Böse Geschichten 18 Leseprobe 1: „Claudia hat Schnupfen“ von

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Böse Geschichten 18 Leseprobe 1: „Claudia hat Schnupfen“ von
Böse Geschichten 18
Leseprobe 1:
„Claudia hat Schnupfen“ von Wolf Deunan
(…)Die Ärztin half Claudia in einen leuchtend gelben Pyjama mit kleinen roten Herzen, der viel zu
groß war, in eine Hose und in ein Hemd mit Knöpfen. Claudia kam sich vor wie Katharine Hepburn
in einem alten Film, nur dass Hepburn nie ein Halsband trug und nie zitterte wie in einem
Schneesturm. Die Ärztin zog einen Schlüssel heraus und machte Claudias Halsband ab, und damit
war sie doch noch etwas näher an der Hepburn. Eine sehr kalte Hepburn mit laufender Nase. Sie
bekam die Knöpfe kaum zu, was wohl nicht nur daran lag, dass sie aus der Übung war.
„Langsam“, sagte die Ärztin. „Ich helfe dir.“ Sie nahm dann Claudias Arm und führte sie aus dem
Schlafzimmer.
Es war komisch, Kleidung zu tragen. Es war noch komischer, ohne Halsband zu sein, jedenfalls
außerhalb der Badewanne oder der Sauna oder des Schwimmbades oder der Dusche. Claudia zog ihre
Arme zur Brust und versuchte, warm zu werden. Trotz der Fußbodenheizung waren ihre Füße wie
Eis.
„Du bist gleich im Bett“, sagte die Ärztin, und ein Teil von Claudia dachte nur, wie schön ihre Augen
waren, ein tiefes, reines Grün, obwohl das vermutlich gar nicht wichtig war. Sie konnte kaum stehen.
„Ich glaube, ich bin krank“, sagte sie.
„Ja“, sagte die Frau mit den schönen, aber unwichtigen grünen Augen. „Das könnte eine richtige
Grippe sein. Eine Influenza.“
„Wie lange dauert die?“
Sie kamen an einer weißen Tür in einem der hunderte Gänge der Gesellschaft an, die Claudia
tausendmal durchschritten haben musste, aber wegen einer Augenbinde oder einer Kapuze oder
Klebestreifen über ihren Augen nie zu sehen bekommen hatte. Die Tür schien breiter als normal zu
sein, aber das war bestimmt nur Einbildung. Eigentlich hätte sie neugieriger sein sollen, sich endlich
umschauen müssen, aber ihr war alles egal. Sie wollte nur nicht mehr frieren.
Die Ärztin zog wieder ihren Schlüsselbund aus ihrem Kittel. „Schwer zu sagen. Wenn es doch nur
eine Erkältung ist, sieben Tag ohne ärztliche Hilfe und eine Woche mit.“
„Ah“, sagte Claudia. Sie versuchte, sich an die Frage zu erinnern. „Das ist doch – das – nochmal
bitte?“
„Oh je“, sagte die Ärztin. Sie brachte Claudia ins Bett und zog die Decke hoch und ging wieder und
brachte ihr eine Wärmflasche und ging wieder und brachte einige Tabletten und ging wieder und
brachte etwas zum Lutschen ... und so wirklich erinnerte sich Claudia nicht an Einzelheiten, außer
dass ihre Augen immer sehr grün waren. Zwischendurch half man ihr auf die Toilette. Ihre Nase lief
und lief und lief und lief. Ihr Hals war wie Sand und Asche und Salz.
Irgendwann schlief Claudia. Auf jeden Fall war es dunkel, obwohl es keine Fenster gab. Was auch
nicht wirklich stimmen konnte ...
Dann, irgendwann, war alles wieder klar.
Claudia wachte in einem Bett in einem weißen, fensterlosen Zimmer auf. Es war ein richtiges Bett mit
einer richtigen, breiten Matratze und einem weiß lackierten Eisengestänge. Man hätte es gut für
Fesselungen benutzen können, aber Claudia war nicht gefesselt, was für sie ein ungewöhnlicher
Zustand war. Die Bettwäsche war weiß und die Tür war weiß und über ihr an der Decke waren drei
Neonröhren. Das Zimmer war leer bis auf einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen, alle aus Buche. Auf
dem Tisch standen eine Flasche Wasser, ein Glas und eine künstliche rote Rose in einer Glasvase.
Direkt neben ihrem Bett stand einer dieser hohen fahrbaren Nachtschränke mit einem aufgeklappten
Tisch. Auf dem Klapptisch stand eine angebrochene Wasserflasche, ein Glas Wasser und eine
Riesenpackung Taschentücher. Und daneben lag eine Fernbedienung, denn gegenüber von Claudia,
direkt an der Wand, war ein Fernseher.
Claudia hatte seit drei Jahren keinen Fernseher mehr gesehen.
Es gab zwei Türen, beide wirklich breiter als normal, und jetzt war ihr auch klar, warum: Ihr Bett war
ein richtiges Krankenhausbett und damit vermutlich fahrbar. Die andere Tür war wohl das Klo.
Claudia konnte sich schemenhaft daran erinnern, auf Toilette gewesen zu sein.
Beide Türen hatten Griffe, aber kein Schlüsselloch. Offenbar konnte Claudia den Raum einfach so
verlassen. Auch das war ungewöhnlich.
Das war also das Isolierzimmer. Was würden sie wohl hier mit ihr machen?
Ihre Schleimhäute brannten, und sie hatte dumpfe Kopfschmerzen. Ihre Nebenhöhlen waren wie mit
Klebstoff ausgegossen. Sie versuchte, durch die Nase zu atmen oder auch nur hochzuziehen, aber
vergeblich. Ihr war etwas zu warm, aber nur, wie es immer bei einer Erkältung war – das richtige
Fieber war weg. Wahrscheinlich war das Schlimmste überstanden. Claudia legte sich zurück und
schloss die Augen.
Dann ging ihre Hand zu ihrem Hals, irgendwas fehlte – natürlich, ihr Halsband. Die Kleidung, der
Pyjama, engte sie mehr ein als jeder Gummianzug, das Hemd scheuerte über ihre Brustwarzen. Als sie
gerade überlegte, ob sie nicht wenigstens das Oberteil ausziehen sollte, schlief sie wieder ein.
(…)
Leseprobe 2
„Zimt“ von Dalchini
(…)Wie würde es sein?
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, sie bemerkte es wie ein leises Frösteln und lächelte in der
Dunkelheit mit geschlossenen Lippen. Ja, wie würde es sein, was würde sie ihn kosten lassen heute
Nacht ..?
Sie wusste es selbst noch nicht genau; mehr als dass es sie drängte, ihn zu sehen, mit ihm zu spielen,
wusste sie selten. Sie würde einfach abwarten, wie sie das immer tat, Mondlicht, Schatten und ihr
Duft würden sie führen.
Seine Nasenflügel blähten sich, als der Zimtduft stärker wurde. Ihr Schatten hatte sich nicht bewegt –
oder irrte er sich? War das nicht ihr Schatten, dort, im hellen Rechteck des Fensters?
Plötzlich war der Duft hinter ihm, stieg im eindringlich in die Nase, unmittelbar gefolgt von Händen,
die nach seinen Handgelenken griffen, sie auf den Rücken zogen, höher, Hand an Ellenbogen,
Ellenbogen an Hand legten und seine Unterarme eng aufeinander gepresst zusammenschnürten.
Er folgte dem Reflex, obwohl er es besser hätte wissen müssen, versuchte, sich umzudrehen, drehte
nur den Kopf in diesem Griff, wandte ihn rückwärts, erhaschte einen Blick auf etwas, das an
Rabenflügel erinnerte ... mehr nicht, denn eine Rückhand traf ihn ins Gesicht und schleuderte seinen
Kopf herum.
Er versuchte, den Schmerz in die Schärfe seines Luftholens zu pressen, hielt mit aller Macht seinen
Kehlkopf von dem Schrei ab, der darin aufsteigen wollte; Furcht half ihm dabei, denn wenn er schrie,
wür de sie ihn stumm machen, und er spürte in der Erinnerung das Würgen aufsteigen ... dann war es
zu spät: Nicht einmal eine halbe Sekunde nach dem Schlag entkam der erstickte Aufschrei seinen
schmerzenden Kiefern.
Krallenbewehrte Schraubstockhände, der dumpfe Aufschlag seines nackten Körpers auf dem
teppichlosen Fußboden, ihr Gewicht über ihm, überwältigend jetzt der Zimtduft, der ihm in jede Pore
drang, wie er glaubte, bohrende Finger zwangen seinen Mund auf, die flüchtige Berührung ihrer
weichen Lippen und ihrer tänzelnden Zunge ließen ihn aufstöhnen ... und dann saß der gefürchtete
Knebel auch schon, drängte sich zwischen seine Zähne, sperrte seine Kiefer weiter und weiter
auseinander, drang in ihn ein, tief in den Rachen. Er würgte verzweifelt, sein Körper verkrampfte sich,
seine Arme versuchten ungeachtet der Schmerzen, die er sich damit zufügte, die Fesseln zu sprengen,
seine Füße schlugen auf den Boden ... Aufbäumen, das von ihrer Hand in seinem Haar abgefangen
wurde, niedergezwungen schließlich – und sie, schweigend, wie immer, wartete, bis er sich in sein
Schicksal ergab, sich zwang, durchzuatmen, langsam, ruhig, tief.
Sein Körper schließlich ausgestreckt, ruhig, auf dem kühlen Boden. Das Rauschen in seinen Ohren
klärte sich, der ruhige Rhythmus seiner tiefen Atemzüge wurde lauter, und er wurde gewahr, dass er
allein lag.
Er orientierte sich: Rechts von ihm das helle Rechteck, der Mond schien unbeteiligt wie vorher. Links
von ihm verlor sich das entzauberte Zimmer im Dunkel ... irgendein Zimmer, jetzt, als sie gegangen
war und ihren Zimtduft mitgenommen hatte.
Er zog die Beine an, schloss die Augen. Konzentrierte sich aufs Atmen: Nichts machte ihm so sehr
Angst wie das Würgen, das der Knebel verursachte.
Seit sie ihm das erste Mal diesen Knebel aufgezwungen hatte, wagte er nach ihren Anrufen nichts
mehr zu essen: Zu ekelhaft war es gewesen, als er damals beinahe an seinem eigenen Erbrochenen
erstickt wäre, das er dann von ihren Händen und Füßen hatte lecken und schlucken müssen, als es
sich, vom Knebel befreit, aus ihm ergossen hatte.
Sie hatte nicht nach Zimt geschmeckt. Ihre Haut war salzig.
Sie lehnte bewegungslos im Türrahmen des Nachbarzimmers, verborgen in der Dunkelheit, ihn
beobachtend. Und wieder ihr Lächeln mit geschlossenen Lippen, als sie die Gedanken auf seinem
Gesicht las ... die untere Hälfte zwar verborgen vom Knebel, aber was er oberhalb preisgab, war für
sie trotz der geschlossenen Augen deutlich.
Sie ließ die Peitsche durch ihre Finger gleiten, eine liebkosende, zärtliche Berührung, bevor sie sich
vom Türrahmen löste, auf nackten Füßen lautlos zu ihm ging und noch im letzten Schritt ausholte
und die Peitsche diagonal, an der rechten Brustwarze beginnend, über seinen Bauch zog.
(…)

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