergütung die durch das Departement des Innern
beschlossen wurde.
Unser fPmh-Kongress 2014 «Überschreiten
von Grenzen» fordert uns auf, diesen Herausforderungen und Gelegenheiten offen und
kollegial entgegenzusehen.
3
Standespolitik
Vol. 25 Nr. 1 2014
Titelbild der Paediatrica
für das Jahr 2014
Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Chloé Felix.
Fotomontage: Eine Freske entsteht.
Stories from home and here
Das Titelbild für Paediatrica Nr. 25, 2014 ist
ein Gemeinschaftswerk. Aufgenommen wurde es durch die Fotografin Chloé Nicoletdit-Felix, gemalt wurde es durch die Insassen
des Zentrums für Asylsuchende in Couvet
im Kanton Neuenburg, unter Anleitung des
Kunstmalers Albeiro Sarria. Alle Insassen des
Zentrums, Jung und Alt, beteiligten sich einen
ganzen Tag lang an der Freske. Chloé Felix
erzählt: «Ein kleiner Knabe trug nur einige
wenige schüchterne Striche bei, es war magisch, ein anderer verbrachte den ganzen Tag
mit Malen.» Und sie hielt den Zauber der Situation in unzähligen Bildern fest, die für sich
alleine eine Ausstellung verdienten.
Das Projekt wurde durch einen Beitrag der
Stiftung Mercator Schweiz ermöglicht.
Chloé Nicolet-dit-Felix ist schweizerischaustralische Doppelbürgerin. Sie wohnt mit
ihrer Familie in Neuenburg und ist hauptsächlich in der Schweiz, in Indien und Aus­
tralien tätig. Nebst kommerziellen Aufträgen
sucht Chloé Felix Projekte zu Themen, die ihr
besonders nahe gehen, zu realisieren, wie
jenes im Zentrum von Couvet. Daneben bildet sie sich zur Ausstellungskommissarin
aus.
Chloé Felix ist Mitbegründerin der Vereinigung «Stories from home and here».
Die Vereinigung «Stories from home and
here» wurde 2013 gegründet und hat zum
Ziel, Menschen einander durch die Kunst näher zu bringen und den Austausch von Ideen
und Erfahrungen und aller Mittel zu fördern,
die Kreativität und Expression begünstigen.
Seit Beginn 2013 veranstaltet «Stories from
home and here» Workshops im Zentrum von
Couvet und lädt Kunstmaler, Musiker und
andere Künstler ein, ihr Können und Wissen
mit den Insassen zu teilen. Chloé Félix bereitet derzeit die Publikation von Fotos vor, die
von den Insassen des Zentrums aufgenommen wurden.
Die Vereinigung «Stories from home and here»
erhielt 2013 den vom Kanton Neuenburg
jährlich verliehenen Preis «Salut l’étranger!».
4
Albeiro Sarria wurde 1966 in Kolumbien
geboren. Nach dem Studium am Instituto
Departamental de Bellas Artes und am Instituto Popular de Cultura in Cali, ergänzt er
seine Ausbildung durch Foto-Journalistik sowie Lehrmethodologie und Kunstlehre. Er
lehrte in seinem Heimatland an der Akademie
für Berufsdesign, leitete Workshops und stellte in verschiedenen Galerien und Museen aus,
Höhepunkt war 1998 die Ausstellung im kolumbianischen Salon National. Albeiro Sarria
kam im Alter von 35 Jahren in die Schweiz.
Nebst seiner Tätigkeit als Kunstmaler leitet er
Ateliers. Er illustriert und schreibt auch Kinderbücher in spanischer und französischer
Sprache.
Der von der SGP an Chloé Felix überwiesene
Betrag diente einerseits dazu, mit den Insassen des Zentrums von Couvet das Papiliorama
in Kerzers zu besuchen und andererseits die
Bibliothek des Zentrums zu erweitern.
Standespolitik
Vol. 25 Nr. 1 2014
Echo aus dem Vorstand
Nicole Pellaud, Präsidentin der SGP
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Der Nukleus hat seine Sitzung am 7. November und der Vorstand am 5. Dezember 2013
abgehalten.
Informationen
Fortbildungsorgans zu erteilen, was eine
vermehrte Beteiligung unserer Mitglieder
an Publikationen und die Veröffentlichung
der offiziellen Berichte der SGP-Kongresse
beinhaltet.
News
•Das Eidgenössische Departement des Innern hat die Vergütung der multiprofessio­
nellen Einzel- und die pluridisziplinäre
Gruppentherapie für übergewichtige und
adipöse Kinder beschlossen. Es stehen nun
die Verhandlungen mit den Krankenkassen
an.
•Unsere Kollegen des Inselspitals Bern haben die Organisation des Kongresses 2016
angenommen.
•Das SIWF hat den Schwerpunkt Kindernotfallmedizin anerkannt.
Zusammenarbeit
Wir arbeiten weiterhin eng in allen Bereichen,
die die Pädiatrie angehen, mit FMH, fPmh,
Kinderärzte Schweiz, MFE und KHM zusammen:
Vertretung der Praxis- und Spitalpädiater in
der FMH, Anerkennung der Hausarzt- und
Kinder- und Jugendmedizin, Präventionsprojekte, Forsch­ung, Ausbildung und Qualität.
Wir koordinieren pädiatrische Stellungnahmen mit unseren Partnern.
Beschlüsse
•Die Arbeitsgruppe Tarmed ist für die SGP
von grosser Bedeutung; Bestrebungen, ihr
einen professionellen Rahmen zu geben,
sind im Gange.
•Es muss ein Referenzdokument zur Betreuung von Migrantenkindern geschaffen bzw.
aktualisiert weden. Da Mario Gehri (Hôpital
de l’Enfance, Lausanne) sich bereits mit
dieser Frage beschäftigt hat, wurde er
beauftragt, im Zusammenhang mit den
schweiz­weit unternommenen Integrationsbestrebungen, ein entsprechendes SGPDoku­ment zu erarbeiten.
•Paediatrica ist das Bulletin unserer Fachgesellschaft. Um sie aufzuwerten, wurde beschlossen, ihr das Mandat eines offiziellen
5
Standespolitik
Vol. 25 Nr. 1 2014
Stellungnahme zu Auswirkungen der
hochspezialisierten Medizin (HSM) auf
die Zukunft der Pädiatrie in der Schweiz –
Vorschlag zur Netzwerkbildung
Interessengruppe pädiatrischer Kliniken der Schweiz (IG)
Grundlagen
Die Kantone sind beauftragt, für den Bereich
der hochspezialisierten Medizin (HSM) eine
gesamtschweizerische Planung vorzunehmen
(Artikel 39, KVG). Dafür haben die Kantone
per 1.1.2009 die «Interkantonale Verein­
barung zur hochspezialisierten Medizin»
(IVHSM) unterzeichnet. Sie umfasst diejenigen medizinischen Bereiche oder Leistungen,
die sich sowohl durch Seltenheit als auch
durch mindestens 2 der 3 folgenden Kriterien
– hohes Innovationspotential, hoher personeller und technischer Aufwand, komplexes Behandlungsverfahren – auszeichnen.
Die HSM betrifft gemäss KVG nur den stationären Bereich. Viele Kinder mit ernsthaften
Krankheiten benötigen eine jahrelange Behandlung und Nachsorge, welche möglichst
ambulant und wohnortnah erfolgen sollte. In
der Pädiatrie gilt es zudem zu beachten, dass
fast alle schweren Krankheiten wie z. B. bösartige Tumore, invasive Infektionen, inflammatorische Erkrankungen, Fehlbildungen, genetische Erkrankungen oder schwere Unfälle
selten sind. Daher haben die Kinderspitäler in
der Schweiz seit vielen Jahren auf freiwilliger
Basis in vielen Bereichen – z. B. Neonatologie,
Nephrologie, Onkologie, Stoffwechsel, Transplantation – gut funktionierende Kooperationen aufgebaut.
Bisherige Entscheide 2011
In der Pädiatrie und Kinderchirurgie wurden
einige Bereiche der HSM unterstellt und verbindlich einigen Kinderspitälern zugeteilt. Im
September, resp. November 2011 wurden
durch das IVHSM-Entscheidungsgremium 10
Entscheide gefällt.
•Neugeborenen-Intensivpflege
(Extrem Frühgeborene)
•Schwere Verbrennungen
•Organtransplantationen
•Retinoblastome
•Elektive komplexe Chirurgie der Leber
und Gallenwege
•Elektive komplexe Chirurgie der Trachea
•Abklärung bei primärer/genetischer
Immundefizienz
•Spezielle angeborene Stoffwechsel­
störungen
•Behandlung der schweren Schädelhirntraumata
•Neurochirurgische Epilepsiebehandlung
Mit Ausnahme der «Verbrennungen» und der
«Neonatologie» wurde bei diesen Entscheiden
die de facto bereits auf freiwilliger Basis bestehende Konzentration «behördlich» für
verbindlich erklärt. Daher betrafen die Einsprache einiger Kinderspitäler beim Bundesverwaltungsgericht «nur» die Entscheide «Verbrennungen» und «Neonatologie».
Aktueller Entscheid 2013
Im September 2013 wurde auch ein Entscheid
zur pädiatrischen Onkologie gefällt. Dieser
betraf einerseits die autologe/allogene
Stammzelltransplantation, anderseits die bösartigen Tumore. Dabei wurde die Behandlung
der Neuroblastome, Weichteil- und Knochentumore und der Tumoren des Zentralnervensystems auf nur 3 Universitätskliniken beschränkt. Dabei wurde festgelegt, dass diese
3 Zentren nicht nur die initiale stationäre/
chirurgische Therapie durchführen, sondern
auch die Behandlung generell festlegen inkl.
der nachfolgenden ambulanten Therapie. Auf
den Vorschlag einiger Kinderspitäler, ein
Netzwerk mit gleichberechtigten Partnern
aufzubauen, wurde nicht eingegangen. Daher
haben mehrere betroffene Kinderspitäler
beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde
eingereicht.
Der Entscheid zur Onkologie wurde gefällt,
ob­wohl alle betroffenen Fachgesellschaften
– Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
6
(SGP), Schweizerische Gesellschaft für Kinderchirurgie (SGKC), Schweizerische pädiatrische Onkologiegruppe (SPOG) – diesen
Vorschlag vehement abgelehnt hatten. Eine
Hauptsorge war, dass durch diesen Entscheid
die peripheren Onkologien und Kinderchirurgien ihre Kompetenz und Motivation als reine
Empfehlsempfänger nicht aufrecht halten
könnten und über kurz oder lang verschwinden würden. Der Verlust der Onkologie bedeutet für alle grösseren Kinderkliniken automatisch, dass die anderen Schwerpunkte einen
wichtigen Partner verlieren mit dem Risiko,
dass die peripheren Kinderspitäler in die
Zweitklassigkeit absteigen.
Was gilt anfangs 2014?
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 26.
November 2013 ein rechtskräftiges Urteil zum
HSM-Bereich «Verbrennungen» gefällt. Es hat
den Entscheid aus formellen Gründen aufgehoben und die Sache an die HSM-Instanzen
zurückgewiesen. Insbesondere kritisierte das
Gericht die Verletzung allgemeiner Grundsätze betreffend das Verfahren zur Planung der
HSM. Das Gericht verlangt ein zweistufiges
Vorgehen. Im ersten Schritt muss ein Zuordnungsentscheid gefällt werden, der festlegt,
welche Bereiche zur HSM gehören. In einem
zweiten Schritt muss ein Zuteilungsentscheid
erfolgen, der festlegt, welche Spitäler den
Zuschlag bekommen. Gegen beide Entscheide
können die betroffenen Spitäler Beschwerde
einreichen.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
führt höchstwahrscheinlich dazu, dass auch
der Entscheid zur pädiatrischen Onkologie
neu gefällt werden muss.
Was ist zu tun aus Sicht der SGP?
Die Entscheide des HSM-Gremiums werden
zweifellos grosse Auswirkungen auf die Versorgung der Kinder in den verschiedenen
Regionen der Schweiz haben.
Das rechtskräftige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ermöglicht einen (kurzen!)
Marschhalt und gibt die Gelegenheit, das
Thema «HSM» innerhalb der SGP nochmals zu
diskutieren und allen Mitgliedern bekannt zu
machen.
Die IG hat anlässlich ihrer letzten Sitzung im
Januar 2014 festgestellt, dass viele Pädiater
wenig über den Inhalt und die Folgen der
Standespolitik
Vol. 25 Nr. 1 2014
verschiedenen HSM-Entscheide wissen. Die
IG stellt daher den Antrag an den Vorstand der
SGP, das Thema «HSM» an der GV 2014 der
Jahresversammlung in Basel zu traktandieren
und folgende Themen zu diskutieren:
1)Aktueller Stand der HSM
2)Darstellung der Auswirkungen, aber auch
Bedrohungen: 1) für die Patienten, 2) für
die Kinderspitäler
3)Gibt es nationale/internationale Qualitätskriterien und Daten in den pädiatrischen
HSM-Bereichen, welche als Grundlage für
die Entscheidungen dienen?
4)Ist es nicht sinnvoll, statt Zentralisierung
eine Netzwerkbildung mit gleichberechtigten Partnern anzustreben, um so die regionale Versorgung zu gewährleisten?
Im Namen der Interessengruppe pädiatrischer
Kliniken der Schweiz
Die Kopräsidenten der IG
Christoph Stüssi, Münsterlingen
Johannes Wildhaber, Freiburg
Korrespondenzadresse
[email protected]
[email protected]
7
Standespolitik
Vol. 25 Nr. 1 2014
Tarmed Info
Marco Belvedere, Tarifdelegierter der SGP, Zürich
Der erste Vorschlag zur Besserstellung der
Haus- und Kinderärzte wurde von Bundesrat
Berset am 16.12.13 veröffentlicht. Wichtigster
Eckpfeiler ist eine Zuschlagsposition (Pos.
00.0015) zu den ersten 5 Minuten (Pos.
00.0010). Vorerst wurde sie auf 11 Taxpunkte
Arztleistung (AL) kalkuliert und soll für die
Grundversorger in der hausärztlichen Praxis
abrechenbar sein. Gegenfinanziert werden die
200 Mio. durch eine Kürzung der technischen
Leistung (TL) um 9% bei diversen Organkapiteln (Kap. 4, 5, 8, 15, 17, 19, 21, 24, 29, 31, 32,
35, 37 und 39). Dies ist betriebswirtschaftlich
nicht nachvollziehbar, erreicht aber das angepeilte Volumen.
Der Vorschlag wurde in die Vernehmlassung
geschickt und wir werden uns dazu differenziert äussern. Speziell auch dazu, dass die
Kinder- und Jugendärzte nicht proportional zu
den Hausärzten aufgewertet werden, da die
Vorsorgeuntersuchungen nicht einbezogen
sind. Der Tarifeingriff erfolgt allerdings auf
Verordnungsebene, daher gibt es auch für uns
kein Mitbestimmungsrecht. http://www.bag.
admin.ch/themen/krankenversicherung064
92/06494/14585/index.html?lang=de&dow
nload=nhzlpzeg7t,inp610ntu042in1acy4zn4z
2qzpno2yuq2z6pjcleof8fwym162epybg2c_
jjkbnoksn6a.
Per 1.1.2014 trat eine Änderung der Analyseliste in Kraft. Die über E-Mail erreichbaren
Mitglieder der SGP wurden bereits informiert.
Der Übergangszuschlag Pos. 4708.00 wurde
von Fr. 1.10 auf Fr. 1.90 erhöht, bis der neue
Tarif für das Praxislabor in Kraft tritt. Dies
dürfte im zweiten Halbjahr 2014 geschehen.
Geplant ist eine beschränkte Zahl von Analysen, deren Resultate dem Praxisarzt unmittelbar zur Verfügung stehen sollen. Die Details
dazu sind noch nicht festgelegt. Sie werden
zu einem späteren Zeitpunkt noch darüber
informiert werden. http://www.bag.admin.
ch/themen/krankenversiche rung/00263/00264/04185/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,Inp6I0NTU04
2I2Z6In1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJC Len97fWym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A.
Die Änderungen zur Liste Mittel und Gegenstände per 1.1.2014 finden sich unter http://
www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/00263/00264/04184/index.htm-
l?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NT
U042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCLen97gWym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A. Relevant für uns ist: Bei Personen unter 18 Jahren
werden Brillengläser 1 x jährlich mit Fr. 180.–
vergütet.
Eine für uns wichtige Änderung der Krankenleistungsverordnung KLV betrifft die definitive
Übernahme der Kostenpauschale für adipöse
Kinder in Gruppenprogrammen ab 1.1.2014.
http://www.bag.admin.ch/aktuell/00718/
01220/index.html?lang=de&msg-id=51442
und http://www.bag.admin.ch/themen/
krankenversicherung/02874/04308/index.
html?lang=de.
Wie jedes Jahr hat das BAG mit zu kurzer
Vorlaufszeit über die entschiedenen Änderungen informiert. Mittels eines Mitgliedermails
habe ich versucht, Sie noch rechtzeitig zu
erreichen. Leider war die allgemeine Information zuerst schwer verständlich, weshalb ich
in einer zweiten Nachricht den relevanten
Sachverhalt noch präzisiert habe. Die Aufwertung des Übergangszuschlages auf der Analyselistenposition 4708.00 sollten Sie in Ihrer
Software zur Rechnungsstellung überprüfen.
Der auf der Rechnung ausgewiesene Betrag
sollte Fr. 1.90 sein. In der Summe wird dies
etwas ausmachen, eine einzelne Rechnung
deswegen nachträglich zu korrigieren, wird
sich aber nicht lohnen.
Wie immer an dieser Stelle muss ich wiederholen: Für die langfristige Tarifarbeit braucht
es neue Leute. Die Nachfolge ist nicht ge­
sichert!
Übersicht über die Verordnungen
http://www.bag.admin.ch/themen/kranken
versicherung/06492/06494/14585/index.
html?lang=de
Weitere Informationen finden sie auch in
ausgesandten Unterlagen (z. B. SAEZ) und
über folgende Adressen:
www.tarmedsuisse.ch
www.swiss-paediatrics.org
www.hausaerzteschweiz.ch
www.fmh.ch
8
Korrespondenzadresse
[email protected]
Empfehlungen
Vol. 25 Nr. 1 2014
Funktionelle Bauchschmerzen bei
Kindern und Jugendlichen – Ein Update
Beatrice Müller und Marc Sidler für die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische
Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (SGPGHE)
Einführung
Chronisch rezidivierende Bauchschmerzen
sind ein häufiges Problem, durchschnittlich 8 %
der Kinder in westlichen Ländern sind davon
betroffen1). Bei einer Befragung anlässlich der
schulärztlichen Untersuchung in Basel (jeweils
1300 Kinder/Altersgruppe), waren Bauchschmerzen bei Kindergarten- und Primarschülern die meist genannte Schmerzsymptomatik
(6 % aller Kinder im Kindergarten, 10 % der
Primarschüler), gefolgt von Kopfschmerzen.
Bei den Jugendlichen des 9. Schuljahres waren
Bauchschmerzen die dritthäufigste Schmerzlokalisation (13 % aller Jugendlichen), hinter
Kopfschmerzen und Schmerzen des Bewegungsapparates. Mädchen gaben häufiger
Schmerzen an als Knaben und Migrantenkinder häufiger als Schweizer Kinder2). Den meisten dieser Bauchschmerzen liegt keine gefährliche Erkrankung zu Grunde, sie führen jedoch
häufig zu einer erheblichen Beeinträchtigung
der Lebensqualität der betroffenen Kinder und
ihrer Familien.
Die Kinder und Familien, die wegen der
Bauchschmerzen einen Arzt konsultieren,
erwarten eine sorgfältige Abklärung, griffige
Erklärungen für die Ursache der Beschwerden
und eine angemessene Behandlung. Der behandelnde Arzt sieht sich dabei gelegentlich
im Dilemma. Einerseits sollten keine potentiell gefährlichen Erkrankungen verpasst, andererseits aber auch keine unnötigen diagnosti-
schen Massnahmen oder Therapien veranlasst
werden.
Die folgenden Ausführungen sollen helfen,
Bauchschmerzen von Kindern und Jugendlichen mittels Algorithmen richtig einordnen zu
können. Weiter werden Erklärungsmodelle für
die Pathophysiologie der Beschwerden, sowie
Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie
erläutert. Die Empfehlungen basieren im Wesentlichen auf den 2011 publizierten deutschen Konsensus-Richtlinien für Definition,
Pathophysiologie und Management des Reizdarmsyndroms3) , sowie auf den pädiatrischen
Rom-III-Kriterien4) .
Definitionen
1999 wurden erstmals durch eine internationale pädiatrische Arbeitsgruppe diagnostische Kriterien für funktionelle gastrointestinale Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter
aufgelistet. 2006 wurden diese Kriterien modifiziert und schliesslich als pädiatrische
Rom-III-Kriterien publiziert4). Neben den funktionellen Bauchschmerzen (Bauchschmerzenassoziierte funktionelle Darmerkrankungen)
werden Störungen mit Erbrechen und Aerophagie sowie Obstipation und Stuhlinkontinenz gemäss den Rom-III-Kriterien als eigene
Entität klassiert (Tabelle 1).
Innerhalb der Gruppe mit funktionellen
Bauchschmerzen werden nochmals vier Untergruppen definiert:
H. Funktionelle Störungen: Kinder und Adoleszente
H1. Erbrechen und Aerophagie
H1a. Adoleszentes Ruminationssyndrom
H1b. Syndrom des zyklischen Erbrechens
H1c.Aerophagie
H2. Bauchschmerzen-assoziierte funktionelle Darmerkrankungen
H2a. Funktionelle Dyspepsie
H2b.Reizdarmsyndrom
H2c. Abdominelle Migräne
H2d. Kindliche funktionelle Bauchschmerzen
H2d1.Kindliches funktionelles Bauchschmerzsyndrom
H3. Obstipation und Stuhlinkontinenz
H3a. Funktionelle Obstipation
H3b. Stuhlinkontinenz ohne Stuhlrückhaltemanöver
Tabelle 1:
Funktionelle gastrointestinale Erkrankungen/Störungen gemäss Rom-III-Kriterien4)
9
•funktionelle Dyspepsie
(Oberbauchbeschwerden)
•Reizdarmsyndrom (RDS)
•abdominelle Migräne
•kindliche funktionelle Bauchschmerzen
bzw. kindliches funktionelles Bauchschmerzsyndrom (Tabelle 2)
Die Rom-III-Kriterien ermöglichen erstmals
eine positive Definition und Klassifikation. Der
Schwerpunkt der folgenden Ausführungen
liegt auf dem Reizdarmsyndrom und den
funktionellen Bauchschmerzen im Kindesund Jugendalter.
Pathogenese
Im Vergleich zur Erwachsenenmedizin ist die
Datenlage bezüglich Pathogenese bei funktionellen Bauchschmerzen und RDS bei Kindern und Jugendlichen noch relativ dünn. Es
gibt jedoch einige Resultate, die auf eine
multifaktorielle Pathogenese hinweisen5):
•Infektionen/Entzündungen: Es konnte
gezeigt werden, dass bei Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS minime
entzündliche Darmveränderungen und eine
gesteigerte gastrointestinale Permeabilität
nachweisbar sind6) und die Beschwerden,
insbesondere ein RDS, durch einen enteralen Infekt ausgelöst werden können7) .
•Intestinale Hypersensitivität: Wie bei
den Erwachsenen konnte auch bei Kindern
und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS eine gesteigerte intestinale Hypersensitivität nachgewiesen werden. Auf Grund von Erwachsenendaten gibt
es Hinweise auf folgende Pathomechanismen: Alterationen der serotonergen Mechanismen auf der Substrat- und Rezeptorebene, erhöhte Innervation der Darm­schleimhaut, verändertes SchleimhautMediatorprofil, welches zu einer Aktivierung des enterischen Nervensystems und
der nozizeptiven Nerven führt, Steigerung
der spinalen Weiterleitung von intestinalen
Reizen, Aktivierung anderer und grösserer
Hirnareale bei Patienten mit RDS im Vergleich zu Kontrollen sowie Veränderung der
Sympatikus-Parasympatikus-Aktivierung3).
•Genetische Faktoren: Es gibt Hinweise
auf eine mögliche genetische Prädisposition für RDS. Es konnte gezeigt werden, dass
die Konkordanz für RDS bei monozygoten
Zwillingen höher ist als bei dizygoten (17.2 %
versus 8.4 %). Gleichzeitig wurde aber auch
gefunden, dass das Risiko für einen dizygoten Zwilling an einem RDS zu erkranken
Empfehlungen
doppelt so gross war (15.2 %), wenn seine
Mutter an einem RDS litt, als wenn der andere Zwilling betroffen war (6.7 %), was ein
Hinweis darauf sein könnte, dass das soziale Lernen mit eine starke Rolle spielt8) .
•Psychosoziale Faktoren: Nicht alle Kinder- und Jugendlichen mit Bauchschmerzen
suchen einen Arzt auf. Es konnte gezeigt
werden, dass die Entscheidung, ein Kind in
eine Konsultation zu bringen, beeinflusst
wird vom Ausmass der vom Kind erlebten
Schmerzen, dem psychologischen Distress
(Leid, Kummer und Sorge) der Mutter und
der Neigung zu einem «katastrophisierenden» Denken5) .
Weiter spielt das erlernte Krankheitsverhalten eine entscheidende Rolle. Kinder lernen
am Modell der Eltern und wiederholen Ver-
Vol. 25 Nr. 1 2014
haltensweisen, die belohnt werden. So
konnte gezeigt werden, dass bei Kindern mit
Schulabsentismus wegen Bauchschmerzen,
die Eltern eher mit Sorge und Schonverhalten auf die Beschwerden reagieren.
Diagnostik
In erster Linie müssen entzündliche, anatomische und metabolische Störungen ausgeschlossen werden. Gemäss der Leitlinie Reizdarmsyndrom der Deutschen Gesellschaft für
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
(DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für
Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)
haben gewisse Erkrankungen wie Kohlenhydratmalabsorption phänotypische Überschneidungen zum RDS.
Am Anfang der Diagnostik steht eine sorgfältige und strukturierte Anamnese und klinische
Untersuchung, wobei insbesondere Alarmsymptome («red flag signs») ausgeschlossen
werden müssen (Tabelle 3).
Obwohl Laboruntersuchungen bei fehlenden
Warnzeichen nicht in jedem Fall obligat sind,
wird ein Basislabor empfohlen3) (Tabelle 4).
Bei Fehlen von Warnzeichen und Auffälligkeiten in den Basisuntersuchungen kann auf
weitergehende Diagnostik wie Endoskopie,
pH-Metrie und bildgebende Untersuchungen
verzichtet werden. Es gibt keine Evidenz für
einen prädiktiven Wert der Abdomen-Sonographie3) . Ein Helicobacter pylori – Screening
(C13-Atemtest oder Stuhlantigentest) ist ohne
diagnostischen Wert, da eine Assoziation
zwischen chronischen Bauchschmerzen und
Subgruppe
Diagnosekriterien
H2a.
Funktionelle Dyspepsie
Alle Kriterien müssen erfüllt sein:
(Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung)
1. Persistierender oder wiederkehrender Schmerz und Unwohlsein im oberen Abdomen
2. Keine Besserung durch Defäkation, nicht mit Änderung der Stuhlfrequenz oder Konsistenz
assoziiert (kein RDS)
3. Kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse
H2b.
Reizdarmsyndrom
Alle Kriterien müssen erfüllt sein:
(Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung)
1. Abdominelle Beschwerden (Unwohlsein nicht als Schmerz beschrieben) oder Schmerz,
der mit zwei oder mehr Kriterien mind. 25 % der Zeit assoziiert ist
a)Besserung nach Stuhlgang
b)Beginn ist mit Wechsel der Stuhlfrequenz assoziiert
c)Beginn ist mit Wechsel der Stuhlkonsistenz assoziiert
2. kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse
H2c.
Abdominelle Migräne
Alle Kriterien müssen erfüllt sein:
(Auftreten von mindestens zwei Episoden innerhalb von 12 Monaten vor Diagnosestellung)
1. Paroxysmale Episoden von starkem akutem periumbilikalem Schmerz,
der mind. eine Stunde anhält
2. Zwischenzeitliche Phasen von gewohnter Gesundheit für Wochen bis Monate
3. Schmerz beeinträchtigt die normale Alltagsaktivität
4. Schmerz ist assoziiert mit 2 oder mehr der folgenden Kriterien:
a)Anorexie
b)Übelkeit
c)Erbrechen
d)Kopfschmerz
e)Photophobie
f)Blässe
5. Kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse
H2d.
Kindliche funktionelle
Bauchschmerzen
Alle Kriterien müssen erfüllt sein:
(Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung)
1. Episodischer oder kontinuierlicher Bauchschmerz
2. Kriterien für andere funktionelle Darmerkrankungen nicht erfüllt
3. Kein Anhalt für entzündliche, anatomische, metabolische oder neoplastische Prozesse
H2d1.
Kindliches funktionelles
Bauchschmerzsyndrom
Alle Kriterien müssen erfüllt sein:
(Auftreten mind. ein Mal pro Woche innerhalb von mind. zwei Monaten vor Diagnosestellung)
Die diagnostischen Kriterien für kindliche funktionelle Bauchschmerzen müssen mind. 25 % der Zeit
auftreten und mind. einen der folgenden weiteren Punkte erfüllen:
1. Reduktion der Alltagsaktivität
2. Zusätzliche somatische Symptome wie Kopfschmerz, Gliederschmerzen oder Schlafstörung
Einteilung und diagnostische Kriterien der funktionellen Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 4 bis 18 Jahren
gemäss Rom-III-Kriterien4)
Tabelle 2:
10
www.zellermedical.ch
1006946
1
Fazio S et al. (2009) Tolerance, safety and efficacy of Hedera helix extract in inflammatory bronchial diseases under clinical practice conditions: a prospective, open, multicentre postmarketing study in 9657
patients. Phytomedicine 16(1):17-24. 2 PROSPANEX® Hustensaft: www.swissmedicinfo.ch (Stand der Information: April 2008). 3 Bolbot Y et al. (2004) Comparing the efficacy and safety of high-concentrate
(5 – 7,5:1) ivy leaves extract and Acetylcysteine for treatment of children with acute bronchitis. Drugs of Ukraine November 2004. 4 Maidannik et al. (2003) Efficacy of Prospan application in children’s diseases of
1013/620
respiratory tract. Pediatrics, Tocology and Gynecology 2003; 4:1-7. 5 Runkel F et al. (2005) In-vitro-Studien: Ein Beitrag zum Wirkmechanismus von Efeu. Pharmazeutische Zeitung 4/05: 19-25.
PROSPANEX® – Zusammensetzung: 5 ml Hustensaft enthalten 35 mg Efeublättertrockenextrakt (DEV 5 – 7,5:1). Auszugsmittel: Ethanol 36,3 % (V/V). Dieses Präparat enthält Aromatica, Konservierungsstoffe: Kaliumsorbat (E 202) und Sorbit sowie weitere Hilfsstoffe. 5 ml Saft enthalten 1,926 g Zuckeraustauschstoff Sorbit = 0,16 Broteinheiten (BE) (1 BE = 12 g Kohlenhydrate). PROSPANEX® Hustensaft
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Empfehlungen
Vol. 25 Nr. 1 2014
lage für die Therapie. Die Akzeptanz des
Krankheitsmodells durch die Eltern verbessert den Outcome bei Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen12) . Wichtig ist auch die
Beratung der Eltern im Hinblick auf den Umgang mit den Beschwerden des Kindes/Jugendlichen. Ein Verhalten der Eltern, welches
auf Ablenkung von den Beschwerden hinzielt
statt auf Überfürsorge und Schonung, hat
einen positiven Einfluss auf den Verlauf der
Schmerzsymptomatik13) .
Weitere erfolgreiche Ansätze bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen sind das kognitive
Verhaltenstraining14), 15) und die Hypnose16), 17) .
Symptomtagebücher und Entspannungsverfahren (z. B. Yoga, autogenes Training) können
hilfreich sein als Ergänzung der verhaltenstherapeutischen Therapie3), 10) .
einer Helicobacter pylori-Infektion in verschiedenen Studien nicht bestätigt werden
konnte3) .
Bei Verdacht auf eine Kohlenhydratmalabsorption oder -digestion kann eine probato­
rische Eliminationsdiät von Lactose oder
Fructose in Erwägung gezogen werden. Entsprechende H2-Atemtest sind nicht immer
notwendig3) .
Therapie
Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist eine vertrauensvolle ArztPatienten-Beziehung. Eine positive Arzt-Patienten-Interaktion führt zu einer geringeren
Anzahl an Re-Konsultationen11) . Patienten mit
funktionellen Bauchschmerzen und RDS und
ihre Familien wünschen sich eine Anerkennung ihres Leidens, emotionellen Support,
Erklärungen bezüglich Ursache der Symptome
sowie eine Bestätigung/Versicherung, dass
sich keine potentiell gefährliche Krankheit
hinter den Beschwerden versteckt. Ein sehr
wichtiger Schritt in der Therapie ist die gemeinsame Erarbeitung eines plausiblen
Krankheitsmodells (bio-psycho-soziales Modell), aus welchem ein individuelles Behandlungskonzept abgeleitet werden kann. Das
bio-psycho-soziale Modell ermöglicht spezifische Auslöser für die Beschwerden zu eruieren, sowie die Zusammenhänge zwischen
Stress, Emotionen und den somatischen
Symptomen zu klären (Tabelle 5).
Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen
mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS
sollte, v. a. in therapierefraktären Fällen und
bei starker Beeinträchtigung der altersentsprechenden Alltagsaktivitäten, unter Ein­
bezug von psychosozial geschulten und kindergastroenterologischen Fachpersonen er­folgen.
Psycho-soziale Interventionen
Die gemeinsame Erarbeitung eines bio­psycho-sozialen Modells, nach entsprechender Vordiagnostik, bildet eine wichtige Grund-
•
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Medikamente
Auf einen regelmässigen Einsatz von Analgetika und chemisch definierten Spasmolytika
sollte zugunsten anderer Therapieverfahren
verzichtet werden. In Ausnahmefällen können
sie zur punktuellen Schmerzbekämpfung eingesetzt werden. Verkapseltes Pfefferminzöl
(Colpermin®) kann bei akuten Bauchschmerzen als Spasmolytikum bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden3) .
Amitryptilin sollte eher nicht für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen und RDS eingesetzt werden3) .
Sind die funktionellen Bauchschmerzen und
RDS assoziiert mit einer Obstipation und/
oder Blähungen, wird eine laxative Therapie
mit Macrogol empfohlen3), 10) .
Schmerzen abseits des Nabels, insbesondere anhaltende Schmerzen im oberen und
unteren rechten Quadranten
Dysphagie
rezidivierendes Erbrechen
gastrointestinaler Blutverlust
chronische und/oder nächtliche Diarrhoe
nächtliche Schmerzen, die das Kind aufwecken
unklares Fieber
Arthritis
ungewollter Gewichtsverlust
Wachstumsstörung
Leistungsknick
verzögerte Pubertätsentwicklung
Menstruationsstörung
positive Familienanamnese (chronisch entzündliche Darmerkrankung, Zöliakie,
peptischer Ulkuskrankheit)
Auffälligkeiten in der körperlichen Untersuchung
(pathologische Resistenz, Hepatomegalie, Splenomegalie, perianale Auffälligkeiten)
Anamnestische und klinische Warnzeichen für eine organische Ursache bei Kindern
und Adoleszenten mit chronischen Bauchschmerzen («red flag signs») 4), 9), 10)
Tabelle 3:
•
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•
grosses Blutbild, Entzündungsparameter (CRP oder BSG), ALAT, Gamma-GT, Lipase
Zöliakie-Serologie (Gesamt-IgA, Transglutaminase IgA-AK)
TSH (bei Anamnese mit Obstipation)
Urinstatus
Stuhl auf Parasiten
Bei Diarrhoe: fäkale Entzündungsmarker (fäkales Calprotectin)
Tabelle 4:
Laboruntersuchung bei chronischen Bauchschmerzen3), 10)
Biologisch
Psychologisch
Sozial
Prädisponierende Faktoren
Obstipationsneigung
Wenig Selbstvertrauen
Familiäre Konflikte,
Trennung der Eltern
Auslösende Faktoren
Schlag in den Bauch durch
Schulkollegen
Überforderungssituation in der
Schule, drohende Nichtbeförderung
Ausgrenzung durch Peers
Erhaltende Faktoren
Unregelmässige Stuhlentleerung
Andauernder Stress in der Schule,
Ungewissheit bezüglich der
weiteren Schulkarriere
Überbehütung durch allein­
erziehende Mutter, unverbindliche
Kontakte zum Vater
Tabelle 5:
Bio-psycho-soziales Modell. Bsp. eines Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen und Schulabsentismus
12
Empfehlungen
Vol. 25 Nr. 1 2014
Diäten und Probiotika
Bei ausgewogen und altersgemäss ernährten
Kindern und Jugendlichen, sollte die Ernährung nicht umgestellt werden. Eine Nahrungsumstellung ist jedoch indiziert bei Fehl- oder
Mangelernährung oder gut dokumentierter
Nahrungsmittelunverträglichkeit, wobei der
Nachweis einer Nahrungsmittelunverträglichkeit die Diagnose von funktionellen Bauchschmerzen oder RDS als Ursache der Beschwerden ausschliessen würde.
Der Einsatz von Probiotika wird empfohlen
bei Kindern/Jugendlichen, bei welchen die
Beschwerden postenteritisch aufgetreten
sind und welche an einem RDS mit Diarrhö
leiden3), 10) .
Alternativmedizinische Interventionen
Für die Anwendung von komplementär-medizinischen oder alternativen Therapien bei
Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen
und RDS gibt es keine Empfehlung3), 10) .
Zusammenfassung/
Take home message
Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind häufig, wobei in den allermeisten
Fällen keine organische Ursache zu Grunde
liegt. Die Diagnose von funktionell bedingten
Bauchschmerzen sollte möglichst affirmativ
und nicht als Ausschlussdiagnose erfolgen,
dabei hilft ein bio-psycho-soziales Erklärungsmodell, welches gemeinsam mit Patient und
Eltern erarbeitet wird. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen, Hypnose und
Entspannungsverfahren bewirken am ehesten
eine anhaltende Besserung der Beschwerden.
Medikamente und Probiotika sind nur beschränkt wirksam, unnötige Ernährungsumstellungen sollten vermieden werden.
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17)Vlieger AM, Rutten Jm, Govers AM et al. Long term
follow-up of gut directed hypnotherapy vs standard
care in children with functional abdominal pain or
irritable bowel syndrome. Am J Gastroenterol 2012;
107 (4): 627–31.
13
Korrespondenzadresse
Dr. med. Beatrice Müller-Schenker
FMH Kinder- und Jugendmedizin
Schwerpunkt Gastroenterologie und Ernährung
Kaspar Pfeiffer-Strasse 4
4142 Münchenstein
[email protected]
Dr. med. Marc Sidler
Pädiatrische Gastroenterologie
Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
4056 Basel
[email protected]
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag
deklariert.
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
Antiepileptische Therapie im Kindesalter
Alexandre N. Datta, Spezialarzt, stellvertretender Abteilungsleiter Neuro- und
Entwicklungspädiatrie, neurol. Leiter Schlaflabor, Spezialsprechstunde für Epilepsie
Die Epilepsie gehört mit einer Prävalenz von
ca. 0.5–1 % zu den häufigsten chronischen
Erkrankungen im Kindesalter. Ein epileptischer Anfall wird definiert als transientes
Auftreten von Zeichen und/oder Symptomen,
welche auf eine abnorme exzessive oder
synchrone neuronale Aktivität des Gehirns
zurückzuführen sind. Unter Epilepsie jedoch
wird eine Störung des Gehirnes verstanden,
die durch eine dauerhafte Prädisposition,
epileptische Anfälle zu generieren, und die
dazugehörigen neurobiologischen, kognitiven,
psychologischen und sozialen Konsequenzen
gekennzeichnet ist. Somit reicht unter gegebenen Umständen im Gegensatz zu früheren
Definitionen ein Anfall, um die Diagnose Epilepsie zu stellen46) .
Eine antiepileptische Therapie kommt eigentlich erst bei wiederholten Anfällen zum Einsatz. Dabei handelt es sich im Kindes- wie
auch im Erwachsenalter meist um eine medikamentöse Therapie; zur antiepileptischen
Therapie zählen aber auch Diäten (speziell die
ketogene Diät), Neurostimulationsverfahren
(z. B. Nervus vagus Stimulator) und die Epilepsiechirurgie.
Pharmakodynamik – Pharma­
kokinetik (modifiziert nach1))
Um eine antiepileptische Therapie verstehen
zu können und sie auch von einer Therapie
beim Erwachsenen zu unterscheiden, bedarf
es ein paar pharmakologischer Grundlagen.
Als Pharmakodynamik bezeichnet man die
Lehre der Wirksamkeit eines Medikamentes
am Erfolgsorgan; die Pharmakokinetik beinhaltet die Absorption, Distribution und Elimination eines Medikaments; die Elimination
wiederum fasst die Begriffe der Metabolisierung und der Exkretion zusammen.
Die Absorption ist charakteristischerweise
bei oraler Anwendung abhängig von der Lipidlöslichkeit der Substanz und der Kontaktzeit
zur Darmwand; letztere ist abhängig vom Alter
des Kindes. Die Absorption verändert sich
aber auch bei gleichzeitiger Einnahme eines
Medikaments mit der Nahrung (sie wird beschleunigt). Zur rascheren Absorption (vor
allem bei anfallskoupierenden Medikamen-
ten) wird zum schnelleren Wirkungseintritt
auch die rektale, buccale oder nasale Verabreichung eingesetzt.
Die Distribution zeigt eine Abhängigkeit von
der Lipid-, resp. der Wasserlöslichkeit eines
Medikaments, vom Fettgehalt des Köpers,
aber auch von der Bindung an Plasmaproteine
(vor allem Albumin).
Die Metabolisierung (Biotransformation) eines Medikamentes findet in der Leber statt;
anschliessend wird das Medikament über die
Niere ausgeschieden. Zur Biotransformation
gehören die bioaktivierende Phase-I-Reaktion
durch das Cytochrom C Oxydase P 450 Enzymsystem und die detoxifizierende Phase-II
Reaktion. Die meisten Medikamente erfahren
in der Leber durch das Cytochrom P 450 Enzymsystem eine Oxidation zu aktiven Metaboliten. Dabei gibt es eine grosse Variabilität
dieser Enzymsysteme, was dazu führt, dass
Medikamente unterschiedlich intensiv und
lange wirken können, wenn auch die gleiche
Dosierung angewandt wird. Es gibt zudem
Medikamente, die kaum in der Leber metabolisiert werden und fast unverändert in der
Niere ausgeschieden werden (z. B. Vigabatrin)
und solche, die wiederum vollständig in der
Leber abgebaut werden (z. B. Benzodiazepine,
Carbamazepin und Valproat).
Von einem Steady State ist dann die Rede,
wenn sich Absorption und Elimination das
Gleichgewicht halten: Dann ist die Konzentration zwischen den Dosisintervallen konstant.
Zu beachten ist, dass dieser Zustand aber erst
nach Ablauf von fünf Halbwertszeiten erreicht
wird. Auch wenn ein Medikament gestoppt
wird, braucht es 5 Halbwertszeiten, bis es
vom Körper komplett eliminiert worden ist.
Die Eiweissbindung spielt in der Pharmakologie eine grosse Rolle: In Prozent zeigt sie den
Anteil des Medikamentes, der an Bluteiweisse
(vor allem Albumin) gebunden ist. Valproat,
Benzodiazepine und Carbamazepin sind Antiepileptika mit grosser Eiweissbindung. Der
freie (nicht eiweissgebundene) Teil ist aber
der wirksame Teil und wird bei kompetitiver
Eiweissbindung verändert. Nimmt der eiweissgebundene Teil prozentual jedoch ab,
besteht das Risiko einer erhöhten Toxizität
durch vermehrte Diffusion ins Gewebe.
14
Die Clearance quantifiziert das Plasmavolumen, welches über eine gewisse Zeit eliminiert wird.
Die Plasmakonzentration eines Medikamentes widerspiegelt das Zusammenspiel all dieser pharmakokinetischen Variabeln. Der freie,
nicht eiweissgebundene Anteil befindet sich
dann im Gleichgewicht mit der Konzentration
in der Extrazellulärflüssigkeit.
Besonderheiten der Pharmakody­
namik und -kinetik im Kindesalter
(modifiziert nach1))
Die Pharmakotherapie bei Kindern mit Epilepsie unterscheidet sich jedoch in vielen Teilaspekten von der Behandlung erwachsener
Epileptiker.
Die Pharmakodynamik zum Beispiel zeigt
charakteristische altersabhängige Besonderheiten. In Abhängigkeit vom Alter gibt es
qualitative und quantitative Unterschiede der
Wirksamkeit gleicher Dosierungen eines Medikaments. Im Neugeborenenalter ist beispielsweise die Magenentleerung verlängert
und die Peristaltik irregulär sowie die Clearance verlängert. Zudem ist der an Eiweiss gebundene Anteil kleiner und damit der ins Gewebe diffundierende freie Anteil höher. Bei
älteren Kindern und Jugendlichen jedoch
braucht es eher höhere Dosen: Die Metabolisierung ist beschleunigt und die Clearance
erhöht. Die Absorption ist zudem erhöht, die
intestinale Transportzeit ist verkürzt und die
absorbierende Oberfläche kleiner. Dadurch
kommt es jedoch auch zu stärkeren Konzentrationsschwankungen. Retardformen werden
öfters nicht vollständig aufgenommen und die
Absorption kann z. B. in Verbindung mit Milchprodukten beeinträchtigt sein.
Mechanismen der antiepileptischen
Therapie (modifiziert nach1))
Die Wirkmechanismen der antiepileptischen
Medikamente basieren grob unterteilt auf folgenden Ebenen (Abbildung 1 und Tabelle 1):
a. Sie greifen die Ionenkanäle an und beeinflussen so spannungsabhängige Natrium-Kanäle,
Kalium-Kanäle oder inhibieren spannungssen­
sible Kalzium-Kanäle vom T- und vom L-Typ.
b.Sie beeinflussen die Neurotransmitterrezeptoren, indem sie die GABA-vermittelte
Inhibition verstärken oder die Glutamat
vermittelte Exzitation über die NMDA-Rezeptoren reduzieren. Es gibt diesbezüglich
aber auch AMPA- oder KA-Rezeptoren, die
beeinflusst werden können.
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
c.Sie verändern den Neurotransmitterstoffwechsel, indem sie beispielsweise die Carboanhydraseaktivität hemmen.
Allerdings wirkt ein Antiepileptikum oft auf
mehreren der 3 genannten Ebenen oder beeinflusst mehrere Kanäle gleichzeitig (Abbildung 1). Ein Neurotransmittersystem wiederum kann über verschiedene Wege beeinflusst
werden: Das inhibitorische GABA-System
kann als Beispiel durch Erhöhung der Chloridkanalöffnung verstärkt werden (z. B. im Falle
von Phenobarbital). Andererseits kann diese
inhibitorische Wirkung auch über Erhöhung
der Öffnungsfrequenz der Chloridkanäle
(z. B. bei Benzodiazepinen), über eine Erhöhung der Konzentration von GABA durch Blockierung dessen Abbaus (z. B. bei Vigabatrin)
oder durch Hemmung der Wiederaufnahme
von GABA im präsynaptischen Spalt (z. B. bei
Tagabin) erzielt werden.
Ziel der antiepileptischen Therapie
Primär ist das Ziel einer antiepileptischen
Therapie natürlich immer der antikonvulsive
Effekt. Ein weiteres Ziel der medikamentösen
Therapie beim epileptischen Kind ist aber
natürlich auch die Hemmung der Epileptogenese; durch längerfristige Veränderungen der
Nervenzellen können sich epileptische Herde
bilden, Anfälle generiert werden und durch
neuronale synaptische Plastizität eine sich
ausbreitenden «Epileptisierung» des Gehirns
entstehen («kindling») 47). Durch die antiepileptische Therapie wird beabsichtigt, dass die
Epilepsie möglichst nicht chronifiziert. Im
Tiermodell haben sich Substanzen wie Valproat, Lamotrigin, Levetiracetam und Topiramat
Open channel
Neurotranmitters open
channels in the target cell
to let charged particles
through
mit hemmender Wirkung auf die Epileptogenese erwiesen2) , was aber bei Kindern nicht
relevant nachgewiesen werden konnte. Das
dritte Ziel einer antiepileptischen Behandlung
ist die Vermeidung von iktogenen neurologischen Folgeschäden und damit das Erreichen
einer Neuroprotektion. Dabei wird vor allem
beabsichtigt, die Entstehung von Entwicklungsdefiziten und kognitiven Einbussen zu
verhindern, welche durch häufige oder prolongierte Anfälle oder rege Entladungsaktivität
vor allem im Schlaf mit eingeschränkter
nächtlicher Regeneration entstehen können.
Im Tiermodell konnte diese neuroprotektive
Wirkung bei Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat und Zonisamid bestätigt werden3) .
Dieser Nachweis beim Kind ist aber schwer zu
erbringen.
Wie sollte eine rationale Pharmakotherapie
beim Kind denn aussehen? Idealerweise sollte ein grosses Verständnis für pathophysiologische Prozesse vorliegen, das Epilepsiesyndrom möglichst genau zugeordnet werden
können und eine fundierte Kenntnis antiepileptischer Eigenschaften vorhanden sein.
Dies würde es erlauben, bei einem Kind mit
einem genau definierten Syndrom und/oder
nachgewiesener genetischer Mutation das
geeignete Medikament mit der gewünschten
Wirkung auf den daran beteiligten physiopathologischen Mechanismus einzusetzen. Dies
stellt sich jedoch im Alltag nicht ganz so ideal
dar, so dass beim Einsatz von Antiepileptika
viel mehr auf persönliche Erfahrungswerte
und Studien zurückgegriffen werden muss.
Aber auch dann ist es noch möglich, dass ein
Kind auf ein spezifisches Medikament nicht
anspricht oder ungewöhnlich hohe oder tiefe
Dosen braucht.
Charged particle
Target cell
Second impulse
First nerve impulse
Synaptic vesicle
Closed channel
Neurotransmitter
Wirkmechanismen der Antiepileptika (Bild aus Encyclopedia of Science, The world
of David Darling, 2013)
Abbildung 1:
15
Therapieresistenz
Knapp ein Drittel (63 %) aller Epilepsiepatienten sind mit Antiepileptika erfolgreich behandelbar. Aktuell sind etwas mehr als 40 anti­
epileptische Medikamente auf dem Markt. Der
Anteil an therapierefraktären Epilepsien hat
sich auch durch die neue Generation von Antiepileptika nicht wesentlich verändert. Allerdings haben die neueren Antiepileptika die
Verträglichkeit verbessert und teils auch das
Potenzial an Interaktion verringern können.
47 % aller Patienten werden unter dem ersten
Antiepileptikum anfallsfrei.14 % wird unter dem
2. oder 3. antiepileptischen Medikament keine
Anfälle mehr haben. 3 % werden schlussendlich unter einer Kombination an Medikamenten
anfallsfrei4). Unbestritten bleibt, dass das
erste Antiepileptikum schlussendlich immer
das erfolgreichste ist in der Voraussetzung,
dass es korrekt gewählt wird. Als the­
rapierefraktär gilt heutzutage, wer unter 2
verträglichen, gut gewählten Antiepileptika
nicht anfallsfrei wird5), 6). Im Kindesalter wird
angenommen, dass ca. 15 %–20 % aller Epilepsiepatienten wirklich pharmakoresistent sind7).
Prinzipien der
antiepileptischen Therapie
Wenn angesichts einer Epilepsie der Entscheid gefällt worden ist, ein Kind mit einem
antiepileptischen Medikament zu behandeln,
bleibt wie beim Erwachsenen auch die Monotherapie das primäre Ziel.
Nebst den antiepileptischen Medikamenten der
ersten Generation wie Phenobarbital, Phenytoin, Valproat und Carbamazepin existiert heutzutage eine grosse Menge an neueren Anti­
epileptika, die möglicherweise eine bessere
Verträglichkeit zeigen und weniger Interaktionen aufweisen, aber in ihrer Wirksamkeit den
älteren Präparaten nicht signifikant überlegen
sind. Es würde den Umfang und das Ziel dieses
Artikels weit übersteigen, hier alle Antiepileptika in ihren Vor- und Nachteilen abzuhandeln.
Prinzipiell lässt sich aber vereinfacht aufgrund
kontrollierter Studien folgende Aussagen machen: Bei fokalen Epilepsien, bei denen eine
strukturelle Ätiologie bekannt ist oder zumindest vermutet wird, war Carbamazepin lange
das Mittel der ersten Wahl. In der SANADStudie, in der die Wirksamkeit, Verträglichkeit
und Auswirkungen auf die Lebensqualität
von Carbamazepin, Gabapentin, Lam­o­tri­gin,
Oxcarbazepin und Topiramat bei fokalen Epilepsien mit gesicherter oder vermuteter struktureller Ätiologie untersucht worden sind,
Fortbildung
zeigte sich Lamotrigin den anderen überlegen. Carbamazepin und Oxcarbazepin wurden
als nur geringgradig schlechter eingestuft als
Lamotrigin; Topiramat und Gabapentin fielen
aber im Vergleich dazu ab9) . In der KOSMETStudie, in der die Effektivität von Levetirace-
Vol. 25 Nr. 1 2014
tam, Carbamazepin und Valproat verglichen
wurden, zeigte sich kein signifikanter Unterschied dieser drei Medikamente; allerdings
war die Zeit bis zum ersten Anfall unter Medikation mit Carbamazepin und Valproat signifikant länger als unter Levetiracetam10) . Als
Standard Medikamente nebst Carbamazepin, Oxcarbazepin und Lamotrigin gelten
aber auch Levetiracetam, Zonisamide, Topiramat und Gabapentin als Mittel der ersten
Wahl. Daten zu den neueren Medikamenten
fehlen noch. Als Add-on-Therapie hat sich
Ältere Antiepileptika
Wahrscheinliche Hauptmechanismen
Barbiturate
Verstärkung der GABA-ergen Inhibition am Benzodiazepin-GABAa-Rezeptor-Komplex
Hemmung des Glutamat Rezeptors (AMPA/Kainat)
Benzodiazepine
Verstärkung der GABA-ergen Transmission
Carbamazepin
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Ethosuximid
Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom T-Typ
Methsuximid
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom T-Typ
Phenytoin
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Sultiam
Inhibition der Carboanhydrase
Verstärkung des inhibitorischen GABA-Systems
Verminderung des Kalzium Einstroms in die Zelle
Valproat
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Verstärkung der GABAergen Transmission
Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom T-Typ
Neuere Antiepileptika
Felbamat
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Hemmung der Glutamat-abhängigen Exzitation
Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom L-Typ
Gabapentin
Verstärkung der GABAergen Transmission
Hemmung der Glutamat-Synthese
Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom L-Typ
Lacosamid
Hemmung spannungsabhänger Natrium-Kanäle
Einfluss auf das Collapsin response mediator Protein-2
Lamotrigin
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Hemmung der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle vom L-Typ
Levetiracetam
Bindung an das synaptische Vesikelprotein SV2A
Blockade der N-Typ-Kalzium-Kanäle
Oxcarbazepin
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Perampanel
Selektiver, nicht kompetitiver AMPA-Rezeptor-Antagonist
Rufinamid
Modulation der Natrium-Kanäle, Verlängerung des inaktiven Zustands
Stiripentol
verstärkt als GABA-Rezeptoragonist die GABA-Transmission
Tiagabin
Blockade des GABA-Reuptakes in den Neuronen und Glia
Topiramat
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Hemmung der Kalzium-Kanäle vom L-Typ
Hemmung der Glutamat-abhängigen Exzitation
Verstärkung der GABAergen Transmission
Inhibition der Carboanhydrase
Vigabatrin
irreversible Hemmung der GABA-Transaminase
Zonisamid
Hemmung der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle
Hemmung der Kalzium-Kanäle vom T-Typ
Verstärkung der GABAergen Inhibition
Hemmung der Glutamat-abhängigen Exzitation
schwache Inhibition der Carboanhydrase
Tabelle 1:
Hauptwirkmechanismen der Antiepileptika (modifiziert nach Siemes, 2009)
16
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
bei Kindern mit fokaler Epilepsie Levetiracetam als wirksam und gut verträglich erwiesen8) .
In 3–10 % kommt es beim Einsatz von Carbamazepin (CBZ) zu Hypersensitivitäts­rea­ktio­
nen. Diese können sich klinisch in­nerhalb
eines Spektrums von milden Haut­aus­schlä­
gen bis zu lebensbedrohlichen Hyper­sens­
itivi­täts­reaktionen wie dem Steven Johnson
Syndrom (SJS), dem Toxischen Epidermalen
Nekrolysesyndrom (TEN) und dem Medikamenten-induzierten Hypersensitivitätssyndrom (HSS) präsentieren. HLA-A* 31:01 ist
dabei signifikant mit einem CBZ induzierten
Hypersen­sitivitäts­syndrom und makulo-papulösen Exanthem und HLA-B* 15:02 mit
einem CBZ asso­ziierten Steven Johnson
Syndrom (SJS) assoziiert50) .
Bei den primär generalisierten Epilepsien ist
Valproat weiterhin das Mittel der ersten
Wahl11) . Lamotrigin und Levetiracetam sind
dabei sicher gute Alternativen. Lamotrigin
nimmt bei Frauen im gebärfähigen Alter eine
spezielle Stellung ein, kann allerdings zu einer
Exacerbation von Myoklonien führen. In der
SANAD-Studie hat bei generalisierten Epilepsien im Vergleich zwischen Valproat, Lamotrigin und Topiramat Valproat in seiner Wirksamkeit die Nase vorne9) .
Natürlich sind auch die Medikamente mit
eher engem Spektrum wie Vigabatrin für infantile Spasmen und Ethosuximid für die
Absenzepilepsie nicht wegzudenken48) . Medikamente, die als Orphan drugs bei nur sehr
eingeschränkter Indikation zugelassen sind,
werden teils in den folgenden Abschnitten in
der Auswahl von Epilepsiesyndromen erwähnt.
Schwere neonatale Enzephalopathien kommen in Form der neonatalen myoklonischen
Enzephalopathie oder als frühinfantile epileptische Enzephalopathie mit Suppression-Burst
Muster (Ohtahara Syndrom) vor (Abbildung 2).
EEG-Veränderungen und klinische Auffälligkeiten sind allerdings in diesem Alter nicht
immer miteinander assoziiert (uncoupling,
elektroklinische Dissoziation), was deren Erkennung erschwert.
Studien sind im Früh- und Neugeborenenalter
natürlich sehr limitiert. Im Neugeborenenalter
gilt ganz besonders, negative Auswirkungen
von Anfällen auf die Entwicklung und potentiell
schädliche Antiepileptika gegeneinander abzuwägen. Traditionelle Antiepileptika nutzen
primär den inhibitorischen Effekt von GABA,
die Blockierung von Glutamat oder Veränderungen der Ionen-Kanäle; bei neugeborenen
Ratten jedoch konnte nachweislich eine Blockade der Glutamatrezeptoren oder Aktivation
der GABA-Rezeptoren eine neurodegenerative
Zellapoptose auslösen12). GABA-Rezeptoren
können zudem bei Ratten in diesem Alter exzitatorisch und nicht inhibitorisch wirken13) ,
was den Einsatz dieser Medikamente im Neugeborenenalter natürlich stark in Frage stellt.
Zum möglichen Vorgehen bei Anfällen im
Neugeborenenalter und zum Ausschluss behandelbarer Stoffwechseldefekte kann folgendes Vorgehen empfohlen werden (adaptiert nach14)):
Antiepileptika im
Neugeborenenalter
Anfälle zeigen im Laufe des Lebens einen
maximalen Häufigkeitsgipfel im Neugeborenenalter. Die Ätiologie der Anfälle in diesem
Alter ist grösstenteils strukturell/metabolisch
(in der alten Nomenklatur symptomatisch): So
ist in 42 % aller Neugeborenenanfälle eine
hypoxisch-ischaemische Enzephalopathie deren Ursache; aber auch Malformationen,
Hirninfarkte, Blutungen, Elektrolytstörungen,
Hypoglykämien, Infektionen, Stoffwechseldefekte und maternaler Drogenabusus können
Anfälle auslösen. Die Epilepsiesyndrome des
Neugeborenen sind im Vergleich dazu selten:
Zu den meist benigneren Formen gehören die
benignen neonatalen Anfälle (fith day fits) und
die benignen neonatalen familiären Anfälle.
Mögliches Vorgehen
Ausschluss einer Elektrolytstörung (Hypo-/
Hypernatriämie, Hypokaliämie, Hypozalzämie,
Hypomagnesiämie) oder Hypoglykämie.
Medikamente
(alle off-label im Neugeborenenalter)
1.Phenobarbital 20 mg/kg i. v.,
dann 5 mg/kg/T p. o.
2.Levetiracetam:
20–40 mg/kg i. v., dann p. o.
3.Phenytoin 20 mg/kg i. v.,
dann 5 mg/kg/T p. o.
4.Midazolam i. v. Bolus und Dauerinfusion
5.Andere Medikamente im Einsatz:
Lidocain i. v./p. o. und Topiramat p. o.
Ausschluss Vitamin-abhängiger Epilepsien im NG-Alter (modifiziet nach14):
1.Pyridoxin 100 mg i. v. (3 Tage), dann ev. p. o.
2.Pyridoxalphosphat 15–30 mg/kg p. o.
3.Folinsäure 2–5 mg/kg p. o.
4.L-Serin 400–500 mg/kg p. o.
in 4–6 Einzeldosen
5.Biotin 10–50 mg/Tag p. o.
Ausschluss Kreatin Stoffwechselstörung und
GLUT-1- Defekt (da behandelbar, aber Manifestation in der Regel später).
Mögliche Medikamente
im FG- und NG-Alter
•Phenobarbital (Painter, 1999)
•Midazolam (Castro et al, 2005)
•Levetiracetam (Ramantami et al, 2011)
•Lidocain (Lunquist et al, 2013)
•Phenytoin (Painter et al, 1999)
•Topiramat (Filippi et al, 2009
•Bumetanide (Clark et al, 2006)
EEG eines Neugeborenen mit Burst-Suppression bei früher myoklonischer
Enzephalopathie
Abbildung 2:
17
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
Medikamentöse Behandlung
im Rahmen spezifischer Epilepsie­
syndrome im Säuglings- bis
Jugendalter – eine Auswahl
Im folgenden Kapitel wird eine kleine Auswahl
an eher schwer verlaufenden Epilepsiesyndromen auf eine mögliche antiepileptische Therapie besprochen. Bei den besprochenen Epilepsiesyndromen haben sich erfahrungsgemäss,
und zu einem Teil auch in Studien bestätigt,
Kombinationen von Medikamenten als am
meisten erfolgsversprechend erwiesen.
a. Die BNS-Epilepsie, West-Syndrom
Die BNS-Epilepsie, deren Namen nach den
anfallssemiologischen Aspekten aus Blitz-,
Nick- und Salaam-Anfällen stammt, auch
West-Syndrom genannt, wenn sie mit einer
Entwicklungsverzögerung einhergeht, ist die
häufigste epileptische Enzephalopathie des
Kindesalters. Sie tritt zwischen dem 3. und 8.
Lebensmonat auf und zeigt 3 charakteristische Elemente: Die BNS-Anfälle, die sich mit
einer abrupt beginnenden phasischen Kontraktion von weniger als 2 Sekunden äussern,
gefolgt von einer tonischen Kontraktion von
2–10 Sekunden, und klinisch als symmetrische Beugung des Kopfes und Streckung und
Anhebung der Arme und Beine imponieren.
Das EEG zeigt eine Hypsarrhythmie (Abb. 3
und 4), die im Schlaf am ausgeprägtesten
nachweisbar ist. Oft kommt es mit Einsetzen
der BNS-Anfälle zu einer Stagnation der Entwicklung. Ätiologisch ist die BNS-Epilepsie
zum grössten Teil strukturell oder metabolisch bedingt und nur zu ca. 25 % unbekannter
Ursache. Selten finden sich auch familiäre
Formen.
Strukturelle und metabolisch bedingte BNSEpilepsien zeigen ein schlechteres Outcome
als diejenigen unbekannter Ätiologie.
Abbildung 3 und 4:
Abbildung 5:
Darstellung eines Nervus vagus Stimulators (Bild von Cyberonics)
Ab 1958 wurde die BNS-Epilepsie mit ACTH
behandelt15) . Alternativen dazu stellen Vigabatrin, Prednisolon und Hydrocortison dar,
des Weiteren können auch «klassischere»
Medikamente wie Valproat, Sultiam, Pyridoxin, Levetiracetam, Topiramat, Lamotrigin
und Zonisamid, aber auch die ketogene Diät
wirksam sein.
Die aktuelle Studienlage zeigt, dass unter
hormoneller Therapie die Hypsarrhythmie
schneller verschwindet als unter Vigabatrin,
das Behandlungsoutcome aber das gleiche
ist16), 17), 18) . Möglicherweise ist aber durch das
schnellere Ansprechen und damit raschere
Sanierung der Hypsarrhythmie das kognitive
Outcome besser, da eine raschere Diagnose
und Therapie auch zu einem besseren kognitiven Outcome führt19) .
Zur Dauer der Therapie gibt es verschiedene
Optionen, so dass diesbezüglich noch kein
einheitliches Vorgehen vorliegt. Beginnen die
einen Zentren klassisch mit Vigabatrin, wechseln dann auf orale Steroide und dann auf
Hypsarrhythmie und iktales Bild bei BNS-Epilepsie
18
ACTH bei ungenügendem Ansprechen, beginnen andere direkt mit Steroiden.
Aus diesem Grunde wird an dieser Stelle auch
darauf verzichtet, Empfehlungen abzugeben.
b. Dravet-Syndrom
Das Dravet-Syndrom wurde von Charlotte
Dravet initial als frühe myoklonische Enzephalopathie 1978 und detaillierter 1982 als ei­
genes Syndrom beschrieben20) . Kinder mit
einem Dravet-Syndrom zeigen bereits im
1. Lebensjahr meist fiebergetriggerte Anfälle,
die öfters auch als halbseitig klonisch und
prolongiert in Erscheinung treten. Später folgen dann Anfälle ohne Fieber, fokal oder generalisiert, sowie atypische Absenzen und
massive Myoklonien. Die Patienten zeigen
eine Therapieresistenz und entwickeln ein
ataktisches Gangbild, stagnieren in ihrer
Sprachentwicklung und werden teils auch
verhaltensauffällig. Bei den meisten findet
sich eine Mutation im Bereiche des Natriumkanal-Gens SCN1A. Bei Mädchen, die oft
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Referenzen:
1. Privitera M., Efficacy of Levetiracetam: A Review of Three Pivotal Clinical Trials; Epilepsia, 42 (Suppl. 4):31-35; 2001
Wirkstoff: Levetiracetam. Darreichungsformen: Minipacks mit Minifilmtabletten zu 250 mg, 500 mg und 1000 mg; Lösung 100 mg/ml, 300 ml. Indikation: Levetiracetam Desitin® ist indiziert: - zur Monotherapie bei
der Behandlung von partiellen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Patienten ab 16 Jahren mit Epilepsie; - zur Zusatzbehandlung von partiellen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung
bei Erwachsenen und Kindern ab 4 Jahren mit Epilepsie, von myoklonischen Anfällen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit juveniler myoklonischer Epilepsie sowie von primären generalisierten
tonisch-klonischen Anfällen bei Erwachsenen und Jugendlichen an 12 Jahren mit idiopathischer generalisierter Epilepsie. Dosierung: Monotherapie: Erwachsene (≥ 16 Jahre): Die Behandlung sollte mit 2x250 mg/
Tag gestartet werden. Je nach klinischem Ansprechen kann die Dosis alle 2 Wochen in Schritten von 2x250 mg/Tag auf maximal 2x1500 mg/Tag gesteigert werden. Zusatzbehandlung: - Erwachsene (≥ 18 Jahre) und
Jugendliche (12–17 Jahre) ab 40 kg: 1000 mg/Tag mit Beginn am 1. Behandlungstag. Je nach klinischem Ansprechen kann die Dosis in Schritten von 100 mg alle 2–4 Wochen bis auf 3000 mg/Tag gesteigert werden. - Kinder von 4–11 Jahren und unter 40 kg: Die initiale therapeutische Dosierung beträgt 10 mg/kg Körpergewicht 2x täglich (morgens und abends). Dosiererhöhungen resp. -reduktionen können in Schritten von
10 mg/kg zweimal pro Tag alle 2–4 Wochen vorgenommen werden. Je nach Klinik und Verträglichkeit kann die Dosis bis auf 30 mg/kg zweimal pro Tag angehoben werden.
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Fortbildung
weniger stark betroffen sind, kann bei fehlender SCN1A-Mutation eine Mutation im
PCDH19 ursächlich sein. Zudem sind seltene
Fälle mit GABRG2- und SCN1B-Mutationen
beschrieben21) .
Die Therapie gestaltet sich in der Regel als
schwierig, stellt sich klassischerweise aber
aus einer Kombination von Valproat, Stiripentol und Clobazam zusammen und hat sich bei
einer Anzahl Patienten als wirksam erwiesen22) . Stiripentol ist als Orphan drug für das
Dravet-Syndrom zugelassen und agiert als
GABA-Rezeptor-Modulator und zudem Cytochrom P450-Enzyminduktor22). Levetiracetam
und Topiramat kommen auch oft zum Einsatz.
Zudem wurde über viele Jahre Brom als Standardtherapie für Kinder mit Dravet-Syndrom
verabreicht. Die ketogene Diät wird oft in
Kombination mit den oben genannten Medikamenten mit recht gutem Erfolg eingesetzt.
So zeigt auch der Einsatz eines Nervus-vagusStimulators (Abb. 5) eine mögliche Verbesserung der Anfallssituation und Wachheit. Kontraindiziert bei diesem Epilepsiesyndrom sind
Lamotrigin, Carbamazepin, Vigabatrin und
Phenytoin23) .
c. Lennox-Gastaut-Syndrom
Das Lennox-Gastaut-Syndrom wurde 1959
von Lennox und 1966 von Gastaut erstmals
beschrieben. Es handelt sich dabei um eines
der am schwersten verlaufenden Epilepsiesyndrome im Kindesalter. Es beginnt im Alter
von 1 bis 8 Jahren und ist nicht selten auch
Folge eines therapierefraktären, strukturellen
West-Syndroms. In 2/3 bis 3/4 ist es ätiologisch
als strukturell nach peri- oder postnataler
Schädigung, bei cerebralen Malformationen,
progressiven Enzephalopathien oder auch
chromosomalen Störungen zuzuordnen. Die
Anfallsarten sind charakteristischerweise
eine Kombination aus tonischen Anfällen
(speziell nachts), atypischen Absenzen, atonischen Anfällen und Myoklonien. Die Therapie stellt sich als äusserst schwierig dar,
wobei Valproat in Kombination mit Benzodiazepinen, Ethosuximid, Felbamat, Topiramat,
Levetiracetam Erfolge bringen können. Als
Orphan drug wird auch Rufinamid teils erfolgsversprechend eingesetzt24). Die ketogene
Diät und der VNS sind ebenfalls wichtige
Therapiealternativen. Prognostisch bleibt das
Lennox-Gastaut-Syndrom jedoch ungünstig:
Nur 7–15 % aller Patienten mit LGS entwickeln
sich normal oder sind mental leicht behindert,
die anderen sind in der Regel schwer betroffen.
Vol. 25 Nr. 1 2014
Die ketogene Diät
lenhydratarme Diät bei normalem Proteinanteil. Wird zu Beginn des Fastens nur 2–3 % des
Energiebedarf über Ketonkörper gedeckt,
sind dies nach 3 Tagen bereits 30–40 %. Nach
mehreren Tagen gewinnt das Gehirn 2/3 seines
Stoffwechsels über die Oxydation von Ketonkörpern.
Bei der ketogenen Diät findet eine Veränderung des Stoffwechsels durch Erreichen eines kompensiert azidotischen Zustandes
statt. Ketonkörper haben eine neuroprotektive Wirkung und erhöhen die Krampfschwelle.
Die Lipidzusammensetzung neuronaler Membranen verändert sich und die Neurotransmitter GABA und Glutamat werden moduliert.
Das Insulin als potentiell exzitatorisch wirksames Hormon wird dadurch konstant tief
gehalten. Es wird hypothetisiert, dass sich
durch die ketogene Diät auch eine hemmende
Wirkung auf die Epileptogenese erzielen
lässt27), 49) .
Therapie der Wahl ist die KD beim Glukose
Transporter Defekt (GLUT1-Defekt), da der
Glucosetransport durch die Blut-Hirnschranke und in die Zelle umgangen wird, bei gestörter Glykolyse (Phosphofruktokinase-Mangel)
und beim Pyruvatdehydrogenase-Mangel und
beim Komplex-I-Defekt. Ansonsten ist die KD
bei einer Anzahl therapierefraktärer Epilepsien29) indiziert: So gibt es Studien zum Thema
KD bei BNS-Epilepsie28), bei Lennox-GastautSyndrom30) , Dravet-Syndrom31) , Doose-Syndrom32) , hypoxisch-ischaemischer Enzephalopathie33) , bei corticalen Dysgenesien34) , tuberöser Hirnsklerose35) , Status epilepticus36) ,
FIRES37) und Autismus38) .
(modifiziert nach25))
Das Prinzip der ketogenen Diät wird in der
Epilepsie schon in der Bibel erwähnt, wo bei
Markus (Kapitel 9, Vers 14–29) von einem
Jungen die Rede ist, der von einem stummen
Geist besessen gewesen sein soll, der ihn
packt, niederwirft. Es wird beschrieben, wie
der Knabe schäumt, mit den Zähnen knirscht
und starr da liegt. Jesus empfahl den Eltern,
zu beten und den Knaben fasten zu lassen. Zu
Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dann
diese Fastentherapie wieder aufgenommen in
der Behandlung von epileptischen Kindern 26).
Es existiert nebst der klassischen ketogenen
Diät (KD), die im Verhältnis Fett: Kohlenhydrate meist 3 : 1 und 4 : 1 angewendet wird,
auch die Modified-Atkins-Diät. Letztere ist in
ihrer Umsetzung weniger restriktiv und limitiert primär nur den Kohlenhydratanteil und
ist somit auch einfacher umsetzbar.
Es gibt zusätzlich auch noch eine Low glycemic index diet und eine Diät, die vor allem auf
dem Einsatz von MCT-Ölen basiert, auf die in
diesem Abschnitt nicht gesondert eingegangen wird. MCT-Öle werden aber oft auch in
der klassischen KD eingesetzt.
Das Prinzip der ketogenen Diät ist es, den
Anteil an zugeführten Kohlenhydraten stark
einzuschränken, um den Körper dazu zu bringen, Ketonkörper als Energieträger zu bilden.
Um unter dieser Diät nicht durch Abbau an
körpereigenen Fetten an Gewicht zu verlieren,
werden die Fettsäuren der Nahrung beigefügt:
Dadurch entsteht eine fettreiche, aber kohGLUT 1
MCT 1
Blut-Hirn-Schranke
Glukose
Cytosol
5
Pyruvat
Mitochondrium
6
Acetyl-CoA
Azeto-Acetyl-CoA
3
Oxalazetat
Malat
Fumarat
4
Azetoazetat
2
ß-CH-Butyrat
1
Zitrat
ɑ-Ketoglutaral
2H
Succinat Succinyl-CoA
NADH
I
III
CoQ
Cyt c
IV
O2
II
V
2H
2H
ADP
ATP
Abbildung 6: Ketogene Diät: Therapie der Wahl bei GLUT-1-Defekt (GLUT 1), Glykolysedefekten
(5), Pyruvatdehydrogenasemangel (6) und bei Komplex-I-Defekt (I) (aus Baumeister, 2004)
20
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
Der Nervus-vagus-Stimulator (Abb. 5)
Erstmals wurde der Nervus-vagus-Stimulator
(VNS) 1988 von Perny eingesetzt. Heutzutage
gehört der VNS zu den gut untersuchten Behandlungen nicht-medikamentöser Art beim
epileptischen Erwachsenen und in etwas geringerem Ausmasse auch beim epileptischen
Kind. Indikation ist primär die therapierefraktäre Epilepsie.
Der antikonvulsive Effekt des VNS basiert auf
der Initialidee der Desynchronisation von
elektrozerebraler Aktivität. Spezifische Effekte des VNS ist der akut abortive Effekt auf
einen ablaufenden Anfall, die akut prophylaktische Wirkung auf die Anfallsinduktion und
eine chronische Prophylaxe auf die Anzahl
Anfälle; im Mausmodell konnte diesbezüglich
eine Verminderung der Epileptogenese nachgewiesen werden39) .
Wenn der VNS wirksam ist, kann er zu einer
Lebensqualitätsverbesserung, zu einer Verbesserung der Aufmerksamkeit, weder zu einer kognitiven Verbesserung, noch zu einer
Verschlechterung40) , aber zu einer Verbesserung der Wachheit bei Kindern bis zu 70 %
führen41) .
Eine Anfallsreduktion von über 50 % konnte
bei 44.7 % aller Kinder beobachtet werden, bei
denen ein VNS implantiert worden ist42) , wobei diese Zahlen in der Literatur stark variieren (37–75 %).
Eine spezielle Indikation stellt das LennoxGastaut-Syndrom dar43), 44) . Am wenigsten
Wirksamkeit zeigt der VNS bei Epilepsien mit
generalisiert tonisch-klonischen Anfällen, am
besten eignet er sich für tonische oder atonische Anfälle44) .
Die Epilepsiechirurgie
Ungefähr 15–20 % aller kindlichen Epilepsien
sind pharmakoresistent, wovon die Hälfte
valable Kandidaten zur Epilepsiechirurgie
darstellen.
Die epilepsiechirurgische Behandlung (Resektion oder Diskonnektion des epileptogenen
Areals) kommt dann zum Tragen, wenn entweder eine pharmakoresistente Situation vorliegt, nicht akzeptable Auswirkungen der Anfälle auf die Kognition, das Verhalten oder die
Lebensqualität nachweisbar sind, eine örtlich
umschriebene epileptogene Zone und ein
niedriges Risiko der postoperativen Morbidität bestehen.
Die genaue Lokalisation des epileptogenen
Fokus bedarf einer genauen prächirurgischen
Evaluation. Da die Epilepsiechirurgie potenti-
ell eine kurative Intervention darstellt, sollte
möglichst früh eine solche Evaluation diskutiert werden, wenn es sich um ein umschriebenes epileptogenes Areal handelt. Zudem
sind auch palliative epilepsiechirurgische
Massnahmen in speziellen Situationen zu
diskutieren wie eine Hemisphärektomie oder
eine Hemisphärotomie (z. B. bei Rasmussen
Encephalitis, bei Hemimegalence­phalie), eine
Korpuskallosotomie (z. B. bei therapierefraktären Sturzanfällen) und eine multiple subpiale Transsektion (wenn die Exzision eines
epileptogenen Herdes zu risikoreich ist) 45) .
Neue, potentiell interessante
Medikamente in der Kinder­
epileptologie
Neuere Medikamente nebst den oben besprochenen (Rufinamid, Stiripentol und Felbamat)
sind Brivaracetam und Lacosamid, bei Kindern
noch nicht zugelassen. Zudem stellt Perampanel als AMPA-Rezeptorblocker ein interessantes Produkt dar, welches nur einmal täglich
verabreicht werden muss. Retigabine kann
eventuell bei Kaliumkanalerkrankungen von
Interesse sein (autoimmune Enzephalitiden)
und Bumetamide, ein Schleifendiuretikum mit
antiepileptischer Wirkung auf exzitatorische
GABA-Rezeptoren, eine Erweiterung der antiepileptischen Therapie im Neugeborenenalter.
Zusammenfassung
In der antiepileptischen Therapie im Kindesalter müssen pharmakodynamische und -kinetische Eigenheiten beachtet werden, die
sich von der Behandlung Erwachsener unterscheiden. Negative Auswirkungen von Anfällen oder einer starken Entladungsaktivität auf
die Entwicklung und die Kognition des Kindes
müssen immer mit potentiell schädlichen
Nebenwirkungen von Antiepileptika abgewogen werden. Prinzipiell sollte natürlich wie
beim Erwachsenen auch beim Kind eine
Monotherapie angestrebt werden; bei Epilepsiesyndromen haben sich aber oft Kombinationen an Medikamenten als erfolgreich erwiesen. Die ketogene Diät und der VNS stellen
vielschichtig wirksame Alternativen zur medikamentösen Therapie dar. Es ist von grosser
Bedeutung, epilepsiechirurgische Optionen
bei therapierefraktärer Situation früh in Betracht zu ziehen.
21
Danksagung
Ich möchte mich für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die wertvollen Änderungsvorschläge bei Dr.
Christian Korff, Leiter der Abteilung Neuropädiatrie im
Kinderspital Genf, bedanken.
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Korrespondenzadresse
Dr. Alexandre N. Datta
Spezialarzt, stellvertretender
Abteilungsleiter Neuro- und Entwicklungspädiatrie, neurol. Leiter Schlaflabor
Spezialsprechstunde für Epilepsie
Universitätskinderspital beider Basel (UKBB)
Spitalstrasse 33
CH-4031 Basel
[email protected]
Der Autor hat keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
22
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
Die Belastung durch Phthalate
in der Neonatologie
Céline Fischer Fumeaux, Myriam Bickle Graz, Vincent Muehlethaler, David Palmero,
Corinne Stadelmann, Farhat M’Madi, Jean-François Tolsa1)
Übersetzung: Antje Horsch und Matthias Roth, Lausanne
Zusammenfassung
Obwohl Kunststoffe allgegenwärtig sind in
unserem täglichen Leben, sind die Auswirkungen auf die Gesundheit bestimmter
Weichmacher, wie Phthalate, Gegenstand
wachsender Besorgnis. Die Patienten in den
neonatologischen Abteilungen scheinen
sowohl sehr exponiert als auch vulnerabel
zu sein gegenüber Diethylhexyl-Phthalat
(DEHP), das in verschiedensten medizinisch­
en Geräten und Hilfsmitteln vorkommt. Obwohl die Folgen einer solchen Exposition
noch ungewiss sind, scheinen vorliegende
Daten langfristige Nebenwirk­ungen, insbesondere auf die reproduktiven Funktionen zu
suggerieren und erfordern deshalb ein kritisches Risikomanagement.
parenteralem, transdermalem oder enteralem
Weg (Abbildung 1). Die Migration wird durch
hohe Temperaturen (beispielsweise in Inkubatoren), einen alkalischen pH-Wert oder lipophile Lösungen (Medikamente, NahrungsmitMedikamente,
Spritzen,
Infusionssysteme
tel) begünstigt. DEHP findet sich in der Zu­sammensetzung von vielen plastifizierten
Gegenständen (Tabelle 1) und kann bis zu
40–50 % des Gesamtgewichtes ausmachen1) .
Die Exposition in neonatologischen Abteilungen ist oft mehrfach, wiederholt und langanhaltend und, obwohl schwer messbar, übersteigt jene in der allgemeinen Bevölkerung,
und übertrifft vielleicht sogar die bei Tieren
beschriebenen toxischen Dosen, vor allem bei
bestimmten Verfahren wie kardiopulmonalen
Bypässen oder parenteraler Ernährung mit
Lipiden2) .
Akustischer
Schutz
Venenkatheter
Inkubator
Handschuhte
Magensonde,
enterale
Ernährung
Occlusives
Dressing
Einführung
Phthalate sind Derivate (Salze und Ester) der
Phthalsäure. Die am weitesten verbreitete
dieser Verbindungen ist Diethylhexyl-Phthalat
(DEHP). Industriell hergestellt in grossen
Mengen, wird es zugemischt zu diversesten
Materialien wie Baustoffen, Textilien, aber
auch Lebensmittelverpackungen, Kosmetika
etc. Aufgrund seiner krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften wurde DEHP in Europa
und den USA in Kinderspielzeugen und Produkten der Säuglingspflege verboten. Es ist
jedoch immer noch zugelassen in der Herstellung von medizinischen Geräten und Hilfsmitteln, da es insbesondere deren Flexibilität und
Festigkeit erhöht durch Bindung an Polyvinylchlorid (PVC).
Hospitalisierte Neugeborene:
Erhöhte Exposition
DEHP kann leicht in die Umgebung diffundieren und so in Kontakt kommen mit dem Patienten über die Atemwege, sowie auch auf
1) Service de néonatologie, Département médicochirurgical de Pédiatrie, CHUV, Lausanne
Zentralvenenkatheter,
parenterale Ernährung
Abbildung 1:
Monitoring
Tubus,
Beatmungsschläuche
Die mögliche Exposition gegenüber DEHP Quellen in der Neonatologie (nach15), 16))
Beatmung
Endotracheal-Tuben
Masken/Kanülen für CPAP oder Sauerstoffapplikation
Schläuche für CPAP- und Beatmungsgeräte, Sauerstoffgabe, Befeuchtung
Absaugsonden
Masken und Reservoir des Beatmungsbeutels
Intravenös
Katheter für peripheren iv-Zugang, zentrale Venenkatheter
und Nabelkatheter
Perfusionsschläche
Verpackungen für Blutderivate
parenterale Ernährung
Medikamente, Infusionen (insbesondere lipophile)
Enteral
Magensonden, Ernährungssonden
Schläuche für enterale Ernährung
Absaug-und Sammelsysteme von Muttermilch
Urinkatheter
Thoraxdrainage, andere Drainagen
Andere Katheter
Kontakt
Plastiksäcke
Okklusivverbände
Handschuhe
Kabel für Monitoring
Patienten-Identifikationsarmbänder
Tabelle 1: Medizinische Geräte für die Neonatologie, die DEHP enthalten können gemäss Ref.15), 16)
23
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
Hospitalisierte Neugeborene:
Erhöhte Anfälligkeit
Zusammen mit den Schwangeren und den
Föten sind Neugeborene und Säuglinge besonders gefährdet, vor allem aus den folgenden Gründen:
•Die Strukturen für den Stoffwechsel und die
Beseitigung von DEHP und dessen aktiven
Metaboliten erreichen erst im Alter von 3
Monaten volle Reife.
•Die exponierten Organe befinden sich in
Wachstum und Reifung.
•Das geringe Gewicht erhöht das Verhältnis
der Dosis zum Körpergewicht.
•Das junge Alter erhöht die Latenzzeit für die
Entfaltung der Symptome und das Risiko
von Wechselwirkungen mit anderen Substanzen.
Hospitalisierte Neugeborene:
Erhöhte Gefährdung?
Während das Risiko einer akuten Toxizität
gering erscheint, sind es die längerfristigen
Gefahren, die zu befürchten sind. DEHP passiert die Plazentaschranke. Tierstudien haben
gezeigt, dass eine in utero Exposition von
DEHP in hohen Dosen mit einer erhöhten
Sterblichkeit und einem erhöhten Risiko für
Geburtsfehler und Schäden des reproduktiven Systems (Kryptorchismus, Hypospadie,
Hodenkrebs, Dysgenesie) des Föten assoziiert ist3) . Beim Menschen wurde in einigen
Fällen eine negative Verknüpfung zwischen
der mütterlichen Exposition und der Dauer
der Schwangerschaft oder des Geburtsgewichts beobachtet4). Nach hoher mütterlicher
Exposition während der Schwangerschaft
wurde eine Verringerung des anogenitalen
Indexes bei neugeborenen Knaben festgestellt, was auf eine anti-androgene Wirkung
hinweisen könnte5) . Zudem sind kürzlich Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit einer DEHP-Exposition beschrieben worden6) .
Die Folgen einer postnatalen Exposition sind
bisher noch wenig untersucht. Es besteht
grosse Sorge hinsichtlich der langfristigen re­produktiven Funktionen, vor allem - aber nicht
nur – bei Knaben7) . Ausserdem wurden neurologische Störungen beschrieben bei frühgeborenen Ratten, deren Diät mit Phthalaten
angereichert wurde8) . Pro-inflammatorische
Effekte, erhöhtes Risiko für bronchopulmonale Dysplasie oder nekrotisierende Enterokolitis, Hepatotoxizität, Cholestase, Hautläsionen
oder die Entwicklung der Retinopathie wurden
auch schon in Zusammenhang gebracht mit
einer Phthalatexposition9)–12) .
Es bleibt jedoch zu beachten, dass das Niveau der Evidenz, welches weitgehend auf
tierexperimentellen Studien und epidemiologischen Assoziationen beruht, niedrig ist
(Tabelle 2).
Risikomanagement: Eine kritische
Auseinandersetzung
Obwohl es wünschenswert wäre, die Exposition gegenüber DEHP in der Neonatologie zu
beschränken, sind die Möglichkeiten hierfür
derzeit begrenzt. Die reglementarischen Rahmenbedingungen in der Schweiz und in Europa erfordern die Identifizierung von Geräten
und Utensilien, die DEHP enthalten, durch ein
spezifisches Symbol, während jedoch die
Angabe der Abwesenheit von DEHP freiwillig
ist (Abbildung 2).
Im Bestreben, Geräte und medizinische
Hilfsmittel, die DEHP enthalten, in der Neonatologie am CHUV zu identifizieren, fanden
wir in 27 der 278 (10 %) untersuchten Gegenstände die Angabe der Anwesenheit von
DEHP, markiert mittels solcher Symbole
Foetus
Daten aus Tierversuchen
Daten aus Studien am Menschen
Fortpflanzungssystem
Hodendysgenesie, Hypospadie, Verminderung der
Fertilität (bei beiden Geschlechtern)
Abnahme des urogenitalen Indexes
Schwangerschaft
Fetaltod
Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht
(widersprüchliche Ergebnisse)
Teratogenität
Verschiedene angeborene Anomalien
Karzinogenität
Nieren-und Leberperoxisomenproliferation (Nagetiere)
Verhaltensauffälligkeiten
neurologische Entwicklung
Neugeborenes
Fortpflanzungssystem
Männlich: vermindertes Hodengewicht, tubuläre Atrophie
Weiblich: polyzystische Ovarien, anovulatorische Zyklen
Karzinogenität
Leberzellkarzinom, Nierentumore (je nach Tierart)
neurologische Entwicklung
Veränderungen der Gehirnentwicklung (Ratten)
Entzündungsreaktion
Inaktivierung des «peroxisome proliferator-activated
receptor-γ» (PPAR-γ), proinflammatorische Effekte
In vitro: Fehlregulierte Reaktionen auf verschiedene
Stressoren (insbesondere oxidativ))
Diskutiert als ätiologischer Faktor der bronchopulmonalen Dysplasie und der nekrotisierenden Enterokolitis
Andere
Verminderte Leber-und Nierenfunktion
Hämatologische Störungen
(Thrombozytenfunktion, Hämolyse)
Metabolische Störungen
(Reduktion von Vitamin E, Zink, Glucosetoleranz)
Pulmonale Effekte
(bronchiale Hyperreaktivität, Lungenödem)
Störung der Netzhautgefässe
Leberfunktion (Cholestase, Hepatomegalie)
Dermatitis
Tabelle 2:
unbewiesen
Potenzielle Risiken, die in der Literatur mit Phthalaten in Verbindung gebracht wurden (siehe Ref15), 16))
24
Fortbildung
Vol. 25 Nr. 1 2014
Abbildung 2: Piktogramme, die die Anwesenheit (oben) oder Abwesenheit (unten) von DEHP auf
der Verpackung von Medizinprodukten signalisieren (nach15), 16))
(Abbildung 2). Davon waren 25 Artikel (93 %)
Bestandteile mechanischer Beatmungsgeräte. Im Gegensatz dazu wurden 25 der untersuchten 278 (9 %) Produkte gefunden, die als
DHEP-frei deklariert waren, wovon 15 (60 %)
zur enteralen Ernährung benutzt werden.
226 (81 %) Artikel wiesen keine Informationen über den Gehalt von DEHP auf. Zusätzliche Informationen zu diesen Produkten
wurden von den betroffenen Herstellern
angefordert.
Obwohl die Verwendung von Geräten ohne
DEHP wünschenswert wäre, ist dieses Bestreben limitiert durch fehlende Verfügbarkeit
oder Fragen der Sicherheit, denn einige dieser
Produkte mit DEHP sind erforderlich in lebenserhaltenen Prozeduren und ein bewiesenermassen gleichwertiger Ersatz ohne DEHP
steht nicht in allen Fällen zur Verfügung13), 14) .
Schlussfolgerung
Trotz des limitierten Standes des aktuellen
Wissens rufen die vorliegenden Assoziationen
zwischen Phthalatbelastung und Gesundheitsrisiken, vor allem der Fruchtbarkeit, zur
Vorsicht auf. Fortschritte sind notwendig, um
die Sicherheit der zur Verfügung stehenden
Materialien zu verbessern, um die Kenntnisse
möglicher Auswirkungen auf die Gesundheit
zu erhöhen, und um eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erreichen.
Ein solcher Ansatz ist multidisziplinär und
sollte eine hohe Priorität haben in der Neonatologie.
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Korrespondenzadresse
Dr. Céline J. Fischer Fumeaux
Service de Néonatologie
Département Médico-Chirurgical de Pédiatrie
1011 Lausanne CHUV
[email protected]
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag
deklariert.
Hinweise
Vol. 25 Nr. 1 2014
SwissPedNet: Forschungszusammenarbeit im Dienste der Kinder
David Nadal
Noch immer kommen bei Kindern Therapien
zur Anwendung, die vorher nur bei Erwachsenen erprobt wurden. Um die Forschung
bei Kindern zu verbessern, haben sich die
acht Schweizer A-Kinderspitäler zu einem
Netzwerk zusammengeschlossen. Der erste
Präsident des «SwissPedNet» ist David
Nadal, Professor am Universitäts-Kinderspital, Zürich.
Die klinische Forschung in der Pädiatrie wird
gegenüber jener in der Erwachsenenmedizin
generell finanziell vernachlässigt und ist aus
verschiedenen Gründen im Nachteil: Die Anzahl Patienten ist kleiner, die Krankheiten
manifestieren sich je nach Alter des Patienten
unterschiedlich und es gibt zahlreiche sehr
seltene angeborene Erkrankungen. Zusätzlich
existieren besondere ethische, gesetzliche,
psychologische, soziale und organisatorische
Schwierigkeiten bei der Planung und Durchführung von Studien. Aus diesem Grund sind
die Datengrundlagen insbesondere für die
Pharmakotherapie im Kindesalter sehr mangelhaft; zahlreiche Medikamente werden in
Praxis und Klinik routinemässig in bis zu 80 %
«off label» oder «off licence» verwendet.
Zur Verbesserung dieser Situation haben sich
die fünf Universitäts-Kinderspitäler in Basel,
Bern, Genf, Lausanne und Zürich sowie die
drei anderen Klasse-A Kinderspitäler in Aarau,
Luzern und St. Gallen zu einem Forschungsnetzwerk, dem SwissPedNet zusammen geschlossen. Das Netzwerk soll die im Vergleich
zur Erwachsenenmedizin bisher ungenügend
ausgebaute klinische Forschung in der Pädiatrie unterstützen. Zur Durchführung von
multizentrischen Studien werden in den Kinderspitälern sogenannte Plattformen oder
Clinical Pediatric Hubs aufgebaut. Diese sind
an die bereits existierenden klinischen Studienzentren in den Universitätsspitälern und
dem Kantonsspital St. Gallen angegliedert.
Die klinischen Studienzentren sind eine Anlaufstelle für Forschende und helfen bei der
Planung, Durchführung und Auswertung von
Studien nach verbindlichen nationalen und
internationalen Richtlinien. Die Pediatric
Hubs werden darüber hinaus die Pädiatriespezifischen Aspekte der Studien abdecken.
Die Clinical Pediatric Hubs in der Schweiz
werden nach einem gemeinsamen Qualitätsmanagement-System arbeiten, die Pädiatriespezifischen Standard Operating Procedure
(SOPs) richten sich nach den Standards von
StaR Child Health, eine international tätige
Organisation, die Standards und Richtlinien
für die Forschung mit Kindern entwickelt.
Mitglieder des SwissPedNet sind die acht AKinderspitäler, die jeweils mindestens eine
Person als Vertretung delegieren. Der SwissPedNet-Vorstand setzt sich zusammen aus
dem Präsidenten David Nadal vom Kinderspital Zürich, dem Vize-Präsidenten Urs Frey
vom Kinderspital beider Basel, sowie den
Beisitzern Christa Flück, Kinderspital Bern,
Johannes Rischewski, Kinderspital Luzern und
Andrea Superti-Furga, Kinderspital Lausanne.
Namen und Adressen aller Kontaktpersonen
sind auf der Website ersichtlich http://www.
swisspednet.ch/about-us/.
Die Finanzierung des SwissPedNet ist noch
nicht vollständig gesichert. Im Hinblick auf
die BFI-Botschaft1) 2017–2020 erneuert das
Staatssekretariat für Bildung, Forschung und
Innovation (SBFI) die Schweizer Roadmap für
Forschungsinfrastrukturen. Zusammen mit
dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ist
zurzeit eine Ausschreibung offen, um neue
Forschungsinfrastrukturen von nationaler Bedeutung anmelden zu können. SwissPedNet
folgt dieser Ausschreibung und meldet die
acht Clinical Pediatric Hubs an. Bis im April
2015 wird bekannt sein, ob die klinische Pädiatrie ab 2017 Teil der vom Bund unterstützen
Schweizer Forschungsinfrastrukturen sein
wird.
Bis dahin werden jedoch bereits klinische
Studien durchgeführt und wo immer möglich
auch multizentrische Zusammenarbeit vorangetrieben. Der SNF unterstützt das SwissPed1) Botschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2017–2020.
26
Net bereits mit der Finanzierung der Stelle
einer nationalen Koordinatorin, welche bei der
Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO) angesiedelt wurde; und die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften stellt
einen namhaften finanziellen Beitrag fürs
2014 zur Verfügung. Die Koordinationsstelle
bei der SCTO ist Anlaufstelle für alle interessierten Stakeholder, so auch für die pharmazeutische Industrie und ausländische Studiengruppen, die Studienzentren und Patienten
suchen. Die Koordinatorin fungiert dann als
Vermittlerin zwischen den interessierten Parteien und den einzelnen beteiligten Kinderspitälern.
Anschluss an Europa erreicht SwissPedNet
als Mitglied bei Enpr-EMA, dem Europäischen
Netzwerk für pädiatrische Forschung bei der
Europäischen Arzneimittelagentur EMA. EnprEMA wurde gegründet, um dem steigenden
Bedarf an pädiatrischen Studien nach in Kraft
treten der Europäischen Gesetzgebung für
Forschung mit Kindern (European Paediatric
Regulation) im 2007 gerecht zu werden. Die
oben erwähnte Zusammenarbeit mit StaR
Child Health garantiert SwissPedNet internationalen und interkontinentalen Anschluss.
SwissPedNet ist immer noch im Aufbau, die
Initiatoren vom SwissPedNet haben jedoch
die Weichen für die Zukunft gestellt und die
Basis-Strukturen für eine multizentrische
Zusammenarbeit zur Beantwortung wichtiger
klinischer Fragen geschaffen.
Korrespondenzadressen
Prof. David Nadal
Tel. 044 266 72 50
[email protected]
SwissPedNet
c/o Swiss Clinical Trial Organisation
Petersplatz 13
4051 Basel
[email protected]
www.swisspednet.ch
Freie Auswahl:
Orange oder Grapefruit,
beide zuckerfrei.
rt
Ho ch d osie
ute
✓ Seh r g
Resorption
✓ G ut im c k
Gesch ma
✓
1006948
Gekürzte Fachinformation Magnesiocard® (Magnesiumpräparat). Indikationen: Magnesiummangel, Herzrhythmusstörungen, erhöhter Bedarf im Hochleistungssport
und während Schwangerschaft, bei Eklampsie und Präeklampsie, tetanischem Syndrom und Wadenkrämpfen. Dosierung: 10-20 mmol täglich, entsprechend der
Darreichungsform (Granulat, Brausetabletten, Tabletten) aufgeteilt in 1-3 orale Einzeldosen. Anwendungseinschränkungen: Eingeschränkte Nierenfunktion. Die gleichzeitige Verabreichung mit Tetrazyklinen ist zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen: Als Folge hochdosierter oraler Magnesiumtherapie können weiche Stühle auftreten. Packungen: Tabletten (2.5 mmol) 50, 100; Granulat (5 mmol) Citron und Granulat (5 mmol) Orange 20*, 50, 500; Brausetabletten (7.5 mmol) 20*, 60; Granulat
(10 mmol) Grapefruit und Granulat (10 mmol) Orange 20*, 50*, Ampullen i.v. (10 ml) 10; Verkaufskategorie B. Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch oder
www.compendium.ch. © 2013 Biomed AG. All rights reserved. 1 Classen, H.G. et al. Vergleichende tierexperimentelle Untersuchungen über die Resorption von Magnesium als Sulfat, Chlorid, Aspartat und Aspartat-Hydrochlorid aus dem Magen-Darm-Trakt. Arzneim.-Forsch., 23, 267-271, 1973.
*kassenpflichtig
ergoasw.ch
1
Hinweise
Vol. 25 Nr. 1 2014
Situation, Erwartungen und Bedürfnisse
von Eltern eines Kindes mit einer
seltenen, angeborenen Krankheit
Braucht es eine neue Art der Begleitung?
Christine de Kalbermatten, Sitten
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Vorwort
Die hier zusammengefasste Diplomarbeit (Be­
treuung von Personen mit einer angeborenen
Krankheit und deren Familien, Ausbildung in
Psychologie und Psychopathologie der Universität Pierre et Marie Curie, medizinische
Fakultät Pitié-Salpêtrière, Paris, auf Anregung
von Serge Lebovici) ist das Ergebnis einer
2013 durchgeführten Umfrage bei durch eine
seltene Krankheit (SK) betroffenen Familien.
Persönliche Situation
Die Geburt 1999 eines Kindes mit einer sehr
seltenen chromosomalen Fehlbildung, der
Tetrasomie X (Syndrom 48, XXXX) konfrontierte uns während diesen 14 Jahren mit einer
Reihe von Schwierigkeiten, die für SK charakteristisch sind1):
•Diagnostische Irrwege
•Unklare Informationen über die Diagnose
•Schwierigkeiten, bei der Ärzteschaft Gehör
zu finden
•Allgemein ungenügende Information
•Fehlende Forschung und Behandlungsmöglichkeiten
•Administrative und juristische Unsicherheit
•Psychosoziale Isolierung
Erst mehrere Jahre nach Diagnosestellung
erlaubten mir informelle Kontakte zu anderen
betroffenen Eltern festzustellen, dass wir
nicht die einzigen sind, die in der Schweiz
oder im Ausland auf solche Schwierigkeiten
stossen.
Allgemeine Situation
Verschiedene europäische Studien2)–5) haben
die Situation von Personen mit einer SK untersucht. Die Ergebnisse weisen eindeutige
Ähnlichkeiten auf, insbesondere in Bezug auf
die von den Patienten erwähnten Bedürfnisse.
Die Schweiz ihrerseits wartet immer noch auf
den ersten nationalen Plan für seltene Krankheiten, der 2014 vorgelegt werden sollte. Es
gibt kaum Daten zur medizinischen und psychosozialen Betreuung der Patienten mit einer
SK. In der welschen Schweiz wurde in nicht
spezifisch auf SK ausgerichteten Arbeiten
untersucht, welche Hilfen für Familien verfügbar sind6) , und seit 2011 publizierte ProRaris
eine Serie Artikel zu diesem Thema.
Diplomarbeit
Zweck meiner Diplomarbeit war es, die Situation von rund zehn Familien zu beschreiben, in
denen ein Kind mit einer erwiesenen oder
vermuteten angeborenen SK lebt. Spezifisches
Ziel war es, eine Bestandsaufnahme im weitesten Sinn zu machen (medizinisch, pflege-
risch, psychologisch, administrativ/juristisch,
sozial), um dann die Bedürfnisse und Erwartungen der betroffenen Familien zu definieren.
Ergebnisse
Sie resultieren aus den Interviews mit 9 Müttern und 2 Vätern, deren Kinder (8 Knaben
und 3 Mädchen) 3.5 bis 12 Jahre alt waren.
Das Ergebnis zeigt flagrante Ähnlichkeiten mit
einer Grosszahl der in den erwähnten Studien
festgehaltenen Punkte.
Positive Punkte
Ärztliche Betreuung
Die Eltern sind über die Koordination der
ärztlichen Betreuung eher zufrieden, wenngleich sie das Fehlen einer Gesamtsicht bedauern.
Die Mitteilung der Diagnose fand für 6/11
Familien unter guten Bedingungen statt. Der
mitteilende Arzt nahm sich genügend Zeit; die
Eltern heben die Zeit, die er ihnen widmete,
die menschlichen Qualitäten und das verständige Mitgefühl hervor. Sie schätzen es, dass
ihnen ein Hoffnungsschimmer gelassen und
das Potential des Kindes hervorgehoben wurde. Es bedeutete für sie die Möglichkeit, das
Leben neu zu erlernen und einen neuen Lebensplan zu erarbeiten.
Trotzdem werden Worte wie «Ihr Kind wird
niemals gehen lernen» immer noch ausge-
Durch genetischen Test bestätigte
Diagnose
8 Fälle
Noonan Syndrom
Deletion 9p (2 Fälle)
Deletion 22q13
Cornelia de Lange Syndrom (SCDL)
Osteogenesis imperfecta (Typ III)
Trilaterales Retinoblastom
Deletion 7 Duplikation 20
Auf Grund des klinischen Bildes
vermutete Diagnose
2 Fälle
Sotos Syndrom
Doose Syndrom
Unbekannte Diagnose
1 Fall
In Erwartung der Befunde
Diagnosen
Motorische Symptome
11/11
Sprachstörungen
10/11
Entwicklungsverzögerung
9/11
Sehstörung
8/11
Verhaltensstörungen
8/11
Verschiedene funktionelle Störungen
8/11
Hörstörung
3/11
Wachstumsstörung
3/11
Probleme, die eine (para)medizinische Betreuung erforderlich machen oder machten
28
Hinweise
Vol. 25 Nr. 1 2014
sprochen, obwohl jegliche Voraussage für die
Zukunft des Kindes nachteilige Auswirkungen
haben kann. Der Genetiker Arnold Munnich
sagte richtigerweise: «Man wird uns allenfalls diagnostische Fehler vergeben, niemals
jedoch falsche Prognosen.» (1999)
Die Familien waren wohl zufrieden mit den bei
Mitteilung der Diagnose erhaltenen medizinischen Informationen, doch dauerte für drei
unter ihnen die diagnostische Irrfahrt bis
zum Alter von 3–4 Jahren; diese Phase der
Ungewissheit war für die Eltern aufreibend, hin
und her geworfen zwischen Banalisierung der
beschriebenen Symptome durch die Ärzte,
langen Perioden diagnostischer Abklärungen,
spät erfolgter genetischer Beratung und Warten
auf die Resultate. Eine Familie hat immer noch
keine Diagnose und die Mutter wurde verdächtigt, an psychischen Störungen zu leiden. Eine
weitere Familie bekam eine falsche Diagnose.
Die Pädagogie der Ungewissheit (Zugeben
können, dass man nicht weiss) erleichtert eine
frühzeitige Diagnose. Die Praktiker müssen
den SK-Reflex entwickeln und Patienten früh
an Spezialisten oder an den Genetiker weisen.
Eine Mehrzahl Eltern scheinen die Mitteilung, dass ihr Kind an einem geistigen
Entwicklungsrückstand leidet, mit mehr
Fassung getragen zu haben als die Mitteilung der spezifischen Diagnose, da dies zu
konkreten Massnahmen führte, zu medizinischer und pädagogischer Betreuung im
Sinne eines therapeutischen Planes. «Angesichts fehlender Behandlungsmöglichkeiten übernimmt diese Betreuung sehr wohl
die Rolle eines therapeutischen Plans.»
(A. Munnich, 1999)
Psychosozialer Bereich:
Heilpädagogische Früherziehung
Im Vorschulalter spielten heilpädagogische
Früherzieherinnen die Beratungs- und Betreuungsrolle. Sie vermittelten Informationen,
psychologische Unterstützung und Hilfe in
administrativen Angelegenheiten; wenn nötig,
wiesen sie die Familien an die entsprechenden Anlaufstellen weiter. Der Schuleintritt
bedeutet das Ende ihres Einsatzes und eine
grosse Leere für die Eltern, die eine gleichwertige Weiterbetreuung wünschten. Insieme
Waadt hat Verhandlungen mit den betroffenen
kantonalen Stellen eingeleitet, um diesem
Bedürfnis entgegenzukommen und ein Pilotprojekt zu starten.
Psychosozialer Bereich:
Patientenorganisationen
Patientenorganisationen spielen für SK eine
ganz spezifische und wesentliche Rolle. Ihr
Beitrag bringt Hilfe bei der Diagnosestellung,
Informationen und erlaubt, Erfahrungen auszutauschen. Ihre Bedeutung zeigt sich in der
Tatsache, dass 7 Familien einer oder mehreren Vereinigungen angehören. «Diese Zusammenkünfte, bei denen die Ausnahme zur
Regel wird, sind genial.» (Herr A.)
Negative Punkte
Gesamtkoordination
Die Gesamtkoordination ist eindeutig ungenügend, mussten doch 8/11 Familien die Betreuung ihres behinderten Kindes selbst organi-
IV
Invalidenversicherung
Medizinische (Eingliederungs-) Massnahmen
Hilflosenentschädigung für Minderjährige
Intensivpflegezuschlag
Assistenzbeitrag
IV-Hilfsmittel
AHV
Alters- und Hinterlassenenversicherung
Zusatzleistungen
Krankenkassen
Obligatorische Krankenversicherung
Zusatzversicherungen
Medizinische Massnahmen
Insbesondere vorgeburtliche Versicherungen
Pflegeheime
Rotes Kreuz
Kinder- und Jugendheime
Beratung, Pflegehilfen verschiedener Art
Orphanet
Virtuelles Portal
Information zu seltenen Krankheiten,
Orphan Drugs und Experten
Verschiedene Organisationen
Insieme
ProCap
Cerebral
Pro Infirmis (VS: Emera/BL: Mosaik)
Integration Handicap
Verschiedene Leistungen: Freizeit, Beratung,
juristischer Beistand, Entlastungsdienst
Jugend- und Familienberatung
Familien-, Erziehungs-, Jugendberatungsstellen
Spezialisierte Erziehungsberatung
SBB
Verschiedene öffentliche Transporte
Ausweis für behinderte Reisende:
Kostenloses Mitfahren für die Begleitperson
Zahlreiche sozial ausgerichtete Stiftungen
Sollten obige Angaben unzureichend sein …
Wunderlampe, Sternschnuppe, usw.
Stiftungen, die Träume von behinderten Kindern
und Jugendlichen verwirklichen
ProRaris
Allianz Seltener Krankheiten Schweiz
Sammelt und verbreitet Informationen
Sprachrohr betroffener Eltern
Erleichtert den Zugang zu Behandlung
und Vergütung
Zusammenfassung der verfügbaren Massnahmen, Hilfelesistungen und Strukturen (nicht erschöpfend und kantonal unterschiedlich)
29
Hinweise
sieren, was zu fehlender Übersicht und
ungenügender Kommunikation unter den betreuenden Fachleuten führt.
Eine Erklärung findet sich in der Struktur der
Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV),
die seltene Syndrome in ihre verschiedenen
Symptome aufsplittert, was eine globale Betrachtung verhindert. Die der GgV beigefügte
Liste der Geburtsgebrechen ist im Übrigen
obsolet; die letzte wesentliche Revision
stammt aus dem Jahr 1985 und die Eidgenössische Finanzkontrolle äusserte diese Meinung in einem 2013 publizierten Rapport. Das
Konzept einer Positivliste an sich ist absurd,
werden doch weltweit jede Woche fünf neue
seltene Krankheiten entdeckt …
Information
Den Eltern wurden ausser den medizinischen
Daten nur wenige Informationen mitgeteilt,
insbesondere in psychologischen, administrativ/juristischen, praktischen und sozialen
Belangen; diese haben jedoch für die tägliche
Lebensqualität viel mehr Bedeutung als die
medizinischen Informationen. Die Eltern verfügen damit über nur sehr unvollständige
Kenntnisse der Leistungen, auf die sie Anrecht haben, über ihre Rechte und die Arbeitsweise der Verwaltungen (9/11).
Leistungen
Eltern kennen im Allgemeinen die IV-Leistungen wie die Hilflosenentschädigung (10/11)
oder den Intensivpflegezuschlag (8/11). Die
Kenntnis dieser Leistungen garantiert aber
noch nicht, dass sie diese auch erhalten. Es
fällt vielen Eltern schwer, ein Gesuch einzureichen, wegen der Vorstellung, die sie sich davon machen – sie haben das Gefühl zu betteln
– oder die gewisse Ärzte sich davon machen,
die soweit gehen, davon abzuraten. Das Erhalten insbesondere des Intensivpflegezuschlages ist heikel und scheint vom zuständigen
IV-Beamten abzuhängen.
Der kürzlich eingeführte Assistenzbeitrag
der IV ist wenig bekannt, ebenso wie die
Fahrvergünstigung für Reisende mit Handicap der SBB. Konkrete praktische Hilfe ist
gefragt und erweist sich als notwendig; es
wird selten danach gefragt und noch seltener
wird sie organisiert, da die Eltern bei den
betroffenen Ämtern oft auf Ablehnung stossen. Nicht selten warten Eltern bis sie erschöpft sind, um Hilfe zu erbitten; da die
Bearbeitungszeit der Dossiers sehr lang und
die benötigten Hilfspersonen nicht immer
verfügbar sind, fallen selbst positive Entscheide oft zu spät.
Vol. 25 Nr. 1 2014
Verwaltung
Der Kontakt zu Verwaltungen, welche
über die Zusprechung von Leistungen entscheiden, ist oft schwierig: Sie kennen die SK
nicht und ihre Arbeitsweise entspricht den
zeitlichen Bedürfnissen der Familien nicht.
Die Eltern kennen ihre Rechte nicht. Zwei
Drittel der Familien würden Hilfe in diesem
Bereich benötigen, insbesondere bei Inanspruchnahme der IV, gegenüber der es immer
schwieriger wird, seine Rechte durchzusetzen. Die IV würde immer restriktiver und
verzögere die Bearbeitung der Anfragen. Die
Familien zögern, ein Verfahren einzuleiten,
und wenn sie es tun, wird dies oft zu einem
Hindernislauf. Rekurse gegen IV-Entscheidungen sind inzwischen gebührenpflichtig und oft
muss der Dienst eines Anwalts beansprucht
werden; wirtschaftliche Aspekte und soziokulturelles Niveau der Eltern spielen dabei oft
eine entscheidende Rolle.
Sozioökonomische Auswirkungen
Die Auswirkungen der SK auf die berufliche
Tätigkeit der Eltern sind bedeutsam: 10 Mütter und 2 Väter mussten ihre Arbeitszeit verringern (4 Mütter mussten ihren Beruf gänzlich aufgeben); 2 Väter flüchteten in die
Arbeit, um der Realität des Alltagslebens zu
entkommen. 8/11 Familien müssen gewisse
Leistungen selbst finanzieren. Gesamthaft
erklären 9/11 Familien, dass sie mittelschwere bis schwere Rückwirkungen auf das Familienbudget verspüren.
Zeitliche Auswirkungen
Der tägliche Umgang mit der Krankheit ist
zeitaufwändig. Alle Kinder benötigen multiple
ärztliche Betreuung: Die Kinder sehen 2 bis 7
Spezialisten 8 bis 20-mal im Jahr, in ¾ der
Fälle nicht am Wohnort, oft ausserhalb des
Kantons. Die paramedizinischen Behandlungen (1 bis 7 wöchentliche 45-minütige Sitzungen) beanspruchen im Mittel 50 Minuten
Reisezeit. Über die Hälfte der Familien widmet
im Durchschnitt täglich 4 Stunden für Pflege,
Therapie, Hygiene und andere Hilfeleistungen
für ihr behindertes Kind.
Psychologische Unterstützung
Nur selten wurde den Familien eine psychologische Unterstützung angeboten. Die Eltern
schlagen sich so gut wie möglich durch, unter
Inanspruchnahme ihres eigenen sozialen Beziehungsnetzes. Alle wünschen diesbezüglich
eine dauerhafte Unterstützung, und nicht nur
in kritischen Situationen (wie z. B. beim Mitteilen der Diagnose oder bei Schuleintritt).
30
Alle Fachleute sollten sich daran beteiligen.
Die Eltern wünschen die Möglichkeit, sich
aussprechen und mit anderen Eltern Erfahrungen austauschen zu können, sowie über
Strukturen zu verfügen, die ein Ausschnaufen
erlauben. Solche Strukturen sind zurzeit ungenügend vorhanden und oft den spezifischen
Bedürfnissen der SK nicht angepasst.
Psychosoziale Aspekte: Sozialleben
Die Auswirkungen auf das Sozialleben sind für
über die Hälfte der Eltern besonders schlimm.
Zu den beruflichen Implikationen kommen
psychische und physische Erschöpfung. Die
Eltern ziehen sich zurück und einige verzichten aufs Ausgehen, sei es alleine, als Paar
oder mit der Familie. Diese Auswirkungen auf
das Sozialleben machen sich auch für die
Kinder bemerkbar; Einladungen zu Geburtstagsfeiern sind ein gutes Barometer. Zeichen
von Diskriminierung oder Ablehnung (7/11) in
der Schule, privat oder am Arbeitsplatz verstärkten zusätzlich das Gefühl sozialer Isolierung bei zwei Drittel der Familien. «Wir haben
unternommen, was wir konnten, um uns das
Leben zu vereinfachen, aber das Sozialleben
ist zu kompliziert.» (Frau I.)
Psychosoziale Aspekte: Schulleben
Ohne Unterstützung durch die heilpädago­
gischen Früherzieherinnen müssen die Eltern
bei der Einschulung die Koordination der Betreuung ihres Kindes selbst in die Hand nehmen. Mehr als die Hälfte der Familien erleben
Konflikte mit dem Lehrkörper, bedingt durch
Furcht, Unkenntnis der Problematik der SK,
fehlende Kommunikation und fehlender Ausoder Fortbildung. In diesem Rahmen ist es
umso wichtiger, dass die Eltern über eine
Bezugsperson verfügen, die in der Lage ist,
die Verbindung zu den Lehrern herzustellen,
z. B. bei Stufen- oder Schulhauswechsel.
Bedürfnisse und Erwartungen:
Ein neuer Beruf ist gefragt
Die Eltern von Kindern mit SK wünschen dringend eine Verbesserung der jetzigen Situation. Sie brauchen eine effiziente Koordination
unter den verschiedenen Fachstellen. Sie
verlangen nach Information betreffend verfügbaren Dienst- und Hilfeleistungen sowie über
ihre Rechte. Sie wünschen psychologische
Unterstützung und Beratung im administrativjuristischen Bereich. Diese Hilfe sollte bestehen aus Ansprechpartnern und der Schaffung
von Strukturen, die ihnen Atempausen erlauben, sowie eines Koordinators, der die Familie
begleitet.
Hinweise
Vol. 25 Nr. 1 2014
Alle Eltern sprechen sich zugunsten eines
neuen Berufes aus, mit spezifischer Ausbildung in der Betreuung von Patienten mit einer
SK, unabhängig von deren Alter. Ohne für die
verschiedenen Fachleute eine Konkurrenz
darzustellen, würde er die Zusammenarbeit
des interdisziplinären Teams erleichtern und
im Schulalter die heilpädagogischen Früherzieherinnen ablösen. Seine Aufgabe bestünde
in Sensibilisierung, Information und Ausbildung der beteiligten Akteure. Die Frage ist, wie
man diesen neuen Beruf nennen und wie sein
Rahmen und Wirkungsbereich aussehen soll.
Schlussfolgerung
Die Unterbreitung des ersten nationalen Aktionsplanes für Menschen mit seltenen Krankheiten sollte 2014 in der Schweiz einen Meilenstein im Leben der Betroffenen darstellen.
Diese nationale Strategie sollte den Anliegen
der Eltern entgegenkommen. Es ist deshalb
wesentlich, dass der Begriff der Koordination,
wie er in einigen europäischen Nachbarländern bereits existiert oder geplant ist, berücksichtigt wird.
Das Inkrafttreten dieses nationalen Aktionsplanes in der ganzen Schweiz wird einige Zeit
brauchen. Prioritär ist für mich die Einleitung
eines Pilotprojektes für Begleitmassnahmen,
unter Einbringung meiner persönlichen Erfahrungen. Dieses Projekt wird vor allem das
Peer-counseling bevorzugen, dank der Kompetenzen der Patienten und ihrer Familien, die
auch gute Ausbildner werden könnten. Die
Zusammenkünfte zwischen Eltern von Kindern mit einer SK, die Ende 2013 begonnen
haben, sollen sich weiter entwickeln. Auf dem
Programm stehen ebenfalls die Fortsetzung
der Verhandlungen mit den verschiedenen
Partnern sowie das Verteilen und Vorstellen
dieser Diplomarbeit bei den betroffenen Institutionen. Zielvorstellung: Begleitmassnahmen für die Patienten mit seltenen Krankheiten und ihren Familien.
Referenzen
1) Kole A, Faurisson F. The Voice of 12’000 Patients:
Experiences and Expectations of Rare Disease
Patients on Diagnosis and Care in Europe (2009).
2) Beuscart J-S. étude sur les besoins et les attentes
en matière d’accompagnement des personnes atteintes de maladies rares, Contribution au débat
public du 17 janvier 2006. Paris, AFM (2006).
3) AFM, Accompagnement des personnes atteintes
de maladies rares, évolutives et physiquement invalidantes – Recommandations, Paris (2006).
4) Azéma B, Martinez N. Étude sur les maladies rares:
attentes et besoins des malades et des familles.
Réalisée par le CREAI à la demande de l’Alliance
Maladies Rares (2009).
5.) Gouvernement du Grand-Duché de Luxembourg,
Les maladies rares – Enquête sur la situation des
personnes atteintes de maladies rares au GrandDuché de Luxembourg (2011).
6) Piérart G et al. Les ressources de soutien aux familles de personnes en situation de handicap dans
le cadre du maintien à domicile. Recherche financée par le Réseau d’Etude aux Confins de la Santé
et du Social de la HES-SO (Haute École Santé Social) et l’Office des personnes handicapées du
Québec (OPHQ) (2012).
Korrespondenzadresse
Christine de Kalbermatten
Pharmacienne, diplômée en accompagnement des personnes atteintes de maladie
génétique et de leur famille
Ave Ritz 33
1950 Sion
[email protected]
Die Autorin hat keine finanzielle Unterstützung und keine anderen Interessenkonflikte
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Die vollständige Fassung der Diplomarbeit
steht auf Anfrage zur Verfügung.
31
Hinweise
Vol. 25 Nr. 1 2014
Neue Medien –
Herausforderung im Kinderschutz
Fachtagung der Fachgruppe Kinderschutz der schweizerischen
Kinderkliniken in Bern
Jeanette Stalder Muff, Luzern
Die Fachtagung vom 19. November 2013 wurde durch die Kinderschutzgruppe des Kinderspitals Luzern organisiert. Die Thematik der
Neuen Medien stiess auf reges Interesse. Der
Vormittag war den Themen Internetkriminalität und Cybermobbing gewidmet. Die Schwerpunktthemen des Nachmittags waren der
pathologische Mediengebrauch und die Mediensozialisation. Insgesamt besuchten 118
Teil­nehmerinnen und Teilnehmer aus allen
Landesteilen der Schweiz die Fachtagung in
Bern.
Das erste Referat mit dem Titel «Internetkriminalität – der virtuelle Tatort mit realen
Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche»
wurde durch Martin Boess, Direktor der
Schweizerischen Kriminalprävention (SKP),
einer Fachkommission der Konferenz der
kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen
und -direktoren (KKJPD), gehalten. Martin
Boess beschäftigt sich seit 2005 mit den
Gefahren, denen Kinder und Jugendliche im
Internet ausgesetzt sind. Dabei hat er feststellen müssen, wie rasch sich das Internet
und die Netzwerkangebote verändern. Kinder
und Jugendliche nutzen die Angebote der sozialen Netzwerke virtuos, sie sind Mitglieder
der sogenannten «Second-Screen-Generation», also «Digital Natives». Den Kindern und
Jugendlichen fehlt es an Lebenserfahrung, um
die Fallen im Internet, denen sie begegnen,
erkennen zu können. Die Erwachsenen, normalerweise diejenige Generation, die ihre
Lebenserfahrung an die Jungen weitergibt,
haben oftmals (zu) wenig Kenntnis über die
Möglichkeiten und Risiken im Internet. In
seinem Referat erklärt Martin Boess die Funktionsweise des Webs 2.0, der neuen Generation des Internets, das ein Mitmachen der
Nutzer ermöglicht. Es wird dargestellt, wieso
gerade Kinder und Jugendliche vom Web 2.0
fasziniert sind und wieso sie bei den sozialen
Medien überdurchschnittlich aktiv sind. Martin Boess informiert über die verschiedenen
Deliktgruppen, die auch im Web 2.0 vorkom-
men und wie sie sich von jenen in der realen
Welt unterscheiden. Der Fokus liegt dabei auf
den Deliktarten, denen Kinder und Jugendliche häufig zum Opfer fallen (z. B. sexuelle
Handlungen mit Kindern) oder die von ihnen
selbst begangen werden (z. B. Mobbing). Den
Vortrag runden wichtige Informationen zur
Strafbarkeit von illegalen Handlungen im Internet und zur Medienkompetenz ab.
Arnold Poot, Police cantonale vaudoise/
Brigade Mineurs Moeurs, referierte anschlies­
send zum Thema «Pornographie enfantine et
abus sexuels via Internet». Herr Poot ist in
Sachen strafbare Handlungen in sozialen
Netzwerken polizeilicher Ermittler erster
Stunde.
An das Referat von Herrn Boess anknüpfend
hält A. Poot einleitend fest, dass es für Jugendliche ein Leichtes ist, auf illegale Seiten
im Internet zu gelangen. Die Mehrheit der
männlichen Jugendlichen sucht aktiv Zugang
zu pornografischem Material im Internet. Die
sozialen Netzwerke, in denen sich Kinder und
Jugendliche wie selbstverständlich bewegen,
sind eine Realität geworden. Ein sehr hoher
Prozentsatz der Jugendlichen hat ein eigenes
Profil in einem sozialen Netzwerk. Durch
diese Netzwerke sind Jugendliche auf verschiedenen Ebenen gefährdet, Opfer von kriminellen Handlungen zu werden, da ihnen
oftmals die psycho-soziale Kompetenz fehlt,
um zu beurteilen, was sie tun und welche
Konsequenzen ihr Handeln hat.
Pädokriminalität: Nicht alle pädophilen Menschen suchen einen realen sexuellen Kontakt
zu Kindern. Wenn sie aber einen solchen suchen, suchen sie diesen auch im Internet – oft
gezielt in Netzwerken und Chatforen. Pädophile fälschen ihr Profil komplett (Fake-Profil),
um im Chat gezielt das Interesse von Kindern
und Jugendlichen auf sich zu lenken. Herr
Poot berichtet über mehrere Fälle, bei denen
es zu reellen Treffen zwischen Minderjährigen
32
und Pädophilen gekommen ist. Die Bereitschaft von Teenagern, sich zum Gegenstand
sexueller Forderungen unbekannter Chatpartner zu machen, darf nicht unterschätzt werden. Leider ist die Fahndung von Sexualstraftätern in den sozialen Netzwerken sehr
komplex und nur bei knapp 1/3 der Fälle können strafbare Handlungen strafrechtlich relevant nachgewiesen werden.
Exhibitionismus: Chatforen wie zum Beispiel
«Chatroulette» bieten Exhibitionisten eine
ideale Plattform, wo sie ihre Neigungen in
vermeintlich anonymer Umgebung ausleben
können.
Sexting: Sich gegenseitig Nacktfotos, Posenfotos oder Filme als Liebesbeweis zuzusenden, wird inzwischen von vielen Jugendlichen
praktiziert. Dieses Bildmaterial kann unkon­
trolliert weitergeleitet und dadurch kaum je
wieder gelöscht werden. Es kann auch nach
einem Liebes-Aus als Mobbingwaffe verwendet werden.
Arnold Poot berichtete anhand von Fallbeispielen auf eindrückliche Weise von seiner
Arbeit als polizeilicher Ermittler.
Françoise Alsaker, Professorin am Institut
für Psychologie der Universität in Bern, referiert vor der Mittagspause zum Thema «Cybermobbing – Die Spitze des Eisbergs». Die
Thematik des Cybermobbings hat wegen besonders dramatischen Vorfällen in jüngster
Zeit grosse Aufmerksamkeit auf sich gezogen
und wird mehrheitlich als ein eigenständiges
Phänomen dargestellt. Wissenschaftliche Studien in der Schweiz und international zeigen
allerdings, dass Cybermobbing eher als Verlängerung von traditionellen Mobbingattacken
zu betrachten ist und nicht als eigenständiges
Phänomen. Françoise Alsaker zeigt in ihrem
Referat auf, dass im Grundsatz zwischen zwei
Formen von Mobbing unterschieden wird: Die
direkte Mobbingform zeigt sich darin, dass die
Täterschaft bekannt ist und eine offensichtliche Konfrontation stattfindet. Erkennungszeichen dafür sind körperliche und verbale
Handlungen, Drohungen und Erpressungen,
Zerstörung von Eigentum und beleidigende
Gesten gegenüber einem wehrlosen Opfer.
Bei der indirekten Form findet keine klare
Konfrontation statt und die Täterschaft agiert
anonym. Merkmale hierfür sind nonverbale
Handlungen, soziale Aggression und Ausgrenzung sowie Gerüchte und Ignorierung. Cybermobbing unterscheidet sich vom traditio-
Hinweise
Vol. 25 Nr. 1 2014
nellen Mobbing insofern, als dass keine
Beschränkung von Zeit und Raum mehr stattfindet und dass die Inhalte der Attacken einem potentiell grenzenlosen Publikum zur
Verfügung stehen. Durch die nicht reale
Sichtbarkeit des Opfers ist die Hemmschwelle für die Mobbenden tiefer und es besteht
eine geringere Angst vor Sanktionen. Bekannte Folgen für Mobbingopfer sind Angst vor der
Schule, körperliche Beschwerden (Bauch-/
Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Müdigkeit),
tiefer Selbstwert und Depressionen. Gemäss
dem aktuellen Forschungsstand scheinen
Opfer von Cybermobbing stärker von depressiven Symptomen und schlechtem Selbstwertgefühl betroffen zu sein als beim tra­
ditionellen Mobbing. Empirisch geschieht
Cybermobbing deutlich seltener als traditionelles Mobbing. Jugendliche, die online Mobbingopfer sind oder selber Mobbing ausüben,
tun dies meistens auch offline. Auf die Frage,
ob Cybermobbing schlimmer als traditionelles
Mobbing ist, hält Françoise Alsaker fest, dass
das Medium (online oder offline) nicht primär
relevant für die Einschätzung des Schweregrades ist, sondern dass Öffentlichkeit und Anonymität viel bedeutsamer für die Einschätzung
des Schweregrades sind. Das Medium per se
wird kaum als angsteinflössend wahrgenommen, sondern dessen Potential, anonyme
Angriffe zu starten und weite Kreise zu erreichen. Abschliessend hält Françoise Alsaker
fest, dass die Problematik des Cybermobbings ernst zu nehmen ist und dass Präventions- und Interventionsstrategien gegen Cybermobbing im Kontext des traditionellen
Mobbings betrachtet und auch umgesetzt
werden müssen.
Oliver Bilke-Hentsch, ärztlicher Leiter der
Modellstation SOMOSA in Winterthur, referiert am Nachmittag zum Thema «Pathologischer Mediengebrauch – Wissenswertes für
die kinder- und jugendmedizinische Praxis».
Oliver Bilke beschreibt den Mediengebrauch
bei Kindern und Jugendlichen dann als problematisch, wenn er von wichtigen anderen
Entwicklungsaufgaben dauerhaft ablenkt und
die sozialen Aktivitäten durch die ständige
Anwesenheit der Geräte gestört oder permanent ergänzt und damit letztlich auch entwertet werden.
Internetsucht, schwerer pathologischer Mediengebrauch oder die in der neuen amerikanischen Psychiatrieklassifikation verankerte
«Internetgaming Disorder» stellen die deutlichsten und schwersten Formen pathologi-
schen Medienverhaltens dar. Internetsucht
tritt selten allein auf, sondern ist kombiniert
mit im Kindes- und Jugendalter ebenfalls gehäuft auftretenden Störungsbildern wie einem
nicht behandelten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, einer mittelgradigen bis schweren
Depression, Traumafolgestörungen bei verunfallten oder misshandelten Kindern und mit
anderen schwereren psychiatrischen Störungen. Hier besteht Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen.
80 bis 90 % aller Kinder und Jugendlichen erleben die modernen Medien als fantastische
Bereicherung ihrer vorhandenen Fähigkeiten,
als interessante, intellektuell wie emotional
anregende Ergänzung zum realen Leben und
als wunderbare Möglichkeit, am Weltwissen
und der weltweiten Vernetzung bereits früh
teilnehmen zu können.
Der Experte aus dem Bereich der klinischen
Psychologie und der Entwicklungspsychiatrie
ist dann gefragt, wenn die Medienkompetenz
sich nicht entwickelt, wenn Abhängigkeitszeichen längerfristig bestehen bleiben, wenn die
familiären Auseinandersetzungen immer weiter zunehmen und zu keinem positiven Ende
führen und wenn eindeutige Suchtzeichen
festzustellen sind. Dann gilt es, eine früher
(gegebenenfalls) durchgeführte Diagnostik
und Einordnung der kindlichen Probleme neu
vorzunehmen, eine Zweitmeinung einzuholen,
eine Therapie (wieder) aufzunehmen und
insgesamt die Verhaltensweise mit dem Kind
klar zu thematisieren. Letztlich dient eine
kinder- und jugendpsychiatrische Untersuchung, eine Suchtberatung oder eine entwicklungspsychologische Untersuchung dazu, das
Risikoprofil des Einzelnen genau zu erfassen,
die möglichen Schutzfaktoren zu stärken und
mögliche bestehende Erkrankungen wie etwa
eine Depression oder eine Angsterkrankung
zu erkennen und zu therapieren.
Zum Abschluss der Fachtagung referiert Daniel Süss, Professor für Medienpsycho­logie
an der Zürcher Hochschule für Angewandte
Psychologie (ZHAW), zum Thema «MediensoPEGI (Pan European Game Information)
zialisation – Auswirkungen von Computergames und Gewaltdarstellungen auf Kinder und
Jugendliche».
Daniel Süss erläutert, dass die meisten Kinder
einen unauffälligen Medienumgangsstil entwickeln. Nicht alle Medienbenutzer sind also
für negative Medieneffekte im gleichen Masse
anfällig. Wenn Medien zu problematischen
Verhalten beitragen, dann sind komplexe Erklärungsmodelle gefragt. Gewaltdarstellungen können zum Beispiel die Einstellung zu
Gewalt beeinflussen, dies heisst aber nicht,
dass eine Verrohung im Alltag entsteht. Dennoch kann bei Mediengewalt – unter bestimmten Bedingungen – ein Desensitivierungseffekt auftreten. Wenn Jugendliche in einem
gewaltbereiten Kontext leben und im Alltag
erfahren, dass Gewalt belohnt oder nicht
sanktioniert wird, dann können gewaltverherrlichende Medienbotschaften die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Gewalttaten
ausgeübt werden. Medien wirken dort stark,
wo bereits andere Kräfte in dieselbe Richtung
ziehen und dort, wo sie auf ein Vakuum treffen. Sie haben oft die Funktion einer Moderatorvariablen in einem komplexen Gefüge.
Mediensozialisation bewegt sich zwischen
Restriktion und Zulassung. Die verschiedenen
Sozialisatoren sind gefordert, ihren jeweiligen
Beitrag zu leisten, um Kindern und Jugendlichen einen förderlichen Medienumgang zu
ermöglichen. Der Gesetzgeber muss dem
Markt Grenzen setzen und Altersfreigaben
regeln. Die Medienanbieter sollen jugendgeeignete Angebote bereitstellen. Die Eltern
müssen sich dem Dialog mit ihren Kindern
stellen, um Regeln zum Medienumgang festzulegen und auf Anzeichen von Medieneffekten zu reagieren. Die Lehrpersonen können
Kulturtechniken vermitteln und Zugangsklüfte
zu Medien und anspruchsvollen Inhalten ausgleichen. Die Selbstsozialisation unter den
Gleichaltrigen bleibt ein wichtiges Feld für den
Erwerb von Medienkompetenz. Der Dialog mit
den Heranwachsenden ist anspruchsvoll,
denn die Medieninnovationen verlaufen immer schneller und die medienpädagogische
Das 2003 geschaffene System PEGI (Pan European Game Information) teilt Videospiele in Kategorien ein, nach Alter und Inhalt. Es wird durch das, von der Spielzeugindustrie absolut unabhängige, Netherlands Institute for the Classification of Audiovisual Media (NICAM) verwaltet. PEGI
wird heute in 30 Ländern angewandt, in der Schweiz unter der Aufsicht der Swiss Interactive Entertainment Association (SIEA). Ende 2012 betrug die Anzahl der durch das System PEGI evaluierten Spiele über 20000, wovon 46 % für alle Altersklasse bestimmt, 6 % für über 18-jährige vorbehalten sind.
33
Hinweise
Vol. 25 Nr. 1 2014
und entwicklungspsychologische Reflexion
hinkt hinterher.
Zum Stand der Forschungen zu Auswirkungen
von Gewaltdarstellungen in Computergames
fasst Daniel Süss die zentralen Wirkungsthesen wie folgt zusammen: Die Verstärkung von
Gewaltbereitschaft kann bei sogenannten
Risikogruppen belegt werden. Einflussreiche
Variablen sind unter anderem Alter, Geschlecht, kognitive und soziale Kompetenzen,
soziale Situation, Persönlichkeit. Die Reduktion von Aggressivität (Computergames als
Ventilfunktion) kann nicht nachgewiesen werden. Bei zahlreichen Spielern treten geringe
und nur kurzfristige Effekte auf, wenn sie über
eine solide Medienkompetenz und eine intakte Life-Balance verfügen. Lediglich zwischen
5–10 % der Gewaltbereitschaft einer Person
kann im Schnitt durch den Medienkonsum
erklärt werden.
Am Schluss der Veranstaltung wurde Ueli Lips
als Gründer der Fachgruppe Kinderschutz für
seine sehr wertvolle Pionierarbeit gewürdigt
und sein enormes Engagement für den Kinderschutz verdankt. Die nächste Fachtagung
der Fachgruppe Kinderschutz findet am
18.11.2014 wiederum im Auditorium Rossi der
Universitäts-Kinderklinik in Bern statt.
Die Fachtagung konnte dank freundlicher Unterstützung
folgender Firmen durchgeführt werden:
Ringier AG, Melebi SA, Janssen-Cilag AG, Pfizer AG,
Gilead Sciences, Institut Biochimique SA
Korrespondenzadresse
Jeanette Stalder Muff
Leiterin Kinderschutzgruppe
Sozialarbeiterin FH/Systemtherapeutin ZSB
Kinderspital Luzern
6000 Luzern 16
[email protected]
34
Kassenzulässig
JAHRE
www.zellermedical.ch
1006944
epogam –
Die natürlich starke &
systemische Basistherapie
®
• normalisiert den FettsäureStoffwechsel durch Substitution
1,2
von γ-Linolensäure (GLA)
• überzeugend wirksam
– verringert die Intensität und
3,4
das Ausmass der AD
– verbessert die Trockenheit
1,3
und den Juckreiz
– reduziert die Entzündung1,3
• sicher und gut verträglich in
4,5
der Langzeittherapie
epogam®  vegicaps soft® – Zusammensetzung: 1 Kapsel enthält: 1000 mg Nachtkerzensamenöl (Ze 358), dies entspricht einem Gehalt von mindestens 80 mg
γ-Linolensäure.Dieses Präparat enthält zusätzlich Hilfsstoffe. Das Präparat ist für DiabetikerInnen geeignet. Indikationen /Anwendungsmöglichkeiten: Unterstützende Behandlung und symptomatische Erleichterung von atopischen, ekzematösen Hauterkrankungen mit begleitendem Juckreiz. Dosierung /Anwendung: Erwachsene: 2 × täglich den Inhalt
von 2 – 3 Kapseln. Kinder von 1 – 12 Jahren: 2 × täglich den Inhalt von 1 – 2 Kapseln. Anwendungsdauer: Mind. 8 – 12 Wochen. Kontraindikation: Bekannte Überempfindlichkeit
gegen das Präparat oder einen seiner Bestandteile. Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen: Bei Patienten, die bestimmte Medikamente gegen psychiatrische Erkrankungen
einnehmen (sog. Phenothiazine), kam es unter der Behandlung von epogam®  vegicaps soft® in Einzelfällen zum Auftreten von epileptischen Anfällen. Deshalb ist bei Patienten,
welche Phenothiazine einnehmen oder an Epilepsie leiden, Vorsicht geboten. epogam®  vegicaps soft® kann wegen seinem Ölgehalt die Aufnahme und die Wirkung anderer
Medikamente beeinflussen. Schwangerschaft und Stillzeit: Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist bei bestimmungsgemässer Anwendung kein Risiko für das Kind bekannt.
Systematische wissenschaftliche Untersuchungen wurden aber nie durchgeführt. Während der Stillzeit kann epogam®  vegicaps soft® eingenommen werden, da γ-Linolensäure
ein natürlicher Bestandteil der Muttermilch ist. Unerwünschte Wirkungen: Gelegentlich kann es zu Übelkeit, Verdauungsstörungen einschliesslich Durchfall und Kopfschmerzen
kommen. In seltenen Fällen wurden allergische Erscheinungen beobachtet, die sich durch Hautausschläge, Bauchschmerzen sowie in Einzelfällen durch Temperaturerhöhung äussern. Bei Neurodermitis Patienten mit bekannter Nahrungsmittelallergie oder anderen Allergien ist eine sorgfältige ärztliche Überwachung nötig. Packungsgrössen: 120 und 240
Kapseln. Verkaufskategorie: D, kassenzulässig. Zulassungsinhaberin: Zeller Medical AG, 8590 Romanshorn, Tel.: 071 466 05 00. Ausführliche Angaben entnehmen Sie bitte
www.swissmedicinfo.ch (Stand der Information: April 2009). 1 Morse N. et al. (2006) A meta-analysis of randomized, placebo-controlled clinical trials of Efamol evening primrose
oil in atopic eczema. Where do we go from here in light of more recent discoveries? Curr Pharm Biotechnol. 7:503-524. 2 Tronnier H et al. (1993) Behandlungsstudie der Dermatitis
atopica mit ungesättigten Fettsäuren. H+G Band 68, Heft 9:562-572. 3 Schalin M et al. (1987) Evening primrose oil in the treatment of atopic eczema: Effect on clinical status,
plasma phospholipid fatty acids and circulating blood prostaglandins. Britisch Journal of Dermatology. 117:11-19. 4 Pirow N (2003) Nachtkerzensamenöl bei Atopischer Dermatitis.
0114
Aktuelle Medizin 2:25-28. 5 HMPC Assessment report on Oenothera biennis L., Oneothera lamarckiana L., oleum. 2009. AD = atopische Dermatitis
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Kinderkardiologie
Christian Balmer, Zürich; Nicole Sekarski, Lausanne
Berufsorganisation
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische
Kardiologie (SGPK)
Vorstand
Präsident
Christian Balmer, Zürich
Sekretärin
Anna Cavigelli, Zürich
Wissenschaftlicher Sekretär
Stefano Di Bernardo, Lausanne
hat sich auch zum Ziel gesetzt, die wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Kinderkardiologie zu stimulieren und multizentrische
Studien zu unterstützen, wofür die Position
eines wissenschaftlichen Sekretärs geschaffen wurde.
Im Jahr 2013 standen die Vorarbeiten für das
Kinderherzregister (Swiss paediatric heart
cohort) im Vordergrund: In Zusammenarbeit
mit dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern wurde das Projekt
formuliert und eine Registerbewilligung eingeholt. In diesem Register sollen in Zukunft alle
Kinder mit Herzerkrankungen in der Schweiz
erfasst werden.
Präpräsidentin
Cécile Tissot, Genf
Pastpräsidentin
Nicole Sekarski, Lausanne
Mitgliederstatistik
Die schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie hat 69 Mitglieder, wovon 9
Juniormitglieder in Ausbildung für pädiatrische Kardiologie, 9 Seniorenmitglieder nach
Pensionierung, 7 Korrespondenzmitglieder im
Ausland und 8 ausserordentliche Mitglider
sind.
Weitere Informationen finden Sie unter
www.pediatriccardiology.ch
Korrespondenzadresse
Dr. A. Cavigelli, Sekretärin SGPK
Universitätskinderspital
Steinwiestrasse 75
8032 Zürich
[email protected]
Aktivitäten
Die Gesellschaft trifft sich 2-mal im Jahr zu
einer ordentlichen Sitzung. Die Frühlingssitzung ist eine administrative Sitzung, die im
Rahmen des jährlichen schweizerischen Kardiologiekongresses stattfindet. Die Herbstsitzung ist ein wissenschaftliches Symposium,
das abwechslungsweise in jedem schweizerischen Kinderkardiologiezentrum organisiert
wird. Der Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der Grundlagen- und angewandten
Forschung sowie die Weiter- und Fortbildung
auf dem Gebiet der pädiatrischen Kardiologie.
Die Gesellschaft wahrt die Interessen ihrer
Mitglieder und bezweckt eine enge Zusammenarbeit und Meinungsaustausch auf dem
Gebiet der pädiatrischen Kardiologie im Inund Ausland. Sie ist um eine fachspezifische
Qualitätssicherung besorgt. Die Gesellschaft
36
Vol. 25 Nr. 1 2014
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Vol. 25 Nr. 1 2014
Entwicklungspädiatrie
M. Ecoffey, Neuenburg
Fachorganisation Schweizerische Gesellschaft für Entwicklungspädiatrie (SGEP)
Präsident 2014 Marc Ecoffey, Neuenburg
Kopräsidium
Peter Hunkeler, Zürich/Luzern
Homepage
www.entwicklungspaediatrie.ch
Anzahl Titelträger
60
Anzahl Mitglieder
156
Schwerpunktsprüfung
Ende Mai/Anfang Juni 2014 im Kinderspital
Zürich, Abteilung Entwicklungspädiatrie
Anmeldung bis 31. März 2014 unter [email protected]
Vorschau Hauptaktivitäten 2013
Nächste Jahresversammlung am 20. November 2014 in St. Gallen mit Fortbildungsveranstaltung in neuem Format. Weitere Einzelheiten werden auf der Homepage folgen.
•Jahrestagung der Gesellschaft am 21. Nov­
ember in Bern. Vorträge:
•Urs Maurer (Psychologisches Institut der
Universität Zürich): Neuronale Mechanismen bei Lesenlernen und Dyslexie
•Brigitte Bertoni (Logopädin):
Lese-Schreib-Störung
Durchführung der Schwerpunktsprüfung
(mündlich-theoretisch und praktisch) am
7. Juni sowie 13. Dezember 2014
•Durchführung der Schwerpunktsprüfung
nach den Übergangsbestimmungen (mündlich-theoretisch) am 13. Dezember 2013
1. Schweizer ADHS-Kurs für Kinderärzte 2014/2015
ADHS ist im Praxisalltag zu einem zentralen Thema geworden. Ziel des
Kurses ist der Erfahrungsaustausch mit ausgewiesenen Experten aus dem
deutschsprachigen Raum, um Sicherheit im Umgang mit ADHS zu erlangen. Aufgeteilt auf vier Themenblöcke, stellen die Bereiche «Abklärung»
und «Therapie» die Kursschwerpunkte dar.
Kursleitung: Dr. med. Urs Hunziker, Dr. med. Kurt von Siebenthal,
Dr. med. René Kindli
Der Kurs möchte neue Wege beschreiten:
Patronat: Schweiz. Gesellschaft für Pädiatrie (SGP)
Die Organisatoren verfügen über einen breit abgestützten Hintergrund
aus Klinik, Spezialsprechstunde und allgemein-pädiatrischer Praxis.
Detailinformationen:
1.Block am 18./19. September 2014
Thema: ADHS – Die Diagnose
2.Block am 15./16. Januar 2015 im Kloster Disentis Thema: ADHS – Die Abklärung
3.Block am 23./24. April 2015
Thema: ADHS – Die Therapie
4.Block am 18./19. Juni 2015 Thema: ADHS – Der Pädiater als Begleiter:
vom Kleinkind bis zum Erwachsenen
Die Kursblöcke 1, 3 und 4 finden voraussichtlich in Luzern, Solothurn und
Winterthur statt.
Wissenschaftsjournalist und TV-Moderator
Schweizerische Fachgesellschaft für ADHS
h
• Die Vermittlung erfolgt in Form von Fachreferaten, die anschliessend in
Workshops in Kleingruppen vor dem Hintergrund der eigenen Praxis
vertieft wird.
• Die Themenblöcke werden durch einen anerkannten wissenschaftlichen
Moderator geleitet.
• Durch Austausch und Dialog soll eine fundierte Diskussionsbasis entstehen.
• Abgerundet wird jeder Kursblock durch ein philosophisch-literarisches
Input-Referat von bekannten Persönlichkeiten ausserhalb der Medizin.
Moderation: Beat Glogger,
Trägerschaft: Verein «Kinderärzte – Plattform ADHS» (in Gründung)
Kredits: bei der SGP beantragt, ca. 50
Kurskosten: CHF 3’700.– inkl. Referate, professionelle Moderation,
Handouts, Mittagessen und Zwischenverpflegung, jeweils eine Übernachtung pro Kursblock
Anmeldeschluss: 15. März 2014
Die Kursleitung behält sich das Recht vor, das Zustandekommen der
definitiven Kursdurchführung von einer Minimalanzahl von 50 Anmeldungen abhängig zu machen.
Anmeldung und weitere Informationen:
Kurssekretariat
Gattenhof Arts Management AG
Michael Gattenhof
Matschilsstrasse 45
9495 Triesen
T: +423 390 0 290
+423 777 7 077
@:[email protected]
37
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Pädiatrische Endokrinologie/
Diabetologie
V. Schwitzgebel, Genf
Fachorganisation
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische
Endokrinologie und Diabetologie (SGPED/
SSEDP)
Präsidentin 2014
Valérie Schwitzgebel, UniversitätsKinderspital HUG Genf
Internet-Links
www.ssedp-sgped.ch
www.swiss-paediatrics.org
www.sgedssed.ch
Anzahl Titelträger
45, Facharztprüfung sanktionierend seit
1.1.2005
sein, die Epidemiologie dieser Varianten in der
Schweiz zu erfassen.
An der Jahresversammlung im Januar 2014
in Luzern waren neben Diabetes, Transit­ion, Fertilitätsprotektion, die Transsexuellensprechstunde und die Adipositas ein Thema.
Im Weiteren arbeiten wir laufend an unserer
Webseite, Anregungen aus der Leserschaft
der Paedia­trica sind dabei willkommen.
Im Vorstand gibt es keinen Wechsel, Präsidentin ist Valérie Schwitzgebel, weitere Vorstandsmitglieder sind Christa Flück, Daniel
Konrad, Michael Hauschild sowie Marco Janner.
Beitrittsbedingungen
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie
Schwerpunkttitel Pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie (oder einen äquivalenten
Titel) sowie Wissenschaftler, die im Arbeitsgebiet der Pädiatrischen Endokrinologie/Diabetologie aktiv sind.
Facharztprüfung
1 x jährlich in einer der Zentrumskliniken mit
schriftlichem Anteil (90 MC-Fragen) sowie
Fallbesprechung/Kolloquium anhand von Zuweisungsschreiben und Patientenbildern.
Hauptaktivitäten 2013
Die Fachgesellschaft befasst sich mit sämtlichen Hormonkrankheiten inkl. Diabetes mellitus bei Kindern und Jugendlichen. Neben
Dienstleistung, Lehre und Forschung im eigenen Gebiet gibt es zahlreiche Vernetzungen
mit anderen Fachgesellschaften und Schwerpunkten. Kinder mit Wachstums- und Pubertätsstörungen sowie der Diabetes mellitus Typ
1 sind neben den angeborenen Endokrinopathien im Zentrum unserer Tätigkeit in Klinik
und Forschung.
Eine neue Arbeitsgruppe «Varianten der Geschlechtsentwicklung» ist gegründet worden.
Das erste Ziel dieser Arbeitsgruppe wird es
38
Vol. 25 Nr. 1 2014
Vol. 25 Nr. 1 2014
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Pädiatrische Gastroenterologie
tenback bezüglich eosinophile Oesophagitis;
SPEED).
A. Nydegger, Lausanne
Fachorganisation
Schweizerische Gesellschaft für pädiatrische
Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung
Vorstand 2013/2014
Präsident
Andreas Nydegger, Lausanne
Sekretär
Klaas Heyland, Winterthur
Kassier
Susanne Schibli, Bern
Mitgliederstatistik
Die Schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung zählt aktuell 23 ordentliche Mitglieder, 4 assoziierte Mitglieder, 3 Freimitglieder
(davon 2 Ehrenmitglieder), sowie 7 Kollektivmitglieder.
Tätigkeitsgebiet
Die Gesellschaft trifft sich zweimal jährlich zu
Plenarsitzungen mit jeweils einem adminis­
trativen/standespolitischen sowie einem wissenschaftlichen Teil.
Ziel der Gesellschaft ist es, Kindern und Jugendlichen mit akuten und chronischen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und
der Leber und Ernährungsfragen eine kindergerechte Abklärung und Behandlungsmöglichkeit anzubieten sowie das Fachgebiet in der
Schweiz zu fördern und Forschung, Weiterund Fortbildung zu unterstützen.
Weiterbildung
Die Weiterbildung zum Schwerpunkttitel «Päd­
iatrische Gastroenterologie, Hepatologie und
Ernährung » dauert 3 Jahre, wovon 1 Jahr im
Rahmen der Weiterbildung zum Facharzt für
Kinder- und Jugendmedizin absolviert werden
kann. Das Weiterbildungsprogamm aus dem
Jahre 2004 wurde 2013 vollständig überarbeitet und wird anfangs 2014 in Kraft treten.
Viele pädiatrische Gastroenterologen besitzen
zudem eine Mitgliedschaft in der deutschen,
der französischen, oder der europäischen
Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie (GPGE, GFHGNP, ESPGHAN).
Facharztprüfung
Die nächste sanktionierende Facharztprüfung
findet im Herbst 2014 statt. Datum und Ort
werden rechtzeitig bekanntgegeben.
Pediatric Gastro-Weekend
Jedes Jahr findet unter der Leitung von P.
Müller (St. Gallen) ein Wochenendkurs für
Assistenz- und Oberärzte in Ausbildung statt
(seit 2013 in Gunten). Diskutiert werden Themen mit Schwerpunkt pädiatrische Gastroenterologie. Dieser Kurs findet jeweils grossen
Anklang und wird grösstenteils durch die Industrie und unsere Gesellschaft finanziert.
Educational Grant
(3-jähriges Pilotprojekt)
Alle Ärzte in Ausbildung, sowie ausgebildete
Kinderärzte, welche im Bereich der pädiatrischen Gastroenterologie tätig sind, können
sich bewerben. Der Maximalbetrag beläuft
sich auf CHF 2000.– pro 6 Monate und kann
unter mehreren Bewerbern aufgeteilt werden.
Finanzielle Beteiligung finden wissenschaftliche Kongresse im Bereich der Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, falls ein
Poster vorgestellt oder eine Präsentation gehalten wird, der Besuch einer Summer-School
(organisiert durch ESPGHAN) oder eines Endoskopiekurses, sowie Kurse zur Verbesserung von Forschungs-Skills. Die Einreichfristen (Motivationsschreiben, Lebenslauf sowie
wissenschaftliche Arbeit) sind Ende März,
beziehungsweise Ende September des jeweiligen Kalenderjahres. Die Bewerbung muss
durch ein Mitglied der SGPGHE unterstützt
werden und sollte an R. Furlano geschickt
werden ([email protected]).
Nationale und
internationale Vernetzung
Es besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Zentren sowohl
klinisch, als auch wissenschaftlich (z. B. Beteiligung am nationalen Projekt der entzündlichen Darmerkrankungen; Swiss IBD cohort
study: www.ibdcohort.ch; Pädiatrische Da-
39
Bezüglich Therapierichtlinien werden die Guidelines der europäischen Fachgesellschaft
ESPGHAN (European Society of Pediatric
Gastroenterology, Hepatology and Nutrition)
angewandt. Diese werden regelmässig zusammengefasst und in der Paediatrica publiziert.
Korrespondenzadresse
PD Dr. A. Nydegger, Präsident SGPGHE
Leiter der Abteilung für pädiatrische
Gastroenterologie
DMCP, Centre Hospitalier Universitaire
Vaudois CHUV
1011 Lausanne
[email protected]
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Pädiatrische Nephrologie
G. Laube, Zürich und P. Parvex, Genf
Schweizerische Arbeitsgruppe für
Pädiatrische Nephrologie (SAPN)
Präsident
Guido F. Laube; Abteilung Nephrologie, Universitäts-Kinderkliniken, Zürich
Sekretär
Paloma Parvex; Unité Universitaire Romande
de Néphrologie Pédiatrique, Genève et Lausanne
Anzahl Titelträger
16
Facharztprüfung
Schwerpunkt (jährlich; sanktionierend)
Allgemeines
Die Mitgliedschaft in der SAPN steht allen
Ärzten/-innen, welche an der pädiatrischen
Nephrologie interessiert sind, offen. Jährlich
finden zwei Plenarsitzungen statt, an welchen
nebst Fallvorstellungen auch Guidelines ausgearbeitet und standespolitische Themen
behandelt werden.
Die Weiterbildung zum Schwerpunkttitel in
pädiatrischer Nephrologie ist im entsprechenden Weiterbildungsprogramm festgelegt und
wird mit einer sanktionierenden Prüfung abgeschlossen.
Als Weiterbildungsstätten sind von der FMH
bisher drei Kliniken in der Schweiz anerkannt:
•Universitäts-Kinderkliniken Zürich
•Centre universitaire romand de néphrologie
pédiatrique: Genève, Lausanne
•Universitäts-Kinderklinik, Inselspital, Bern
Nur eine Minderheit aller kindernephrologisch
betreuten Patienten bedarf jemals einer hoch
spezialisierten Therapie wie Dialyse oder Transplantation. Diese epidemiologischen Gegebenheiten müssen bei der Organisation des Betreuungsangebotes berücksichtigt werden;
trotzdem sollen jedoch die hoch spezialisierten
Behandlungsmöglichkeiten in akzeptabler Distanz für die Patienten verfügbar sein. Unter
diesen Gesichtspunkten werden Dialysen und
Nierentransplantationen an den oben genannten drei Universitätskliniken durchgeführt. Zusätzlich zu obengenannten Weiterbildungsstät-
ten werden fachärztliche Konsultationen durch
Kindernephrologen/-innen in Basel, Luzern, St.
Gallen, Bellinzona und Sitten angeboten. Dieses
Netzwerk ist von zentraler Bedeutung, um allen
Kindern mit akuter oder chronischer Nierenerkrankung eine qualitativ hochstehende fachärztliche Betreuung sicherzustellen.
Weiterbildung
Die Weiterbildung zum Erlangen des Schwerpunktes in pädiatrischer Nephrologie erfolgt an
den obengenannten Kliniken der Kategorie A,
welche die geforderten Kriterien der Zentrumsversorgung wie akute und chronische Dialyseverfahren sowie Nierentransplantation erfüllen.
Fortbildung
Wenngleich nur relativ wenige Patienten im
pädiatrischen Alter eine terminale Niereninsuffizienz erleiden, gibt es dennoch eine
große Anzahl von Erkrankungen, welche potentiell zur Niereninsuffizienz führen können.
Gemäß schweizerischem, pädiatrischem Nierenregister gehören angeborene Missbildungen der ableitenden Harnwege, Refluxnephropathie und Nierendysplasie zu den häufigsten
Ursachen einer terminalen Niereninsuffizienz.
Es gehört somit zu den Hauptaufgaben insbesondere im Bereich der Behandlung von Patienten mit Harnwegsinfektionen, mit angeborenen Missbildungen der Harnwege und mit
glomerulären Erkrankungen eine qualitativ
hochstehende Fortbildung sicherzustellen.
Hauptaktivitäten
Der Prävention einer Niereninsuffizienz kommt
ein zentraler Stellenwert in der Kindernephrologie zu. Dies bedingt eine Behandlung auch
unter Berücksichtigung epidemiologischer
Aspekte, die Weiterentwicklung prä­nataler
Diagnostik und eine bestmögliche Charakterisierung der verschiedenen Nephropathien bis
zum Übergang in das Erwachsenenalter.
In diesem Zusammenhang immer wichtiger
werden seltene, vererbte renale Krankheiten,
was 2012 dazu geführt hat, eine neue Arbeitsgruppe zu gründen (Working Group on Inherited Kidney Diseases: WGIKD). Ziel dieser
40
Vol. 25 Nr. 1 2014
Arbeitsgruppe ist die Optimierung der Patientenbetreuung und die Verbesserung der genetischen Diagnostik. Entsprechend setzt sich
die Gruppe aus Adultnephrologen, pädiatrischen Nephrologen und Genetikern zusammen. Jährlich finden zwei Sitzungen statt, an
welchen nebst Fallvorstellungen auch standespolitische Themen diskutiert werden können.
Ein weiteres wichtiges Element der Prävention
stellt das schweizerische Kindernierenin­
suffizienzregister dar, welches ab 1972 durch
Ernst Leumann aufgebaut wurde. Dieses umfasst die Daten sämtlicher Kinder mit terminaler Niereninsuffizienz (behandelt mit Dialyse
oder Transplantation). Ein solches Register
wurde mittlerweile auch durch die European
Society of Pediatric Nephrology (ESPN) etabliert. Das schweizerische Register wurde während der letzten Jahre ESPN kompatibel gemacht, was ein regelmässiger Datenaustausch
möglich macht und die Teilnahme an europäischen Projekten sicher stellt. Die Organisation
erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern, dessen Mitarbeiter sich auch für
das Einhalten der ethischen Aspekte und der
Vorgehensweise betreffend Datenschutz verantwortlich zeichnen. Für dieses Projekt wurde
von der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung eine
entsprechende Sonderbewilligung erteilt.
Die Existenz derartiger Register ermöglichte
grosse Fortschritte in der Abklärung und Behandlung von erwachsenen und pädiatrischen
Patienten mit Niereninsuffizienz. Die Beteiligung am europäischen Register hat somit einen zentralen Stellenwert.
Empfehlungen
•Gemeinsam mit der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Pädiatrische Infektiologie wurden
Empfehlungen zur Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind etabliert. Ebenso
erarbeitet wurden Empfehlungen betreffend
der Abklärung und Behandlung von Kindern
mit Inkontinenz und Enuresis nocturna.
•Die Abklärungs- und Behandlungsstrategie
bei pädiatrischer Nierentransplantation
wurde von den drei Zentren vereinheitlicht.
•Empfehlungen zur Abklärung und Behandlung von Kindern mit angeborenen Fehlbildungen der Harnwege wurden gemeinsam
mit Geburtshelfern, Kinderurologen und
Kinderradiologen erarbeitet.
Korrespondenzadresse
[email protected]
Vol. 25 Nr. 1 2014
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Pädiatrische Onkologie-Hämatologie
F. Niggli, Zürich
Medizinische Gesellschaft
Schweizerische Pädiatrische Onkologie
Gruppe (SPOG)
Adresse Geschäftsleitung
Isabelle Lamontagne-Müller
SPOG Office
Effingerstrasse 40
3008 Bern
Tel. 031 389 93 48
Internetseite
www.spog.ch
Vorstand 2014
Präsident
Felix Niggli, Zürich
Vize-Präsident
Heinz Hengartner, St. Gallen
Beisitzerin
Maja Beck Popovic, Lausanne
Anzahl Titelträger
40
Facharztprüfung
1 x pro Jahr im Herbst (Datum 2014 noch offen). Durchführung der Schwerpunktprüfung
«pädiatrische Hämatologie-Onkologie» zuletzt
im November 2013, 4 KandidatInnen haben
die Prüfung bestanden.
Prioritäre Tätigkeiten
1. Klinische Forschung
Die Hauptaktivität der Schweizerischen Päd­
iatrischen Onkologie-Gruppe bildet die aktive
Teilnahme an klinischen Therapiestudien.
Behandlungen in solchen Studien zeigen bekannterweise generell bessere Resultate, sind
sicherer, beinhalten Qualitätskontrollen und
generieren einen systematischen Erkenntnisgewinn. Infolge der Seltenheit kindlicher
Krebserkrankungen ist es nur möglich, solche
Studien multizentrisch, in einem internationalen Verbund durchzuführen. Die SPOG ist international ausgezeichnet vernetzt und dank
langjähriger Zusammenarbeit mit kooperati-
ven Gruppen in Europa und USA stehen entsprechend zahlreiche Therapiestudien zur
Verfügung. Zurzeit sind 18 klinische Therapiestudien in der Schweiz aktiviert, in denen
Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen eingeschlossen werden. Daneben gibt es
noch 8 internationale Registrierungsstudien,
die meist nach Abschluss einer Therapiestudie eröffnet werden, um bis zur Aktivierung
einer Nachfolgestudie die Qualitätssicherungsmassnahmen aufrecht zu erhalten.
SPOG übernimmt im Rahmen der Teilnahme
an internationalen Studien jeweils die Rolle
und damit die Pflichten des nationalen Sponsors gemäss GCP. Ein suffizientes zentrales
Office der SPOG bewältigt Vorbereitungen
und einen wesentlichen Teil des grossen administrativen Workloads, um internationale
Therapiestudien für Krebserkrankungen bei
Kindern in allen Landesteilen zugänglich zu
machen und sie gemäss heute üblichem Vorgehen der Good Clinical Practice umsetzen zu
können. Dabei sind Monitoring von Therapiestudien sowie Qualitätskontrollen der teilnehmenden Zentren ein wichtiger Bestandteil der
gesetzlichen Vorgaben einer Studiendurchführung.
Im Jahre 2013 konnten etwa 2/3 aller in der
Schweiz erkrankten Kinder mit Krebs einer
solchen Therapiestudie oder mindestens einem Therapieregister zugeführt werden.
Auch wenn der damit verbundene administrative Aufwand sehr gross ist, ermöglichen wir
damit nicht nur qualitätskontrollierte diagnostische Untersuchungen durchzuführen, sondern auch die neuesten Erkenntnisse und
Therapiemöglichkeiten in die Behandlung
einfliessen zu lassen.
Im Weiteren ist die SPOG daran, eine Plattform für Phase I/II Studien bei kindlichen
Krebserkrankungen in der Schweiz in Kooperation mit ausländischen Partnern aufzubauen.
2. Laborforschung
Viele therapeutische Studien, an denen SPOGZentren beteiligt sind, beinhalten zusätzliche
biologische Fragestellungen. Die SPOG unterhält eine zentrale Tumorbank zur Sammlung
und Untersuchung von Tumorgewebe, die es
ermöglicht, entsprechende Laborforschungs-
41
projekte anzugehen. Die 5 universitären
Zentren (Zürich, Basel, Bern, Lausanne,
Genf) führen je ein Forschungslabor mit unterschiedlichen Aktivitäten pädiatrischer
Grundlagenforschung und translationeller
Forschung. Einmal jährlich wird eine wissenschaftliche Tagung, traditioneller Weise jeweils im Tessin im Januar abgehalten, um den
Forscherinnen und Forschern gegenseitig ihre
Resultate vorzustellen und um den Austausch
zwischen den Kinderonkologien und den wissenschaftlichen Kollegen zu pflegen.
3. Epidemiologische Forschung
Ein wichtiger Partner und Mitglied der SPOG
ist das Schweizerische Kinderkrebsregister
SKKR (www.kinderkrebsregister.ch), welches
am Institut für Sozial- und Präventivmedizin
der Universität Bern angesiedelt ist. Das
SKKR ist nach wie vor das einzige Krebsregister, welches die Krebsinzidenz in einer Alterskategorie für die ganze Schweiz einheitlich
erfasst. Die Zusammenarbeit mit dem nationalen Institut für Krebsepidemiologie und
-registrierung (NICER) hat sich verstärkt.
Dennoch ist die Finanzierung dieses Krebsregisters nach wie vor weitgehend von Drittmitteln abhängig. Ein grosser Schwerpunkt sind
die Spätfolgenstudien bei ehemaligen Patientinnen und Patienten einer Kinderkrebserkrankung (Swiss Childhood Cancer Survivor
Study). Aus diesen Untersuchungen sind
schon einige wesentliche Publikationen hervorgegangen und weitere wichtige Ergebnisse
werden folgen.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Felix Niggli
Präsident der SPOG
Universitäts-Kinderspital
8032 Zürich
[email protected]
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Pädiatrische Pneumologie
A. Möller, Zürich
Vorstandsmitglieder
Präsident
Alexander Möller, Zürich
Vizepräsidentin
Daniela Stefanutti, La Chaux-de-Fonds
Past-Präsident
Peter Eng, Aarau
Sekretär
Jürg Barben, St. Gallen
Kassier
Gaudenz Hafen, Lausanne
Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (SGPP) vereint Ärztinnen
und Ärzte, welche sich mit Atemwegs- und
Lungenkrankheiten bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen befassen.
Der Verein fördert den weiteren Ausbau und
den Fortschritt der pädiatrischen Pneumologie in der Schweiz sowie die Aus-, Weiter- und
Fortbildung in Kinderpneumologie und ist
verantwortlich für die Durchführung der Facharztprüfung. In enger Zusammenarbeit mit der
Gesellschaft für Pädiatrie fördert die SGPP
auch die Weiter- und Fortbildung von Pädiatern und Allgemeinpraktikern. Die Gesellschaft vertritt die fachlichen und standespolitischen Interessen der Kinderpneumologen
in der Schweiz und ar­beitet sehr eng mit der
Gesellschaft für Pneumologie zusammen. So
finden die Jahresversammlung der SGPP, wie
auch die wissen­schaftliche Tagung der Swiss
Paediatric Respiratory Research Group
(SPRRG) seit einigen Jahren zusammen mit
derjenigen der Gesellschaft für Pneumologie
statt. Die SGPP lebt eine sehr rege Zusammenarbeit mit internationalen Gesellschaften
wie der Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (GPP), der European Respiratory Society
(ERS) sowie der European Cystic Fibrosis
Society (ECFS) und ist mit Mitgliedern aktiv
in verschiedenen Arbeitsgruppen dieser Gesellschaften involviert.
Die SGPP weist aktuell 69 Mitglieder auf, davon sind 31 Titelträger in Pädiatrischer Pneumologie und 5 Kollektivmitglieder.
Im Jahr 2013 haben zwei Kandidaten erfolgreich die Prüfung für den Schwerpunktstitel
in pädiatrischer Pneumologie bestanden:
Andreas Jung und Dominik Müller. Zusätzlich
hat Anne Mornand 2012 mit grossem Erfolg
ihre Schwerpunktsprüfung absolviert.
Nächste Schwerpunktprüfung
4.9.2014 in Bern
Anmeldung bei Prof. J. Hammer
Universitäts-Kinderspital beider Basel
Spitalstrasse 33
4031 Basel
[email protected]
Korrespondenzadresse
Sekretariat SGPP
PD Dr. med. J. Barben
Leitender Arzt Pneumologie/Allergologie
Ostschweizer Kinderspital, 9006 St. Gallen
Tel. 071 243 71 11, Fax 071 243 73 90
[email protected]
www.sgpp-schweiz.ch
www.kinderlunge.ch
42
Vol. 25 Nr. 1 2014
Vol. 25 Nr. 1 2014
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
Swiss Group for Inborn Errors of
Metabolism (SGIEM)
M. Baumgartner, Zürich
Mitglieder
M. Baumgartner, Universitäts-Kinderklinik Zürich; J. M. Nuoffer, Universitätskinderklinik und
Institut für Klinische Chemie, Bern; M. Huemer,
Universitätskinderklinik Basel; L. Bonafé; D.
Ballhausen, Universitätskinderklinik Lausanne;
I. Kern, Universitätskinderklinik Genf
Informationen aus dem
pädiatrischen Spezialgebiet
Stoffwechselkrankheiten
Fachorganisation
Swiss Group for Inborn Errors of Metabolism
(SGIEM)
Präsident 2014
Brian Fowler, Basel und Zürich
Sekretärin 2014
Diana Ballhausen, Lausanne Homepage
keine
Anzahl Titelträger kein eigenständiger Titel,
keine eigenständige Facharztprüfung
Anzahl Mitglieder 29; neu 4 Mitglieder aus Zürich (Neugeborenenscreening und Klinik) und aus Lausanne
(klinische Betreuung Erwachsener)
Spezialisierte Weiterbildung
pädiatrische Stoffwechselmedizin
(Programm am Kinderspital Zürich, akkreditiert durch die European Academy of Paediatrics). Seit April 2013 1 Assistenzarzt
Hauptaktivitäten 2014
•Jahrestagung der SGIEM am 24.01.2014 in
Lausanne.
•Koordination des Neugeborenen-Screenings für angeborene Stoffwechselkrankheiten inkl. Entwicklung von Konzepten zur
Erweiterung des Neugeborenenscreenings
und deren Eingabe beim BAG: Bereits ein-
gereicht, aktuell in Überarbeitung: Glutar­
azidurie Typ 1 sowie Ahornsirupkrankheit.
Neu in Vorbereitung zur Einreichung als
Pilotprojekt: Severe Combined Immune
Deficiencies (SCID).
•Koordination der klinischen Versorgung von
Patienten mit angeborenen Stoffwechselkrankheiten in Zusammenarbeit mit den
pädiatrischen A- und B-Kliniken:
•Metabolisches Netzwerk Südwest
(Koordinator Lausanne)
•Metabolisches Netzwerk Mitte
(Koordinator Bern)
•Metabolisches Netzwerk Nordost
(Koordinator Zürich).
•Koordination des Angebots an Stoffwechsel-Spezialanalytik an den Universitätsspitälern sowie Beantragung von Stoffwechsel­
analysen zur Aufnahme in die Analysenliste.
•Beantragung der Aufnahme von notifizierten diätetischen Lebensmitteln und von
international anerkannten Medikamenten
für die Behandlung von angeborenen Stoffwechselstörungen in die Spezialitätenliste
(SL) bzw. die IV Geburtsgebrechenmedikamentenliste (GGML) und damit Gewährleistung der Kostenübernahme durch Krankenkasse und IV.
•Themenorientierte Untergruppe:
Schweizerische Arbeitsgruppe für Lysosomale Speicherkrankheiten (SALS http://
sals.ch/i6/sals/iSix_sals.cgi).
•Leitung von bzw. Mitarbeit in internationalen Gruppen zur Entwicklung von krankheitsspezifischen Guidelines für Diagnostik
und Therapie:
Harnstoffzyklusstörungen: Leitung
Prof. Dr. Johannes Häberle, Kinderspital
Zürich
Methylmalonazidurie/Propionazidurie: Leitung Prof. Matthias Baumgartner,
Kinderspital Zürich
Galaktosämie: Dr. Matthias Gautschi, Inselspital Bern als Vertreter der SGIEM
Remethylierungsstörungen (Homocystinurien mit Hypomethioninämie):
Leitung Prof. Dr. Matthias Baumgartner,
Kinderspital Zürich
43
PKU (DACH-Leitliniengruppe): PD Dr.
Diana Ballhausen (Pädiater), CHUV Lausanne, Dr. Michel Hochuli (Internist),
Unispital Zürich und Sandra Bollhalder
(Ernährungsberaterin), Unispital Zürich als
Vertreter der SGIEM.
FMH - Quiz
Vol. 25 Nr. 1 2014
FMH-Quiz 56
Fallvorstellung
Valentin, ein 14-jähriger Junge, ist mit seinen
Eltern in den Ferien in den Walliser Alpen.
Heute Morgen nach der Dusche verspürt er
ein Schwindelgefühl (alles dreht um ihn herum) und er fällt bewusstlos auf den Boden
des Badezimmers. Seine Eltern hören den
Sturz, rennen zu ihm und hören ihn stöhnen.
Sie finden ihn bewusstlos am Boden liegend.
Sie stellen eine Hypertonie des Kiefergelenks und der Hände fest, sonst ist Valentin
eher hypoton und zeigt einen vermehrten
Speichelfluss. Er hat weder Urin verloren
noch tonisch-klonische Bewegungen gezeigt.
Nach etwa 20 Minuten wird Valentin wieder
wach; er ist zuerst während ca. 5 Minuten
noch verwirrt und erbricht dreimal. Als das
Rettungsteam ankommt, ist er wieder perfekt orientiert und wach, beklagt sich aber
über Kopfschmerzen. Er wird ins Spital geflogen.
Vorher war er immer gesund, hatte in den
letzten Tagen weder Fieber noch Zeichen einer viralen Infektion. Epilepsie ist bei ihm
nicht bekannt; ein vorangegangenes Schädelhirntrauma wird von seinen Eltern verneint.
Die Ferienwohnung hat ein kleines fensterloses Badezimmer und einen mit Gas betriebenen Heizer.
Status: Gewicht 46 kg, T 36.6, BD119/58
mmHg, Puls 79/Min. Kardio-pulmonale Auskultation o.B. Normale, auf Licht gut reaktive
Pupillen, normale Hirnnerven, normale Muskelkraft, symmetrische Sensibilität und Reflexe sowie normale zerebelläre Tests. Die übrige Untersuchung ist unauffällig.
lationen (Wohnungsbrand) oder dem Betrieb
von offenen Brennstoffheizern (Holz, Gas) in
ungenügend belüfteten Räumen vor.
Frage 4
Beschreiben Sie, wie die toxische Substanz in
diesem Fall wirkt.
Antwort 1
1) Nahrungsmittelintoxikation
2) epileptischer Anfall
3) CO-Intoxikation
4) Herzrhythmusstörung
5) Medikamenten- oder Drogenabusus
6) TIA
Antwort 2
Wahrscheinlichste Diagnose: CO-Intoxikation
Argumente: Bisher gesund, klinische Symptome sehr kompatibel, mit Gas betriebener
Heizer.
Bestätigung: Bestimmung von HbCO (> 5 %,
bei Intoxikation).
Antwort 3
Heizer sofort stoppen, den Jungen mit O2
behandeln, eventuell hyperbare O2-Therapie.
Antwort 4
Höhere Bindungskapazität von CO gegenüber
O2 auf Hämoglobin. Idem beim Myoglobin und
multiplen intrazellulären Zytochromen, Zelldysfunktion und Zelltod.
Kommentar
Kohlenmonoxid-Intoxikation
bei Kindern
Frage 2
Welche ist für Sie die wahrscheinlichste Diagnose? Geben Sie einige Argumente dafür an
und nennen Sie wie die Vermutungsdiagnose
bestätigt werden kann.
Epidemiologie
Nach Angaben des Tox-Zentrums Schweiz
wurden in den letzten 10 Jahren (2003–12)
105 Fälle von Rauchgas- oder KohlenmonoxidVergiftungen bei Kindern gemeldet. Darunter
befanden sich 9 mittelschwere und 2 schwere
Fälle sowie ein Todesfall. Eine hyperbare
02-Therapie wurde in 3 Fällen durchgeführt1).
Die tatsächliche Anzahl dürfte jedoch höher
sein, da nicht bei allen Fälle das Tox-Zentrum
angefragt wird.
Frage 3
Sie haben die richtige Diagnose gestellt. Was
sind die Notfallmassnahmen?
Pathophysiologie
Eine Kohlenmonoxid (CO)-Intoxikation bei
Kindern kommt vor allem bei Rauchgasinha-
Frage 1
Nennen Sie 3 mögliche Ursachen für dieses
Krankheitsbild.
44
Die toxische Wirkung beruht primär auf einer
zellulären Hypoxie durch Verdrängung des
Sauerstoffs (O2) vom Hämoglobin durch das
CO. Kohlenmonoxid hat eine 240 x grössere
Affinität zur Bindungsstelle als der Sauerstoff.
Durch die Bindung des CO verringert sich die
Kapazität des Hb den Sauerstoff freizugeben,
die O2-Bindungskurve verschiebt sich nach
links und verschlechtert die Gewebeoxygenation zusätzlich.
Der Körper reagiert auf die Hypoxie mit Steigerung der Atemfrequenz und des Herzminutenvolumens, was die CO-Aufnahme und Toxizität noch weiter verstärkt.
Andere weniger gut verstandene Mechanismen der CO-Toxizität beruhen auf der Bindung
von CO an das Myoglobin der Skelett- und
Herzmuskelzellen und an mitochondriale Enzyme sowie dem Auslösen einer inflammatorischen Kaskade mit direkter Schädigung von
Nervenzellen.
Klinik
Die CO-Vergiftung ist nicht leicht zu erkennen,
da das Gas geruchlos ist und die ersten Symptome (Kopfweh, Schwindel, Brechreiz) zu
wenig spezifisch sind, um gute Indikatoren zu
sein.
Bedingt durch die höhere Atemfrequenz und
den höheren metabolischen Grundumsatz
treten Symptome bei Kindern meist schneller
auf als bei Erwachsenen.
Bei diesen Symptomen und Zeichen speziell
in den kalten Wintermonaten an die Möglichkeit einer Kohlenmonoxid-Intoxikation zu denken; gezielt nach Risikofaktoren wie Gasdurchlauferhitzer zu fragen, ist entscheidend
für die richtige Diagnose.
Mit zunehmender Toxizität kommt es zu
Verwirrtheit und Halluzinationen, später zu
Bewusstlosigkeit, Krämpfen, Koma und Atemstillstand. Da CO-Hb dasselbe Absorp­tions­
spektrum wie O2-Hb besitzt, bleibt die Hautfarbe auch bei schwerer Asphyxie rosig, die
Zyanose ist ein sehr spätes Zeichen2) .
Diagnose
Die normale Pulsoxymetrie kann Carboxyhämoglobin (CO-Hb) nicht von Oxyhämoglobin
FMH - Quiz
Vol. 25 Nr. 1 2014
(O2-Hb) unterscheiden und zeigt falsch hohe
O2-Sättigungswerte an. Spezielle Pulsoxymeter (z.B. Masimo rainbow®) für die transkutane CO-Hb-Messung sind seit kurzem erhältlich und werden von den Rettungskräften z. T.
bereits eingesetzt.
Im klinischen Setting wird die Verdachtsdiagnose durch die Messung des CO-Hb-Anteils (von
total CO- + O2-Hb) mittels einer Blutgasanalyse
(kapillär oder venös) bestätigt. Gesunde können einen CO-Hb-Anteil bis 3 % aufweisen, bei
Rauchern kann dieser Wert das Doppelte bis
Dreifache betragen. Werte über 5 % CO-Hb
(Raucher >10 %) gelten als pathologisch.
Allerdings korreliert dieser Wert nur wenig mit
der Klinik oder dem Outcome. Die Behandlung
sollte sich deshalb am Zustand des Patienten
orientieren und nicht am Labor.
Therapie
Die Dauer der Exposition ist der wichtigste
Risikofaktor und korreliert besser mit dem
Outcome als die CO-Hb-Konzentration im
Blut. Die wichtigste therapeutische Handlung
findet deshalb bereits im präklinischen Setting statt und ist die Beendigung der Kohlenmonoxid-Exposition des Patienten, sei es
durch Bergung aus dem Gefahrenbereich oder
Lüften des Raumes und Elimination der COQuelle. Die Retter müssen dabei an ihre eigene Sicherheit denken. Zu diesem Zweck sind
die meisten Rettungskräfte mit Umgebungsluft-CO-Warndetektoren ausgerüstet.
den. Mit dem Einatmen von 100 % O2 verkürzt
sich die HWZ auf 40 bis 80 Minuten, zusätzlich führt dies zu einer Erhöhung des im Serum gelösten O2 und zu einer verbesserten
Gewebeoxygenation. Hyperbarer Sauerstoff
vermag die HWZ des CO noch weiter auf 15
bis 30 Minuten zu senken.
Sollte sich der Bewusstseinszustand des Patienten unter dieser Intervention mit O2 nicht
verbessern, muss an eine intrakranielle Komplikation wie eine Blutung oder ein Hirnödem
gedacht werden und ein CT oder MRI des
Kopfes durchgeführt werden.
Die Sauerstofftherapie sollte bis zur Normalisierung des CO-Hb-Wertes fortgesetzt werden.
Die Therapie mit hyperbarem Sauerstoff ist
den schweren Fällen vorbehalten. Die Evidenzlage für die Kriterien bei Kindern ist ungenügend. Die Indikation sollte zusammen mit
dem Tox-Zentrum gestellt werden.
Bei Patienten mit Bewusstlosigkeit sollte ein
12-Ableitung-EKG mit Frage nach Ischämiezeichen durchgeführt werden. Bei vorhandenen
Ischämiezeichen werden CK-MB und Troponin
bestimmt3), 4) .
Die Notfallbetreuung orientiert sich am systematischen ABCD-Schema. Bei tiefem GCS
und ungewisser Sturzanamnese soll zuerst die
HWS stabilisiert werden, bei Verbrennungsspuren im Gesicht (Russ, versengte Wimpern
etc.) empfiehlt es sich, die rechtzeitige Sicherung der Atemwege durch eine Intubation zu
evaluieren.
Jedem Patient mit Verdacht auf CO-Intoxikation bzw. Exposition soll 100 % Sauerstoff
verabreicht werden, die höchsten Konzentrationen (PaO2) werden beim spontan atmenden Patienten über eine Maske mit Rückatmungsbeutel und 10-15 l/Min. O2 erreicht.
Reiner Sauerstoff verringert die CO-Toxizität
durch eine kompetitive Verdrängung des CO
am Hb. Das CO wird dann über die Lunge
abgeatmet. Die Halbwertszeit von CarboxyHämoglobin, also der CO-Bindung am Hb,
beträgt unter Raumluft vier bis sechs Stun-
45
Spätfolgen
Trotz erfolgreicher Behandlung im akuten
Stadium mit klinischer Erholung und Normalisierung des CO-Hb-Wertes können bei einem
Teil der Patienten Tage bis Wochen später
verzögert neurologische Symptome auftreten.
Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisschwäche und Persönlichkeitsveränderungen beginnen meist schleichend. Die Prognose speziell bei Kindern ist
unklar5) .
Literatur
1) Degrandi, C., Kohlenmonoxid Intoxikation bei Kindern 2003–2012, ToxZentrum, 2013.
2) Chesney, M.L., Carbon monoxide poisoning in the
pediatric population. Air Med J, 2002. 21 (6): p.
10–3.
3) Martin, J.D., K.C. Osterhoudt, and S.P. Thom, Recognition and management of carbon monoxide poisoning in children. Clinical Pediatric Emergency
Medicine, 2000. 1 (3): p. 244–250.
4) Baum, C.R., What’s New in Pediatric Carbon Monoxide Poisoning? Clinical Pediatric Emergency
Medicine, 2008. 9 (1): p. 43–46.
5) Meert, K.L., S.M. Heidemann, and A.P. Sarnaik,
Outcome of children with carbon monoxide poisoning treated with normobaric oxygen. J Trauma,
1998. 44 (1): p. 149–54.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Daniel Garcia
Chefarzt
Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche
Inselspital
3010 Bern
[email protected]
Zeitschriftenreview
Vol. 25 Nr. 1 2014
Zeitschriftenreview
2. Casasoprana A, Hachon Le Camus
C, Claudet I, Grouteau E, Chaix Y,
Cancesb C, Karsenty C, Cheuret E.
Value of lumbar puncture after a first
febrile seizure in children aged less
than 18 months. A retrospective study
of 157 cases.
Archives de Pédiatrie 2013; 20: 594–600
Kommentare: Mustafa Mazouni, Lausanne
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
1. Kuba VM, Leone C, Damiani D.
Is waist-to-height ratio a useful
indicator of cardio-metabolic risk
in 6-10-year-old children?
BMC Pediatrics 2013; 13: 91
Abstract
Background
Childhood obesity is a public health problem
worldwide. Visceral obesity, particularly associated with cardio-metabolic risk, has been
assessed by body mass index (BMI) and waist
circumference, but both methods use sex-and
age-specific percentile tables and are influenced by sexual maturity. Waist-to-height
ratio (WHtR) is easier to obtain, does not involve tables and can be used to diagnose
visceral obesity, even in normal-weight individuals. This study aims to compare the WHtR
to the 2007 World Health Organization (WHO)
reference for BMI in screening for the
presence of cardio-metabolic and inflammatory risk factors in 6–10-year-old children.
Methods
A cross-sectional study was undertaken with
175 subjects selected from the Reference
Center for the Treatment of Children and Adolescents in Campos, Rio de Janeiro, Brazil. The
subjects were classified according to the 2007
WHO standard as normal-weight (BMI z score
> −1 and < 1) or overweight/obese (BMI z
score ≥ 1). Systolic blood pressure (SBP),
diastolic blood pressure (DBP), fasting glycemia, low-density lipoprotein (LDL), high density lipoprotein (HDL), triglyceride (TG), Homeostatic Model Assessment – Insulin Resistance
(HOMA-IR), leukocyte count and ultrasensitive
C-reactive protein (CRP) were also analyzed.
Results
There were significant correlations between
WHtR and BMI z score (r = 0.88, p < 0.0001),
SBP (r = 0.51, p < 0.0001), DBP (r = 0.49, p <
0.0001), LDL (r = 0.25, p < 0.0008, HDL (r =
−0.28, p < 0.0002), TG (r = 0.26, p < 0.0006),
HOMA-IR (r = 0.83, p < 0.0001) and CRP (r =
0.51, p < 0.0001). WHtR and BMI areas under
the curve were similar for all the cardio-metabolic parameters. A WHtR cut-off value of >
0.47 was sensitive for screening insulin resistance and any one of the cardio-metabolic
parameters.
Conclusions
The WHtR was as sensitive as the 2007 WHO
BMI in screening for metabolic risk factors in
6-10-year-old children. The public health
message «keep your waist to less than
half your height» can be effective in reducing cardiometabolic risk because most of
these risk factors are already present at a cut
point of WHtR ≥ 0.5. However, as this is the
first study to correlate the WHtR with inflammatory markers, we recommend further
exploration of the use of WHtR in this age
group and other population-based samples.
Kommentar
Ein erhöhter Body Mass Index (BMI) im Alter
von 10 Jahren gilt als bedeutender Risikofaktor, im Erwachsenenalter frühzeitig an einem
Herzinfarkt zu sterben. Die Insulinresistenz
scheint im Zusammenhang mit Adipositas in
der Pathogenese von Arteriosklerose und
metabolischem Syndrom eine bedeutende
Rolle zu spielen. Bisher ist der BMI der gebräuchlichste anthropometrische Index zum
Nachweis einer Adipositas im Kindesalter. In
dieser Studie vergleichen die Autoren erstmals
die Ratio Bauchumfang/Körperlänge (Waistto-Height Ratio, WtHR) mit dem BMI-Standard
der WHO von 2007, die gegenwärtige Referenz
zur Abschätzung der kardiovaskulären und
metabolischen Risikofaktoren. Die Resultate
sind in mehr als einer Hinsicht interessant:
1. Es besteht eine starke Korrelation zwischen
WtHR und BMI-Standard der WHO; 2. Das
Messverfahren ist einfach und wenig aufwändig, es kann auf alters- und geschlechtsabhängige Kurven verzichtet werden; 3. Ein Grenzwert von 0.5 der WtHR gilt als Indikator, beim
Kind wie beim Erwachsenen, männlich oder
weiblich, für das Vorhandensein von Bauchfett
selbst bei normalem Gewicht.
Der «Take Home Message» der Autoren «Haltet euren Bauchumfang unter der Hälfte eurer
Körperlänge» richtet sich an alle, die kardiovaskulären und metabolischen Risiken vorbeugen wollen.
46
Summary
Aim
Because meningitis symptoms are not very
specific under the age of 18 months, lumbar
puncture (LP) was widely recommended in
children presenting a febrile seizure (FS). Recent retrospective studies have challenged this
age criterion. In 2011, the American Academy
of Pediatrics updated its guidelines for the first
episode of simple FS: LP is indicated if signs
suggestive of meningitis are present and remains «an option» in case of prior antibiotic
treatment or between the age of 6 and 12
months if the child is not properly vaccinated
against Haemophilus and Streptococcus pneumoniae. Because the meningitis epidemiology
and the vaccination coverage are different, the
objective of this study was to evaluate whether
these new guidelines were applicable in France.
Patients and methods
Between 2009 and 2010, we conducted a
retrospective single-center study including
157 children aged less than 18 months admitted to the pediatric emergency department
(Children’s Hospital, Toulouse, France) for
their first febrile seizure. The data collected
were: type of seizure, knowledge of prior antibiotic treatment, neurological status, signs
of central nervous system infection, and biological results (LP, blood cultures).
Results
Lumbar puncture was performed in 40 % of
cases (n = 63). The diagnosis of meningitis/
encephalitis was selected in eight cases: three cases of viral meningitis, three bacterial
meningitis (Streptococcus pneumoniae), and
two non-herpetic viral encephalitis. The incidence of bacterial meningitis in our study was
1.9 %. The risk of serious infection, bacterial
meningitis or encephalitis, was increased
when there was a complex FS (14 % versus 0 %
with a simple FS, P = 0.06). The presence of
other suggestive clinical symptoms was strongly associated with a risk of bacterial meningitis/encephalitis (36 % in case of clinical
orientation versus 0 % in the absence of such
signs, P < 0.001).
Zeitschriftenreview
Vol. 25 Nr. 1 2014
Discussion
All severe clinical presentations were associated with complex FS (prolonged, focal, and/
or repeated seizures) and the presence of
other suggestive clinical signs (impaired consciousness lasting longer than 1 h after the
seizure, septic aspect, behavior disorders,
hypotonia, bulging fontanel, neck stiffness,
petechial purpura). The risk of bacterial meningitis or encephalitis associated with a
simple FS and followed by a strictly normal
clinical examination is extremely low.
Conclusion
After a simple febrile seizure without any
other suggestive signs of meningitis, systematic lumbar puncture is not necessary even in
children younger than 18 months. LP remains
absolutely indicated if clinical symptoms
concentrate on central nervous system infection and should be discussed in case of complex seizures, prior antibiotic treatment, or
incomplete vaccination.
Kommentar
Es ist sinnvoll, gewisse Tatsachen in Erinnerung zu rufen, wenn es um die Entscheidung
geht, bei einem ersten Fieberkrampf (FK) eine
Lumbalpunktion (LP) durchzuführen: 1. Krämpfe treten in 30 % der Fälle von Meningitis und
50 % der Fälle von Meningo-Enzephalitis auf;
2. Bei Säuglingen sind Meningitissymptome
oft diskret und unspezifisch (Verdauungs-,
Verhaltensstörungen, Veränderungen von Tonus oder Hautfarbe, neurovegetative Zeich­
en); 3. Die heutigen Impfprogramme haben
die Epidemiologie der bakteriellen Meningitis
radikal verändert (H. influenzae, S. pneumoniae); 4. Die American Academy of Pediatrics
(AAP) hat 2011 neue Empfehlungen zur Betreuung eines erstmaligen einfachen FK veröffentlicht: «Eine LP muss durchgeführt werden, wenn zusätzliche meningitisverdächtige
Symptome bestehen; sie wird in Betracht
gezogen beim 6–12-monatigen Säugling falls
ungenügend gegen H. influenzae und S.
pneumoniae geimpft oder bei unbekanntem
Impfstatus, ebenso bei vorangegangener Antibiotikatherapie. Bei komplizierten Fieberkrämpfen wird die LP weiterhin empfohlen.»
Den Autoren der vorliegenden Studie ging es
darum, zu untersuchen, ob diese nordamerikanischen Kriterien auch in Frankreich angewandt werden können. Sie stellen fest: 1. Eine
Inzidenz bakterieller Meningitiden von 1.9 %
(hoch im Vergleich zu anderen Studien mit
Inzidenzen zwischen 1,2 % und 0.23 %); 2. Alle
schweren Formen (bakterielle Meningitiden
und Meningoenzephalitiden) waren mit komplizierten FK assoziiert; 3. Das Vorhandensein
eines zusätzlichen meningitisverdächtigen
Symptoms war signifikant mit der Diagnose
Meningitis assoziiert, und dieser Zusammenhang war noch ausgeprägter, wenn nur die
schweren Formen berücksichtigt wurden.
Nach der Durchsicht zahlreicher Serien (mit
mehr oder weniger widersprüchlichen Resultaten) einfacher FK im Kindesalter kommen die
Autoren zu folgenden Schlussfolgerungen: Die
Indikation zur LP infolge eines einfachen FK bei
einem korrekt geimpften Kind, das keine Antibiotika eingenommen hat, soll nach einer Beobachtungszeit von 4–6 Stunden auf klinischen
und anamnestischen und nicht Alterskriterien
beruhen. Die LP ist hingegen immer indiziert
bei einem komplizierten FK. Diese Schlussfolgerungen entsprechen denen der AAP.
3. Gwee A et al. To x-ray or not
to x-ray? Screening asymptomatic
children for pulmonary TB:
a retrospective audit.
Arch Dis Child 2013; 98: 401–4.
Abstract
Objective
Recent studies found that a chest x-ray (CXR)
has limited value in the assessment of asymptomatic adults with tuberculosis (TB) infection. We aimed to determine in asymptomatic
children with a positive tuberculin skin test
and/or interferon-γ release assay (TST/IGRA)
whether a CXR identifies findings suggestive
of pulmonary TB.
Design, setting and patients
All children with TB infection (defined as TST ≥
10 mm and/or positive IGRA) presenting to The
Royal Children’s Hospital Melbourne during a
54-month period were included. All CXRs were
reviewed by a senior radiologist blinded to the
clinical details. The medical records of those
with radiological abnormalities suggestive of
TB were examined to identify those who were
asymptomatic when the CXR was done. Demographical data were also collected.
Results
CXRs were available for 268 of 330 TB infected
children, of whom 60 had CXR findings suggestive of TB. Of the 57 for whom clinical details
were available, 26 were asymptomatic. Of these
asymptomatic children with radiological abnormalities suggestive of TB, 6 had CXR findings
suggestive of active TB, 14 had CXR findings
suggestive of prior TB and 6 had isolated non-
47
calcified hilar lymphadenopathy. The six with
findings suggestive of active TB represented
2.6 % (95 % CI 0.9 to 5.5 %) of asymptomatic
TST/IGRApositive children with evaluable
CXRs. One child with isolated hilar lymphadenopathy had microbiologically confirmed TB.
Conclusions
In contrast to the results from studies in adults,
a CXR identified a small but noteworthy number
of children with findings suggestive of pulmonary TB in the absence of clinical symptoms.
Kommentar
Tuberkulin-Hauttest (THT) und/oder Interferon -Bestimmung (IFN) unterscheiden bei
einem Risikokind nicht zwischen einer Tuberkuloseinfektion (TBI) und einer aktiven Tuberkulose (TBA). Obwohl die Lungentuberkulose
im Allgemeinen symptomatisch ist, empfehlen
pädiatrische Guidelines, beim asymptomatischen Kind mit positiven THT oder IFNzum
Ausschluss einer TBA immer ein Thoraxröntgenbild (ap und seitlich) (TR) durchzuführen.
Dieses Vorgehen ist wichtig, da eine TBA eine
Behandlung mit mindestens drei Tuberkulostatika erfordert, während eine TBI mit Isoniazid
alleine oder kombiniert mit Rifampicin behandelt wird. Zwei neuere Studien bei erwachsenen Patienten stellen dieses pädiatrische
Vorgehen in Frage. Sie weisen nach, dass das
systematische TR beim asymptomatischen
Erwachsenen mit positivem THT unnötig ist.
Die Autoren der vorliegenden Studie untersuchten deshalb den Nutzen des TR beim
asymptomatischen Kind mit positiven THT/
IFN. Durch die 268 durchgeführten TR wurden
60 Kinder identifiziert mit Zeichen, die auf
eine TBA hinwiesen; davon litten 2.6 % tatsächlich an einer TBA. Im Gegensatz zu den
Ergebnissen beim Erwachsenen, wird durch
das systematische Durchführen eines TR
beim asymptomatischen Kind mit positiven
THT/IFN eine kleine, jedoch signifikante Anzahl Kinder mit einer TBA identifiziert.
4. Parkes A, Sweeting H, Wight D,
Henderson M. Do television and
electronic games predict children’s
psychosocial adjustment? Longitudinal
research using the UK Millennium
Cohort Study.
Arch Dis Child 2013; 98: 341–8.
Abstract
Background
Screen entertainment for young children has
been associated with several aspects of psy-
Zeitschriftenreview
chosocial adjustment. Most research is from
North America and focuses on television. Few
longitudinal studies have compared the effects of TV and electronic games, or have investigated gender differences.
Purpose
To explore how time watching TV and playing
electronic games at age 5 years each predicts
change in psychosocial adjustment in a representative sample of 7 year-olds from the
UK.
Methods
Typical daily hours viewing television and
playing electronic games at age 5 years were
reported by mothers of 11014 children from
the UK Millennium Cohort Study. Conduct
problems, emotional symptoms, peer relationship problems, hyperactivity/inattention
and prosocial behaviour were reported by
mothers using the Strengths and Difficulties
Questionnaire. Change in adjustment from
age 5 years to 7 years was regressed on
screen exposures; adjusting for family characteristics and functioning, and child characteristics.
Results
Watching TV for 3 h or more at 5 years predicted a 0.13 point increase (95 % CI 0.03 to 0.24)
in conduct problems by 7 years, compared
with watching for under an hour, but playing
electronic games was not associated with
conduct problems. No associations were
found between either type of screen time and
emotional symptoms, hyperactivity/inattention, peer relationship problems or prosocial
behaviour. There was no evidence of gender
differences in the effect of screen time.
Conclusions
TV but not electronic games predicted a small
increase in conduct problems. Screen time
did not predict other aspects of psychosocial
adjustment. Further work is required to establish causal mechanisms.
Kommentar
Mehrstündiges Fernsehen wurde bei Kindern
mit Adipositas, Schlafstörungen, Verarmung
kognitiver Leistungen und schwachen intellektuellen Kompetenzen assoziiert. Diese Gewohnheit kann auch zu Verhaltens- und
emotionalen Störungen, wie Aggressionen,
Angstgefühle und Depression führen. Die
meisten Untersuchungen in diesem Bereich
wurden in den USA durchgeführt und erga-
Vol. 25 Nr. 1 2014
ben, dass länger vor einem Bildschirm (TV
oder elektronische Spiele) verbrachte Zeit mit
emotionalen und Verhaltensstörungen assoziiert ist, obwohl die Resultate nicht immer
aussagekräftig sind. Im Übrigen untersuchten
nur einige wenige Arbeiten getrennt den möglichen Einfluss von TV und Videospielen auf
Kinder.
In Grossbritannien pflegen 5–7-jährige Kinder
TV, Videos und DVDs anzuschauen und mit
elektronischen Spielen zu spielen. 2011 waren
es 15 Std./Woche TV und 6½ Std./Woche
elektronische Spiele. Anhand eines durch die
Mütter ausgefüllten Fragebogens wurden in
dieser englischen Studie (The Millenium Cohort Study) bei über 10000 7-jährigen Kindern
die möglichen psychosozialen Veränderungen
durch die Benutzung von TV und elektronischen Spielen im Alter von 5 Jahren getrennt
untersucht. Die Resultate ergeben, dass 3
Stunden oder mehr TV-schauen im Tag im
Alter von 5 Jahren mit 5–7 Jahren vermehrt zu
Verhaltensstörungen führt. Es wurden keine
weiteren Auswirkungen, wie Hyperaktivität/
Aufmerksamkeitsdefizit, emotionale Symptome oder asoziales Verhalten durch intensives
Fernsehen festgestellt. Die Autoren haben
keinerlei psychosoziale Probleme im Alter von
7 Jahren infolge häufigen Handhabens elektronischer Spiele im Alter von 5 Jahren festgestellt.
Diese Studie ist insofern von Bedeutung, als
sie erstmals longitudinal den Zusammenhang
zwischen ausgiebigem Gebrauch von TV und
elektronischen Spielen und Störungen der
psychosozialen Adaptation untersucht.
5. Crook J, Taylor RM. The agreement
of fingertip and sternum capillary
refill time in children.
Arch Dis Child 2013; 98: 265–8.
Abstract
Objectives
To determine the agreement of fingertip and
sternum capillary refill time (CRT) in children.
Design
Prospective, method-comparison study.
Setting
Single children’s emergency department, UK.
Participants
92 children aged 0–12 years, with clinical
observations within normal ranges for their
age, no relevant medical history and presenting to hospital with a minor illness or injury.
48
Main outcome measures Agreement between
fingertip and sternum CRT measurements.
Results
Fingertip CRT ranged from 0.05 to 2.78 s with
a mean of 1.08±0.44 and sternum CRT ranged
from 0.85 to 2.38 s with a mean of 1.5±0.33.
There was a significant difference between
fingertip and sternum CRT (t=−9.2, df=91,
p=<0.001) and a weak association between
the two measurements (r=0.18, p=0.9). A
Bland Altman comparison showed the mean
difference between fingertip and sternum
CRT was −0.49±0.51 with an upper and lower
limit of agreement ranging from −1.5 (95 % CI
−1.69 to −1.32) to 0.53 (95% CI 0.34 to 0.71).
Conclusions
Measurements of CRT taken at the fingertip
and sternum are not comparable. Fingertip
CRT was faster than sternum CRT. Normal
CRT is 2–3 s. The current study questions the
usefulness of CRT in the assessment of circulation in children.
Kommentar
Die Rekapillarisierungszeit (RKZ) wird gewöhnlich zur klinischen Beurteilung eines Schockoder Dehydratationszustandes benutzt und
deren Verlängerung legt eine verminderte
periphere Perfusion nahe. Fingerspitze und
Sternum werden klassischerweise zur Bestimmung der RKZ empfohlen: Die Fingerspitze
widerspiegelt die periphere, das Sternum die
zentrale Zirkulation. Diese Methode kann
durch unabhängige Faktoren wie Extremitäten- oder Umgebungstemperatur oder die
Beleuchtung beeinflusst werden. Zweck der
Studie war es, bei leicht kranken Kindern in
gutem Allgemeinzustand zu bestimmen, ob
zwischen der RKZ an der Fingerspitze und am
Sternum Übereinstimmung besteht.
Es ergab sich, dass: 1. Sich die beiden Methoden signifikant unterscheiden; 2. Keine Kor­
relation zwischen den Messungen an den
beiden Körperteilen besteht; 3. Die Bestimmungen an beiden Orten nicht austauschbar
sind; 4. Eine Standardisierung der Methode
notwendig ist, um Störfaktoren auszuschlies­
sen.
Gemäss den Autoren beträgt die normale RKZ
an der Fingerspitze 2–3 Sekunden. Die Untersuchung wird durch dunkle Hautfarbe und
beim Säugling durch die kleinen Finger erschwert. Es wird empfohlen, insbesondere
beim Neugeborenen für diese Untersuchung
andere Körperstellen zu prüfen (Stirne/Thorax).
Zeitschriftenreview
Vol. 25 Nr. 1 2014
Kinderunfälle
dem Alter von 3 Jahren durchführten. In Kanada war seitdem kein solcher Tosdesfall
mehr zu beklagen.
Olivier Reinberg, Lausanne
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Halsketten gegen Babys Zahnweh
Die Autoren kommen auf ein Thema zurück, das
uns wichtig ist und von (Un)Nutzen und Gefahr
der Halsketten gegen Zahnschmerzen bei Kleinkindern handelt. Sie verursachen Strangulationsunfälle und Inhalation von Perlen.
Von März bis Juli 2013 wurde in der pädiatrischen Notfallstation der Unité de pédiatrie
générale des CHU de Toulouse et de Montauban Eltern ein Informationsblatt mitgegeben,
mit der Einladung zu einem Gespräch zum
Thema Halsketten bei Kleinkindern im Alter
von 14 ± 7 Monate.
Aus den 25 aufgenommenen Interviews geht
hervor, dass die Kinder ihre Halskette seit
dem Alter von 4 ± 2 Monate (!!) tragen. 11
Familien haben die Teilnahme an der Studie
abgelehnt. Kein Verkäufer hatte die Eltern auf
die Strangulations- oder Inhalationsgefahr
hingewiesen. Das Tragen der Kette wurde
meist durch Freunde oder durch die Familie
empfohlen, oft war die Kette wegen ihren
angeblich schmerzlindernden Tugenden ein
Geburtsgeschenk.
Die Eltern anerkennen den gutartigen Charakter des Zahnens, fürchten aber dessen
Symptome. Das Strangulationsrisiko ist der
Hälfte der Eltern bekannt, übertrifft aber
nicht die Furcht, ihr Kind leiden zu sehen.
Ein Drittel der Familien griff ebenfalls auf
andere holistische und esoterische Praktiken zurück (Magnetiseur, Homöopathie,
Wallfahrt).
Abbildung:
«Die Vorstellungen der heutigen Eltern sind
weniger reichhaltig als die antiken Vorstellungen, mischen aber Analogien, Paradoxa,
Familientradition und Glauben. Der Glauben
der Eltern an diesen Brauch ist im Rahmen
eines kollektiven Bedürfnisses zu sehen, das
Kleinkind mit schützendem Zubehör zu versehen und ihm so das Überstehen einer
schwierigen Etappe zu erleichtern.»
Der Ort des Kaufes bürgt für die angeblichen
Qualitäten: Die Apotheke, Sinnbild authentischer Produkte, wird bevorzugt. Sie zeugt für
Wohltat und Risikofreiheit. Wie wir dies 1992
(Paediatrica 1992, 4 (1): 24–27) und 2009
(Paediatrica, 2009; 20 (2): 76) schrieben,
beklagen auch diese Autoren die Unverantwortlichkeit der Apotheker, die diese gefährlichen Artikel weiterhin verkaufen.
Dem Beitrag fehlt es nicht an Humor. Er bietet
einen interessanten historischen Rückblick
über frühere Praktiken und verwendete Materialien. Heute wird Bernstein oder meist ein
optisch täuschend ähnlicher Ersatz (Kopal,
Plastik, Amalgam) benutzt. Die Autoren tun
uns den Gefallen, die traurigen Statistiken von
Strangulation durch Halsketten bei Kleinkindern zu zitieren, inbegriffen jene des pädiatrischen Notfalldienstes des Hôpital Necker,
Paris, von 2003, mit 30 Todesfällen durch
Halsketten. Sie erinnern auch daran, dass
Kanada, die USA und Australien diese Halsketten zwar nicht verbieten können (es sind
weder Spielzeuge noch Mittel, die zur Kinderpflege dienen), aber Abschreckungskampagnen gegen das Tragen solcher Halsketten vor
Diese «Stellungsregler» sollen ein Rollen des Babys bzw. den «Flachkopf» verhindern.
49
Die Autoren unterstreichen in ihrer Schlussfolgerung nochmals die Gefährlichkeit dieser
Halsketten gegen Zahnschmerzen bei Kleinkindern und fordern die Apotheker auf, «den
gewinnbringenden Handel auf Kosten gutgläubiger Eltern, die für das Wohl ihrer Kinder zu
allem bereit sind, aufzugeben.»
Unsererseits ermuntern wir alle Kinderärzte
wie auch alle anderen Fachleute, die mit
Kleinkindern zu tun haben, vom Tragen dieser
potentiell gefährlichen Halsketten abzuraten,
sie entfernen zu lassen oder sie selbst zu
entfernen, wie ich dies seit 25 Jahren tue.
Referenz
Port de colliers de dentition chez le nourrisson.
Taillefer A, Casasoprana A, Cascarigny F,
Claudet I.
Arch Fr Pediatr 2012; 19: 1058–1064.
Studienzentrum: Urgences pédiatriques et de
l’unité de pédiatrie générale des CHU de Toulouse et de Montauban, France.
Baby-Positioner:
Achtung Gefahr!
Wir geben eine Warnung der U.S. Centers for
Disease Control and Prevention wieder, die
auf die Gefahren von Einrichtungen (sog. Baby-Positioner) aufmerksam machen, die
schlaf­ende Babys in einer bestimmten Lage
festhalten sollen.
In den USA ereignen sich über 1000 Todesfälle durch unfallbedingtes Ersticken. Seit 1984
hat sich die Zahl im Zusammenhang mit der
Verwendung von gefährlichen Einrichtungen
im Bett von Kleinkindern vervierfacht. Diese
Baby-Positioner werden zunehmend beliebt,
sind aber für eine signifikante Zahl Erstickungsunfällen verantwortlich. Die Food and
Zeitschriftenreview
Drug Administration (FDA) empfiehlt sie zwar
für bestimmte Indikationen (z. B. nachgewiesener gastroösophagealer Reflux), von einem
allgemeinen Gebrauch wird jedoch abgeraten.
Leider schreiben sich viele dieser Einrichtungen Qualitäten zu, die sie nicht besitzen, wie
die Vorbeugung des SIDS oder eine Verbesserung des kindlichen Schlafes.
Die U.S. Centers for Disease Control and
Prevention haben die Umstände von 13 Todesfällen von Kindern untersucht, die im Zusammenhang mit einem Baby-Positioner erstickt sind. Die Säuglinge, 21 Tage bis 4
Monate alt, waren in Seitenlage schlafen gelegt worden und die meisten wurden in Bauchlage mit dem Kopf im Baby-Positioner vorgefunden.
Die Autoren erinnern an die Empfehlungen der
American Academy of Pediatrics (AAP), Kinder
nicht in Seiten- sondern in Rückenlage schlafen zu legen, und in ihrem Bett keine Kissen
oder andere weiche Einrichtungen zu verwenden (American Academy of Pediatrics, Pediatrics 2011; 128: 1030–39).
Seit dem 29. September 2009 empfiehlt die
Food and Drug Administration (FDA) den Eltern «dringendst», keine von der FDA nicht
anerkannte Baby-Positioner zu benutzen und
hat die Hersteller aufgerufen, ihre Produkte
nicht ohne vorherige Prüfung und Genehmigung durch die FDA zu verkaufen. Sie wünscht
vor allem zu überprüfen, dass die Produktangaben nicht nur dazu dienen, die Hersteller
vor Strafverfolgung zu schützen und dass die
günstige Wirkung auf den Schlaf und das
Fehlen jeglicher Erstickungsgefahr nachgewiesen wurden.
Zudem wurde eine Kampagne «Back-to-Sleep»
(Schlaf auf dem Rücken) gestartet.
Referenz
Suffocation Deaths Associated with Use of
Infant Sleep Positioners — United States,
1997–2011.
Centers for Disease Control and Prevention
(CDC).
Morb Mortal Wkly Rep 2012; 61 (46): 933–
937.
Vergiftungen im Kindesalter: Trend
der verantwortlichen Produkte
Einführend erinnern die Autoren daran, dass
die Gesetze kindersichere Verschlüsse und
Verpackungen betreffend, die Anzahl Vergif-
Vol. 25 Nr. 1 2014
tungen drastisch gesenkt haben: So haben
die «Palm-N-Turn»-Verschlüsse in der Provinz
Ontario (Kanada) die Anzahl Vergiftungen um
75 % gesenkt. Es folgten Gesetze in den USA
und in Kanada seit 1970 und in Europa zwischen 1970 und 1985 (aber immer noch nicht
in der Schweiz! Anmerkung O. Reinberg). In
Grossbritannien nahm die Anzahl Todesfäl­le durch Vergiftung bei Kindern unter 10 Jahren von 151 Fällen/100000 (1968) auf 23/
100000 (2000) ab.
In den USA wie in Grossbritannien stellt man
jedoch eine beunruhigende Zunahme der
Vergiftungsfälle durch Medikamente fest. Das
National Poison Data System (NPDS), USA
meldet für 2001–2008 eine Zunahme um 28 %
der Arztbesuche wegen einer Vergiftung
durch Medikamente bei Kindern unter 5 Jahren im Vergleich zum vorangehenden Jahrzehnt. Diese Studie wird durch weitere bestätigt und es ist heute so, dass Vergiftungen
durch Medikamente häufiger sind als jene
durch Haushaltprodukte. Meist handelt es
sich um eine versehentliche Einnahme, Überdosierungen von Arzneimitteln sind jedoch
sehr häufig.
In Grossbritannien weisen der National Poisons
Information Service (GB) und die Statistiken
der web Toxbase (GB) dieselbe Tendenz nach,
wobei das UK Office of National Statistics jedoch weniger Todesfälle registriert als die
US-Statistiken. Die Resultate des Zentrums in
Newcastle Upon Tyne von 2007 ergeben, dass
50 % der kindlichen Vergiftungen durch pharmazeutische Produkte bedingt sind.
Die Autoren gehen den verschiedenen Möglichkeiten nach, Vergiftungen bei Kleinkindern
vorzubeugen. Dazu gehört die Warnung an die
Eltern, Medikamente ausser Reichweite für
Kinder aufzubewahren, eine Massnahme die
jedoch nur teilweise wirksam ist. Aus der
Newcastle-Studie geht hervor, dass die versehentliche Einnahme eines Medikamentes
oft nicht zuhause stattfindet. Die Autoren
kommen auch auf die Verpackungen zu sprechen und weisen darauf hin, dass Blisters
nicht als Sicherheitsverpackung zu betrachten sind. Nun werden aber über 50 % der
Medikamente als Blister hergestellt und viele
in dieser Verpackungsform verkaufte Medikamente für Erwachsene sind für ein 10 kg
schweres Kind, das 1–2 Erwachsenendosen
einnimmt, potentiell tödlich. Es gibt eine Vielzahl Verpackungen, die der europäischen
Norm EN 14375 entsprechen, kostengünstig
sind und deren Wirksamkeit bewiesen wurde.
50
Die Autoren können nicht verstehen, dass für
Erwachsene bestimmte und für Kleinkinder
potentiell gefährliche Medikamente nicht dieser Norm entsprechend verpackt werden und
finden es «inconceivable», dass nur pädiatrische Medikamente so verpackt werden.
Referenz
Anderson M. Poisoning in young children.
Arch Dis Child 2012; 97 (9): 831–832.
Studienzentrum: National Poisons Information Service, Newcastle Upon Tyne Hospitals
NHS Foundation Trust, Great North Children’s
Hospital, Newcastle Upon Tyne, UK.
Quecksilbervergiftung als
hypertensive Krise erscheinend
Dieser Artikel kann im Zusammenhang mit der
schweren Quecksilberverschmutzung des Bodens zwischen Visp und Siders für die Walliser
Kinderärzte von Nutzen sein.
Die Autoren berichten über einen Fall von
Quecksilbervergiftung bei einem 3-jährigen
Mädchen, ohne Anhaltspunkt für eine Quecksilberexposition. Klinisch bestanden initial
eine Hypertonie und Acrodynie. Die Quecksilberintoxikation wurde durch den erhöhten
Quecksilberspiegel im 24-Urin bestätigt. Diese Vergiftung kann andere Krankheitsbilder
mimen, wie ein Phäochromozytom oder eine
Vaskulitis, umso mehr, als die Quecksilbervergiftung mit einem erhöhten Katecholaminspiegel einhergeht, was einen sekretierenden
Tumor vermuten lässt.
Die Behandlung bestand in der Verabreichung
von Chelatbildnern, zusätzlich war eine antihypertensive Behandlung notwendig.
Referenz
Brannan EH, Su S, Alverson BK. Elemental
mercury poisoning presenting as hypertension in a young child. Pediatr Emerg Care 2012;
28 (8): 812–814.
Studienzentrum: Department of Pediatrics,
Rhode Island Hospital; and Brown University,
Providence, RI, USA.
Verschluckte Knopfbatterien
in den USA
Nochmals ein Artikel zum Thema verschluckte
Knopfbatterien; die U.S. Centers for Disease
Control and Prevention erfassten alle in den
USA von 1995 bis 2010 gemeldeten Fälle und
führten eine prospektive Evaluation durch. Die
Zeitschriftenreview
Vol. 25 Nr. 1 2014
Studie greift den in Pediatrics publizierten
(Pediatrics 2012; 129 (6): 1111–7) und in Paediatrica kommentierten (Paediatrica 2013; 24
(1)) Artikel wieder auf, beschränkt sich jedoch
im Wesentlichen auf die Knopfbatterien.
Durchgeführt wurde die Studie (einmal mehr!)
durch die U.S. Consumer Product Safety Commission (CPSC). Sie basiert auf Daten des
National Electronic Injury Surveillance System
und umfasst 40400 Unfälle durch verschlucken von Batterien durch Kinder unter 13
Jahren. Über 20 mm messende Batterien sind
problematisch, da sie im Oesophagus einklemmen und zu schwerwiegenden Komplikationen
und sogar Todesfällen führen können.
Drei Viertel der Fälle betrafen Kinder unter 4
Jahren, wovon 90 % ambulant behandelt werden konnten. Es kam jedoch zu 14 Todesfällen, 12 davon durch über 20 mm messende
Knopfbatterien (3 Volt Lithiumbatterien CR
2032), die im Oesophagus von Kleinkindern
(7 Monate bis 3 Jahre) stecken bleiben.
Die CPSC ruft dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, damit die Elektronikindustrie und die
Batterienhersteller ihre Produkte so ändern,
dass sie für Kleinkinder weniger gefährlich
sind. Die Spielzeugindustrie ist ebenfalls
angesprochen: Der Sitz der Batterien sollte
für Kinder nicht leicht erreichbar sein, der
Deckel sollte z. B. nur mittels eines Schraubenziehers geöffnet werden können. Die Eltern müssen durch alle Fachleute entsprechend informiert und Batterien müssen für
Kinder unerreichbar aufbewahrt werden. Eltern und Pflegepersonal müssen wissen,
dass eine verschluckte Batterie ein Notfall
darstellt, da sie im Oesophagus stecken geblieben sein könnte.
Anmerkung O. Reinberg
Es wurde mir vor kurzem ein 3-jähriges italienisches Mädchen überwiesen, mit einer zirkulären Oesophagusnekrose, als Folge einer
verschluckten und im proximalen Oesophagus
stecken gebliebenen Knopfbatterie von 22
mm Durchmesser. Zwischen dem Verschlucken und der Endoskopie waren 4–5 Stunden
vergangen.
Referenz
Centers for Disease Control and Prevention
(CDC).
Injuries from batteries among children aged
<13 years – United States, 1995–2010.
MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2012; 61:
661–666.
Leim in den Augen
Die Autoren (Augenärzte) berichten über 3
Kinder (6 Jahre, 3 Jahre und 8 Monate alt), die
versehentlich Leim (Super Glue) in die Augen
bekamen.
Leim führt zu einer partiellen Verklebung eines oder beider Augenlider. Das verklebte
Augenlid wird vorsichtig abgehoben, mit den
Fingern oder unter Zuhilfenahme einer feuchten Kompresse. In keinem Fall kam es zu einer
Läsion der vorderen Augenkammer durch den
Leim, in einem Fall jedoch wurden Hornhautverletzungen festgestellt, die auf die Reinigungsversuche der Familie zurückzuführen
waren.
Die Autoren schlagen vor, die Spezialisten
machen zu lassen!
Referenz
Reddy SC. Superglue injuries of the eye. Inj J
Ophtalmol 2012; 5 (5): 634–637.
Studienzentrum: Department of Ophthalmology,
School of Medical Sciences, University Sains
Malaysia, Kubang Kerian, Kelantan, Malaysia.
Bilanz nach Einführung der
obligatorischen Kindersitze für
4–7-jährige Kinder in den USA
Die Autoren vergleichen das Verletzungs- und
Todesrisiko von 4–7-jährigen Kindern in den
US-Staaten, welche zusätzlich zu den Sicherheitsgurten das Obligatorium für Kindersitze
eingeführt haben, mit jenen, die in dieser
Beziehung noch keine gesetzlichen Vorschriften kennen. Zwischen 2001 und 2009 haben
47 Staaten und der Distrikt Columbia entsprechende Gesetze erlassen. Die Autoren vergleichen nach Alterskohorten, da nicht alle Staaten dieselben Altersgrenzen eingeführt haben.
Die Studie umfasst 3639 Unfälle.
Der Unterschied ist für alle Altersklassen signifikant. So nahm z. B. das Todesrisiko für die
4–5-jährigen nach Einführen des Gesetzes
von 5.7/100000 auf 0.4/100000 ab, während
in den Staaten ohne gesetzliche Vorschrift
das Todesrisiko für die gleiche Altersklasse
unverändert blieb.
Gemäss einem von den Autoren zitierten
Rapport des Insurance Institute for Highway
Safety (US) von 2010, benutzen 34 % der
4–7-jährigen Kinder den Sicherheitsgurt ohne
Kindersitz und 11 % sind gar nicht angegurtet.
51
In den USA sind also noch Fortschritte zu
machen. Die American Academy of Pediatrics
(AAP) empfiehlt, Kindersitze zu benutzen bis
der Sicherheitsgurt sich in natürlicher Stellung auf dem Schlüsselbein des Kindes platziert, d. h. für Kinder bis 12 Jahren je nach
Grösse oder bis diese ca. 150 cm betragen.
Kommentar
Glücklicherweise wurde in der Schweiz ein
entsprechendes Gesetz erlassen. Seit dem 1.
April 2010 «muss für Kinder unter zwölf Jahren, die kleiner als 150 cm sind, eine geeignete Kinderrückhaltevorrichtung (z. B. Kindersitz) verwendet werden, gemäss Serie 03
oder 04 des ECE-Reglementes Nr. 44. Kinder
über 12 Jahren oder unter 12 Jahren, die grös­
ser als 150 cm sind, müssen die vorhandenen
Sicherheitsgurten während der Fahrt tragen.»
(Verkehrsregelnverordnung (VRV) vom 13.
November 1962 (SR 741.11), Änderung vom
14. Oktober 2009 (AS 2009 5701).
Die Standardhöhe der Verankerungen von
3-Punkte-Sicherheitsgurten der hinteren Sitze entspricht in europäischen Fahrzeugen nur
den Sicherheitskriterien für Mitfahrer mit einer Grösse von 150 cm oder darüber. Die 50.
Perzentile für 12-jährige Schweizer Kinder
liegt bei 150 cm. Deshalb wurde diese Norm
im Gesetz verankert; Kinder mit einer höheren
Perzentile, die also grösser sind, sind damit
vom Kindersitz befreit. Der Kindersitz hat eine
doppelte Funktion. Einerseits entsteht dadurch ein schräger Zug nach unten des horizontalen Teiles des Sicherheitsgurtes, der so
auf Beckenhöhe zu liegen kommt und andererseits liegt der schräge Teil über dem
Schlüsselbein. Das Risiko einer Bauchverletzung ist dreimal geringer, wenn der Gurt über
dem Becken und nicht über dem Abdomen
liegt. In der Kategorie der 4–8-Jährigen verhindert der Kindersitz Bauchverletzungen
(Paediatrica 2010; 21 (4): 36–37).
Referenz
R. Mannix, E. Fleegler, WP. Meehan III, SA.
Schutzman et al. Booster Seat Laws and Fatalities in Children 4 to 7 Years of Age. Pediatrics 2012; 130; 996–1002.
Studienzentrum
Divisions of Emergency Medicine, and Sports
Medicine, Children’s Hospital Boston, Boston,
Massachusetts; and The Micheli Center for
Sports Injury Prevention, Boston MA, USA.
Stellungnahme
Vol. 25 Nr. 1 2014
Einschreiben
Bundesamt für Gesundheit
Abteilung Leistungen
Schwarzenburgstrasse 165
3003 Bern
30. Januar 2014
Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
Anhörung zur Verordnung über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung
Sehr geehrte Damen und Herren
Als eine der Trägerorganisationen des Berufsverbands der Haus- und Kinderärzte Schweiz war die Schweizerische Gesellschaft
für Pädiatrie von Anfang an in die Masterplanverhandlungen involviert. Sie hat sich stets für eine tarifpartnerschaftliche Lösung für
ein gerechteres Einkommen der Kinderärzte eingesetzt.
Da diese trotz intensiven Bemühungen nicht zustande gekommen ist, begrüssen wir die Initiative des Bundesrates, die gegenwärtige
Blockade mit einem gezielten und befristeten Eingriff zur Besserstellung der Haus- und Kinderärzte im Tarmed zu überwinden.
Im Anhörungsverfahren über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung schliessen wir uns daher der von den
Haus- und Kinderärzten Schweiz am 14.01.2014 eingereichten Stellungnahme vollumfänglich an.
Aus Sicht der Kinder- und Jugendärzte sind folgenden Punkte von besonderer Bedeutung und müssen unbedingt verbessert werden:
Die neue Zuschlagsposition darf nicht nur mit der Position 00.0010 anwendbar sein, sondern muss unbedingt ebenfalls mit den
kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen verrechnet werden können, machen diese doch einen wichtigen Teil der Konsultationen in
der Pädiatrie aus (die Vorsorgeuntersuchungen dürfen nach geltender Regelung nicht zusammen mit 00.0010 abgerechnet werden).
Die Übergangslösung soll wie im Rahmen der Masterplanverhandlungen versprochen, schon am 1. Juli 2014 und nicht erst im Oktober
in Kraft treten.
Nur Fachärzte Kinder- und Jugendmedizin sowie Fachärzte Allgemeine und Innere Medizin sollen diese Position verwenden können.
Hiermit soll eine qualitativ hochwertige Grundversorgung unserer Patienten gefördert werden. Konsequenterweise müssen die
Leistungen von Praktischen Ärzten mit einer eingeschränkten Weiterbildung und Spezialistenleistungen vom Zuschlag ausgenommen
werden. Doppeltitelträger sollen zur Abrechnung berechtigt sein, wenn sie hausärztliche Leistungen erbringen. Sie sollen aber am
selben Tag beim selben Patienten nur entweder hausärztlich oder spezialärztlich tätig sein können. Der Zuschlag soll in Franken und
nicht in Taxpunkten gewährt werden und damit für die ganze Schweiz gleich hoch sein.
Dieses Anhörungsverfahren ist für uns von grosser Wichtigkeit, geht es doch nicht nur um die Besserstellung der Haus- und
Kinderärzte, sondern um einen wegweisenden Entscheid für die Zukunft einer ganzen Berufsgruppe. In dem Sinn danken wir Ihnen
für die Gelegenheit zur Stellungnahme und die Unterstützung unserer Anliegen.
Mit freundlichen Grüssen
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Dr. Nicole Pellaud
Präsidentin
Dr. Philipp Jenny
Vorstandsmitglied SGP
Delegierter MFE
52
Babies – Schutz durch PertussisBoosterimpfungen des Umfelds 1,2,3
Boostrix® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz
Boostrix® (dTpa): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung
auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die
Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit anderen Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile; akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem
Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie oder neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie
und/oder Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung ohne sonst erkennbare
Ursache, Kollaps oder schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder anhaltendes, untröstliches Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder Krampfanfälle mit oder ohne Fieber innerhalb der ersten 3 Tage nach
der Impfung. Bei Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig mit anderen Impfstoffen oder Immunglobulinen – jeweils an einer anderen Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen (Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit,
Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B)
Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter [email protected]
GlaxoSmithKline AG
Talstrasse 3–5
CH-3053 Münchenbuchsee
Telefon +41 (0)31 862 21 11
Telefax +41 (0)31 862 22 00
www.glaxosmithkline.ch
1006582
Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix® (www.swissmedicinfo.ch).
Befreit die Atemwege
Ab
2 Ja
hren
Speziell für Kinder geeignet
1006902
• Pflanzliche Wirkstoffe
• Guter Geschmack
• Zahnschonend
Biomed AG CH-8600 Dübendorf
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Fax +41 (0)44 802 16 00
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htig
pflic
kassen
Gekürzte Fachinformation Sinupret® Sirup (pflanzliches Arzneimittel). Z: Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten,
Sauerampferkraut, Holunderblüten, Eisenkraut. I: Entzündungen von Nasennebenhöhlen und Atemwegen. D: >12 J.:
3 x tgl. 7.0 ml; >6 J.: 3 x tgl. 3.5 ml; >2 J.: 3 x tgl. 2.1 ml. Schwangerschaft: Über die Anwendung entscheidet der Arzt.
KI: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe. UW: Gelegentlich Magen-Darm-Beschwerden, selten Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut, selten schwere allergische Reaktionen. P: Sinupret® Sirup 100 ml*. Warnhinweis:
Enthält 8 Vol.-% Alkohol. Liste C. Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch oder www.compendium.ch.
*kassenpflichtig

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